Surprise Strassenmagazin 208/09

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Rock’n’Old Traue keinem unter Fünfzig Leben mit Aids: 20 Jahre Lighthouse Basel

Die Krise als Chance nutzen: SP-Präsident Christian Levrat im Gespräch

Nr. 208 | 4. September bis 17. September 2009 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.


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BILD: DOMINIK PLÜSS

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10 Rock’n’Roll Die wilden Alten kommen «Hoffentlich sterbe ich, bevor ich alt werde.» Einst zelebrierten Bands wie The Who und die Rolling Stones Rockmusik als Rebellion gegen die Welt der Erwachsenen. Heute dominieren an vielen Rockkonzerten Glatzen, Falten und Wohlstandsbäuche. Was ist mit dem Rock’n’Roll passiert? Auf den Spuren einer Jugendkultur, die in die Jahre gekommen ist.

14 Aids Vom Sterbehospiz zum Pflegeheim Vor 20 Jahren war die Diagnose Aids ein Todesurteil. Damals wurde in Basel das erste Sterbehospiz für HIV-Betroffene eröffnet. Heute können Aidskranke mit Hilfe starker Medikamente jahrelang mit der Immunschwächekrankheit leben. Aus dem Basler Lighthouse ist ein Pflegeheim für Schwerkranke geworden, wo nicht mehr der Tod, sondern das Leben im Vordergrund steht.

BILD: RUBEN HOLLINGER

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Inhalt Editorial Rocker und Politiker Fussballturnier Bern Hauptprobe für Mailand Basteln für eine bessere Welt Gucken bei Google Aufgelesen Hilfe aus dem Ausland Zugerichtet Eine tödliche Affäre Mit scharf Jugend und Gewalt Erwin … rockt Porträt Ein Boxer zwischen allen Stühlen Kurzgeschichte Verkuppeln auf Türkisch Wörter von Pörtner Achtung Hippie Landesmuseum Die Schweiz mit fremden Augen Kulturtipps Trickfilme in Baden Ausgehtipps Sportsfrauen in Basel Verkäuferporträt Natürlicher Energiebolzen Projekt Surplus Chance für alle! Starverkäufer In eigener Sache Impressum INSP

BILD: MENA KOST

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16 Sozialpolitik «Kämpft für eure Rechte» Die neoliberale Wirtschaftspolitik ist gescheitert und trotzdem verliert die Linke Wählerstimmen. Ende September entscheidet das Stimmvolk über die Zukunft der IV, aber alle reden nur von den Bundesratskandidaten. Was läuft schief in der Schweizer Politik? SP-Präsident Christian Levrat spricht im Interview über den notwendigen Big-Bang bei den Sozialversicherungen, Politverdrossenheit und warum Wachstum mehr braucht als einen höheren Joghurt-Konsum.

Titelbild: Dominik Plüss Unser Model Anthony Thomas (56) ist Gitarrist und Sänger der Band Lombego Surfers und lebt den Rock’n’Roll seit seiner Jugend – echt und pur im Untergrund. SURPRISE 208/09

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BILD: DOMINIK PLÜSS

Die Hauptprobe

FRED LAUENER, GESCHÄFTSFÜHRER

Editorial Sozis, IV, Rock’n’Roll Am 16. September wählt die vereinigte Bundesversammlung den Nachfolger von Bundesrat Pascal Couchepin. Ohne Zweifel ein Ereignis von einer gewissen Bedeutung. Nur elf Tage später, am 27. September, werden wir, das Stimmvolk, über die Zusatzfinanzierung der Invalidenversicherung abstimmen. Diese Vorlage ist für viele Menschen in der Schweiz von grösserer Bedeutung als die Personalie in der Landesregierung. Fällt die IV-Vorlage durch, werden einmal mehr jene den Preis bezahlen, die sowieso schon eingeschränkt durchs Leben müssen: kranke Menschen und Behinderte, die auf ihre bescheidenen Renten aus der IV angewiesen sind. Dass sich Surprise für ein Ja der Vorlage einsetzt, ist selbstverständlich. Leider findet bislang aber kaum eine öffentliche Debatte statt. Die Mutmassungen über die Couchepin-Nachfolge dominieren in den Medien und scheinen auch den Parteien wichtiger zu sein als Sachpolitik. Die einzige Partei, die sich beim Sesseltanz im Bundesrat zurückhält, ist die SP. Die Partei wolle nicht über Namen reden, sondern Themen setzen, sagt ihr Präsident Christian Levrat. Aber welche? Die SP hat alle wichtigen Wahlen der letzten Monate verloren. Warum laufen den Sozis just in einer Zeit die Leute davon, in der die soziale Gerechtigkeit in Frage gestellt ist wie selten zuvor? Surprise hat SP-Chef Levrat getroffen. Das Gespräch finden Sie ab Seite 16. «Traue keinem über Dreissig»! hiess die Parole der Jugendbewegung Ende der 60er. Die Jungen schrien sie an Kundgebungen, malten sie an die Mauern und atmeten sie ein mit dem Rauch aus ihren Drogenpfeifen. Den Soundtrack dazu lieferte eine damals neue wilde Musik, die von Eltern und Lehrern als «akkutische Umweltverschmutzung» und «organisierter Krach» verurteilt wurde. Heute, vierzig Jahre später, wissen wir es besser: Rockmusik lebt! Es gibt die Bands noch, es gibt die Fans noch. Das Lebensgefühl Rock’n’ Roll scheint ein ewiger Jungbrunnen zu sein. Unser Autor Hanspeter «Düsi» Künzler berichtet ab Seite 10. Ich wünsche Ihnen gute Lektüre.

Bei ihrem ersten Auftritt überzeugte die Surprise Strassensport Nationalmannschaft und gewann in Bern das Schweizer Auftaktturnier zum Homeless World Cup in Mailand. Auch ein Berner All-Star Team um Ex-Nationalstürmer und YB-Kultfigur Thomas Häberli (Bild, Mitte) konnte die Nati nicht bezwingen. Die Surprise Strassensport Nationalmannschaft hat im Trainingslager weiter an taktischen und technischen Raffinessen gefeilt und spielt vom 6. bis 13. September mit 48 Nationen in Italien um den Homeless World Cup.

Wie es den Schweizer Sportlern läuft, lesen sie täglich aktuell im WM-Blog auf www.strassensport.ch

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 Ihre Meinung!

Herzlich,

Bitte schicken Sie uns Ihre Anregungen oder Kritik: Strassenmagazin Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 70, redaktion@strassenmagazin.ch. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion behält sich vor, Briefe zu kürzen.

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ILLUSTRATION: WOMM

Man benötigt: Eine Schere, zwei kleine Spiegel, Klebband, Karton und

Eine leere Milchtüte gut auswaschen und an einer Längsseite an drei

ein leere Milchtüte.

Ecken aufschneiden, so dass sie ausklappbar wird.

Guckloch

Objekt

In die zwei langen, gegenüberliegenden Seiten je ein Loch am unteren

Zwei kleine Spiegel in gleichem Winkel (45 Grad) in die Milchtüte kle-

Teil der Tüte und eins am oberen Teil ausschneiden.

ben, so dass sich die Spiegelflächen gegenüber stehen.

Die aufgeschnittene Längsseite mit Klebeband wieder verschliessen.

Das Periskop mit dem oberen Loch in die gewünschte Blickrichtung halten und durch das untere Loch sehen, was da oben hinter der Mauer abläuft.

Basteln für eine bessere Welt Seit in der Schweiz Google Street View in Betrieb genommen wurde, gehen wir mit dem Gefühl des Beobachtetwerdens durch die Strassen. Egal, ob der Dienst abgeschaltet wird oder nicht, wir zeigen Google, wie sich ständige Observation anfühlt: Mit dem selbst gebastelten Periskop «spienzeln» wir am Google-Hauptsitz in Zürich. Wo der ist, erfahren wir – ganz praktisch – über Google Street View. SURPRISE 208/09

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Aufgelesen News aus den 90 Strassenmagazinen, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Dicke Benachteiligung Salzburg. Wer an krankhafter Fettleibigkeit (Adipositas) leidet, muss sich mit allerlei Vorurteilen auseinandersetzen: Wie US-Studien zeigen, werden dicke Menschen für faul, willensschwach und wenig intelligent gehalten. Die mit den Vorurteilen einhergehenden Diskriminierungen beginnen bereits im Kindesalter: Eine Salzburger Studie zeigt, dass Kinder lieber Freunde mit Narben oder Amputationen haben als solche, die dick sind. Auch bei Job- und Partnersuche werden Adipositas-Patienten deutlich weniger oft berücksichtigt.

Chance Migration Graz. Migranten spielen eine bisher unterschätzte Rolle bei der Entwicklung des jeweiligen Herkunftlandes: Ein Bericht der Weltbank bestätigt, dass die von Migranten in ihr Herkunftsland – meist an Verwandte – überwiesenen Beträge mehr als das Doppelte der gesamten Entwicklungsgelder ausmachen. So werden Jobs geschaffen oder Schulbesuche ermöglicht. Durch die neuen günstigen Kommunikationstechnologien wird zudem vermehrt Wissen über Kindererziehung, Verkehrssysteme, Politik und Wirtschaft ausgetauscht.

Schutz vor Zuhause Hannover. Im Jahr 2008 haben deutsche Jugendämter über 32 000 Kinder und Jugendliche in Obhut genommen. Das sind rund 4000 mehr als im Vorjahr. Besonders zugenommen hat dabei der Anteil an Kleinkindern. Eine Inobhutnahme ist eine kurzfristige Massnahme zum Schutz von Minderjährigen aus akut gefährdeten Situationen. In 44 Prozent aller Fälle war der Grund eine Überforderung der Eltern. Jede vierte Inobhutnahme wurde aufgrund körperlicher Misshandlung oder sexuellen Missbrauchs angeordnet.

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Zugerichtet Mörderischer Cocktail Schwarz gekleidet, von den Flipflops bis zur Leinenbluse, aber mit einem Jäckchen, weiss wie die Unschuld – so sitzt sie während ihres Prozesses da. Die Haare blond gefärbt, die Haut braun gebrannt. Wenig am Äusseren der Angeklagten deutet darauf hin, dass sie nun schon eineinhalb Jahre hinter Schloss und Riegel verbringt. Drei Richterinnen und vier Richter müssen entscheiden, ob sie noch lange in der Strafanstalt bleibt oder bald als freie Frau das Strafgericht verlässt. Sitzen sie einer Mörderin oder einer Unschuldigen gegenüber? Hat die technische Operationsassistentin eine kurze Amour fou beendet, indem sie ihrem 14 Jahre jüngeren Liebhaber einen Giftcocktail in die Venen jagte? Oder hat er sich selber umgebracht? Bis zum fatalen Advent 2007 hat die 40Jährige auf der Anklagebank ein eher unspektakuläres Leben geführt. In jungen Jahren kam die Frau in die Stadt, arbeitete im Spital, zog mit dem Mann ihres Lebens zusammen und bekam Kinder. Vor zwei, drei Jahren häuften sich plötzlich die Probleme. Immer wieder Streit, der Griff zum Glas, die Trennung vom Ehemann, der Auszug aus dem gemeinsamen Haus, auch mit den beiden pubertierenden Kindern wurde es schwieriger und schwieriger. Eines Winterabends im Dezember 2007 in einer Beiz: Die Angeklagte, die sich nach Liebe sehnt und alles schnell und unkompliziert will, legt einem 26-jährigen Gelegenheitsarbeiter ein Zettelchen auf den Tisch. Sie nimmt ihn zu sich in die Zweizimmerwohnung. Er nistet sich bei ihr ein. Zwei

Wochen meldet sich der alkoholabhängige Secondo nicht mehr bei seinen Eltern und auch nicht bei seiner Verlobten. Noch in der intensiven Vorweihnachtszeit bahnt sich laut Anklageschrift «eine verhängnisvolle Entwicklung» an, «geprägt von gegenseitigen Abhängigkeiten, Machtausübung, Eifersucht, Kälte und Leidenschaft, deren Endpunkt sein Tod sein sollte.» Grund für Streit gibts genug: Zuerst rammt er ohne Führerschein und mit viel zu viel Alkohol im Blut mit ihrem Wagen mehrere parkierte Autos – und das ausgerechnet in der Nähe der Wohnung seiner Verlobten. Drei Tage darauf baut er, erneut alkoholisiert, mit einem entwendeten Roller einen zweiten Selbstunfall und bricht sich ein Bein. Das Spital verlässt er im Streit mit dem Personal und gegen die Empfehlung der Ärzteschaft. Die komplizierte Fraktur bereitet ihm starke Schmerzen, die er mit Alkohol und Medikamenten betäubt. Obwohl die Angeklagte ihn damit versorgt, will er sich von ihr trennen. Ende Januar 2008 liegt er tot auf ihrem Küchenboden, mit zwölf frischen Einstichen im rechten Arm, acht im linken und mit einem tödlichen Mix von Arzneien im Blut. Die Medikamente, so finden die Fahnder heraus, sind aus dem Operationssaal entwendet worden, in dem sie täglich ein- und ausging. Auf den Spritzen im Abfalleimer findet sich ihr Erbgut. Zur Urteilsverkündung erscheint die Angeklagte ohne ihr weisses Unschuldsjäckchen. Sie wird zu 14 Jahren Haft verurteilt. Von Thomas Knellwolf, Korrespondent TagesAnzeiger in Basel.

