Skihäsli ahoi! Die Jagdsaison beginnt
Integration durch Bildung – auf Schulbesuch in der Baracke
Der Bürokrat als Mensch: der Zürcher Stadtarzt Wettstein im Gespräch
Nr. 238 | 19. November bis 2. Dezember 2010 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.
Macht stark.
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10 Medizin Von Mitmensch zu Mitmensch BILD: ANDREA GANZ
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Inhalt Editorial Der Faktor Mensch Leserbriefe Zynischer Müll Basteln für eine bessere Welt Wischen statt blasen Aufgelesen Fleisch macht hungrig Zugerichtet Der Schatz vom Bürkliplatz Hausmitteilung Wechsel in der Chefetage Porträt Die Wissensdurstige Integration durch Bildung Zu Besuch in der Autonomen Schule Le mot noir Da hilft nur Bloody Mary Kultur Kunst im Warenhaus Kulturtipps Theater in der Beiz Ausgehtipps Spielzeug Schauffelbagger Verkäuferporträt «Eine wunderbare Hochzeit» Projekt Surplus Chance für alle! Starverkäufer In eigener Sache Impressum INSP
Albert Wettstein ist seit 27 Jahren Stadtarzt von Zürich. Er kämpfte an vorderster Front gegen Aids und die Verelendung der Drogensüchtigen auf dem Platzspitz. Bis heute absolviert er pro Jahr 120 Hausbesuche bei Randständigen und Senioren. Ein Gespräch über Medizin, die für alle da sein soll, fürsorgliche Autorität gegenüber Patienten und die Notwendigkeit unbürokratischen Handelns.
13 Partnersuche Skilehrer im Jagdfieber BILD: ISTOCKPHOTO
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Kurz nach den ersten Schneefällen bringt die Rhätische Bahn Gastarbeiterinnen und Touristinnen in die Surselva. Dann beginnt die Saison der Eroberungen. Die jungen Bündner zünden ihren Skilehrer-Charme, lassen den Akzent rollen und mutieren zu Platzhirschen. Zu Besuch bei Männern, die lieber Touristinnen verführen, als eine Einheimische zu heiraten.
BILD: ZHUANG FANFAN
18 China Geraubte Bräute In China herrscht vielerorts ein dramatischer Frauenmangel. Deshalb kommt es seit Jahren zu Entführungen: Junge Frauen werden verschleppt und zwangsverheiratet. Weit weg von ihrem Daheim müssen sich die Betroffenen ein neues Leben aufbauen. Und das wollen viele nicht mehr aufgeben, selbst wenn sie von der Polizei befreit werden. Eine Reportage aus einem Provinzdorf voller geraubter Frauen.
Titelbild: Keystone SURPRISE 238/10
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BILD: DOMINIK PLÜSS
Leserbriefe «Die Kriminellen, welche die Schweiz wirklich bedrohen, sitzen in den Teppichetagen.»
RETO ASCHWANDEN, REDAKTOR
Editorial Der Faktor Mensch Als Journalisten haben wir die Gelegenheit, Menschen zu treffen und auszufragen. Diese Begegnungen gehören zu den spannendsten und erfreulichsten Aspekten unseres Berufes. Schade ist manchmal nur, dass wir unsere Leserschaft zu diesen Interviews nicht mitnehmen können. Denn auch wenn wir unser Bestes geben, um Ihnen unsere Gesprächspartner so nahe wie möglich zu bringen, kann ein Text doch nur teilweise vermitteln, wie eindrücklich manche Zeitgenossen wirken.
Nr. 235: «Guter Mensch – Promis zwischen Weltverbesserung und PR»
Nr. 237: «Ausschaffungsinitiative – mehr Raum für Symbolgesetze»
Zynisch Wir haben uns sehr über den Artikel («Weltverbesserer – Wer ist hier zynisch?», Anm. d. Red.) geärgert. Wie kann man nur so zynisch sein und etwas an und für sich Gutes als durch und durch schlecht darstellen. Gehören wir auch zur «Gutmenschen-Parade», wenn wir Surprise unterstützen? Offenbar ist es der Journalistin lieber, wenn man nur noch an sich selbst denkt und die Schwächeren sich selbst überlässt. Schade, dass die Suprise-Redaktion einen solchen Müll abdruckt. Caroline Schwegler und Thomas Oser, Basel
Skrupellos Sowohl die Ausschaffungsinitiative als auch der Gegenvorschlag dazu bedienen lediglich die von der SVP seit Langem geschürte Ausländerfeindlichkeit. Die Kriminalität, die uns alle existenziell bedroht, kommt nicht von ein paar Kleinkriminellen, die dummerweise ohne roten Pass in diesem Land leben müssen. Die Kriminellen, die uns wirklich bedrohen, sitzen in den Teppichetagen. Mit der einen Hand streichen sie Milliarden-Boni ein, während sie mit der anderen skrupellos zahllose Menschen entlassen und auf die Strasse stellen. Markus Heizmann, Arlesheim
Zu diesen zählt der Zürcher Stadtarzt Albert Wettstein, den wir für diese Ausgabe interviewt haben. Wettstein hat den Umgang mit sozial Benachteiligten in der Stadt Zürich seit den frühen 80er Jahren von Nahem miterlebt und massgeblich geprägt. Er war der erste, der als Reaktion auf die Verbreitung von Aids öffentlich den Gebrauch von Kondomen propagierte und bereitete so den Boden für die folgenden Stop-Aids-Kampagnen des Bundes. Auch beim Kampf gegen die Verelendung der Drogensüchtigen auf dem Platzspitz engagierte sich Wettstein an vorderster Front. Bis heute handelt Wettstein schnell und konsequent, wenn jemand Hilfe benötigt. Stellt er bei einem Hausbesuch fest, dass die Wohnung gereinigt werden muss, organisiert er bei Bedarf Geld für ein Putzinstitut. Solche Aktionen sind in seinem Jobbeschrieb nicht aufgeführt, aber das kümmert ihn nicht: «Pflichtenhefte sind etwas für Bürokraten.» Als Chefbeamter kann Wettstein die Regeln weitgehend selber bestimmen. Doch es braucht keinen besonderen Status um zu helfen, sondern lediglich Überzeugung und Tatkraft. Oft verschanzen wir uns hinter Verfahren und Institutionen. Fühlen uns nicht zuständig und verweisen auf Paragraphen und Regelwerke. Buchstaben und Organigramme aber helfen niemanden. Nur das entschlossene Handeln bringt echte Unterstützung. Von Mitmensch zu Mitmensch. Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre Reto Aschwanden
Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 Ihre Meinung! Bitte schicken Sie uns Ihre Anregungen oder Kritik: Strassenmagazin Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 70, redaktion@strassenmagazin.ch. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion behält sich vor, Briefe zu kürzen.
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ILLUSTRATION: SIMON DREYFUS
6. Wiederholen Sie den Vorgang der «Verspannung» noch einmal, ein Stück weiter unten am Bündel. 1. Für einen Reisigbesen nehmen Sie am besten frisches Birkenreisig. Um das
Danach schneiden Sie das Reisig am dicken Ende
Reisig zusammenzubinden, können Sie Draht oder frische Weiden verwenden.
auf eine Länge ab.
Die Weiden müssen Sie halbieren und ihnen das Mark entfernen.
7. Binden Sie das Bündel am offenen Ende mit einer Schnur etwas zusammen. Schneiden Sie auch am offenen Ende das Reisig auf eine Länge, damit der Besen einen regelmässigen Abschluss hat.
2. Nehmen Sie eine Handvoll Reisig und «drillen» – drehen – Sie die Ästchen ineinander.
8. Spitzen Sie einen Besenstiel an einem Ende zu und treiben Sie den Stiel am geschlossenen Ende mittig in das Reisigbündel.
3. Wenn Sie so viel Reisig beisammen haben, dass Sie den Bund mit beiden Händen umfassen können, binden Sie ihn mit Hilfe einer zweiten Person zusammen: Eine Person hält den Bund kompakt, die zweite schlingt ein Seil zwei- bis dreimal um den Reisig.
4. Stechen Sie mit einem «Stichling» – Sie können dafür zum Beispiel einen langen Nagel oder eine Ahle verwenden – ein Loch in das Bündel.
5. Stecken Sie den Draht oder die Weide rein und drehen Sie den Bund, sodass sich der Draht oder die Weide darauf aufdreht. Das Seil können Sie danach entfernen.
Basteln für eine bessere Welt Sie wecken uns am Morgen unsanft aus unseren Träumen, wirbeln neben Blättern auch viel Staub auf und sind erst noch umweltunverträglich: Wir haben die blöden Laubbläser mitsamt ihren Betreibern satt. Aber wir wollen niemanden daran hindern, Ordnung zu halten, und deshalb sorgen wir für einen sozial- und umweltverträglichen Ersatz. SURPRISE 238/10
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Aufgelesen News aus den 90 Strassenmagazinen, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.
Albträume Hannover. Rund sechs Jahre unseres Lebens verbringen wir träumend. In dieser Zeit haben wir bis zu 150 000 verschiedene Träume. Dabei gilt: Je weniger davon Albträume sind, desto besser. Mythologisch kommt der Begriff übrigens aus dem Norden: Dort soll es angeblich Licht- und Schwarzalben geben, das sind kleine Wesen, die mit den Zwergen verwandt sind. Nachts schleichen sie sich an den Schlafenden heran und setzen sich auf dessen Brustkorb. Beklemmung und schlechte Träume sind die Folge.
Hungertote Wien. Während die einen hungern, essen die andern jede Menge Fleisch: Zwar könnte die Weltlandschaft über elf Milliarden Menschen ernähren. Knapp eine Milliarde hungert aber vor allem deshalb, weil die Industrienationen auf ihren Fleischkonsum nicht verzichten wollen. Würden beispielsweise die Amerikaner zehn Prozent weniger Fleisch essen (von ihrem derzeitigen durchschnittlichen Jahreskonsum von 124 Kilo), könnte man mit dem eingesparten Futter-Getreide eine Milliarde Menschen vor dem Hungertod bewahren.
