Santa Bob Dylan im Weihnachts-Interview Sonderfall Tessin: Der Kanton, der vergessen ging
Konsumankurbler – mit Alternativgeld gegen die Krise
Nr. 214 | 4. bis 17. Dezember 2009 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.
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*gemäss Basic 2008-2. Seite bitteMACH heraustrennen und schicken oder faxen an: Strassenmagazin Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@strassenmagazin.ch
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BILD: COURTESY OF COLUMBIA RECORDS
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Inhalt Editorial Frostiger Wind Leserbriefe Lebendige Männer Basteln für eine bessere Welt Sing durch die Blume Aufgelesen Altersarbeit Zugerichtet In Panik geraten Mit scharf Frauen an der Macht Erwin ... muss sparen Porträt Die Frau und die Herzen Schweiz Hinter den Bergen im Tessin Wörter von Pörtner Mit den Augen des Rückkehrers Kabarett Klamauk im Doppelpack Kulturtipps Mit Giftpflanzen durchs Jahr Ausgehtipps Nicht allein an Weihnachten Verkäuferporträt «Ich träume von einer sicheren Existenz» Projekt Surplus Chance für alle! Starverkäufer In eigener Sache Impressum INSP
13 Bob Dylan His Bobness in Weihnachtslaune Das hätte man nicht erwartet: Bob Dylan hat ein Weihnachtsalbum eingespielt. Im Exklusiv-Interview für Strassenmagazine entpuppt sich der wortkarge Sänger als Purist und erklärt, weshalb auch ein Rockstar Weihnachtslieder originalgetreu singen sollte.
BILD: WOMM
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16 Alternative Währungen Es geht auch anders Ursprünglich war Geld als Instrument gedacht, um den wirtschaftlichen Austausch zu erleichtern. Doch das Mittel zum Zweck hat sich verselbstständigt – längst schon beherrscht das Geld die Menschen, nicht umgekehrt. Doch es geht auch anders: Beim Handel mit Alternativwährungen ist das Geld wieder das, was es mal war.
BILD: LUC-FRANÇOIS GEORGI
20 Kunst Mundgemalt und handverlesen Klaus Spahni ist Kunstmaler. Trotzdem sind seine Bilder nicht von Hand gemacht, denn Spahni malt mit dem Mund. Die Vorweihnachtszeit ist für den genossenschaftlich organisierten Mundmaler eine wichtige Schaffenszeit.
Titelbild: Sonymusic/William Claxton SURPRISE 214/09
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BILD: DOMINIK PLÜSS
FRED LAUENER,
Leserbriefe «Der Fleischkonsum hat nicht nur Tierleid zur Folge, er trägt auch zum Umwelt- und Welthungerproblem bei.»
GESCHÄFTSFÜHRER
Editorial Kontraproduktiv Advent ist auch für Surprise eine besondere Zeit. Es ist kalt draussen, und die Tage sind kurz. Besonders hart trifft es jene Menschen, die keine Familie oder gute Freunde haben. Einsamkeit tut im Advent und zur Weihnachtszeit besonders weh. Surprise führt deshalb in der Vorweihnachtszeit immer wieder Anlässe und Aktionen durch, die auf die Situation von Menschen in sozialer Not aufmerksam machen. Adventsfenster, Weihnachtsfeiern für die Surprise-Verkäuferinnen und -Verkäufer und öffentliche Veranstaltungen. Dieses Jahr wollten wir am 11. Dezember mit der Bevölkerung von Zürich eine Adventsnacht unter freiem Himmel verbringen. Einmal selber die Kälte und den Wind spüren, der Menschen entgegenschlägt, denen eine warme Stube fehlt. Uns aber auch wärmen mit Suppe und Brot. Wir wollten den Kundinnen und Kunden des Strassenmagazins persönlich Danke sagen für ihre Unterstützung und Solidarität. Zusammensitzen am Lagerfeuer und Liedern und Geschichten lauschen. Die Behörden der Stadt Zürich haben diese Veranstaltung nun aber verboten. Die Stadtpolizei lehnte unser Bewilligungsgesuch ab: Der Anlass würde «eine kontraproduktive Ausstrahlung gegenüber den Bemühungen der Stadt Zürich im sozialen Bereich aussenden». Ein frostiger Wind, der nicht nur unseren Verkaufenden, sondern dem ganzen Projekt Surprise in der Adventszeit aus Zürich entgegenschlägt. Offenbar nicht als kontraproduktiv beurteilt der Songwriter Bob Dylan die Arbeit von Surprise und rund 80 weiteren Strassenmagazinen, die in einem internationalen Netzwerk zusammengeschlossen sind. Deshalb möchte ich Ihnen das Exklusivinterview mit dem wortkargen Künstler ab Seite 13 besonders ans Herz legen. Darin äussert er sich unter anderem zu seiner persönlichen Beziehung zu Weihnachten und Weihnachtsliedern. Ich wünsche Ihnen gute Lektüre.
Nr. 212: «Mensch, Mann! – Was ist los mit dem starken Geschlecht?» Es gibt sie, die Männerbewegung! Hey, Surprise-Redaktoren, warum lasst Ihr die Frauen was zur Männerfrage machen? Macht doch eine eigene Nummer aus Eurer Perspektive! Nichts gegen Ironie. Aber leider haben die beiden Frauen gar nicht recherchiert und der Psychoanalytiker ist schlecht informiert. Es gibt sie, die schweizerische Männerbewegung! Als einziges Land in Europa haben wir einen nationalen Dachverband der Männer- und Väterorganisationen (www.maenner.ch) und eine hervorragende schweizerische Männerzeitung (www.maennerzeitung.ch). Was es braucht, sind noch mehr Männer, die nicht nur funktionieren, sondern als Mann lebendig bleiben wollen – und auch bereit sind, dafür zu kämpfen. Christoph Walser, Zürich
Ethikschule statt Fleischkonsum Vor rund einem Jahr habe ich in Surprise einen Artikel über die Ethikschule in Allschwil gelesen. Ich war erfreut, dass Sie ein so zukunftsweisendes Projekt vorstellen. Ich bin der Überzeugung, dass die wichtigste Aufgabe des heutigen Menschen ist, ein Mitgefühl zu entwickeln, und es den anderen Lebewesen zu ermöglichen, ein lebenswertes Leben zu führen. Der Fleischkonsum – insbesondere in unseren Breitengraden – steht dazu im Widerspruch. Er hat nicht nur immenses Tierleid zur Folge, sondern trägt auch beträchtlich zum Umwelt- und Welthungerproblem bei. Das Loblied, das in Surprise «unfortschrittlicherweise» der Metzgete («Volksbrauch Metzgete – Dem Schwein zur Ehre», Anm. d. Red.) galt, hätte dem Wirken und Bestehen der zehnjährigen Ethikschule Mensch und Tier gesungen werden sollen. Sarah Heiligtag, Zürich
Zensur ist zweischneidig Der Artikel «Plakatverbote – Zensur gibt es nicht, aber sie hilft» gefällt mir, weil er ausgewogen ist. Zensur ist zweischneidig und nicht immer wirksam – oder gar kontraproduktiv. Aus diesem Grund ist mir eine klare Haltung, und soweit möglich auch ihre Bekundung, dort, wo Grenzen bei der Werbung klar überschritten werden, sehr wichtig. Ich bitte alle Muslime und Musliminnen um Verzeihung für das Plakat der Befürworter der Anti-Minarett-Initiative, welches Hass, Wut und Angst schürt. Samuel Vozeh, Uettlingen
Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3
Herzlich, Ihre Meinung! Bitte schicken Sie uns Ihre Anregungen oder Kritik: Strassenmagazin Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 70, redaktion@strassenmagazin.ch. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion behält sich vor, Briefe zu kürzen.
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SURPRISE 214/09
ILLUSTRATION: WOMM
Schneiden Sie aus einem weissen Filzstück
Aus einem gelben Filzstück schneiden Sie
die Edelweiss-Blütenblätter aus.
den Blütenstempel aus.
Nähen Sie mit einem Faden die beiden Filztei-
Nähen Sie auf der Rückseite des Filz-Edelweiss
le in der Mitte zusammen. Befestigen Sie im
eine Sicherheitsnadel an zwei Stellen an.
gleichen Arbeitsschritt eine kleine Perle (aus
Stecken Sie sich das Edelweiss an den Kragen
Holz oder Kunststoff) im Mittelpunkt.
und singen Sie aus voller Kehle ein Lied.
Basteln für eine bessere Welt Die Wahl des grössten Schweizer Hits 2009 hats gezeigt: Wir sind ein heimatverbundenes Volk. Wer sich bei den Schweizern Gehör verschaffen will, muss nicht in erster Linie musikalisch innovativ sein, sondern die richtigen Kleider tragen: Je mehr Folklore-Blümchen am Revers stecken, desto grösser die Gewinnchance. Mit dem selbst gebastelten Edelweiss sind deshalb auch wir die Grössten – und sei es nur unter der Dusche. SURPRISE 214/09
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Aufgelesen News aus den 90 Strassenmagazinen, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.
Jobben im Altersheim Hannover. Immer mehr Senioren in Niedersachsen müssen einen Job annehmen, weil ihre Rente nicht ausreicht: In der Region Hannover sind es bereits 34 Prozent mehr Pensionierte als noch vor vier Jahren. Da es in Zukunft immer mehr Menschen geben wird, die keine geraden und lückenlosen Erwerbsbiografien vorweisen können, wird der Trend schwer zu stoppen sein. Die Gewerkschaften fordern deshalb von der Landesregierung die flächendeckende Festlegung eines Minimalstundenlohns von neun Euro.
Schweinegrippe Manchester. Besonders gefährdet, die Schweinegrippe zu bekommen und sie nicht unbeschadet zu überstehen, sind Obdachlose: Erstens haben sie oft unzureichenden Zugang zu hygienischen und medizinischen Mitteln und zweitens ist ihr Immunsystem vielfach stark geschwächt. Um eine bestmögliche Versorgung obdachloser Menschen zu gewährleisten, haben sich in England nun diverse Hilfsorganisationen mit Krankenhäusern und Notschlafstellen zusammengeschlossen.
Rechtes Österreich Graz. Während der neuste UNO-Bericht zum Thema Migration auf die Chancen hinweist, die die Zuwanderung für Produktivität und Innovation eines Landes bedeutet, wird in Österreich das Asylgesetz weiter verschärft; die Auslieferungshaft ausgeweitet, der Abschiebeschutz während des laufenden Verfahrens abgeschafft und die unabhängige Rechtsberatung gekürzt. Damit läuft Österreich der Empfehlung des UNO-Berichts entgegen: «Um Diskriminierungen vorzubeugen, müssen die Rechte von Migranten gestärkt werden.»
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Zugerichtet Ein Mann sieht rot Das Leben hat tiefe Furchen in Brunos* Gesicht hinterlassen. Der 39-Jährige wirkt frühvergreist, seine Hibbeligkeit und das lückenhafte Gebiss weisen auf eine längere Drogenkarriere hin. Glaubt man ihm, ist diese aber abgeschlossen. Bruno bezieht IV und verdient sich bei einer Kontakt- und Anlaufstelle mit dem Einsammeln von gebrauchten Spritzen ein Zubrot. «Es ist das einzige, was ich körperlich noch schaffe. Und psychisch. Und es ist wichtig, dass man etwas zu tun hat. Und ein Dach überm Kopf. In einem Heim für betreutes Wohnen. Vorher war ich obdachlos.» Er redet viel und in Bruchstücken, als hüpfe er von einer Gedächtnisinsel zur nächsten. «Dann würden wir jetzt zur Anklage übergehen», sagt der Richter behutsam. «Wir haben da Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte, Sachbeschädigung und Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes.» Bruno bedachte einen Angestellten des Bevölkerungsamtes, der ihn wegen fehlenden Wohnsitzes aus dem Personenregister gestrichen hatte, mit den Worten: «Ich werde demjenigen, der mir an die Substanz geht, ohne zu zögern etwas über den Kopf ziehen. Auf jede Aktion folgt eine Reaktion.» Der Beamte nahm Bruno ernst und zeigte ihn an. «Ich bin halt in Panik geraten», wimmert Bruno, denn die Streichung aus dem Personenregister habe auch die Streichung seiner IV-Rente bewirkt. «Ihre Sorge verstehe ich», sagt der Richter und wechselt zu einer scharfen Tonlage, «aber nicht die Drohung. Die Beamten waren in Angst und Schrecken versetzt.» Denn andere Klienten hatten ihre Drohworte in die Tat umgesetzt.
