Surprise Strassenmagazin 235/10

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Guter Mensch Promis zwischen Weltverbesserung und PR Surprise vor, noch ein Tor: So liefs der Nati in Rio

Sag mir wo die Kühe sind – ein Städter auf dem Viehmarkt

Nr. 235 | 8. bis 21. Oktober 2010 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.


Macht stark.

www.strassenmagazin.ch ❘ www.strassensport.ch ❘ Spendenkonto PC 12-551455-3 Strassenmagazin Surprise, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, Tel. 061 564 90 90, Fax 061 564 90 99

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10 Stadt – Land Kuhhandel in Ilanz Ein Viehmarkt ist eine schöne Sache für einen viel beschäftigten Städter: Wieder einmal Landluft schnuppern, Kühe bewundern, mit den Bauern plauschen – und dazwischen ein zünftiges Zmittag nehmen. So hat sich unser Autor Stephan Pörtner seinen Ausflug an den Ilanzer Viehmarkt vorgestellt. Aber es sollte anders kommen …

14 Weltverbesserer Reich und schön und gut BILD: REUTERS/MARIO ANZUONI

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Inhalt Editorial Wir machen weiter Leserbriefe Erstaunliche Offenbarungen Basteln für eine bessere Welt Ein Orden für Abfallsack-Runter-Träger Aufgelesen Institutionell begünstigter Roma-Hass Zugerichtet Feuer in der Dunkelheit Hausmitteilung Abbauen um zu überleben Porträt Die Sexforscherin Strassensport WM an der Copacabana Wörter von Pörtner Bürokratie light Theater Stummes Wortspiel Kulturtipps Markenjeans im Bombenhagel Ausgehtipps Heiss und hungrig Surprise-Hochzeit «Eine wunderschöne Feier» Projekt Surplus Chance für alle! Starverkäufer In eigener Sache Impressum INSP

BILD: ANDREA GANZ

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Sie sind erfolgreich, sie sind berühmt – und sie wollen Gutes tun: Stinkreiche Prominente setzen sich immer öfter für die Ärmsten dieser Welt ein. Publikumswirksam, versteht sich. Während U2-Sänger Bono an seinen Konzerten zu Nächstenliebe aufruft, ist Unicef-Botschafterin Angelina Jolie in Krisengebieten rund um den Erdball im Einsatz. Das stösst vielerorts auf Widerstand, denn die Trennlinie zwischen Weltverbesserung und Eigenwerbung ist unscharf. Ein Essay über die Gratwanderung prominenter Gutmenschen.

BILD: LUCIAN HUNZIKER

16 Wirtschaft «Die Schweiz schlägt alle bei Weitem» Im Jahr 2060 wird die Bevölkerung der Schweiz anders aussehen als heute: 1,2 Millionen mehr Menschen werden hier leben, viele davon werden über 65 Jahre alt sein. Wer hält dann unsere Wirtschaft am Laufen? Während die einen den wirtschaftlichen Untergang ganz Europas prophezeien, schaut Professor George Sheldon recht zuversichtlich in die Zukunft – ein Gespräch mit dem Arbeitsmarktspezialisten über die Arbeitswelt der Zukunft.

Titelbild: Keystone SURPRISE 235/10

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BILD: PABLO WÜNSCH BLANCO

Leserbriefe «Es gibt mehr zwischen Himmer und Erde, als unser Verstand zu fassen vermag.»

MENA KOST, REDAKTORIN

Editorial Wir machen weiter Ich möchte nicht mit der Türe ins Haus fallen, aber diese Nachricht kann nicht warten: Surprise muss abbauen. Fast die Hälfte der Stellenprozente. Das bedeutet, dass die Arbeitspensen vieler Surprise-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter entweder gekürzt oder sogar ganz gestrichen werden. Das ist schlimm: Nicht nur, weil viele Mitarbeitende eine Familie oder zumindest sich selbst zu ernähren haben. Wir sind auch ein tolles Team, und alle, die hier arbeiten, tun das mit sehr viel Engagement. Bei Surprise ist man nämlich nicht, weil man gut verdient. Und auch nicht wegen des Prestiges. Sondern weil man an das Projekt glaubt. Wie es so weit kommen konnte, erklärt Ihnen Geschäftsführer Fred Lauener auf Seite 7. Was ich aber vorwegnehmen kann: Wir glauben noch immer an Surprise. Und so werden die Verkaufenden Ihnen trotz rigorosen Sparmassnahmen weiterhin dieses Magazin verkaufen können – zumindest die Arbeitsplätze unserer Verkäuferinnen und Verkäufer bleiben also erhalten. Würden wir doch Angelina Jolie persönlich kennen! Oder Bill Gates, Bono Vox, Shakira oder Michael Bloomberg! Einer von ihnen würde uns vielleicht kurzerhand ein paar Millionen rüber schieben und wir müssten nicht abbauen. Im Gegenteil, wir könnten ausbauen: Das Magazin erschiene nicht mehr alle zwei Wochen sondern wöchentlich, es gäbe einen Mittagstisch für Surprise-Verkäuferinnen und -Verkäufer, warme Outdoor-Jacken für den Winter. Und so weiter, uns würde noch Vieles einfallen. Aber leider kennen wir diese megareichen Prominenten nicht persönlich. Dabei tun sie alle viel Gutes: Rufen zu mehr Menschlichkeit auf, spenden grosse Summen für die Armen dieser Welt, sind als UnicefBotschafter unterwegs. Ob sie das allerdings aus reiner Nächstenliebe tun? Haben sie vielleicht ein derart schlechtes Gewissen aufgrund ihres eigenen Reichtums, dass sie sich so Absolution verschaffen wollen? Oder ist das einfach nur gute Eigenwerbung? Yvonne Kunz geht diesen Fragen nach. Antworten finden Sie ab Seite 14.

Nr. 233: «Aberglaube – Magisches Denken im Alltag» Erstaunliche Offenbarungen Als ich auf der Surprise-Titelseite «Aberglaube» las, hoffte ich, dass nicht die alten, wissenschaftlich «erforschten» Ansichten im Artikel erscheinen mögen. Leider ist es aber genau so. Ich meine, dass über magisches Denken nicht die Wissenschaft entscheiden kann, die nur das als richtig erachtet, was sie hieb- und stichfest beweisen kann. Die Beispiele, die festlegen, weshalb Magie nichts als Aberglaube ist, können problemlos entkräftet werden. Fast alle haben schon davon gehört, dass in Urvölkern, die noch kein (heute anerkanntes) Kommunikationssystem hatten, die Menschen auf ihre Art «wussten», wann sie Besuch von weit entfernt Lebenden bekamen, und sich darauf vorbereiten konnten. Ich gehe davon aus, dass wir Menschen das früher alle gekonnt hätten, aber mit der Technisierung ist dies verloren gegangen. Tiere haben noch viel mehr davon behalten können. So hat etwa der Forscher Ruppert Sheldrake mit zahlreichen Untersuchungen bewiesen, dass Katzen genau spüren, wann ihre Mitbewohnerin, die sie füttert und ihr Heimatrecht gewährt, den Arbeitsplatz verlässt, um nach Hause zu kommen. Eine Mutter wird zitiert, die dank des Verhaltens ihrer Katze immer wusste, wann ihr Sohn, ein Hochseeangestellter, nach Hause kam. Es gibt viel mehr zwischen Himmel und Erde, als unser Verstand zu fassen vermag, so ungefähr lässt Shakespeare es den Hamlet sagen. Jeder und jedem, der diesen Kräften innerlich bereit nachspürt, wird sich Erstaunliches offenbaren Mariann Hamel, Zürich

Normalschweizer sind nicht dumm Der Artikel «Die Fremdmacher» ist gehässig und der Sache nicht dienlich. Wir Normalschweizer sind nicht so dumm, dass wir nicht zwischen Flüchtlingen und Einwanderern unterscheiden könnten. Wer aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen im Ursprungsland an Leib und Leben gefährdet ist, ist Flüchtling und ihm muss Asyl gewährt werden. Es gibt kaum einen Schweizer, der da nicht helfen will. Etwas ganz anderes sind Personen, die in ihrem Ursprungsland arm sind und deswegen zu uns kommen. Hier sind die Meinungen geteilt. Christoph Moser will offenbar solche Personen aufnehmen. Ich nicht. Beat Koller, Zürich.

Zum Artikel «Die Fremdmacher» haben uns aussergewöhnlich viele anonyme Leserbriefe ähnlichen Inhalts erreicht. Darin werden «kriminelle Ausländer», «freche Sans papiers» und die «bodenlose Entwicklungshilfe» beschimpft – und Thilo Sarrazin wird befeuert. Da Surprise, wie alle seriösen Magazine, nur Zuschriften veröffentlicht, die mit vollem Namen unterschrieben sind (wer seine Meinung in der Zeitung lesen will, sollte auch zu ihr stehen), müssen wir sie Ihnen vorenthalten.

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 Ihre Meinung!

Wir wünschen eine gute Lektüre, herzlich

Bitte schicken Sie uns Ihre Anregungen oder Kritik: Strassenmagazin Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 70, redaktion@strassenmagazin.ch. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt,

Mena Kost

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die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion behält sich vor, Briefe zu kürzen. SURPRISE 235/10


ILLUSTRATION: WOMM

Bastelanleitung: Schneiden Sie die Vorlage für den AbfallsackOrden aus und zeichnen Sie die Form auf einem Stück Karton nach.

Schneiden Sie den Karton aus und beziehen Sie ihn mit dem Abfallsack Ihrer Stadt oder Gemeinde. Schneiden Sie die Sternvorlage aus und kleben Sie sie in die Mitte des Abfallsacks.

Befestigen Sie auf der Rückseite eine Sicherheitsnadel. Dann stecken Sie den Orden Ihrem Vorzeige-Partner ans Revers.

Basteln für eine bessere Welt Kürzlich in einer Frauenrunde: Was bringt die Beziehung zwischen Mann und Frau in einem gemeinsamen Haushalt am ehesten ins Wanken? Genau: Dass er nie den Abfallsack runterträgt! Falls bei Ihnen ein seltenes Exemplar zu Hause sitzt, der dies doch mal tut, verleihen Sie ihm schnellstens unseren Orden. SURPRISE 235/10

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Aufgelesen News aus den 90 Strassenmagazinen, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Roma-Hass Wien. Was in Ungarn und Tschechien längst als offener Hass gegen Roma sichtbar ist, tritt auch in der Slowakei immer mehr an die Oberfläche. Nicht nur rechte Gruppierungen, auch immer mehr durchschnittliche Bürgerinnen und Bürger hetzen gegen die Volksgruppe. Was nicht verwundert: Schliesslich wird diese Haltung auch institutionell untermauert. Wer Roma ist, bekommt in der Slowakei beispielsweise keinen Bankkredit – und ist deshalb auf Privatkredite mit Wucherzinsen angewiesen.

Termindruck Kiel. Psychisch bedingte Arbeitsausfälle haben in den vergangenen zehn Jahren drastisch zugenommen. Die Betriebskrankenkassen verzeichneten eine Steigerung um 42 Prozent bei Männern und 63 Prozent bei Frauen. Schleswig-Holsteins Arbeitsminister Heiner Garg hat nun dazu aufgerufen, psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz stärker zu beachten: «Die modernen Informationstechnologien, Arbeitsverdichtung und der erhöhte Wettbewerbs- und Termindruck wirken sich auf die Gesundheit der Beschäftigten aus!»

Rassismus Nürnberg. Heiner Bielefeld, Professor für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik an der Uni Erlangen-Nürnberg, sagt über Rassismus: «Alle Arten von Rassismus haben gemein, dass man Menschen entpersonalisiert, einer Gruppe zuschlägt und diese bewertet. Natürlich ist nicht jeder unfreundliche Akt rassistisch. Wenn aber der Eindruck besteht, dass hinter einem Verhalten eine Mentalität steckt – wenn etwa ein Beamter kaum jemanden duzt, Afrikaner aber schon –, dann ist das rassistisch motiviert.»

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Zugerichtet Feuer in der Dunkelheit Walross-Schnauz, kräftige Hände, Jeanshose und Jeansjacke, dazu ein zünftiges Karohemd: Max W.* ist ein Büezer von altem Schrot und Korn. «Aber leider Gottes arbeitslos und bald ausgesteuert.» Und obendrauf noch angeklagt – wegen Brandstiftung. In einer Herbstnacht vergangenen Jahres fackelte er zwei Gartenhäuschen ab. Es war nicht sein Tag, der 19. Oktober. Bereits am Morgen hatte er Streit mit seiner ExFreundin und dann noch mit einem Kollegen, der ihm Geld schuldete, und der Nachbar sei ihm auch «dumm gekommen». Am Nachmittag fing er vor der Flimmerkiste an zu trinken. Ein paar Büchsen Bier seien schon zusammengekommen bis um 23 Uhr, als er raus ging, um eine Runde um den Block zu drehen. Ohne besondere Absicht, so sagt er dem Richter. «Irgendwie» sei er bei der Schrebergartensiedlung gelandet und setzte vor einem Gartenhäuschen die Türmatte in Brand. Offenbar mit Absicht. Denn zuerst wollte das Ding nur schmoren; es dauerte, bis die Kokosfasern Feuer fingen. Danach ging der Angeklagte ein Häuschen weiter, wo er ein paar Putzlumpen anzündete. Bei der nächsten Gartenlaube, er wollte gerade einen Karton mit Benzin übergiessen, wurde er schliesslich auf frischer Tat gestellt. Rund 25 000 Franken Schaden hat er angerichtet, Menschen waren nicht in Gefahr. Vor Gericht will sich der Mann nicht gross rechtfertigen. «Was soll ich dazu sagen, ich habe ja alles zugegeben.» Jede Einzelheit muss aus dem stummen Klotz herausgefragt werden. «Haben Sie sich über jemanden geärgert? War es der Nervenkitzel? Wollten Sie die Feuerwehr sehen? Hofften Sie,

als Feuerteufel in die Zeitung zu kommen?» Aber die Fragen des Richters verschwinden in einem tiefen Loch. Was in dem Mann vorgegangen ist, bleibt unerklärlich. «Hmmm, wenn ich das wüsste», ist alles, was er sagen kann, danach herrscht wieder Schweigen. Ganz fremd und rätselhaft scheinen ihm die eigenen Taten zu sein. Sicher ist nur, dass Max unter seiner Arbeitslosigkeit leidet. In einem Jahr hat er über 100 Bewerbungen geschrieben und stets Absagen erhalten. Mit über 40 sei er zu alt, hiess es. Eine hoffnungslose Lage für den gelernten Elektriker. Auch Freunde hat er keine. Max lebt ganz allein für sich, pendelt nur noch zwischen Denner und Fernseher hin und her. Mehrfach wird der Angeklagte bedrängt, doch zuzugeben, dass er ein Alkoholproblem habe. So eine Aussage wäre nicht schlecht, das Gericht wüsste Bescheid, der Alkohol wäre mal wieder schuld. Aber Max will nicht lügen, auch wenn es zu seinem Vorteil wäre. Eisern beharrt er darauf, nur sehr gelegentlich zu trinken. Trotz aller Unklarheit – etwas muss nun mit Max geschehen. Ein Krimineller ist er nicht, aber wird er nicht wieder Feuer legen, wenn es in ihm dunkel wird? Der Richter entschliesst sich für das Prinzip Hoffnung. Neun Monate Freiheitsstrafe, zur Bewährung ausgesetzt. Max solle sich einer Arbeitslosenselbsthilfegruppe anschliessen und zu den Anonymen Alkoholikern gehen, meint der Richter. Das muss als Hilfe reichen. Eine Arbeitsstelle kann ihm das Gericht natürlich nicht beschaffen. * Persönliche Angaben geändert. ISABELLA SEEMANN (ISEE@GMX.CH) ILLUSTRATION: PRISKA WENGER (PRISKAWENGER@GMX.CH) SURPRISE 235/10