Fuchsbandwurm Nürnberg. Gute Nachrichten für Walderdbeer-Liebhaber: Würzburger Wissenschaftler haben herausgefunden, dass es keinen einzigen Patienten gibt, der sich durch den Verzehr von Wildfrüchten mit dem Bandwurm angesteckt hat. Vielmehr gehe die Hauptgefahr einer Infektion von Haustieren aus, die etwa eine befallene Maus gefressen haben. Die Angst vor dem drei Millimeter winzigen Wurm hat übrigens mit dem meist tödlichen Verlauf einer Infektion mit seinen Larven zu tun: Sie zerstören die inneren Organe.
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Zugerichtet Der Schatz vom Flohmi Penibel prüfte die alte Dame die Vitrinen am Flohmarkt Bürkliplatz. Sie hoffte, ihr Eigentum wiederzufinden – Colliers, Fingerringe und andere Preziosen. Ein halbes Jahr zuvor hatten Einbrecher Frau Wagners* Schmuckschatullen ausgeräumt. Juwelen im Wert von 185 700 Franken kamen weg, nicht aufzurechnen die seelischen Verluste. Sie traute ihren Augen kaum: An einem Antiquitätenstand sah sie hinter poliertem Glas das indische Collier funkeln. Eines der Geschmeide, die aus ihrer Wohnung am Zürichberg entführt worden waren. Da war sie sich ganz sicher. Es gab eine Hausdurchsuchung bei der Standbesitzerin, die Polizei beschlagnahmte über 100 Schmuckstücke, 13 davon will Frau Wagner als ihren Besitz wiedererkannt haben. Prompt wurde Frau Hoffmann, die Händlerin, der Hehlerei angeklagt und vom Bezirksgericht schuldig gesprochen. Für ihre Berufung vor dem Obergericht trägt die 64-Jährige ihren besten Hosenanzug aus marineblauem Leinen. Goldene Kostbarkeiten an Ohren, Hals und Handgelenken zeugen von früherem Wohlstand. Doch seit ihr ein Koffer von der Gepäckablage in den Nacken gefallen ist, bezieht sie eine IV-Teilrente. Die Lizenz für den Trödelmarkt verlor sie wegen der erstinstanzlichen Verurteilung. «Ich bin keine Hehlerin», sagt Frau Hoffmann zur Sache. «Dieses Geschäft basiert auf dem Unglück der anderen, ist aber nicht ungesetzlich.» Ein gewisser «Marco», den sie im Casino Campione kennengelernt habe, wo sie als Schätzerin tätig sei, bot ihr Schmuck zum Kauf an, der sich bei ihm haufenweise
angesammelt habe. «Aber im Casino gewinnt man doch keinen Schmuck», wundert sich der Richter. Ihrerseits verwundert, fragt Frau Hoffmann zurück: «Ja, waren Sie denn noch nie in einem Casino?» «Nein», sagt der Richter strikt. «Und ich habe auch kein Bedürfnis danach.» Also klärt die Kennerin das Gericht auf: «Wer sein Bares verspielt hat, erhält bei den Händlern vor dem Casino draussen für seine Wertsachen ein paar Franken, damit er weiterspielen kann.» Frau Hoffmanns Verteidigerin verlangt einen Freispruch für ihre Mandantin. Keines der beschlagnahmten Schmuckstücke würde mit jenen übereinstimmen, die aus Frau Wagners Wohnung gestohlen wurden. Frau Wagner habe sogar Stücke als ihr gehörig bezeichnet, die gar nicht auf der Deliktsliste des Einbruchs standen. «Eine Dreistigkeit sondergleichen ist das», tobt die Verteidigerin. Frau Wagner sei habgierig, so soll sie schwarzgefahren sein, nur um Geld zu sparen. Die solcher Art Verleumdete schnappt hörbar nach Luft und droht, den Benimm zu verlieren. «Diese Person lügt – dass sie sich nicht schämt, ein Wahnsinn ist das», wütet die 85-Jährige, «ich werde ein Buch über diesen Fall schreiben.» Nach dem Prinzip «In dubio pro reo» reduziert das Obergericht die bedingte Geldstrafe auf 120 Tagessätze à 50 Franken. Nur drei Schmuckstücke können Frau Wagner zugewiesen werden. Beim Verlassen des Gerichtssaals würdigen sich die Damen keines Blickes mehr. * persönliche Angaben geändert
ISABELLA SEEMANN (ISEE@GMX.CH) ILLUSTRATION: PRISKA WENGER (PRISKAWENGER@GMX.CH) SURPRISE 238/10
Hausmitteilung Stabübergabe Vor sechs Wochen berichteten wir an dieser Stelle von den Veränderungen im sozialpolitischen Umfeld von Surprise, von den zunehmenden gesetzlichen Einschränkungen und neuen behördlichen Auflagen, die uns zu schaffen machen, weil sie sich nicht zuletzt erheblich auf die finanzielle Lage auswirken. Wir berichteten von den Massnahmen, mit denen wir das Schiff Surprise aus den wirtschaftlichen Untiefen in sicherere Wasser navigieren wollen. Wir berichteten von den Sparmassnahmen, von der Verschlankung unserer Struktur, dem Abbau von Stellenprozenten und von den konzeptionellen Anpassungen unserer Projekte an die neuen Anforderungen. Diese Massnahmen und – ebenso entscheidend – die grosse Unterstützung durch viele Spenderinnen und Spender haben ihre Wirkung nicht verfehlt: Surprise wird das Jahr 2010 versöhnlich beenden und auf einer bereinigten Basis ins neue Jahr starten können. Das ist eine in vielerlei Hinsicht gute Nachricht. Zuallererst natürlich für unsere Strassenverkäuferinnen und -verkäufer. Für viele von ihnen ist Surprise in den letzten Jahren geradezu existenziell wichtig geworden. Weil es für sie kaum Alternativen zu unserem Projekt gibt, ausser der neuerliche Absturz. Wichtig ist die positive Nachricht aber auch aus einem anderen Grund: Surprise erhält zum Jahreswechsel eine neue Führung. Der bisherige Präsident unseres Trägervereins, Carlo Knöpfel, übergibt das Präsidium an Heidy Steffen und Peter Aebersold. Ich selber werde Surprise im Dezember ebenfalls verlassen und die Geschäfte meiner Nachfolgerin Paola Gallo übergeben. Die geklärte organisatorische und finanzielle Situation ermöglicht eine geordnete Stabübergabe. Carlo Knöpfel tritt nach vier Jahren an der Spitze des Vereins aus gesundheitlichen Gründen zurück. Diese zwingen ihn, seine nebenberuflichen Engagements stark zu reduzieren. Im Namen der ganzen Surprise-Familie möchte ich ihm an dieser Stelle ganz herzlich für seinen grossen Einsatz danken. Das neue Präsidium von Surprise bilden die beiden bisherigen Vorstandsmitglieder Heidy Steffen (Luzern) und Peter Aebersold (Basel). Im Dezember werde auch ich Surprise verlassen. Dieser Rücktritt auf eigenen Wunsch erfolgt plangemäss. Bereits bei meinem Antritt 2007 stellte ich eine Amtsdauer von zwei bis drei Jahren in Aussicht. Zur neuen Geschäftsführerin gewählt hat der Vorstand des Vereins Surprise die italienisch-schweizerische Doppelbürgerin Paola Gallo. Als gelernte Non-Profit-Managerin leitete meine Nachfolgerin zuvor unter anderem die Regionalstelle Basel des Bildungsinstituts Ecap und war
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Co-Leiterin des politischen Sekretariats der SP Basel-Stadt. Paola Gallo wird sich Ihnen im Januar an dieser Stelle persönlich vorstellen. Die letzten drei Jahre mit Surprise waren reiche, reichhaltige und intensive Jahre. Nach dem Fastkonkurs im Jahr 2006 übernahmen wir Surprise als grosse Baustelle. Mit «wir» meine ich insbesondere unsere Belegschaft, das grossartige Team, dem es gelungen ist, Surprise mit einer potenten Mischung aus Know-how, FRED LAUENER, Herzblut und Stehvermögen auf GESCHÄFTSFÜHRER die heutige professionelle Basis zu stellen. Aus dem Pionierbetrieb der ersten Jahre ist eine professionelle Non-Profit-Organisation geworden. Meiner Nachfolgerin wünsche ich deshalb eine ebenso tolle Unterstützung durch das Team, wie ich sie hatte. Und natürlich wünsche ich ihr auch die anhaltende Solidarität von Ihnen, sei es als Leserin oder Leser dieses Strassenmagazins oder als Spenderin oder Spender für unsere Sozialprogramme. Ich selber werde mich im kommenden Jahr zwar neuen beruflichen Aufgaben zuwenden. Surprise werde ich trotzdem weiterhin mit Herz und Seele verbunden bleiben. Denn Surprise ist und bleibt ein unverzichtbarer Beitrag an die soziale Schweiz. Und Sie sind es, die ihn während meiner Zeit möglich machten. Bitte helfen Sie Surprise auch nächstes Jahr. Danke.
