Surprise Strassenmagazin 206/2009

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Szwajcarska Produkt Polen pflücken Schweizer Früchte

Piratenpartei: Die Internetgeneration entert die Politarena

Arbeitsplatz Rutschbahn – unterwegs mit dem Spielplatzinspektor

Nr. 206 | 7. bis 20 August 2009 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.


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15.7.2009 9:40:58 Uhr


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BILD: ISTOCKPHOTO

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Inhalt Editorial Knechte aus dem Osten Leserbriefe Surprise statt Medienschrott Basteln für eine bessere Welt Kasperlitheater im Leutschenbach Aufgelesen Auf Nimmerwiedersehen Zugerichtet Anschauungsunterricht Mit scharf Komödiantenstadel in Bundesbern Erwin … findet Arbeit Porträt Bretter, die die Welt bedeuten Strassenfussball WM-Test gegen Häberli und Hofer Wörter von Pörtner Amiland ist abgebrannt Neue Volksmusik Alpentöne am Gotthard Kulturtipps Konfusion unter freiem Himmel Ausgehtipps Pack die Badehose ein Verkäuferporträt «Ich bin mein eigener Chef» Projekt Surplus Chance für alle! Starverkäufer In eigener Sache Impressum INSP

10 Neue Partei Piraten gegen Zensur Illegale Kopien von Musik und Filmen, Killerspiele, Mail-Überwachung – im Internet tobt ein Kampf um Freiheit und Kontrolle. Jetzt gehen die Computerfreaks in die Offensive. Weil die etablierten Parteien keine Antworten auf die Herausforderungen des Digitalzeitalters haben, entern nun die Piraten die Politik.

12 Sicherheit Kontrolle auf der Rutschbahn BILD: LUC-FRANÇOIS GEORGI

Damit die Kinder unbeschwert toben können, inspiziert Andreas Hochstrasser regelmässig die Freizeitanlagen der Stadt Zürich. Als Spielplatzinspektor steigt er auf Schaukeln und Spieltürme und sucht die Balance zwischen Abenteuer und Sicherheit.

18 Landwirtschaft Die Fruchthelfer

BILD: DOMINIK PLÜSS

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Gemüse und Früchte müssen von Hand geerntet werden. Bauern finden in der ganzen Schweiz beinahe niemanden, der diese Arbeit für sie macht. Deshalb lassen sie Erntehelfer aus Osteuropa kommen. Sie nehmen harte Arbeit und wenig Lohn in Kauf, denn in der Heimat ist das Geld goldwert.

Titelbild: iStockphoto (Szwajcarska Produkt: polnisch für Schweizer Produkt) SURPRISE 206/09

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BILD: DOMINIK PLÜSS

FRED LAUENER,

Leserbriefe «Habt ihr noch mehr der spannenden, nachdenklichen, grauenvollen Kurzgeschichten in petto? Der Sommer dauert an …»

GESCHÄFTSFÜHRER

Bis zu 15 000 ausländische Saisonarbeiter helfen jedes Jahr auf Schweizer Bauernhöfen mit, die Ernte einzubringen. Weil die Arbeit schwer und der Lohn gering ist, ist für die Bauern das benötigte Personal auf dem heimischen Arbeitsmarkt schlicht nicht zu finden. Doch obschon die zumeist osteuropäischen Erntehelfer längst zum Bild der Schweizer Landwirtschaft gehören, sind sie als Thema heikel. Manch ein Bauer, der sich von Polen, Rumänen oder Slowaken helfen lässt, ist schon als Leuteschinder und Ausnutzer hingestellt worden. Den Eindruck, den die Knechte aus dem Osten bei Redaktorin Julia Konstantinidis hinterliessen, als sie für die Reportage in dieser Ausgabe recherchierte, war zumindest vordergründig ein anderer. Für ein paar Monate Arbeit erhalten die Erntehelfer mehr Lohn als sie im eigenen Land in einem ganzen Jahr verdienen könnten (sofern sie dort überhaupt Arbeit finden). Die Bauern andererseits bekommen für bescheidenes Geld überdurchschnittliche Leistung. Der Deal scheint fair. Er ist es aber nur, solange auch fair gespielt wird. Seite 10. Die grassierende Regulierungswut in bald allen Lebensbereichen hat auch ihr Gutes: Sie schafft neue Berufe und Aufgaben. So gelten beispielsweise bei Bau und Unterhalt von Kinderspielplätzen die europäischen Normen EN 1176 und EN 1177. Um die strengen Vorschriften einhalten zu können, braucht es spezielles Know How. Deshalb gibt es seit einigen Jahren sogenannte «Spielplatzinspektoren». Ein eigentlicher Traumjob. Redaktor Reto Aschwanden berichtet ab Seite 14. Schliesslich möchte ich Ihnen den kurzen aber prägnanten Artikel von Stefan Michel über die neueste Gruppierung in der Schweizer Politlandschaft empfehlen. Wie ein Lauffeuer verbreitet sich derzeit die aus Schweden stammende «Piratenpartei» über den Kontinent. Wie in der analogen Schweiz von gestern eine sogenannte Autopartei «freie Fahrt für freie Bürger» forderte, verlangt die Piratenpartei von heute freien Zugang zu Kulturgütern, sprich freies Kopieren aus dem Internet ohne Ende. Seite 12.

Nr. 205: «Lesen!» Surprise statt Medienschrott Wir sind regelmässige Käufer von Surprise. Dabei fällt uns immer wieder auf, dass Sie mit originellen Artikeln unser Interesse finden. Ebenso erfreuen wir uns an der graphischen Gestaltung des Hefts – und die künstlerischen Illustrationen von Priska Wenger sind einzigartig. Die Sommer-Badi-Lesenummer zeugt von kreativer, guter Redaktionsarbeit. Ihr Niveau grenzt sich in jeder Beziehung positiv vom Medienschrott ab, der uns heute zugemutet wird. Eva und Kurt Müller, Bubendorf

Grandios Herzlichen Dank für die aktuelle Ausgabe mit den spannenden und hochwertigen Kurzgeschichten! Grandios! Jasmin Ihr, per E-Mail Kurzweilig Herzlichen Dank für das ausgezeichnete «Lesen»-Magazin. Habt ihr noch mehr der spannenden, kurzweiligen, nachdenklichen, grauenvollen Kurzgeschichten in petto? Der Sommer dauert an … Bernhard Keller, Pratteln

Glückwunsch Ein sehr schönes Heft haben Sie da gestaltet, Glückwunsch! Alex Capus, per E-Mail

Zum Tod von Maria Kata Strazewski Traurig und tief betroffen müssen wir bekannt geben, dass die Co-Leiterin unseres Chorprojektes Maria Kata Strazewski am 6. Juli 2009 bei einem Autounfall während den Ferien ums Leben gekommen ist. Maria war verantwortlich für die individuelle Stimmbildung und die gesangliche Arbeit in der Gruppe. Ihr grosses Engagement, ihre Energie und ihre herzliche, offene Art machten sie nebst der eigentlichen Arbeit zu einer wichtigen sozialen Bezugsperson für die Sängerinnen und Sänger. Nur wenige Tage vor dem tragischen Unglück lachte, tanzte und sang Maria noch mit dem Chor auf der Bühne des Wildwuchs-Festivals in Basel. Es ist schwer zu akzeptieren, dass es das letzte Mal war. Unsere Gedanken sind bei Marias Ehemann Piotr und allen Angehörigen. Strassenmagazin Surprise

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 Ihre Meinung!

Herzlich,

Bitte schicken Sie uns Ihre Anregungen oder Kritik: Strassenmagazin Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 70, redaktion@strassenmagazin.ch. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion behält sich vor, Briefe zu kürzen.

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BILD: DOMINIK LABHARDT

Editorial Von Knechten und Piraten


ILLUSTRATION: WOMM

Grosse Schachtel seitlich aufstellen. Die Seitenwände der Schachtel nach aussen klappen.

Boden mit einem Rahmen von 10 cm ausschneiden. Überflüssigen Karton abschneiden.

Die Kasperlifiguren ausschneiden und an einen Holzstängel kleben.

Basteln für eine bessere Welt Nach Gotthelf, den 50er-Jahren und den Pfahlbauern dürfen jetzt ein paar stramme Schweizer und Schweizerinnen auf SF TV das Leben im Réduit nachspielen. Surprise verzichtet auf dieses Trauerspiel und bastelt sich stattdessen sein eigenes Kasperlitheater. Anleitung: Grosse Schachtel seitlich aufstellen. Die Seitenwände der Schachtel nach aussen klappen. Boden mit einem Rahmen von 10 cm ausschneiden. Das Theater mit Farbe und Vorhängen verzieren. Die Kasperlifiguren auf Karton malen, ausschneiden und an einen Holzstängel kleben – Vorhang auf! SURPRISE 206/09

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Aufgelesen News aus den 90 Strassenmagazinen, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Junge Obdachlose Salzburg. Rund 40 Jugendliche leben in Salzburg auf der Strasse. Viele von ihnen haben es zu Hause nicht mehr ausgehalten, einige sind aus betreuten Wohngemeinschaften oder der Jugendpsychiatrie rausgefallen. «Oft haben diese Jugendlichen eine Persönlichkeitsstörung im sozialen Bereich und können sich schwer integrieren», sagt Pavo JanjicBaumgartner, Leiter der Salzburger Jugendberatung. Je länger sie auf der Strasse leben, desto kleiner wird die Chance, dass sie irgendwann wieder ein Dach über dem Kopf haben.

Alleinerziehende Väter Hannover. In Deutschland erziehen 350 000 Väter ihre Kinder allein, so das Resultat einer Studie der Technischen Universität Dortmund. Die meisten von ihnen übernehmen diese Aufgabe nach einer Scheidung oder dem Tod ihrer Partnerin. Rund 60 Prozent dieser Väter arbeiten Vollzeit. Viele von ihnen leiden darunter, dass der Arbeitgeber ihnen weniger zutraut, seit sie alleinerziehend sind. Sie wünschen sich bessere Kinderbetreuungsangebote und besondere finanzielle Zuwendungen vom Arbeitgeber.

«Ich hatte ein Leben» Hamburg. W. Kepper, 55, Strassenzeitungsverkäufer in Hamburg: «Ich war ein tüchtiger Mittelständler, arbeitete 16 Stunden am Tag in meiner Firma. 17 Mitarbeiter waren beschäftigt. Irgendwann verlor ich meinen Hauptkunden. Ich fand keinen neuen Auftrag in dieser Grösse, musste die Leute entlassen, die Firma schliessen. Schulden, Ehe kaputt, Zwangsräumung. In meiner Stadt kannte man mich. Da war ich wer. Als ich am Ende war, zog ich weg und kam nie mehr zurück. Meine Kinder habe ich seither nicht wieder gesehen.»