«Das war völlig falsch», lenkt Bruno ein, «ich war ja selbst mal Beamter.» Er hatte den Beruf des Pöstlers ausgeübt, bevor er ins Schleudern kam und aus der Bahn geriet. Bei Punkt zwei der Anklageschrift, es geht um Sachbeschädigung, wird er wieder munter und lächelt selbstgefällig vor sich hin. «FUCK BLOCHER» – diese wenig originelle Parole hatte Bruno auf eine Hauswand gesprayt. «Ich habe bloss meine politische Meinung kundgetan», sagt er trotzig. «Und ich bin nicht der einzige der so denkt.» – «Da könnten Sie Recht haben», meint der Richter lakonisch. «Aber den Schaden trägt ja nicht Herr Blocher, sondern der Hausbesitzer.» Der Richter lässt sich nicht auf weitere Gespräche ein und liest die Anträge des Staatsanwalt runter: Den «Bedingten» vom letzten Mal hat sich Bruno vergeigt, die Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu 30 Franken sei zu vollziehen und die von der Stadtpolizei sichergestellten zehn Gramm Betäubungsmittel, die er sich angeblich wegen Rückenschmerzen gekauft hatte, seien zu vernichten. «Ou nei! Das wäre aber schade um die gute Ware», ruft Bruno: «Ich hab ja schliesslich bezahlt dafür.» Die Gerichtsschreiber glucksen hinter vorgehaltener Hand. Nur der Richter bleibt gefasst: «Ja, das glaube ich Ihnen, dass Sie das schade finden.» Und verurteilt ihn zu einer Geldstrafe von zehn Tagessätzen zu 30 Franken, aufgeschoben bei einer Probezeit von drei Jahren, sowie einer Busse von 400 Franken. Das Heroin und das Kokain, die Feinwaage mit Etui und der Portionierer werden vernichtet. * persönliche Angaben geändert
ISABELLA SEEMANN (ISEE@GMX.CH) ILLUSTRATION: PRISKA WENGER (PRISKAWENGER@GMX.CH) SURPRISE 214/09
Landesregierung Frauen an der Macht Dank den Pionierinnen der feministischen Bewegung nehmen immer mehr Frauen Einfluss an Orten der Macht. Das ist schön – es braucht aber noch mehr von ihnen. VON JULIA KONSTANTINIDIS
Drei Frauen regieren die Schweiz. Braucht es diese Betonung oder können wir im 21. Jahrhundert von der Selbstverständlichkeit, dass Frauen in den obersten Etagen der Schweiz angekommen sind, ausgehen? Nein, können wir nicht. Und dürfen wir auch nicht. Klar sind wir froh, dass wir nicht mehr unsere BH’s verbrennen müssen, um auf uns aufmerksam zu machen. Dennoch sollten wir nicht vergessen, dass es lediglich knapp 40 Jahre her ist, seit die Frauen überhaupt politisch mitmischen können. Erika Forster, neu gewählte Präsidentin des Ständerats, war damals bereits 27 Jahre alt. Doris Leuthard, designierte Bundespräsidentin für das Jahr 2010, war immerhin acht Jahre alt. Als die jüngste Nationalratspräsidentin aller Zeiten, Pascale Bruderer, 1977 zur Welt kam, war die Diskussion um das Frauenstimmrecht – auf nationaler Ebene zumindest – glücklicherweise kalter Kaffee. Seither ist einiges gegangen, Bruderers Laufbahn zeigt es. Nach den lautstarken Kämpfen haben sich die Frauen im nun für sie zugänglichen Politsystem heraufgearbeitet und nehmen je länger desto mehr Einfluss, auch in Institutionen, deren Machtgefüge ursprünglich männlichen Charakter hat. Dass sie dabei unauffällig, vermittelnd und konsensbewusst vorgehen, kann etwas mit ihrem Charakter zu tun haben, muss aber nicht. Sie als Langweilerinnen oder spröde Karrieristinnen abzutun, ist zu einfach. Denn ihr Verhalten basiert auf strategischen Überlegungen: Indem sich die Frauen teilweise in bestehende (Macht-) Strukturen einfügen, können sie ihre Anliegen zielgerichteter am dafür bestimmten Ort anbringen. Und sie können darauf Einfluss nehmen, dass sich gerade diese Strukturen verändern. Dafür machen sie sich eine ur-schweizerische Polittradition zu eigen, die von Männern begründet und geprägt wurde: die viel beschworene Konsenspolitik.
ERWIN
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… muss sparen
Zwar sind die drei Frauen an der Spitze der Schweizer Regierung der Beweis für die politische Erstarkung der Frauen, sie sind aber immer noch die Ausnahme. Ausser im Bundesrat, sind die Frauen in der Schweizer Politik weiterhin stark untervertreten, das Land in Sachen Gleichberechtigung in vielen Punkten nach wie vor im Hintertreffen: Lohngleichheit sowie Berufs- und Karrierechancen sind nur zwei der Bereiche, in denen Gleichstellung mehr Versprechen als Tatsache ist. Trotzdem wollen jüngere Frauen nicht mehr die ganze Zeit auf ihre Ungleichbehandlung hinweisen. Sie ernten die Früchte der ersten Stunde der Frauenbewegung und das zu Recht. Doch die Früchte zu einem rein ästhetischen Stillleben verkommen lassen, das wollen wir nicht. Die Frauen müssen dran bleiben, in neuem Stil. Wir haben den Vorteil, dass wir Teil sein können von Politsystemen, Institutionen und grossen Unternehmen. Wir kennen diese Gebilde von innen und können ihre Organisation und Infrastruktur in Frage stellen, ohne gleich auf die Barrikaden zu steigen. Wir können die inhaltlichen Themen von Polit- oder Unternehmensprogrammen setzen und so Richtung Gleichstellung steuern. Also, weiter so. Nur weil die drei wichtigsten Gremien der Schweiz nun von Frauen präsidiert werden, hat sich noch nicht alles geändert. Aber Pascale Bruderer, Erika Forster und Doris Leuthard werden der Macht ein neues, weibliches Gesicht geben. ■
VON THEISS
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Porträt 100 Prozent Sachlichkeit, 100 Prozent Mitgefühl Am Herzzentrum der Zürcher Hirslanden-Klinik steht nur ein einziger weiblicher Name auf der Chirurgenliste: Franziska Bernet. VON YVONNE KUNZ (TEXT) UND ANDREA GANZ (BILD)
Wie so oft bei erfolgreichen Frauen klaffen auch bei Franziska Bernet Selbstbild und Aussenwahrnehmung weit auseinander. Wenn sie ihren Blick durch die klinisch saubere Brille auf einen richtet und ihre Aussagen mit chirurgischer Präzision formuliert, wirkt sie fast surreal perfekt. Scharf gezeichnet und in Titan gegossen. Mit knappem «Nein» schmettert sie ein Klischee nach dem andern ab: Sie ist kein Operationsgenie, das ansonsten ein von Zweifeln oder gar Süchten durchdrungenes Dasein fristet. Auch keine schneidewütige Karrierefrau, die neben ihrem Beruf kein Leben hat. Sie habe auch nicht doppelt so gut sein müssen wie ihre männlichen Kollegen. Im Gegenteil. Allerdings gebe es immer noch Leute, die sich nicht von einer Frau operieren lassen wollen. Meistens Frauen. Erst bei der Frage, ob sie arrogant sei, hält die 51-Jährige kurz inne, wiegt den Kopf hin und her, verknotet ihre kleinen, starken Hände und meint schliesslich: «Eigentlich nicht.» Exzentrisch? Auch nicht. «Aber sehr entscheidungsfreudig», was sie auf ihr Fachgebiet, die Herz- und Thoraxchirurgie zurückführt. Ihre Bestimmtheit wird von der Umwelt oft als Kaltherzigkeit wahrgenommen. «Das verletzt mich sehr.» Einerseits weil diese Qualitäten bei ihren männlichen Kollegen konsequent als Stärke und Überlegenheit gesehen würden, andererseits weil sie ganz grundsätzlich sehr emphatisch sei. Vieles liege an der Art und Weise, wie man mit Patienten und Angehörigen kommuniziere. Das gelinge ihr besser als den Männern, ist Bernet überzeugt. Nur schon, weil die Leute glauben, dass sie es als Frau besser könne und sich ihr deshalb schneller anvertrauen. Sie erzählt von einem jungen Mann mit einer Aortendissektion, ein Riss in der Hauptschlagader. Eine sehr ernste Diagnose, bei der immer eine Notfalloperation angezeigt ist. Die Frau des jungen Mannes war auch dabei, mit einem Baby. «Das gibt einem schon zu denken», meint sie. Denn sie wusste, dass die Operation leicht tödlich enden könnte. Dass es gut kam und er sein Kind aufwachsen sehen wird, zählt für die Medizinerin zu den absoluten Highlights ihrer Karriere. Oder jedes Mal wenn ein Herz nach der Operation spontan wieder zu schlagen beginnt. Franziska Bernet hätte auch erzählen können, dass sie mit ihrem Team als eine der ganz wenigen ihres Fachs in der Schweiz künstliche Herzklappen bei schlagendem Herzen einsetzen kann. Dass sie es nicht tut, fördert eine hinter ihrer Bestimmtheit versteckte Qualität zu Tage, die man so bei Chirurgen nicht erwarten würde: Bescheidenheit. Sie kann sich nicht mal erinnern, was sie nach ihrer ersten Herztransplantation gemacht hat. Mit der Belastung, dass in ihrem Fach ein Fehler schnell mal schwerste Konsequenzen haben kann, hat sich die gebürtige Baslerin arrangiert. Wenn ein Patient nach dem Eingriff stirbt, hilft ihr die nüchterne Analyse: War es die richtige Indikation? War etwas bei der Operation
oder bei der Nachbehandlung? Wenn sie jedes Detail noch einmal durchgegangen ist und sagen kann, dass sie gleich entschieden hätte, sei es für sie in Ordnung. Der Tod sei in der Herzchirurgie nun einmal ein ständiger Begleiter. Was Franziska Bernet immer wieder fasziniert, sind die Extreme: «Wie wenig es manchmal braucht – und wie viel es andere Male braucht, bis jemand stirbt.» Sie nennt es Schicksal. Wenn einer viele Komplikationen übersteht, glaubt Franziska Bernet, sei seine Zeit einfach noch nicht abgelaufen. Wenn es hingegen zu Ende geht, dann spüren das die Patienten: «Manche Leute haben extrem Angst vor dem Tod. Meine Erfahrungen zeigen mir, dass sie nicht unbedingt falsch liegen. Sehr grosse Angst ist immer ein Warnsignal.» Trotz oder gerade wegen ihrer grossen Verantwortung vertraut die Chirurgin nicht auf irgendwelche Rituale vor Operationen oder Talismane, sondern auf fachliche Vorbereitung. Bevor sie den OP betritt, geht sie ein letztes Mal die Akten durch und schaut sich vorhandenes Bildmaterial an. Fast täglich öffnet sie Herzen, findet sie schön anzusehen, nimmt sie in die Hand. Einen Raucher erkennt sie an den stärkeren Verkalkungen der Gefässe, ein dicker Herzmuskel weist meist auf einen hohen Blutdruck hin. Zeig mir dein Herz und ich sag dir, wer du bist? Nein, meint sie lachend, eher umgekehrt: Wenn sie jemand in der Sprechstunde sieht, kann sie sich das Herz vorstellen. Franziska Bernet stammt aus einfachen Verhältnissen. In der Schule war sie eine Minimalistin, tat immer nur das Nötigste. Erst wollte sie Instrumentierschwester werden, aber dann fand sie bald einmal: «Eigentlich will ich selber operieren.» Da zwei ihrer drei Geschwister ebenfalls studierten, musste sie sich ihr Medizinstudium selbst finanzieren, mit Sitzwachen im Spital an jedem zweiten Wochenende und einem kleinen Stipendium. In dieser Zeit eignete sie sich jene Charakterzüge an, von denen sie heute sagt, sie seien entscheidend gewesen: Disziplin, Beharrlichkeit, Robustheit. Eine Mimose dürfe man nicht sein. Es bereitete ihr auch nie Schwierigkeiten, dass sie nur am Wochenende Zeit hatte für ihre inzwischen 19-jährige Tochter. Als Sonntagsmutter habe man auch eine Sonntagsbeziehung, die Konflikte focht ih-
«Sehr grosse Angst ist immer ein Warnsignal.»