Fred Lauener Geschäftsführer
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Porträt Im Bann der Neugier Marianne Sommer ist Wissenschaftlerin durch und durch. Sie richtet sich ganz nach ihrer Arbeit und nimmt dafür ein unstetes Leben in Kauf. Dafür wird sie nun mit einem Preis belohnt. VON JULIA KONSTANTINIDIS (TEXT) UND DOMINIQUE MEIENBERG (FOTO)
Marianne Sommer ist das beste Beispiel für eine der Erkenntnisse, die sie während ihrer Forschungen gemacht hat: «Gegen die menschliche Neugier anzukommen, ist schier unmöglich.» Davon ist sie überzeugt, seit sie damit begonnen hat, die Naturwissenschaften in ihrem historischen Kontext zu analysieren. Ihre eigene Neugier bewirkte, dass sie sich nicht auf ein einziges Fach beschränken wollte. Nach der Schule begann die Zürcherin ein Biologiestudium. «Aber da fehlte mir die schöngeistige Seite», erklärt sie. Die biologischen Prinzipien zu kennen, reichten der 39-Jährigen nicht, um sich mit dem Leben und insbesondere den Menschen zu befassen. Denn wie sich das Menschsein in der Kunst, Literatur oder Musik ausdrückt, fasziniert Marianne Sommer genauso wie die naturwissenschaftlichen Aspekte. Sie ergänzte die Natur- daher mit den Geisteswissenschaften und machte die Anglistik zu ihrem Hauptstudium. Sie begann, das eine mit dem anderen in Zusammenhang zu setzen. Sie ging davon aus, dass die Angewohnheit der Menschen, alles in Geschichten zu verpacken, auch auf die Naturwissenschaften – die sich nicht nur in Zahlen und Formeln ausdrücken – einen Einfluss hat. Besonders interessierte Sommer dabei die historische Entwicklung: «Das Wissen der Naturwissenschaften macht oft einen zeitlosen Eindruck, aber es ist immer auch in einen kulturellen Kontext eingebettet.» In ihrer Doktorarbeit untersuchte sie deshalb die Geschichte der Affenforschung, die auch eine Geschichte des Wandels im Menschenbild ist. Und für ihre Habilitation untersuchte sie die Geschichte jener Wissenschaften, die sich mit der Evolutionsgeschichte der Menschen befassen. Marianne Sommer taucht für ihre Arbeit ab in Archive, liest Briefwechsel zwischen Wissenschaftlern, Zeitungsartikel über wissenschaftliche Entdeckungen, historische Fachpublikationen, aber auch literarische Werke, die das Lebensgefühl der Zeit, in der sie geschrieben wurden, wiedergeben: «Im 19. Jahrhundert etwa kommt man nicht darum herum, sich mit religiösen Modellen zu beschäftigen», erklärt sie. Damals sei es vor allem die Geologie gewesen, anhand derer Wissenschaftler beweisen konnten, dass die Erde und die Menschheit älter sind als es eine wörtliche Interpretation der Bibel nahelegt. Der Laie stellt sich Glaubenskriege vor, die totale Ablehnung des Einen und die Hinwendung zum Anderen. Doch Marianne Sommer weiss, dass es nicht so einfach ist: «Es war oft so, dass Wissenschaftler gleichzeitig aus einem religiösen Umfeld kamen. Ein klares Gegenüber von Religion und Wissenschaft besteht nicht.» Die Wissenschaftshistorikerin mit dem klaren und direkten Blick durchforstet nicht nur historische Archive, sondern untersucht auch die jüngste Vergangenheit und die Gegenwart. Die wissenschaftlichen Methoden haben sich verfeinert, sind genauer geworden und in neue Gebiete wie die Genetik vorgedrungen. «Das lässt keinen grossen Raum mehr für Wunder», stellt sie fest. Dass die Menschen nun aber dazu gezwungen sind, sich nur noch an beweisbare Fakten zu halten, will Sommer nicht gelten lassen: «Die Naturwissenschaften befassen sich nicht mit der Sinnfrage, sie suchen nicht nach einem höheren Grund für die Existenz des Menschen.»
Marianne Sommer selbst ist Wissenschaftlerin durch und durch. Sie wirkt nüchtern und aufgeräumt. Man kann sich gut vorstellen, wie sie sich in ihrem Büro im Dachstock der Forschungsstelle für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Uni Zürich hartnäckig und geduldig durch Hunderte von Dokumenten ackert. Bei der historischen Erforschung der Lebenswissenschaften stösst sie auch immer wieder auf heikle Themen wie etwa die Rassenlehre: «Es ist zu einfach, allein einer bestimmten Methode – also etwa der Schädelvermessung – die Schuld für die rassistischen Befunde dieser Forschung zuzuweisen, denn es kommt auch auf die Fragestellungen an, und wie die Geschichte zeigt, können ‹Daten› verschieden interpretiert werden.» Jedes Wissen kann auf vielfache Weise in Gesellschaften wirken. Der Wissenschaft könne dabei nicht jegliche Verantwortung abgesprochen werden. «Die Naturwissenschaften müssen sich damit auseinandersetzen, was mit der Forschung passieren und welche Auswirkungen sie auf die Gesellschaft haben kann.» Eine Diskussion, wie sie momentan in Deutschland geführt wird, nachdem ein Politiker die falsche Behauptung geäussert hat, es gebe ein jüdisches Gen, das allen Juden gemein sei, sei verheerend für die Wissenschaft. Die so besonnene 39-Jährige gerät plötzlich in Fahrt und man kann ihr den Ärger über den unwissenschaftlichen Umgang mit der Wissenschaft deutlich anmerken. Aber in einem solchen Moment müsse man auch fragen, wieso Wissenschaftler diese Forschung betreiben – also wieso sie etwa die Geschichte der jüdischen Diaspora und die Unterschiede zwischen Menschengruppen generell genetisch untersuchen – und wieso die Öffentlichkeit nicht besser über diese Forschung und ihre Resultate Bescheid weiss. Die Forschung und Wissenschaft hat in Marianne Sommers Leben einen sehr hohen Stellenwert: Es gingen jahrelange Aufenthalte in England, Berlin und den USA voraus, bevor sie vor bald sieben Jahren nach Zürich zurückkehrte, um an der ETH zu lehren und zu forschen. Sie weiss es zu schätzen, dass sie genau das zu ihrem Beruf machen konnte,
«Gegen die menschliche Neugier anzukommen ist schier unmöglich.»
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was sie am meisten interessiert. Doch das Forscherinnenleben hat auch seinen Preis und kann eine Partnerschaft ganz schön strapazieren: «Man muss sehr flexibel sein, die Anstellungen sind oft temporär und die nächste passende Stelle kann in einem anderen Land oder auf einem anderen Kontinent sein.» Heimatlos oder isoliert fühlt sie sich mit ihrem Lebensstil jedoch nicht. «Der Vorteil am herumreisen ist, dass ich jetzt an vielen Orten in der Welt Freunde habe», meint Sommer, der Freunde und Familie sehr wichtig sind. Der Aufwand für ihre Arbeit hat sich gelohnt, sie trägt nun Früchte: Marianne Sommer wurde zur diesjährigen Preisträgerin des mit 100 000 Franken dotierten Latsis-Preises ernannt, eine der wichtigsten wissenschaftlichen Auszeichnungen der Schweiz. Zeit, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen, hat die Wissenschaftlerin aber nicht: Das Preisgeld wird sie in ihre Forschung stecken, und nach der Preisverleihung in Berlin fliegt sie nach Amerika, um dort ein Archiv zu besuchen. ■
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Gesellschaft Der Stadtdschungel-Doktor Albert Wettstein verkörpert als Zürcher Stadtarzt ein Vierteljahrhundert Sozialgeschichte. Ob in der Drogenszene oder bei Demenzkranken – Wettstein will nur eines: Unbürokratisch Hilfe leisten. VON RETO ASCHWANDEN (INTERVIEW) UND ANDREA GANZ (BILDER)
Wie das? Ich stelle ein Gesuch an eine Stiftung für solche Finanzierungen.
«Chömed Sie, chömed Sie.» Stadtarzt Albert Wettstein beordert die WarDas geht über Ihr Pflichtenheft als Stadtarzt hinaus. tenden freundlich, aber bestimmt zu sich. Auf einem Korridor im VerwalPflichtenhefte sind etwas für Bürokraten. tungszentrum Werd impft er städtische Angestellte gegen die Grippe. Immer wieder erkundigt er sich, in welchem Department sein GegenEcken Sie innerhalb des städtischen Apparates mit dieser Haltung an? über arbeite, macht hier einen Spruch und mahnt dort zum VorwärtsIm Gegenteil. Die sind froh, nimmt sich jemand Zeit für schwierige Fälmachen. Es ist eine Art Abschiedsvorstellung: Wenn in einem Jahr die nächste Grippeimpfung ansteht, wird Wettstein nach 28 Amtsjahren pensioniert sein. Das «Das wichtigste Arbeitsinstrument eines Arztes ist das Ohr. Interview absolviert er zwischen den ImpfunUnd es braucht Autorität, eine fürsorgliche Autorität.» gen: Spritze, Frage, Spritze. Sie sagten in einem Interview: «Der Wert einer Gesellschaft bemisst sich an Ihrem Umgang mit den Schwächsten.» Wo stehen wir? Wir stehen in der Stadt Zürich relativ gut da. Wir haben ein breites Netz: Stadtspitäler, in denen das modernste medizinische Wissen allen zur Verfügung steht. Und es gibt spezielle Anlaufstellen für die unterschiedlichsten Leute mit den verschiedensten Problemen. Dank der Anstrengungen vieler Ämter können wir auch die Schwächsten adäquat versorgen.
le. Ich mache selbstverständlich nichts Illegales, sondern bewege mich innerhalb der Gesetze. Aber ich frage nicht, bin ich dafür angestellt, sondern leite in die Wege, was nötig ist.
Sie sprechen von den institutionellen Angeboten. Wie steht es um den grundsätzlichen Goodwill, sich Zeit und Energie für die Bedürfnisse von sozial Benachteiligten zu nehmen? Das ist unterschiedlich ausgeprägt. Leider betrachtet die Bürokratie die Welt manchmal ein bisschen bürokratisch und nimmt sich zu wenig Zeit für den einzelnen Menschen. Trotzdem haben wir neuerdings flexible Angebote, bei denen man sich Zeit nehmen kann für eine individuelle Betreuung. Etwa für Leute, die es nicht fertigbringen, das richtige Formular zum richtigen Zeitpunkt zur richtigen Stelle zu bringen.