Hausmitteilung Surprise macht weiter – auf Sparflamme Sie erinnern sich vielleicht noch. Im Herbst 2006 stand Surprise kurz vor dem Aus. Dank der Solidarität vieler Spenderinnen und Spender konnte der drohende Konkurs damals abgewendet werden. In der Folge stellten wir unsere Organisation komplett neu auf, durchleuchteten sämtliche Aktivitäten, nahmen wo nötig Anpassungen vor, lancierten neue Projekte und entwickelten uns kontinuierlich weiter. Das war der Auftrag, den ich mit dem Eintritt als Geschäftsführer bei Surprise vor drei Jahren entgegengenommen hatte. Heute könnten wir eigentlich zufrieden sein. Denn die gesteckten Programm-Ziele haben wir erreicht: Die Strukturen, Abläufe und Finanzflüsse von Surprise sind bereinigt und transparent, Monitoring und Controlling funktionieren. Die Strassenverkäufer sind professionell begleitet. Das Magazin, das sie gerade lesen, erreicht deutlich mehr Leserinnen und Leser. Die Anzahl teilnehmender Sozialinstitutionen am Surprise-Sportprogramm hat sich fast verdoppelt und der Chor, den Surprise seit anderthalb Jahren betreibt, ist eine Erfolgsgeschichte. Alles bestens also, könnte man meinen. Leider nicht. Seit einiger Zeit kämpft Surprise wieder ums finanzielle Überleben. Die gute Nachricht dabei ist, dass es dank der Unterstützung vieler Spenderinnen und Spender Surprise auch 2011 noch geben wird. Dafür sind wir und unsere immer noch rund 300 Verkaufenden, die das Strassenmagazin jeden Tag anbieten, dankbar. Damit Surprise langfristig gesichert ist, sind wir aber weiter auf den guten und tätigen Willen von Spenderinnen und Spendern angewiesen. Darüber hinaus kommen wir nicht um schmerzhafte Massnahmen herum: Surprise muss redimensionieren, sein Angebot auf das Wesentliche und für unsere Verkaufenden Notwendige beschränken. Und wir müssen Stellen abbauen. Heute teilen sich 23 Mitarbeitende rund 1600 Stellenprozente. Um knapp 600 Stellenprozente muss Surprise den Betrieb im nächsten Jahr verkleinern. Davon betroffen sind alle Abteilungen – Heftproduktion/Redaktion, Vertrieb, soziale Betreuung, Sport, Chor und die Verwaltung. Den erforderlichen Abbau werden wir in den allermeisten Fällen mit Pensenreduktionen erreichen können. Damit wir die Mitarbeitenden, ihr Wissen und ihre Erfahrungen nicht verlieren, und damit die Qualität von Surprise nicht zu sehr gefährdet wird. Das sind die Gründe für die neuerlichen Schwierigkeiten: Bis vor Kurzem betrug der Eigenfinanzierungsgrad von Surprise gegen 75 Prozent. Die übrigen 25 Prozent stammten aus Spenden, Förderbeiträgen von Stiftungen sowie Firmen-Sponsoring (Sportprogramm). Der grösste Deckungsbeitrag an die Kosten von Surprise stammt aus den Heftverkäufen. Es sind also die Verkäuferinnen und Verkäufer selbst, die mit ihrer Arbeit einen wesentlichen Teil an die Finanzierung von Surprise beitragen. Nun haben wir in kurzer Zeit viele von ihnen verloren, mit schwerwiegenden Folgen für unser gesamtes Gefüge. Einige Verkaufende sind aus «natürlichen» Gründen und gewollt nicht mehr bei uns. Nämlich weil sie aus ihrer persönlichen Krise heraus- und teilweise sogar eine «richtige» Arbeitsstelle gefunden haben. Andere Verkaufende haben wir aus gesundheitlichen oder Altersgründen verloren. Einige von ihnen sind seit der Gründung 1997 bei uns. Ihnen gegenüber haben wir auch eine Verantwortung, wenn ihre Kraft für mehrstündige tägliche Einsätze auf der Strasse nachlässt. SURPRISE 235/10

Dramatisch zu Buche schlägt jedoch der Verlust jener Verkaufenden, die wir aufgrund von Entscheiden, die wir nicht selber beeinflussen können, nicht mehr beschäftigen dürfen: In den Kantonen Zürich und Basel-Landschaft interpretieren die Behörden ihren gesetzlich möglichen Spielraum neuerdings zu unseren Ungunsten. Die beiden für Surprise sehr wichtigen Kantone haben ihre jahrelange liberale Praxis rigoros verschärft und damit FRED LAUENER, GESCHÄFTSFÜHRER Flüchtlingen mit Aufenthaltsstatus N (Asylsuchende im Verfahrensprozess) den Surprise-Verkauf ohne Wenn und Aber sowie jenen mit Status F (Vorläufig Aufgenommene) faktisch verboten. Argumentiert wird seitens der Behörden unter anderem mit der nicht erwünschten Integration von Menschen, die man möglichst rasch wieder in ihre Herkunftsländer zurückschicken möchte. Die harte Praxis bestraft jene Flüchtlinge, die aus eigenem Antrieb mit ehrlicher Beschäftigung einen Beitrag an ihren Aufenthalt in der Schweiz leisten wollen. Diese gesundheitlich meist robusten Verkaufenden waren es in der Vergangenheit auch, die mit ihren guten Umsätzen weniger umsatzstarke Schweizer Surprise-Verkaufende mittrugen. Die neue Amtsstuben-Logik wirkt sich auch demotivierend auf die Eigeninitiative jener Menschen aus, die von den Verkaufsverboten nicht direkt betroffen wären. Trotzdem, und erst recht: Surprise braucht es auch weiterhin. Die Zahl der Menschen, die uns täglich aufsuchen, weil sie etwas für ein besseres Leben tun wollen, nimmt nicht ab. Nur unsere Antworten, die wir auf ihre Fragen geben müssen, sind strenger geworden – so streng, dass sich manche der interessierten Verkaufenden nach dem ersten Besuch gleich wieder verabschieden und weiter in der Abhängigkeit der Sozialwerke verharren. Natürlich schauen wir nicht einfach tatenlos zu, wie es mit Surprise finanziell bergab geht. Natürlich analysieren wir die Entwicklungen laufend. Natürlich haben wir uns ein rigoroses Sparprogramm auferlegt. Und natürlich haben wir auch unser «Geschäftsmodell» überprüft und unsere Beschäftigungs- und Erwerbsangebote an die neuen Anforderungen angepasst. Bis diese Massnahmen finanziell greifen, braucht es Zeit und finanziellen Schnauf. Den haben wir aber nicht. Und so kommen wir nicht um eine Redimensionierung herum und sind weiter auf deutlich mehr Spenden angewiesen als in guten Zeiten: Damit Surprise möglichst vielen Menschen, die durch alle Maschen der sozialen Netze gefallen sind, weiterhin eine Chance bieten kann. Herzlich,

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Porträt Sex, Gene und ein Töff Andrea Burri ist weder Sexgöttin noch Kummertante. Dennoch hat Sexualität eine Vorrangstellung in ihrem Leben. Mit ihrer Forschung will die 30-Jährige zu mehr Respekt und Toleranz beitragen. VON JULIA KONSTANTINIDIS (TEXT) UND MIRIAM KÜNZLI (BILD)

Stundenlange Gespräche über das eigene Liebesleben sucht man in Andrea Burris Biografie vergebens: «Ich hatte wenige Freundinnen, hing mehr mit Jungs rum.» Ein Mauerblümchen war die 30-Jährige aber keineswegs, sie probierte Dinge aus, war neugierig, «in normalem Mass» schätzt die gebürtige Bernerin ihre ersten sexuellen Erfahrungen ein. Seither sind einige Jahre vergangen und heute sind Gespräche über Sexualität, Beziehungen und Liebe nicht mehr aus Andrea Burris Leben wegzudenken. Nur dass sie von Berufs wegen meistens vor allem zuhört: Die Psychologin betreibt seit sechs Jahren Sexualforschung und hat soeben ihre Doktorarbeit über sexuelle Funktionsstörungen bei Frauen abgeschlossen. Zuvor hatte sie für ihr Lizenziat an der ETH Zürich den männlichen Orgasmus untersucht. «Man riet mir davon ab, in die Sexualforschung einzusteigen, weil das Gebiet zu spezifisch und selbst in Wissenschaftskreisen nicht durchwegs akzeptiert sei», erklärt sie beim Gespräch in einer Zürcher Bar. Aber immer, wenn sie im Laufe ihres Studiums damit in Berührung kam, las sie die Unterlagen mit besonderem Interesse. Ihre Forschung betreibt Andrea Burri mittlerweile in London, wo sie auch lebt. Klassische Gespräche, wie der Laie sie sich beim Stichwort Psychologie vorstellt, führt Burri für qualitative Erhebungen durch – und sie steht im Labor und untersucht Gene und Hormone: «Mich interessiert das Zusammenspiel von medizinischen-physiologischen Aspekten und der Psyche.» Die Forscherin ist sich bewusst, dass sie mit ihrer Arbeit auch heikle Gebiete betritt, etwa wenn sie Genforschung und Sexualität in Zusammenhang bringt. «Es ist mir sehr wichtig, dass der Sinn und Zweck meiner Forschung richtig verstanden wird und die Botschaft richtig ankommt», erklärt sie eindringlich. Andrea Burri sieht ihre Arbeit als Mittel zum Zweck, die Gesellschaft toleranter zu machen für das Thema Sexualität und ihre unterschiedlichen Spielarten. «Unsere Gesellschaft muss noch viel offener werden. Sexualität ist sehr individuell und wir neigen dazu, Dinge zu pathologisieren, mit der Forschung kann man in eine andere Richtung steuern.» Zum Beispiel in diejenige des gegenseitigen Verstehens und Respektierens. Andrea Burri erhält Einblick in verborgenste Bereiche der menschlichen Seele, über die die wenigsten Menschen unbefangen sprechen können. Erst recht nicht mit einer fremden Person. Die Angst, mit seinen intimsten Vorlieben auf Unverständnis oder Ablehnung zu stossen, ist dafür oft zu gross. Andrea Burri versucht, über das, was sie hört, nicht zu urteilen: «Manchmal frage ich mich schon, hä, wie kann das gehen? Aber zum Teil sind die Leute sehr erfüllt und glücklich, mit der vielleicht etwas besonderen Art, ihre Sexualität auszuleben.» Sie versuche offen zu sein, «alles ist erlaubt, solange es niemanden verletzt.» Niemand solle sich schämen müssen, für das, was sich gut anfühle. «Man soll sich nicht einreden, dass etwas nicht normal ist.» Wo ihr ausgeprägtes Interesse für die Sexualität herkommt, kann Andrea Burri nicht so genau sagen. Von einem besonders freizügigen El-

ternhaus kann nicht die Rede sein. «Als Portugiesin ist meine Mutter eher konservativ, Liebesangelegenheiten besprach ich während meiner Jugend aber schon mit ihr, nicht mit dem Vater», erinnert sich Burri. Gegenüber Fremden wägt Andrea Burri mittlerweile je nach Situation ab, wie genau sie erzählt, was sie beruflich macht. «Zum Teil nehmen es die Leute nicht so ernst und manchmal gibts dann zweideutige Sätze.» Die Schlussfolgerung, dass sie selber so etwas wie eine Sexgöttin sein müsse, hat Andrea Burri bei ihren Gesprächspartnern mehr als einmal erlebt. Deshalb sagt sie oft nur, dass sie Genforschung betreibe – mit dieser trockenen Materie können nicht viele Leute etwas anfangen. Von ihrem eigenen Sexualleben erzähle sie zurückhaltend, überhaupt spricht sie nicht gerne über sich selbst. Das Unbehagen ist ihr anzuspüren, wenn sie auf ihr Privatleben angesprochen wird. Nur weil sie sich als Psychologin mit Liebe und Sexualität auseinandersetze, falle es ihr nicht einfacher, über selbst Erlebtes zu sprechen als anderen: «Sobald Emotionen im Spiel sind, geht das Sprechen darüber nicht mehr so gut.» So offen wie Andrea Burri gegenüber den sexuellen Vorlieben Fremder ist, so offen geht sie ihre Lebensgestaltung an. Ihr Leben in London passt ihr gut. «Ich möchte die Freiheit haben, dahin zu gehen, wo ich will.» Bevor sie nach England ging, lebte sie in Hamburg, arbeitete in einer Sexualklinik und bildete sich zur Sexualtherapeutin aus. «Die einzige Konstante in meinem Leben ist mein Töff», meint Andrea Burri ernst – und muss doch etwas über sich selber lächeln. Das Motorrad steht für Passfahrten in der Schweizer Garage bereit und ist für die Psychologin ein guter Grund für einen Besuch zu Hause. Ist sie in die Maschine verliebt? «Es fehlt nicht viel», gibt sie zu. Die Liebe erklären zu können, das masst sie sich jedoch nicht an – trotz ihres ständig wachsenden einschlägigen Wissens. Tatsächlich löse dies das Gegenteil aus:

«Man soll sich nicht einreden, dass etwas nicht normal ist.»