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re Mutter aus, die einen grossen Teil der Erziehungsarbeit übernommen hatte. Das liegt nicht allen Frauen. Franziska Bernet erklärt sich die Absenz von Frauen in ihrem Beruf damit, dass viele dem klassischen Familienbild mehr Gewicht beimessen. Wenn sie sich für Kind und Familie entscheiden, dann wollen sie auch präsent sein. Sie selbst habe der Familie nie diese Bedeutung beigemessen. «Ich habe mich immer mehr über den Beruf definiert.» Franziska Bernet ist überzeugt, dass sie bald keine Ausnahmeerscheinung mehr sein wird und sich in nicht allzu ferner Zukunft weitere Frauennamen auf dem Schild beim Klinikeingang finden werden. ■
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BILD: KEYSTONE
Tessin Vergessen hinter dem Berg
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Seit Wochen piesackt Italien das Tessin auf der Jagd nach Steuerflüchtlingen. Bern schaut zu und nimmts achselzuckend zur Kenntnis. Im Tessin fühlt man sich wieder einmal alleingelassen und fragt sich, ob man überhaupt noch dazugehört, zur Schweiz. VON BARBARA HOFMANN
Der Stadtpräsident von Basel ruft nach einer Razzia bei Schweizer Banken in Deutschland die Bewohner seiner Stadt auf, die Augen offen zu halten nach «deutschen Spionen». Polizei und Grenzwache bittet er um erhöhte Aufmerksamkeit. An der Grenze stehen Fahrzeuge der deutschen Finanzpolizei und filmen Einreisende. Bahnreisende berichten von merkwürdigen Fragestellern beim Personal der Transitzüge, und am Basler Bankenplatz sollen Bankkunden von unauffälligen Herren fotografiert worden sein, bevor sie das Gebäude betreten konnten. An den Grenzübergängen nach Deutschland verteilen indessen attraktive Damen Flugblätter, auf denen zur Vermögensdeklaration eingeladen wird. Unglaubliche Szenen spielen sich ab an der Schweizer Grenze. So unglaublich, dass sie nicht wahr sein können, denn sonst hätten sie längst eine diplomatische Krise ausgelöst. «Der erste Krieg der Schweiz» Das alles geschah aber dennoch und tatsächlich in den letzten Wochen; zwar nicht in Basel, aber im Tessin, an der Grenze zu Italien. Denn nicht Deutschland, sondern Italien hat den «Scudo fiscale» ausgerufen: Seit dem 15. September können italienische Bürger im Ausland gehaltene Vermögenswerte straffrei nach Italien zurückbringen und diese gegen eine kleine Sondersteuer von fünf Prozent legalisieren lassen. Diese Steueramnestie, oder eben «Scudo fiscale», endet am 15. Dezember. Bis dahin dürften die Spannungen an der Südgrenze anhalten. Vorgänge, die von der eidgenössischen Öffentlichkeit nur beiläufig wahrgenommen, von den italienischen Medien aber als geradezu dramatisch beurteilt werden: «Scudo fiscale – la prima guerra della Svizzera», der erste Krieg der Schweiz, titelte die italienische Tageszeitung Repubblica im Oktober. Roberto Forte, Sekretär der grenzübergreifenden schweizerischitalienischen Arbeitsgemeinschaft ‹Regio Insubrica›, rief in einem Brief an die Regierungen in Bern und Rom zur Mässigung und zum Dialog auf. Vergeblich. Eine überhitzte Reaktion jagt die andere. Die Italiener fahren schweres Geschütz auf und die Tessiner agieren so, wie sie sich fühlen: allein und alleingelassen. Immerhin, Mitte November reiste eine Delegation der Tessiner Regierung nach Bern und konfrontierte Bundespräsident Hans-Rudolf Merz mit einem ganzen Katalog von Forderungen. Merz zeigte zwar
Verständnis, mehr aber nicht. Und so reisten die Tessiner nach ein paar freundeidgenössischen Umarmungen ohne verbindliche Zusagen wieder zurück hinter den Gotthard. Der Tessiner Regierungspräsident Gabriele Gendotti (FDP) bezeichnete die Gespräche mit Merz höflich als «konstruktiv». Er machte aber auch deutlich: «Wir sind es gewohnt, uns Versprechungen anzuhören. Wir wollen jetzt aber auch Fakten». «Bern hat den ‹Scudo fiscale› lange als Tessiner Problem betrachtet. Aber der Scudo geht die ganze Schweiz an», klagte der Verwaltungsratsdelegierte der Tessiner Treuhandfirma Fidinam, Giorgio Antonini, kürzlich im «Tages-Anzeiger». Antonini bringt die Stimmung im Südkanton auf den Punkt: Man fühlt sich alleingelassen vom Rest der Schweiz. Das ist nichts Neues. Aus Deutschschweizer Optik ist das Tessin hinter den Bergen weit ab vom eidgenössischen Geschehen. Umgekehrt fällt es den Tessinern immer wieder schwer, sich entschlossen und kohärent für die eigenen Anliegen einzusetzen. Der Chef des Privatfernsehens Teleticino, Marco Bazzi, wundert sich nicht: Das Tessin sei viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt und ständig in interne Streitereien verwickelt. Klientelismus und Partikularinteressen mit Blick auf kurzfristige ökonomische Vorteile stünden dem Kanton immer wieder im Weg. Nicht nur die Bewohner, schon die Topografie des Kantons sorgt fast zwangsläufig für unterschiedlichste Interessen. Durchquert man den Kanton von Norden her, fährt man am Armenhaus Leventina vorbei, gelangt ins touristische Locarnese, rastet im reichen Lugano und landet schliesslich, nach ein paar Kilometern zersiedelten Gewerbegebiets im Mendrisiotto an der Grenze zu Italien. Spätestens hier begreift
Das Tessin neigt mehr zum Überlebenskünstler als zum Siegertyp.
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man, wie schwierig es sein muss, in dem facettenreichen Kanton gemeinsame Interessen zu finden. Unentschlossenheit sei typisch für den Südkanton. Er neige mehr zum Überlebenskünstler als zum Siegertyp, sagen (selbst-)kritische Beobachter in der Südschweiz fast einhellig. Wer genügend Unternehmungsgeist aufbrachte, sei immer schon gegangen und habe es ausserhalb des Kantons zu etwas gebracht. Das geht von den Architekten, die St. Petersburg erbauten, bis zur heutigen Genfer Polizeichefin, die diesen Posten in ihrer Heimat Tessin nie erhalten hätte. Umgekehrt wurde einer der wichtigsten Pfeiler der kantonalen Wirtschaft, die Hotellerie, durch Deutschschweizer und Ausländer initiiert.
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Schweiz Tourismus sagt es so: «Der Südzipfel der Schweiz heisst Tessin. Hier wird italienisch gesungen, gut gegessen und lustvoll den Sonnenseiten des Lebens gehuldigt.» Doch begehrt das italienisch singende, bacchantische Völklein hinter der grossen Tunnelröhre auf und wagt, Ansprüche zu stellen, erntet es allenfalls paternalistisches Wohlwollen. Wie etwa bei der Ausmarchung der Bundesratskandidaten, anlässlich dieser die helvetischen Meinungsführer plötzlich eine nicht existierende «lateinische Solidarität» beschworen und sich um die Forderungen ihrer Landsleute im Süden futierten: CVP-Präsident Darbellay meinte gegenüber Journalisten, parteipolitische Überlegungen hätten Vorrang vor regionalpolitischen der Südschweiz. Marco Solari, Präsident des Tessiner Tourismusverbandes und des Locarneser Filmfestivals, der stets die wichtige Rolle des Tessin als Brücke zwischen Nord- und Südeuropa betont, sagt: «La solidarité en Suisse n’éxiste pas» – die vom Norden und Westen immer wieder proklamierte «Solidarität innerhalb der Schweiz existiert nicht». Solari war als Mediator berufen worden, als im Frühjahr 2008 anlässlich der geplanten Schliessung der SBB-Industriewerkstätten die Tessiner zu Tausenden auf die Strasse gingen. Im mächtigen Norden kam das nicht gut an. In der NZZ hiess es auch dazu, die betriebswirtschaftlichen Überlegungen der SBB hätten Vorrang vor den regionalpolitischen Interessen des Tessins.
Solch väterliches Schulterklopfen des grossen Bruders im Norden kränkt die Tessiner zutiefst. Die Motive für die paternalistische Haltung reichen in eine Zeit zurück, als die Tessiner noch Untertanen der Urkantone waren und in den Akten der eidgenössischen Tagsatzungen als «arme Vasallen jenseits der Berge» bezeichnet wurden.
Mit der Deutschschweiz verbindet das Tessin 140 Kilometer Grenze – mit Italien über 200.
BILD: KEYSTONE
Väterliches Schulterklopfen Legendär ist der Ausspruch von alt Bundesrat Pascal Couchepin, der im Mai 2000 vor einer Abstimmung zu den bilateralen Verträgen bei einem Besuch im Tessin die Ängste der Bevölkerung vor dem übermächtigen Nachbarn Lombardei lapidar mit dem Satz wegfegte: «Seien Sie doch froh, dass Sie nicht Sizilien zum Nachbarn haben.»
Bis heute ist das Tessin stark fremdbestimmt geblieben. Das gilt für den Finanz- und Dienstleistungs- wie auch für den Industriesektor. Dort, wie auch bei Entscheidungen der öffentlichen Hand, kämpft der Kanton oft vergeblich darum, angehört und ernst genommen zu werden – sei es beim konstanten Abbau von Tessiner Arbeitsplätzen in Bundesbetrieben bis zur versuchten Schliessung der SBB-Industriewerkstätten von Bellinzona im Frühjahr 2008. Was im Tessin fehle, sagt TV-Mann Bazzi, seien Leute, die dynamisch genug sind, mit Siegeswillen etwas zu riskieren und dafür aufs Ganze zu gehen. Von den gut 300 000 Menschen, die im Kanton Tessin leben, sind etwa 200 000 «Eingeborene», ein Drittel sind Deutschschweizer und Ausländer. Kommen dann im Sommer noch die Touristenströme dazu, fühlen sich die Tessiner rasch verunsichert. Dann wird jeweils auch ein anderes Faktum wichtig: Mit der Deutschschweiz verbindet das Tessin 140 Kilometer Grenze – mit Italien über 200. ■
Das Tessin als Brücke zu Südeuropa funktioniert, die Solidarität mit dem Tessin innerhalb der Schweiz nach Meinung seiner Bewohner nicht.
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BILD: COURTSEY OF COLUMBIA RECORDS
Bob Dylan «Religion ist nicht für alle gemacht» Bob Dylan hat in seiner Karriere schon oft überrascht. Ein Weihnachtsalbum hätte aber wirklich niemand von ihm erwartet. Auf «Christmas in the Heart» singt Dylan mit heiligem Ernst traditionelle Weihnachtslieder, die Erlöse der Platte spendet er zugunsten von Lebensmittelprogrammen für Bedürftige. Im Exklusiv-Interview für Strassenmagazine spricht der mittlerweile 68-Jährige über Kindheitserinnerungen, ungläubige Kritiker, Singen in Fremdsprachen und seine eigenen Weihnachtswünsche. INTERVIEW: BILL FLANAGAN
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Wie war Weihnachten in der Kleinstadt, wo Sie aufwuchsen? Eine Menge Schnee, Jingle Bells, Sternsänger, die von Haus zu Haus zogen, Pferdeschlitten in den Strassen, Kirchturmglocken, Krippenspiele. Diese Art von Dingen.
Gibt es Weihnachtslieder, die Sie zwar mögen, von denen Sie aber dachten, dass Sie sie nicht singen könnten? Eigentlich nicht. Es gab welche, die ich nicht aufnehmen wollte. Das Konzept war, die bekanntesten Songs aufzunehmen.
Ihre Familie war jüdisch – hatten Sie als Kind jemals das Gefühl, von der Weihnachtsstimmung ausgeschlossen zu sein? Nein, überhaupt nicht.
«Christmas Blues» ist ein alter Song von Dean Martin. Was hat Sie daran gereizt? Es ist einfach nur ein schönes Lied.
Wie stellen Sie sich ein gutes Weihnachtsessen vor? Kartoffelpüree mit Bratensauce, gebratener Truthahn und Kohl, Rüben, Gebäck, Maisbrot und Cranberry-Sauce.
Das Polka-Stück «Must Be Santa» habe ich noch nie gehört. Wo haben Sie das her? Ich kenne den Song von einer Gruppe namens Brave Combo, einer Band aus Texas, die bekannte Stücke neu interpretiert und so ganz neu Einblicke in diese Songs ermöglicht. Sie sollten ihre Version von «Hey Jude» hören. Mein Bezug zu diesem Lied kommt wohl daher, dass ich in meiner Jugend gerne Polka hörte.
Wie verbringen Sie die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr? Mit Nichtstun – und vielleicht damit, ein wenig über ein paar Dinge nachzudenken. Waren Sie über Weihnachten schon einmal im Ausland und erstaunt darüber, wie das Fest in anderen Ländern gefeiert wird? Ich war einmal in Mexico City. Dort trifft man auf eine Menge Darstellungen der Szene, in der Maria und Josef eine Unterkunft suchen. Zu Weihnachten gibts viel bessere Songs als zu anderen Feiertagen – haben Sie dafür eine Erklärung? Eine gute Frage. Ich weiss es nicht. Vielleicht weil das Fest in der ganzen Welt verbreitet ist und jeder auf seine eigene Art einen Bezug dazu hat. Wie kamen Sie auf die Idee, ein Weihnachtsalbum aufzunehmen? Ich hatte schon häufiger darüber nachgedacht. Walter Yetnikoff hat mich vor vielen Jahren zum ersten Mal auf die Idee gebracht, als er noch Präsident meiner Plattenfirma war. Warum wurde seinerzeit nichts draus? Es war nicht konkret. Ausserdem gab es zu dieser Jahreszeit immer eine Flut von neuen Aufnahmen und ich wusste nicht, wie sich meine von anderen abheben könnte.