Kommt es vor, dass Nachbarn oder Vermieter Sie einspannen wollen, um jemanden loszuwerden? Dann können sie das selber machen. Nein, meistens sind es Leute, die finden: Hier ist jemand krank, dieser Person sollte man helfen. Natürlich haben sie zum Teil auch Angst. Aber ich kann nicht selten mit einer Intervention verhindern, dass man den Betroffenen kündigt.
Was können Sie als Stadtarzt tun? Ich absolviere im Jahr ungefähr 120 Hausbesuche bei Leuten, die den Rank nicht finden und zwischen Stuhl und Bank fallen. Die Bedürfnisse sind ganz individuell, und Kraft meines Amtes habe ich die Möglichkeit, von Mitmensch zu Mitmensch das Nötige zu machen. Als Chefbeamter könnten Sie ja auch im Büro bleiben und die Angestellten auf Hausbesuch schicken. Im Büro ist man ein Bürokrat. Mir ist es wichtig, zu den Menschen zu gehen, die es nötig haben. Die Normalos, die eine Normalversorgung haben, benötigen keinen Stadtarzt. Den Stadtarzt braucht es für die aussergewöhnlichen Fälle, für die man sich Zeit nehmen muss. Wie läuft so ein Hausbesuch ab? Ganz unterschiedlich. Bei den einen muss ich einen Beistand organisieren. Es gibt auch Situationen, wo ich feststelle, dass der Haushalt dringend gereinigt werden muss. Dann lasse ich mich bevollmächtigen, ein Putzinstitut zu organisieren, das den Haushalt wieder in einen menschenwürdigen Zustand bringt. Manchmal organisiere ich auch ein bisschen Geld, wenn die Leute sich die Reinigung nicht leisten können.
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Wer bietet Sie zu den Hausbesuchen auf? Manchmal die Polizei, manchmal die Vormundschaftsbehörden oder Familienangehörige. Manchmal die Patienten selber oder auch Nachbarn und Vermieter.
Haben Ausweisungen aus Wohnungen in den letzten Jahren zugenommen? Nein, das gab es schon in den 80er-Jahren. Wenn jemand seine Miete nicht bezahlt oder die Nachbarschaft massiv belästigt, ist das natürlich ein Kündigungsgrund. Hat die Toleranz abgenommen? Rücksicht kann man nicht befehlen. Man kann nur appellieren, aber es gibt sture Leute, die lassen das nicht zu. Wie stellen Sie ein Vertrauensverhältnis zum Patienten her, damit Sie nicht zu Zwangsmassnahmen wie dem fürsorgerischen Freiheitsentzug greifen müssen ? Das wichtigste Arbeitsinstrument eines Arztes ist nicht die Spritze, sondern der Mund. Und natürlich das Ohr. Und es braucht Autorität, eine fürsorgliche Autorität. So wie hier beim Impfen, da sage ich: Machen Sie die linke Schulter frei. Und nicht: Wären Sie so nett, würden Sie vielleicht bitte. Die Leute schätzen es, wenn man, ohne um den heissen Brei herumzureden, sagt, was man will. Es gibt ein paar, die das unmöglich finden, aber das ist auch recht. Wie oft finden Sie einvernehmliche Lösungen? Häufig. Wenn ich aufgrund der Meldung das Gefühl habe, das könnte SURPRISE 238/10
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jemand sein, der ins Heim gehört, dann fahre ich im Dienstwagen vor und nehme diese Person gleich mit. Freiwillig. Ein paar Sachen packen und los. Das geht so einfach? Natürlich gibt es heikle Situationen. Einmal musste ich zu einem Ehepaar – sie war schwer dement, er ein bisschen. Der Mann hatte seine Frau immer wieder so heftig geschüttelt, dass sie um Hilfe schrie. Als ich ihm die Frau wegnehmen musste, weil es nicht mehr anders ging, wollte er mit dem Messer auf mich los. Ich musste mich gegen die Tür stemmen, um ihn von mir fernzuhalten. Als Stadtarzt haben Sie auch viel mit alten Menschen zu tun. Ja, meine Hauptaufgabe sind nicht die Hausbesuche, sondern die ärztlich Betreuung der Menschen in den Pflegeheimen. Eine kleine Krankenstation leite ich selber. Da betreue ich die Patienten vom Aufnahmegespräch übers Ohrenspülen bis zum Ausfüllen des Totenscheins. Sehen Sie im Vergleich zu den 80er-Jahren Veränderungen in der Betreuung von Senioren, sei es im familiären oder nachbarschaftlichen Kontext? Wenn, dann eher zum Guten. Nehmen Sie die erhöhte Mobilität und die neuen Möglichkeiten der Kommunikation. Telefonieren ist sehr günstig, auch wenn Sie Ihre Mutter aus den USA anrufen. Und wenn ein Elternteil krank wird, können Sie selbst aus Neuseeland kurzfristig und unkompliziert anreisen. Im Alltag nützt das aber nichts. Für den Alltag gab es immer schon Profis: Die Spitex oder das Personal im Heim. Man hört immer wieder, das Zwischenmenschliche käme dabei zu kurz. Pflegeexperten sind teure Fachkräfte. Die kommen, um zu pflegen, nicht zum Plaudern. Das sollen die Familienangehörigen machen. Und die Erfahrung zeigt: Söhne, Töchter, Enkelkinder können das dank der modernen Kommunikationsmittel problemlos leisten. Wie oft erleben Sie bei alten Leuten Vereinsamung? Einsamkeit war schon immer ein Thema, betrifft aber nur eine kleine Minderheit. Die meisten alten Menschen sind, auch wenn sie allein wohnen, recht gut vernetzt.
Wie wurden Sie eigentlich Stadtarzt? Ich war zuvor Oberarzt am Unispital, auf der Neurologie. Ich interessierte mich vor allem für Demenz, ein Thema, das damals, Anfang der 80er-Jahre, noch wenig im Fokus stand. Im Unispital landeten nur wenige Betroffene. Umso mehr beim stadtärztlichen Dienst, weil der sich um die Heime kümmert, wo die Patienten leben. Deswegen wurde ich Stadtarzt. Epidemien, dachte ich, kannst du vergessen, das war im Mittelalter. Kaum war ich im Amt, kam die Aids-Epidemie und dann die Drogen-Epidemie. In den 80ern konnten Sie von Ihrem Büro an der Walchestrasse auf die offene Drogenszene am Platzspitz blicken. Was hat das bei Ihnen ausgelöst? Wir haben die Not gesehen und relativ unbürokratisch geholfen. Etwa die Anlaufstelle Zipp-Aids oder später das Krankenzimmer für Obdachlose aufgebaut. Da konnten Spritzen getauscht werden, und wir machten pro Tag bis zu 20 Reanimationen. Es herrschten kriegsähnliche Zustände. Ein paar Jahre habe ich mich vor allem darum bemüht, dieses Elend zu mildern. Dafür war ein Umdenken auf politischer Ebene nötig. Ich habe etwas gelernt: Man kann ein komplexes gesellschaftliches Problem nicht auf einfache Weise lösen. Es braucht dafür ein Zusammenspiel aller gesellschaftlichen Akteure: Ordnungskräfte, Hilfskräfte, Medizin. Erst wenn alle am selben Strick ziehen, geht es voran. Nicht, dass wir alles gelöst hätten. Drogenkonsum gibts nach wie vor, aber das Elend ist viel, viel kleiner. Damals erlebten die Drogenkonsumenten den Staat primär als repressiv. Wie wurde Ihr Angebot auf der Strasse aufgenommen? Die Leute haben schnell gemerkt, wie unbürokratisch es bei uns zu- und hergeht. Dass sie nicht moralisch verurteilt werden als Drogenkonsumenten, sondern ernst genommen werden als Menschen. Wie fanden Sie persönlich zu einer pragmatischen Haltung gegenüber Drogenkonsumenten?
«Die Ärmsten lassen wir nicht abserbeln. Der untere Mittelstand aber fällt zwischen Stuhl und Bank.»
Gibt es gesellschaftliche Bereiche, in denen Sie eine verstärkte Ausgrenzung feststellen? Für Leute, die gar nichts haben, wird relativ gut geschaut, denn in diesem Bereich gibt es eine ganze Reihe von Hilfsangeboten. Für die Reichen muss man gar nicht schauen, die sorgen selber für sich. Aber im unteren Mittelstand besteht die Gefahr, dass es den Leuten weniger gut geht als noch vor 20 Jahren. Medizinisch oder allgemein? Ich rede von den finanziellen Aspekten, vom Sicherheitsgefühl, vom Wohlbefinden. Der untere Mittelstand kommt an die Kasse, und im Gegenzug hat man die Reichen entlastet.
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Die Entsolidarisierung der Gesellschaft. In bestimmten Bereichen findet die statt. Es besteht nach wie vor ein Konsens, dass wir die Ärmsten nicht einfach abserbeln lassen, sondern dass man für deren Wohl etwas investiert. Aber die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich. Wer am ehesten zwischen Stuhl und Bank fällt, sind Leute mit fester Anstellung bei kleinem Lohn.
Die Medizin wollte schon immer für alle da sein. Bereits bei den alten Griechen widmete sie sich ausdrücklich auch den Sklaven und nicht nur den Herren. Das gehört sich einfach so: Ohne Ansehen der Person das Nötige machen zur langfristigen Sicherung der Gesundheit. Trotzdem: Sie kommen aus einer Generation, in der Drogenkonsum noch viel stärker stigmatisiert war. Lernprozesse muss man immer durchmachen, ein Leben lang. Aber ich wollte schon von klein auf den Menschen möglichst direkt helfen. Als Bub träumte ich davon, Urwalddoktor zu werden. Jetzt bin ich halt Doktor im Dschungel von Zürich. ■
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Partnersuche Balzsaison im Winter Die M채nner aus der Surselva sind entweder schon in jungen Jahren unter der Haube oder sie suchen lange, manchmal fast zu lange nach der Richtigen. Erkundungen in Disentis, einem B체ndner Jagdrevier der besonderen Art.