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«Je länger ich das mache und je älter ich werde, desto weniger weiss ich», stellt sie fest. Natürlich gebe es die Fakten, aber: «Liebe ist ein sehr facettenreiches Gefühl.» Ihr, die sie sich eher als Einzelgängerin sieht, würde es wohl leichter fallen, auf die soziale Nächstenliebe zu verzichten als auf ihre Liebe zum Essen. Die partnerschaftliche Liebe und die erotische Liebe, doch, die sind ihr wichtig im Leben. Und die Liebe zur Arbeit, die gibts in Andrea Burris Welt bestimmt auch: «Mein Job macht mich glücklich.» Ein Flair für ausgefallene Berufe hatte sie wohl schon immer: «Lange Zeit wollte ich Übersetzerin bei der NASA werden.» Übersetzerin deswegen, weil ihr technologisches Verständnis für eine Astronautenkarriere wohl nicht ausgereicht hätte. Aber die Faszination an der Technik und am Fortschritt schürte den Wunsch nach diesem Traumberuf in ihr. Vielleicht war es auch die Faszination am Unbekannten, an unerforschten Weltraumwelten. Heute erforscht Andrea Burri unbekannte Gefühlswelten. Die Reisen dahin sind weniger aufwändig, die Entdeckungen darin aber nicht minder aufregend. ■

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Stadt – Land Was für ein Kuhhandel Unser Autor Stephan Pörtner hatte sich gut auf seinen Ausflug an den Ilanzer Viehmarkt vorbereitet: Die Erinnerungen an den Alpsommer in Jugendjahren verarbeitet, die Unterschiede zwischen Stadt- und Landmenschen diskutiert – und ausgiebig über Kühe nachgedacht. Doch dann musste er feststellen: Das Landleben ist auch nicht mehr das, was es einmal war.

VON STEPHAN PÖRTNER (TEXT) UND ANDREA GANZ (BILDER)

Viel zu tun, schlechtes Wetter und was einen Stadtmenschen sonst noch so an Velotouren, Ausflügen und Besuchen auf der Alp hindert, wurde diesen Sommer auch mir zum Verhängnis. Bevor der erste Schnee käme, so nahm ich mir deshalb vor, würde ich noch einmal eine schöne Landpartie unternehmen. Ich erinnerte mich an einen Besuch auf dem Viehmarkt von Ilanz, es muss fast ein Vierteljahrhundert her sein. Ein Freund von mir hatte damals im Sommer in Vrin im Val Lumnezia eine Rinderalp bewirtschaftet. Ich hatte ihn besucht, ein Partyfass Bier hochgeschleppt, schöne Tage verbracht. Damals schnupperte ich zum ersten Mal Alpluft und etwa vier Jahre später sollte ich, mit besagtem und unterdessen verstorbenem Freund, selber auf die Alp ziehen und im Misox einen Sommer lang Rinder hüten, lernen, die Kuh zu melken und dem Vieh gut zuzureden, damit es brav dorthin gehe, wo ich es haben wollte … Aber das ist eine andere Geschichte. Der Viehmarkt, den wir damals aus nicht mehr rekonstruierbaren Gründen besucht hatten, ist mir in guter Erinnerung geblieben. Und so nahm ich mir vor, ihn zum Ziel meiner vorwinterlichen Landfahrt zu erklären. Obwohl Ilanz streng genommen eine Stadt ist. Die erste Stadt am Rhein. Doch für den Zürcher geht sie gut als Land durch. Via Internet war auch der Termin schnell gefunden, am 15. September sollte der Viehmarkt stattfinden, Beginn um zehn Uhr.

Eden Montana, ein Hochhaus in den Bergen, in dem ich schon immer mal gerne eine Nacht verbracht hätte. Darum hatte ich insgeheim gehofft, der Markt beginne früh morgens. Ich steige aus dem Zug. Auf dem Weg locken die Marktstände, aber ich habe keine Augen für Helly-Hansen-Jacken, Gummistiefel und Alpkäse, denn der Marktplatz ruft. Auf dem grossen Platz bei der Landi, neben Fluss und Geleisen, stehen die Viehgitter, das Parkieren ist heute verboten, es warten schon einige Händler. Allerdings: Kühe sehe ich keine. Nur ein einsames Rind in einem offenen Viehtransporter schaut – etwas unwohl – in die Gegend. Es ist Punkt zehn Uhr. Der Marktchef meint, die kämen schon noch, die Bauern, ich solle doch in einer halben Stunde zurückkehren. Ich nutze die Gelegenheit, die Stände genauer zu betrachten, denn hier gibt es Utensilien, die man in der Stadt vergebens sucht. Schon werden mir mit einem natürlichen

«Auch wenn ich als untauglich eingestuft wurde, der Wert einer Militärpelerine ist mir bewusst.»

Ein Hochhaus in den Bergen Um mich ein wenig genauer übers Marktgeschehen zu informieren, rief ich bei der Gemeindeverwaltung an, die mich freundlich an den Stadtpolizisten Erwin Cariget verwies, der auch als Marktchef fungiere und mir alles erklären werde. «Man weiss halt nie, wie viele kommen», warnte er mich am Telefon, «mal kommen 20, mal 60. Im Moment sind die Viehpreise nicht sehr attraktiv für die Bauern.» «Ja muss man sich denn da nicht anmelden?» Cariget lachte. «Nein, die Bauern kommen einfach und bringen ihr Vieh. Es ist immer schwierig abzuschätzen, wie viel Platz man absperren muss.» Das war schon einmal eine interessante Eigenheit und am nächsten Morgen bestieg ich um halb acht frohen Mutes den Zug in Zürich und fuhr in die Surselva hinauf. Der Himmel war strahlend blau. Ein idealer Tag. Etwas wehmütig betrachtete ich bei der Ankunft in Ilanz das Hotel SURPRISE 235/10

Wundermittel die Schuhe poliert, die daraufhin völlig wasserabweisend sind. Auf dem Land ist immer Zeit für einen Schwatz und so reden der Verkäufer und ich angeregt über die verschlungenen Pfade des Lebens, Arbeitslosigkeit und Reisen nach Indien. Nach einem Besuch am Postomat geht es zurück zum Viehmarkt. Doch oh weh. Es ist kein Vieh gekommen. Ganz im Gegenteil, das einsame Rind wurde bereits wieder abtransportiert und auch die Händler sind dabei, sich in alle vier Winde zu zerstreuen. «Ist denn heute kein Markt?», frage ich. «Eigentlich schon», antwortet mir einer, während er zum Auto geht, «aber es ist halt niemand gekommen.» «Wie kann das sein?» Er zuckt mit den Schultern. «Es hat irgendein Durcheinander mit dem Termin gegeben.» Nur ein einziges Rindvieh Ich frage auch Marktchef Cariget, was los sei. Auch er ist ziemlich ratlos. «Wissen Sie, der Kanton Graubünden ist der erste Kanton, in dem man das Vieh auch übers Internet verkaufen kann. Die Bauern präsentieren das Tier mit allen Angaben auf viehnet.ch. Damit werden die Märkte konkurrenziert. Das Vieh auf den Markt zu fahren, kostet Zeit, bei den heutigen Preisen überlegt sich wohl mancher, ob sich der Auf-

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In Ermangelung an Braunvieh wird Vielfarbiges begutachtet.

Polizist Cariget weiss auch nicht, wo die Kühe sind.

Wer Kühe sucht, braucht wasserfeste Schuhe.

wand noch lohnt. Aber das grad gar niemand kommt, das habe ich auch noch nie erlebt.» Ich bin nicht der Einzige, der etwas verdutzt herumsteht. Ich frage einen Futterhändler, ob er wisse, wann nun der richtige Viehmarkt stattfinde. «In 14 Tagen. Dann werden bestimmt Tiere kommen.» Die Frage ist aber, ob ich dann auch wieder komme – ein viel beschäftigter Städter ist immer von Terminsorgen geplagt. Aber wenn es schon kein Vieh hat, will ich wenigstens den Warenmarkt nicht verpassen. Ein paar warme Finken kann man immer brauchen, der nächste Winter kommt bestimmt. Weiter vorne werden alte Militärartikel feilgeboten, und auch wenn ich seinerzeit als «untauglich» eingestuft wurde, ist mir unterdessen der Wert der Militärpelerine bewusst geworden. Wer hin und wieder ein Schwingfest besucht, weiss, dass es nichts Besseres gibt, um in strömendem Regen auf dem ungedeckten Sitzplatz zu verharren, während im Sägemehl die Mannen in die Hosen steigen. Fehlt noch eines jener langen Unterleibchen mit Rollkragen und Reisverschluss, ein sogenanntes «Gnägi», benannt nach dem wohl populärsten Militärdepartementsvorsteher aller Zeiten, dessen Amtszeit vor über drei Jahrzehnten zu Ende ging. Der Rucksack wird langsam schwer, aber so ganz zufrieden bin ich mit meinem Ausflug nicht. Mindestens ein einziges Rindvieh oder eine Kuh will ich noch von Nahem sehen. Schliesslich bin ich deswegen in aller Herrgottsfrühe aufs Land gefahren. Der Platz, auf dem der Viehmarkt hätte stattfinden sollen, ist wieder zum ordinären Parkplatz mutiert. Händler und Bauern sind verschwunden. Doch da kommt der

Mann aus der Futterbranche wieder. Wenn einer weiss, wo hier Kühe wohnen, dann er. «Viel Vieh ist noch auf der Alp, aber bei Caduffs, Richtung Obersaxen, stehen prächtige Kühe auf der Weide. Mit Horn. Du fährst einfach da vorne …» «Ich bin mit dem Zug gekommen. Gibt es auch ein Postauto?» «Nein, aber ich kann dich hinauffahren, nachher muss ich aber weiter.» Glockengeläut in der Ferne Schon steige ich in den roten Subaru. Auf der Fahrt erklärt mir mein Chauffeur die Eigenheiten des Viehhandels. «Das geht alles mit Bargeld und per Handschlag. Ohne Garantie und Rückgaberecht. Da muss man

«Das ist ein vollkommener Chabis, heute einen Viehmarkt anzusetzen.»

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dem Händler vertrauen und etwas von den Tieren verstehen, sonst zieht man bei einem Kuhandel den Kürzeren.» Ich werde beim Hof der Familie Caduff ausgeladen. Es ist ruhig und schön hier oben. Ein Blick in den grossen Stall zeigt aber, dass dieser leer ist. Sollte auch hier das Vieh verschwunden sein? Handelt es sich gar am Ende um ein geheimnisvolles Phänomen? Sind auf einmal alle Rinderherden verschwunden, so wie vor ein paar Jahren plötzlich ganze Bienenvölker verschwunden waren? Nein, von Weitem höre ich Glocken. Kuhglocken. Ich betätige vorerst aber die Türglocke der Familie Caduff und frage, ob ich vielleicht ihre Tiere besuchen darf. SURPRISE 235/10


Die Bäuerin erklärt sich einverstanden, wundert sich aber doch ein wenig über den selbst für einen Städter ziemlich ausgefallenen Wunsch. Ich erkläre ihr die Sache mit dem viehlosen Markt. «Das ist ja auch ein vollkommener Chabis, heute einen Viehmarkt anzusetzen», schüttelt sie den Kopf. «Viele Tiere sind noch auf der Alp. Ausserdem ist heute noch Braunviehschau in Cazis.» Ich habe also ganz einfach Pech gehabt, weil dieses Jahr, offenbar zum ersten Mal seit Menschengedenken, der Markt zu früh angesetzt wurde. Davon lasse ich mich aber nicht mehr betrüben, sondern mache mich auf die Suche nach den Kühen auf der Weide. Es sind Mutterkühe, die bereits von der Alp zurück sind. Auf einer idyllischen Waldlichtung finde ich dann tatsächlich die Herde. Das Gras steht hoch und ist nass, nun kann sich die Wunderpolitur an meinem Schuhwerk bewähren. Es sind grosse, prächtige Kühe mit Hörnern und ich könnte jetzt einen Exkurs führen, warum der Kampf für die Hornkuh beinahe das letzte politische Anliegen ist, für das ich mich engagiere. Man schaue sich nur eine Kuh mit neben einer ohne Horn an. Es sind ja immerhin Tiere und keine Produktionsmittel. Doch genug davon. Auftritt des Hornkuhflüsterers Das Hornvieh nähert sich mit der ihm eigenen Mischung von Neugier und Vorsicht. Ein wenig Salz würde wohl helfen, sie von meiner Freundlichkeit und guten Absicht zu überzeugen. So schnuppern sie nur an meiner Hand, laufen aber davon, wenn ich sie streicheln und mit ihnen für ein Erinnerungsbild posieren will. Sie waren halt auf der Alp und sind sich die Menschen nicht mehr gewohnt. Wildfremde Städter schon gar nicht. Es soll ja Leute geben, die vor Kühen Angst haben, und solche, die schon von Kuhherden angegriffen wurden. Was ich mir aber nicht vorstellen kann, weil ich sie bisher stets als sehr sanftmütig erlebt habe. Wobei eine Herde Mutterkühe mit ihren Kälbern natürlich nicht unbedingt gestört werden sollte. Unter Aufbietung meiner schon beinah verschütt gegangenen Kuhflüstererfähigkeiten gelingt es mir schliesslich doch noch, eine Kuh herbeizulocken und zwischen den Hörnern zu streicheln, auf dass es mir nicht weiterhin ergehe, wie dem von Mani Matter besungenen Maler, dem die banausenhafte Kuh am Waldesrand davonläuft. Meine Landpartie ist nun also doch noch zu einem befriedigenden Ende gekommen. Auf dem Weg zurück nach Ilanz kehre ich noch ein und esse Capuns, denn Lokalspezialitäten gehören zum Ausflug wie das Rind zum Viehmarkt. Oder so ähnlich. Danach gehe ich zum Bahnhof und treffe wieder den Erwin Cariget, der sich nochmals für den abverheiten Viehmarkt entschuldigt. Wenig später sitze ich im Zug, die Füsse sind trocken geblieben. Nur etwas Kuhmist klebt noch an ihnen. ■

Endlich Kühe – zwar nicht auf dem Markt, dafür mit Hörnern.