ILLUSTRATION: PRISKA WENGER (PRISKAWENGER@GMX.CH) SURPRISE 208/09


Jugenddelinquenz Vorurteile bestätigt, Vorurteile geschürt VON JULIA KONSTANTINIDIS

Ja, Jugendliche mit Migrationshintergrund sind überdurchschnittlich gewalttätig. Ja, sie tragen häufiger Waffen als ihre Schweizer Kollegen. Ja, viele von ihnen betreiben Sportarten, die ein Gewaltpotenzial bergen. Die neuste Studie zur Jugenddelinquenz im Kanton St. Gallen, durchgeführt vom kriminologischen Institut Zürich, bestätigt Vorurteile. 5 200 15- bis 16-jährige St. Galler Schüler wurden zu Jugenddelinquenz befragt. Insgesamt 25 Prozent davon sind Migranten, 75 Prozent sind NonMigranten, Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Die Studie belegt: 32 Prozent der Migranten haben bereits Gewalt ausgeübt oder erfahren. Bei den Non-Migranten beträgt die Gewaltrate 17 Prozent. Die Resultate der 105-seitigen Studie wurden in Kurzform in den Medien wiedergegeben das Schwergewicht lag dabei auf dem krassen Ungleichgewicht von Migranten und Non-Migranten sowie auf der Tatsache, dass männliche Migranten häufiger «gewaltfördernde» Sportarten wie Kampfsport betreiben als Non-Migranten und weibliche Jugendliche, die eher «gewalthemmende» Disziplinen wie etwa Kunstturnen ausüben. Es liegt in der Natur der Medien, die aussagekräftigsten und auffälligsten Aussagen einer wissenschaftlichen Studie hervor zu heben. Sie beantworten aber nicht die Fragen, die mit dieser Meldung aufkommen. Auch hier werden sie nicht beantwortet – aber zumindest gestellt: Wie kann es sein, dass 73 Prozent der Gewaltdelikte im öffentlichen Raum verübt werden können? Wie ist das Management dieses Raums, der allen gehört? Gibt es nebst Einkaufszentren, Bahnhöfen und öffentlichen Plätzen auch Orte, die sich besser für den Aufenthalt von 15- bis 16-Jährigen eignen? Und falls ja, erhalten die Jugendlichen überall genügend Unterstützung, um Verantwortung, Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung zu lernen? Zwar gibt es auf Bundesebene ein Jugendförderungsgesetz, doch die Entwicklung, Durchführung und Finanzierung von entsprechenden Projekten liegt meist in der Verantwortung von Kantonen und Gemeinden. Ob ein Jugendlicher gefördert wird oder nicht, hängt also davon ab, wo

ERWIN

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er lebt. Es herrscht Wildwuchs in einem Bereich, wo das Aufzeigen von klaren Grenzen und Regeln als A und O für erfolgreiches Arbeiten mit Jugendlichen genannt wird. Wie passt das zusammen? Natürlich sind in erster Linie die Eltern für das Setzen der BenimmLeitplanken zuständig. Die Studie zeigt, dass Jugendliche unter starker elterlicher Kontrolle weniger anfällig für Delinquenz sind. Das Elternsein ist nicht allen in die Wiege gelegt und manchmal brauchen auch Väter und Mütter Unterstützung. Wer übernimmt diese Aufgabe? Die Schule, die Jugendarbeit, die Behörden? Die einzelnen Akteure spielen sich den Pingpongball gegenseitig zu. Weshalb? Nicht, weil sie Elternarbeit für sinnlos halten, sondern weil ihnen die personellen und finanziellen Ressourcen fehlen. Warum spannen sie nicht flächendeckend zusammen und bündeln die Kräfte und Mittel? Und weshalb greifen wir für die Jugendlichen und ihre Eltern nicht mal rechtzeitig wirklich richtig tief in die Tasche? Zum Schluss: Warum wird die Herkunft der delinquenten Jugendlichen zum Schwerpunkt der Berichterstattung? Weshalb fällt das Augenmerk nicht auf die Aussage, wonach besonders Jugendliche gefährdet sind, die in problembelasteten Quartieren leben? Vielleicht, weil dieser Punkt schwieriger zu erklären ist, als die Tatsache, dass jemand fremd ist? ■

und der Rock’n’Roll

VON THEISS

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Porträt Der Richter mit der harten Linken Ob als Betreibungsbeamter, im alternativen Kulturzentrum oder im Stadtparlament – auf die Etikette legt Thomas Marthaler keinen grossen Wert. Gelernt hat er seine direkte und pragmatische Art im Boxring. VON RETO ASCHWANDEN (TEXT) UND HANNA JARAY (BILD)

nicht. Er sei froh, dass er nicht als Strafverteidiger oder Wirtschaftsadvokat arbeiten müsse, sagt der Jurist mit Anwaltspatent. Stattdessen wird er sich ab dem nächsten Jahr als Friedensrichter für die Stadtkreise drei und neun mit Zivilfällen wie Scheidungen, Nachbarschaftskonflikten und Konsumentenfragen auseinandersetzen. Die Aufgabe des Friedensrichters ist es, eine Aussöhnung ohne Gerichtsverhandlung zu suchen. «Recht haben und Recht bekommen ist leider nicht dasselbe», meint Marthaler. «Wenn man einem Kläger klar machen kann, dass die Prozessrisiken wesentlich höher sind als die Erfolgsaussichten, ist demjenigen vielleicht eher geholfen.» Pragmatische – oder wie er sagt «realistische» – Haltungen sind eine Konstante in Marthalers Biografie. Als Teenager stand er abseits, als Schulkollegen und andere Zürcher seiner Generation mit der 80er-Bewegung die Gesellschaft umkrempeln wollten. «Pubertär» und «unglaubwürdig» fand er die Aktivisten, deren Wortführer nicht selten aus gutem Haus stammten. Heute räumt er aber ein: «Sie haben mehr Spuren hinterlassen, als ich erwartet hätte.» Marthaler beschäftigte damals anderes: Nach dem KV-Abschluss zog es ihn nach London – offiziell, um dort als Speditionskaufmann zu arbeiten und die Sprache zu lernen. Wichtiger war aber: «Ich wollte einfach weg, Zürich fand ich einengend.» Später landete er dann doch in den Kultstätten der Achtziger. In der Roten Fabrik besorgte er den Unterhalt und markierte als Türsteher Präsenz, anschliessend war er im Jugendkulturhaus Dynamo tätig. Dort fiel ihm auf, dass die Leute, die den Ton angaben, alle studiert hatten. «Eine grosse Schnurre» habe auch er schon immer gehabt, meint Marthaler. Also beschloss er, sich weiterzubilden, um fortan mitreden zu können. Das hat er mittlerweile geschafft, so richtig integriert wirkt er aber weder im Juristen- und Beamtenmilieu noch in seiner Partei. Für

Im Flur zum Büro des Stadtammanns sieht es aus wie im Gefängnis. Der Gang ist eng, die massiven Türen ohne Klinken lassen sich von aussen nur per Schlüssel öffnen. Hierher kommen Menschen, die betrieben oder gepfändet werden. «Einige dieser Leute sind am Anschlag und wenn man sie mit ihrer finanziellen Situation konfrontiert, besteht die Gefahr von Gewaltausbrüchen. Deshalb schreibt das Sicherheitskonzept der Stadtverwaltung diese massive Ausstattung vor», erklärt Thomas Marthaler am Sitzungstisch. «Persönlich hätte ich es gerne etwas offener.» Offen ist sein Büro zumindest für seine Mitarbeiter, die während des Interviews mehrfach ohne anzuklopfen reinkommen. «Die haben alle einen Schlüssel», kommentiert der Hüne von fast zwei Metern lächelnd: «Ich lege halt nicht so grossen Wert auf die Etikette.» Seit acht Jahren leitet der 48-Jährige das Stadtammann- und Betreibungsamt im Zürcher Kreis 3. Als Beamter vertritt Marthaler das System gegenüber Menschen in finanziellen Schwierigkeiten, als SP-Parlamentarier steht er im Zürcher Gemeinderat auf der Seite der Schwachen – einen Widerspruch sieht er darin nicht: «Beim Betreibungsamt geht es um die Zwangsvollstreckung rechtskräftiger Forderungen. Wichtig ist, dass man den Betroffenen auf Augenhöhe begegnet, mit Wertschätzung. Dann ist schon einiges gewonnen.» Viel Wert auf Etikette legt Marthaler auch als Politiker nicht. Im Gemeinderat erschien er auch schon in einem ärmellosen T-Shirt, kurzen Hosen und Sandalen, was konservative Parlamentarierkollegen gar nicht goutierten. Richtig Ärger – und zwar mit seinen GenossInnen – bekam der vierfache Vater, der den Sozialdemokraten 1989 aus Interesse am Ausbau von Krippenplätzen beigetreten war, als er quer zur Parteilinie Sozialinspektoren forderte. Als Stadtammann erlebte Marthaler bei seiner Arbeit «Es stinkt mir, dass meine Partei nicht unverkrampft über SozialMissbrauchsfälle aus der Nähe, als Politiker hilfemissbrauch und Ausländerintegration sprechen kann.» fand er, bei den Sozialbehörden werde das Problem verharmlost. Auch seine Aussage, wonach das viel beschworene Miteinander von Schweizern und Auslänein Herdentier sei er wohl zu eigenständig, sinniert Marthaler, fügt aber dern in Wirklichkeit eher ein Nebeneinander sei, empfanden manche an: «Ich habe durchaus ein Harmoniebedürfnis und bringe mich auch Genossen als Tabubruch. «Geh doch zur SVP», das hat er mehr als eingern in eine Gruppe ein. Aber wenn mir etwas nicht passt, dann sage ich mal zu hören bekommen. Den Worten folgten Taten: Aus der Geschäftsdas auch.» leitung der Stadtpartei wurde Marthaler nach nur einem Jahr abgewählt. Kampfgeist entwickelte der geborene Stadtzürcher schon früh – und Das Maul verbieten lässt er sich deswegen aber nicht: «Es stinkt mir, zwar als Boxer. Zwischen 1978 und 1996 bestritt er 120 Junioren- und dass diese Dinge in der SP nicht offener und unverkrampfter diskutiert Amateurkämpfe. Als gefürchteter «Linker Tom» errang er in dieser Zeit werden können.» zehn Schweizer Meistertitel und musste lediglich viermal zu Boden. AusDie Differenzen mit der eigenen Partei liegen ein Stück weit wohl in gezählt wurde er nie: «Ich war ein Schisshas», erinnert sich der SerienMarthalers Herkunft begründet. Sein Vater war Pöstler und Mitglied bei sieger, der Schlaghand des Gegners sei er tunlichst ausgewichen. Beendet der Gewerkschaft PTT Union. «Die SP, wo viele Rechtsanwälte mithat er seine Karriere als amtierender Schweizer Meister mit 35 – der offimachten, war ihm suspekt», erinnert sich der Sohn. Entsprechend war ziellen Altergrenze für Amateurboxer. In die Arena zieht es ihn auch heuVater Marthalers Freude nicht ungetrübt, als der Junior auf dem zweiten te noch – allerdings nur als Punkte- und Ringrichter. Die Boxszene sei «diBildungsweg Jura studierte. «Er war schon stolz auf mich», erzählt Marrekter» als sein Arbeitsumfeld, findet das Ehrenmitglied auf Lebenszeit thaler, «aber einen Lehrer hätte er vorgezogen. Juristen waren in seinen des Box Club Zürich: «Es wird weniger geheuchelt und gelogen.» Als die Augen Leute, die Sachen vertreten, die sie selber nicht glauben.» Völlig Fotografin kommt, montiert Marthaler die Fliege über dem weissen Hemd falsch findet Marthaler die väterliche Einschätzung seiner Profession mit dem Ringrichter-Abzeichen. So viel Etikette muss dann doch sein. ■ SURPRISE 208/09

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Rock’n’Roll When I’m 64 Seit Elvis und spätestens seit Woodstock stand Rock’n’Roll für jugendliche Rebellion und Gegenkultur. Doch irgendwann wurde der widerspenstige Lärm gezähmt. Unser Autor berichtet seit bald einem Vierteljahrhundert aus Londons Musikszene in die Schweiz und stolpert seit einiger Zeit bei Interviews und Konzerten dauernd über wohlsituierte 50-Jährige.

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VON HANSPETER «DÜSI» KÜNZLER (TEXT) UND DOMINIK PLÜSS (BILD)

Die Nadel zum Aussteuern des Tonbandgerätes zitterte minutenlang im obersten Rotbereich. Wie am Spiess quietschte er, der Roger Daltrey. Endlich hatte er genug Luft geschnappt, um zur grössten Beleidigung auszuholen, die ihm im Rahmen der Gesetze der Höflichkeit noch einfiel: «Sie – Sie – Sie Intellektueller!», heulte er. Der Grund für das Ausrasten des Who-Sängers: Die Frage, ob er sich nicht komisch vorkomme, in seinem Alter noch «My Generation» mit der Zeile «I hope I die before I get old» zu singen. Man schrieb das Jahr 1988 und Roger hatte gerade seinen 44. Geburtstag gefeiert, der Fragesteller steckte praktisch noch in den Kinderschuhen. Dem Frieden zuliebe einigte man sich dann darauf, dass «My Generation» halt ein Songklassiker sei, bei dem es nicht auf die wörtliche Bedeutung ankomme, sondern auf den Geist, den er vermittelt. Ich blieb damals skeptisch. Gerade wenn es um die Botschaft ging (ein Plädoyer dafür, dass sich die Jugend auf ihrer Suche nach einer Identität nicht einfach bei den Alten und ihren Werten bediente), war es doch absurd, wenn das Lied von einem Beinahe-Grossvater serviert wurde, oder etwa nicht? Der Grunger als Geniesser Ja, das Altersspektrum im Rockpublikum und erst recht auf der Rockbühne hat sich wahrhaft verändert über die letzten zwanzig Jahre. Früher verlief die Karriere eines Rockstars so wie die eines Fussballers: kurz und heftig und dann ab in die Kneipe. Heute nimmt sie eher den Verlauf einer Golf-Profi-Laufbahn an: rascher Aufstieg gefolgt von einem sanften Abgleiten in Richtung Senioren-Tournee. Beispiel Eddie Vedder. Eddie war jugendliche 26 Jahre alt, als 1991 das Debut-Album von Pearl Jam erschien und mit Nirvanas «Nevermind» das alternativrockige Phänomen «Grunge» in die Charts wuchtete. Im Vorfeld zu ihrem neunten Album «Backspacer» gab die Band letzthin in London ein Konzert im intimen Shepherd’s Bush Empire. Vedder ist heute älter als Roger Daltrey beim obigen Rendezvous. Auch sein Publikum legt Alterserscheinungen wie glatzenkompensierenden Rosschwanz und Wohlstandsbauch an den Tag. Zuvorderst vor der Bühne allerdings üben sich verwegene Teenager wie eh und je im Pogo tanzen. «Wir waren damals beseelt vom Wunsch, einen ehrlichen Ausdruck für unsere Gefühle zu finden», sagt Vedder am nächsten Tag im Interview, «im Gegensatz zu dem, was die amerikanischen Radiowellen sonst verstopfte.» Lange wurden die Medien gemieden, man drehte keine Videos und boykottierte den Vorverkaufsmonopolisten Ticketmaster. Die Haltung der Band und die Aussagen ihrer Lieder bildeten eine Einheit – es war ein Echo aus den Sixties, wo man sich von der noch so jungen Rock- und Popmusik von Led Zeppelin bis Leonard Cohen so viel weltverändernde Wirkung versprochen hatte. Und es hallte darin Punk und New Wave nach mit ihren politisch motivierten Gruppen à la Gang of Four und Dead Kennedys. Musik als Botschaft, Musik zur Bewusstseinserweiterung, Musik als Demarkationslinie gegen alles, was man ablehnte, zum Beispiel ältere Geschwister und Eltern. Alles gut und recht und idealistisch und romantisch. Aber von der Bühne aus sah die Sache für Eddie Vedder anders aus: «Der Erfolg – es war ein Gefühl, als ob wir uns ständig auf der Flucht vor einer wild ge-