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VON FABIENNE RIKLIN
Er ist Bündner durch und durch, doch die Frauen, die mag er von ausserhalb. «Sie sind einfach interessanter, die Touristinnen und Gastarbeiterinnen», sagt Mateo* und stützt seine Ellbogen auf der Eckbank auf, sodass seine Fleece-Jacke an der Brust spannt. Er ist 40, Single und leitet im Winter die Snowboardschule von Disentis, einem Dorf mit 2000 Einwohnern in der Surselva, dem Gebiet zwischen Oberalppass und Flims im Bündner Oberland. Im Sommer organisiert er Kletter- und Wanderwochen. Mateo lebt in einer Dachwohnung ausserhalb des Dorfes. Die Wände seiner Wohnung zieren Snowboardplakate. Jumpend, carvend oder im Tiefschnee sind die Abgebildeten unterwegs. Dazwischen hängen alte Snowboards an der getäferten Wand. Jedes Jahr, immer zum gleichen Zeitpunkt: Kurz nach den ersten starken Schneefällen spuckt die Rhätische Bahn die Gastarbeiterinnen und die Touristinnen aus. Dann beginnt sie, die Saison der Eroberungen. Dann blicken die Handwerker am Stammtisch auf, sprechen plötzlich Schweizerdeutsch statt Rumantsch und lassen ihren Akzent rollen. Jetzt mutieren sie zu Platzhirschen, kämpferischer noch als die, welche einige Monate zuvor die Wälder eroberten. Erst werden die Gastarbeiterinnen beäugt, schliesslich bleiben die am längsten, und je länger die Frauen bleiben, umso grösser ist die Chance auf Erfolg. Danach kommen die Touristinnen an die Reihe.
So auch Curdin*, Single seit mehr als zehn Jahren. «Es gibt sie schon, die Bündnerin, die so offen und selbstbewusst ist wie eine Unterländerin, trotzdem aber in den Bergen leben möchte», sagt der 35Jährige. Vor zwei Jahren hat es auch gefunkt: Im Volleyball-Kurs verliebte er sich in eine Frau, die nur zwei Dörfer weiter entfernt wohnt. «Sie war witzig, aufgestellt und nicht so scheu und zurückhaltend wie die andern», erzählt Curdin. Während des Kurses flirteten und schäkerten die beiden heftig. «Es war, als habe der Blitz eingeschlagen.» Nach Kursende kam allerdings die grosse Enttäuschung. Weder auf SMS noch auf Mails reagierte die Angebetete. «Da habe ich wohl ihre Gefühle falsch interpretiert», sagt Curdin wehmütig. Aber eigentlich habe er gar keine Zeit darüber zu sprechen, eine Mauer müsse er bis heute Abend noch fertig pflastern. Curdin hat ein eigenes Maurergeschäft und bringt im Winter Touristinnen das Ski fahren bei. Er ist kräftig gebaut und hat grosse, von der Arbeit gezeichnete Hände. Mit seinen
«Die Versuchung ist gross, noch einen Winter zu warten in der Hoffnung, es komme vielleicht noch eine bessere.»
Warten, bis es Winter wird «Ich weiss genau, wie die Jagd abläuft», sagt Mateo und lacht. Er hat dafür eine eigene Strategie entwickelt. «Ich lasse die anderen machen und lehne mich zurück.» Wie Geier kreisen die Männer bei Winteranfang um die neue Barmaid und versuchen, mit ihr ins Gespräch zu kommen. «Irgendwann wird sie genug von ihnen haben. Dann komme ich ins Spiel.» Was er genau macht, damit er die Neue von sich überzeugen kann, will er nicht recht sagen. Er bringe sie zum Lachen und mache sich rar. Während er dies sagt, blitzen seine Augen listig unter den dunklen Locken hervor. «Und falls sich die Neue doch schon für einen anderen Bewerber entschieden hat, bevor ich zum Zug komme, ist es auch egal. Hauptsache, es ist einer aus der Clique», erzählt er. Egal, wo Mateo hinkommt, zieht er die Aufmerksamkeit auf sich. Nicht nur wegen der schönen Locken und seines kräftigen Körpers, sondern weil er um keinen Spruch verlegen ist und mit jedem ein Gespräch anbandelt. Seine Energie spart er aber für die Wintertage auf – oder genauer: die Winterabende. Im Sommer bleibt er lieber zu Hause. «Die Einheimischen ziehen mich nicht an.» Das fängt beim Kleiderstil an: zu sportlich, zu schlabberig, zu alternativ. Einfach zu wenig Frau. Noch nie war er mit einer Bündnerin zusammen. Freunde von ihm sagen, er verliebe sich nur in sehr schöne Frauen. Manchmal verfolge er gar etwas zu hochgesteckte Ziele. «Ja, das stimmt», sagt Mateo. «Ich kenne viele hier oben, die haben eine geheiratet, damit sie eine haben», sagt er. «Da bin ich lieber Single.» Dieses Jahr haben 24 Paare auf dem Zivilstandsamt Trun, zudem Disentis gehört, Ja zueinander gesagt. Bei rund der Hälfte der getrauten Paare stammen beide Partner aus der gleichen Gemeinde oder aus der Surselva. Ein Viertel hat jemanden aus der übrigen Schweiz geehelicht und ein Viertel einen Partner aus dem Ausland. Wobei die Mehrheit der Zugezogenen Frauen sind. Auch auf den beiden anderen Zivilstandsämtern des Bündner Oberlands sieht die Statistik ähnlich aus. Sursilvanerinnen heiraten bevorzugt einen Mann aus ihrer Region. Die Sursilvaner hingegen entscheiden sich ab und zu für eine Auswärtige. Doch sich aktiv um eine Frau von ausserhalb zu bemühen, das liegt ihnen nicht. Sie warten, wie in Disentis, lieber, bis es Winter wird.
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zwei Katzen wohnt er alleine in einem kleinen Haus mitten im Dorf. «Hätte ich gewollt, wäre ich schon seit zehn Jahren unter der Haube», sagt Curdin und rührt mit der Kelle im Zement. Aber die, die sich für ihn interessierten, passten ihm nicht. Und die paar Guten aus dem Dorf sind weggezogen. Ins Unterland. «Die beruflichen Perspektiven sind halt eingeschränkt.» Für die Männer gibt es in Disentis viele Möglichkeiten, vor allem Handwerker sind gefragt. Doch für Frauen gibt es ausser ein paar wenigen KV- und Coiffeurstellen nichts. Curdin wünscht sich eine Frau, die in ihrem Beruf erfüllt ist. Die am Abend nach Hause kommt und etwas zu erzählen hat. Es würde ihn auch nicht stören, wenn sie einen besseren Job hätte als er. «Denn eine für den Haushalt und das Kochen brauche ich nicht.» Das habe er in all den Jahren ganz gut alleine hingekriegt. Sorgfältig klatscht er den Zement in die Hohlräume zwischen den Steinen. Die Mauer bildet einen Gartenabschluss und grenzt an die Dorfkirche. Die Arbeit gefällt ihm. Trotzdem hätte er gerne eine Familie und Kinder. «Ohne Kinder ist das Leben irgendwie sinnlos.» Hoffen lässt ihn, dass sein Vater erst mit 42 Jahren geheiratet hat. Eine viel jüngere Frau. Eine unter 25-Jährige kommt für Curdin aber nicht infrage. «Aber nur die sind im Dorf noch im Ausgang.» Auf Knieschonern rutscht er zu einem noch nicht fertigen Stück der Mauer. «Ich mag Frauen, die auch mal sagen, wie’s läuft. Aber das machen die ganz Jungen nicht.» Deshalb setzt auch er auf den Winter. Mit den Touristinnen ist alles einfacher, unkomplizierter. Mit denen kann man auch etwas trinken gehen, ohne dass sie gleich das Gefühl haben, man wolle etwas von ihnen. «Die Frauen von hier oben können nicht mit jedem ausgehen. Sonst werden sie von den Männern als solche, die leicht zu haben sind, abgestempelt.» Deshalb müsse man sich schon ziemlich sicher sein, wenn man mit einer Frau in eine der beiden Bars im Dorf ausgehe. Heisse Tage in der Kälte Nicht alle Männer in Disentis haben Mühe, sich festzulegen. Einer, der mit seinen wilden Zeiten schon früh abgeschlossen hat, ist Gion*. Der 32-Jährige ist der Frauenschwarm schlechthin: sportlich, blaue Augen und blond-braune, wilde Haare. In der urchigeren der beiden Dorfbeizen bestellt er sich ein Feierabendbier. Ein Calanda, natürlich. Er trägt noch die Arbeitsjacke mit dem Emblem der Disentiser Bergbahnen. Der gelernte Elektromonteur absolviert eine Ausbildung zum Seilbahnfachmann. Er hat Verpflichtungen. Seit vier Jahren ist Gion verheiratet. Mit seiner Frau Flurina hat er eine sechsjährige Tochter und einen zweieinhalbjährigen Sohn. Kennen gelernt hat sich das Paar im KinderSURPRISE 238/10
BILD: ISTOCKPHOTO
Bei der Klasseneinteilung wetten die Skilehrer, wer welche bis Ende Woche kriegt.