Stephan Pörtner lebt als Schriftsteller und Übersetzer in Zürich. Er schreibt Kolumnen für Surprise und WoZ und hat bisher vier Krimis mit Köbi Robert, dem Detektiv wider Willen, verfasst. Derzeit veröffentlicht er im Tagblatt der Stadt Zürich den Fortsetzungskrimi «Letzte Ausfahrt Altstetten», in dem Kommissar Henry Kummer einen mysteriösen Mordfall lösen muss. SURPRISE 235/10

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BILD: RICARDO STUCKERT/PR AGÊNCIA BRASIL, WWW.AGENCIABRASIL.GOV.BR

Weltverbesserer Wer ist hier zynisch? Milliardäre spenden ein Vermögen für gute Zwecke, Angelina Jolie engagiert sich als Unicef-Botschafterin und Bono Vox von U2 ruft bei Konzerten zu Nächstenliebe auf. Das kommt schlecht an: Hoffnung und Liebe sind peinliche Schimpfwörter aus dem Mund schwerreicher Stars. Sagen die Medien. Was ist dran? Ein Essay über Zynismus, idealistische Initiativen und prominente Gutmenschen. VON YVONNE KUNZ

«Sunday, Bloody Sunday» grölt der Verkäufer hinter seinem Wurststand ausserhalb des Zürcher Letzigrund-Stadions während des U2Konzerts diesen September. «Wie lange müssen wir dieses Lied singen?», fragt die Band im Song aus dem Jahr 1983, der sich mit dem Nordirlandkonflikt beschäftigt. Bei dieser Zeile ist der Wurstverkäufer nicht mehr hinter seinem Stand zu halten. Er springt auf die Strasse, die

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Faust gegen den Himmel gereckt: «How long, how long must we sing this song?» Serbe sei er, meint der Mann später, «weisch, geflüchtet aus dem Kosovo.» Das 27 Jahre alte Lied stellt die Band heute in den Kontext des letztjährigen Volksaufstands im Iran, lässt dazu Texte eines iranischen Dichters in Farsi über die Bildschirme flimmern und taucht Stadien rund um den Erdball in Grün. Das ist Aktivismus in den Kirchen der modernen Massenunterhaltung. Bewusstseinsbildung als Show. Besser als nichts, SURPRISE 235/10


vielleicht – sicher aber ist, dass eine gefühlsschwangere, visuell ansprechende einminütige Montage eine Trivialisierung einer ungemein komplizierten Angelegenheit darstellt. Aber auch Geheimnis und Kunst von gutem Pop. Kein Geheimnis ist, dass für U2 das überbordende Gewissen ihres Sängers Bono Vox eine Plage ist. So sicher wie das Amen in der Kirche, so sicher wie der Appell an die Nächstenliebe an einem U2-Konzert, so sicher kommt auch der Einspruch der Kritik. Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass die megalomanen Ambitionen der Band – die Welt zu gestalten und gleichzeitig deren beste Rockband zu sein –, am Glanz eines ansehnlichen Repertoires äusserst passabler Songs kratzen. Doch um Musik allein geht es eben genau nicht. «Die Musik und die politische Sendung», so konstatiert der «Tages-Anzeiger» mit demselben Bierernst, den man der Band vorwirft, «sind fest eingerastert in die Verwaltung der Karriere» dieser «überaus begabten Kapitalisten». An diesem Abend seien die Menschenrechte nur noch Garnitur für das Selbstgerechte. Mit dieser Analyse gehört der «Tagi»-Kritiker zum Flügel der U2-Allergiker. Nachdem die Band ihren millionenschweren Songkatalog 2006 nach Holland verlegte, um die Steuerlast zu reduzieren, titelte der britische Boulevard: «St. Bono, der Scheinheilige» und ein irischer Autor nannte die Musik seiner vier Landsleute eine «Giftwolke flauschiger Rhetorik» und einen «Soundtrack für die unheilbar Selbstzufriedenen». Der Reiseautor und Afrikakenner Paul Theroux ersann 2005 in der «New York Times» eigens für den mehrfachen Friedensnobelpreisanwärter Bono Vox den Schlag der «Mythomanier – Menschen, die die Welt von ihrem Wert überzeugen wollen.»

Die kleine Geste scheint im aktuellen Diskurs grösser zu sein als die grandiose: Grosse Ideen wie die UNO Millennium Development Goals oder das Klimaabkommen werden eher belächelt als bewundert. Die RED-Kampagne, die aus Produkten mittels Preisaufschlag eine finanzielle Hilfe gegen AIDS machen will, ist nicht einfach ein Versuch, sondern von vornherein suspekt – wenn nicht gar kontraproduktiv. In der Betrachtung von solchen idealistischen Initiativen strengt man sich anscheinend sehr an, nicht naiv zu sein, sondern zynisch. Das ist nicht falsch, denn der Zynismus hilft, die Dinge so zu betrachten, wie sie

Sind Mega-Spenden nur eine PR-Aktion? Oder die Reinwaschung vom Reichtum als moderne Sünde?

M-Budget oder Max Havelaar Zu dieser Spezies gehören auch Angelina Jolie, Shakira oder Britney Spears – und neuerdings auch Microsoft-Gründer Bill Gates und der Investmentbanker und Multimilliardär Warren Buffet. Die beiden sind zu Star-Philanthropen geworden, indem sie 40 Superreiche in den USA zum öffentlichen Versprechen brachten, sich mindestens von der Hälfte ihres Vermögens zu trennen – für wohltätige Zwecke, insbesondere die Ausrottung der Malaria. Unter den Mega-Spendern befinden sich New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg, Oracle-Mitgründer Larry Ellison oder CNN-Gründer Ted Turner. Wie beim im Pirvatjet reisenden Freestyle-Diplomaten Bono, dessen Vermögen bei geschätzten 400 Millionen Franken liegt, sind auch bei dieser Gutmenschen-Parade die Widersprüche augenfällig: Ellison zeichnet sich mit seinem Anwesen im Stil eines japanischen Dorfes aus dem 19. Jahrhundert ganz besonders durch masslose Extravaganz aus. Dennoch erlaubt sich diese illustre Runde Gutes zu tun – und redet auch noch ziemlich viel darüber. Auf ihre Ankündigung hin folgten die Unterstellungen beinahe reflexartig. Schon mit der Wahl der Stiftung als Rechtsform sei das wahre Ziel klar: Steueroptimierung. Eine PR-Aktion in eigener Sache sei das, nichts weiter. Und: eine Reinwaschung vom Reichtum als moderne Sünde. So die Zusammenfassung der Kritik in der Presse, die offenbar von der zwingenden Logik ausgeht, dass je höher das Vermögen, desto kleiner die Fähigkeit zu ernst gemeintem Engagement. Doch mit der Annahme niederer Motive entheben sich Kritiker elegant ihrer Pflicht des Nachdenkens. Indem sie sich wortreich an den Widersprüchen aufgeilen, umgehen sie die wirklich interessanten Zeitfragen. Und sie tun noch etwas Seltsames: Sie entwerfen Parameter für den glaubhaften Gutmenschen. Wer die Welt verbessern will, muss eine makellose moralische Instanz sein, hundertprozentig selbstlos und absolut bescheiden. Wer diese göttlichen Ansprüche nicht erfüllt, ist ein verlogener, selbstgefälliger Arsch und als Weltverbesserer natürlich nicht zu gebrauchen. Damit wird «wahre» Nächstenliebe zu einem Gut für einen in Sachen innere Werte sehr erhabenen und exklusiven Kreis. SURPRISE 235/10

wirklich sind – und nicht, wie sie sein sollten. Und sie sind kapitalistisch, sie sind globalisiert, sie sind schreiend ungerecht. Sie sind, wie sie sind. Und jetzt? Ist der Zynismus vielleicht sogar die intelligenteste Antwort auf all das und vor allem auf die eigene Ohnmacht? Ist es besser, auf Ungereimtheiten und Widersprüche bei den ewig Hoffnungsvollen hinzuweisen? Ist es schlauer, in den Worten des Schriftstellers H.G. Wells, nach dem Sarg Ausschau zu halten, wenn man Blumen sieht? Ein gerüttelt Mass Zynismus ist bestimmt nicht verkehrt – sicher, geschmacksverfehlte PR-Gags im Bereich des Spendenmarketings, Wohltat als Eigenwerbung, Gutmenschentum als Marketingtool, verfehlte Hilfe: alles wahr. Doch sich gegenüber der Möglichkeit eines Wandels zu öffnen, heisst nicht, dass man einem unmöglichen Ideal gerecht werden muss – es ist nun mal so: Des einen Mannes Widerspruch ist des andern Scheinheiligkeit. Die abstruse Abstraktheit der globalen Ungerechtigkeit zeigt sich schliesslich nicht nur im Grossen, man erlebt sie auch regelmässig vor dem Kaffeeregal im Supermarkt. «M-Budget» oder «Max Havelaar» oder «Engagement»? Lebt irgendein Bauer in Eritrea – für den ich unermesslich reich bin – wirklich besser, wenn ich an ein Label glaube? Macht mich das zu einem besseren Menschen, und vor allem: Reicht es nicht, wenn ich im Rahmen meines eigenen Lebens Engagement zeige und Verantwortung trage? Die Welt verändern Tut es nicht. Jegliches Engagement wird erst politisch, wenn es öffentlich ist, und dann darf – muss – es auch kritisiert werden. Doch was, wie, wann öffentlich wird, bestimmen nicht zuletzt die Massenmedien. Im grossen Mainstream ist aber eher selten die Rede von den grundsätzlichen Problemen der Überschuldung der Dritten Welt. AIDS in Afrika wird nur dann ein Thema, wenn eine Schweizerin für ihren selbstlosen Einsatz geehrt wird. Das Klima meistens dann, wenn anhand einer Katastrophe darüber gemutmasst wird, ob es ein menschengemachtes Element in dem Desaster gibt – oder eben nicht. Grosse Medienhäuser funktionieren wie das Unternehmen U2 nach kapitalistischen Regeln. In dieser Logik sind sterbende Kinder in Afrika «Old News», was gleichbedeutend ist mit «No News» (ausser es sterben genug aufs Mal). Rockstars, die das Recht hoch halten, sich mit dem Glauben lächerlich zu machen, dass Musik eine grössere Bedeutung hat, wenn sie auf die sterbenden Kinder aufmerksam macht, sind klar «Bad News». Und die verkaufen sich besser als «Good News». «Jede Generation hat die Chance, die Welt zu verändern!», ruft Bono seinem Publikum in Zürich zu. «Stimmt nicht», ruft ein Teenager, der neben dem Wurststand steht, trotzig unter seiner Kapuze hervor. «Oh doch!», widerspricht ihm der Wurstverkäufer energisch. «Auch Du!» ■

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Wirtschaft «Ausländische Arbeitskräfte sind unverzichtbar» Die Rechte kämpft gegen «Überfremdung», Schweizer Unternehmen rekrutieren fleissig Fachkräfte im Ausland. Ein Blick in die Zukunft zeigt: Mit der zunehmenden Überalterung wird dieser Trend noch zunehmen. Ein Gespräch mit dem Basler Wirtschaftsprofessor George Sheldon über Migration, Fachkräftemangel – und den Arbeitsmarkt der Zukunft. VON MENA KOST (TEXT) UND LUCIAN HUNZIKER (BILDER)

Herr Sheldon, im Jahr 2060 werden in der Schweiz 9 Millionen Menschen leben, davon wird rund ein Drittel über 65 Jahre alt sein: Auf 100 Erwerbstätige werden 60 Senioren kommen. Das prognostizieren Modellrechnungen des Bundesamts für Statistik. Wer wird unsere Wirtschaft dann am Laufen halten? Wo wir Arbeitskräfte herbekommen, wenn es hart auf hart kommt? Die Schweiz war schon immer erfolgreich bei der Rekrutierung von Arbeitskräften im Ausland. Wir waren, sind und bleiben ein Zuwanderungsland. Ausserdem arbeiten noch immer viele Frauen Teilzeit, hier gibt es nach wie vor ein grosses brachliegendes Potenzial. Das gleiche gilt für Migrantinnen und Migranten, die nicht im Arbeitsmarkt integriert sind. Nur bei den Schweizer Männern ist kaum noch etwas zu holen. Sie sind, das zeigt ein internationaler Vergleich, bereits sehr erwerbsaktiv.

nicht vorstellen. Die direkte Demokratie macht die Schweiz schon sehr attraktiv. Aber auch China wird sich tendenziell in diese Richtung entwickeln, sobald sich dort ein Mittelstand gebildet hat. Das wird in 20, 30 Jahren der Fall sein. Menschen, die einen gewissen Wohlstand haben, fordern Mitbestimmung. Wir reden ja über diesen Zeithorizont. Dann wird China vielleicht doch als Arbeitgeberland attraktiv. Aber ob die Wirtschaft Chinas dann noch boomt? Wirtschaftliche Entwicklungen sind sehr unberechenbar. Vor 20 Jahren hat man gesagt, Japan werde die Welt erobern. Tatsache ist aber, dass die japanische Wirtschaft seit 20 Jahren stagniert. Man kann nicht von der Gegenwart auf die Zukunft schliessen. Aber ja: Arbeitskräfte werden etwas knapp. Schon heute ist die Schweiz von Fachkräften aus dem Ausland abhängig. Gleichzeitig gewinnt die politische Rechte Stimmen mit einer restriktiven Ausländerpolitik, von «Überfremdung» ist die Rede. Die Wirtschaft hält nichts von einer restriktiven Ausländerpolitik. Wenn man die ökonomische Realität betrachtet, ist der Zuzug ausländischer Arbeitskräfte ein Muss, will die Schweiz konkurrenzfähig bleiben: Der technische Fortschritt schreitet voran. Soll er weiter voranschreiten, braucht man hoch qualifizierte Arbeitskräfte. Die hiesige Bevölkerung kann den Bedarf aber nicht decken. Also rekrutiert man im Ausland. Tut man das