Haben Sie «Christmas on Death Row», dieses Rap-Weihnachtsalbum, gehört? Ich glaube nicht. Hören Sie überhaupt Rap-Musik? Ich höre mir keine Rap-Sender an, ich wähle keine Rap-Songs in der Jukebox aus, und ich gehe auch nicht zu Rap-Konzerten – also kann man wohl sagen, dass ich mir nicht sehr oft Rap-Musik anhöre. Haben Sie irgendeinen Bezug zu Rap? Ich liebe das Reimen nur um des Reimens willen. Das ist eine unglaubliche Kunstform. Sie waren ein junger Mann, als Sie von Minnesota nach New York City zogen. War Weihnachten in New York anders? Weihnachten war in New York ziemlich gleich, nur noch grösser. Hatten Sie Heimweh? Eigentlich nicht, ich habe nicht gross darüber nachgedacht. Ich habe die Vergangenheit nicht mit nach New York genommen. Nichts aus meiner Vergangenheit spielte für meine Zukunft eine Rolle.
Wenn zeitgenössische Künstler Weihnachtsalben aufnehmen, versuchen sie häufig, einen neuen Blickwinkel einzunehmen. Billy «Adeste Fideles» singen Sie in Latein. Haben Sie vorher schon einIdol hat ein Rock’n’Roll-Weihnachtsalbum produziert, Phil Specmal in einer Fremdsprache gesungen? tor hat seine bombastische «Wall of Sound» um den WeihnachtsHabe ich. Und zwar auf Französisch, Italienisch und Spanisch. Im Laubaum aufgebaut – es gibt Weihnachtslieder in jedem Stil, von Regfe der Jahre wurde ich von meiner Plattenfirma gebeten, in diesen Spragae bis Heavy Metal. Sie aber spielen klassische Weihnachtlieder chen zu singen, und so habe ich hier und da mal einen Song aufgein traditionellen Arrangements. War von Anfang klar, dass Sie die Songs auf diese Weise spielen wollten? Oh ja, sicher, anders hätte ich sie gar nicht «Weihnachtslieder sind Teil meines Lebens, genau wie spielen können. Diese Songs sind ein Teil meiFolk-Songs. Man soll nicht daran herumpfuschen.» nes Lebens, genau wie Folk-Songs. Und auch die muss man auf klassische Art spielen. nommen. Keines der Stücke wurde aber veröffentlicht. Ich wusste auch nie so recht, ob ich eine Übersetzung von einem meiner Songs singen Bei «I’ll Be Home for Christmas» klingen Sie verzweifelt, so als oder ein Original in der jeweiligen Sprache neu aufnehmen sollte. Perwürden Sie den Song im Gefängnis singen und er wäre ihr einziger sönlich tendiere ich zu Letzterem: Ich wollte immer schon einmal Songs Anruf. Gehen Sie manchmal wie ein Schauspieler an einen Song von Edith Piaf singen. heran? Nicht mehr als es der Jazzsänger Nat King Cole es getan hätte. Diese «La vie en rose»? Songs verlangen nicht viel Schauspielerei. Sie spielen sich quasi selbst. Unbedingt. Oder «Sous le ciel de Paris», «Pour moi tout seule» und vielleicht noch ein oder zwei andere. Versuchen Sie, in verschiedenen Aufnahmen unterschiedliche Emotionen einzubringen? Was hat Sie davon abgehalten? Eigentlich nicht. Die Emotionen waren bei einzelnen Aufnahmen ziemNun, in meinem Kopf kann ich mich diese Songs singen hören, aber um lich gleich. Vielleicht ist die Modulation anders, wenn wir die Tonart ändas umzusetzen, müsste mir jemand Arrangements schreiben und ich dern, und manchmal kann sich das auch auf den emotionalen Klang wüsste nicht, wer das könnte. auswirken.
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Sie haben Grosskinder. Haben Sie bei der Aufnahme daran gedacht, dass in vielen Jahren Ihre Enkel diese Platte ihren eigenen Kindern vorspielen werden? Ich weiss nicht, was meine Enkel von irgendeiner meiner Platten halten. Ich weiss nicht einmal, ob sie sie überhaupt kennen. Die Älteren vielleicht.
«Gibt es nicht schon genug Respektlosigkeit auf der Welt? Wer braucht noch mehr davon?»
Sie interpretieren die Melodien dieser Weihnachtslieder wesentlich detailgetreuer als Live-Versionen ihrer eigenen Songs. Denken Sie, dass man an diesen Stücken nicht herumpfuschen sollte? Das denke ich tatsächlich. Wenn man den Kern der Musik erreichen will, darf man das nicht tun. «O’ Little Town of Bethlehem» singen sie auf eine sehr heroische Art. Da ist etwas fast schon trotziges in der Art, wie Sie singen: «The hopes and fears of all the years are met in thee tonight» (Die Hoffnungen und Ängste aus all den Jahren vereinigen sich heute in dir). Sie vermitteln den Song wie jemand, der wirklich glaubt. Nun, ich bin wirklich gläubig. Einige Kritiker scheinen nicht so recht zu wissen, was sie von diesem Album halten sollen. Einer schrieb: «Manche Songs klingen ironisch. Wünscht er uns wirklich allen ein fröhliches und besinnliches Weihnachtsfest?» Steckt ein gewisser Anteil von Ironie in diesen Songs? Überhaupt nicht. Solche Kritiker betrachten das Album von aussen. Ganz sicher sind das weder Fans noch sonstige Hörer, für die ich spiele. Ihnen fehlt dieses aus dem Bauch heraus kommende Verständnis für mich oder meine Musik oder dafür, was ich tun kann und was nicht – sie haben einfach keine Ahnung.
Viele Menschen mögen eher die weltlichen Songs. Religion ist nicht für alle gemacht. Verschicken Sie selber Weihnachtskarten? Das habe ich schon länger nicht mehr getan. Wie wählen Sie Geschenke aus? Ich versuche, ein passendes Geschenk für die jeweilige Person zu finden. Kaufen Sie in letzter Sekunde ein? Immer. Geben Sie irgendwelche Hinweise auf das, was Sie sich von Ihrer Familie wünschen? Nein. Dass es ihnen gut geht – das reicht mir als Geschenk. Was ist das schönste Weihnachtsgeschenk, das Sie je bekommen haben? Lassen Sie mich überlegen ... Oh ja, ich denke, es war ein Schlitten. ■
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Ein anderer Kritiker verglich dieses Album mit dem Schock von damals, als Sie nach Ihren folkigen Anfängen plötzlich Einflüsse aus der Rockmusik verarbeiteten. Warum ist es schockierend, wenn Bob Dylan eine Weihnachtsplatte macht? Da müssen Sie andere fragen. In der Zeitung «Chicago Tribune» hiess es, dem Album fehle es an Respektlosigkeit. Das ist eine völlig verantwortungslose Aussage. Gibt es nicht schon genug Respektlosigkeit auf der Welt? Wer braucht noch mehr davon? Besonders zu Weihnachten. Der Erlös des Albums geht zugunsten von Weihnachtsessen für Menschen, die von der Fürsorge leben. Warum haben Sie als Empfänger die Hilfsorganisationen Feeding America, Crisis UK und das Welternährungsprogramm ausgewählt? Weil sie Essen direkt an die Menschen verteilen. Keine militärische Organisation, keine Bürokratie, keine Regierungen, mit denen man sich auseinandersetzen muss. Welche Sänger verbinden Sie mit Weihnachten? Johnny Mathis und Nat King Cole. Doris Day. Und Bing Crosby? Klar, «White Christmas» war immer ein grossartiger Song. Haben Sie ein Lieblingsweihnachtsalbum? Vielleicht das der Louvin Brothers (US-Gesangsduo, das in den 50erJahren grosse Erfolge mit Gospel-Songs feierte). Ich mag all diese religiösen Weihnachtsalben, wo lateinisch gesungenen wird. Die Lieder, die ich als Kind gesungen habe. SURPRISE 214/09
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BILD: WOMM
«Quote.»
Alternative Währungen Die Kreislaufbeschleuniger Nicht nur die Gier der Finanzspekulanten, auch die Natur des Geldes an sich trägt Schuld an der aktuellen Wirtschaftskrise. Aber es gibt Hoffnung: Komplementärwährungen wie WIR oder der Basler BonNetzBon sind auf dem Vormarsch und haben Anhänger bis weit in die Finanzszene.
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VON STEFAN MICHEL
«Wir müssen uns von der globalen Monokultur des Bankengelds als einzigem Zahlungsmittel verabschieden.» Der das sagt, ist weder Kapitalismus-Gegner noch Anti-Materialist. Es ist Bernard Lietaer, belgischer Finanzwissenschaftler, EU-Zentralbanker und preisgekrönter Währungsspekulant. Im Gespräch mit der deutschen Wirtschaftszeitschrift brand eins erklärt er weiter: «Mehr Nachhaltigkeit und Robustheit erhalten wir nur durch Verringerung der Effizienz.» Geld muss arbeiten, sagt der Volksmund. Damit ist gemeint: Geld muss sich vermehren. Entweder indem man es gegen Zins jemandem leiht oder indem man damit etwas macht, das Gewinn einbringt. Man kann Lebensmittel kaufen, einen Kuchen backen und diesen zu einem Preis verkaufen, der über den Kosten für die Lebensmittel, den Strom, die Abnutzung des Ofens liegt. Richtig, so arbeitet nicht das Geld, sondern der Mensch. Schneller geht es auf dem Finanzmarkt. Man kauft eine Aktie, hofft darauf, dass andere das gleiche tun, verkauft sie vor der Mehrheit und streicht die Differenz ein. Ist der Einsatz hoch genug, lassen sich in der Zeit, die man für die Herstellung eines Kuchens braucht, ein paar Millionen verdienen. Zum Glück wird trotzdem noch gebacken, wenn auch fast nur noch in Fabriken, deren Aktien an der Börse gehandelt werden – auch mit unser aller Erspartem. Es sei denn, wir haben es zu Hause versteckt oder bei einem der wenigen alternativen Geldinstitute eingelegt.
Checks für 100 Franken kosten zwischen 84 und 96 Franken), können aber nur an bestimmten Stellen eingelöst werden. Bonus-Flugmeilen haben sich zu einem elektronischen Zahlungsmittel mit Milliardenumsatz entwickelt. Zur Gruppe der «politischen» Gegenwährungen gehört der Basler BonNetzBon (BNB): Rund 70 Geschäfte nehmen diesen an. Mit BNB kann man sich verpflegen, sich die Haare schneiden oder sich massieren lassen. Elektro-, Holz- oder Metallarbeiten, Veloreparaturen, Druckund Computeraufträge werden gegen BNB erledigt. Das Basler Regiogeld kauft Bücher, Konzerttickets und Übernachtungen. Ein BNB entspricht einem Franken. Der Gegenwert in der Landeswährung bleibt auf der Bank hinterlegt. Jeder der gut 20 000 in Umlauf befindlichen Bons ist gedeckt. Man kann sein Bon-Guthaben jederzeit in Franken zurücktauschen, erhält jedoch für 100 BNB nur 95 Franken. Man gibt sie also besser aus und genau das ist ihr Zweck. Das Geld soll zirkulieren.
Komplementärwährungen werfen keine Zinsen ab: Horten lohnt sich nicht.