garten, aber nicht schon im Kindesalter, sondern erst vor sieben Jahren. Kurz vor seinen Ferien musste er eine neue Deckenbeleuchtung im Kindergarten von Curaglia installieren – dem Arbeitsort von Flurina. «Wie sie mit den Kleinen umging, hat mir gefallen.» Gesehen hatte er sie zuvor noch nie, obwohl Flurina nur wenige Dörfer talauswärts aufgewachsen ist. Gion notierte sich ihre Autonummer und machte via Strassenverkehrsamt ihre Telefonnummer ausfindig. Dann ist alles sehr schnell gegangen. SMS flogen hin und her und als er nach einer Woche Zermatt nach Disentis zurückkehrte, stand sie vor seiner Haustür. Gion hat Flurina nicht deshalb zur Frau genommen, weil die Blicke der Alteingesessenen im katholischen Dorf auf das junge, unverheiratete Elternpaar gerichtet waren. «Ich wusste, diese Frau möchte ich nicht mehr ziehen lassen.» Und er wollte, dass seine Kinder in den Bergen aufwachsen. Dies wäre schon auch mit einer Unterländerin möglich gewesen. Doch vielen gefalle das Leben hier oben nicht. Zu lang der Winter, kein Kino, keine Kleiderläden und keine Anonymität. «Es ist auch schwierig, hier zu leben, wenn man kein Romanisch spricht», sagt Gion. Sie sind stolz, die Sursilvaner, auf ihr eigenes Rumantsch und vermeiden es, deutsch zu sprechen. «Ich habe mich mit Unterländerinnen und Touristinnen ausgelebt», sagt er und lacht. Schon als 16-Jähriger arbeitete er in den Wintern als Skilehrer. «Wenn es um die Klasseneinteilung ging, haben wir gewettet, wer welche bis Ende Woche kriegt.» Spass hat es ihm vor allem dann gemacht, wenn er in den Revieren der Kollegen jagen ging. «Aber die Männer, die mit 40 noch Single sind, haben einfach den Zug verpasst.» Sie haben nicht gemerkt, wann es Zeit war, sich für eine zu entscheiden. «Die Versuchung ist gross, noch einen Winter zu warten und noch
«Viele hier oben haben geheiratet, damit sie eine haben. Da bin ich lieber Single.»
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einen, immer in der Hoffnung, es komme noch eine bessere», sagt Gion. «Sie sind heikel, die Single-Männer, und haben das Gefühl, auf sie warte eine Miss Perfect.» Die Aussicht auf ein paar kalte Tage, die heiss werden könnten, ist einfach zu verlockend, um sich definitiv festzulegen. ■ *Name geändert
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Integration durch Bildung Aktiv, passiv, kommunikativ An der Autonomen Schule Zürich integrieren sich Flüchtlinge, Eingebürgerte und Einheimische in die Realität des Zuwandererlandes Schweiz. Bildung und Eigenverantwortung stehen im Zentrum. VON YVONNE KUNZ (TEXT) UND FLORIAN BACHMANN (BILD)
In der Pfanne auf dem Herd lässt sprudelndes Salzwasser Kartoffeln auf und ab tanzen. Manchmal schwappt das Wasser über den Rand des Topfes und verdampft zischend auf der Herdplatte. Die Fensterscheibe neben dem Herd ist beschlagen. Es ist kalt, die Heizung funktioniert nicht. Vier Frauen hantieren in dieser Küche, die Südamerikanerin zerreist ein grosses Stück grünen Filz zu einem handlichen Lappen und meint, es sei immer das Gleiche hier, stets fehlten Lappen und Geschirrtücher. Zwei Afrikanerinnen plappern vergnügt in einem mit Deutschfetzen durchsetzten Englisch, während sie mit dem Geschirr klappern, das sie für den heutigen Mittagstisch abwaschen. «Frau Müller, hören Sie auf zu putzen!», ruft jetzt der Moderator mit Humor und Bestimmtheit in der Stimme. Die mit dem urschweizerischen Übernamen Angesprochene schüttelt ihr langes, schwarzes Haar
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und ihre asiatisch geschnittenen Augen strahlen mit der nun blitzsauberen Küche um die Wette: «Alles Höhblichkeit!», sagt sie triumphierend. Der Moderator, ein ehemaliger Lehrer, stutzt einen Moment, dann, «Ach so!», versteht er, was Frau Müller sagen will: «Sie meinen, wir verwenden in dieser Klasse stets die Höflichkeitsform!» Die beiden Nigerianerinnen und die Südamerikanerin lachen aus voller Kehle – fröhlich vereint in einem kooperativen Geist. Namensschilder sind zwecklos «Frau Müller, Sie müssen jetzt wirklich mit dem Putzen aufhören», fordert der Moderator ein weiteres Mal und nun stellt die Asiatin ihren Eimer tatsächlich beiseite, streift ihre Gummihandschuhe ab und setzt sich zu den anderen Frauen für die Deutschstunde an den Küchentisch. «Die letzten beiden Male haben wir vor allem gesprochen, heute gibt es wieder eine Grammatikeinheit», erklärt der Moderator, während er das SURPRISE 238/10
Einfamilienhausquartiere genauso wie für die ASZ, die gar keine FrieÜbungsblatt verteilt. Aktiv- und Passivformen sind das Thema. Erst die de-Freude-Eierkuchen-Veranstaltung sein will. Probleme mit Menschen, Wiederholung: Ich küsste Herrn Meier. Der Moderator schreibt den die in ihrem Leben mehr gesehen haben, als sie ertragen konnten, werÜbungssatz auf ein Blatt Papier. Erneutes Gelächter. «Welche Zeitform den nicht schöngeredet, aber auch nicht dramatisiert. In der ASZ ist eiist das?», will der Moderator wissen. «Präteritum», antworten die vier ne von echter Neugier und Achtung geprägte Graswurzelbewegung zu Frauen sofort im Chor und bilden den Passiv: Herr Meier wird von mir Hause, die sich nicht mit grandiosen Gesten und hochtrabenden Slogans geküsst. Dann zerlegen sie Übungssätze auf dem Blatt. Sie korrigieren aufhält. Es ist der bedachte Aktivismus politisch denkender Menschen, sich gegenseitig, bestimmen zusammen Wortarten, Zeitformen und Fäldie mit Zuwanderern aller Art einen kulturellen Austausch ermöglichen le. Sie sind sich einig: Deutsch ist schwer. Eine der Nigerianerinnen und vor allem pflegen. Egal ob Einheimische oder Flüchtlinge – alle inwirft ihren Kopf zurück, lacht und meint, das Aktiv sei ihr doch lieber. tegrieren sich in die Realität des Zuwandererlandes Schweiz. Eigentlich werden die Schulstunden der Autonomen Schule Zürich ASZ nicht in der Küche, sondern in einem der drei Schulzimmer abgehalten. Aber weil die Ein Stück des Schweizer Selbstbildes als Hüterin der MenschenKüchencrew nicht aufgetaucht ist, um den rechte hat sich in diese Baracke im Industriequartier geflüchtet. Mittagstisch vorzubereiten, ist es zur spontanen Programmänderung gekommen. Die KüDie Baracke ist besetzt, die Betreibenden haben sich das zuvor leerche ist nach Kochbarem durchstöbert worden und das Menü orientiert stehende Gebäude angeeignet, Miete müssen sie keine bezahlen. Wer sich am Vorhandenen: Kartoffelsalat. Der Moderator, wie die Unterhinter den bunt bemalten Mauern zügellose Anarchie vermutet, irrt. richtenden hier genannt werden, hat sich kurzerhand aufs Fahrrad geVielmehr versprüht das Gebäudeinnere den Charme eines sehr urbaschwungen, um Brot und Früchte zu besorgen. «Kochen und lernen» nen Gemeinschaftszentrums. Beim Haupteingang wird man von einem nennen sie die Lektion. Ständer mit Informationsbroschüren begrüsst, Plakate weisen auf VerDas Prinzip, nach dem die Schule geführt wird, beschreibt der Moanstaltungen hin, und links und rechts in den Gängen die Accessoires derator so: «Jeder Schüler ist auch Schulleiter. Jeder gibt, was er kann, eines jeden Schulhauses: Bücherregale, Fotokopierer, Besen. Auf der eiund nimmt, was er will.» Die Balance zu halten, das räumt er ein, sei nen Seite des kleinen Korridors hat es ein Computerlabor mit Onlinenicht einfach. Auch das System sei Leuten, die neu dazukommen, oft Übungsmöglichkeiten. schwer zu erklären. Dass keiner etwas verdiene etwa. Dass die Schule ihren Aufwand aus Geld- und Sachspenden sowie durch SolidaritätsfesGratiszeitungen als Integrationshilfe te deckt. Und dass alles leichter geht, wenn nicht nur einige wenige eiDie Küche wird voll und voller. Inzwischen ist auch der fehlbare nen Beitrag leisten. «Alle für Bildung, Bildung für alle», fasst der SloKoch aufgetaucht – und wird von einer Südostasiatin resolut zusamgan der Schule die Grundidee zusammen. Der Moderator engagiert sich mengestaucht, als er versucht, sich damit zu rechtfertigen, er hätte kein seit bald einem Jahr in der ASZ. Hier zu unterrichten, mache ihm viel Geld gehabt, um einzukaufen. «Du musst dich organisieren! Du hättest mehr Spass als an der staatlichen Schule. Motivationsprobleme seien am Montag herkommen können, oder auch gestern zur Sitzung, da hätinexistent und vor allem sei die autonome Organisationsform faszinietest du Geld vorab beziehen können! Aber du