Nicht nur der Schweiz droht eine Überalterung der Bevölkerung, diese Tendenz herrscht überall in Europa vor, inklusive der Türkei. Ganz Europa könnte also bald am Rekrutieren sein. Das ist für die Schweiz ein kleines Problem. Wir schlagen alle bei Weitem. Junge, aufstrebende Menschen mögen die Freiheiten, die man in der Schweiz geniesst, sehr. Ich habe mit vielen gesprochen, vor allem aus Deutschland, sie sagen: In der Schweiz hat man mehr Eigenverantwortung und kann über «Eine stärkere Integration der Frauen auf dem Arbeitsalles abstimmen. Die Schweiz bietet zudem markt könnte den Mangel an Fachkräften beheben.» Freizeitaktivitäten, die Berge und so weiter. Zürich etwa ist sehr gefragt wegen des Freizeitangebots. Das darf man nicht unterschätzen. Die Schweiz zieht nicht, stagniert der Fortschritt. Das sind natürlich nur Prognosen. Aber schon heute fast gleich viele gut ausgebildete Arbeitskräfte aus OECDsollten sie zutreffen, wird die Rekrutierung im Ausland für die Schweiz Ländern an wie Deutschland. Obschon Deutschland zehnmal mehr Einzu mehr Fortschritt und damit zu einem Wachstumsschub führen. wohner hat als die Schweiz. Wir sind äusserst wettbewerbsfähig. Das dürfte auch in Zukunft hoch Qualifizierte anziehen. Die Unternehmen finden nicht genügend Fachkräfte im Inland? Gegenwärtig sind ausländische Arbeitskräfte unverzichtbar. Aber der Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Bildungsstand der Schweizer Bevölkerung wird weiter zunehmen und Entwicklung, schrieb kürzlich im «Spiegel»: «Auch China wird in vielleicht kann diese Lücke irgendwann mit inländischen Arbeitskräften rund 20 Jahren junge Arbeitskräfte brauchen, und wenn China zu geschlossen werden. Auch eine stärkere Integration der Frauen auf dem rekrutieren beginnt, bleibt für das gute alte Europa nichts mehr Markt könnte den Mangel an Fachkräften beheben. übrig.» Das glaube ich nicht. Wer will schon in einer solchen Gesellschaft leWie sollen Frauen gestärkt werden? ben? In China wird man bevormundet, zentral verwaltet. Zu wissen, Es fehlt an Kindertagesstätten. Flächendeckende Kinderbetreuung wäre dass ich keinen Google-Search durchführen kann … Das kann ich mir sehr wünschenswert. Später, im Schulalter, würde Blockunterricht helSURPRISE 235/10

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fen. Wir haben hier an der Uni eine Frauenbeauftragte. Meiner Meinung nach sollte man die Stelle streichen und eine Kindertagesstätte finanzieren. Eine Professorin kommt nicht nach Basel, weil wir eine Frauenbeauftragte haben, sondern weil wir eine Kindertagesstätte fßhren.

skeln gesucht – Arbeitskräfte fĂźr den Bau etwa. Diese Menschen haben sich hier niedergelassen. Und heute sind sie arbeitslos. Mitte der 1990erJahre haben sich die beruflichen Profile der Einwanderer schlagartig verändert: Heute sind 60 Prozent der ausländischen Arbeitskräfte, die in die Schweiz kommen, Akademiker.

FĂźr jeden erschwingliche Kinderbetreuungsangebote kosten Geld. Hier kĂśnnen auch die Betriebe, also die Privatwirtschaft, eingreifen. Das muss nicht immer der Staat sein. Schwierig finde ich die Diskussion um die Qualifizierung der Kinderbetreuer. Man darf hier keine HĂźrden aufbauen, sonst schneidet man sich ins eigene Fleisch.

Bei der Schweizer ErwerbsbevÜlkerung macht der Akademikeranteil heute rund 15 Prozent aus. Nehmen die hoch qualifizierten Ausländer also den hoch qualifizierten Schweizern die Stellen weg? Nein, im Ausland rekrutierte Arbeitskräfte nehmen niemandem die Stelle weg. Jede Firma sucht zuerst im Inland. Nur finden die Firmen in der Schweiz eben nicht genßgend gut qualifizierte Leute.

Ist es realistisch, dass die Privatwirtschaft selbst in die Taschen greift, um mehr Frauen in den Arbeitsmarkt integrieren zu kĂśnnen? Wenn Arbeitskräfte knapp sind, ja. Aber das leichte Rekrutieren im Ausland nimmt den Firmen den Druck. Eines ist sicher klar: Wer mit der so genannten ÂŤĂœberfremdungÂť argumentiert, muss sich fĂźr eine flächendeckende Kinderbetreuung stark machen. Das wäre auf jeden Fall eine MĂśglichkeit, die Arbeitnehmersuche im Ausland einzudämmen. Ich wĂźrde deshalb gerade von der SVP erwarten, dass sie sich fĂźr dieses Anliegen einsetzt. Während die Unternehmen im Ausland Arbeitskräfte rekrutieren, zeigt die aktuelle Arbeitslosenstatistik der Schweiz: Es sind mehr als doppelt so viele Ausländer wie Schweizer arbeitslos. Das ist schon lange so. Die arbeitslosen Ausländer von heute sind zum grĂśssten Teil Ungelernte, die in den 1970er und 1980er Jahren ins Land geholt wurden. Bis fast 1990 betrug der Anteil an Ungelernten bei den rekrutierten Ausländern ganze 60 Prozent. Man hat ganz einfach Mu-

Viele Schweizer haben aber solche Ă„ngste. Nehmen wir die Deutschen: Es wird gesagt, sie seien besser ausgebildet, eloquenter – und daran gewĂśhnt, hart zu arbeiten ‌ Ich bitte Sie! Wo gibt es die 35-Stunden-Wochen? In der Schweiz? Nein, in Deutschland. Aber natĂźrlich bin ich auch beeindruckt, wenn ich jemanden aus Hannover sprechen hĂśre. Einen Minderwertigkeitskomplex muss der Schweizer deshalb aber nicht gleich bekommen. Trotzdem: In Teilen der BevĂślkerung hat sich folgender Grundtenor herausgebildet: ÂŤSolange auch nur ein arbeitsloser Schweizer herumläuft, brauchen wir keine ausländischen Arbeitskräfte.Âť Das ist aber eine Milchmädchenrechnung. Wir haben hier in der Schweiz ein grundsätzliches Ăœberangebot an ungelernten Arbeitskräften. Diese Leute sind auf dem Arbeitsmarkt aber nicht gefragt – egal ob Schweizer oder Ausländer. Die Unternehmen brauchen vor allem Fachkräfte. Ein ungelernter Schweizer kann aber keine Fachkraft ersetzten.

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Weiter wird gesagt, dass stellenlose Ausländer nicht in ihre Herkunftsländer zurückkehren, sondern unseren Sozialwerken auf der Tasche liegen. Grundsätzlich profitiert die Schweiz von ausländischen Arbeitskräften. Die meisten Neuzuwanderer sind Akademiker und zahlen überdurchschnittlich viel in die Sozialwerke ein. Aber ja, bei den IV-Bezügern sind ehemalige ausländische Arbeitskräfte überdurchschnittlich vertreten: Sie wurden vor 30 Jahren geholt, haben sich auf dem Bau den Rücken kaputt gearbeitet und sind heute nicht mehr in den Arbeitsmarkt integrierbar. Das ist kein Missbrauch unserer Sozialwerke, sie haben das gute Recht auf eine Rente.

Hier wären wir wieder bei der Kinderbetreuung. Ja, mit einer Klappe würden zwei Fliegen geschlagen. Wie kann man die Frauen stärker in den Arbeitsprozess einbinden? Kinderbetreuung im Vorschulalter. Wie kann man den Anteil Ungelernter möglichst klein halten? Kinderbetreuung im Vorschulalter. Oder noch besser: Schul-

«Ich erwarte von der SVP, dass sie sich für Kinderkrippen einsetzt.»

Als Anfang dieses Jahres Konjunkturprogramme gestartet wurden, um die Wirtschaft zu stabilisieren, hat die SVP gefordert, man solle arbeitslose Ausländer wegschicken. Die Erfahrung der 1970er-Jahre, als in der Krise Hunderttausende von Ausländern zurückwanderten, lehrt uns, dass eine solche Rückkehr bei uns die Konsumnachfrage einbrechen lässt. Das war damals massiv. Es wäre also gar nicht wünschenswert, dass arbeitslose Ausländer massenweise abwandern. Aus dem gleichen Grund ist auch Arbeitslosengeld – jetzt mal rein ökonomisch betrachtet – eine gute Sache. Das sind keine Almosen! Die ganze Gesellschaft profitiert davon, wenn die Konsumnachfrage stabilisiert wird. Ungelernte und niedrig Qualifizierte sind unter den Arbeitslosen am stärksten vertreten. Was muss passieren, um sie für den Arbeitsmarkt fit zu machen? Da muss ich eine ganz bittere Aussage machen: Es gibt keine Möglichkeit. Man kann nicht jemandem mit 30, der vielleicht Frau und Kind hat, eine Berufslehre verschaffen. Das wäre eine extrem teure Angelegenheit. Ich glaube nicht, dass die Allgemeinheit das bezahlen will. Die Privatwirtschaft könnte das bezahlen. Das können Sie vergessen. Es werden je länger je mehr gut ausgebildete Arbeitskräfte gesucht. Bis jemand Ungelerntes zum IT-Spezialisten ausgebildet worden ist, dauert es bestenfalls Jahre. Bis dahin gibt es diese Firma vielleicht schon nicht mehr. Für jene Leute hat die Wirtschaft also keine Lösungen parat. Eine Möglichkeit wäre, dass ungelernte Leute mit viel Berufserfahrung eine Prüfung ablegen, um ihre angelernten Qualifikationen dokumentieren zu lassen. Das würde sie für Arbeitgeber attraktiver machen. Die meisten werden sich aber mit einer schlecht bezahlten Arbeit abfinden müssen. Wer heute ohne Berufsbildung die Institutionen verlässt, ist der Arbeitslose von morgen. Für die Zukunft kann man aber etwas tun: Man kann dafür sorgen, dass der Anteil ungelernter Jugendlicher, die aus dem Bildungssystem herauskommen, möglichst gering ist. Bei den Schweizern sind heute etwa fünf Prozent der Bildungssystemabgänger ungelernt, bei ausländischen Jugendlichen 20 Prozent. Auf den ersten Blick sieht das nicht wie ein Erfolg aus. Wenn man aber bedenkt, dass früher 60 Prozent der Ausländer ungelernt waren, hat die Secondo-Generation bereits deutlich bessere Aussichten. Aber das geht peu à peu. Es muss also dringend in Bildung investiert werden. Die einzig nachhaltigen bildungspolitischen Interventionen sind jene im Vorschulalter. Das zeigen Untersuchungen aus den USA, die seit den 1960er-Jahren durchgeführt werden. Kinder bildungsferner Schichten muss man sehr früh aus der Familie abholen. Mit sechs, sieben Jahren ist es bereits zu spät. SURPRISE 235/10

pflicht bereits ab vier Jahren. Auch sehr wichtig ist die Integration der Eltern dieser Kinder. Arbeitslosigkeit ist kein Migrations-, sondern ein Schichtphänomen. Im Kampf gegen arbeitslose Ausländer ist Bildungspolitik und nicht Einwanderungspolitik gefragt. Szenarien, die das Bildungsniveau betreffen, zeigen: Während bis im Jahr 2060 rund 60 Prozent der Schweizer eine höhere Ausbildung haben werden, erreichen unter den in der Schweiz geschulten ausländischen Kindern nur 30 Prozent eine solche Ausbildung. Ich habe bisher keine Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt, mein Bauchgefühl aber sagt: Die Folgekosten der Nicht-Integration sind sicher höher als Investition in die Bildung. Das würde sich jetzt wirklich lohnen. Seit Juni dieses Jahres nimmt die Anzahl der Arbeitslosen ab. Im August lag die Quote bei 3,6 Prozent, die tiefste Quote seit einem Jahr. Wird dieser Trend anhalten? Nach meinen Zahlen: Leider nicht. Sie wird auf diesem Niveau stagnieren. In der Schweiz sind derzeit rund 25 000 Menschen zwischen 15 und 24 Jahren arbeitslos. Ihnen wurde durch die Annahme der AVIGRevision die Bezugsdauer gekürzt. Was hat das für Konsequenzen? Die Arbeitslosenquote unter Jungen ist hoch und kommt wie folgt zustande: Jugendliche sind häufig arbeitslos, meist aber nur kurz. Ich glaube, die verkürzten Bezugsdauern werden sie kaum treffen. Je jünger man ist, je schneller findet man eine Stelle. Wer hingegen 55 ist, braucht durchschnittlich eineinhalb Jahre, um eine neue Stelle zu finden. Es wäre also noch problematischer gewesen, bei dieser Altersgruppe die Bezugsfrist zu verkürzen. Was empfehlen Sie: Welche Ausbildung soll ein Jugendlicher heute machen, um im Arbeitsmarkt der Zukunft gute Chancen zu haben? Was für eine Fachrichtung man einschlägt, ist weniger wichtig – das Niveau ist entscheidend. Je höher ausgebildet, desto besser. ■

Zur Person: George Sheldon (62), Professor für Arbeitsmarkt- und Industrieökonomie an der Uni Basel, gilt als Spezialist für den Arbeitsmarkt der Schweiz. Der Volkswirt, der aus den USA stammt, ist anfangs der 1970er-Jahre in die Schweiz gekommen und hat 1988 in Basel habilitiert. Bekannt sind insbesondere die von ihm entwickelten Frühindikatoren, welche die Entwicklung der Arbeitslosigkeit vorwegnehmen – und bislang stets bestätigt wurden.

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Ballverrückt auch abseits der offiziellen Spiele: Die Schweizer Nati an der Copacabana.

Strassensport Die Copa an der Copacabana Für sieben Spieler der Surprise Strassensport Liga wurde ein Bubentraum wahr: Sie durften die Schweiz beim achten Homeless World Cup in Brasilien vertreten. Vom 19. bis 26. September erlebten sie Highlights, kamen aber auch an ihre Grenzen. VON OLIVIER JOLIAT (TEXT UND BILDER)

Die Copacabana war das erste, was die Schweizer Nati nach der strapaziösen Anreise aufsuchte. Das Meer interessierte die Spieler weniger als die vielen Beachsoccer Felder. Glücklicherweise endete das Strandgekicke nur für den Coach und den Teammanager mit blauen Zehen und Füssen. Fit und äusserst munter zieht die Nati am nächsten Tag zur Eröffnungszeremonie der Copa do Mundo, wie die WM auf portugisisch genannt wird. Die 55 teilnehmenden Teams treffen dabei erstmals aufeinander: «Die Begegnungen mit anderen Teams und die Entdeckung, wie man sich auch ohne Sprache verständigen kann, finde ich eine grossartige Erfahrung», freut sich Nati-Spieler und Suprise-Verkäufer Markus. «Das macht mich selbst lockerer und lässt mich eher auf andere Menschen zugehen». Im ganzen Jubel und Trubel des Homeless World Cup fällt ihm jedoch auch auf, wie viele Menschen hier in Rio auf der Strasse leben.