Das andere Geld Der Zwang, Zins oder Gewinn zu erwirtschaften, wird verstärkt durch die Eigenschaft des Geldes, in Sekundenschnelle dorthin zu fliessen, wo noch mehr Profit lockt. Die meisten Menschen hingegen bleiben an ihrem einen Ort. Die Migration ist eine Schnecke im Vergleich zum Überschalljet der weltweiten Finanzströme. Der Umsatz reiner Finanzmarktgeschäfte übersteigt den der Realwirtschaft deshalb je nach Berechnungsweise um das Vierzig- bis Siebzigfache. Geld, gedacht als neutrales Instrument, um den Gütertausch zu erleichtern, hat längst begonnen, diesen zu bestimmen. Wir sind dem Franken, dem Euro, dem Dollar ausgeliefert, so scheint es. Doch es gibt Alternativen: Zahlungsmittel, die anders funktionieren. Sie heissen Chiemgauer, LETS oder Toronto Dollar. Sie werden nicht von Zentralbanken ausgegeben, sondern meist von Unternehmen, die sie auch in Zahlung nehmen. Ihre wichtigste Eigenschaft ist, dass sie keine Zinsen abwerfen. Horten lohnt sich nicht. Die radikalsten verlieren mit der Zeit an Wert und werden deshalb noch schneller wieder eingesetzt. Da sie die Landeswährung nicht überflüssig machen, sondern ergänzen, nennt man sie Komplementärwährungen; die regional ausgerichteten auch Regiogeld. Weltweit existieren Tausende von ihnen. Die einen richten sich explizit gegen die effizienz- und wachstumsorientierte Wirtschaft, andere sind schlichte Werbeinstrumente einiger Geschäfte. Büchergutscheine, Lunch- oder Reka-Checks sind die bekanntesten Beispiele. Sie sind so viel Wert wie Geld, manchmal etwas mehr (RekaSURPRISE 214/09
Herausgegeben wird der BNB von der Genossenschaft Netz Soziale Ökonomie. Sie will nicht nur eine zinsfreie Alternative zum Geld schaffen, sondern zugleich lokal orientierte, biologisch produzierende, selbstverwaltete und sozial engagierte Betriebe fördern. Für diese ist das BNB-Netzwerk günstige Werbung. Wer Bons hat, muss sie in einem der angeschlossenen Geschäfte wieder ausgeben. Das funktioniert so lange gut, wie man im gleichen Wert kaufen wie verkaufen will. Einige Betriebe lassen sich deshalb ihre Leistungen und Produkte nicht vollumfänglich in BNB bezahlen: Solange der Zimmermann den Holzhändler nicht mit Bons bezahlen kann, wird er seine BNB nicht mehr los, oder er braucht Jahre, um genug Biofleisch und Massagen zu beziehen. Viele laden ihre BNB im Basler Genossenschaftsrestaurant Hirscheneck ab, welches zu den Gründungsmitgliedern des Netzwerks gehört. Roger Portmann stört das genauso wenig wie seine Kollegen vom Hirscheneck-Kollektiv: «Früher waren wir ein Bons-Grab, aber eher, weil nicht alle Mitarbeitenden daran dachten, sie wieder auszugeben.» Heute wäre es nicht einmal mehr nötig, Rechnungen wenn immer möglich mit BNB zu begleichen. «Wir haben einen Kredit von der Genossenschaft, den wir in BNB zurückzahlen können», erklärt Portmann. Der Schuldzins liegt weit unter dem Marktüblichen. Das Kräfteverhältnis zwischen dem Alternativgeld und dem Franken relativiert allerdings den finanziellen Vorteil: Von den 300 000 Franken, welche das Hirscheneck aufnahm, um eine Renovation zu finanzieren, kommen nur 10 000 aus der sozialen Ökonomie. WIR: Weisser Ritter oder Schwarzer Peter? In einer ganz anderen Grössenordnung bewegt sich die unter Schweizer KMU gebräuchliche Komplementärwährung WIR. Schweizer Kleinunternehmer, die sich im Wirtschaftsring (WIR) zusammengeschlossen hatten, schufen sie 1934 als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise.
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Fachseminare für Sozialfirmen Führen in Sozialfirmen Sozialfirmen stellen hohe Anforderungen an Leitung und Mitarbeitende. Im Spannungsfeld von unternehmerischer Ausrichtung und sozialen Zielen werden von Führungskräften entsprechend hohe integrative Fähigkeiten erwartet: Das Selbstverständnis als Führungsperson und Möglichkeiten der Personalentwicklung in der eigenen Organisation sind zentrale Aspekte zum Erfolg.
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Ursprünglich war WIR als sogenanntes Schwundgeld konzipiert. Gab man es nicht rechtzeitig wieder aus, verlor es an Wert. Der so in Gang gebrachte Kreislauf half diversen kleinen und mittleren Unternehmen, die Krise der Dreissigerjahre zu überstehen. 1952 wurde der Negativzins abgeschafft und WIR massentauglich. Heute gehören dem Netzwerk über 70 000 Betriebe an, vom Blumenladen bis zum Traktorenhändler. Besonders verbreitet ist die Abrechnung in WIR im Baugewerbe und in der Hotellerie. WIR-Kleber in Rezeptionen weisen darauf hin. 2008 wurden Geschäfte über insgesamt 1,6 Milliarden WIR-Franken getätigt. Milliardenumsätze in Gutscheinen? Ist das nicht ein Kartenhaus? Gedeckt sind die WIR-Guthaben durch die WIRBank, welche auch konventionelle Bankgeschäfte abwickelt. Ihr Sprecher Hervé Dubois meint, auf die Sicherheit angesprochen: «Wir unterliegen den genau gleichen Vorschriften wie jede andere Bank der Schweiz.» Im Gegensatz zum BonNetzBon liegt dem WIR keine bestimmte Weltanschauung zugrunde, sondern nur die Überzeugung, dass es sinnvoll ist, wenn KMU eine schneller zirkulierende Alternative zum Franken haben. Finanzwissenschaftler Lietaer, der grosse Stücke auf sie hält, hat errechnet, dass WIR in der Schweiz konjunkturelle Schwankungen mildert. So froh die einzelnen Betriebe um den Zusatzumsatz in der Komplementärwährung sind, so schnell will sie jeder wieder loswerden, da sie ja keinen Zins bringt. Der Schreiner Erich Binz erklärt: «Wenn ich weiss, dass ich für einen Auftrag eine grössere Summe WIR erhalten werde, versuche ich schon vorher, etwas in dieser Höhe in WIR zu kaufen.» Es heisst, WIR sei unbeliebt. Tatsächlich ist es eine Hassliebe. Man ist froh, wenn man in der Komplementärwährung bezahlen kann. Erhaltene WIR gibt man wie einen Schwarzen Peter so schnell als möglich weiter. Genau das ist ihr Zweck. Es gibt Händler, welche WIR-Guthaben weit unter ihrem eigentlichen Wert aufkaufen – bis zu 50 Prozent werden abgeschlagen. Das widerspricht den Statuten der WIR-Bank, ist aber gemäss Bundesgericht legal. «WIR hat alle Attribute der seinerzeitigen Ostblock-Währungen: Eine überbewertete, nicht konvertierbare Währung für einen Markt mit mehrheitlich nicht wettbewerbsfähigen Unternehmen, die dadurch vom Markt abgeschottet werden», ereifert sich ein Blogger auf der Website des Tages-Anzeigers. Ganz anderer Meinung ist Daniel Waldvogel, der mit seiner Jet Schweiz IT AG Computer importiert und ausserdem mit Immobilien handelt. «Natürlich nehme auch ich lieber Franken, schliesslich kann ich in Taiwan nicht mit WIR bezahlen. Aber ich habe noch nie Probleme gehabt, WIR loszuwerden.» Waldvogel hat schon mehrere Häuser mit günstigen WIR-Krediten gebaut. Selber verkauft er die neusten Computer-Modelle nur gegen Franken. Sind sie drei Monate alt, gibt er sie zum selben Preis in WIR. Keine andere Bank, betont er mehrmals, komme den KMU in der aktuellen Krise so entgegen wie die WIR-Bank. Geradezu begeistert ist er vom Vorschlag, den Bernard Lietaer im September gegenüber dem Tages-Anzeiger äusserte: Die Schweiz solle erlauben, Steuern in WIR zu bezahlen.
qualität ist nicht vom verfügbaren Geld abhängig.» Als Vorteile von Regiogeld und Zeittausch zählt er auf: «Sie können sinnvolle Tätigkeiten fördern, Bedürfnisse ohne Geldeinsatz decken, neue Betätigungsfelder eröffnen und einen Anreiz bilden, etwas zu unternehmen, was auf dem normalen Markt keine Chance hätte.» Wenn Bernard Lietaer von der Effizienz des Bankengelds spricht, dann meint er dessen Eigenschaft, sich blitzschnell dorthin zu bewegen,
Die Steuern mit WIR bezahlen – das wärs. wo mehr Zins und mehr Wachstum möglich ist. So werden Aktivitäten, die keinen kurzfristigen finanziellen Gewinn versprechen, an den Rand gedrängt und ausserdem natürliche und soziale Ressourcen vernichtet. Die «Monokultur des Bankengelds» besteht darin, dass der Weltmarkt und die meisten nationalen Märkte nach diesem Schema funktionieren. Die landwirtschaftliche Monokultur kann hohe Erträge abwerfen, aber ein einziger Schädling kann sie zerstören. Dem gleichen Risiko ist das dominierende Währungssystem ausgesetzt. Um die Weltwirtschaft robuster und nachhaltiger zu machen, schlägt Lietaer, der massgeblich an der Entwicklung des Euros beteiligt war, eine weltweite Komplementärwährung namens Terra vor. Obschon es Grund genug gibt, sich nach alternativen Zahlungsmitteln umzusehen, dürfte es noch lange dauern, bis sie sich durchsetzt. Für die lokalen Zahlungsergänzungsmittel spricht schon einiges mehr. In den letzten zwanzig Jahren sind aus einigen Dutzend einige Tausend geworden. Und mit jeder Krise werden es mehr. ■
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Steuerrückzahlung in Gutscheinen Das Gegenteil, nämlich eine Steuerrückzahlung in Gutscheinen, erhielt vor Kurzem die Bevölkerung der Stadt St. Gallen. Jede Einwohnerin und jeder Einwohner hatte im August einen Gutschein über 50 Franken in der Post. Während eines halben Jahres darf jedes Geschäft auf Stadtgebiet diesen entgegennehmen und bei einer Bank in Franken umtauschen. Ein Impulsprogramm für die St. Galler Wirtschaft im Wert von über 3,6 Millionen Franken. Ein simpler Steuerrabatt wäre wohl auf den meisten Konten liegen geblieben. Drei Monate nach dem Versand sind zwei Drittel der St. Galler Gutscheine eingelöst worden. Mitgeprägt hat diese Aktion Reinhold Harringer, Leiter des städtischen Finanzamts und einer, der die Bücher Lietaers genau gelesen hat. Er engagiert sich in einer Zeittauschbörse und ist überzeugt: «Eine Erhöhung der LebensSURPRISE 214/09
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Kunst Von Mund gemalt Klaus Spahni ist seit seiner Kindheit an Armen und Beinen vollständig gelähmt – und ist dennoch Künstler geworden. Zu Besuch beim 69-jährigen Mundmaler in St. Gallen, der seit 45 Jahren der Genossenschaft mund- oder fussmalender Künstler angehört. VON ANNA WEGELIN (TEXT) UND LUC-FRANÇOIS GEORGI (BILD)
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Weihnachten hat längst begonnen. In der Familie wird darüber gestritten, ob man dieses Jahr bei den Eltern oder den Schwiegereltern feiert. Beim Grossverteiler stapeln sich die Guetzli im Multipack. Und allerlei Nichtregierungsorganisationen bescheren uns Spendenaufrufe per Post. So auch die Genossenschaft mund- oder fussmalender Künstler (GMFK), von der wir sechs Weihnachtskarten mit Kuverts erhalten, verbunden mit dem freundlichen Angebot, diese für 16 Franken 50 zu kaufen, um die mittlerweile 50-jährige Selbsthilfeorganisation zu unterstützen. Der von Mund geschriebene Werbebrief stammt vom St. Galler Künstler Klaus Spahni, seit 1964 Genossenschaftsmitglied. Spass am Gekrabbel Klaus Spahni (69) stammt aus St. Gallen. Sein Vater war Polizist, seine Mutter Schneiderin. «Ich bin in einem behüteten bürgerlich-katholischen Umfeld aufgewachsen», erzählt der Künstler, den wir in seinem Atelier in der St. Galler Innerstadt besuchen. Am 31. August 1949 veränderte sich sein Leben für immer: Der neunjährige Klaus geht mit seinem Vater auf eine Hundedressur. Plötzlich bekommt er irrsinnige Kopfschmerzen. Wenig später kann er die Beine nicht mehr bewegen, dann werden die Arme lahm. Die Diagnose: spinale Kinderlähmung (Poliomyelitis). Er sei sich damals der Tragweite seiner Rückenmarkserkrankung nicht bewusst gewesen, so Klaus Spahni: «Ich erlitt einfach die Situation und versuchte jeden Tag, das Beste aus der komplett neuen Lage zu machen.» Klaus erhält einen Privatlehrer für den Schulunterricht zu Hause. Mit zehn hat er ein Schlüsselerlebnis, das den Anfang seiner künstlerischen Laufbahn besiegelt. Seine Heilgymnastin steckt ihm einen Bleistift zwischen Mittel- und Zeigefinger und setzt ihn vor ein leeres Blatt Papier. Klaus wirft seinen lahmen Arm mit Schwung nach vorne, nimmt den Daumen in den Mund, um den Stift besser zu führen, und zeichnet. «Das Gekrabbel hat riesigen Spass gemacht», erinnert sich der Künstler, der heute den Pinsel direkt mit dem Mund führt, weil dies viel präziser sei. Sein zweites Schlüsselerlebnis hat er während seiner Ausbildung zum wissenschaftlichen Zeichner an der Kunstgewerbeschule