wordenen Büffelherde befänden. Jetzt, in unseren späteren Jahren, haben wir endlich zu einer Lebensweise gefunden, wo wir selber schätzen können, was wir tun.» Mehr als die Hälfte der Künstler in der Liste der 15 profitabelsten USA-Tourneen von 2008 sind über 50 Jahre alt: Billy Joel (Rang 15) ist 60; das Durchschnittsalter von Van Halen (Rang elf) läge bei 54, wenn Van Halens Sohn Wolfie ihn mit seinen 18 Jahren nicht hinunterdrückte; bei den Eagles (Rang 9) liegt der Durchschnitt bei 61; Neil Diamond (Rang 7) ist 68; das jüngste Police-Mitglied (Rang 4) ist 57, Madonna (Rang 3) 51, Bruce Springsteen (Rang 2) wird im September 60, und sogar Bon Jovi, die zwei Millionen Fans anlockten und sagenhafte 210 650 630 Dollar einsackten, bringen es im Schnitt auf 50 Jahre. Vorab in Europa äusserst erfolgreich gestaltete sich das Comeback des 74-jährigen Leonard Cohen. Ein Blick ins Londoner Konzertprogramm der nächsten Monate fördert Namen wie Cliff Richard, Mott The Hoople, Fleetwood Mac, Deep Purple, Alice Cooper, Buzzcocks und Spandau Ballet zutage. Nicht zu vergessen Iggy Pop, der seine doch eher überraschende Langlebigkeit so begründet: «Ich habe keine Glatze. Ich bin nicht dick. Und ich bin noch immer nicht ungefährlich.» Ein Vergleich des Publikums, das die so diversen Namen heute anlocken, erlaubt zwei Beobachtungen. Erstens: Derweil vor zwanzig Jahren kaum je ältere Gesichter zu einem Rock-Gig erschienen, bilden die Vertreter der Altersgruppe zwischen 35 und 60 Jahren heute im Tohuwabohu vor der Bühne oft die Mehrheit. Zweitens: Bei all diesen Konzerten älterer Semester ist im Publikum auch die Jugend zugegen. Geschichtsbewusst und cool Das Verschwinden des Grabens zwischen den Generationen begann mit dem kommerziellen Durchbruch der CD in den mittleren 80er-Jahren. Bis dahin hatten sich die Plattenfirmen wenig um die Geschichte gekümmert. Nachgepresst wurden allenfalls die Beatles, weniger bekannte Bands waren schnell vergriffen. Wer seine Wunschplatten nicht gekauft hatte, als sie erschienen waren, war deshalb auf die Sammlerläden angewiesen. Wenn Johnny Rotten von Van Der Graaf Generator und Magma schwärmte, hatten die wenigsten seiner punkigen Fans die geringste Ahnung, wovon er sprach. Mit der CD eröffnete sich für die Plattenfirmen ein ganz neuer Markt: man ahnte, dass die gut betuchten frühen Besitzer von CD-Playern gern ihre alten Lieblingsplatten im neuen Format abspielen wollten und fing an, die grössten Schlager im Archiv auf Silberlinge zu brennen. Dadurch wurden auch ältere Musikfans

«Ich habe keine Glatze. Ich bin nicht dick. Und ich bin noch immer nicht ungefährlich.»

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wieder in die Plattenläden gelockt, welche mit New Wave, New Romantics, Electro-Pop und Disco nichts anfangen konnten. Auf einmal entpuppten sich alte Alben als massive neue Profitquelle. Immer mehr verschollene Perlen wurden aus dem Abseits gefischt. Immer mehr vergessene Namen erlebten eine Renaissance. Heute, im Zeitalter der digitalen, oft kostenlosen Downloads, gehören Gutbetuchte im fortgeschrittenen Alter zu den wenigen Rockfans, die noch Geld für Musik ausgeben. Bedient wird diese Klientel mit aufwendigen CD-Sets (Bob

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Dylans «Offical Bootleg Series») oder Boxen wie Neil Youngs «Archives» zum Preis einer Städtereise. Entsprechend weht der Wind in den Musikmedien. Mit Mojo und Classic Rock tauchten in den Neunzigern in Grossbritannien neue, seriöse Monatszeitschriften auf, die sich an alte Musikfans mit einem leisen Interesse an der Gegenwart und junge Musikfans mit einem starken Interesse an der «Klassik» wenden. Heute ist die Auflage von Mojo mit rund 100 000 Exemplaren doppelt so hoch wie die der traditionellerweise supercoolen Wochenpostille New Musical Express, die mit einer bei fast 300 000 Exemplaren liegenden Auflage (und einem tiefsitzenden Misstrauen gegen jeden Dreissigjährigen) in den Punk-Jahren den Ton angab. Auch bei der Zürcher Musikzeitung Loop tendiert das Durchschnittsalter der Autoren gegen 40. «My Generation» kann heute jeder zwischen 20 und 60 auf sich beziehen. Wichtiger als Altersunterschiede ist heute der alte Graben zwischen «Pop» und «Rock». Pop – Musik, die von Rockfans gern als Kommerz oder funktionelle Tanzmusik abgetan wird – bevölkert die Hitparaden, Rock in all seinen Spielformen dominiert die interssanteren Internet-Blogs. Damit hat sich ein historischer Kreis geschlossen: Schon die Beatles hatten ihre grössten Einflüsse von alten Blues-, Folk-, Jazzund Music Hall-Stimmen bezogen. Dennoch gibt es auch für Teenager, die unterdessen nicht einmal mehr das Glastonbury-Festival für sich allein haben, einen Ausweg: Zu tausenden ziehen sie an die Festivals in Kroatien, Ungarn und Bulgarien – so weit fährt selbst der knackigste Oldie seiner Musik (noch) nicht hinterher. Das Phänomen «Faltenrock» beschränkt sich im Übrigen nicht nur auf England. Auch hierzulande wird bis ins Rentenalter gerockt. Mit «Prototyp» hat Polo Hofer (64) gerade sein 28. Album herausgebracht. Konzerte wird der Grossvater aller Mundartrocker aus gesundheitlichen Gründen dieses Jahr allerdings keine spielen. ■

Oldies on Tour

BILD: KEYSTONE

BILD: ZVG

Tori Amos (46) 13. September, Messezentrum, Basel 15. September, Kongresshaus, Zürich Steve Earle (54) 22. September, Mühle Hunziken, Rubigen 23. September, Konzerthaus Schüür, Luzern Saxon (Durchschnittsalter 55) 15. Oktober, Z7, Pratteln Elton John (62) 16. Oktober, Hallenstadion, Zürich Mudhoney (Durchschnittsalter 45) 24. Oktober, Gaswerk, Winterthur Tom Jones (69) 3. November, Hallenstadion, Zürich Bryan Adams (49) 9. November, KKL, Luzern New Model Army (Durchschnittsalter 48) 10. November, Volkshaus, Basel 12. November, Salzhaus, Winterthur Marianne Faithfull (62) 16. November, Kongresshaus, Zürich Marillion (Durchschnittsalter 51) 18. November, Volkshaus, Basel Uriah Heep (Durchschnittsalter 56) 24. November, Z7, Pratteln Depeche Mode (Durchschnittsalter 48) 6. und 7. Dezember, Hallenstadion, Zürich

As years go by: Marianne Faithfull 1968 und heute. SURPRISE 208/09

Bildlegende

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BILD: MENA KOST

Bewohner Werni Kaiser und Mitarbeiter Michael Wüthrich im Garten des Lighthouse Basel.

Aids Neues Leben im alten Sterbehospiz Vor 20 Jahren wurde das Lighthouse Basel eröffnet, das erste Sterbehospiz für Aidskranke in der Schweiz. Damals fuhr fast jede Woche der Leichenwagen vor. Heute steht im Lighthouse nicht mehr das würdevolle Sterben im Vordergrund, sondern das Leben. VON MENA KOST

«Ich komm gleich», rufts aus dem Nachbarsgarten mit der Schweizerfahne. Werni Kaiser – gross, schlaksig, mit Hosenträger und Schirmmütze – ist einer der wenigen Bewohner im Basler Lighthouse, der nicht auf eine Gehhilfe angewiesen ist. Das nützt er aus und macht in der Umgebung seine Besuche. Nachdem sich Kaiser vom Nachbarn verabschiedet und im Garten des Lighthouse am Holztisch mit Kaffee und Aschenbecher neu installiert hat, kommt er direkt zur Sache: «Ich habe schon vier Mal mein Testament geschrieben. Bin 49 Jahre alt. Als ich 31 war, wurde mir im Spital von Stans mitgeteilt, dass ich Knochenkrebs und Aids habe. Zwei Todesurteile auf einmal.» Kaiser lacht, als hätte jemand einen schlechten Witz erzählt, drückt die Luft stossweise aus seinen Lungen: «Zwei Todesurteile auf einmal.»

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Bevor diese beiden Diagnosen sein Leben auf den Kopf stellten, war Kaiser ein Abenteurer. Er selbst würde sich so nicht bezeichnen, Kaiser ist keiner, der sich und seine Vergangenheit romantisiert. Aber wenn er erzählt, wie er einst lebte, scheint es schon die richtige Bezeichnung zu sein: Aufgewachsen am Vierwaldstättersee, sieben Geschwister, fast alle blieben in der Nähe des elterlichen Bauernhauses. Nur Werni Kaiser nicht. Ihn zog es in die Ferne. Nach einer ersten Ausbildung zum Schreiner und einer zweiten zum Bootsbauer gondelte er durch die Welt. Etwa durch Norwegen, Schweden und Finnland. Oder Irland, allein in der Wildnis, unterwegs mit dem VW-Bus. «Dort habe ich gefischt und gesoffen», sagt Kaiser, und jetzt muss er wirklich lachen. Dann wurde er krank. So krank, dass ihn seine Familie in die Schweiz zurückholte. Nach Stans, ins Spital. «Meine Familie hat mich immer unterstützt. Die ersten zehn Jahre nach den Diagnosen habe ich bei meinen Eltern gelebt.» Damals sei Aids SURPRISE 208/09


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weder bekannt noch gesellschaftlich akzeptiert gewesen: «Ich bin nicht durchs Dorf gelaufen und habe allen erzählt, dass ich Aids habe.» Auch Medikamente, welche die Immunschwäche aufhalten oder die Schmerzen mildern konnten, gab es nicht. Kaiser ging es zunehmend schlechter. Als die Eltern den Sohn nicht mehr alleine versorgen konnten, hat sich Kaiser entschieden, ins Lighthouse zu ziehen: Ein Hospiz für Aidskranke. Ein Ort zum Sterben. «Ich bin noch eine Weile bei ihm gesessen» «Es war schwierig, ein Haus zu finden, in dem man ein Sterbehospiz für Aids-Kranke einrichten konnte», erinnert sich Michael Wüthrich, der seit den Anfängen im Lighthouse arbeitet. «Keiner wollte die Kranken im Quartier haben.» Aids galt als Seuche der Fixer und Schwulen. Man hatte Angst davor, sich anzustecken, Angst, mit den Kranken würde die Drogenszene in die Gegend ziehen, Angst um die Kinder, die soviel Tod in ihrer Nähe nicht verkraften könnten. Erst wenige Jahre zuvor, 1980, wurde in den USA eine Häufung von ungewöhnlichen Krankheitsbildern festgestellt. In Europa berichteten die Medien über die neue, tödliche Krankheit und man fragte sich, ob und wann sie über den Ozean zu uns kommen würde. Zwei Jahre später traten erste Fälle in der Schweiz auf, das HI-Virus wurde entdeckt und die Hauptansteckungswege erkannt: Blutkonserven, Spritzentausch, ungeschützer Sex. Damit konnte die Präventionsarbeit beginnen. Das Bundesamt für Gesundheit hielt eine erste Pressekonferenz zum Thema ab, in den Schulen wurde im Unterricht mit Banane und Kondom Safer Sex geübt, Selbsthilfegruppen bildeten sich. Als mehr und mehr Menschen an Aids starben, machte sich Basels erste Aidsberaterin Doris Frank daran, nach dem Vorbild von Institutionen in New York und London für HIV-infizierte Menschen einen Ort zum würdigen Sterben zu suchen. Verschiedene Kreise, massgeblich die Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige (GGG), unterstützten das Vorhaben finanziell. Als man endlich eine passende Liegenschaft fand, ging es schnell: Drei Monate später, im Januar 1989, konnte der erste Bewohner einziehen. In den folgenden Monaten und Jahren wurde der Bedarf an Hospizplätzen grösser und die Warteliste länger. Andere Städte zogen nach und bald wurden auch in Zürich, Lausanne und Genf ähnliche Institutionen aufgebaut. «Zu dieser Zeit starben sehr viele Menschen im Lighthouse, fast jede Woche fuhr der Leichenwagen vor», erinnert sich Mitarbeiter Wüthrich. Heute leben im Lighthouse 16 Menschen mit den unterschiedlichsten Krankheiten: MS- und Schlaganfallpatienten, Menschen mit einem Schädelhirntrauma oder Behinderung nach einem Suizidversuch – und HIVBetroffene. In der Aids-Forschung hat sich viel getan und seit 1996 steht die antiretrovirale Kombinationstherapie zur Verfügung, die aus der tödlichen Krankheit eine chronische macht: Mit der Verbesserung der Therapiemöglichkeiten können sich viele, solange sich keine Nebenwirkungen entwickeln, in ihrem normalen Umfeld bewegen und sind nicht mehr auf Intensivpflege angewiesen. Das Lighthouse überarbeitete sein Konzept, zog 2003 in eine rollstuhlgängige Liegenschaft und steht seither als Pflegeheim auch chronisch schwer kranken Menschen zwischen 16 und 65 Jahren offen. Eine der Bewohnerinnen des neuen Lighthouse ist Fiona*. Die 41Jährige, deren Augen jung und fröhlich in die Welt schauen, ist vor fünfeinhalb Jahren zusammen mit ihrem Freund hier eingezogen. «Nicht ins gleiche Zimmer, dazu haben wir zu unterschiedliche Bedürfnisse, aber wir können uns jederzeit sehen.» Am Anfang sei das Bild des alten Lighthouse noch in ihren Köpfen gewesen: «Wir dachten, wir zögen zu sterbenden Menschen.» Aber das sei nicht der Fall: «Sicher, vielen von uns geht es nicht gut. Aber seit ich hier bin, sind erst vier Bewohner gestoben.» Eine von ihnen hat Fiona in seiner letzen Lebensphase oft beim Essen geholfen. Zum Glück, sagt sie, hätte sie die Möglichkeit gehabt,