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Zugerichtet Richter ohne Robe Die Schüler, die von ihrem Staatskundelehrer ins Bezirksgericht Zürich geführt werden, um durch Anschauung zu lernen, wissen: In Hollywood tragen Richter schwarze Roben, womöglich noch gepuderte Perücken und klopfen mit dem Hammer auf das Pult. Der Angeklagte muss auf die Bibel schwören, die Wahrheit zu sagen und nichts als die Wahrheit. Melodramatisch wandert der Staatsanwalt im Saal umher, schiesst unvermittelt auf den Zeugen zu und unterzieht ihn einem scharfen Kreuzverhör. «Einspruch, Euer Ehren», ruft der Verteidiger zwischendurch und hält die besten Argumente bis zur letzten Sekunde als Trumpf im Ärmel. Aufgeregt schnatternd nehmen die Schüler im hellen und modern eingerichteten Gerichtssaal auf den Zuschauerrängen Platz. Zum ersten Mal sind sie live bei einer Gerichtsverhandlung dabei. Auf dem Programm steht «schwere fahrlässige Körperverletzung». Angeklagt ist der Hauswart einer Badeanstalt. Der Richter, der mit einem Anzug von der Stange gekleidet ist, begrüsst ihn und seine Übersetzerin freundlich. Sie muss jedes Wort ins Italienische und zurück ins Deutsche übersetzen. Die Befragung zieht sich in die Länge. Der Fall ist fad und diffus. Ein von der Justiz zu gemeinnütziger Arbeit verdonnerter Kroate sollte eine 5,4 Meter hohe Wand der Sportanlage neu streichen. Um bis zur Kante zu gelangen, stellte er eine Bockleiter aufs Rollgerüst – eine wacklige Angelegenheit. Prompt stürzte er auf den Asphalt und zog sich dabei schwere Verletzungen an den Handgelenken zu. Seitdem bezieht der Kroate eine Invalidenrente von

30 Prozent. Der Hauswart soll ihn angewiesen haben, die Leiter aufs Rollgerüst zu stellen, behauptete er gegenüber der Staatsanwaltschaft. Anders als in den Gerichtsserien sind bei dieser Verhandlung weder der Kläger noch der Staatsanwalt oder Zeugen zugegen. Die Aussagen und Anträge wurden vorab schriftlich festgehalten. Der Sachverhalt wird als bekannt vorausgesetzt. Nur der Angeklagte muss vor Gericht erscheinen, um seine Sicht der Dinge darzulegen. Er bestreitet, seinen Gehilfen zu diesem Manöver angestiftet zu haben. Wie sie denn kommuniziert hätten, will der Richter wissen. Er – der Angeklagte – spreche ja nur Italienisch und der Kläger seine Landessprache. «Mit Händen und Füssen», sagt der Hauswart und hebt sie zum Augenschein in die Höhe. Es ist eine matte Veranstaltung. Der Richter ohne Schärfe, der Verteidiger ohne Schwung, der Angeklagte maulfaul. Statt der Kraftausdrücke, mit denen die TV-Streithähne um sich werfen, geht es im Real Life sachlich zu. Ein Prozess soll fair sein – und die Verhandlungsführung setzt nicht auf Effekte. Das enttäuscht die fernsehgeprägten Schüler. Zäh fliesst die Zeit dahin. Einige Schüler können das Gähnen kaum unterdrücken, andere fangen an, mit den Beinen zu wippen und rutschen auf den Stühlen herum. Endlich, nach zwei Stunden ist die Gerichtslektion zu Ende. Die Aussagen des Klägers seien widersprüchlich, findet der Richter und spricht den Angeklagten frei. Er erhält eine Prozessentschädigung von 3850 Franken. «Va bene cosi», sagt der Angeklagte dumpf. Die Schüler haben etwas fürs Leben gelernt: Die Wirklichkeit kann der Fiktion nicht standhalten. ISABELLA SEEMANN (ISEE@GMX.CH) ILLUSTRATION: PRISKA WENGER (PRISKAWENGER@GMX.CH) SURPRISE 206/09


Ablenkungstheater Die Schweiz sucht einen Bundesrat Pascal Couchepin hat mit seinem Rücktritt aus der Landesregierung ein Sommertheater inszeniert, das von den wirklich heissen politischen Themen ablenkt. Schlau gemacht, Monsieur le Conseiller fédéral. VON FRED LAUENER

Was haben die Damen und Herren Brunschwig-Graf, Lüscher, Brunner, Darbellay, aber auch Pelli, Schwaller, Broulis, Roth oder Chassot miteinander gemeinsam? Sie alle sind Darsteller in der Sommerkomödie «Die Schweiz sucht einen Bundesrat». Die Handlung ist mega, die Dialoge sind cool: Im Zwielicht des hinteren Teils der Bühne zupfen der hübsche Christian und seine Gefährtin Martine im Schneidersitz zart an den Blütenblättchen ihrer blauen Parteiblümchen. Dazu wiederholen sie immer wieder verzückt und leise den Satz «Sie wählen mich, sie wählen mich nicht.» Genialer Regieeinfall, nicht wahr? Aber es kommt noch besser: Denn plötzlich fällt der lustige Toni vom Heuboden seines Kuhstalls auf die Bühne und plappert los wie Jörg Schneider in seinen besten Zeiten als Kasperli. Tratra trallalla, fragt der Kasperli in unserem Stück, seid ihr alle da? Ich auch, hihihaha, scherzt das lustige Kerlchen, um sogleich dem Publikum einen Schrecken einzujagen. Er sei heute nämlich nur gekommen, um das verehrte Publikum vor dem Krokodil zu warnen, das sich gerade mit einem geheimen Plan ins Theater schleiche. Seit im Kasperliland ein neuer König gesucht werde, fresse sich das böse Tier durch alle braven Herden im Land, damit nur bloss ja kein weisses Schaf neuer König werden könne. Potz Holzöpfel und Zipfelchappe, das ist eine Verschwörung, wenn das die Grossmutter wüsste. Das Krokodil heisst Christophe. Es hat hinter den Kulissen alles mitgehört, kriecht nun behäbig auf die Bühne und öffnet sein grosses Maul: Nichts sei wahr von dem, was der Kasperli verzapft hätte, behauptet es. Ganz im Gegenteil! Es sei ein Krokodil mit Stil und Kultur und wenn es um Menschenfleisch gehe, könne es auch vegetarisch. Jawohl, so sei es, und der Toni lüge schon wieder.

ERWIN

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findet Arbeit

Dann geht der lustige Schwank weiter. Er wird uns noch eine ganze Weile erfreuen. Erst am 16. September wird der letzte Vorhang fallen. Inszeniert wurde das Spektakel von Pascal Couchepin am Schluss der Sommersession, als er seinen Rücktritt aus dem Bundesrat bekannt gab. Couchepin wusste, dass seine Nachfolge zum beherrschenden Sommerlochthema werden würde und andere, auch wichtigere politische Themen unter dem Deckel bleiben würden. Das heisseste Eisen, das Couchepin diesen Sommer auf keinen Fall im Fokus haben wollte, ist die Abstimmungsvorlage vom 27. September zur Invalidenversicherung IV. Dann wird über eine befristete Erhöhung der Mehrwertsteuer als Beitrag zur dringend nötigen Sanierung der IV abgestimmt. Die Vorlage ist umstritten, insbesondere die SVP bekämpft sie vehement. Eine öffentliche Debatte findet jedoch bisher praktisch nicht statt. Sich selbst der Nächste setzte Bundesrat Couchepin die Prioritäten anders. Mit seiner taktisch präzisen Rücktrittsplanung und dem damit verursachten Medienhype um seine Nachfolge hat er ein Ablenkungsmanöver inszeniert, um eine neuerliche hässliche AbstimmungsSchlammschlacht der SVP gegen seine Person zu verhindern. Der Sache ist damit kein Gefallen getan. Sich selber schenkt Couchepin aber vielleicht einen doch noch einigermassen versöhnlichen Abschied aus dem Bundeshaus. Um seine politische Hinterlassenschaft möchten sich dann bitte die Kollegen aus dem Ensemble kümmern, bekannt aus der Reihe «Die Schweiz sucht einen Bundesrat», dem heurigen Sommerkracher auf allen Kanälen. ■

VON THEISS

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Porträt Kunst und jugendlicher Übermut Uwe Heinrich leitet das junge theater basel. Hier kann er tun, was er auch in seiner Freizeit am liebsten macht: ins Theater gehen, Ausstellungen besuchen – und darüber reden. VON MICHÈLE FALLER (TEXT) UND DOMINIK PLÜSS (BILD)

Hinter dem Tresen steht ein schlanker Mann mit Glatze und Turnschuhen und macht Kaffee. Draussen vor der Glastür plätschert der Regen, doch hier drin ist es gemütlich warm und trocken. «Gut hergeschwommen?», fragt er freundlich und trägt die Kaffeetassen zum alten Holztisch mit den knarrenden Bänken. Uwe Heinrich, Leiter des jungen theater basel, setzt sich, nimmt einen Schluck Kaffee und stellt klar: «Ich habe noch nie mit Profischauspielern gearbeitet, aber das interessiert mich auch überhaupt nicht.» Natürlich kennt der Theaterpädagoge und Dramaturg die Arbeit mit professionellen Schauspielern vom Zuschauen oder dramaturgischen Begleiten her. Doch wie gesagt: Sein Hauptinteresse gilt der Arbeit mit Jugendlichen, denn anders als bei Profis müsse man dort auf die Persönlichkeit der Spieler achten: «Ich glaube, es gibt bei Jugendlichen keine Begabung an sich.» Doch wenn man wisse, wie jemand ticke, könne man ihn für eine bestimmte Rolle perfekt besetzen. «Wahrscheinlich spielen junge Leute deshalb so fantastisch, weil sie viel von sich selber einbringen», überlegt Heinrich. Auch das noch nicht Festgelegte, Suchende fasziniert ihn: «Die Jugendlichen sind noch nicht ganz fertig.» Er schmunzelt: «So kann ich mich der Illusion hingeben, dass mein Tun relevant ist.» Das ist wohl der Bescheidenheit zu viel. Schliesslich wurde Uwe Heinrich letzten November für seine Verdienste ums junge theater basel mit dem Kulturpreis der Stadt Basel ausgezeichnet. Er hat das Renommé der seit 1977 bestehenden Talentschmiede stetig vergrössert. Die professionellen Inszenierungen für Jugendliche werden an Theaterfestivals im Inund Ausland eingeladen und heimsen immer wieder Preise ein. Der 1965 in Dresden geborene Heinrich schmeisst den Laden bereits seit bald zehn Jahren. Er sucht für ein Publikum zwischen 14 und 24 Jahren relevante Stücke aus, organisiert Regisseure, Spieler, Bühnenbild, Musik. «Das sind meine offiziellen Aufgaben», sagt der Theaterleiter. «Von meiner Ausbildung, meinem Wesen und meiner Leidenschaft her mache ich alles unter theaterpädagogischen Gesichtspunkten.» Und wer ihm einmal dabei zugesehen hat, der weiss, wie viel Spass das auf beiden Seiten macht, und was für Energien da freigesetzt werden. Pädagogisch war der heutige Theaterleiter früher schon tätig. Noch in der DDR war er Lehrer im Fach Kunsterziehung, allerdings nur zweimal drei Monate lang. «Ich bin gescheitert in der Schule», sagt Heinrich ohne Umschweife. «Bei mir war immer wildes Chaos; die sind über die Tische und Bänke gelaufen.» Eigentlich hätte er drei Jahre an dieser Schule ausharren müssen. «So hast du in der DDR quasi dein Studium zurück bezahlt; mit der Verpflichtung, dort zu arbeiten, wo dich der Staat braucht.» Doch nach den zwei dreimonatigen Einsätzen, unterbrochen von Armeedienst – «Auch so eine Staatspflicht …» –, fiel die

Mauer, und der unglückliche Lehrer war erlöst. In Berlin studierte er Theaterpädagogik und arbeitete darauf in einem Puppentheatermuseum in der Nähe Dresdens als Museumspädagoge. Seine innovativen Führungen, bei denen er die kostbaren Puppen aus den Vitrinen nahm, stiessen bei den Vorgesetzten allerdings auf wenig Begeisterung. «Ich liess die Kasperfigur die Führung machen und seine Puppenkollegen aus der Vitrine nehmen – und bin deswegen mit Ach und Krach geflogen.» Er versteht den Rauswurf rückblickend, muss aber trotzdem ein bisschen spotten: «Kaum hat etwas einen Inventarstempel auf dem Arsch, ist es gleich viel wert wie die Sixtinische Madonna.» Nach seiner Zeit am Theater Junge Generation in Dresden – «Ein Kinder- und Jugendtheater in der Grösse eines Stadttheaters!», erklärt er mit leuchtenden Augen – verschlug es Heinrich 1996 nach Basel: Er übernahm die Leitung des Kindertheaters Spiilkischte, von dem er schon längere Zeit Fan war. Heimweh nach Dresden hat er mittlerweile keins mehr. Er sei ja auch schon ewig weg und lebe gerne in Basel. Seine Eltern besuche er noch ab und zu, doch vor allem seit seine 22-jährige Tochter nicht mehr dort wohne, verbinde ihn nicht mehr so viel mit seiner Heimatstadt. «In Dresden kennt auch nicht jeder jeden; hier in Basel sind alle miteinander verbandelt oder kennen sich über den Götti», sagt er lachend. Nun steht Heinrich auf der leeren Bühne, blickt umher und meint, er habe kein Problem mit dem Nichts: «Wenn 15 Jugendliche hier drin sind, ist die Bühne voll – auch ohne Bühnenbild.» Der Mann ist ein Theaterpädagoge mit Leib und Seele: Bei der aktuellen Theaterkurs-Produktion «the point of no return – do hilft au kei bümpli» geht es um Politikbewusstsein und gleichzeitige Untätigkeit. Ein Thema, das die Jungen bewegt. Dass die Inszenierung nicht moralinschwer daherkommt, zeigt der Flyer, den Heinrich grinsend hervorkramt und auf den Tisch legt: Ein monströses Dekolleté, bestehend aus zwei in ein Unterleibchen ge-

«Bei der Theaterarbeit mit Jugendlichen kannst du gar keine Kunstkacke produzieren.»