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Man braucht nicht einmal in die berühmt berüchtigten Favelas zu gehen. Auch im wohlhabenden Stadtteil Copacabana liegen nachts an jeder Häuserecke schlafende Menschen. Eine Familie nächtigt zeitweilig auf dem Trottoir gegenüber des Hostels, in dem die Schweiz, Deutschland, Österreich und Luxemburg einquartiert sind. Die Eindrücke dieser Metropole sind für ein paar Spieler denn auch ermüdender als die Matches. Erschöpft vom Lärm, der Unruhe und der schwülen Hitze muss etwa Team-Captain Steve für die letzten Spiele der Schweizer passen. Trotzdem ist er zufrieden mit seiner Leistung und der des Teams. «Mir ist es gelungen, am anderen Ende der Welt Nerven zu bewahren. Ich habe hier viele Erfahrungen gemacht, positive wie negative. Aber sogar letztere sind ja nicht schlecht. Wenn man sie verarbeitet, kann man daran wachsen. Hier konnte ich viel für mein weiteres Leben lernen.» Steve ist nicht der einzige, der nach vier Tagen Trainingslager und zwölf Tagen in Rio am Ende seiner Kräfte ist. «Das ist mir alles etwas zu chaotisch hier. Es ist Zeit, nach Hause zu kommen», freut sich TeamSURPRISE 235/10


Senior Christian am Flughafen. «Trotzdem war es ein wunderschöner Abschluss meiner aktiven Spielerkarriere. Nun hoffe ich, die Erfahrung von hier meinem Team als Coach weitergeben zu können». Diese neue Rolle reizt auch Umberto, der nach dem Ausfall von Spielmacher Junior dessen Rolle übernommen hat und auch neben dem Spielfeld zur Führungsfigur avancierte. Von Rio bleibt natürlich der Strand. Mancher schmuggelt eine mit Sand gefüllte Pet-Flasche nach Hause. Es bleiben auch neue Freundschaften, vor allem mit dem deutschen Team. Der Blick der Spieler ist aber, wie es sich für Sportler gehört, bereits auf nächste Saison gerichtet. Und da will man nebst den Turnieren mit dem eigenen Teams auch den nächsten Homeless World Cup in Paris besuchen. Dann allerdings als Fan, denn als Spieler darf man nur einmal teilnehmen. Diesen Traum haben sich die sieben Spieler in Rio erfüllt.

Ziel erreicht Die Vorgabe der Schweizer Nationalmannschaft war klar: Den 38. Platz vom letzten Homeless World Cup zu verbessern. Es wurde eng, am Schluss aber durften die Strassenfussballer jubeln. Dass Teamstütze Eduardo eine Lehrstelle fand und deshalb nicht nach Rio mitkonnte, ist ein grosses Glück für ihn, machte die Aufgabe für die Nati jedoch nicht einfacher. Zu siebt musste der Homeless-Soccer-Zwerg Schweiz nun gegen die grossen Teams antreten. Und mit dem ehemaligen Weltmeister Russland und Top-Team Litauen wurde den Schweizern in der ersten Gruppenphase gleich zwei mächtige Brocken zugelost. Im Auftaktspiel gegen die Litauer waren die Schweizer näher an einer Überraschung, als das Schlussresultat von 2:8 vermuten lässt. Die Niederlage war denn auch schnell weggesteckt und die Auftakt-Nervosität gleich mit. Fast schon souverän war die Leistung der Eidgenossen gegen Griechenland. Stehen Helvetien wie Hellas im Grossfeldfussball für mut- und torloses Defensivgeplänkel, spielten die Steetsoccer-Vertreter an der Copacabana mit offenem Visier. Die Schweizer gewannen den so offen wie fair geführten Schlagabtausch 7:1. Umso ärgerlicher am nächsten Tag die Niederlage gegen die Tschechen. Die Schweiz verlor nicht nur die Partie, sondern auch noch Spieler Junior, der vom Schiedsrichter übertrieben hart mit der blauen Karte für zwei Minuten vom Platz gestellt wurde und nachträglich auch noch rot sah. Die Niederlage konnte die Schweiz gegen Favorit Russland nicht mehr wettmachen. Sie beendete die erste Gruppenphase auf Rang vier und spielte im weiteren Turnierverlauf mit den andern Mannschaften der zweiten Tableau-Hälfte. Die zweite Gruppenphase war ein Wechselbad der Gefühle. Im Penaltyschiessen gegen Ungarn war das Glück auf Schweizer Seite. Gegen Kanada brachte die Schweiz den Ball jedoch trotz unzähliger Chancen selbst im Penaltyschiessen nicht ins Tor. Auch diese Gruppe beendete die Schweiz auf Rang drei und spielte in der abschliessenden K.O.-Runde um den so genannten Community Cup. Nach einem starken Auftaktspiel gegen Kambodscha, das die Schweiz dank dem entscheidenden 6:5 Treffer in letzter Sekunde für sich entschied, verlor sie danach Spiele wie Spieler. Der anstrengende Turniermodus brachte die Schweizer mental und physisch an die Grenzen. So stand der sonst paradengewaltige Torhüter Marcel beim Halbfinal wie erstarrt im Tor. Seine Reflexe schienen im Untergrund der Copacabana versandet. Dass er im letzten Spiel gegen Indien sein Debüt als Feldspieler gab, lag jedoch vor allem daran, dass nur noch zwei Feldspieler einsatzfähig waren. Trotzdem: Die Schweizer haben an der Copacana alles gegeben und mit dem 36. Schlussrang verdient ihr Ziel erreicht: Gratulation! ■ SURPRISE 235/10

Nati-Captain Steve bei der Eröffnungszeremonie.

Griechenland im Angriff, doch die Schweiz gewann 7:1.

Die Resultate Gruppenphase 1: Litauen – Schweiz Griechenland – Schweiz Tschechien – Schweiz Schweiz – Russland

8:2 1:7 7:3 3:9

Phase 2: Schweiz – Finnland Ungarn – Schweiz Neuseeland – Schweiz Schweiz – Kanada

2:7 3:3 (Sieg nach Penaltyschiessen) 1:12 1:1 (Niederlage nach Penaltyschiessen)

Community Cup Viertelfinal Halbfinal Kleiner Final

Schweiz – Kambodscha Argentinien – Schweiz Schweiz – Indien

6:5 9:7 0:7

Gesamtranking: Platz 36

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BILD: GUIDO SÜESS

Wörter von Pörtner Bürokratie light In der Schweiz soll eine Initiative zum Kampf gegen die Bürokratie lanciert werden. So etwas klingt immer gut, ist aber bei näherem Hinsehen nichts weiter als Jammern auf sehr hohem Niveau. Zu diesem Schluss bin ich gekommen, als ich vor einiger Zeit versuchte, mir in Frankreich einen Internetanschluss zuzulegen. In Frankreich braucht man, wenn man Internet-, Telefonanschluss oder ein Handyabo will, ein französisches Bankkonto. Da ich in Spanien, wo ich einst eine Wohnung mieten wollte, vor vielen Jahren einmal eine Filiale des Bankhauses Banesto (wegen Miguel Indurain) betreten und meine 10 000 Peseten deponiert hatte – die unterdessen wahrscheinlich von Gebühren aufgefressen oder zu einem nachrichtenlosen Vermögen geworden sind, da es dann doch nichts wurde mit der Wohnung –,

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versuchte ich dasselbe in Frankreich. Ich wählte die Postbank, da man von dieser aus auch die Steuern per Lastschriftverfahren bezahlen kann. Könnte. Der erste Versuch schlug fehl, da ein Ausweis nicht genügt, die letzte Steuerrechnung muss auch mitgebracht werden. Nun gut, dachte ich, Frankreich ist nahe und so fuhr ich bei meinen nächsten Ausflug nach Basel gleich bis Mulhouse weiter, ausgerüstet mit allen Unterlagen. Konten kann man aber nur in dem Departement eröffnen, in dem man Steuern bezahlt. In den nächsten Ferien klappte es dann und wenig später war ich im Besitz des ominösen R.I.P., eine Art Zahlencode, der nachweist, dass man ein Konto hat. Frohgemut lasse ich mich beim Internetprovider über die verschiedenen Angebote informieren, wähle aus und will bezahlen. Doch halt, zum R.I.P. braucht es auch noch einen Check, denn man kann nur über das französische Konto bezahlen. Checks hatte ich bestellt, sie wurden aber, wie ich später rekonstruieren kann, an die französische Adresse geschickt, eingeschrieben. Dort war halt niemand, also gingen sie wieder zurück. Ich mache mich auf zur Post, wo ich an drei verschiedenen Schaltern rund eineinhalb Stunden anstehe, um dann jedesmal weitergeschickt zu werden. Am Schluss wäre ich wieder bei der netten Dame, die mich auf meine Odyssee geschickt hat, aber die hat jetzt Feier-

abend. Ihre Kollegin hört sich mein Problem an, verspricht, sich darum zu kümmern. Ob ich ein Telefon habe? Nein, das geht ja eben nicht ohne die Checks. Ach ja, stimmt. Aber es gibt ja noch das Internet, über den teuren Schweizer Provider kann ich mein französisches Konto einsehen. Als Korrespondenzadresse ist der Schweizer Wohnsitz aufgeführt, trotzdem erreichen mich die Checks nie, im Gegensatz zur Bankkarte. Doch mindestens die Stromrechnung, die ich bisher per Kreditkarte übers Internet bezahlte, weil man Strom und Wasser übers Internet bezahlen kann, nicht aber das Internet, könnte ich jetzt mit meinem R.I.P endlich automatisieren. Doch dieser sei ungültig, vermeldet das System. Bei der Postbank kann man als Kunde keine Fragen stellen oder Beschwerden anbringen, man muss sich anmelden und wird dann angerufen. Wenn man eine französische Telefonnummer hat. Nach diesen Erfahrungen habe ich mir in der Schweiz alle möglichen Handy-, Internetund Fernsehangebote aufschwatzen lassen, nur weil es so schön ist, dass es funktioniert. Bürokratie geht anders.

STEPHAN PÖRTNER (STPOERTNER@LYCOS.COM) ILLUSTRATION: MILENA SCHÄRER (MILENA.SCHAERER@GMX.CH) SURPRISE 235/10


Theater Das stumme Wortspiel Sie sprechen zwar nicht, sagen aber trotzdem viel aus: Ohne Rolf. Das Luzerner Duo, das sich im Graubereich zwischen Theater, Kleinkunst und Comedy bewegt, kommuniziert ausschliesslich mit betexteten Plakaten. Eine ebenso absurde wie witzige Angelegenheit.

Vater werden ist nicht schwer, Namensgebung hingegen sehr. In seinem zweiten abendfüllenden Stück «Schreibhals» bekommt das Duo Ohne Rolf Nachwuchs. Und wird sich vorerst nicht einig, welcher Name denn der passende für den Buben ist. Wie seine beiden Väter kann auch der (Puppen-)Sohnemann nicht sprechen und dennoch kommunizieren. Mit Plakaten. Insgesamt 617 an der Zahl. Der Kleine benutzt DIN-A4, die Ausgewachsenen A1. Wenn sich Jonas Anderhub und Christof Wolfisberg auf der Bühne stumm und mit Plakaten in Arial-Schrift austauschen, herrscht ein eifriges Blättern. Mal gehörig schnell, mal aufreizend langsam. Es entstehen gut getimte, stille Dialoge, die mittels Grossbuchstabendramatik durchaus auch gehörig laut werden können. «Weil wir keine Stimmen haben, ist unser ganzes Leben vorgedruckt», lassen die beiden Figuren ihr Publikum etwa lesen. Die beiden Innerschweizer sind Anhänger des Absurden, sie mögen Comics und Buster Keaton. Von dessen Stummfilmen hätten sie sich jedoch nicht inspirieren lassen, wie sie betonen. Eher schon von Comics. «Wie diese lassen auch wir auf Mimik einen Text folgen», sagt Wolfisberg. Kennengelernt haben sich die zwei bei einem Bier in Luzern. Aus dem Zufallstreffen im Jahre 1998 entstand die Idee zur Zusammenarbeit. Die Form hingegen, die war ihnen damals noch unklar. Erst dachten die beiden Absolventen des Lehrerseminars gar an Zaubertricks, denn sowohl Wolfisberg als auch Anderhub schlugen sich während einiger Jahre als Zauberer auf Galas und Firmenanlässen durchs Leben. Die Idee wurde alsbald verworfen, und langsam, aber sicher schwante ihnen, wohin ihr Weg sie führen könnte. «Uns störte, dass man scheinbar laut sein muss, um auf sich aufmerksam zu machen», sagt Wolfisberg. Sie wählten den Gegenentwurf. Und stellten sich in Bern auf die Strasse, bewaffnet mit in Sichtmäppchen steckenden A4-Blättern, auf denen zu lesen war, dass es hier SURPRISE 235/10

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VON MICHAEL GASSER

Ohne Rolf können ganz schön laut werden.

nichts zu sehen gibt. Was die Menschen stehen bleiben liess, sie neugierig machte. «Wir waren geradezu baff, wie gut das klappte», erinnert sich Wolfisberg. Die eigentliche Initialzündung sei aber ihr Auftritt an der Expo.02 gewesen, meint Anderhub. Dennoch dauerte es nochmals drei Jahre, bis das erste Stück, «Blattrand», bühnenreif war. Das Suchen und Finden der passenden Form forderte seine Zeit. Ihre erste gemeinsame Anschaffung sei ein Plotter gewesen, sagt Anderhub. Das Zusammenkleben der Wörter und das Fotokopieren war ihnen zu aufwendig geworden. Es folgten Computer und Lochmaschine. «Auch brauchte es einige Jahre, bis wir realisierten, dass wir auf der Bühne ja mit Plakaten kommunizieren können», sagt Wolfisberg. In einem «Tryout» testeten die beiden 34Jährigen ihr erstes Stück «Blattrand» zunächst vor Freunden und Kollegen aus der Kleinkunst-Szene. Was sehr wertvoll gewesen sei. «Wir hatten damals noch nicht mal einen Schluss», entsinnt sich Anderhub. Mit der

überarbeiteten Version, die sie bis heute spielen, nahm die Erfolgsgeschichte für Ohne Rolf und ihren Regisseur Dominique Müller ihren Anfang. Gleichwohl sind sich Anderhub und Wolfisberg bis heute häufig alles andere als einig, wie etwas angepackt werden soll. «Wir sind eben zwei sehr unterschiedliche Charaktere», betonen beide. Aber sie ziehen stets am selben Strick. So wie sie das auch ihren Figuren zugestehen. «Wir scheuen uns aber, unseren Bühnenfiguren fixe Charaktere zuzuschreiben, wir wollen ihnen unbedingt ein Eigenleben lassen», sagt Wolfisberg mit Nachdruck. Was mit ein Grund dafür ist, weshalb Ohne Rolf auch nicht verraten können, wie genau sich ihr drittes Plakat-Stück präsentieren wird. Doch es kommt, im April 2012. Worauf man sich jetzt schon freuen darf. ■ Nächste Auftritte (mit dem ersten Stück «Blattrand»): Do, 28. Oktober, 20 Uhr, Theater Duo Fischbach, Küssnacht. Sa, 30. Oktober, 20 Uhr, Mehrzweckhalle, Sulgen. www.ohnerolf.ch

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Kulturtipps

Malbuch für Erwachsene: Verkürzt jedes Telefongespräch.