von ihm Abschied zu nehmen: «Ich konnte noch mit ihm sprechen und als er tot war, bin ich eine Weile bei ihm gesessen.» Fionas eigene Krankheitsgeschichte ist lang: Sie wurde mit einem offenen Rücken geboren. Verschiedene Operationen konnten nicht verhindern, dass Fiona heute im Rollstuhl sitzt. Durch das viele Liegen und Sitzen entwickelten sich wunde Stellen, ihre Oberschenkelknochen wurden angegriffen und mussten entfernt werden. Eine ihrer Nieren ist ausgestiegen und sie muss sich sehr schonen, um nicht auch noch die zweite zu verlieren. Fiona ist froh, hier zu leben. Zwar sei das Zusammenleben mit so verschiedenen Menschen nicht einfach. Aber der Garten ist gross, die Zimmer hell und die angebotene Maltherapie nutzt sie gerne. «Das Wichtigste aber ist: Der Pfleger, der meine Bezugsperson ist, nimmt mich ernst.» Traum: Gesund werden Zum Ligthhouse-Team gehören insgesamt 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Jeder Bewohner hat eine Bezugsperson, der Betreuungs- und Pflegeaufwand ist gross. «Es ist eine Herausforderung, die richtige Mischung zwischen genügend Privatsphäre und Betreuung zu finden. Das ist etwas sehr Individuelles», erklärt Daniel Seeholzer, der die Institution seit fünf Jahren leitet. Die Besuchsregelung im Lighthouse ist liberal; man ist jederzeit willkommen und kann auch hier übernachten. «Entweder im Gästeraum. Oder wir stellen ein Klappbett ins Zimmer.» Auch wenn das Lighthouse heute kein Sterbehospiz mehr ist: Der Tod bleibt ein wichtiges Thema. «Wenn jemand am Gehen ist, versuchen wir auch diese letzte Zeit nach seinen Wünschen zu gestalten.» Wer möchte, kann sich von den anderen verabschieden. Wer Ruhe will, wird in Ruhe gelassen. Seeholzer schüttelt den Kopf. Es sei erstaunlich, wie stark Körper und Psyche zusammenhingen. «Ich habe schon mehrmals erlebt, dass jemand erst starb, nachdem er sich noch von jemandem, der ihm

«Ich denke nur positiv. Ich finde, wer seit 18 Jahren HIV-positiv ist, der darf das.»

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besonders wichtig war, verabschieden konnte. Als könnte die Psyche den Körper aufhalten.» Deshalb würde man im Lighthouse auch keine Wünsche als unerreichbar hinstellen. «Wir wurden schon manches Mal überrascht. Jemand konnte etwa wieder ausziehen und selbständiger leben, obwohl vom Team nur wenige an dieses Vorhaben geglaubt hatten.» Werni Kaiser, unterdessen lebt er seit neun Jahren hier, sitzt wieder am Tisch im Garten. Er liest: «Schritte an der Grenze» von Evelyne Binsack, erste Schweizerin auf dem Mount Everest. «Ich lese viele Bücher über Extrembergsteiger», erklärt er und legt das Buch auf den Tisch. «Das fasziniert mich». Auf die Frage, wie er es geschafft habe, trotz Knochenkrebs und Aids noch immer am Leben zu sein, tippt er sich an den Kopf. «Ich denke nur positiv. Ich finde, wer seit 18 Jahren positiv ist, der darf das.» Den Knochenkrebs hat Kaiser überwunden, ohne Chemotherapie, «mit einer vierjährigen Diät und chinesischen Kräutern.» Aids lässt sich bisher leider nicht überwinden, nur aufhalten. Täglich schluckt Kaiser zwölf Tabletten, starke Medikamente mit allerlei Nebenwirkungen. Kaiser nimmt sein Buch auf und liest weiter. Dann hebt er nochmals den Kopf: «Ich habe Träume, auch wenn sie das wohl bleiben werden. Der Mount Everest ist mir zu extrem. Aber ich würde gerne gesund werden.» ■ *Name geändert

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Sozialpolitik «Die Zeit der Wirtschaftsvormacht ist vorbei» Wer neuer Bundesrat wird, ist für Christian Levrat nicht entscheidend. Wichtiger ist ihm die IV-Abstimmung Ende September und eine Grundsatzdiskussion über die Zukunft der Sozialwerke. Der SP-Präsident über Rezepte gegen die Krise, Sicherheitspolitik und das Formtief seiner Partei. VON FRED LAUENER UND RETO ASCHWANDEN (INTERVIEW) UND RUBEN HOLLINGER (BILDER)

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Am 16. September entscheidet das Parlament über die Nachfolge von Pascal Couchepin. Spielt es für die Politik der nächsten Jahre überhaupt eine Rolle, ob der neue Bundesrat der FDP oder der CVP angehört? Es hat eine gewisse Bedeutung. Aber primär geht es darum, einen der drei Sitze zu besetzen, die den beiden Mitteparteien zustehen. Ihre Positionen sind sich recht nah, man sollte sich da nichts vormachen. Deshalb halten Sie sich als Sozialdemokrat vornehm zurück. Wir haben uns ganz bewusst nicht an der Personaldiskussion beteiligt, denn es muss um Inhalte gehen. Der Abgang von Pascal Couchepin eröffnet uns eine historische Chance: Eine Grundsatzdiskussion über eine komplette Neugestaltung des Sozialversicherungssystems. Sie meinen die Zusammenlegung der verschiedenen Sozialwerke. Wir müssen uns fragen, ob das derzeitige technokratische System mit zwölf verschiedenen Versicherungssparten noch den Bedürfnissen der Menschen entspricht. Wäre es nicht sinnvoller, anstelle der Arbeitslosenkasse, der IV und der Sozialhilfe eine Erwerbslosenversicherung einzuführen? Wäre es nicht auch sinnvoller, die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt weg von Einrichtungen wie Unfallversicherung, Arbeitslosenversicherung, der IV und so weiter auf eine einzige Stelle zu konzentrieren, die dafür entsprechend mehr Mittel zur Verfügung hätte?

heimische, tiefere Steuern für mich bitteschön. Von der Krise profitieren paradoxerweise nicht die Kräfte, denen soziale Gerechtigkeit das Hauptanliegen ist, sondern die Rechten und Rechtspopulisten. Ich wäre vorsichtig mit dieser Analyse. Wir stehen am Anfang der Krise. Die Arbeitslosigkeit ist bisher mehr oder weniger stabil geblieben. Es wird leider vorausgesagt, dass sie im Herbst explodieren könnte. Immerhin hat die SP alle wichtigen Wahlen der letzten Zeit verloren. Das ist richtig, aber schon eine Weile her. Die kantonalen Wahlen im Aargau und in Solothurn waren in diesem Jahr. Durch die verbreitete Unsicherheit haben sich dort viele Wähler auf konservative Werte verlassen. Aber zugegeben: Wir haben unsere Botschaft in diesen Kantonen nicht mit der notwendigen Klarheit kommuniziert. Ich habe aber den Eindruck, dass wir langsam an Terrain ge-

«Das Schlimmste für unser Land wäre eine Resignation der Bevölkerung.»

Das tönt ziemlich ehrgeizig. Derzeit sind die Kräfte, die für starke Sozialversicherungen einstehen, allein mit der Verteidigung des Status quo vollauf beschäftigt. Der Verteidigungskurs war nötig, um das Leistungsniveau zu sichern. Heute erleben wir eine der schlimmsten Krisen, die wir je mitgemacht haben, verursacht durch die Neoliberalen, die in den letzten 20 Jahren den Takt angegeben haben. Das gibt uns Gelegenheit, das Ganze neu zu denken. Man muss das Verständnis von Sozialpolitik erweitern. Sozialpolitik bedeutet nicht nur, Renten zu sprechen. Sondern? Es beinhaltet auch Familienpolitik, Bildungspolitik sowie Integrationspolitik auf dem Arbeitsmarkt und bei den Ausländern. Ein weiterer Punkt ist die Weiterbildung. Im Bundeshaus hören wir dauernd Reden, wie wichtig das sei. Aber wenn Sie real etwas unternehmen wollen, werden Sie vom Bund zu den Kantonen geschickt, von den Kantonen zurück zum Bund und niemand betrachtet sich als zuständig. Was sie ansprechen, sind Konzepte und Visionen, deren Realisierung Zeit braucht. Viele Menschen haben diese Zeit nicht. Sie haben heute Angst um ihren Arbeitsplatz, sie machen sich heute Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder, die keine Lehrstelle finden können. Was sagen Sie diesen Leuten? Es gibt in der Krise – einfach gesagt – zwei Antworten: Die eine ist, einen stärkeren sozialen Ausgleich zu finden, die Schwierigkeiten im Kollektiv lösen. Die andere ist, Bevölkerungsgruppen auszugrenzen. Wenn die Leute es vorziehen, eine Sündenbock-Politik zu unterstützen, die systematisch auf Ausländer zielt, dann kommen sie nie zu besseren Sozialleistungen. Die Wähler müssen begreifen: Es kommt ganz konkret auf ihre Stimme an. Wer Sorgen hat, ist sich schnell selbst der Nächste. Solidarität wird in Krisen einseitig für sich selber eingefordert. Arbeit für uns EinSURPRISE 208/09

winnen. Die Leute haben gemerkt, dass wir die einzige Partei sind, die selbstständig politisiert, unabhängig von den Banken oder der Pharmaindustrie. Wir liefern zum Beispiel als einzige konkrete Antworten auf die Situation an den Finanzmärkten, um zu verhindern, dass so etwas in zwei, drei oder fünf Jahren nochmals geschehen kann. Und wir bringen konkrete Lösungen zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise. Wie lauten diese konkreten Lösungen? Braucht man zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit: Steuersenkungen? Nein! Ein härteres Asylgesetz? Nein! Ausschaffungsinitiativen? Nein! Oder braucht es Konjunkturpakete, Programme, die Beschäftigung sichern, Begleitmassnahmen für die Betroffenen wie Umschulung und Weiterbildung? Ja! Für mich sind die Antworten klar und ich hoffe, dass die Bevölkerung meine Ansicht teilt. Jede Krise ist auch eine Vertrauenskrise. Neben den Banken hat auch die Politik an Vertrauen eingebüsst. «Die da oben in Bern machen sowieso, was sie wollen», heisst es im Volksmund. Der Spruch war selten zutreffender als heute. Es ist sicher so, dass die Bevölkerung den Eindruck bekommen hat, dass die Politik am Gängelband der Banken tanzt, etwa indem der Bundesrat systematisch mit Notrecht operiert. Zudem hat die Regierung mit einer Verspätung von sechs Monaten bis zu einem Jahr auf die Krise reagiert. Sie handelte erst, als es schon fast zu spät war. Unsere Kritik an der derzeitigen Funktionsweise des Bundesrats wird von vielen Bürgerinnen und Bürgern geteilt. Es ist uns allerdings noch nicht gelungen, diese gemeinsame Sicht in entsprechende Wahlresultate umzumünzen. Die UBS muss mit zig Milliarden Steuerfranken gerettet werden, ihre Manager erhalten trotzdem weiter Millionenlöhne und Boni obendrauf. Das Volk nimmt das alles hin. Keine Proteste, keine Demonstrationen, keine artikulierte Wut. Die Politik redet und redet, auch die SP macht mit im selben Chor, aber das Volk hat abgehängt, hört nicht mehr zu, hat resigniert. So sieht es doch aus! Ich hoffe nicht. Das Schlimmste, was unserem Land passieren könnte, wäre eine Resignation gegenüber den Banken und der Ideologie der Rechten. Ich bin viel unterwegs im ganzen Land, um den Menschen zu sagen: Ihr habt Rechte, und für die müsst ihr kämpfen.