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zwängten Weltkugeln, macht den Ernst der Lage mit kräftigem Augenzwinkern deutlich. Und damit ganz sicher keine Missverständnisse aufkommen: «Wir machen hier nicht Sozialarbeit mit Theaterkursen, sondern Kunst mit sozialem Anspruch.» Wenn der Theaterleiter etwas sagt, das auch nur ansatzweise elitär klingt, schiebt er eine Relativierung nach: «Alles spielt sich einigermassen auf der Ebene der Jugendlichen ab. Deshalb können wir gar keine Kunstkacke produzieren.» Uwe Heinrich lässt den Blick kurz in die Ferne schweifen und stellt fest, dass er am jungen theater basel genau das mache, was er auch sonst in seiner Freizeit gerne tun würde, falls er denn welche hätte: ins Theater gehen, Ausstellungen besuchen, über Kunst reden. Der wortgewandte Mann hält einen Moment inne und lächelt dann zufrieden. ■

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BILD: ISTOCKPHOTO

Neue Partei Die digitalen Seeräuber Seit den Betreibern der Internettauschbörse «The Pirate Bay» der Prozess gemacht wurde, stechen in der ganzen Welt Piratenparteien in See und entern die politische Diskussion um Rechtsfragen im digitalen Zeitalter.

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VON STEFAN MICHEL

Diese Geschichte beginnt in einer Piratenbucht im digitalen Meer des Internets, und sie schlägt weltweit Wellen, die inzwischen auch das Binnenland Schweiz erreicht haben. «The Pirate Bay» ist eine der grössten Internettauschbörsen der Welt. Geschätzte 22 Millionen Menschen bieten sich dort gegenseitig Musikstücke, Filme, Spiele oder Computerprogramme an. Deren Vermarkter – Plattenfirmen, Filmproduzenten, Game-Hersteller usw. – sehen sich um ihre Urheberrechte betrogen, die ihnen normalerweise einen wesentlichen Teil ihrer Einkünfte bescheren. Weil «The Pirate Bay» von Schweden aus unterhalten wird, klagt der Weltverband der Phonoindustrie dort gegen die Betreiber. Vier Personen werden Mitte April dieses Jahres in einem Aufsehen erregenden Prozess zu einem Jahr Gefängnis und einer Busse von 2,7 Millionen Euro verurteilt. Schon drei Jahre vorher haben sie und ihre Mitstreiter die Piratenpartei gegründet. Ihr primäres Ziel ist die Reform des Urheberrechts und speziell die Legalisierung des Austauschens digitaler Dokumente – also der Gesetze, derentwegen sie vor Gericht stehen. Das harte Urteil, sechs Wochen vor der Europaratswahl gefällt, entpuppt sich für die selbsternannten Seeräuber als politischer Goldschatz: Aus dem Nichts erreichen sie in Schweden 7,1 Prozent der Stimmen und erbeuten einen Sitz im Europaparlament.

Tipp gegeben. Dass diese den Jungsozialisten Stimmen rauben könnten, glaubt er nicht. «Als Partei im eigentlichen Sinn wird es für sie sehr schwierig. Dafür gibt es in der Schweiz schlicht keine politische Nische, die sie besetzen könnten. Auch müssten die Piraten dann thematisch deutlich breiter werden.» Auch Erich Hess, Vorsitzender der Jungen SVP, hat keine Angst vor der schwarzen Flagge: «Sicher können sie gewisse Leute abholen. Dass sie sich mit nur einem Thema in der ganzen Schweiz halten können, bezweifle ich.» Den Anliegen der Piraten stehen sowohl der Links- wie der Rechtspolitiker wohlwollend gegenüber. Hess hält fest: «Die Piratenpartei kämpft für möglichst viel Freiheit im Netz, wir kämpfen für eine möglichst freie Gesellschaft. Damit kämpft sie für etwas, wofür wir schon

«Parteien ohne weltanschauliches Profil setzen sich in der Schweiz nicht durch.»

Kurs auf die Schweiz In 24 Ländern kreuzt inzwischen eine Piratenpartei. Eine der jüngsten ist jene der Schweiz. Wofür kämpfen die Seeräuber? Freies Fischen für alle im weltweiten Netz? Freiheit für die verurteilten Betreiber der Piratenbucht? Denis Simonet, 24-jähriger Informatikstudent an der ETH und Präsident der Piratenpartei der Schweiz (PPS), klärt auf: «Wir wollen freien Zugang zu Kulturgütern, die Wahrung unserer Grundrechte, insbesondere der Privatsphäre und informationeller Selbstbestimmung, und wir sind gegen schädliche Monopole, welche eine Folge des geltenden Patentrechts sind.» Noch haben die Schweizer Piraten kein eigenes Programm und berufen sich auf jenes des schwedischen Mutterschiffs. Im Forum auf der Partei-Website wird eifrig diskutiert. In den Grundsätzen sei man sich einig, in den konkreten Forderungen und Vorschlägen noch nicht, erklärt Simonet. Das liegt wohl auch an der unterschiedlichen politischen Herkunft der Schweizer Seeräuber. Es seien Leute aller politischer Couleur dabei, vom SVP-Anhänger bis zum SP-Wähler, erklärt er. Die allermeisten verbringen sehr viel Zeit vor dem Computer und haben überdurchschnittliche Kenntnisse in der Informationstechnologie. Man finde sich im Anliegen eines möglichst freien Internets und dem Schutz vor Überwachung ganz allgemein. «Wir sind die digitale Generation. Wir sind mit Computern aufgewachsen. Den meisten Politikern fehlt das Verständnis und das Wissen, um vernünftig über diese Themen entscheiden zu können», erklärt der Seeräuberhäuptling selbstsicher. Warum aber gründet diese digitale Bewegung, die als FacebookGruppe richtig ins Rollen kam, so etwas Schwerfälliges und Altmodisches wie eine Partei. «Wir wollen politisch ernst genommen werden und unsere Anliegen in die politischen Gremien tragen. Hätten wir einen Verein gegründet, würde das niemand zur Kenntnis nehmen.» Zufrieden fügt er an: «Seit der Gründung der Facebook-Gruppe waren wir in allen grossen Zeitungen der Schweiz, in der Tagesschau und auf mehreren Radiokanälen. Zumindest die Medien nehmen uns ernst.»

lange kämpfen.» Wermuth sieht Möglichkeiten der Zusammenarbeit: «Mit der Lobbyarbeit in ihren Kernthemen kann sie eine Ergänzung zur JUSO sein, ähnlich dem VCS oder der GSoA. In der Frage der Killerspiele sind wir zum Beispiel einer Meinung.» Die Piratenpartei hält ein mögliches Verbot von sogenannten Ego-Shootern für einen unzulässigen Eingriff in die persönliche Freiheit und ausserdem für völlig wirkungslos, um Gewalttaten zu vermeiden. «Mit der Netzpolitik greift die Piratenpartei ein wichtiges, neues Thema auf», findet auch Politikforscher Michael Hermann von der Universität Zürich. Dass sie den Erfolg ihrer schwedischen Vorbilder wiederholen können, glaubt er nicht. «Wahlen haben hier weniger Protestcharakter. Wenn zur rechten Zeit eine populäre Website verboten wird, ist vielleicht ein Achtungserfolg möglich, mehr aber auch nicht.» Der Grund: «Parteien ohne weltanschauliches Profil setzen sich in der Schweiz nicht durch.» Mit ihrer an der Gründung geäusserten Losung, weder links, noch rechts, sondern vorne zu politisieren, lassen sich gemäss Hermann kaum Wählerstimmen gewinnen. Ein allfälliger Piratenparlamentarier wird zu mehr als 95 Prozent nicht über digitale Themen befinden müssen, sondern über Fragen wie die Ausgestaltung der Sozialwerke, Verträge mit der EU oder Umweltrichtlinien. Schwer vorstellbar, dass sich die rechten und linken Piraten in diesen Punkten einig werden. «Wir diskutieren das», sagt Simonet. «Eine Möglichkeit wäre für mich, dass wir auf der Liste angeben, ob jemand bei Nicht-Piratenthemen eher die SVP- oder die SP-Linie vertritt.» Vorerst steht aber das Feilen an den eigenen Positionen im Vordergrund. «Die Lösungen, die wir anstreben sind einfach, vernünftig und pragmatisch», verspricht der Präsident. Ein Verbot von Killerspielen bringe ebenso wenig wie das Stoppschild, das seit Kurzem indizierten Kinderporno-Websites vorgeschaltet ist – nach diesem Hinweis könne man deren Inhalt trotzdem ansehen. «Kinderpornoseiten gehören abgeschaltet – fertig! Das Stoppschild macht es sogar noch einfacher, sie zu finden.» Für Simonet, der neben dem Studium beim Bund als Software-Tester arbeitet, ein Paradebeispiel für den mangelnden Sachverstand von Politikern und Behörden in digitalen Fragen. Keine Angst hat der Jungpolitiker vor Beutezügen der etablierten Parteien auf die Themen der Piraten – im Gegenteil. «Wir wollen nicht unbedingt als Partei gross werden, sondern, dass sich unsere Ideen durchsetzen. Wenn das andere Parteien übernehmen, ist uns das recht. Dann braucht es uns nicht mehr.» Dann dürfte die schwarze Flagge bald am Horizont verschwinden. ■

Wer hat Angst vor der schwarzen Flagge? Mit ihrer gezielten Mobilisierung der Internet-affinen Jugend fischen die Piraten in den Gewässern anderer Jungparteien. JUSO-Präsident Cédric Wermuth ist an der Gründungsversammlung der Piratenpartei dabei gewesen und hat den Politneulingen den einen oder anderen SURPRISE 206/09

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Sicherheit Verspielt von Amtes wegen Bildlegende

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Andreas Hochstrasser hat den Traumjob vieler Kinder. Als Spielplatzinspektor steigt er beruflich auf Holztürme und Rutschbahnen. VON RETO ASCHWANDEN (TEXT) UND LUC-FRANÇOIS GEORGI (BILDER)

«Was machsch du da?» Der Dreikäsehoch blickt zum Erwachsenen, der auf der Hängebrücke des Spielplatzes in Zürich Wipkingen steht und konzentriert die Holzelemente studiert. «Ich kontrolliere, ob alles in Ordnung ist», antwortet Andreas Hochstrasser. Solche Begegnungen sind für ihn Alltag. Als Fachkraft für die Spielplatzsicherheit in der Stadt Zürich ist er regelmässig auf Freizeitanlagen unterwegs. «Und warum schabst du jetzt das Holz ab?» «Da stand etwas vor, und ich möchte nicht, dass sich eines von euch Kindern eine Spriesse holt.» Seit zehn Jahren gelten in der Schweiz EN 1176 und EN 1177. Diese europäischen Normen regeln, was beim Bau und beim Unterhalt von Spielplätzen zu beachten ist. Andreas Hochstrasser ist als Leiter der Arbeitsgruppe Sicherheit bei Grün Stadt Zürich zuständig für die rund 150 öffentlichen Spielplätze, bei denen die städtische Dienstabteilung Grundeigentümerin ist. Zusätzlich kontrolliert der 49-Jährige gemeinsam mit vier anderen Fachkräften rund 400 weitere Spielanlagen, die der Stadt gehören. Es gibt drei verschiedene Arten der Kontrolle: Die visuelle Begutachtung findet wöchentlich statt, alle vier Monate prüfen Mitarbeiter von Grün Stadt Zürich bei operativen Kontrollen die Funktionstüchtigkeit der Geräte und bei der jährlichen Hauptinspektion werden schon mal Fundamente ausgegraben. Das macht Hochstrasser heute nicht, dafür schaut er nach Abnutzungsspuren an den Ketten der Schaukeln. Später kontrol-

liert er mit verschiedenen Prüfkörpern die Zwischenräume bei Netzen und Holzkonstruktionen. Vereinfacht gesagt, geht es dabei darum, auszuschliessen, dass sich ein Kind den Kopf einklemmen kann. Hochstrasser erklimmt jeden Turm und kriecht durch jeden Durchgang. Das macht ihm sichtlich Spass, der Grund dafür ist aber ernst: «Jedes Gerät muss so beschaffen sein, dass ein Erwachsener ein Kind retten kann, wenn es Schwierigkeiten oder Angst bekommt.» Sand auf dem Parkett Kleinere Gemeinden sind mit der Umsetzung der Spielplatznormen oft überfordert, denn eine Ausbildung in Spielplatzsicherheit existierte in der Schweiz bisher nicht. Nun ändert sich das. Andreas Hochstrasser ist auch Delegierter bei der Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) und