Buch Totgequatscht und freigekritzelt Endlosanrufe und nervtötende Musikwarteschleifen – wenn das Ohr glüht und Langeweile sich breit macht, entführt das Telefon Kritzel-Buch ins Reich der Fantasie. VON CHRISTOPHER ZIMMER

Wer erinnert sich nicht? Das Phänomen des Wartens begann bei den meisten als Kinderkrankheit. Und mit dieser die Symptome Geduldsprobe und Langeweile. Im Wartezimmer mit der chronischen Verspätungsschlange, auf viel zu langen Auto- und Zugfahrten, oder wenn einfach niemand, niemand Zeit für einen hatte. Doch da gab es früh schon einen treuen Freund und Helfer: Ausmalbücher. Unvollständige Bilderlandschaften im Reich von Globi und Co., die Hand und Stift zu grossen Taten verführten, erst über alle Striche und Grenzen hinaus, dann immer genauer Flächen mit Farben füllend und Linien zum Enträtseln von Geheimnissen vollendend. Manches ist mit den Jahren gleich geblieben. Das Warten gehört dazu, füllt noch immer das Marschgepäck des Alltagstrotts, strapaziert die Geduld und lässt die Langeweile gähnen. Auch und selbst im Zeitalter von Beschleunigung und unbegrenzter Kommunikation. Und just hier meldet sich ein alter Bekannter und ewiger Spitzenreiter totgequatschter Zeit wieder: das Telefon. Sei es die Tante, die in Sachen Wehwehchen und Zipperlein von begnadetem Erfindungsreichtum ist, oder der Freund, für den man als Stichwortgeber seiner Monologe herhalten muss, oder das nette Fräulein vom Umfrageinstitut, die einen mit süsser Stimme für nur fünf Minuten einfängt und dann eine geschlagene halbe Stunde am Wickel hat … Man ertrinkt in der Endlosigkeit und, tja, beginnt wie früher zu kritzeln. Meist sind das Kringel, Verschachteltes oder Strichmännchen. Eigentlich läge sogar mehr drin, aber wie soll das blühen, wenn man in Grund und Boden geredet wird? Hier kommt das Telefon Kritzel-Buch wie gerufen. 200 Vorlagen mit viel Freiraum für die Carte blanche der Fantasie, die zum Aus- und Weitermalen einladen. Ein witziger und ideenstrotzender Bilderfundus, ein Rezeptbuch gegen Langeweile, kurzum, ein Tummelplatz, auf dem die Seele, während das Ohr am Hörer ertaubt, die Luftballons der Fantasie steigen lässt. Andrew Pinder: Das Telefon Kritzel-Buch. Nie mehr Langeweile beim Telefonieren. Knesebeck 2010. CHF 17.50.

Bilder aus dem Bosnienkrieg: Joe Sacco zeichnet Zeitgeschichte.

Comic Markenjeans im Bombenhagel Der Journalist Joe Sacco hat das Medium Comic gewählt, um den Alltag von Menschen im Krieg zu zeigen. VON MICHEL ECKLIN

Niemand erinnert sich gerne an die Kriege in Ex-Jugoslawien. Namen wie Mostar, Srebrenica, Banja Luka und Sarajevo rufen böse Erinnerungen wach, an ethnische Säuberungen, Massenvergewaltigungen, Flüchtlingstrecks und an das Versagen der internationalen Gemeinschaft. Mit seinem schlicht «Bosnien» genannten Comic nimmt Joe Sacco seine Leser zurück ins Jahr 1995. Während eines wackligen Waffenstillstands, aber noch vor dem Friedensabkommen ging der Amerikaner ins ostbosnische Goražde. In der ursprünglich ethnisch gemischten Enklave hatten Muslime über drei Jahre lang ausgeharrt, fast ohne internationale Hilfe. Joe Sacco gewann rasch viele bosnische Freunde. Mit ihnen verrauchte er ganze Nächte – denn Zigaretten waren im Krieg einfacher aufzutreiben als Lebensmittel. So brachte er gewöhnliche Menschen dazu, den Krieg aus ihrer Perspektive zu erzählen: Wie ehemalige Schulfreunde einander die Häuser abfackelten, wie unter Todesgefahr jenseits der Front Lebensmittel aufgetrieben wurden, wie ideenreich Strom produziert wurde. Sacco erzählt aber auch Amüsantes, etwa wenn sich Teenies im Kreuzfeuer der Heckenschützen nichts sehnlicher wünschen als Levis-Jeans (und zwar unbedingt «Made in USA»). Und als sich endlich Frieden abzeichnete, sprühten die Goražder vor Zukunftshoffnungen. Der gebürtige Malteser Joe Sacco hatte bereits 1991 mit Reportagen aus Palästina den journalistischen Comic erfunden. Mit «Bosnien» zeigt er ein zweites Mal, wie selbstverständlich er dieses unübliche Stilmittel beherrscht. In realistischen Schwarz-Weiss-Zeichnungen dramatisiert er nicht, sondern ruft detailreich in Erinnerung, dass da irgendwo zwischen Panzern, Medien und Politikern auch noch Menschen waren. Der Comic erhebt ausdrücklich nicht den Anspruch, den Krieg erklären zu wollen. Stattdessen wirft er eine gewollt subjektive Sicht auf ein nur allzu gern verdrängtes, unangenehmes Stück Geschichte. Die sorgfältig übersetzte Ausgabe der Zürcher Edition Moderne ist eine Art europäische Vergangenheitsbewältigung. Joe Sacco: «Bosnien». Edition Moderne, 234 Seiten, CHF 36.–. ISBN 978-3-03731-069-4

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Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.

Drei Freunde sitzen in der Patsche. Es könnte schlimmer sein.

Kino Die Stadt der Liebe Eigentlich will Kai seine Liebste in Paris besuchen. Doch ehe er abfliegt, wird er in seiner Heimatstadt Taipeh in absurde Machenschaften verwickelt. Das ist bald alles sehr komisch. VON FABIENNE SCHMUKI

Taipeh, die Hauptstadt Taiwans, beherbergt scheinbar viele einsame Herzen. Ob der vielen fehlenden, unerwiderten und verlorengegangenen Liebe hätte «Au revoir Taipei» ein Drama werden können, doch dies schien nicht im Sinne des Filmemacherteams Chen/Wenders. Vielmehr erzählen sie die Geschichte von Kai, der sich selber mit Ach und Krach französisch beibringt, um bald seine Freundin im fernen Paris damit zu beeindrucken. Doch in der Nacht bevor er dem Glück entgegenfliegen kann, wird Kai plötzlich zur Hauptfigur in einem dilettantischen Verbrechen, wobei man nie ganz genau weiss, welcher der halbstarken Gauner im orangefarbenen Anzug nun eigentlich der Dümmste ist. Dumm ist Susie bestimmt nicht. Die smarte und furchtlose Freundin, die sich an Kais Seite durch das dunkle Taipeh bewegt und mit ihrer lakonischen Redeweise bald dessen Herz für sich gewinnen kann, besetzt die einzige weibliche Hauptrolle im Film hervorragend. Die Männer scheinen in ihrem Liebeskummer alle etwas neben den Schuhen: Nicht nur Oberganove Bruder Bao und dessen tuntiger Neffe Hong werden stark überzeichnet dargestellt, auch Kais bester Freund und die tolpatschigen Polizisten, alle mit der Liebe hadernd, werden so manchem Klischee gerecht – dennoch bleibt «Au revoir Taipei» bis zum Ende ein liebevoller und absurd-komischer Film um die Liebe und den damit verbundenen Schmerz. Arvin Chen ist Amerikaner, doch seine Wurzeln liegen in Taipeh. Bereits 2006 durfte der damals 28-Jährige einen Erfolg verzeichnen: Sein Kurzfilm «Mei» gewann den Silbernen Bären in Berlin. Für «Au Revoir Taipei» konnte er den renommierten Filmemacher Wim Wenders ins Produzententeam holen. Gemeinsam ist ihnen eine Hommage an Taipeh gelungen. Obschon der Film durchgehend nachts spielt, sind das pulsierende Leben, die Essgewohnheiten, die Gepflogenheiten im Umgang mit dem anderen Geschlecht immer wieder sicht- und spürbar und zeichnen ein wunderschönes Bild einer Stadt, in der alle auf der Suche nach der Liebe sind, obschon die Liebe bereits da ist, in Taipehs Strassen und in Taipehs Mauern. Und Paris ist am Ende gar nicht mehr wichtig.

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Thommen ASIC-Design, Zürich

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Coop Genossenschaft, Basel

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AnyWeb AG, Zürich

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Velo-Oase Bestgen, Baar

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Schweizerisches Tropen- und Public HealthInstitut, Basel

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Niederer, Kraft & Frey, Zürich

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Stoll Immobilientreuhand AG, Winterthur

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Kaiser Software GmbH, Bern

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Responsability Social Investments AG, Zürich

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chefs on fire GmbH, Basel

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Ingenieurbüro BEVBE, Bonstetten

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Gemeinnütziger Frauenverein Nidau

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VXL gestaltung und werbung ag, Binningen

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Scherrer & Partner GmbH, Basel

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TYDAC AG, Bern

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KIBAG Strassen- und Tiefbau

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OTTO’S AG, Sursee

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Klinik Sonnenhalde AG, Riehen

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Canoo Engineering AG, Basel

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Lehner + Tomaselli AG, Zunzgen

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fast4meter, storytelling, Bern

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Brother (Schweiz) AG, Baden

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Druckerei Hürzeler AG, Regensdorf

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IBZ Industrie AG, Adliswil

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Zeix AG, Zürich

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Strassenmagazin Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

Au revoir Taipei (2010), 85 Min., Mandarin/Taiwanesisch mit deutschen und französischen Untertiteln. Ab 21. Oktober 2010 in den Deutschschweizer Kinos (ab 14. Oktober im Lunchkino in Zürich). SURPRISE 235/10

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Ausgehtipps Basel Heiss und hungrig Das ist mal Service: In der a capella-Rap-Serie «Re:Quest» kann das Publikum unmittelbar nach dem Auftritt der Schnellsprecher Fragen zum Text stellen. Klingt zwar jetzt ein bisschen blöd, aber ehrlich – wie oft verstehen Sie alles in einem Rap-Text? Eben. Möglicherweise hat man akustisch alles verstanden, nur möchte man den Inhalt mit dem Verfasser des Textes diskutieren oder sich ihn erklären lassen. Auch das ist möglich an diesem Anlass. Damit nicht alle wirr durcheinander reden, wird das Ganze von zwei alten Hasen im Rap-Geschäft moderiert: Die Basler Black Tiger und Pyro! geleiten durch den Abend, der unter dem Motto «Heiss und hungrig Special» steht: Verschiedene Rapper tragen ihre Texte a capella und unterstützt von einem Beamer vor. (juk) Re:Quest, Freitag, 15. Oktober, 20 Uhr (Türöffnung Nachhilfelehrer in Sachen Rap: Black Tiger und Pyro!.

19 Uhr), Kulturpavillon, Basel.

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Die Stimme der Sprachlosen: Tom Liwa.

Basel/Zürich Uneindeutige Lieder «Man stellt quasi eine Stimme für die Sprachlosen dar.» So beschreibt Tom Liwa Funktion und Verantwortung eines Songschreibers. Oder geht es doch eher um Liedermacherei? Der 49jährige Duisburger reiht sich immer mehr ein in die Tradition von Degenhart, Reiser und Distelmeyer – auch wenn er in seinen Anfängen mit der Band Flowerpornoes aus Gründen der Abgrenzung auf Englisch sang. Mittlerweile hat sich Liwa auch als Solokünstler etabliert, der ganz allein mit seiner Klampfe auf der Bühne steht. Dabei tritt er nicht, wie das Eingangszitat nahelegen könnte, als Politprediger auf, denn dafür sind seine Texte zu eigenwillig und zu wenig eindeutig. Deshalb verharrt das Publikum aufmerksam und in gespannter Ruhe, was der Künstler zu schätzen weiss: «Das Schönste im Konzert ist: Wann hält heute überhaupt noch mal jemand anderthalb Stunden am Stück die Schnauze?» (ash) 15. Oktober, 20.30 Uhr, Parterre, Basel; 17. Oktober, 20.20 Uhr, El Lokal, Zürich.

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Di – So 10 – 17 h www.hmb.ch 26

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Der 17. Oktober erinnert daran, dass längst nicht alle Portemonnaies gut gefüllt sind.

Zürich Armut diskutieren Am 17. Oktober erinnert der Internationale Tag gegen Armut und Ausgrenzung daran, dass auch bei uns in der Schweiz nicht alle auf Rosen gebettet sind. Die IG-Sozialhilfe, die schweizweit tätig ist, lädt zur Diskussionsveranstaltung mit Workshops und Filmvorführungen ein. Im Vordergrund stehen Themen wie Missstände in der Sozialhilfe und Wohnungsnot. Ausserdem wird es eine Vorschau auf die erste nationale Armutskonferenz geben, die am 9. November in Bern über die Bühne geht. (juk) Internationaler Tag gegen Armut & Ausgrenzung, Sonntag, 17. Oktober, Diskussionsveranstaltung der IG Sozialhilfe, Beginn: 15.30 Uhr, Ende: 21.30 Uhr, Gemeinschaftszentrum Riesbach, Zürich.

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Das Herz von Jenin schlägt im Körper des Feindes.