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Aber sie kämpfen nicht. Ich glaube, über die letzten Jahre fand eine gewisse Entpolitisierung statt. Manche fanden, dass es nicht mehr auf die Politik ankomme. Dabei ist eine Lehre aus der Krise: Die Zeit der wirtschaftlichen Vormacht ist vorbei. Die Politik hat sich zurückgemeldet in Form eines Unterstützungspakets von 60 Milliarden für die UBS. Ich hoffe, dass die Leute merken, dass sie nun selber das Ruder übernehmen müssen. Das braucht allerdings Zeit: Wir sehen auch im Ausland nirgends Volksbewegungen, die auf eine Veränderung der Wirtschaftspolitik zielen. Selbst Parteikollegen von Ihnen, alt Nationalrat Franco Cavalli etwa oder einer ihrer Vorgänger als Präsident, Peter Bodenmann, kritisieren, die SP sei zu bürokratisch, nicht genug nahe bei den Leuten, es fehlten die Zuspitzungen. Mir scheint, dass sowohl Franco Cavalli als auch Peter Bodenmann etwas weit weg sind vom politischen Geschehen. Wo man ihnen sicher recht geben muss – und das war auch meine Analyse, als ich das Präsidium übernommen habe: Die Partei ist nicht überall so lebendig, wie sie sein sollte. Auf nationaler Ebene haben wir Massnahmen getroffen, um die Partei zu einem Ort der Auseinandersetzung zu machen. Mit Erfolg, etwa bei der Frage der öffentlichen Sicherheit. In diesem Zusammenhang profilierten sich insbesondere die Zürcher Nationalräte Daniel Jositsch und Chantal Galladé, besonders vehement in der Raserdebatte und beim Thema Jugendkriminalität. Beides sind keine klassischen sozialdemokratischen Anliegen. Ist das nun der Weg, näher an die Leute zu kommen? Die Sicherheitsdiskussion beunruhigt die Bevölkerung. Unsere Parteibasis ist sicher auch etwas geteilt. Allerdings hat diese Debatte umgekehrt

auch jenen Leuten Raum gegeben, die finden, dass man mit diesem Thema etwas differenzierter umgehen muss. Die JUSO hat sich stark eingebracht. Aber auch Parlamentarier wie Susanne Leutenegger-Oberholzer und Andrea Hämmerle haben sich in diese Diskussion eingemischt und zu einer wesentlichen Versachlichung beigetragen. Trotzdem: Es sind SP-Politiker, die medienwirksam Hardliner-Positionen zu hoch emotionalen Themen vertreten. Umgekehrt treten zentrale sozialdemokratische Anliegen in der öffentlichen Wahrnehmung in den Hintergrund. Schadet Ihnen das nicht letztlich? Die Frage ist berechtigt: Muss man bei der Hysterie um die öffentliche Sicherheit – bei aller Bedeutung des Themas – wirklich mitmachen oder ist unsere Aufgabe nicht vielmehr, den Fokus auf die Sozial- und Wirtschaftspolitik zu richten? Ich bin überzeugt, dass wir uns auf diese zwei Gebiete konzentrieren müssen. Deshalb haben wir uns als Partei für diese Legislatur drei Schwerpunkte gesetzt: soziale Gerechtigkeit einerseits, Kaufkraft andererseits und als drittes die Energiepolitik. Stichwort Kaufkraft. Auch das Rezept der SP funktioniert nur unter der Voraussetzung, dass die Wirtschaft wächst. Müssten Sie ehrlicherweise den Leuten nicht eher erklären, dass sie jetzt den Gürtel enger schnallen müssen? Kaufkraft ist in erster Linie eine Frage der Verteilung. Aber dazu muss es etwas zum Verteilen geben. Wir hatten in den letzten zehn Jahren ein sehr hohes Wachstum. Doch die Verteilung erfolgte sehr einseitig zugunsten der Aktionäre und der Manager, auf der anderen Seite gab es praktisch nichts für die Lohnempfänger und die Rentner. Wenn wir das korrigieren wollen, müssen

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«Wachstum bedeutet nicht nur, mehr Joghurt zu konsumieren.» Levrat sucht neue Wege aus der Krise.

wir sicherstellen, dass neues Wachstum – einmal wird es wieder bergauf gehen – anders verteilt wird. Das beste Beispiel ist der Bereich der erneuerbaren Energien. Wenn wir diese fördern, wird das Arbeitsplätze schaffen und zusätzliches Wachstum generieren. Wachstum bedeutet nicht einfach, mehr Joghurt zu konsumieren. Sondern die Frage: In welcher Qualität wollen wir die Gesellschaft entwickeln? Man kann mit neuen, attraktiven Lösungen Reichtum generieren, den wir mit einer Verschiebung der politischen Macht auch anders verteilen können.

«Ein Nein zur IV-Vorlage wäre eine Katastrophe für die Betroffenen.»

Jetzt sind wir wieder im Bereich von Visionen und Konzepten. In der Wirklichkeit findet in wenigen Wochen eine wichtige Abstimmung statt. Es geht um ein Anliegen, das auch für viele Surprise-Verkäuferinnen und -Verkäufer auf der Strasse von grosser Bedeutung ist: die Sanierung der finanziell angeschlagenen Invalidenversicherung. Was tut die SP, damit die Vorlage am 27. September vom Volk angenommen wird? Unsere Hauptaufgabe ist es, die Leute links von der Mitte davon zu überzeugen, dass es zur Mehrwertsteuer-Erhöhung keine Alternative gibt. Sonst steuern wir auf eine regelrechte Katastrophe für die IV-Bezüger zu. Müssen Sie Ihre eigenen Leute wirklich noch überzeugen? Manche denken, dass es andere Wege geben könnte, etwa über Lohnprozente. Ich muss aber klipp und klar sagen: Wir haben im Parlament für Lohnprozente gekämpft und verloren. Wenn wir diese Vorlage, wie sie jetzt daher kommt, nicht durchbringen, dann werden die Finanzprobleme der IV auf Kosten der Bezüger bekämpft. Diese Botschaft müssen wir an die Leute bringen, um sie zu mobilisieren. SURPRISE 208/09

Von wo droht der Vorlage Gefahr? Aus zwei Richtungen: Einerseits ist die Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht sehr populär, schon gar nicht in der Krise. Zweitens aus der Missbrauchsdiskussion zur IV. Da muss man klar machen, dass Missbrauchsfälle aufgedeckt und verfolgt werden. Und wir müssen zeigen: Ein Nein wird ganz konkrete Auswirkungen auf vier von zehn IV-Bezügern haben. Was machen Sie mit den noch Unentschiedenen in der Mitte und in der Wirtschaft? Da müssen die Wirtschaftsverbände und die bürgerlichen Parteien ihren Job erledigen. Die Signale aus der Wirtschaft sind nicht allzu negativ, den diese Leute wissen, wie wichtig die IV für die Schweizer Wirtschaft ist. Kann die Bundesratswahl die Abstimmung beeinflussen? Ich glaube, es werden letztlich nur Kandidaten antreten, die ein Ja vertreten. Sie werden viel öffentliche Aufmerksamkeit erhalten. Und ich werde nicht zuschauen, wie man nur über Köpfe spricht. Die sind bekannt, jetzt müssen sich diese Leute ins Zeug legen für die Abstimmung. ■

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FERIDUN ZAIMOGLU

Er hatte mich in das Kreuzberger Café bestellt und eine Geschichte versprochen, die ich in den Grenzen der Schicklichkeit verwerten könne. Sein Anruf kam ungelegen, ich wollte an meinem freien Tag einfach nur zu Hause sitzen und Videofilme ansehen. Doch er ließ sich nicht auf später vertrösten. Seine Cousine, soviel wollte er mir schon verraten, war von einem anständigen Jungen «sehr angetan», sie konnte jedoch als gläubige Muslimin keine normale Liebesbeziehung eingehen. Das heilige Buch gebietet Enthaltsamkeit für Jungfrauen und Junggesellen. Ich sagte ihm auf den Kopf zu, daß ich noch nie etwas von männlichen Liebeskupplern gehört hätte. Es war ihm ernst, und ich mochte seine Bitte nicht abschlagen, wir verabredeten uns für den frühen Nachmittag in einem Kaffeehaus, das von arrivierten Jungtürken frequentiert wird. Sie führen ihre Freundinnen aus und verhalten sich wie frisch graduierte Bildungsbürger, die gelernt haben, daß man sprechenden Frauen nicht auf die Lippen, aber in die Augen schaut. In dieser Enklave der guten Umgangsformen finden sich aber auch deutsche Pärchen ein. Die Deutschen entspannen sich in fremden Milieus bemerkenswert schnell, und es wird mir immer ein Rätsel bleiben, wieso der Anblick von banalem kalten Hirtensalat sie in eine derart gute Laune versetzen kann. Ich bin vor der Zeit gekommen und sitze ohne große Empfindungen auf meinem Platz. Die Kellnerinnen laufen in weißen Schürzen von einem Tisch zum anderen, sie lassen sich gern in einen Plausch verwickeln. Eine besonders schöne Frau an einem Fensterplatz zieht ihren Lidstrich nach, unsere Blicke treffen sich, und sie lacht sich von mir los und nippt an ihrem Tee, in den sie einen Zuckerwürfel hat fallen lassen. Vielleicht, denke ich, werde ich im Laufe dieses Tages gute Laune bekommen, und aus Übermut klaube ich eine Münze aus meiner Hosentasche und balanciere sie auf meinem Zeigefinger. Als ich aufschaue, steht Osman vor mir, er besitzt die Gabe, sich lautlos anzuschleichen oder ganz plötzlich zu verschwinden. Wir begrüßen uns auf althergebrachte Weise, wir besiegeln den Handschlag mit einer kurzen Umarmung. Ich will wissen, was seine Geschäfte machen und ob er seinen Frieden mit den Angestellten in seiner Videothek gemacht habe. Die Einnahmen seien lausig, türkische Filme würden nicht mehr ausgeliehen, und die Clubmitgliedschaft in einem der großen Videoverleihläden sei um einiges attraktiver. Im Gegenzug fragt er mich nach den Verkaufszahlen meiner Bücher, ich verspreche, den Verlagsbetrieb davon zu überzeugen, daß man Osman einen Stapel zukommen läßt. Er hält es für eine zündende Geschäftsidee, meine Bücher neben der Kasse zu plazieren – bestimmt würden sie besser weggehen als in einer Buchhandlung. Als ein Hund an seinem Hosenbein schnüffeln will, gibt er ihm einen Tritt in die Flanke und achtet nicht auf den bösen Blick der Besitzerin. Das sind unreine Tiere. Wo sie hausen, ist den Engeln der Eintritt verwehrt. Ich glaube nicht, daß die Engel sich von Promenadenmischungen aufhalten lassen, sage ich.

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ILLUSTRATION: PRISKA WENGER

Kurzgeschichte Gottesanrufung I

Unser Prophet, Friede sei mit ihm, leitet uns an, die Gegenwart von Hunden zu meiden, sagt Osman. Wenn sich ein Köter an dir reibt, mußt du die rituelle Waschung für die Gottesanbetung noch einmal vornehmen. Ein Hund ist ein Flohbeutel und steckt dich mit Krankheiten an. Du lebst im falschen Land, Osman. Den Eindruck habe ich auch, sagt er. Langsam füllt sich das Café mit jungen Pärchen, es ist die sogenannte Stunde des Liebesschwurs. Es heißt, der Mann solle nach der Schattenfarbe der Abenddämmerung gehen: wenn sich ein weißer Faden von einem schwarzen nur mit Mühe scheiden lasse, seien die Frauenherzen für Anrufungen besonders empfänglich. Beim Anblick der abtrünnigen Orientalen überkommt mich für einen Moment das Gefühl, es werde ein schlimmes Ende mit uns allen nehmen. Vielleicht bin ich einfach nur verstimmt über diesen störrischen Feierabendgläubigen, der mir gegenübersitzt und glaubt, Hunde gehörten aus Gründen der Hygiene gesteinigt. Also, deine Cousine hat sich verliebt, und ich freue mich für sie. Was verlangt sie aber von mir? Du sollst über die rechte Wahl der Worte räsonieren und einen Brief an diesen Jungen aufsetzen. Sie möchte, daß der Junge versteht, wie es um ihre Liebe steht. Der Brief darf ihn natürlich nicht ermutigen, sich gewisse Freiheiten zu nehmen. Diese Art von Liebe würde unter einem Unstern stehen. Was soll das heißen? Kein Sex. Keine körperliche Annäherung. Meine Cousine legt Wert darauf, daß du dem Jungen eine wichtige Regel klarmachst: Sie ist unberührbar, bis sie auf den richtigen Mann trifft. Er ist also nicht unbedingt ihre große Liebe. Nein, ich denke nicht. Wieso ist deine Cousine nicht selber erschienen und hat dich vorgeschickt? Sie ist kein schamloses Mädchen! Das habe ich auch nicht behauptet, sage ich schnell, aber du musst zugeben, daß wir uns in einer komischen Situation befinden. Zwei Männer stecken die Köpfe zusammen, um einem dritten Mann – der Liebhaber, der keiner sein darf – eine Mitteilung über die platonische Liebe einer Frau zu machen. Das nennt man Gruppenbild ohne Dame. Meine Cousine ist eben ein anständiges Mädchen. Ist in Ordnung, sage ich. Es würde mir nicht einfallen, das in Zweifel zu ziehen. Deine Cousine hätte doch auch einer Freundin die Rolle der Liebesbotin antragen können. Die Zeiten ändern sich, sagt Osman. Die Frauen klatschen gerne, und das Gerücht macht schnell die Runde. Sie setzt großes Vertrauen in mich – und auch in dich, mein Freund! Ich werde das Beichtgeheimnis hüten, sage ich. Am liebsten würde ich es hinausschreien, ich möchte mich nicht für eine Frau verwenden, die ich, wenn mich nicht alles täuscht, nur ein einziges Mal zu Gesicht bekommen habe. Osman hatte mich zum Opferfest nach Hause eingeladen, seine Eltern, beide Analphabeten, sollten einen echten Schriftsteller kennenlernen und bitteschön aus meinem SURPRISE 208/09