«Ein Kind braucht Herausforderungen, sonst ist ein Spielplatz nicht interessant.» hat ein Mandat des Vereins Schweizerischer Stadtgärtnereien und Gartenbauämter. Er leitet Lehrgänge, in denen er Berufskollegen zum Thema Sicherheit auf Spielplätzen schult. Denn auf diesen Anlagen gelten besondere Regeln – das fängt schon bei der Kleidung an. Bei Einsätzen vor Ort trägt Hochstrasser eine Signalweste mit der Aufschrift «Spielplatzkontrolle». Die braucht er deshalb, weil es auch schon vorkam, dass besorgte Eltern – einen Pädophilen vermutend – die Polizei riefen, als

Die Verankerung hält. Gleich wird Hochstrasser mit den roten Prüfkörpern, die Kinderköpfe symbolisieren, Zwischenräume kontrollieren. SURPRISE 206/09

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einer seiner Berufskollegen in zivil auf dem Spielplatz fotografierte. Etwa 40 Prozent seiner Arbeitszeit verbringt Hochstrasser draussen. Langweilig wird im dabei nie: «Es gibt immer wieder neue Herausforderung, deshalb habe ich nie das Gefühl, ich hätte genug von Spielplätzen. Im Gegenteil: Ich finde es absolut lässig.» Jeden Kratzer können alle Sicherheitsbestimmungen und regelmässigen Kontrollen nicht verhindern. Und das müssen sie auch nicht. Ein Spielplatz ist keine Gummizelle. «Ein Kind braucht Herausforderungen, ein Risiko, sonst ist ein Spielplatz nicht interessant», sagt Hochstrasser, der selber vierfacher Vater ist. Die Vorschriften verlangen deshalb nicht komplette Unversehrtheit, sondern nur die Vermeidung bleibender Körperschäden. Das verstehen allerdings längst nicht alle. Als sich ein Kind auf einem Zürcher Spielplatz einen Milchzahn ausschlug, fand der behandelnde Arzt, das dürfte nicht passieren. In solchen Fällen ist Hochstrasser froh, wenn er auf die Normen verweisen kann, die besagen: Doch, das liegt absolut drin. Nichts nützten die Normen in einem anderen Fall: Ein Kind hatte Sand vom Spielplatz mit heim genommen und damit den Parkettboden im Wohnzimmer beschädigt. Daraufhin verlangten die Eltern vom Spielplatzinspektor allen Ernstes Schadenersatz. Hochstrasser verzieht keine Miene, als er seine Reaktion schildert: «Ich sagte: Ich schicke Ihnen eine Rechnung für den Sand, der weggekommen ist.» Der gesunde Menschenverstand ist für Hochstrassers Arbeit kein Kriterium: «Man sollte nicht voraussetzen, dass die Leute selber ein Gefahrenbewusstsein haben.» Weniger diplomatisch formuliert: Beim Thema Sicherheit ist vom dümmsten anzunehmenden Menschen auszugehen. Auf den öffentlichen Spielplätzen stehen Infotafeln, auf denen unter anderem darauf hingewiesen wird, dass Velohelme und Schlüsselanhänger abzulegen sind, bevor sich ein Kind auf Netze oder in enge Röhren stürzt. Solange die Kleinen selber aufpassen, passiere relativ wenig, erzählt Hochstrasser: «Ein Kind, das sich überfordert fühlt, geht zurück und meidet die Gefahr. Wenn ihm aber die Eltern zum Beispiel auf einen Turm helfen, kann es sein, dass es oben unsicher agiert und runterfällt.» Nylon für die Rutschbahn Die Geräte auf den verschiedenen Anlagen in Zürich unterscheiden sich stark. «Wir wollen keine 08/15 Spielplätze», erklärt Hochstrasser. Deshalb werden bei Neubauten nach Möglichkeit die Quartierbevölkerung und die Kinder in der Nachbarschaft miteinbezogen. Auf grösseren Plätzen gibt es auch Sonderanfertigungen. So wie auf der neuen Anlage beim Gemeinschaftszentrum Heuried am Fuss des Üetlibergs. Bevor die am 11. August 2009 offiziell eröffnet wird, trifft sich der SpielplatzInspektor vor Ort mit Erbauer Fredi Schelb, um letzte Korrekturen zu besprechen. Auf einem Erdhügel erhebt sich ein fünfeckiger Turm. Zur Spitze führt eine Wendeltreppe, die aus Seilen gespannt wurde. «Diese Netze mussten vor Ort geknüpft werden, bei einer solchen Konstruktion lässt sich das nicht vorab berechnen», berichtet Schelb, während Hochstrasser kontrolliert, ob beim Eingang ins Innere die Kanten so abgerundet worden sind, wie er es bei der letzten Inspektion verlangt hatte. Konstrukteur Schelb erklärt unterdessen, dass er seit 20 Jahren Spielplätze baue. Erlernen könne man den Beruf nicht, sagt der ehemalige Werklehrer: «Das Wissen, das man dafür braucht, baut man sich durch Erfahrung auf.» Erfahrungswerte kommen auch bei der Hygiene zum Einsatz. So wird der Sand auf Spielplätzen heutzutage nicht mehr komplett ausgetauscht, sondern nur teilweise. Untersuchungen haben nämlich gezeigt, dass sich Bakterien in neuem Sand besonders schnell ausbreiten. «In Gebrauchtem hingegen herrscht ein biologisches Gleichgewicht, in dem sich Gut und Böse bekriegen», erläutert Hochstrasser. Zum Abschluss der Begehung zieht es den Spielplatzinspektor auf die Rutschbahn. Unten angekommen, wirkt er ein wenig enttäuscht: «Die Bahn ist nicht besonders schnell.» Allerdings, so fachsimpelt er mit Schelb, seien Jeans nicht die ideale Bekleidung: «Am schnellsten sind Frauen in Nylonstrümpfen.» ■

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Schutz für Kinderköpfe: «Hier wurden die Kanten abgerundet.»

In Strümpfen wäre er schneller: Hochstrasser auf Probefahrt. SURPRISE 206/09


Riesenstimmung: Bei der letzten WM in Melbourne trieb das Publikum die Spieler zu Höchstleistungen.

Strassensport Letztes Heimspiel vor der WM Beim Surprise Strassensport Turnier in Bern startet die Nationalmannschaft ihr intensives Trainingsprogramm für die Weltmeisterschaft und trifft dabei auf so prominente wie hochkarätige Sparring Partner. VON OLIVIER JOLIAT (TEXT UND BILD)

Keines der 16 Liga-Teams konnte Glattwägs United bei der Schweizer Meisterschaft das Wasser reichen. Die jungen Fussballer aus Schwamendingen holten den Titel und bilden nun den Stamm der Nationalmannschaft, die im September an den Homeless World Cup nach Mailand fährt. Dort warten auf die Nati fussballerische Grosskaliber wie Brasilien, England, Deutschland oder Gastgeber Italien. Darum wurde Glattwägs United mit einigen Spielern anderer Teams verstärkt. Diese Kaderspieler stecken nun in einem harten Trainingsprogramm. Ein letzter Test unter Wettkampfbedingungen bietet das Surprise Strassensport Turnier auf dem Waisenhausplatz in Bern. Es ist auch für die Zuschauer die letzte Möglichkeit, das Nationalteam auf heimischem Boden spielen zu sehen und zu unterstützen. Ein Spektakel der besonderen Art wird um 12 Uhr das Spiel gegen ein Berner All-Star Team, angeführt von Ex-Nationalspieler Thomas Häberli, der auf diese Saison hin von den Young Boys keinen Vertrag als Spieler mehr erhielt, von den Fans aber dank seinen vielen Toren und seiner sympathischen Art weiterhin innig geliebt wird. Häberli wird unterSURPRISE 206/09

stützt von den Wurzel 5 Rappern Serej, Diens und Tiersch. Die drei trumpfen nicht nur mit schnellem Mundwerk auf, sondern überzeugen auch mit Ballgefühl. So dominierten sie mit Obstberg United über die Jahre die Alternative Fussballliga Bern und wurden einmal gar Europameister in der Alternativen Liga. Während der EM 08 zwangen sie zudem eine Auswahl der YB-Legenden in die Knie. Eine andere Berner Grösse steht dem All-Star Team mit dem frisch gewählten Stadtrat und Bronco Jimy Hofer zur Seite. Doch egal, ob die Nati das Spiel und eventuell gar das Tunier gewinnt: Bis Mailand wird noch viel geschwitzt. Am 30. August fährt das Kader ins Tessin, wo in der Streetsoccer Arena von Surprise Strassensport unter der Führung von Nationaltrainer David Haberthür technische und taktische Finessen trainiert werden. Direkt vom Trainingslager rollt die Nationalmannschaft dann nach Mailand, wo vom 6. bis zum 13. September der siebte Homeless World Cup ausgetragen wird und sich die Schweiz mit 48 Nationen misst. ■ Samstag, 22. August, 10 – 19 Uhr, Waisenhausplatz, Bern.

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Die Surprise Strassensport Liga 2009 16 Teams aus der Deutschschweiz messen sich diese Saison bei den Streetsoccer Turnieren von Surprise Strassensport. Mehr Infos zu den Teams, der Liga und den Projekten von Surprise unter: www.strassensport.ch FOTOS: CHRISTIAN SCHNUR

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AC Gasse Chuchi Luzern AFG Boys Basel FC Barracuda Frenkendorf N端ni Tram Bern Schwarzer Peter Basel Glattw辰gs United Schwamendingen Schweizermeister 09 Kategorie A TASCH Schaffhausen Schweizermeister 09 Kategorie B Stadtk端che Olten Street Kickers Basilisk Basel Surprise Kobras Basel Surprise Lions Z端rich Surprise Sahara Basel Team Olten Toblerone Bern Obstikickers Rombach (ohne Foto) WIPP Wil (ohne Foto)

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Landwirtschaft Von fremder Hand gepfl端ckt 18

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Hilfskräfte für die Feldarbeit zu finden, ist in der Schweiz schwierig. Deshalb übernimmt im Sommer eine Heerschar von Menschen aus Osteuropa die Erntearbeit auf heimischen Höfen. JULIA KONSTANTINIDIS (TEXT), DOMINIK PLÜSS (BILDER)

Sie stehen zwischen Himbeersträuchern im Aargau, machen den Rücken auf Salatfeldern im Thurgau krumm und holen im Baselbiet die Kirschen von den Bäumen. Sie kommen aus Orten, von denen hier niemand je etwas gehört hat und sprechen Sprachen, die kaum jemand versteht. Sie heissen Jewgeny, Krzystof oder Edyta und ohne sie hätten unsere Gemüse- und Obstbauern ein grosses Problem. Denn ohne die Erntehelfer aus dem Ausland käme ihr Gemüse und Obst nicht rechtzeitig vom Feld in die Läden. Schätzungsweise 10 000 bis 15 000 Erntehelfer reisen pro Sommersaison in die Schweiz ein und stellen so die Verfügbarkeit an Arbeitskräften in der Landwirtschaft sicher. In den letzten Jahren sind es zunehmend Menschen aus den neuen EU-Ländern im Osten Europas, die den MoMonika Fyda: tor der Schweizer Landwirtschaft am Laufen halten. Männer und Frauen aus Polen, aus Tschechien, aus der Slowakei oder aus der Ukraine machen landauf, landab das, wofür sich keine Schweizer mehr finden lassen: Stundenlange, körperlich anstrengende Arbeit, draussen bei jeder Witterung, sechs Tage die Woche, für wenig Geld. «Ich bin zufrieden. Mit Schweizern kann man nicht schaffen.» Peter Kallen, Gemüse- und Obstbauer in Oberwil, Baselland, spricht klare Worte. Auf seinem Betrieb werden für die Erntearbeit traditionellerweise Ausländer angestellt. «Am Anfang kamen sie aus Spanien und Italien, dann aus Portugal und der Türkei», so Kallen. Jetzt sind es Osteuropäer wie Krzystof Ozimek und seine Frau Edyta aus Polen, die sich vorübergehend in den Unterkünften auf dem Hof eingerichtet haben. Sechs Zimmer stehen zur Verfügung, wenn möglich bringt Kallen die Angestellten einzeln darin unter, je nach Anzahl der Erntehelfer müssen sich zwei ein Zimmer teilen. In zwei Küchen können sich die Arbeiter ihr eigenes Essen zubereiten, was auf dem Betrieb wächst, erhalten sie gratis, alles andere müssen sie sich selber kaufen.