Bern Muslime im Kino Was wird derzeit gejammert und gelästert über das Verhältnis zwischen Einheimischen und muslimischen Einwanderern. Und wie so oft: Statt mit-, wird übereinander geredet. Eine Möglichkeit zur Begegnung schafft nun der nach der Anti-Minarett-Abstimmung gegründete Verein tuos im Verbund mit den Berner Programmkinos: Noch bis Ende Monat präsentieren sie unter dem Titel «Label: Muslim/a» eine Reihe mit rund 40 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilmen von und mit Muslimen. Unter anderem ist «Das Herz von Jenin» zu sehen, die wahre Geschichte von Ismael Khatib, dessen Sohn im Flüchtlingslager von israelischen Soldaten erschossen wurde. Die Organe seines toten Kindes liess Khatib israelischen Kindern spenden, die er zwei Jahre später besuchte. Gelegenheit zu niederschwelligen Kontakten zwischen den Kulturen bietet auch eine Reihe von Rahmenveranstaltungen rund ums Filmprogramm. (ash) Filmreihe: «Label Muslim/a», noch bis 31. Oktober, Bern. www.dasanderekino.ch, www.tuos.ch

— www.theater-basel.ch, Tel. +41/(0)61-295 11 33 — SURPRISE 235/10

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Surprise-Hochzeit «Ich möchte alles noch mal erleben» Lara (19) und Miklos Lakatosch (20) haben im September geheiratet. Die Schweizerin und der Roma aus Serbien wussten von Anfang an, dass ihre Beziehung nicht einfach wird. Doch die Liebe war stärker. BILD: ZVG

VON SARA WIEDERKEHR GONZÁLEZ

«Ich stamme aus einer serbischen Roma-Familie. Als ich sechsjährig war, sind wir nach Berlin gezogen. Dort besuchte ich sieben Jahre die Schule, das war für mich die Normalität. Doch dann gingen wir aus familiären Gründen zurück nach Serbien. Die nächsten zwei Jahre fand ich sehr anstrengend: Die Sprache war ungewohnt und in der Schule musste ich alles von neuem lernen. Später sind wir in die Schweiz gezogen. Und hier habe ich Lara kennengelernt. Das war vor einem Jahr und vier Monaten. Miklos hat im SurpriseBüro in Basel gearbeitet. Dort haben wir uns getroffen, als ich bei der Planung eines Auftritts des Surprise-Chors mithalf. Sie stellt sich vor, und ich denke so: O mein Gott, wie schön sie ist. So war es doch, oder Lara? Am selben Tag gingen wir zum Mittagessen mit einer Kollegin und so haben wir uns kennengelernt. Wir haben geredet, und nachdem wir uns im Büro ein paar Mal wieder getroffen haben, haben wir uns in der Stadt verabredet. Dann die Nummern getauscht, und so sind wir uns nähergekommen. Schon bald hat mich ihre Mutter zum Kaffee eingeladen und uns klargemacht, dass unsere Verbindung keine einfache sein würde. So war es dann auch: Zusammen mit meiner Familie musste ich ausreisen. Von da an reiste ich zwischen der Schweiz und Serbien hin und her. Seine Familie und er leben in einer kleinen Stadt namens Kikinda. Die Stimmung dort ist sehr angenehm, auch wenn es offensichtlich ist, dass es die Menschen dort schwerer haben als in der Schweiz. Beim ersten Besuch erlebte ich schon eine Art Kulturschock. Die Roma haben ihre eigenen Regeln und Verhaltenskodexe, das war ich nicht gewohnt. Am Anfang habe ich auch kein Wort verstanden, mittlerweile spreche ich ein wenig Romanes. Ich würde gern mehr verstehen, aber dafür brauche ich noch Zeit. Lara gibt sich Mühe, macht alles mit mir durch, ohne Wenn und Aber. Das finde ich toll und schätze es sehr. Denn das würde nicht jede mitmachen. Ich bin der einzige Roma, den ich kenne, der mit einer Schweizerin verheiratet ist. Seine Eltern lernte ich bereits in der Schweiz kennen. Bei ihnen fühlte ich mich sofort wohl und wurde auch sehr herzlich aufgenommen. In Serbien musste ich mich zuerst an die andere Kultur seiner Familie gewöhnen. Mittlerweile habe ich mich dort gut eingelebt. Unsere Beziehung ist sehr intensiv. Und abwechslungsreich. Wir sind ja auch die ganze Zeit zusammen, 24 Stunden am Tag. Wir wollen zusammenbleiben, deshalb haben wir geheiratet. Und zwar in Kikinda, zwei Tage lang mit vielen Freunden und Verwandten. Es war sehr schön und sehr anstrengend. Die letzten zwei Wochen vor der

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Hochzeit waren total stressig. Ich habe mir viel zu viele Sorgen gemacht, es könnte etwas schiefgehen. Nach der Trauung fühlte ich mich froh und erleichtert. Und ich war sehr glücklich, dass auch meine Familie dabei war! Es war eine wunderschöne Feier, sehr familiär und sehr emotional. Es ging alles so schnell vorüber – wenn ich könnte, würde ich die Zeit zurückdrehen, um alles noch mal erleben zu können. Mittlerweile haben wir in Basel eine Wohnung gefunden. Nun werden wir in der Schweiz wohnen. Ich freue mich darauf, die Wohnung einzurichten und einfach schön zu leben. Erst einmal möchte ich nach der ganzen Aufregung zur Ruhe kommen. Dann Arbeit finden und den Alltag geniessen, ich liebe den Alltag. Ich hoffe, einen guten Ausbildungsplatz zu finden. Das ist mein Wunsch für die Zukunft. Und dass wir gesund bleiben.» ■ SURPRISE 235/10


Eine Chance für alle! Werden Sie Surprise-Götti oder -Gotte ber. Das verdient Respekt und Unterstützung. Regelmässige Verkaufende werden von Surprise-Sozialarbeiterinnen betreut, individuell begleitet und gezielt gefördert. Dazu gehört auch, dass sie von Surprise nach bestandener Probezeit einen ordentlichen Arbeitsvertrag erhalten. Mit der festen Anstellung übernehmen die Surprise-Verkaufenden mehr Verantwortung; eine wesentliche Voraussetzung dafür, wieder fit für die Welt und den Arbeitsmarkt zu werden.

Starverkäufer BILD: ZVG

Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten als andere. Menschen, die sich aber wieder aufgerappelt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt Struktur und wieder einen Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Die Surprise-Strassenverkäuferinnen und -verkäufer helfen sich sel-

Als Götti oder Gotte ermöglichen Sie einer Strassenverkäuferin oder einem -verkäufer eine betreute Anstellung bei Surprise und damit die Chance zur Rückkehr in ein selbstbestimmtes Leben.

Silvia Brimah aus Liebefeld nominiert Abraham Sebhatu als Starverkäufer: «Herr Sebhatu verkauft das Strassenmagazin vor dem Steinhölzli-Coop im Liebefeld. Er ist stets sehr gut gelaunt und freundlich. Auch mit Kindern kann er sehr gut umgehen! Er ist mein Starverkäufer.» Wolfgang Kreibich Basel

Jela Veraguth Zürich

Marika Jonuzi Basel

René Senn Zürich

Ausserdem im Förderprogramm SurPlus: Tatjana Georgievska, Basel Peter Hässig, Basel Fatima Keranovic, Baselland Andreas Ammann, Bern Jovanka Rogger, Zürich Kurt Brügger, Basel

Marlise Haas, Basel Bob Ekoevi Koulekpato, Basel Peter Gamma, Basel Anja Uehlinger, Baden Marlies Dietiker, Olten

Nominieren Sie Ihren Starverkäufer! Schreiben Sie uns mit einer kurzen Begründung, welchen Verkäufer Sie an dieser Stelle sehen möchten: Strassenmagazin Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41+61 564 90 99, redaktion@strassenmagazin.ch

Ja, ich werde Götti/Gotte von: 1 Jahr: 8000 Franken

1/2 Jahr: 4000 Franken

1/4 Jahr: 2000 Franken

Vorname, Name

Telefon

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PLZ, Ort

Datum, Unterschrift

1 Monat: 700 Franken

235/10 Talon bitte senden oder faxen an: Strassenmagazin Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@strassenmagazin.ch, PC-Konto 12-551455-3 SURPRISE 235/10

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Surprise ist: Hilfe zur Selbsthilfe Surprise hilft seit 1997 Menschen in sozialen Schwierigkeiten. Mit Programmen in den Bereichen Beschäftigung, Sport und Kultur fördert Surprise die soziale Selbständigkeit. Surprise hilft bei der Integration in den Arbeitsmarkt, bei der Klärung der Wohnsituation, bei den ersten Schritten raus aus der Schuldenfalle und entlastet so die Schweizer Sozialwerke.

Ich möchte Surprise abonnieren! 24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.) Gönner-Abo für CHF 260.–

Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht von Armut und sozialer Benachteiligung betroffenen Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit für ihre Anliegen. Surprise beteiligt sich am Wandel der Gesellschaft und bezieht Stellung für soziale Gerechtigkeit. Strassenmagazin und Strassenverkauf Surprise gibt das vierzehntäglich erscheinende Strassenmagazin Surprise heraus. Dieses wird von einer professionellen Redaktion produziert, die auf ein Netz von qualifizierten Berufsjournalistinnen, Fotografen und Illustratorinnen zählen kann. Das Magazin wird fast ausschliesslich auf der Strasse verkauft. Rund dreihundert Menschen in der deutschen Schweiz, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten damit eine Tagesstruktur, verdienen eigenes Geld und gewinnen neues Selbstvertrauen.

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Herausgeber Strassenmagazin Surprise GmbH, Postfach, 4003 Basel, www.strassenmagazin.ch Geschäftsführung T +41 61 564 90 63 Fred Lauener, Agnes Weidkuhn (Assistenz GF) Öffnungszeiten Sekretariat Mo–Do 9–12 Uhr, T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 info@strassenmagazin.ch Redaktion T +41 61 564 90 70 Reto Aschwanden (verantwortlich), Julia Konstantinidis, Mena Kost, Thomas Oehler (Sekretariat) redaktion@strassenmagazin.ch Freie Mitarbeit Michel Ecklin, Andrea Ganz, Michael Gasser, Lucian Hunziker, Olivier Joliat, Miriam Künzli, Yvonne Kunz, Stephan Pörtner, Milena Schärrer, Priska Wenger, Isabella Seemann, Sara Wiederkehr González, Christopher Zimmer Korrektorat Alexander Jungo Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 29 400, Abonnemente CHF 189.–, 24 Ex./Jahr Anzeigenverkauf T +41 76 325 10 60 anzeigen@strassenmagazin.ch

Sport und Kultur Surprise fördert die Integration auch mit Sport. In der Surprise Strassenfussball-Liga trainieren und spielen Teams aus der ganzen deutschen Schweiz regelmässig Fussball und kämpfen um den Schweizermeister-Titel sowie um die Teilnahme an den Weltmeisterschaften für sozial benachteiligte Menschen. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Chor. Gemeinsames Singen und öffentliche Auftritte ermöglichen Kontakte, Glücksmomente und Erfolgserlebnisse für Menschen, denen der gesellschaftliche Anschluss sonst erschwert ist. Finanzierung, Organisation und internationale Vernetzung Surprise ist unabhängig und erhält keine staatlichen Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle anderen Angebote wie die Betreuung der Verkaufenden, die Sportund Kulturprogramme ist Surprise auf Spenden, auf Sponsoren und Zuwendungen von Stiftungen angewiesen. Surprise ist eine nicht gewinnorientierte soziale Institution. Die Geschäfte werden von der Strassenmagazin Surprise GmbH geführt, die vom gemeinnützigen Verein Strassenmagazin Surprise kontrolliert wird. Surprise ist führendes Mitglied des Internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP) mit Sitz in Glasgow, Schottland. Derzeit gehören dem Verband über 100 Strassenzeitungen in 40 Ländern an.

Marketing T +41 61 564 90 61 Theres Burgdorfer Vertrieb T +41 61 564 90 81 Smadah Lévy (Leitung) Vertrieb Zürich T +41 44 242 72 11 Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, Mobile +41 79 636 46 12 r.bommer@strassenmagazin.ch Vertrieb Bern T +41 31 332 53 93 Alfred Maurer, Pappelweg 21, 3013 Bern, Mobile +41 79 389 78 02 a.maurer@strassenmagazin.ch Betreuung und Förderung T +41 61 564 90 51 Rita Erni Chor/Kultur T +41 61 564 90 40 Paloma Selma Strassensport T +41 61 564 90 10 Lavinia Biert Trägerverein Strassenmagazin Surprise Präsident: Carlo Knöpfel Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird von der Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt. Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen. SURPRISE 235/10


Der Sonne entgegen.

Dazu passend: Sommerlich leichtes T-Shirt, 100% Baumwolle, für Gross und Klein.

Grosses Strandtuch 100 x 180 cm aus sehr langlebigem Zwirngarn, 100% handgepflückte Baumwolle. Mit Surprise-Logo eingewebt und von A bis Z in der Schweiz hergestellt. Vorder- und Rückseite verschiedenfarbig: vorne kühles Aquablau, hinten heisses Rot.

Herren CHF 25.– S M

L

XL

Damen CHF 25.– M CHF 20.– XS S (auch für Kinder) Alle Preise exkl. Versandkosten.

Strandtuch (100 x 180 cm) CHF 65.–

50 Prozent des Verkaufspreises kommt Surprise zugute.

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Datum, Unterschrift 235/10

*gemäss Basic 2008-2. Seite bitteMACH heraustrennen und schicken oder faxen an: Strassenmagazin Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@strassenmagazin.ch

Ist gut. Kaufen! Wer etwas verkauft, braucht Geld. Schlichte Wahrheit – gute Sache. Denn 50 Prozent des Verkaufspreises kommt Surprise zugute. Alle Preise exkl. Versandkosten.

Surprise Zeitungs-Taschen (34 x 36 cm); CHF 37.50 neon-orange schwarz

Surprise City-Taschen (24,5 x 35,5 cm); CHF 40.– rot blau schwarz

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Datum, Unterschrift

Surprise Rucksäcke (32 x 40 cm); CHF 89.– schwarz rot

235/10

*gemäss Basic 2008-2. Seite bitteMACH heraustrennen und schicken oder faxen an: Strassenmagazin Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@strassenmagazin.ch


Hier könnte Ihre Werbung stehen. Werfen Sie Ihr Werbegeld nicht auf die Strasse. Investieren Sie es dort. Surprise erreicht 144 000 Leserinnen und Leser. Und das in den grössten Städten und Agglomerationen der Deutschschweiz.* Denn dort stehen die 380 Surprise-Verkaufenden für Sie auf der Strasse. Tagtäglich. Ganze 80 Prozent der überdurchschnittlich verdienenden und ausgebildeten Käuferinnen und Käufer lesen die gesamte Ausgabe oder zumindest mehr als die Hälfte aller Artikel. Das Strassenmagazin steht für soziale Verantwortung und gelebte Integration. Mit Ihrem Inserat zeigen Sie Engagement und erzielen eine nachhaltige Wirkung. Anzeigenverkauf, T +41 76 325 10 60, anzeigen@strassenmagazin.ch

*gemäss MACH Basic 2010-1.


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