Wie wär’s denn damit: Deine Blicke gingen mir durch Mark und Bein. Ich weiß, du liebst mich, und ich hege für dich ähnliche Gefühle. Wir wollen uns treffen und ansehen, doch mehr kann ich auch für später nicht versprechen … Das geht nicht, sagt Osman. Es müssen Worte sein, die ihn sofort verhexen. Außerdem muß der Brief mehr Harmonien enthalten. Harmonien? Wir stellen dem armen Kerl eine Falle! Sie verlangt von ihm, daß er sich in das Schicksal eines Haremeunuchen freudig fügen soll. Ich glaube, deine Cousine möchte einfach angeschmachtet werden, sie hat zu viele Groschenhefte gelesen. Du magst sie nicht besonders, oder? Osman, Hand aufs Herz. Wie würdest du reagieren, wenn du einen solch frommen Antrag bekämest? Eine Liebe mit Spielregeln, zwei unberührbare Körper, die einander Gedichte aufsagen, aber verschlüsselt sprechen, damit auch ja kein sündiger Gedanke aufkommt. Was würdest du machen? Ich würde durchdrehen. Das habe ich ihr aber auch gesagt. Und? Sie meinte, ich würde nicht in ihrem Körper stecken, und nicht die Frauen, sondern die Männer müßten gezähmt werden. Sie sagte: Ich will mich an den Männern rächen, daß ich meine Haare verstecken muß und keinen auffälligen Nagellack auftragen kann. Der Junge kann doch nichts dafür. So wie du ihn mir beschrieben hast, wird er keine Einwände haben, wenn sie barhäuptig herumläuft. Es ist aber nun mal so verfügt worden. Sie befürchtet, daß die Ehrbaren ihr die Achtung versagen, wenn sie den Schleier wieder ablegt. Ihre Ungunst kann töten. Ich schreibe gern Liebesbriefe. Oder Bittbriefe an die deutschen Behörden. Aber beides in einem Federstrich, das ist mir unmöglich. Osman verschränkt die Hände auf dem Tisch und scheint über meine Worte nachzudenken. Schließlich ringt er sich zu einer Entscheidung durch. Ich werde meiner Cousine von dir ausrichten, daß du die Informationen aus erster Hand haben möchtest. Wenn sie weiter auf diesem komischen Brief besteht, kommen wir wieder zu dritt zusammen. Vielleicht treffen wir uns das nächste Mal bei mir, das ist ein neutrales Gelände, und ihr Vater kommt nicht auf falsche Gedanken. Soll mir recht sein, sage ich. Bestimmt hat sie sich dann entliebt, sagt Osman, oder es ist ihr klargeworden, daß sie ihn auch gleich persönlich ansprechen sollte. Und was ist, wenn es für den Jungen kein Zurück mehr gibt? Dann hat er eben Pech gehabt, sagt Osman, Pech macht reif, und seine nächste Freundin wird davon profitieren. Später kann er sich damit brüsten, daß eine Frau, die vor die Wahl gestellt wurde, sich für Gott oder die Liebe zu entscheiden, ihm den Laufpaß gab. Damit wird er bei den Frauen punkten und das Pech in Glück verwandeln. Eigentlich ist er in einer beneidenswerten Situation. ■ Aus Feridun Zaimoglus Erzählband «Zwölf Gramm Glück». Copyright 2004/2005 by Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln

Feridun Zaimoglu Feridun Zaimoglu ist 1964 im anatolischen Bolu geboren und kam 1965 mit seiner Familie nach Deutschland. Er lebt in Kiel. Der Schriftsteller, Drehbuchautor und Journalist wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Zuletzt erhielt er den Corine-Preis für seinen 2008 erschienenen Roman «Liebesbrand».

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BILD: BRITTA RATING

Munde erfahren, daß man nicht nur als Kfz-Mechaniker-Meister oder Fließbandarbeiter gutes Geld verdiente. Die Wohnung war voll mit Verwandten beider Elternteile, die Kinder tollten herum und wurden halbherzig zur Ordnung gerufen. Zur Begrüßung gab ich Osmans Cousine die Hand, sie schlug die Augen nieder, und ich kam mir vor wie Dreck. Unter strenggläubigen Moslems ist es nicht üblich, Frauen die Grußhand entgegenzustrecken. Sie hatte mir erklärt, daß das animalische Wesen des Mannes sehr reizbar sei, daher habe sie auch nach einem sündigen Leben den Schleier angelegt und einen bedingten Triebverzicht akzeptiert. Sie konvertierte zur Orthodoxie, weil sie vom Hurendekor loskommen und die Gotteszeichen entziffern wollte. Es hörte sich jedenfalls sehr poetisch an, damals, ich prägte mir ihre Worte genau ein, und da sie auf offene Ohren stieß, erzählte sie, daß sie sogar eine Wallfahrt zu einem heiligen Mann unternommen und an dessen Grabstelle einen Fetzen Stoff mehrfach geknotet habe. Weil die Seele des in Sünde verstrickten Menschen wie ein Hundemaul stinke, weil es auch ihr nicht anders gegangen sei, habe sie einen radikalen Schnitt gemacht: weg vom Fleisch, hin zu Gott. Willst du uns jetzt den Gefallen tun? sagte Osman, ich möchte eigentlich ungern zur Eile antreiben. Was kannst du mir über den Jungen sagen? Er wohnt in derselben Straße wie meine Cousine. Er will hoch hinaus, er studiert Betriebswirtschaft und hält auch die Regelstudienzeit ein … Ein Streber also, sage ich. Nicht unbedingt. Er hat eben keine Lust, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Oder findest du es besonders fortschrittlich, dich in einer verdammten Montagehalle kaputtzumachen? Da ist was Wahres dran. Wie haben sich die beiden kennengelernt? Gar nicht. Sie haben vielleicht vielsagende Blicke ausgetauscht. Meine Cousine ist sich sicher, daß auch er entbrannt ist. Er wird rot, wenn ihn Frauen ansprechen. Ach, du meine Güte. Außerdem hat er zur Zeit keine Freundin, ich habe mich schon erkundigt. Osman, du weißt, ich halte schüchterne Studenten für Spießer. Deine Cousine in allen Ehren, aber kann sie sich, sagen wir einmal, nicht einen reiferen Mann aussuchen? Sie schwört auf die Romantik … Na, wir doch auch, sage ich. Sie hat sich aber nun mal in diesen Anfänger verknallt. Sie sagt, der Mann darf seine Jungfräulichkeit nicht bei dem erstbesten Luder verlieren. Die Konkubinen leben in Schande, ob Mann oder Frau, das ist egal. Sie ist aber sehr schnell zur Hand mit dem Vorwurf, dieser oder jener Mensch sei lasterhaft, sage ich. Die Geschichte nimmt eine unangenehme Wendung, was soll der ganze Unsinn. Ich wünschte, Osmans Cousine säße mir gegenüber und ich könnte ihr ins Gesicht schreien, daß sie als bigotte Jungfer eher in Dämonenspeichel badete, als den Geboten des Herrn zu folgen. Diese Sprache würde sie verstehen und im Geiste ihren Sündenkatalog durchgehen, um mich vielleicht einen Unentschiedenen zwischen Gut und Böse zu schimpfen.


BILD: GUIDO SÜESS

Wörter von Pörtner Die Rache der Hippies Traue keinem Hippie, postulierten die Sex Pistols, nur neun Jahre nach 1968. Je länger das Datum zurücklag, desto heftiger wurde auf die 68er eingeschlagen. Sie waren nach und nach an der Aufsässigkeit der Frauen, dem Verkehrschaos oder den schlechten Drehbüchern im Schweizer Film verantwortlich. Von den gesellschaftlichen Errungenschaften jener Zeit profitierten aber alle gerne. Biedere Marken wie Mercedes Benz propagieren den Normenverstoss und das erzkonservative Establishment nennt sich heute kokett anarcho-liberal. Das Image des eigenständigen, unkonformen Bürgers, der macht, was er will und sagt, was er denkt, wurde zum Standard. Geboren wurde es in den vielfältigen gesellschaftlichen Aufbrüchen jener Zeit. Im Spektrum zwischen wertkonservativen, hierarchisch organisierten Rockern und sektenartigen, marxistisch-leninis-

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tisch-maoistischen Bürgerkindervereinen war für vieles Platz. Am verbreitetsten war wohl ein Hang zu Rockmusik, vorehelichem Sex, einem gewissen Laisser-faire, sowie wuchernder Haartracht. Selbst Anti-Drogen-Hardliner pilgern heute ans Rolling-Stones-Konzert. Obwohl diese Leute ihre Jugend im Gefängnis verbracht hätten und statt Lieder zu komponieren, Tüten geklebt hätten, wenn die Hardliner sich durchgesetzt hätten. Niemand meint Mick Jagger, wenn er über die 68er schimpft. Schade eigentlich. Ganz zu schweigen vom Niedergang, in dem sich die ganze Rock- und Musikindustrie befindet, seit die ehrgeizigen Streber das Zepter von den wilden Aussenseitern übernommen haben. An besonders vielem Schuld ist die antiautoritäre Erziehung. Wegen ihr habe die Jugend keinen Respekt mehr und sei gewalttätig. In der Schweiz sind zwischen 1968 und 1975 vielleicht 100 Kinder antiautoritär erzogen worden. Die meisten sind heute erfolgreiche Mitglieder der Gesellschaft, die ihre Kinder mehr oder weniger traditionell erziehen. Die Jugendlichen, die blöd tun, wurden so erzogen wie alle anderen auch, eventuell vernachlässigt von Eltern, die weniger mit Selbstverwirklichung denn mit Broterwerb beschäftigt waren. Ausserdem gibt es unter ihnen noch einen Anteil von Einwandererkindern, die tendenziell sehr autoritär erzogen wurden. Trotzdem hält sich diese absurde Klage hartnäckig. Da es

die Beschuldigten gar nicht gibt, protestieren sie auch nicht. Wie praktisch. Was aus politischem Kalkül vor allem ausgetrieben werden sollte, war der im weitesten Sinne mit 68 verbundene Gedanke, dass der Mensch zur Kooperation neigt, dass es gemeinsam besser geht und dass Eigeninteresse nicht der Antrieb jedes menschlichen Handelns ist. Dies wurde seit 1980 mit grossem Aufwand propagiert und versucht, als biologische Realität zu etablieren, die ausserdem dafür sorgen würde, dass es allen gut ginge. Wie man weiss, kam es anders. In Amerika erinnert man sich angesichts der Krise wieder gewisser Werte aus jener Zeit. 29 Prozent der Bevölkerung leisten Freiwilligenarbeit, mehr und mehr Leute bezweifeln, dass alles und jedes mit einem Preisschild versehen werden muss. Die Hippiesportart Yoga hat schon längst die Bürotürme erobert und auch die dazugehörigen spirituellen Lehren aus Indien und China verkaufen sich prächtig. Die Studenten tragen Brillen, Bärte und Halstücher, als würden sie noch immer in der Aula Sit-ins abhalten. Die Saat der 68er scheint trotz allem irgendwie aufzugehen. Wie gesagt, trau keinem Hippie.

STEPHAN PÖRTNER (STPOERTNER@LYCOS.COM) ILLUSTRATION: MILENA SCHÄRER (MILENA.SCHAERER@GMX.CH) SURPRISE 208/09


Landesmuseum Helvetia als Lady Macbeth Als guter Schweizer kennt man die Geschichte seines Landes seit der Schulzeit. Doch was entdeckt der Blick von aussen? Ein Rundgang mit einem Deutschen durch die neue Ausstellung zur Schweizer Geschichte im Zürcher Landesmuseum.

Geschichte ist keine exakte Wissenschaft. Historische Ereignisse bedürfen der Interpretation, die je nach Generation und Weltanschauung unterschiedlich ausfällt. Das Landesmuseum in Zürich präsentiert die Geschichte der Schweiz seit Anfang August in einer neuen Dauerausstellung. Der Einheimische studiert einmal mehr die Schlachten von Marignano bis Kappel am Albis, betrachtet Quellenmaterial zum Sonderbundskrieg, dem Landesstreik und zur Raubgold-Debatte. Reizvoll ist dabei vor allem, wie weit die Ausstellung das eigene Geschichtsbild widerspiegelt. Doch was entdeckt der Blick von aussen? Stefan Schöne wuchs in der DDR auf und arbeitet als Krankenpfleger am Unispital Zürich. Vor wenigen Wochen erhielt er den C-Ausweis, nun besucht er die Ausstellung über das Land, das ihm die Niederlassungsbewilligung erteilt hat. Los geht es passenderweise mit dem Kapitel «Niemand war schon immer hier», das zeigt, dass die Schweiz seit jeher ein Einwanderungsland war – und auch die Geschichte der Fremdenfeindlichkeit thematisiert. Vor einem Plakat zur Schwarzenbach-Initiative bleibt Schöne stehen. 1,5 Millionen Italiener waren während der Hochkonjunktur in die Schweiz gekommen, eine Zahl, die Überfremdungsängste zumindest nachvollziehbar macht. «Schon», findet Schöne, «aber die Arbeitsplätze waren ja da. In der DDR gab es auch viele Gastarbeiter aus Vietnam.» Der Einstieg gerät mit vielen Bildern und wenig interaktiven Elementen etwas zäh. Vielversprechend präsentiert sich dann aber die neu gestaltete Ruhmeshalle. Einst erinnerte sie mit Dutzenden von Hellebarden eher an ein Waffenlager. Neu steht hier ein Parcours aus hölzernen Rampen und das neun Meter hohe «Mythenrad». «Durch Konflikt zur Konkordanz» ist dieser formal und inhaltlich spannendste Ausstellungsteil überschrieben. Eine Karte der Helvetischen Republik von 1798 bis 1803, die weitgehend den heutigen Grenzen entspricht, kommentiert der Deutsche ketzerisch: «Eigentlich verdankt ihr den Nationalstaat also Napoleon.» Auf den Sesseln im nachgebauten Bundesratszimmer versucht ihm der Journalist zu erklären, dass die Schweiz das Resultat des Willens zur Selbstbestimmung ist. Doch Schöne interessiert sich bereits mehr für ein Bild der aktuellen Regierung. Warum denn acht Leute auf dem Foto seien? Als er erfährt, wer Corina Casanova ist, wundert er sich: «Dass auch ihr eine Bundeskanzlerin habt, ist mir neu.» Weiter geht es mit dem Landesstreik und dem Frauenstimmrecht, bevor eine Treppe in eine Art Zivilschutzkeller führt, wo die beiden Weltkriege behandelt werden. Schöne entdeckt ein auf den ersten Blick unspektakuläres Exponat: «Wusstest du, dass die Farbe Polarrot aus der chemischen Industrie der Schweiz für die Hakenkreuzfahne verwendet wurde?» Aussenpolitik bildet auch den nächsten Programmpunkt: Auf Säulen, die für die Kantone stehen, sind die Ergebnisse der Abstimmung über EWR, UNO und bilaterale Abkommen dargestellt. «Die Schweiz ist erst seit 2002 UNO-Mitglied?», staunt Schöne. SURPRISE 208/09

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VON RETO ASCHWANDEN

Spürt den Landigeist: Der Deutsche vor der Skulptur «Wehrbereitschaft».