Da der gelernte Elektromechaniker diesen gut bezahlten Job in seinem Heimatdorf in Ostpolen sowieso nicht findet, reist er seit einigen Jahren durch Westeuropa, den reifen Früchten hinterher. Auf einem Erdbeerfeld in Deutschland hat der 25-Jährige seine Frau Edyta kennen gelernt. In Deutschland hätten teilweise bis zu 200 Erntehelfer auf einem Hof gearbeitet, «das war nicht gut, es waren zu viele», meint Ozimek. Bei Peter Kallen gefällt es ihm, insgesamt sind sechs Erntehelfer aus den neuen EU-Ländern auf dem Hof beschäftigt, man pflegt eine gute Freundschaft untereinander. Drei von ihnen haben ein eigenes Auto, da liegt nach Feierabend ein Besuch bei anderen polnischen Erntehelfern in der Umgebung drin – und davon gibt es viele. Mit dem Patron beschränkt sich der Kontakt auf die Arbeitszeit. «Wenn ich will, gehts», meint

«Ich will eine Arbeit finden und mein Haus zu Ende bauen.»

Arbeit als Willensfrage Fleissig und bescheiden muss sein, wer seine Brötchen auf Schweizer Feldern verdient: Als Empfehlung für den Minimallohn der Erntehelfer wurden vom Schweizerischen Bauernverband 3110 Franken brutto im Monat festgelegt – bei einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 55 Stunden die Woche. Laut Hanspeter Flückiger, Leiter des Geschäftsbereichs Agro-Impuls, der Erntehelfer an Bauern vermittelt, gehen davon gemäss Empfehlung 990 Franken für Kost und Logis weg. Kommen noch die Abzüge für AHV/IV, die Krankenkasse und die Quellensteuer dazu, bleiben weniger als 2000 Franken am Ende des Monats. «Die Gemüse-Margen sind so niedrig, ich kann nicht mehr bezahlen», begründet Peter Kallen seine Lohnpolitik. Was für Schweizer indiskutabel ist, ist für die ausländischen Erntehelfer goldwert: «Ich verdiene hier dreimal so viel, wie ich in einem gut bezahlten Job in Polen bekommen würde», erklärt Krzysztof Ozimek. SURPRISE 206/09

Krzystof Ozimek, auf die Arbeitsbelastung angesprochen. Um sechs Uhr morgens ist Arbeitsbeginn, Schluss ist gegen sechs Uhr abends. Dazwischen muss die Arbeit vorwärts gehen, schliesslich sollen die Detailhändler schöne frische Ware in der Auslage haben. Krzystof Ozimek und seine Frau nehmen die Plackerei auf den Feldern in Kauf, denn sie haben ein Ziel: In der Heimat ein Haus bauen. Arbeit mit Bewilligung Um Lohndumping zu verhindern, müssen die hiesigen Landwirte Arbeitsbewilligungen für Erntehelfer aus den neuen EU-Ländern beantragen. Für Hilfskräfte aus den alten EU-Ländern besteht lediglich eine Meldepflicht. Um die Bewilligung zu erhalten, müssen die freien Stellen vorgängig beim Regionalen Stellenvermittlungszentrum (RAV) ausgeschrieben werden. Damit soll sichergestellt sein, dass keine Ausländer für die Arbeit bevorzugt werden. Die Gefahr ist klein: «Es melden sich extrem wenige Schweizer auf diese Stellen», weiss Judith Müller, Leiterin des Rechtsdienstes des Amts für Arbeit im Kanton Thurgau. Sie rechnet bis Ende Jahr mit rund 800 ausgestellten Bewilligungen für Arbeitskräfte aus dem Ausland, die eine Maximal-Aufenthaltsdauer von einem Jahr erlauben. Da in der Landwirtschaftsbranche keine Gesamtarbeitsverträge existieren, liegt die Bewilligungspraxis beim Kanton. Im Thurgau hält man sich an die Vorgaben des Bauernverbands und gibt nur Arbeitsplätze frei, die sich an die Minimallohn-Empfehlungen des Verbands halten und wo die Unterkünfte den landesüblichen Standards entsprechen. Diese Definition ist allerdings sehr weit gegriffen: «Das ist eine Grauzone», meint Christa Suter, Leiterin der UNIA-Sektion Winterthur. Die Unterkünfte seien immer wieder ein Thema. Suter kennt die Situation der Erntehelfer aus der Region Zürich, wo sie versuchte, die Arbeiter zu

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organisieren, damit diese ihre Interessen besser vertreten könnten, denn: «Aufgrund fehlender Sprachkenntnisse wissen die Erntehelfer oft nicht über ihre Rechte Bescheid und können deshalb auch nicht dafür einstehen.» So komme es vor, dass etwa Familienzulagen nicht ausbezahlt oder keine Überstundenregelungen ausgearbeitet würden. Die Gewerkschaft verlangt vom Bund, immerhin minimale Standards festzulegen. Doch damit das geschieht, muss feststehen, dass die Branche punkto Missbrauch als prekär einzuschätzen ist. Dazu braucht es aber Beweise und Leute, die etwas sagen. An diese ranzukommen, ist für die GeJewgeny Momom: werkschaft jedoch schwierig, da die Erntehelfer oft nur über die Arbeitgeber erreichbar sind. Tatsächlich habe es mit dem Beitritt der neuen EU-Länder 2004 eine gewisse Polemik à la «der Bauer lässt die Polen für sich arbeiten» gegeben, berichtet Hanspeter Flückiger. Der Bund stufte die Landwirtschaft vor einigen Jahren noch als «Fokusbranche» ein und verordnete flankierende Massnahmen: Die kantonalen Behörden mussten überprüfen, ob Lohnmissbrauch stattfand. Unterdessen wurden diese Kontrollen eingestellt, die Branche aus dem Fokus genommen. «Die Arbeitsbedingungen sind besser geworden», stellt Philippe Sauvin fest. Seine Gewerkschaft, l’autre syndicat im Waadtland, hat die Situation der Erntehelfer als prioritär eingestuft, Skandale über inakzeptable Unterkünfte aufgedeckt und damit einiges erreicht: Der Mindestlohn liegt in der Waadt zwingend über den Empfehlungen des Bauernverbands bei 3300 Franken. Aktuell läuft eine Petition für einen 13. Monatslohn. Für die Vertreter der Arbeitnehmer ist das Fernziel klar: Ein Gesamtarbeitsvertrag mit verbindlichen Richtlinien, wie es in vergleichbaren Branchen wie etwa dem Baugewerbe üblich ist.

Arbeit zu jeder Zeit Die 18 jungen Leute, die auf dem Hof von Hansruedi Brunner in Therwil zwischen endlosen Reihen von Heidelbeer-Sträuchern stehen, haben andere Sorgen: Nur die schönsten, reifsten Beeren sollen sie in die Karton-Schalen legen, da achtet der Chef genau drauf. Mit steter Strenge hält Brunner seine Gehilfen beisammen. Es sind Männer und Frauen aus Polen und aus der Ukraine. Die meisten sind als Praktikanten angestellt,

«Hier ist das Geld gut, sehr gut.» was die Lohnkosten für Brunner tiefer hält, als wenn er reguläre Erntehelfer beschäftigen würde. Er braucht die vielen Hände: 10 bis 20 Tonnen Himbeeren und etwa das Doppelte an Erdbeeren ernten die Angestellten pro Saison. «Die Verfügbarkeit von motivierten Pflückern ist unabdingbar, da die heiklen Früchte eine sehr kurze Erntezeit haben. Es ist deshalb sehr wichtig, dass die Erntehelfer auf dem Hof wohnen, damit bei guten Wetterverhältnissen geerntet werden kann.» Auf dem einheimischen Arbeitsmarkt findet Hansruedi Brunner schwer geeignete Helfer, seine Erlebnisse mit Personen, die ihm vom RAV vermittelt wurden, beschreibt er als katastrophal. «Eigentlich schade, denn es war angenehm Schweizerdeutsch zu reden», findet Brunner. Mit seinen Erntehelfern aus Osteuropa verständigt er sich auf Hochdeutsch, das aber nicht alle gleich gut beherrschen.

Landwirt Hansruedi Brunner ist mit seinen Praktikanten aus Osteuropa zufrieden.

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In mühevoller Handarbeit füllen die Erntehelfer Schale um Schale mit Beeren.

Um die Liefersicherheit bei den Abnehmern garantieren zu können, habe er 1990 mit der Beschäftigung von Frauen aus Bosnien begonnen. «Aus Kriegsgründen wurde das sehr gute Personal aus dem ehemaligen Jugoslawien für die Schweiz gesperrt, so dass wir in Portugal rekrutieren mussten», erzählt der Landwirt. Das sei ein paar Jahre gut gegangen, jetzt rekrutiere man in Osteuropa, vor allem in Polen. Brunner hat mit einer landwirtschaftlichen Schule bei Sanok im Südosten von Polen ein Abkommen, dass ein Teil der Schüler sein obligatorisches Praktikum bei ihm absolvieren kann. Dass er von ahnungslosen Bürgern der Umgebung den Übernamen «Sklaventreiber» erhalten habe, sei ihm bekannt. Doch Brunner nimmts gelassen: «Die wissen einfach nicht was es braucht, um im Frischmarkt zu bestehen – wir haben es hier sehr gut zusammen.» Hauptsache Arbeit Bunt blitzen die Kopftücher und Schirmmützen der Erntehelfer zwischen den Beerenstauden auf. Lukas und Martin, beide 19 Jahre alt, rupfen geduldig die Heidelbeeren von den Ästen. Sie sind zum ersten Mal in der Schweiz, bleiben drei Monate. Wenn es möglich ist, möchten sie nächstes Jahr wiederkommen. So wie Monika Fyda. Sie kam erstmals vor drei Jahren als Praktikantin auf den Hof im Baselbiet, inzwischen wird sie als Hilfskraft entlöhnt und ist so etwas wie eine Vertraute von Hansruedi Brunner. «Ich bin mir diese Arbeit gewohnt, wir haben zu Hause auch Landwirtschaft», meint sie. Doch ewig will die gelernte Gartenarchitektin nicht zwischen Polen und Brunners Hof pendeln. Sie will eine richtige Arbeit finden und ihr Haus zu Ende bauen. Dafür braucht sie das Geld, das sie von Februar bis September auf dem Bauernhof in der Schweiz verdient. SURPRISE 206/09

Auch der 19-jährige Jewgeny Momom, von Brunner der Einfachheit halber Jurgi genannt, kennt die Arbeit: «In der Ukraine haben wir dieselben Bedingungen, aber hier ist das Geld gut, sehr gut», findet er. Er ist mit einer Gruppe von 30 Landsleuten in die Schweiz gekommen, «die sind jetzt alle im Land verstreut.» Gegen Heimweh helfe manchmal Wodka oder Bier, erzählt Hansruedi Brunner. Doch wer am nächsten Morgen nicht aus dem Bett kommt, trägt die Konsequenzen: «Dann ist der Freiwillige für den Samstagnachmittag schnell bestimmt», erklärt Brunner. Doch die Gruppe nehme das gelassen und das Ganze sei damit für alle geregelt. Der Chef weiss aber auch, dass er seine Leute bei Laune halten muss, deshalb organisiert er gemeinsame Aktivitäten wie Grillabende, einen traditionellen Spaziergang auf die nahe gelegene Burgruine inklusive Gruppenfoto, und auch die Fasnacht oder der Besuch des 1. Augustfeuerwerks sind willkommen Anlässe für positive Teamerlebnisse. Hansruedi Brunner scheint den Draht zu seinen ausländischen Angestellten zu finden. Das muss er auch, will er seine Personalpolitik weiterhin auf günstige Arbeitskräfte aus Osteuropa aufbauen. Und dass diese sich nicht über ihre Arbeitgeber auslassen, obwohl sie da und dort vielleicht guten Grund dafür hätten, ist auch verständlich: Zu gut ist das Geld, das sie hier verdienen können, dafür werden Überstunden und enge Unterkünfte wohl in Kauf genommen. Die Verantwortung für das Einhalten arbeitsethischer Grundsätze liegt nach Meinung von Gewerkschafter Philippe Sauvin deshalb bei den Schweizern, denn: «Es wird immer Leute geben, die zufrieden sind, einen Job zu haben und mehr zu verdienen als in ihrem Land.» ■