warst nicht da!» Dass es rend. Das Moderationsteam ist vielseitig zusammengesetzt, weshalb es da nichts zu diskutieren gibt, merkt der Koch sofort, und so zieht er sich für die verschiedenen Bereiche auch immer einen Spezialisten, eine auf eine Bank zurück, wo er «20 Minuten» liest. Gratiszeitungen liefern Spezialistin gibt. Jemand ist sehr erfahren in der Gestaltung autonomer mit ihren kurzen, einfachen Texten unfreiwillig praktische IntegrationsProzesse, zwei sind selbst Flüchtlinge und kennen die Herausforderung hilfe – was ihnen auf überraschende Weise ein kleines Stückchen Daeines Lebens in der Fremde und noch jemand anders ist Profi im Unterseinsberechtigung verleiht. Auch der «Blick am Abend» sei beliebt, berichten von Deutsch als Fremdsprache. stätigt die Moderatorin, die den Mittagstisch am Mittwoch initiiert hat und sich gerade sehr darüber freut, dass es auch ohne sie funktioniert. Jenseits der Multi-Kulti-Romantik Die Kartoffeln sind geschält, geschnitten und mit Sauce auf einer Hier gehen sie ein und aus, viele für den Mainstream grösstenteils grossen Platte angerichtet. Nur die Gäste stehen noch herum und disunsichtbare Existenzen am Rande der Gesellschaft. Flüchtlinge, zu kutieren. Die Stimme einer der Köchinnen schneidet durch das Gerede. Schweizerinnen gewordene Ausländerinnen, Papierlose, WeggewieseDie Arme in die Seiten gestemmt, fordert sie alle energisch auf, Platz zu ne. Seit der Sommerpause erlebt die seit eineinhalb Jahren bestehende nehmen. Zufrieden schaut sie zu, wie ihre Worte Wirkung zeigen. Das Schule einen noch nie da gewesenen Zustrom. Mehr als 120 Personen Aktiv gefällt ihr wirklich besser als das Passiv, nicht nur sprachlich. ■ finden sich an den drei Unterrichtstagen pro Woche ein. Von 14 bis 17 Uhr werden fünf Klassen parallel geführt. Und die Klassenzimmer sind prall gefüllt. Für die Moderierenden schon rein praktisch eine Herausforderung: «Ich kann mir nicht merken, welcher Abdullah welcher ist, aber weil das Klassenzimmer so voll ist, dass es nicht für alle Platz an einem Pult gibt, sind Namensschilder zwecklos.» Die Schule muss mit viel Fluktuation umgehen können – Leute kommen und gehen oder Verein Bildung für Alle wechseln die Klasse. Morgens und abends werden nun zusätzliche Kurse angeboten. Zudem gibt es auch Unterricht in der ComputerproSeit Juni 2009 besteht der Verein Bildung für Alle als Träger der Schugrammiersprache Java sowie eine Atelier- und eine Theatergruppe. le. Er bietet mit der Autonomen Schule Zürich allen, die aufgrund von Es klingt pathetisch, aber es ist, als hätte sich ein Stück des gutHerkunft oder Aufenthaltsstatus keinen Zugang zum Bildungs- und schweizerischen Selbstbildes als Menschenrechtshüterin angesichts Sozialsystem haben sowie vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind, Zuder rasant schwindenden Solidarität ihrer Bürger in diese bunte Baragang zu Bildungsmöglichkeiten. Der Verein ist unabhängig und selbstcke am Rande des Zürcher Industriequartiers geflüchtet. Hier wird Inorganisiert und muss deshalb ohne Subventionen auskommen. Der tegration nicht im moralistischen, legalistischen Multikulti-Sinn betriemit Abstand grösste Aufwand sind die Zugtickets, die die Schule Perben, mit dem man sich weit in die Linke hinein begnügt – und der oft sonen bezahlt, die aus Notunterkünften im ganzen Kanton Zürich für wenig mehr bedeutet, als dass man einander möglichst freundlich igdie Kurse anreisen. noriert. Zusammenleben ist nie frei von Reibungen – das stimmt für www.bildung-fuer-alle.ch SURPRISE 238/10
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Entführungsopfer Cheng Meixiang: «Wir haben immer wieder versucht zu fliehen, aber das ganze Dorf war voller Spitzel.»
China Im Reich der geraubten Frauen
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Die Ein-Kind-Politik, die traditionelle Bevorzugung von Buben und eine starke Migration von Frauen hat die Geschlechterbalance in den chinesischen Dörfern aus dem Gleichgewicht gebracht. Bauern in armen Provinzen kaufen Frauen, die in noch ärmeren Provinzen gekidnappt wurden. Zu Besuch in einem Dorf, in dem mehr als die Hälfte der Frauen Entführungsopfer sind.
OLIVER ZWAHLEN (TEXT), ZHUANG FANFAN (BILDER)
Gelbgrauer Nebel umhüllt die Ziegelhäuser von Xia An, einer kleinen Ortschaft etwa vier Autostunden südlich von Peking. Die Region gehört zu den ärmeren Gegenden Chinas: Der Boden gibt kaum etwas her, Regen fällt selten. Die rund 400 Menschen, die im Dorf leben, züchten vorwiegend Schafe, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Umrisse von felsigen Hügeln zeichnen sich am Horizont ab. Auf der Strasse schlummern ein paar Hunde. Es ist ein Nachmittag im Spätherbst. Von der Ladefläche eines Anhängers preist eine Bäuerin mit einem Megaphon riesigen Chinakohl an. Die wenigen Menschen strömen auf den Dorfplatz, als der Bus an der improvisierten Haltestelle aus einem Wellblech über vier hastig errichteten Betonpfeilern anhält. Es ist der einzige Bus, der heute das Dorf anfährt.
Die Schicksale der Frauen im Ort gleichen sich auf erschreckende Weise: Die meisten Frauen kamen vor rund 20 Jahren nach Xia An, von neueren Fällen will niemand etwas wissen. Wen immer man fragt, sie alle waren mit Tricks aus ihrer alten Umgebung gelockt worden. «Man versprach mir einen grossartigen Job mit einem guten Einkommen in einer Fabrik in Peking. Aber das war alles gelogen», erzählt Leng Jiaming. Die 40 Jahre alte Frau stammt aus einem kleinen Dorf in der Provinz
«Es ist viel billiger, eine entführte Braut zu kaufen, als für eine Heirat zu bezahlen.»
Spitzel hinter jeder Ecke Gegenüber befindet sich der Laden von Liu Guifang: Ein staubiger Innenhof und ein paar Plastiktische, an denen sich Bäuerinnen dem in China weitverbreiteten Spiel Mah-Jongg widmen. «Mehr als die Hälfte der Frauen in diesem Dorf wurden hierher verschleppt», verrät Liu. Auch sie war vor rund 20 Jahren aus ihrem Heimatdorf im südchinesischen Guangxi entführt worden. «Am Anfang war das Leben hart», erinnert sich die inzwischen 49-jährige Frau. «Ich wollte oft fliehen.» Mit der Zeit habe sie sich jedoch an die neue Umgebung gewöhnt. «Das Dorf, aus dem ich komme, hatte auch nicht mehr zu bieten.» Irgendwann kamen zwei Söhne – und Liu entschloss sich, zu bleiben. Sie eröffnete eine kleine Bäckerei, in der sie chinesische Dampfbrötchen verkauft. Der Mann, der sie vor Jahren zur Heirat gezwungen hatte, ist inzwischen gestorben. Als vor ein paar Jahren die Polizei ins Dorf kam und einige der Frauen befreien wollte, gingen manche mit, viele blieben. Wie Liu Guifang waren auch sie schon zu lange in Xia An. «Wieso sollte ich jetzt noch weggehen? Ich habe nach so langer Zeit gar keinen anderen Ort mehr, wo ich hingehöre.» SURPRISE 238/10
Guizhou, dem chinesischen Armenhaus im Südwesten des Landes. Eine richtige Schulbildung hat sie nie genossen. «Wir haben immer wieder versucht zu fliehen, aber das ganze Dorf war voller Spitzel, die uns stets im Auge behalten haben», erzählt Chen Meixiang, ein weiteres Entführungsopfer. Selbst die Primarschullehrerin Hao Yan Min kam nicht freiwillig her. Eines Tages war sie im Dorf aufgewacht und stellte fest, dass sie jemand an einen Bauern verkauft hatte. Ihr damaliger Marktwert: 2700 Yuan, etwa 400 Franken. «Da ich die beste Ausbildung im ganzen Dorf hatte, wurde mir nach ein paar Jahren eine Stelle als Lehrerin angeboten», erzählt Hao. Auch Hao hätte das Dorf mittlerweile verlassen können. Sie entschied sich aber, zu bleiben: «Ich möchte, dass die Dorfbewohner einmal mehr mit ihrem Leben anfangen können», sagt sie. «Die Leute sollen nicht mehr von dem kargen Land abhängig sein und nur dann eine Frau finden können, wenn sie sie rauben.» Dörfer wie Xia An sind in China keine Seltenheit. Wie viele Frauen seit der Gründung der Volksrepublik verschleppt worden sind, weiss keiner so genau. Es ist nicht einmal klar, ob die Zahlen steigen oder sinken. «Wir vermuten, dass die Gesamtzahl der Entführungsopfer in China steigt», sagt He Yunxiao vom Pekingbüro der UNIAP, einer Unterorganisation der Vereinten Nationen zum Menschenhandel. He ist dafür zuständig, die Zahlen des Ministeriums für Öffentliche Sicherheit in Jahresberichte aufzubereiten. Zwischen 2001 und 2004 wurden 51000 Frauen und Kinder befreit. Seit April 2010 fast 11000.