Kurz vor Schluss des Rundgangs wundert sich der Deutsche vor einer Abbildung der Schweizer Garde: «Ihr dürft euch doch nicht in fremde Händel einmischen.» Der Papst sei doch ein Spezialfall, wendet der Journalist ein. Schöne grinst: «Das bewundere ich an der Schweizer Neutralität – wenn man sich dann doch mal auf eine Seite schlägt, heisst es einfach: Das ist was anderes.» Im Hof des Landesmuseums zieht der Deutsche sein Fazit: Besonders gefallen hat ihm die Ruhmeshalle sowie ein Tresor der Volksbank von 1912, aus dessen Schliessfächern sich Kassetten mit verschiedenen Artefakten zur Bankengeschichte entnehmen lassen. «So interaktive Sachen bringen ein spielerisches Element rein.» Und wie sieht er nun sein Gastland? «Wenn Staaten literarische Figuren wären, wäre die Schweiz Lady Macbeth. Sie sieht nett aus, ist tüchtig und wirkt recht freundlich. Im Verborgenen aber veranstaltet sie Ränkespiele zum eigenen Vorteil.» Gehts auch etwas schmeichelhafter? «Zugegeben: Ein bisschen beeindruckt bin ich schon. In diesem Sinne: Hopp Schwiiz!» ■

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Kulturtipps

Sagerin Christine Rothenbühler erweckt Suppenkelle, Tisch und Teppich zum Leben.

Hörbuch Nah am Wunderbaren Zum 10-jährigen Jubiläum des Lebensmittelhilfeprojekts Tischlein deck dich erzählt die Sagerin Christine Rothenbühler ein fantasievolles Märchen, das sich gegen die Vernichtung von Lebensmitteln stellt. VON CHRISTOPHER ZIMMER

Die Erzählerin hat es eilig. Da stellen sich ihr ein kleiner Tisch, ein fliegender Teppich und eine Suppenkelle in den Weg, nehmen sie mit und setzen sie auf einer Wolke ab. Von dort aus entdeckt sie die hungrige Sarah und ihre immer müde Mutter, die vor lauter Arbeit keine Zeit für das Mädchen hat. Doch der Tisch, der Teppich und die Suppenkelle wollen helfen. Durch die Begegnung mit streitbaren Einkaufswägelchen, Abfallcontainern und Kehrichtsäcken entdecken sie, dass viele Lebensmittel vernichtet werden, nur weil sie ein wenig über dem Verfallsdatum sind oder leicht beschädigt. Das bringt sie auf die zündende Idee … Das alles sieht die Erzählerin von ihrer Wolke aus. Und weil Tisch, Teppich und Suppenkelle gleichzeitig bei ihr und in der Geschichte sind, und weil die Vögel ihr ein Häuschen gegen die Kälte bauen, ist der Wolkenausguck selber eine Geschichte und Teil einer Schlusspointe, die alle Zuhörenden zu Wolkenanwärtern macht. Mit diesem Kunstgriff knüpft die ‹Sagerin› Christine Rothenbühler ein Geschichtengeflecht, in dem die Ebenen fliessend ineinander übergehen – und die Erzählerin auf spielerische Weise zur Figur in ihrer eigenen Erzählung wird. Dieses Hörbuch, das zum 10-Jahre-Jubiläum der Aktion Tischlein deck dich entstanden ist, will sensibilisieren. Ganz im Sinne von Tischlein deck dich, das sich als Brückenbauer zwischen Zuviel und Zuwenig versteht, thematisiert es die Vernichtung von Lebensmitteln. Unterstützt von einer mal melancholischen, mal heiteren Klezmer-Musik, hat Christine Rothenbühler dazu ein fantasie- und humorvolles Märchen ersonnen, das sie in unverfälschtem Berner Dialekt und in einer Sprache erzählt, die auf unaufdringliche Weise heutig ist. Das und ihre Fähigkeit, in die unterschiedlichsten Geschöpfe zu schlüpfen und ihnen Stimme und Charakter zu verleihen, schafft Nähe zum Wunderbaren der Geschichte und macht sie hörbar lebendig. Christine Rothenbühler: Ds Verspräche – d Sag vom chlyne Tisch. Hörbuch zum 10-Jahre-Jubiläum von Tischlein deck dich. 2009. Im Buchhandel für CHF 28.– erhältlich. Für Kinder ab neun Jahren geeignet.

Ein kleiner Kerl mit grossen Liedern: Jason Molina inmitten seiner Band.

Musik Trost von Josephine Einmal mehr zeigt sich Jason Molina mit seiner Band Magnolia Electric Co. als grosser Songwriter. Doch weil die Lieder ihre schlichte Schönheit erst aufs zweite Hinhören offenbaren, führt ihn die anstehende Tour erneut in kleine Klubs. VON RETO ASCHWANDEN

Vielleicht ist Jason Molina einfach zu unscheinbar. Nicht wegen seiner Erscheinung, schmächtig und zurückhaltend wirken auch andere IndieSongwriter. Bei Molina aber fällt auch die Musik aufs erste Hinhören nicht auf. Dabei hat der amerikanische Musiker berührende Melodien auf Lager und seine Texte verhandeln so melancholisch wie profund die Dinge des Lebens. Bloss schreibt der Mann halt keine vordergründigen Singles, und Johnny Cash coverte blöderweise nie einen seiner Songs, sondern zog den artverwandten Will Oldham vor. Und so musiziert Molina halt noch immer für eine kleine Gemeinde von Eingeweihten. Dagegen hilft auch das Lob der Musikpresse nicht, die die letzten Alben in die Nähe von Neil Young rückte. Gewehrt hat sich Molina nicht gegen den Vergleich, im Interview mit einem amerikanischen Magazin erklärte er aber Richard Thompson (Ex-Fairport Convention) zum Vorbild: «Ich finde ihn überaus inspirierend und er ist ein richtig harter Arbeiter.» Das ist Molina auch: Seit 1995 ist eine Vielzahl – manche meinen: Unzahl – von Aufnahmen erschienen. Zwei Alben pro Jahr sind keine Seltenheit, dazu ein Sammelsurium von Singles, Minialben und Kooperationen. Von den rauen Frühwerken unter dem Namen Songs:Ohio bis zu den vergleichsweise aufgeräumten Stücken seiner aktuellen Formation Magnolia Electric Co., stets verfolgte Molina die gleiche Absicht: die definitive Fassung seiner Vorstellung eines guten Liedes. Diesem Ziel ist er auf dem aktuellen Album «Josephine» so nah wie selten. Gewidmet ist die Platte Molinas verstorbenem Bassisten Evan Farrel. Doch Molina erzählt vom Verlust des Freundes über die allegorische Figur der titelgebenden Josephine und transzendiert so Trauer zu Trost. Als Produzent engagierte er Steve Albini, der immer dann geholt wird, wenn eine Platte möglichst unmittelbar und klischeefrei klingen soll. Das gelingt dem Gespann mit diesen formal schlichten Liedern von strenger Schönheit. Und weil mal wieder alles so beiläufig wirkt, werden die Schnell-mal-rein-Hörer auch diesmal weitergehen. Jason Molina ist einfach zu unscheinbar. Magnolia Electric Co.: «Josephine» (Secretly Canadian/Irascible) Live: 10. September, 20.20 Uhr, El Lokal, Zürich.

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Afrikanische Trickfilme wie «l’arbre aux esprits» sind am Fantoche-Festival ein

Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.

Schwerpunkt.

Festival In der Welt der Animation Ob künstliche Menschen, menschliche Tiere oder vermenschlichte Gegenstände: Im Animationsfilm ist das nicht nur möglich, sondern auch selbstverständlich. VON MICHÈLE FALLER

Die einen identifizieren sich mit der schlauen Maus, die immer wieder der ungeschickten Katze entkommt. Andere fühlen mit der Katze, die wieder einmal gegen die Maus sowie die Tücke des Objekts verloren hat und wahlweise verkohlt, platt gewalzt oder sonstiger Unbill ausgesetzt wird. Doch egal auf welche Seite man sich schlägt, mit «Fantoche», dem internationalen Animationsfilmfestival, das während sechs Tagen rund 220 Trickfilme aus aller Welt über Badens Leinwände flimmern lässt, werden alle Liebhaber des Genres reichlich auf ihre Kosten kommen. Einer der Schwerpunkte des unglaublich breit gefächerten Programms ist das afrikanische Animationsfilmschaffen, was das Programm «Terra Incognita» mit Trickfilmen aus Côte d’Ivoire, Senegal, Niger und Burkina Faso beweist. «Den finanziellen Bedingungen entsprechend sind die Filme in ihrer Technik oftmals sehr einfach», sagt Duscha Kisteler, künstlerische Leiterin des Festivals. «Jedoch unglaublich vielfältig und mit wahnsinnigen Farben, Formen, Stofflichkeiten und einer grossen Sorgfalt und Liebe zum Detail. Wirklich verzaubernd.» Auch den internationalen Wettbewerb legt Kisteler dem Publikum sehr ans Herz: «Die fünf Programme sind ein intensives Konzentrat aus bester Unterhaltung, überraschenden Ideen und gutem künstlerischem Handwerk.» Das Kurzfilmprogramm «Der Mensch in der Animation» ruft die Künstlichkeit alles Menschlichen im Trickfilm in Erinnerung. «Im Animationsfilm ist alles möglich», sagt die Festivalleiterin und meint damit nicht nur die technische Vielfalt, die vom einfachen Strichmännchen bis zur technisch komplexen 3D-Computersimulation reicht. «Die enorme kreative Spannbreite lässt sich anhand der Darstellung von uns Menschen wunderbar vor Augen führen: Da hat ein Mensch Stuhlbeine – und trotzdem akzeptieren wir Zuschauer ihn als artverwandt. Dort verselbständigt sich eine Nase und wird zu einem eigenständigen Individuum. Die eigenartigsten Vorkommnisse nehmen wir ernst und fühlen mit.» Tatsächlich. Sogar mit Tom und Jerry – der Katze und der Maus, die sich wie allzumenschliche Menschen gebärden.

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Baumberger Hochfrequenzelektronik, Aarau

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Scherrer & Partner GmbH, Basel

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VXL AG, Binningen

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Thommen ASIC-Design, Zürich

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Ingenieurbüro BEVBE, Bonstetten

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Schweizer Paraplegiker-Stiftung, Nottwil

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Ernst Schweizer AG, Hedingen

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JL AEBY Informatik, Basel

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iuliano-gartenbau & allroundservice, Binningen

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Druckerei Hürzeler AG, Regensdorf

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KIBAG Kies und Beton

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Inova Management AG, Wollerau

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SVGW, Zürich

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Brother (Schweiz) AG, Baden

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Segantini Catering, Zürich

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Axpo Holding AG, Zürich

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AnyWeb AG, Zürich

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Kaiser Software GmbH, Bern

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fast4meter, Storytelling, Bern

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IBZ Industrie AG, Adliswil

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Velo-Oase Bestgen, Baar

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Niederer Kraft & Frey, Zürich

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Mundipharma Laboratories GmbH, Basel

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GUIDIMEDIACOM, Zollikon

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reinhardpartner Architekten und Planer, Bern

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Strassenmagazin Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag! Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

«Fantoche», Internationales Festival für Animationsfilm, 8. bis 13. September, Baden (Festivalzentrum: Merker-Areal). www.fantoche.ch

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Ausgehtipps

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Kaufleuten/ZĂźrich Jawohl, mein RĂźhrer! ÂŤWollt ihr das totale Sieb?Âť Der Spruch hat Kultstatus an jedem WG-Herd. Die kochenden Nazis sind der grĂśsste Hit von Dirk Stermann und Christoph Grissemann. Seit Jahren liefert das Duo in der ORF-Sendung ÂŤWillkommen Ă–sterreichÂť die härteste Satire im deutschsprachigen Fernsehen. Lange blieb die Late-Night-Show ein Insider-Tipp. Das änderte sich schlagartig, als Stermann und Grissmann eine Woche nach JĂśrg Haiders Tod minutenlang Ăźber den Rechtspolitiker herzogen. Es hagelte Proteste, Auftrittsabsagen und Morddrohungen. Doch zumindest Grissemann nahm die Aufregung gelassen: ÂŤIch glaube, es gibt in der Geschichte des politischen Attentats keinen einzigen Fall, bei dem ein Komiker erschossen worden wäre.Âť Beim BĂźhnenprogramm ÂŤDie Deutsche KochschauÂť aber sollen sich schon Zuschauer zu Tode gelacht haben. (ash) 16. und 17. September, 19.00 Uhr, Kaufleuten, ZĂźrich.

Stermann (links) und Grissemann präsentieren das totale Sieb.

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Forum Schlossplatz/Aarau Unbekannte Metropole In Iran hat der öffentliche Raum eine andere Bedeutung als bei uns. Das Leben ausserhalb der eigenen vier Wände ist religiösen Vorschriften unterworfen. Wer sich öffentlich dagegen ausspricht, muss mit gewaltsamer Unterdrückung rechnen. Diese Situation hat auch einen Einfluss auf das Schaffen der einheimischen Künstler. In Aarau zeigen Kunstschaffende aus Teheran Installationen sowie Video- und Fotoarbeiten, die sich mit dem öffentlichen Raum in der im Westen weitgehend unbekannten Metropole auseinandersetzen. Nebst der Ausstellung sind Lesungen, Filmvorführungen, Diskussionsabende und Musikveranstaltungen geplant. (juk) «Inside Teheran out», Vernissage 13. September, Ausstellung bis 10. Januar 2010, Forum Schlossplatz, Aarau.

machbar.