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BILD: GUIDO SÜESS

Wörter von Pörtner Amerikabilder Auf meiner Amerikareise stand ich im Museum vor einer Fotografie. Sie zeigte einen Mann, der eine Art Veloschrottplatz auf einer kleinen Grünfläche betrieb, umgeben von Schnellstrassen und Hochhäusern. Ich bewunderte die in wilder Unordnung verstreuten Rahmen und Räder. Es sah ein bisschen aus wie in meiner Garage. Eine Frau trat hinzu und erklärte mir, dass dieses Bild in ihrer Heimatstadt L.A. aufgenommen worden sei. Sie wisse auch nicht, was die Künstlerin damit sagen wolle, vielleicht, dass L.A. zu einem Drittweltland verkomme. Es werde immer schlimmer dort, alles verdrecke und immer mehr Leute redeten kein Englisch mehr, sondern Spanisch. Wie man das als freundlicher Tourist so tut, erwähnte ich, dass wir aus der Schweiz kämen, wo man vier offizielle Sprachen habe. «Das ist etwas anderes», sagt die Frau. «Europa war

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schon immer vielsprachig, aber die Fremden, die zu uns kommen, müssen sich anpassen und unsere Sprache sprechen.» Ich wende ein, dass «zu uns» doch relativ sei, immerhin heisse die Stadt ja Los Angeles, was darauf hinweise, dass dort nicht immer Englisch gesprochen wurde. Sie versteht nicht ganz, was ich meine: «Los Angeles ist doch Englisch.» So, wie sie es ausspricht, schon. Wenn Gouverneur Schwarzenegger den Namen ausspricht, klingt es fast steirisch. Auch er warnt vor den Ausländern, die seinen bankrotten Bundesstaat überfluten. Sich selber sieht er trotz Akzent nicht als solchen. Aber nicht nur aus seinem Munde klingt der Ruf, dass sich die Fremden anzupassen hätten, etwas seltsam, weil es die USA in dieser Form ja gar nicht gäbe, hätten sich die europäischen Einwanderer den Einheimischen angepasst. Dank überlegener Waffen haben sie sich das Land unter den Nagel gerissen und ihre Vorstellung von Besitz und Eigentum durchgesetzt. Wer etwas hat, darf und muss es verteidigen. Das geht so weit, dass in Florida Fischer verhaftet wurden, die geschützte Delphine mit Rohrbomben und Sturmgewehren jagten, weil sie genug davon hatten, dass ihnen die Tiere den Fisch stahlen. Jetzt hat in Amerika die Krise zugeschlagen, ungleich härter als in Europa. Leerstehende Neubausiedlungen, geschlossene Shoppingmalls und Geisterstädte, in denen die einzigen

unbeschädigten und hellen Gebäude der WalMart und die Kirchen sind, haben mein Amerikabild ziemlich ins Wanken gebracht. Früher war hier alles schöner, neuer, grösser. Auch wenn bei uns gerne über die USA geschnödet wird, die Trends kommen von drüben: Kleidung, Filme, Musik, Fernsehserien, Körperbehaarungsregeln, Autotypen und Velomodelle. Selbst Globalisierungsgegner und Euro-Snobs können nicht ohne Computer aus dem Hause Apple leben. Andererseits werden die Menschen in den USA immer grösser und dicker und können sich kaum mehr bewegen. Zuweilen fragt man sich, wie es dieses Volk verfetteter, engstirniger Hillbillys, bei denen alles zusammenfällt, es je zur Weltmacht bringen konnte. Imperien zerfallen meist von innen her, vielleicht ist die Zeit der USA abgelaufen. Allerdings sollte man sie nicht zu früh aufgeben, die Amerikaner sind mitunter schnell, sich neu zu erfinden. Und solange ein Mann im Weissen Haus sitzt, der mit Michelle Obama verheiratet ist, gibt es Hoffnung. Für Amerika zumindest.

STEPHAN PÖRTNER (STPOERTNER@LYCOS.COM) ILLUSTRATION: MILENA SCHÄRER (MILENA.SCHAERER@GMX.CH) SURPRISE 206/09


Neue Volksmusik Blechbläser in der Besenbeiz Wer Fahnenschwinger sucht, ist bei Alpentöne am falschen Ort. Mit dem Musikantenstadl hat das Festival in Altdorf rein gar nichts zu tun, stattdessen überträgt der Kulturkanal DRS 2 die Hauptkonzerte live. Und wenn es Nacht wird, tanzen Punks und Bauern gemeinsam auf den Tischen.

«Experimenteller» soll die sechste Ausgabe des alle zwei Jahre stattfindenden Festivals werden, kündigt der neue künstlerische Leiter Johannes Rühl an. «Wir wollen nicht nur Musik aus den Alpen präsentieren, sondern auch Stücke über die Alpen. Alpentöne hat ein inhaltliches Thema, aber kein stilistisches, das macht für mich den speziellen Reiz aus.» In diesem Sinn hat der Klarinettist Gabriele Mirabassi eigens ein Programm aus Liedern der italienischen Alpensoldaten des Ersten Weltkriegs zusammengestellt. Exklusive Aufführungen haben Tradition. So erlebte das ehrwürdige Tellspielhaus bei früheren Ausgaben das multimediale Spektakel «Turner in Uri», bei dem internationale Jazzgrössen mit der einheimischen Blasmusik, einem Chor und zwei Opernsängern auftraten. Und als Klaus Fessmann vor zwei Jahren in der Kirche seine Klangsteine aus dem Alpenraum zum Brummen und Dröhnen brachte, erlebte das Publikum den Begriff Resonanzkörper am eigenen Leib. Genau darum geht es: Auch wenn sich viele der gastierenden Musiker im Umfeld von Jazz und moderner Klassik bewegen, so sind doch die meisten Darbietungen intuitiv erfahrbar. Ein Musikstudium braucht es jedenfalls nicht, um die Konzerte zu geniessen. Trotzdem bewegen sich viele Künstler in kleinen Nischen. Entsprechend begehrt sind Engagements am dreitägigen Festival. «Für viele ist die Präsenz bei Alpentöne sehr wichtig, denn es bietet ein Forum, um neue Projekte vorzustellen», sagt Rühl. Tatsächlich ist Alpentöne ein Festival für Entdeckungen. Dieses Jahr sind acht von insgesamt über 30 Konzerten Erstaufführungen. Christan Zehnder (Stimmhorn, Kraah) präsentiert die Premiere seiner Kooperation mit der Hackbrettlerin Barbara Schirmer. Die Westschweizer Performerin Laurence Revey kombiniert das archaische Patois des französischsprachigen Wallis mit den elektronischen Klanglandschaften des Isländers Bardi Johannsson. Und mit Attwenger, Corin Curschellas und Max Lässer samt Überlandorchester geben sich auch einige alte Bekannte der Neuen Volksmusik die Ehre. «Für mich als Programmmacher ist es ein dankbares Festival», sagt Rühl. «Durch die räumliche Nähe der verschiedenen Bühnen sinkt die Hemmschwelle, sich auf Entdeckungen einzulassen.» Mittlerweile seien die Besucher an Herausforderungen gewöhnt, schmunzelt Rühl: «Das Publikum in Altdorf erträgt einiges.» Und es feiert auch gern. Während im Tellspielhaus kunstsinnig musiziert wird, geht bei den kostenlosen Konzerten im Festzelt auf dem angrenzenden Lehnplatz die Post ab. Regelmässig treiben zu fortgeschrittener Stunde Blechblasbands Bergbauern, Kunstkenner und Dorfpunks gemeinsam auf Tische und Tanzfläche. Diesmal obliegt diese Aufgabe dem österreichischen Septett Da Blechhauf’n, das im Schnellzugstempo durch Lieder von Elvis, Beethoven und Ludig Hirsch fetzt, sowie der Grossformation Bolschewistische Kurkapelle Schwarz-Rot, die Brecht, Hendrix und Eigenkompositionen als Mischung aus Revolutionsoper und Besenbeizwalzer kredenzt. SURPRISE 206/09

BILD: SCRIPTUM, ANGEL SANCHEZ

VON RETO ASCHWANDEN

Beim Klangspaziergang gibt es Alpentöne am Urnersee.

Der spezielle Charme des Festivals entsteht aus der Nähe von Musikern, Einheimischen und Publikum von auswärts, die sich spätestens beim Klangspaziergang am Sonntagnachmittag einstellt. Die Musiker verteilen sich im Reussdelta, während die Zuhörer am Seeufer entlang schlendern und da und dort ein Ohr voll nehmen, bevor man an den Feuerstellen bei Cervelat und Bier neue Bekanntschaften macht. Und manchmal werden die auf dem Lehnplatz bis weit über Mitternacht hinaus vertieft. Eingeweihte munkeln jedenfalls, manch erfahrener Alpentöne-Besucher nehme sich für den folgenden Montag jeweils präventiv frei. ■ Alpentöne, 14. – 16. August, Altdorf UR. www.alpentoene.ch

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BILD: ZVG

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Kulturtipps

Teenager erzählen vom Einwanderungsland Schweiz

Buch Mut zum Miteinander «durCHstarten» erzählt Geschichten von 15 Jugendlichen aus 14 Ländern, die in die Schweiz eingewandert sind – und davon, was es heisst, einen Neuanfang wagen zu müssen.

Extreme Figuren in einer intelligenten Komödie – «Confusions!».

VON CHRISTOPHER ZIMMER

Theater Slapstick mit Abgründen

Die Pubertät ist eine verwirrende Zeit. Gut, wenn dann Vertrautes die eigene Welt wie ein schützender Kokon umgibt. Ein Schutz, gegen den Teenies zwar ankämpfen, der aber doch Halt gibt. Und wenn das nicht so ist? Wenn man ausgerechnet dann die eigene Sprache und Kultur, die Freunde, manchmal sogar die Familie hinter sich lassen muss? Das Lesebuch «durCHstarten» versammelt Geschichten von Jugendlichen, für die ein solch einschneidendes Erlebnis eine zuweilen traumatische Realität geworden ist: von Kids und Teenager zwischen elf und 17 Jahren – aus Afghanistan, Bosnien-Herzegowina, Brasilien, Deutschland, England, Iran, Italien, Kosovo, Philippinen, Serbien, Somalia, Sri Lanka, Südafrika und Thailand. So bunt die Palette der Herkunftsländer ist, so verschieden sind die Gründe, warum diese Jugendlichen ihre Heimat verlassen mussten. Es sind nicht nur die «klassischen» Kriegsflüchtlinge, die in der Schweiz Asyl suchen. Oft sind es so «unspektakuläre» Gründe wie Scheidung, Familiennachzug oder die Rückkehr einer Familie mit Schweizer Wurzeln. Gerade dieses Unspektakuläre schafft Nähe – denn so etwas kann Vielen passieren. Dieses Schulbuch erzählt nicht nur von Trennungsschmerz oder von erschwerten Bedingungen bei Ausbildung und Jobsuche. Es schildert auch Fälle von geglückter Integration, Erfolg im Beruf und Familiengründungen – und macht damit Mut zum Miteinander. 15 angehende Lehrer haben die Porträts verfasst. Entsprechend praxisnah und verständlich sind die Texte, die von kleinen Fotoserien begleitet werden. Statements in der Muttersprache der interviewten Jugendlichen verdeutlichen den Sprachwechsel, abwechslungsreiche Aufgaben laden zur vertieften Auseinandersetzung ein, und ein thematischer Informationsteil vermittelt Hintergrundwissen. «durCHstarten» ist mehr als ein Schulbuch. Es motiviert zum Miterleben und Nachdenken – auch ohne Schulbank und Lehrplan. «durCHstarten». Geschichten von Jugendlichen, die in die Schweiz eingewandert sind. Lesebuch für das 5. bis 8. Schuljahr. Lehrmittelverlag Kanton Solothurn 2009. CHF 28.60.