St. Gallen (heute: Schule für Gestaltung) von 1955 bis 1964. «Die Schule war ein Abenteuer», erinnert sich Klaus Spahni: «Ich hatte keine Ahnung, was auf mich zukommt.» Er belegt Kurse in den Fächern Körperzeichnen, Farblehre und Schriftgestaltung, Letzteres beim bekannten Grafiker Willi Baus (1909–1985), der wesentlich zum Aufbau der Künstlerausbildung in St. Gallen beitrug. Er soll zuerst eine gerade Linie mit Unterbrüchen nach unten ziehen und dann den selben Vorgang in einem Bogen wiederholen. Dann gibt es plötzlich einen Link zwischen Papier, Stift, Linienführung und Mund. Klaus Spahni: «Ich spürte eine Verbindung zu meinen Gefühlen und das machte mich glücklich.» Kritik ist tabu 1964 beendet der 24-jährige Klaus Spahni seine Kunstausbildung erfolgreich. Die Diplomarbeit: ein naturalistischer Karpfen in Aquarelltechnik. Im selben Jahr tritt er dem Berufsverband Visuelle Gestaltung GSMBA (heute Visarte) bei sowie der Vereinigung der Mund- und Fussmalenden Künstler (VDMFK). Beiden Organisationen ist er bis heute treu geblieben. Klaus Spahni nahm in den vergangenen 45 Jahren an zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland teil. Mehrere seiner Bilder hängen in der ständigen Sammlung des Kunstmuseums St. Gallen. Heute stellt er kaum mehr aus. Er werde langsam älter und habe nicht mehr so viel Energie, so der Mundmaler. Umso wichtiger sei es, dass die Vereinigung seine Werke verkaufe und ausstelle – Klaus Spahni erhält den gesamten Betrag seiner auf diesem Weg verkauften Bilder. Die eher kleinformatigen Bilder in seinem Atelier zeigen, dass er ein breites Spektrum an Motiven, Maltechniken und Materialien verwendet. Da sind etwa eine Fasnachtsszene in Aquarell, eine impressionistischabstrakte Fläche in der Gouache-Technik, eine Bleistiftzeichnung von Marilyn Monroe, ein kubistisches Harlekingesicht in leuchtenden ÖlSURPRISE 214/09
farben – und ein Selbstbildnis aus der Hippie-Zeit von Klaus Spahni und seiner Lebenspartnerin Kathrin Spahni-Baus (66), die Tochter seines ehemaligen Lehrers Willi Baus. Klaus und Kathrin sind ein ausserordentliches Paar. Denn sie bilden nicht nur eine intensive Lebensgemeinschaft – Kathrin Spahni, gelernte Heilpädagogin und ebenfalls Künstlerin, begleitet ihren Mann 24 Stunden am Tag. Sie malen auch viele Bilder im Duett. «Wir fangen einfach an und fabulieren frei», erklärt sie. Das einzige «Gesetz» für die grösst mögliche Freiheit der Bildgestaltung: Was der Andere gemalt hat, darf nicht übermalt werden, und gegenseitige Kritik während des Malens oder Zeichnens ist auch tabu. Die Spahnis haben ihre Gemeinschaftswerke oft in Ausstellungen gezeigt, zuletzt 2008 in der Atelier-Galerie Oertli in St. Gallen. Ein Stück Unabhängigkeit «Malen ist für mich ein kreativer Kochkessel, der meine Seele nährt», beschreibt Klaus Spahni die grenzenlose Experimentierlust seines künstlerischen Schaffens. Und gibt gleich eine Illustration dessen, was Mundmalen konkret bedeutet. Seine Frau platziert ihn vor eine Ölbildskizze mit einem farbig-frohen Geflecht aus geometrisch-organischen Formen. In einem raschen Dialog, wie ihn nur ein eingespieltes Team beherrscht, trägt sie die von ihm gewünschten Farben auf die Palette. Dann schiebt sie ihm einen mit Bambusstäbchen, Haushaltsfolie und Naturgümmelis verlängerten Pinsel in den Mund. Sein Blick ist konzentriert, seine Kinn- und Halsmuskeln treten beim Malen hervor, sein Gesicht errötet leicht. «Mein Ziel ist es, die Musik des Hell-Dunkel-Spiels, der Farben und Formen sicht- und erlebbar zu machen», beschreibt er seine letztlich spirituelle Arbeitshaltung. Klaus und Kathrin Spahni verbringen das Winterhalbjahr wenn immer möglich in ihrem einfachen Zweitwohnsitz südlich von Barcelona. Den Sommer über sind sie in St. Gallen. Für ausgedehnte Europareisen wie in jungen Jahren fehlt ihnen die Energie. Kinder haben sie keine: «Das wäre nicht ohne fremde Hilfe zu meistern gewesen bei Klaus’ Behinderung», so Kathrin Spahni. Der Alltag als körperlich Behinderter kostet Geld. Die Beiträge von IV und Hilfslosenentschädigung würden nicht ausreichen, erzählt der Mundmaler. Die GMFK, beziehungsweise VDMFK, ist für ihn und seine Frau eine «ausserordentlich wichtige» Stütze, die ein Stück finanzielle Unabhängigkeit ermögliche. Klaus Spahni erhält bis an sein Lebensende mehrere tausend Franken pro Monat von der Vereinigung. Das findet er «unglaublich grosszügig». Im Gegenzug tritt er das Copyright seiner von ihm der Vereinigung zur Verfügung gestellten Bilder ab. Die Vereinigung verwendet die Motive für Karten, Kalender und Ähnliches, verbreit sie in alle Welt, organisiert Gruppenausstellungen und bringt die Kunstschaffenden zusammen. Dieser Austausch mit Menschen in ähnlichen Lebenssituationen und ihren Angehörigen sind für Kathrin und Klaus Spahni ebenfalls sehr wichtig: «Man teilt die aussergewöhnliche und komplizierte Lebenssituation miteinander.» ■
50 Jahre Selbsthilfe der Mund- und Fussmalenden Die Vereinigung der mund- und fussmalenden Künstler (VDMFK) ist eine kommerzielle Selbsthilfeorganisation von rund 700 körperbehinderten Kunstschaffenden in über 70 Ländern mit Sitz in Schaan (FL). Sie wurde 1957 vom deutschen Mundmaler Arnulf Erich Stegmann gegründet. Der Vertrieb und Verkauf der Produkte – Kunstkarten, Kunstkalender und Ähnliches via Postversand und Online-Shopping – läuft über Eigenverlage in den einzelnen Ländern. In der Schweiz ist dies der Kunstverlag Au in Wädenswil, der in der Genossenschaft mundoder fussmalender Künstler (GMFK) organisiert ist und vor 50 Jahren ebenfalls von Stegmann gegründet wurde. www.gmfk.ch
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Wörter von Pörtner Heimattourismus Wenn man längere Zeit im Ausland verbracht hat, kommt man sich zu Hause wie ein Tourist vor. Das hat durchaus Vorteile. Wo es einem vorher laut und eng vorgekommen ist, ist es plötzlich menschenleer und ruhig. Dinge haben sich verändert, neue Wohnblöcke sind im Quartier gewachsen, Autobahnen sind eröffnet und Bundesräte gewählt worden, von denen man noch nie etwas gehört hat. Lieblingsläden haben nach dreissig Jahren dichtgemacht. Man nimmt es staunend zur Kenntnis und fragt sich, was man wohl sonst noch alles verpasst hat. Wenn mir jemand erzählen würde, es sei diesen Sommer ein Gesetz erlassen worden, dass es verbietet, mit alten, dreckigen oder billigen Autos herumzufahren, ich würde es sofort glauben. Oder dass für junge Schweizer die allgemeine Bartpflicht eingeführt wurde, und
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für Frauen zwischen fünfzehn und fünfundvierzig der Stiefelzwang. Deckt es sich doch mit dem, was ich mit eigenen Augen sehe. Zu Hause ist man aber doch kein Fremder mehr oder fällt zumindest nicht als solcher auf. Niemand bleibt mehr stehen, um seine Englischkenntnisse auszuprobieren: «Weyafam? Watsyacantry? Hevaniceday!» Niemand bleibt stehen, um einen einfach ein wenig zu betrachten. Überhaupt sind die Menschen furchtbar geschäftig hierzulande. Und effizient. Die zweiminütige Wartezeit auf den Bus wird genutzt um am Handy herumzudrücken. Nicht, dass in Indien keine Mobiltelefone verwendet würden. Aber nur zum Telefonieren, und das geht so: Das Handy klingelt. Der oder die Angerufene nimmt ab, sagt Hallo und beginnt nach etwa zwei Sekunden eine Tirade stakkatoartiger, für unsere Ohren recht harscher Töne von sich zu geben und hängt wieder auf. Die andere Person scheint nicht zu Wort zu kommen und so frage ich mich, ob man in Indien, wenn man von zu viel Selbstvertrauen oder Eitelkeit erfasst wird, einen guten Bekannten oder eine Freundin anruft, die einen dann wieder in den Senkel stellt. Wenn das der Fall ist, schlage ich vor, dies auch bei uns einzuführen, denn mitunter wundert einen die Wichtigkeit, mit der die Einheimischen auftreten, schon ein bisschen, nachdem man, ausser über Roger Federer, aus der Heimat nichts, aber auch gar nichts gehört hat, weil die Welt
irgendwie noch nicht begriffen hat, wo ihr Nabel liegt. Hier gibt man sich stets viel beschäftigt, man hat keine Zeit zu verlieren. Wobei das streng genommen nur möglich ist, seit das Einkaufen zur Tätigkeit erhoben wurde und nicht mehr als Zeitverschwendung gilt. In anderen Ländern braucht man sich ums Einkaufen nicht zu kümmern, weil alles am Strassenrand feilgeboten wird und man deshalb nicht extra Läden aufzusuchen braucht. Man kommt an allem, was man kaufen könnte, auch so vorbei. Was hierzulande auch fehlt, sind die Menschen, die ohne erkennbaren Zweck herumstehen oder -sitzen und keiner Beschäftigung nachgehen. Sie sind einfach da und betrachten interessiert das Geschehen um sich herum, manche zu festen Zeiten, manche eher spontan. Sie eilen herbei, wenn es etwas zu sehen gibt und wiegen fachmännisch den Kopf, wenn um sie herum etwas Kurzweiliges geschieht. Ich habe mir fest vorgenommen, das auch zu tun. Einfach am Strassenrand stehen und dem Treiben zuschauen. Aber leider bin ich noch nicht dazu gekommen. Ich bin einfach viel zu beschäftigt. STEPHAN PÖRTNER (STPOERTNER@LYCOS.COM) ILLUSTRATION: MILENA SCHÄRER (MILENA.SCHAERER@GMX.CH) SURPRISE 214/09
Kabarett «Wir haben keinerlei Skrupel» Als Mitglied der preisgekrönten Kabarett-Truppe Acapickels wurden Lotti Stäubli (alias Jasmin Clamor) und Barbara Hutzenlaub (alias Fritz Bisenz) schweizweit berühmt. Nun kehren die beiden schrillen Damen als «Gessler Zwillinge» zurück. Im Gepäck: Noch mehr verrückte Einfälle und eine zwölfköpfige Big Band. BILD: GERI BORN
VON TARA HILL
Jasmin Clamor, aus der Asche der Acapickels erheben sich nun die Gessler Zwillinge. Handelt es sich dabei um ein völlig neues Programm, oder bleiben gewisse Elemente der Acapickels erhalten? Nun, Lotti und Barbara bleiben in gewisser Hinsicht sich selbst. Gleichzeitig erhalten sie eine ganz neue Identität. Es ist also nicht alles neu, aber fast alles! Das müssen Sie erklären. Nach dem Ende der Acapickels haben Lotti und Barbara plötzlich entdeckt, dass sie sich gleichen wie ein Ei dem anderen. Nachforschung haben dann den sensationellen Befund ergeben, dass beide den gleichen Vater haben: Einen gewissen Herrn Gessler aus Österreich. Allerdings wurden die Zwillinge bei der Geburt getrennt. So wie in der Geschichte vom doppelten Lottchen also? Genau! Die Mutter der beiden ist aber leider bei der Geburt gestorben, und der Vater war mit zwei kleinen Mädchen überfordert. Daher wurden die beiden weg gegeben: Lotti kam in die Schweiz, Barbara wuchs auf einer schwäbischen Alp auf. Was bedeutet diese neue Biographie für die Show? Suchen die Zwillinge nun eine Art Symbiose? Absolut: Lotti und Barbara versuchen, so symmetrisch wie möglich zu sein. Ob diese Symbiose allerdings funktioniert, ist natürlich eine andere Frage. Als Acapickels traten sie bewusst kleinkariert auf. Ihr neues Programm soll nun aber «grosskariert» daher kommen. Was muss man sich darunter vorstellen? Nun, die Gessler Zwillinge haben die Stützstrümpfe und Gesundheitslatschen gegen Glitzerstrümpfe und hohe Hacken eingetauscht. Es gibt also ein ganz neues Erscheinungsbild. Da die beiden sich mittlerweile für alte Las-Vegas-Showhasen halten, geben sie sich auch sehr divenhaft. Und dann kommt natürlich die Big-Band dazu, das Herzstück des neuen Programms: Ein Wahnsinnsapparat aus zwölf Männern, der ein riesiges musikalisches Spektakel garantiert. Wie wollen die Gessler Zwillinge denn gegen ein Dutzend Musiker bestehen? Zu Beginn hat es uns tatsächlich schier weggeblasen. Mittlerweile haben wir unsere Männer aber gut im Griff. Schliesslich bestimmen wir als Gessler Zwillinge, wo es langgeht. Wir haben keinerlei Skrupel, den typischen Bigband-Sound hinter uns zu lassen und alle möglichen Stilrichtungen zu spielen: Von Cumbia über Mambo bis zu Hawaii-Musik. Darunter natürlich auch Rock. Es wird sehr rockig. Früher waren Sie zu viert. Macht es Sie nicht nervös, nun doppelt so viel Verantwortung auf Ihren Schultern zu wissen? Im Gegenteil! Im Unterschied zu früher haben wir in der neuen Show viel mehr Zeit, alle Facetten der Gessler Zwillinge auszuloten. So könSURPRISE 214/09
Sind in Las Vegas zu Diven herangewachsen: Die Gessler Zwillinge.