Veranstaltungsprogramm: www.forumschlossplatz.ch

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Öffentliches Leben ist in Teheran schwierig, aber

Am Frauenstadtrundgang erzählen Frauen von Frauen.

Basel Bewegte Frauen

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Wo turnten die Basler Turnerinnen und haben in der Stadt am Rheinknie tatsächlich einmal Olympische Spiele stattgefunden? Antworten auf diese Fragen gibts auf dem Frauenstadtrundgang «Basel in Bewegung». In amüsanten, bewegenden und nachdenklichen Etappen wird die Basler Sportgeschichte aus weiblicher Sicht erzählt. Die Entdeckungsreise durch ein unbekanntes Stück Stadtgeschichte ist von Frauen über Frauen – aber nicht nur für Frauen. Nebst führen können die Frauen vom Verein Frauenstadtrundgang auch feiern: Der Verein lädt am 12. September zum 20-Jahre-Geburtstagsfest ein. (juk) Frauenstadtrundgang «Basel in Bewegung», 6. September, 14 Uhr, Treffpunkt: Spalentor. Vorverkauf: Buchhandlung Narrenschiff, Basel, und Buchhandlung Rapunzel, Liestal. Festinfos: www.frauenstadtrundgang-basel.ch

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Verkäuferporträt «Ich lebe für den Moment» BILD: ZVG

Daniel Fellner aus Basel ist zu krank für den regulären Arbeitsmarkt. Dank dem Verkauf von Surprise kommt der 36-Jährige aber in Kontakt mit anderen Menschen und ist quasi sein eigener Chef. AUFGEZEICHNET VON DENISE ANANIA

«Ich habe schon immer gerne gearbeitet; hatte schon Jobs als Koch oder Kellner. Und schon immer hat mir dabei der Kontakt zu anderen Menschen gefallen. Kurz bevor ich jedoch eine Lehrstelle als Verkäufer im Jelmoli in Bern antreten konnte, bekam ich meine erste Psychose. Diese psychischen Störungen zeigten sich zuerst, indem ich einfach zu viel wollte. Ich überforderte die Leute in meiner Umgebung mit meiner Energie. Ich peilte den steilen Berg an und nicht den flachen Weg. Danach war nichts mehr wie vorher. Irgendwann bekam ich die Diagnose manisch-depressiv. Ich definiere meine Krankheit so, dass ich einfach zu viel Energie besitze. Manchmal muss ich drei oder vier Tage nicht schlafen, bin nicht müde. Ärzte erklärten mir, dass mein Körper zu viel Dopamin produziert. Das ist ein sogenanntes Glückshormon. Manchmal habe ich das Gefühl, ich bewege mich in einer anderen Dimension. Ich möchte aber festhalten, dass ich noch nie in meinem Leben Drogen genommen habe. Andere versuchen, mit Drogen zu mehr Energie zu gelangen, ich habe von Natur aus Energie. Nur leider kann ich sie schlecht kontrollieren. Solche Energieschübe muss ich dementsprechend mit Medikamenten ausbalancieren. Akzeptieren kann ich meine Krankheit noch immer nicht ganz. Langsam begreife ich zwar, dass ich manisch-depressiv bin. Ich verstehe jedoch nicht, warum ich deshalb immer wieder gebremst werden muss. In der freien Wirtschaft sucht man doch dynamische, energiegeladene Personen. Wenn ich mittels der Medikamente in meiner Energie zurückgenommen werde, kann es auch sein, dass ich danach in eine Depression falle. Das alles hindert mich daran, einer normalen Arbeit nachzugehen. Wegen der Medikamente bin ich nicht konstant leistungsfähig. Aus diesem Grund ist die Arbeit bei Surprise perfekt für mich. Zu Surprise kam ich über einen Freund, der bereits Verkäufer war. Seit Anfang Jahr verkaufe ich das Heft nun selber. Meine Stammplätze sind vor dem Globus am Marktplatz und dem Pfauen in der Freien Strasse. Bei Surprise kann ich mir die Zeit selber einteilen. Das ist einerseits toll, auf der anderen Seite ist es echt auch eine Herausforderung. Ich muss immer aufpassen, dass ich die ganze Arbeit nicht schleifen lasse. Bei Surprise hat man mehr Eigenverantwortung als bei einer Arbeit in einer geschützten Werkstatt. Man ist quasi sein eigener Chef. Wie in meinen früheren Jobs gefällt mir auch beim Heftverkauf der Kontakt zu anderen Menschen. Schön ist zudem, dass meine Arbeit von den Menschen um mich herum geschätzt wird. Das ist sehr motivierend. Diese Anerkennung sorgt auch dafür, dass ich nicht zu Hause herumlungere, sondern mich immer wieder aufraffe, etwas zu machen.

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Was meine Zukunft betrifft, schaue ich nicht so weit voraus. Durch meine Krankheit habe ich auch gelernt, dass das Leben unberechenbar und nur bedingt planbar ist. Träume habe ich eigentlich keine. Es kommt eh anders, als geplant. Ich lebe für den Moment. Einen Wunsch habe ich jedoch: Ich möchte mein Übergewicht wieder loswerden. Durch die Einnahme der Medikamente habe ich viel zugenommen. Das habe ich auch schon bei anderen Personen beobachtet, die krank sind und Medikamente einnehmen müssen. Früher wog ich 75 Kilogramm, war ein sportlicher Typ. Heute bringe ich 120 Kilogramm auf die Waage. Das macht mir einerseits körperlich zu schaffen, andererseits kommt es auch bei Frauen nicht so gut an. Ich möchte die überflüssigen Pfunde unbedingt wieder verlieren, um so wieder attraktiver für die Damenwelt zu werden.» ■ SURPRISE 208/09


Eine Chance für alle! Werden Sie Surprise-Götti oder -Gotte ber. Das verdient Respekt und Unterstützung. Regelmässige Verkaufende werden von Surprise-Sozialarbeiterinnen betreut, individuell begleitet und gezielt gefördert. Dazu gehört auch, dass sie von Surprise nach bestandener Probezeit einen ordentlichen Arbeitsvertrag erhalten. Mit der festen Anstellung übernehmen die Surprise-Verkaufenden mehr Verantwortung; eine wesentliche Voraussetzung dafür, wieder fit für die Welt und den Arbeitsmarkt zu werden.

Starverkäufer BILD: ZVG

Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten als andere. Menschen, die sich aber wieder aufgerappelt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt Struktur und wieder einen Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Die Surprise-Strassenverkäuferinnen und -verkäufer helfen sich sel-

Als Götti oder Gotte ermöglichen Sie einer Strassenverkäuferin oder einem Strassenverkäufer eine betreute Anstellung bei Surprise und damit die Chance zur Rückkehr in ein selbstbestimmtes Leben.

Wolfgang Kreibich Basel

Marika Jonuzi Basel

Jela Veraguth Zürich

Kumar Shantirakumar Bern

Ausserdem im Förderprogramm SurPlus Peter Gamma, Basel Peter Hässig, Basel René Senn, Zürich Andreas Ammann, Bern Kurt Brügger, Baselland

Bob Ekoevi Koulekpato, Basel Anja Uehlinger, Baden Marlise Haas, Basel Fatima Keranovic, Baselland

Andrea Hauri aus Muri bei Bern nominiert Tesfagabir Ghebreab als Starverkäufer: «Er ist an seinem Standort vor dem Coop in Muri nicht nur freundlich und diskret, sondern überaus aufmerksam und hilfsbereit. Meinem Mann hat er geholfen, die Einkaufstasche zu tragen, als unsere Tochter sich geweigert hat, selbst zu gehen. Ein anderes Mal hat er sich nicht gescheut, quer durch das ganze Blaue Bähnli (Tram) zu gehen, um einer Freundin und mir beim Einsteigen mit Kindern und Kinderwagen zu helfen. Tesfagabir Ghebreab ist mein Star.» Ihre Nominierung schicken Sie bitte an: Strassenmagazin Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41+61 564 90 99, redaktion@strassenmagazin.ch

Ja, ich werde Götti/Gotte von 1 Jahr: 8000 Franken

1/2 Jahr: 4000 Franken

1/4 Jahr: 2000 Franken

Vorname, Name

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PLZ, Ort

Datum, Unterschrift

1 Monat: 700 Franken

208/09 Talon bitte senden oder faxen an: Strassenmagazin Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@strassenmagazin.ch, PC-Konto 12-551455-3 SURPRISE 208/09

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Surprise ist: Hilfe zur Selbsthilfe Surprise fördert seit 1997 die Selbsthilfe von Menschen in sozialen Schwierigkeiten. Mit begleiteten Angeboten in den Bereichen Arbeit, Sport und Kultur fördert Surprise die soziale Selbständigkeit und berufliche Eingliederung, das Verantwortungsbewusstsein, die Gesundheit und eine positive Lebenseinstellung. Surprise gibt es in der deutschsprachigen Schweiz. Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht von Armut und sozialer Benachteiligung betroffenen Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit für ihre Anliegen. Surprise beteiligt sich am Wandel der Gesellschaft und bezieht Stellung für soziale Gerechtigkeit.

Ich möchte Surprise abonnieren! 24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.)

Strassensport Der zweite Schwerpunkt von Surprise ist die Integration von sozial benachteiligten Menschen in der Schweiz über den Sport. Mit einer eigenen Strassenfussball-Liga, regelmässigem Trainings- und Turnierbetrieb, der Schweizermeisterschaft sowie der Teilnahme des offiziellen Schweizer Nationalteams am jährlichen «Homeless Worldcup» vernetzt Surprise soziale Institutionen mit Sportangeboten in der ganzen Schweiz. Organisation und Internationale Vernetzung Surprise ist eine nicht gewinnorientierte soziale Institution. Die Geschäfte werden von der Strassenmagazin Surprise GmbH geführt, die von dem gemeinnützigen Verein Strassenmagazin Surprise kontrolliert wird. Surprise ist führendes Mitglied des Internationalen Netzwerks der Strassenzeitungen (INSP) mit Sitz in Glasgow, Schottland. Derzeit gehören dem Verband gegen 100 Strassenzeitungen in über 40 Ländern an.

Gönner-Abo für CHF 260.–

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Strassenmagazin und Strassenverkauf Surprise gibt das vierzehntäglich erscheinende unabhängige Strassenmagazin Surprise heraus. Neben einer professionellen Redaktion verfügt das Strassenmagazin über ein breites Netz von freien Berufsjournalistinnen, Fotografen und Illustratorinnen. Der überwiegende Teil der Auflage wird von Menschen ohne oder mit beschränktem Zugang zum regulären Arbeitsmarkt auf Strassen, Plätzen und in Bahnhöfen angeboten. Die regelmässige Arbeit gibt ihnen eine Tagesstruktur, neues Selbstvertrauen und einen bescheidenen aber eigenständig erwirtschafteten Verdienst. Für viele Surprise-Verkaufende ist das Strassenmagazin der erste Schritt zurück in ein eigenständiges Leben.

Herausgeber Strassenmagazin Surprise GmbH, Postfach, 4003 Basel, www.strassenmagazin.ch Geschäftsführung Fred Lauener Öffnungszeiten Sekretariat Mo–Do 9–12/14–16.30 Uhr, Fr 9–12 Uhr T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99, info@strassenmagazin.ch Redaktion Fred Lauener (Leitung), Reto Aschwanden, Julia Konstantinidis, Mena Kost, Agnes Weidkuhn (Koordination), T +41 61 564 90 70, redaktion@strassenmagazin.ch Freie Mitarbeit Denise Anania, Michèle Faller, Ruben Hollinger, Hanna Jaray, Olivier Joliat, Thomas Knellwolf, Hanspeter Künzler, Dominik Plüss, Stephan Pörtner, Milena Schärer, Udo Theiss, Priska Wenger, Feridun Zaimoglu, Christopher Zimmer Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 24 500, Abonnemente CHF 189.–, 24 Ex./Jahr Anzeigenverkauf Mathias Stalder, T +41 76 409 72 06, anzeigen@strassenmagazin.ch

Vertrieb Smadah Lévy Basel Matteo Serpi, T +41 61 564 90 80 Zürich Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, T +41 44 242 72 11 Bern Alfred Maurer, Pappelweg 21, 3013 Bern, T +41 31 332 53 93 Betreuung und Förderung Rita Erni, Anna-Katharina Egli, T +41 61 564 90 51 Chor/Kultur Paloma Selma, T +41 61 564 90 40 Strassensport Lavinia Biert, T +41 61 564 90 10, www.strassensport.ch Trägerverein Strassenmagazin Surprise Präsident: Carlo Knöpfel

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SURPRISE 208/09

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Kaufen Sie ein Stadion Immer mehr sozial Benachteiligte finden Freude am Sport: 15 Teams streiten ab März dieses Jahres um den Schweizer Meistertitel der Obdachlosen Fussballer, eine Rekordzahl. Um die Begeisterung mit der passenden Infrastruktur unterstützen zu können, hat Surprise eine eigene Street-SoccerArena gekauft. Helfen Sie mit. Werden Sie Besitzer einer turniertauglichen Anlage von 22 x 16 m – mit Toren und Seitenbanden – und sponsern Sie einen oder gleich mehrere der 352 Quadratmeter à 100 Franken. Die Gönner werden auf einer Bande mit Namen verdankt.

Ja, ich will Stadion-Besitzer werden (Die Feldvergabe erfolgt nach Posteingang. Sollte ein gewünschtes Feld bereits verkauft sein, wird das nächste freie Feld zugeteilt.)

Ich kaufe folgende Felder à CHF 100 ( 1

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= bereits vergeben)

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Datum, Unterschrift

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Namenseintrag Gönnerbande

Ja

Nein

Anzahl Felder

Total Kaufpreis 208/09

Talon bitte heraustrennen und schicken an: Strassenmagazin Surprise, Strassensport, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@strassenmagazin.ch


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