Paarprobleme aus der Sicht eines Kellners erleben, ein ausser Kontrolle geratenes Dorffest beobachten, lachen und erschrecken. Und das alles unter freiem Himmel. VON MICHÈLE FALLER

Der blonde Mann im weissen Jackett stützt sich auf den Barhocker und seufzt: «Der grösste Teil unseres Lebens ist Krach. Künstlicher, von Menschen gemachter Krach.» Und das, nachdem er einen Unbekannten mit seiner alles andere als leisen Art völlig aus der Ruhe gebracht hat. Im Kutschenmuseum des Botanischen Gartens Brüglingen (BL) wird Alan Ayckbourns Komödie «Confusions!» geprobt, und der Titel ist keine leere Versprechung. Immer wieder ertönen Anweisungen vom Regiepult. Genauso oft ertönt aus dieser Richtung amüsiertes Lachen. «Die Mischung ist toll», sagt die junge Regisseurin Sarah Ley über das Stück, das sie als Freilichtaufführung inszeniert. «Es werden extreme Figuren und Handlungen gezeigt, und trotzdem sind es Alltagssituationen, bei denen man denkt: O nein, so jemanden kenne ich! Oder: Oje, so bin ich manchmal auch!» Wenn die Verwicklungen und Verwirrungen auch daran erinnerten, ein Schwank sei «Confusions!» nicht, sondern eine intelligente Komödie, in der sich mitunter auch Abgründe auftäten, erklärt Ley. Als Kontrast zu den zwischenmenschlichen Tragikomödien hat die Regisseurin, die eine Schwäche für Schlager hat, den «Glitzerchor» eingeführt. «Er verkörpert die heile Welt und tritt immer im schlimmsten und unpassendsten Moment auf», berichtet Ley verschmitzt. Draussen vor dem Botanischen Garten breitet Sarah Ley die Arme aus und sagt: «Hier findet das Dorffest statt!» Voller Begeisterung führt sie die neu angefertigte Drehbühne mit den unterschiedlichen Türen vor, erklärt, wie der Kellner in der einen Szene von Tisch zu Tisch haste, und wie die natürliche Umgebung manchmal auf wundersame Weise zum Stück passe. Ein Blick in die traumhafte Landschaft allein lädt schon zum Verweilen ein. Wer also ausnahmsweise nicht mitten in den Konfusionen des Lebens stecken, sondern sie von aussen betrachten möchte, der begebe sich getrost ins Grüne. «Confusions!», 7., 8., 11., 14., 15., 18., 21., 22. August, 20.15 Uhr, Botanischer Garten Brüglingen, Basel. www.confusions.ch

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Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.

Die Verfolgungsjagd – ein Must im Genrefilm «The Chaser».

DVD Milieu-Jäger Innovatives Genrekino kommt aus Asien. Punkt. Dass dennoch fast alles an unseren Leinwänden vorbei geht und erst als Hollywood-Remake gezeigt wird, spricht nur für eines – die Originale auf DVD zu gucken. Zum Beispiel «The Chaser». VON PRIMO MAZZONI

Das Debüt des Südkoreaners Na Hong-jin avancierte letztes Jahr in seinem Heimatland beim Publikum zum bisher erfolgreichsten Film und wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Der Ex-Bulle, Jetzt-Zuhälter, Eom Jung-ho (Kim Yoon-suk) verliert seine besten Mädchen. Immer nach dem Anruf desselben mysteriösen Kunden ist wieder eine weg – an einen anderen Zuhälter verkauft, wie Jungho vermutet. Das will er sich nicht länger bieten lassen. Deshalb zwingt er die eigentlich an Grippe erkrankte Kim (Seo Youg-hee), ihre Tochter allein zu Hause zu lassen und als Köder anzuschaffen. Dass Schlimmeres hinter dem Verschwinden der Prostituierten steckt, ahnt der geübte Zuschauer bereits, und tatsächlich hat der junge, charmante Freier (Ha Jung-woo) einige Leichen in Keller und Garten versteckt. «The Chaser» ist ein Serienmörder-Thriller erster Güte und für Leute, die kein Blut sehen können, ungeeignet. Die erste halbe Stunde spielt sich die Geschichte ganz klassisch, äusserst gekonnt, nach bekannten Noten ab. Doch dann, kaum hat Jung-hos Jagd nach dem Mister X richtig begonnen, geschieht etwas Unerwartetes – und ab jetzt spielt der Regisseur mit den Genre-Elementen, als wäre er ein alter Hase. Während einer Nacht und einem Tag setzt sich die rasante und immer spannendere Jagd fort, aber mit ständig veränderten Vorzeichen, soviel sei verraten. Dazu ausgezeichnete Hauptdarsteller, interessante Charaktere, nicht ohne Humor und kein billiges Happy-Ending – erfrischend.

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VXL AG, Binningen

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Thommen ASIC-Design, Zürich

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Ingenieurbüro BEVBE, Bonstetten

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Schweizer Paraplegiker-Stiftung, Nottwil

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Ernst Schweizer AG, Hedingen

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JL AEBY Informatik, Basel

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iuliano-gartenbau & allroundservice, Binningen

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Druckerei Hürzeler AG, Regensdorf

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KIBAG Kies und Beton

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Inova Management AG, Wollerau

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SVGW, Zürich

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Brother (Schweiz) AG, Baden

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Segantini Catering, Zürich

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Axpo Holding AG, Zürich

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AnyWeb AG, Zürich

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Kaiser Software GmbH, Bern

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fast4meter, Storytelling, Bern

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IBZ Industrie AG, Adliswil

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Velo-Oase Bestgen, Baar

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Niederer Kraft & Frey, Zürich

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Mundipharma Laboratories GmbH, Basel

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GUIDIMEDIACOM, Zollikon

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reinhardpartner Architekten und Planer, Bern

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Personalberatung Stellenwerk AG, Zürich

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Weleda AG, Arlesheim

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Strassenmagazin Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag! Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

«The Chaser» (Original: «Chugyeogja»), 120 Min., Deutsch oder Koreanisch mit deutschen Untertiteln. Keine Extras. Erschienen bei Ascot Elite.

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Ausgehtipps

Vom Abbruch bedroht: Weissenstein-Sessellift.

Weissenstein/SO Rauf auf den Berg Die Zeiger stehen auf fünf vor zwölf für den Sessellift, der auf den Weissenstein fährt. Findet sich nicht bald ein Gönner, der die Erhaltung und Sanierung der historischen Bahn mit ihren hölzernen Zweier-Sitzen ermöglicht, wird sie durch eine moderne Gondelbahn ersetzt. Wer also ganz sicher noch einmal nostalgisch auf den Hausberg der Solothurner fahren will, sollte das diesen Sommer noch tun. Von Oberdorf aus gondeln die Sessel auf den Weissenstein hinauf. Oben auf dem Berg lässt es sich gut wandern – oder einkehren. (juk) Seilbahn Weissenstein, Talstation in Oberdorf, bis am 1. November in Betrieb. Infos und Öffnungszeiten: www.seilbahnweissenstein.ch

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Tollhaus Winterthur: Knuts Koffer am Bambole.

Radhof, Winterthur Musik dröhnt, Volk tanzt In Winterthur gibt es ein Open Air der anderen Art. Es heisst Bambole, dauert drei Tage und ist umsonst. Aus Rücksicht auf Landbesitzer und Barfusstänzer wird den Rauchern ein portabler Aschenbecher offeriert. Derart ausgerüstet gehts Richtung Hauptbühne, zu Rockern wie Navel aus Basel, den Engelberger Töfflibuben The Toenails oder den Lokalmatadoren Pornolé. Indiepopper kommen bei Huck Finn aus Luzern und den Berner Electric Blanket auf ihre Kosten, und wer die stilistischen Scheuklappen daheim lässt, entdeckt die Tollhausmusik von Knuts Koffer. Auf der zweiten Bühne musizieren am Freitag und Samstag jeweils Songwriter wie die italienische OneMan-Band Gypsy Rufina. Fürs leibliche Wohl sorgt eine illustre Schar freiwilliger Helfer, als Sanitäter amtet unter anderem eine bekannte Grösse des Kampftrinkervereins Turbojugend. Da kann eigentlich nichts schief gehen und so schliessen wir mit dem Grusswort der Veranstalter: «Möge das Bier fliessen, die Musik dröhnen und das Volk tanzen.» (ash) Bambole, Radhof, Winterthur-Wülflingen, 13. bis 15. August. www.bambole.ch

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Basel R(h)ein in die Fluten Zugegeben, es ist nicht jedermanns Sache: Neben Hochseefrachtern den Fluss hinunter zu schwimmen, vorbei an Werken der chemischen Industrie und unter Furcht einflössend hohen Brücken hindurch. Trotzdem – wer den Sprung in den Rhein einmal gewagt hat, lässt fortan jedes Gartenbad links liegen und kann vom Bad mitten durch die Basler Altstadt nicht genug kriegen. Und wer sich das erste Mal nicht alleine in die Strömung traut, kann es beim Rheinschwimmen zusammen mit vielen anderen tun. Es lohnt sich. (juk) Basler Rheinschwimmen, 11. August, Treffpunkt kurz vor 18 Uhr, Kleinbasler Ufer, Höhe Schaffhauserrheinweg 93. Die beim Start abgegebene Kleidung kann beim Ziel am Kleinbasler Ufer, Höhe Florastrasse wieder in Empfang genommen werden.

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Nasser Spass – im Rhein durch Basel.

Langenbruck/BL Rasante Rodelei Wer es mag, wenn die Haare im Fahrtwind wehen, während grüne Wiesen vorbeisausen, sollte einen Ausflug ins Baselbiet nach Langenbruck planen. Dort nämlich steht eine Rodelbahn, die auch im Sommer geöffnet hat. Der Lift der über 1000 Meter langen Anlage wird sinnigerweise zu 80 Prozent mit Fotovoltaik betrieben. Obwohl die Kurven steil sind, der Solarbob gehörig Fahrt aufnimmt und man den einzigen 540-Grad-Kreisel ganz Europas passieren muss, ist die Rodelfahrt für die ganze Familie geeignet. Mit Verpflegung kann man sich vor Ort eindecken: Die Tunnel-Kiosk-Bar und das Pyramidenzelt bieten Kleinigkeiten an – ein Picknickplatz lädt zum ausgiebigen Proviantverzehr ein. (mek) Solarbob Rodelbahn Langenbruck, bei schönem Wetter bis Oktober täglich geöffnet, von November bis März nur an Wochenenden und Feiertagen. Infos: 062 390 03 03, www.solbarbob.ch

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Rodelbahn Langenbruck: Finden Sie den Kreisel!

X-tra, Zürich Kapriolen an der Luftgitarre Ein klarer Fall von «Die gibts noch?» Primal Scream sind Überlebende. Und zwar nicht nur, weil Sänger Bobby Gillespie mehr Drogen konsumiert hat als Pete Doherty warme Mahlzeiten. Kaum eine andere zeitgenössische Band hat derartige Stilkapriolen geschlagen. «Loaded» brachte 1991 den Durchbruch und gehört zu den raren Rave-Nummern, die man heute noch anhören kann. Danach gabs statt Acid-Beats auf einmal gärigen Gitarrenrock, später flirteten die Schotten mit Dub, Krautrock und finsteren Elektroklängen. Zu Beginn des neuen Jahrtausends schien die Band ausgebrannt. Doch vor Jahresfrist kam überraschend die Rückkehr zu alter Klasse. «Beautiful Future» ist Primal Screams poppigste Platte, die weder vor gut gelaunten Refrains noch Glockengebimmel zurückschreckt. Zusammen mit dem alten Repertoire sollte es also locker reichen für einen Abend im Zeichen von Hüftschwung und Luftgitarre. (ash) 16. August, 20 Uhr, X-tra, Zürich.

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Ausgebrannt, aber immer noch antörnend – Primal Scream.

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Verkäuferporträt «Ich bin ein Stehaufmännchen» René Widmer, 40, hat es seit seiner Jugend nicht einfach. Doch unterkriegen lässt er sich nicht, weder von der Sucht noch von der Bürokratie.