nen wir uns sowohl als Musikerinnen wie als Schauspielerinnen weiter entwickeln. Unser Problem während der Proben war eher, dass wir viel zu viele ausgefallene Ideen hatten. Wir hätten locker ein Mammutprogramm von über drei Stunden hinlegen können. Wir mussten uns also selber bremsen. Verraten Sie uns eine Ihrer ausgefallenen Ideen? Als absolute Premiere wird es eine Nummer mit Pudeldressur geben. Insgesamt achten wir vor allem auf eine wilde Durchmischung: Unsere Revue soll musikalisch und tänzerisch anspruchsvoll sein, gleichzeitig aber sehr komisch. Das wird auf jeden Fall ein einmaliger Spass. Bleibt die Show auch ein einmaliges Ereignis, oder machen die Gessler Zwillinge danach weiter? Nun, ich kann mir sehr gut vorstellen, dass wir danach weiter machen. Aber zunächst freu ich mich auf die Geburt dieses Babys. Apropos Baby: Sie sind kürzlich Mutter geworden. Ist es schwierig, Show und Mutterschaft unter einen Hut zu bringen? Bis jetzt hat es funktioniert – auch wenn es ein ständiger Balanceakt ist, Beruf und Privatleben im Einklang zu halten. Ich bin glücklich, dass diese Jonglage bis jetzt geklappt hat. Aber ich muss schon sagen: Ich bin froh, dass es keine Zwillinge sind! ■ Schweizer Tournee, nächste Aufführungen: 5.12., 19.30 Uhr, Theater 11, Zürich; 9.12., 20 Uhr, Bärenmattsaal, Suhr; 11.12., 20 Uhr, Grosser Konzertsaal, Solothurn; 12.12., 20 Uhr, Stadtsaal, Wil; 15.12., 20 Uhr, KKL, Luzern; 17.12., 20 Uhr, Lorenzsaal, Cham; 18.12., 20 Uhr, Kongresshaus, Biel. www.gesslerzwillinge.ch
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Kulturtipps
Im Umgang mit Giftpflanzen ist auch der Tod nicht weit.
Die Ereignisse in der Türkei gehen Ka an die Substanz.
Agenda Schierlingsbecher und Poloniumtee
Theater Der Tod des Verwestlichten
Alljährlich die Qual der Wahl: Welche Agenda? Klein oder gross, mit Tagen oder Wochen, fürs Handtäschchen oder das Chefpult? Wers mehr mit dem Inhalt als der Form hat und das Besondere sucht, für den hält die Giftpflanzen-Agenda das rechte Elixier bereit.
Für seinen Politroman «Schnee» wurde Orhan Pamuk, LiteraturNobelpreisträger 2006, in seiner türkischen Heimat schwer angefeindet. Das Luzerner Theater hat das Buch adaptiert und zeigt nun das Schauspiel-Resultat.
VON CHRISTOPHER ZIMMER
VON MICHAEL GASSER
Der Exitus durch Gift hat Tradition, ist Teil der grossen Geschichte. Man denke nur an Sokrates’ Schierlingsbecher, Kleopatras Schlange, Edgar Allan Poe’s Opiumdelirien oder all die tödlichen Rankünen nicht nur europäischer Fürstenhäuser auf den toxikologischen Schlachtfeldern im Kampf um Krone, Macht und Thron. Doch was den Alten noch geläufig war, ist im Zeitalter der Fertigpillen verloren gegangen: das Wissen um die Giftkräuter nebst Anwendung, Wirkungsweise und Vorkommen. Dem hilft nun ein Kompendium der aussergewöhnlichen Art ab. Herausgegeben von Marianne Studer, die auch für Gestaltung und Texte verantwortlich zeichnet, versammelt die Giftpflanzen-Agenda zwölf bedenkliche Kräutlein, die je nach ihrer Blütezeit den zwölf Monaten zugeordnet sind – von Aaronstab und Alraune über Maiglöckchen und Schlafmohn bis zu Tollkirsche und Schierling. Da finden sich ausser viel Wissenswertem auch reichlich Aha-Erlebnisse und allerlei zum Schmunzeln. Neben den Facts zu den Pflanzen ist von den grossen Giftmörderinnen der Kriminalgeschichte die Rede, von den Schwierigkeiten, all die Erbschaftspülverchen und Eifersuchtswässerchen nachzuweisen, oder von den Giftmorden in den Krimis von Agatha Christie und den profunden Kenntnissen dieser Autorin, die ihre Romane nicht nur zur Unterhaltung empfehlen. Auch moderne Giftanschläge kommen zur Sprache, wie die Dioxinvergiftung des ukrainischen Präsidenten Juschtschenko (2004) oder der Mord am russischen Ex-Spion Litwinenko (2006) mit poloniumhaltigem Tee. Wem von all den Symptomen und Morden bange wird, der kann sich bei den 24 Heilkräutern im Anhang erholen oder sich an den herrlich makabren Comics und Zeichnungen von Andy Fischli aufheitern.
«Wir sind hier, um seinen Tod zu verstehen.» Der Satz des Erzählers fällt gleich zu Beginn und macht klar, dass es in «Schnee», einem Schauspiel nach Orhan Pamuks gleichnamigen Politroman aus dem Jahr 2002, nichts zu lachen gibt. Das Stück ist eine einzige Rückblende: Es erzählt vom in Berlin lebenden Dichter Ka, der in sein Heimatland, die Türkei, reist, um den Ursachen einer Selbstmordserie junger Frauen in der Stadt Kars auf die Spur zu kommen. Kaum angekommen, beginnt der grosse Schneefall. Der Ort wird von der Aussenwelt abgeschnitten und das Unheil, das in einem lokalen Militärputsch endet, nimmt seinen Lauf. Ka ist der Intellektuelle, der nicht Stellung nehmen, sondern verstehen will, aber ins Kreuzfeuer der Ansichten gerät. Da die Säkularen, die in die EU und das westliche Leben wollen – dort die Islamisten, die darauf drängen, dem Kopftuchverbot an der lokalen Universität den bösen Garaus zu machen. Das Publikum sitzt im Kreis um die Bühne, ein Kellergeschoss, und schaut dem bitteren Treiben zu. Das siebenköpfige Ensemble schlüpft in mehrere Rollen, rennt seit- und vorwärts, hängt am Seil, nimmt rituelle Waschungen vor oder spielt Fussball. Quasi ohne Requisiten. Ein mitunter verwirrendes Geschehen, ganz so, als ob man sich gemeinsam mit der Hauptfigur Ka, «dem Verwestlichten», erst an die örtlichen Verhältnisse gewöhnen müsste. Bald einmal spürt man: Wichtig ist das Nichtgesagte, das Angedeutete, die seltene Stille. Dann hält der Tod Einzug. Ka fällt ihm nicht zum Opfer. Noch nicht. Doch er wird gefoltert, was ihn verzweifeln und seine eben gefundene Liebe verlieren lässt. «Wie alle guten Menschen tust du Böses, ohne es zu wissen», wirft man ihm an den Kopf. Vier Jahre später wird er von einem Unbekannten erschossen, in Berlin, beim Mandarinenkauf. Das überaus aktuelle Stück kann nicht ganz verhehlen, dass es ursprünglich nicht fürs Theater verfasst wurde, der losen Erzählstränge sind zu viele. Was dazu führt, dass «Schnee» nicht immer, aber sehr wohl in einzelnen Episoden berührt. In diesen dafür sehr.
Giftpflanzen Agenda 2010. Hrsg. von Marianne Studer. Mit Comics von Andy Fischli. CHF 30.– Bestellung/Verzeichnis der Verkaufsstellen bei: www.andyfischli.ch/aktuell.html
«Schnee», nach einem Roman von Orhan Pamuk. Regie: Christina Friedrich. UG Luzerner Theater. Weitere Vorstellungen: 10., 11., 12., 17. 18., 23., und 30.12. sowie 2.1. (Dernière), jeweils 20 Uhr. www.luzernertheater.ch
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Die Schöne und das Genie: Boris und Melody philosophieren im Park.
Kino Von Zweckehen, Zufällen und dem Glück Ein alternder Menschenfeind fühlt sich in seiner selbstgewählten Isolation fernab der «Raupen», wie er den Rest der Menschheit nennt, ziemlich wohl. Und findet, ohne es zu suchen, das Glück. VON MICHÈLE FALLER
Boris Yellnikoff steht in einer New Yorker Seitenstrasse und erklärt dem Kinopublikum die Welt. Mit trockenem Witz und einer Mischung aus Überheblichkeit und Selbstironie berichtet das selbsternannte Genie von seinen Ängsten und Nöten, von seiner Ex-Frau, die er aus Vernunftgründen geheiratet hat, und von seinem Hinken, das von einem missglückten Selbstmordversuch herrührt. Dies in einem Ton, als spreche er von einem angebrannten Mittagessen. Aus dem witzigen Zyniker, der gleichzeitig Protagonist und allwissender Erzähler ist, spricht unmissverständlich der Filmemacher Woody Allen. Nach seinem Abstecher nach Barcelona im letzten Film ist er ins vertraute Manhattan zurückgekehrt, zu einem in den Ruhestand getretenen Physiker, der im intellektuellen Freundeskreis den Zustand der Welt beklagt und mehr oder weniger begabten Kids Schachunterricht erteilt – mit pädagogisch nicht ganz unzweifelhaften Methoden. In die wohlgeordnete Welt der vertrauten Neurosen Yellnikoffs dringt Melody ein, ein Mädchen um die 20, das aus ihrem Elternhaus in Mississippi abgehauen ist und Yellnikoff vor seiner Haustür um Essen anbettelt. Jung, hübsch, leicht naiv und liebenswert – kurzum: das genaue Gegenteil unseres Helden. «Ich will keine Beziehung, ich will nicht Liebe machen, und ich will mich von der Welt isolieren», stellt dieser klar. Und lässt sich in einem schwachen Moment doch dazu hinreissen, dem Werben der reizenden Melody nachzugeben und sie zu heiraten. Wo andere Komödien aufhören, fängt es bei Allen erst richtig an. Melodys Mutter Marietta taucht auf, eine veritable Reinkarnation der etikettenbewussten Blanche DuBois aus «Endstation Sehnsucht», die von ihrem Schwiegersohn wenig begeistert ist. Wenn auch nicht völlig neuartig; das Aufeinanderprallen der jüdischen New Yorker Intellektuellen und der konservativen Hinterwäldler aus den Südstaaten – mitsamt Überwindung der Differenzen – ist umwerfend komisch. So lange es nur funktioniert – der Filmtitel ist alles andere als eine romantische Umschreibung einer Liebesbeziehung. Und doch scheint am Ende alles gut zu sein. Natürlich kann man einer Allenschen Idylle nur bedingt trauen, doch wenn es ein Genie ist, das uns das Glück präsentiert, müssen wir es wohl glauben.
Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.
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Alfacel AG, Cham
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Kaiser Software GmbH, Bern
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chefs on fire GmbH, Basel
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Statistik Georg Ferber GmbH, Riehen
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Locher Schwittay Gebäudetechnik GmbH, Basel
06
Schützen Rheinfelden AG, Rheinfelden
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Responsability Social Investments AG, Zürich
08
SV Group AG, Dübendorf
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Baumberger Hochfrequenzelektronik, Aarau
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Scherrer & Partner GmbH, Basel
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VXL AG, Binningen
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Thommen ASIC-Design, Zürich
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Ingenieurbüro BEVBE, Bonstetten
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Schweizer Paraplegiker-Stiftung, Nottwil
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Ernst Schweizer AG, Hedingen
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JL AEBY Informatik, Basel
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iuliano-gartenbau & allroundservice, Binningen
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Druckerei Hürzeler AG, Regensdorf
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KIBAG Kies und Beton
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Inova Management AG, Wollerau
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SVGW, Zürich
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Brother (Schweiz) AG, Baden
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Segantini Catering, Zürich
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Axpo Holding AG, Zürich
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AnyWeb AG, Zürich
Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Strassenmagazin Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag! Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.