«Aufgewachsen bin ich in Burgdorf und Langenthal. Ich machte eine Lehre als Metzger, doch die musste ich im dritten Lehrjahr abbrechen. Meine Mutter hatte damals einen Freund, der war Alkoholiker, so wie schon mein Vater einer war. Eines Abends kam ich nach Hause, er hatte sie geschlagen, und da ging ich auf ihn los. Ich kam ins PestalozziHeim in Birr, im Aargau, wo ich eine Lehre als Landwirt machen konnte, die ich auch abschloss. Doch als ich aus der RS kam, ging alles ein bisschen schief. Ich kam nach Zürich und rutschte in die Drogenszene, zu der Zeit, als der Platzspitz noch offen war. Ich dealte, um mich durchzuschlagen und wohnte auf dem besetzten Wolgroth-Areal. Ich kam auch immer wieder von den Drogen weg, aber nie für immer. Über eine Freundin, die ich damals hatte, rutschte ich in die Technoszene. Natürlich hat das komisch ausgesehen, ich mit der Lederjacke und dem AC/DC-Tattoo unter den Ravern, aber zusammen mit den Drogen hat mich das gepackt. Natürlich war das nur eine Suchtverlagerung vom Heroin auf Ecstasy und LSD. Ich war einer der Hausdealer in einem Zürcher Technoklub, das war ein irres System, und alle arbeiteten zusammen: Securitys, Dealer und auch Personal mischten mit. Das Geschäft lief gut und ich lebte in Saus und Braus, schlief in Hotels und ass in feinen Restaurants. Aber ich sah auch, dass es Leute gab, die mit den Drogen nicht zurecht kamen. Wenn ich konnte, half ich denen, davon wegzukommen. Klar, viele rutschten wieder hinein, aber zwei meiner Freunde von damals haben heute ein eigenes Geschäft, sind richtige Normalbüezer geworden. Nach St. Gallen kam ich über einen Kollegen, den ich in der Strafanstalt Saxerried kennengelernt hatte, und seither bin ich nicht mehr von hier weggekommen, obwohl ich finde, die Leute hier sind verschlossener als im Rest der Schweiz. Und vor allem die Ämter: Als ich eine kurze Zeit verheiratet war, bin ich beim Sozialamt rausgeflogen, mit dem Argument, ich hätte ja jetzt eine Frau, die mich unterstützen könne, obwohl sie gerade mal 2500 Franken verdiente. Und auch jetzt habe ich wieder Ärger mit dem Amt: Weil ich zu viel für Surprise arbeite, haben sie mich aus der Obdachlosenunterkunft UFO geworfen. Ich hätte ja genug Zeit gehabt, mir eine eigene Wohnung zu suchen, fanden sie nur. Und das obwohl ich fünf bis sieben Stunden pro Tag arbeite. Das ist doch eine Sauerei. Surprise habe ich viel zu verdanken und ich arbeite hart dafür. Die Arbeit ist auch toll: Ich bin mein eigener Chef, was mir wichtig ist, da ich nie gut darin war, Befehle anzunehmen. Und ich habe einen schönen Standort, am Globus in der Altstadt, da sind die Leute nicht so gestresst wie zum Beispiel am Bahnhof, sie sind am ‹Lädele› und haben eher Zeit, sich das Heft anzuschauen oder auf ein Schwätzchen bei mir anzuhalten. Dass das Heft teurer geworden ist, stört die Kunden schein-

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AUFGEZEICHNET VON ETRIT HASLER

bar nicht. Viele sagen, sie würden auch sieben oder acht Franken dafür bezahlen. Und diejenigen, die fragen, wieso es denn teurer geworden sei, verstehen sofort, wenn ich ihnen erkläre, dass wir jetzt versichert sind und bezahlte Ferien bekommen, wie jeder andere, der arbeitet, auch. Ansonsten geht es mir ganz gut im Moment. Ich konsumiere fast nicht mehr, und ich habe eine zweieinhalbjährige Tochter, die mir eine wichtige Stütze ist, damit ich nicht wieder völlig absacke. Sie motiviert mich, mein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Natürlich ist es schwierig, von den Drogen wegzukommen, und in einen Entzug will ich nicht. Wie soll ich der Kleinen das erklären, wenn Papa plötzlich drei Monate weg ist? Ich kriege das auch selber in den Griff, ich bin ein Stehaufmännchen, und wenn ich mir etwas in den ‹Gring› setze, dann geht das.» ■ SURPRISE 206/09


Eine Chance für alle! Werden Sie Surprise-Götti oder -Gotte ber. Das verdient Respekt und Unterstützung. Regelmässige Verkaufende werden von Surprise-Sozialarbeiterinnen betreut, individuell begleitet und gezielt gefördert. Dazu gehört auch, dass sie von Surprise nach bestandener Probezeit einen ordentlichen Arbeitsvertrag erhalten. Mit der festen Anstellung übernehmen die Surprise-Verkaufenden mehr Verantwortung; eine wesentliche Voraussetzung dafür, wieder fit für die Welt und den Arbeitsmarkt zu werden.

Starverkäufer BILD: ZVG

Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten als andere. Menschen, die sich aber wieder aufgerappelt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt Struktur und wieder einen Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Die Surprise-Strassenverkäuferinnen und -verkäufer helfen sich sel-

Als Götti oder Gotte ermöglichen Sie einer Strassenverkäuferin oder einem -verkäufer eine betreute Anstellung bei Surprise und damit die Chance zur Rückkehr in ein selbstbestimmtes Leben.

Wolfgang Kreibich Basel

Jela Veraguth Zürich

Bob Ekoevi Koulekpato Basel

Marlise Haas Basel

Ausserdem im Förderprogramm SurPlus: Peter Gamma, Basel Peter Hässig, Basel René Senn, Zürich Marika Jonuzi, Basel Andreas Ammann, Bern

Kurt Brügger, Baselland Anja Uehlinger, Baden Fatima Keranovic, Baselland Kumar Shantirakumar, Bern

Rosalie Roggen aus Bern nominiert Mihretab Teklemichael als Starverkäufer: «Ich möchte eine Lanze brechen für den ‹Empfangschef› der Berner Kirchenfeld-Migros. Unser Surprise-Freund hat für alle ein Lächeln bereit. Er kennt inzwischen das halbe Quartier, macht da einen Spruch, fragt dort, wies geht heute, und er bleibt auch dann freundlich und aufmerksam, wenn es vor dem Laden mit Strassen- und Tramanschluss zugeht wie im ‹hölzige Himmel›. Herr Teklemichael fehlt, wenn er einmal nicht da ist, er ist im Quartier zur Institution geworden.» Ihre Nominierung schicken Sie bitte an: Strassenmagazin Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41+61 564 90 99, redaktion@strassenmagazin.ch

Ja, ich werde Götti/Gotte von: 1 Jahr: 8000 Franken

1/2 Jahr: 4000 Franken

1/4 Jahr: 2000 Franken

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206/09 Talon bitte senden oder faxen an: Strassenmagazin Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@strassenmagazin.ch, PC-Konto 12-551455-3 SURPRISE 206/09

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Surprise ist: Hilfe zur Selbsthilfe Surprise fördert seit 1997 die Selbsthilfe von Menschen in sozialen Schwierigkeiten. Mit begleiteten Angeboten in den Bereichen Arbeit, Sport und Kultur fördert Surprise die soziale Selbständigkeit und berufliche Eingliederung, das Verantwortungsbewusstsein, die Gesundheit und eine positive Lebenseinstellung. Surprise gibt es in der deutschsprachigen Schweiz. Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht von Armut und sozialer Benachteiligung betroffenen Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit für ihre Anliegen. Surprise beteiligt sich am Wandel der Gesellschaft und bezieht Stellung für soziale Gerechtigkeit.

Ich möchte Surprise abonnieren! 24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.)

Strassensport Der zweite Schwerpunkt von Surprise ist die Integration von sozial benachteiligten Menschen in der Schweiz über den Sport. Mit einer eigenen Strassenfussball-Liga, regelmässigem Trainings- und Turnierbetrieb, der Schweizermeisterschaft sowie der Teilnahme des offiziellen Schweizer Nationalteams am jährlichen «Homeless Worldcup» vernetzt Surprise soziale Institutionen mit Sportangeboten in der ganzen Schweiz. Organisation und Internationale Vernetzung Surprise ist eine nicht gewinnorientierte soziale Institution. Die Geschäfte werden von der Strassenmagazin Surprise GmbH geführt, die von dem gemeinnützigen Verein Strassenmagazin Surprise kontrolliert wird. Surprise ist führendes Mitglied des Internationalen Netzwerks der Strassenzeitungen (INSP) mit Sitz in Glasgow, Schottland. Derzeit gehören dem Verband gegen 100 Strassenzeitungen in über 40 Ländern an.

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Strassenmagazin und Strassenverkauf Surprise gibt das vierzehntäglich erscheinende unabhängige Strassenmagazin Surprise heraus. Neben einer professionellen Redaktion verfügt das Strassenmagazin über ein breites Netz von freien Berufsjournalistinnen, Fotografen und Illustratorinnen. Der überwiegende Teil der Auflage wird von Menschen ohne oder mit beschränktem Zugang zum regulären Arbeitsmarkt auf Strassen, Plätzen und in Bahnhöfen angeboten. Die regelmässige Arbeit gibt ihnen eine Tagesstruktur, neues Selbstvertrauen und einen bescheidenden aber eigenständig erwirtschafteten Verdienst. Für viele Surprise-Verkaufende ist das Strassenmagazin der erste Schritt zurück in ein eigenständiges Leben.

Herausgeber Strassenmagazin Surprise GmbH, Postfach, 4003 Basel, www.strassenmagazin.ch Geschäftsführung Fred Lauener Öffnungszeiten Sekretariat Mo–Do 9–12/14–16.30 Uhr, Fr 9–12 Uhr T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99, info@strassenmagazin.ch Redaktion Fred Lauener (Leitung), Reto Aschwanden, Julia Konstantinidis, Mena Kost, Agnes Weidkuhn (Koordination), T +41 61 564 90 70, redaktion@strassenmagazin.ch Freie Mitarbeit Michèle Faller, Luc-François Georgi, Etrit Hasler, Olivier Joliat, Primo Mazzoni, Stefan Michel, Dominik Plüss, Stephan Pörtner, Milena Schärer, Christian Schnur, Isabella Seemann, Udo Theiss, Priska Wenger, Christopher Zimmer Korrektorat Alexander Jungo Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 25100, Abonnemente CHF 189.–, 24 Ex./Jahr Anzeigenverkauf Mathias Stalder, T +41 76 409 72 06, anzeigen@strassenmagazin.ch

Vertrieb Smadah Lévy Basel Matteo Serpi, T +41 61 564 90 80 Zürich Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, T +41 44 242 72 11 Bern Alfred Maurer, Pappelweg 21, 3013 Bern, T +41 31 332 53 93 Betreuung und Förderung Rita Erni, Anna-Katharina Egli, T +41 61 564 90 51 Chor/Kultur Paloma Selma, T +41 61 564 90 40 Strassensport Lavinia Biert, T +41 61 564 90 10, www.strassensport.ch Trägerverein Strassenmagazin Surprise Präsident: Carlo Knöpfel

Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird von der Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt. SURPRISE 206/09


Schöne Shirts! Und erst noch limitiert! Olivier Mossets (64) letzte Ausstellung nannte sich «Ten Monochromes» und zeigte – wie der Name verspricht – zehn unifarbene Werke des Schweizer Künstlers. Auf 3 à 3 Meter. Die hat Mosset zum Anlass genommen, um für Surprise zehn T-Shirts in denselben Farben zu entwerfen. Mit Surprise-Aufschrift. Und vom Künstler signiert.

Der in Berlin lebende Schweizer Künstler Erik Steinbrecher (45) hat für Surprise eine Fotosammlung von Werbetexten durchforstet. Daraus sind drei T-Shirts mit «flüchtigen Hinweisen» entstanden. In Steinbrechers Worten: «Dadurch, dass der Text auf Schulterhöhe steht, ist er nicht dekorativ.» Dafür mutiere jeder T-Shirt-Träger zum Werbeträger.

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Surprise Rucksäcke (32 x 40 cm); CHF 89.– schwarz rot

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*gemäss Basic 2008-2. Seite bitteMACH heraustrennen und schicken oder faxen an: Strassenmagazin Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@strassenmagazin.ch SURPRISE 206/09

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