«Whatever works», Regie: Woody Allen, 92 Min., USA 2009, derzeit in den Deutschschweizer Kinos. SURPRISE 214/09
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Ausgehtipps Auf Tour Antithese zum Adventsgebimmel 30 Jahre ziehen Gerhard Polt und die Biermösl Blosn schon durch die Lande. Krachledern und hemdsärmlig wie es sich für Bayern gehört, tritt das Quartett auf die Bühne. Die Witze sind derb und deftig und doch ist Polt, selbst wenn er Zoten für die Schenkelklopferfraktion reisst, eher ein Mann der Zwischentöne als ein humoristischer Haudrauf. Ganz ähnlich verhält es sich mit seinen Mitmusikern: Mögen Trompete und Tuba noch so toben – die musikalische Sozialisation bei den Münchner Philharmonikern können die Biermösl Blosn letztlich nicht verhehlen. Solche Gegensätze schaffen Spannung und so hört man im Jubiläumsprogramm gern noch einmal die schönsten und wüstesten Stücke aus drei Jahrzehnten. Als Antithese zum Adventsgebimmel: Eine satirische Mischung, die jeder Krise den Marsch bläst. (ash) 15. und 16.12., 20 Uhr, Volkshaus, Zürich; 17.12., 20 Uhr, La Poste, Visp; 18.12, 20 Uhr Stadttheater, Langenthal.
BILD: ISTOCKPHOTO
Nein, nicht die heiligen drei Könige, sondern die Biermösl Blosn mit Gerhard Polt.
An offenen Weihnachtsfeiern muss niemand alleine stehen.
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Basel/Bern/Luzern/Zürich Gemeinsam feiern Was, wenn Gesellschaft, Ort oder finanzielle Mittel für ein schönes Weihnachtsfest fehlen? In vielen Städten wissen Menschen um die Nöte anderer und laden zu einem Weihnachtsfest ein, das offen ist für alle. Wir geben hier eine Auswahl an. Die meisten Feiern werden von Kirchgemeinden oder christlichen Vereinigungen organisiert. Dort erhalten Sie Informationen zu Veranstaltungen in Ihrer Nähe. (juk) Basel: Kundenweihnacht, 25.12., ab 17 Uhr (Türöffnung 16.30), Quartierzentrum Union, Veranstalter: CVJM Kleinbasel. Mit Essen, Singen und Geschenk.
Bern: Grosses Weihnachtsfest der Heilsarmee, 24.12. ab 18.30 Uhr, Lampenstr. 5. Mit Essen und Musik.
Luzern: Weihnachten – aber nicht allein, 24.12., 18 bis 22.30 Uhr, Pfarreizentrum St. Michael. Mit Essen und Musik. Di–So 10–17 Uhr www.verdingkinderreden.ch www.hmb.ch
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Zürich: Caritas Weihnacht im Volkshaus, 24.12., ab 18 Uhr (Türöffnung 17.30), Weisser Saal. Mit Essen, Musik und Geschenk. SURPRISE 214/09
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Basel/Bern Songwriter-Dröhnung Wo der Song ohne Schnickschnack im Zentrum steht, zeigt sich schnell, ob einer das gewisse Etwas hat. Die Ahnenliste ist lang und illuster und bis heute fehlt es nie an jungen (meist) Männern, die mit Gitarren und einem Koffer voller Lieder die Welt erobern wollen. Mehrfach bewährt hat sich in dieser Kunst Kristofer Aström. Ursprünglich begann der Schwede in einer Punkband, dann sprang er solo ins andere Extrem und kultivierte einen eigenwilligen Country-Twang. Das aktuelle Album «Sinkadus» gehört zu den diesjährigen Highlights in seinem Genre. Scheinbar mühelos gelingen dem Mitdreissiger tolle Songs zwischen krachendem Rock und Folk-Ballade. Die härteren Stücke dürften FavezFans gefallen, die ruhigeren erinnern manchmal an Ryan Adams und in der Königsdisziplin des Midtempo-Rockers lässt der Aström «Boss» Springsteen alt aussehen. Nach den Soloshows im Frühling gibt uns Aström nun mit kompletter Band die volle Dröhnung. (ash) Kristofer Aström beim Nachdenken über den nächsten Refrain.
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16.12., 21 Uhr Volkshaus Basel; 17.12. 21 Uhr, ISC, Bern.
Luzern Es war einmal ein Müller … … der hatte drei Söhne. Als der Müller starb, schauten die Söhne im Testament nach, wie das Erbe zu verteilen war: Dem ältesten vermachte der Vater die Mühle, dem zweitältesten den Esel. Für den jüngsten Sohn aber blieb nur der Kater übrig. Zwar handelte es sich um einen netten, schlauen und äusserst flott anzuschauenden Kater, aber der jüngste Sohn war trotzdem unzufrieden: Wie sollte er mit dieser Katze seinen Lebensunterhalt verdienen und seinen hungrigen Bauch füllen? Da der jüngste Sohn mehr pragmatisch als weitsichtig war, beschloss er kurzerhand, seinen Kater zu verspeisen … Liebe Tierfreunde, Ruhe bewahren: Das Schicksal dieser Katze wird sich noch zum Guten wenden. Wer mindestens vier Jahre alt ist, sollte sich unbedingt mit eigenen Augen davon überzeugen. (mek.) «Der gestiefelte Kater», Figurentheater, Luzern. 5./6./9.12., jeweils um 15 Uhr. Vorverkauf: 041 228 14 14. www.luzernertheater.ch
BILD: MUJER ÁNGEL/SAMMLUNG MAPFRE FOUNDATION/®GRACIELA ITURBIDE
Nett, schlau und hübsch: Der gestiefelte Kater.
Winterthur Realitäten Das Werk der bedeutendsten lateinamerikanischen Fotografin der Gegenwart wird im Fotomuseum Winterthur ausgestellt: Geboren 1942 in Mexiko-Stadt, begann Graciela Iturbide in den 60er-Jahren zu fotografieren. Nach dem plötzlichen Tod ihrer sechsjährigen Tochter im Jahr 1970 machte sie die Fotografie zu ihrem Beruf: Die Bilder und Bildzyklen, die sie seither geschaffen hat, sind symbolträchtig und vielschichtig. Iturbide arbeitet verschiedene Ebenen der Realität ineinander, spielt mit Licht und Schatten, um Wahrnehmungen Ausdruck zu verleihen, die zwischen Ahnen und Wissen pendeln. «Für mich ist die Fotografie ein Vorwand, um etwas zu erkennen», sagt Iturbide – und wenn sie «erkennen» sagt, bekommt man den Eindruck, sie verwende es als Synonym für «leben». (mek) «Graciela Iturbide – Das innere Auge», noch bis zum 7.2.2010 zu sehen im Fotomuseum Winterthur. www.fotomuseum.ch SURPRISE 214/09
Symbolträchtiger Engel: Indianerin mit Radiorekorder in der Wüste.
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Verkäuferporträt «Mir wäre jede Arbeit recht» BILD: ZVG
Tatjana Georgievska, 39, bringt sich als Surprise-Verkäuferin über die Runden. Ihr grosser Traum wäre ein Job im regulären Arbeitsmarkt, damit sie auch ihre Kinder unterstützen könnte. AUFGEZEICHNET VON RETO ASCHWANDEN
«Geboren bin ich in Mazedonien. In der Schule lernte ich Mazedonisch und Serbokroatisch, denn damals gehörte mein Land noch zu Jugoslawien. Danach liess ich mich zur Kindergärtnerin ausbilden. Später arbeitete ich in einer Tabak- und in einer Konservenfabrik und eine Zeit lang hatte ich einen eigenen Laden mit Milchprodukten, unter anderem eine grosse Auswahl an verschiedenen Käsesorten. Ich war verheiratet und gebar einen Sohn und eine Tochter. Doch irgendwann bekam ich furchtbare Probleme mit meinem Mann. Es wurde so schlimm, dass ich schliesslich vor ihm ausser Landes floh. So kam ich 2005 in die Schweiz. Die Kinder musste ich fürs Erste in Mazedonien lassen. Die erste Zeit lebte ich im Flüchtlingszentrum in Allschwil. Dort gab es einen Mann, der Surprise verkaufte. Das schien mir eine gute Sache zu sein und so kam auch ich erstmals zu Surprise. Mir hat es immer gefallen, das Magazin verkaufen zu können. Es ermöglicht mir, ohne Sozialhilfe oder sonstige staatliche Unterstützung zu überleben. Zudem bin ich gern unter Menschen. Das hilft mir, mein Deutsch zu verbessern. Komplizierte Diskussionen liegen nicht drin, aber so lange die Leute in einfachen Sätzen mit mir reden, kann ich mich gut unterhalten. Beim Verkaufen habe ich immer gute Laune. Es ist mir wichtig, dass ich auf dem Foto zu diesem Artikel fröhlich dreinschaue. Denn so kennen mich die Kunden: Wenn ich beim Zoo Bachleten verkaufe, lache ich immer. Inzwischen sind auch meine Kinder in die Schweiz gezogen. Mein Sohn ist heute 20, die Tochter 19 Jahre alt, und ich habe auch schon einen einjährigen Enkel. Gerne würde ich für sie sorgen, aber das ist schwierig. Die Gesetze hier sind kompliziert und meine Aufenthaltsbewilligung ist befristet. Das macht die Arbeitssuche sehr schwierig. Oft heisst es: Ohne B-Ausweis können wir Sie nicht anstellen. Und den BAusweis bekomme ich nur, wenn ich eine feste Anstellung habe. Es ist ein Teufelskreis. Ich kann verstehen, wieso die Arbeitgeber zögern, Leute ohne klaren Aufenthaltsstatus anzustellen. Denn um jemandem einen Job zu geben, braucht es Vertrauen. Trotzdem gebe ich nicht auf: Putzen, Servieren, als Zimmermädchen oder in der Fabrik – mir wäre jede Arbeit Recht. Wenn jemand aus der Leserschaft von einer freien Stelle weiss – melden Sie sich doch bitte bei Surprise. Mit einer richtigen Arbeit könnte ich mich auch besser um meine Kinder kümmern. Sie sind in einer problematischen Situation, speziell für die Tochter ist es hart. Sie ist alleinerziehend und das macht es schwierig für sie, eine Ausbildung zu machen oder eine Arbeit zu finden. Mit einem geregelten Einkommen könnte ich besser für sie sorgen
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und zwischendurch auch das Baby hüten. Meine Tochter hat Erfahrung in der Küche und im Service. Sie könnte also gut arbeiten. Aber dafür müsste ich mich um die Kleine kümmern können. Ich träume von einer sicheren Existenz für meine Kinder, mein Enkelkind und mich. Dafür brauchen wir Gesundheit, Arbeit und eine Wohnung. Und genug Geld, um die Rechnungen zu bezahlen. Damit wäre ich glücklich. Von Reichtum aber träume ich nicht. Denn wenn wir einmal sterben, spielt das keine Rolle mehr. Gott unterscheidet nicht zwischen Reichen und Armen. Vor ihm sind wir alle gleich. Er sieht nur den Menschen.» ■ SURPRISE 214/09
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Kein Tag ohne Sorgen und Probleme. Kein Tag ohne die Hilfe unserer Freiwilligen. Hanspeter K. und Rettungshündin Jalla trainieren am Redog-Kurs die Suche nach Verschütteten.
Tiziana L. unterstützt Rentner Karl R. bei der Pflege seiner zuckerkranken Frau Lisbeth.
Die Familie von Karin P. vom Programm «mitten unter uns» hat Besuch von Emine Z., die so Schweizerdeutsch lernt.
Roland W. vom Rotkreuz-Fahrdienst bringt Wilhelm Z. zum Arzt.
Lebensretter Alain R. führt Kurse für Kinder im Vorschulalter über das sichere Verhalten im und am Wasser durch.
Christine P., Pflegefachfrau im Rotkreuzdienst, betreut im Armeelager für Behinderte den querschnittgelähmten Peter.
Samariterin Ursula Z. vermittelt im Nothilfekurs die Technik der Herz-LungenWiederbelebung.
Evelyne D. bereitet sich auf den Weiterbildungskurs zur Sanitäts-Ausbildnerin vor.
Nassim B. freut sich auf den Einsatz bei der Aktion «2x Weihnachten» für unterstützungsbedürftige Familien in der Schweiz.
Sara H. vom Jugendrotkreuz lernt mit dem Zweitklässler Goran Deutsch und hilft ihm bei den Hausaufgaben.
Freiwilligenarbeit ist gelebte Menschlichkeit. Im Zeichen des Roten Kreuzes leisten Freiwillige jährlich über 1,45 Millionen Stunden unbezahlte Arbeit. Sie tun dies zum Wohl ihrer Mitmenschen und leisten für die Gesellschaft einen unschätzbaren Beitrag. Und sie schöpfen dabei wertvolle Erfahrungen und bereichern ihr Leben. Ohne ihre Hilfe könnten wir unsere Aufgaben nicht bewältigen. Das Schweizerische Rote Kreuz und seine Mitgliedorganisationen sagen ihnen allen anlässlich des «Tags der Freiwilligen» am 5. Dezember von ganzem Herzen Danke.
Schweizerisches Rotes Kreuz, Rainmattstrasse 10, 3001 Bern, Tel. 031 387 71 11, info redcross.ch, www.redcross.ch, Postkonto 30-9700-0