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Männer unter sich Das Problem bei den Zahlen: Die Polizei nimmt sich des Menschenhandels jeweils in Form von Kampagnen an. Eine Einheit, welche die Straftat regelmässig verfolgt, gibt es nicht. Seit 1991 gab es insgesamt sechs grossangelegte Kampagnen, die jeweils zwischen ein paar Monaten und zwei Jahren dauerten. Die daraus resultierenden Zahlen lassen deswegen weder eine Schlussfolgerungen auf die Entwicklung noch auf die Gesamtzahl der entfßhrten Frauen zu, erklärt He. Klar ist nur: Die Dunkelziffer ist um einiges hÜher als die Zahl der befreiten Frauen. Seit vergangenem Jahr hat die Polizei begonnen, ein zentrales Register fßr Vermisste anzulegen. Wir hoffen, dass wir so bald ein besseres Bild bekommen, sagt He. Die Datenanalystin hat jedoch etwas anderes beobachtet: Auf Grund von Fallstudien stellten wir einen Wandel fest. Die Frauen werden heute weniger zum Zwecke einer Heirat entfßhrt, sondern vermehrt fßr eine sexuelle Ausbeutung in Bordellen und Massagesalons. Viele Frauen stammen auch aus dem benachbarten Ausland. Der Grund fßr die zahlreichen Entfßhrungen ist ein gravierender Frauenmangel, der sich primär auf die Ein-Kind-Politik zurßckfßhren lässt, welche die chinesische Regierung Ende der 1970er-Jahre eingefßhrt hatte. Weil viele Familien Jungen als Stammhalter bevorzugen, werden Mädchen oft gezielt abgetrieben. Dies wird durch die Politik sogar noch gefÜrdert. So ist zwar eine Geschlechtsbestimmung vor der Geburt streng verboten. Ein Arzt, der dies tut, muss mit einer Geldbusse von einem Jahresgehalt rechnen. Doch Abtreibungen sind in der Volksrepublik nicht nur legal und fßr jede Frau erschwinglich, sondern sie werden von der Regierung sogar noch in Form von bezahltem Urlaub belohnt. Eine Erhebung aus dem Jahre 2005 zeigte: Auf 100 Frauen kommen nicht weniger als 120 Männer. Diese Zahlen sind ein Durchschnittswert fßr ganz China. Vor allem die wenig entwickelten ländlichen Regionen sind besonders stark betroffen, erklärt Li Yinhe, Professorin an der renommierten Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften in Peking. Die bereits prekäre Situation werde dort durch die hÜhere Mobilität von Frauen zusätzlich verschlimmert. Männer mßssen im Dorf bleiben und den Hof ßbernehmen, während junge Mädchen oft in den Fabriken an der Kßste Arbeit finden und später nicht mehr in ihre DÜrfer zurßckkehren. Diese Migration birgt immensen sozialen Zßndstoff. In den ärmsten Regionen Chinas gibt es bereits ganze DÜrfer, in denen ausschliesslich Männer leben. Das fßhrt zu einer starken Frustration, die sich leicht auch gewaltsam entladen kann, so die Gender-Expertin. Mangelware Frau Li glaubt nicht an eine schnelle Entschärfung des Problems. Denn schliesslich handle es sich um eine grundlegende gesellschaftliche Frage. Die Leute in den DÜrfern wissen, dass ihr Handeln illegal ist. Aber da sie fßr ihre Frauen echtes Geld bezahlt haben, halten sie das Vergehen fßr akzeptabel. Begßnstigt wird dies durch die Tradition. Zwar ist Frauenraub in China kein Brauch. Doch ist es durchaus normal, dass der Mann der Familie seiner Braut bis zu 10 000 Franken bezahlen muss. Im Denken dieser Menschen spielt es deswegen keine so grosse Rolle, ob sie die Braut nun den Eltern, einem Vermittler oder einem Entfßhrer abkaufen, weiss Li. Auch He von der UNIAP sieht die Traditionen des Brautpreises als ein Problem: Es ist in der Regel viel billiger, eine entfßhrte Braut zu kaufen, als fßr eine Heirat zu bezahlen. Das Geld dient den Eltern der Tochter als Altersvorsorge, denn auf dem Land gibt es kein Rentensystem. Glaubt man den chinesischen Staatsmedien, steht das Problem Menschenhandel auf der politischen Agenda weit oben: Regelmässig flimmern Fernsehberichte ßber Sondereinsätze der Polizei und Reportagen ßber befreite Frauen ßber den Bildschirm. Zeitungen loben die Erfolge der Polizeikampagnen. Selbst das Kernproblem, die Ein-Kind-Politik, steht seit einigen Monaten wieder zur Debatte. So sagte etwa der Leiter der Kommission fßr Familienplanung, Zhang Feng, dass er erwarte, SURPRISE 238/10
Liu Guifang: «Wieso sollte ich jetzt noch weggehen? Ich habe keinen anderen Ort, wo ich hingehöre.»
dass bis in fünf Jahren die Familienplanung «Mit meinem Lohn kann ich eine Frau gerade mal zum lockerer gesehen werde. «Ich rechne damit, Essen einladen. Damit gibt sich keine zufrieden.» dass bis 2030 jedes Paar in der Provinz Guangdong (eine progressive Region, die von der Eine Eigentumswohnung und ein eigenes Auto müssen schon sein. chinesischen Führung gern als «Versuchsfeld» für Reformen genutzt Mein Lohn reicht gerade einmal, um ein Mädchen regelmässig zum Eswird, Red.) ein zweites Kind haben kann.» Auch die Einführung eines sen einzuladen. Damit gibt sich doch keine Frau zufrieden.» Den FrauRentenversicherungssystems in den bäuerlichen Regionen geistert imen von Xia An nützt dieser neue Status allerdings nichts mehr. Sie hamer wieder durch das Land. Dieses soll die Eltern von ihren Kindern fiben sich mit ihrem Schicksal längst abgefunden. nanziell unabhängiger machen. Doch scheint es trotz des Eigenlobs an ■ allen Ecken zu mangeln. Lin Lixia arbeitet bei der chinesischen NGO Legal Aid, welche sich auf die Rechtsberatung von Frauen spezialisiert hat, die häusliche Gewalt erlitten haben. In dieser Funktion hatte sie auch immer wieder mit entführten Frauen zu tun. «Das grösste Problem ist, dass die Frauen keinen Ort haben, wo sie hingehen können. In ganz ChiAnzeige: na gibt es gerade einmal zwei Frauenschutzheime, wo die Entführungsopfer auch psychologisch betreut werden und eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft angestrebt wird.» Dennoch: Für Frauen kann das gesellschaftliche Ungleichgewicht auch ein Trittbrett für den sozialen Aufstieg sein. Laut einer kanadischen Studie geben sich chinesische Frauen immer seltener mit Männern aus armen und bäuerlichen Verhältnissen zufrieden. Sie suchen stattdessen einen Partner aus der städtischen Mittelklasse. «Es ist anzunehmen, dass die Mangelware Frau in den letzten Jahren einen sozial höheren Wert bekommen hat», meint die Soziologin Li Yinhe. So 20. November 2010 Internationaler Tag des Kindes bleibt für viele chinesische Männer die Heirat eine Knacknuss, nicht Mit Ihrem Essen unterstützen Sie die Beratungsstelle Pinocchio nur auf dem Land. Der 25-jährige Ren Bin arbeitet als Übersetzer bei eiHallwylstrasse 29, 8004 Zürich, Telefon 044 242 75 33, nem staatlichen Verlag in Peking und ist seit Längerem auf der Suche PC 80-56266-3, www.pinocchio-zh.ch nach einer Frau. «Ich kann mir nicht einmal eine Freundin leisten», Mit freundlicher Unterstützung folgender Gastrobetriebe: klagt er. «Meine Studienkolleginnen suchen alle einen reicheren Mann. Haus Hiltl, Il Giglio, Certo, Belcafé, Bindella, Commercio, Sternen Grill
MIT JEDEM TELLER ETWAS GROSSES FÜR DIE KLEINEN TUN.
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BILD: ANDREA GANZ
Le mot noir Der Familienjob Neulich beim Frühstück mit Oncle Paul. «Eine Bloody Mary!», trompetet er durch das Zürcher Café. «Aber dalli!» «Bist du wahnsinnig?», bremse ich ihn ab. «Du hast gleich einen Arzttermin!» «Wenn du mal 102 bist, kannst du mitreden», zwinkert Paul einer blonden Bedienung zu. «Bis dahin», zeigt er in meine Richtung, «gibts für die Kleine da einen Tee!» «Okay», versuche ich es, so sanft ich das noch hinkriege. «Die Nacht war lang. Du hattest Spass, ich hab dich in der ganzen Stadt gesucht. Vielleicht isst du jetzt einfach ein Rührei? D’accord?» «Deine Tasche bewegt sich», raunt Onkel Paul teilnahmslos. «Einmal Rührei!», gehe ich an mein Telefon. «Und schieben Sie ein Steak Frites nach!», zieht Paul mit. «Keine Bloody Mary?», fragt die Bedienung mit ihrem schönsten Lächeln. «Sie wollte unbedingt eine zweite Meinung!»,
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schäkert Paul angeregt mit. «Die hättest du auch in Paris haben können», lege ich die Hand auf die Muschel. Und in den Hörer: «Nein, Rischkoff! Heute! Wir brauchen den Teppich heute!» «So wie Sie aussehen, nehmen Sie am besten ein langes Bad in viel Schokolade», kreist Paul sein neues Opfer ein. «Das Beste gegen Depression!» «Sie finden, dass ich depressiv wirke?», knickt die Bedienung ein. «Keine Angst», legt Paul seine Hand auf ihre Schulter. «Ich bade ja mit!» «Hören Sie nicht auf ihn», wedle ich mit der Hand vor Pauls Nase. Und in den Hörer: «Sie liefern wie besprochen. Oder der Kunde kriegt einen Abschlag!» «Wollen Sie mein Motorrad sehn?», zieht Paul ein Foto aus seinem Portemonnaie. «Sie sind ja flott unterwegs», rappelt sich die Bedienung grinsend auf. «Sehen Sie zu und lernen Sie!», fängt Paul an zu schmollen. «Wissen Sie, was das ist? Nein. Ein Zylinder!» «Warum sind da keine Familienfotos drin», flüstere ich über den Hörer hinweg. «Kümmere dich um diesen Teppich!», scheucht mich Paul weg. «Damit hast du, wies aussieht, genug zu tun!» «Okay», lege ich sauer auf. «Hol ich das Rührei halt an der Theke!» «Er hat wirklich eine Harley?», fragt mich der Koch verblüfft. «Prostata», zische ich. «Aber sagen Sie ja nichts!» «Ich nicht, aber er redet ganz gern, so wies aussieht …» «Sind Sie der Russenteppich?», brüllt Paul jetzt ungehalten in mein Handy. «Dann bunkern Sie mal ih-
re Nüsse. Wird ein langer Winter!» Und Richtung Koch: «Streichen Sie das Rührei. Ich bin grad an Unterernährung gestorben!» «Okay», atme ich ein und aus. «Ich werde in einer halben Stunde auf einer Baustelle erwartet. Kriegen wir das Rührei bis dahin hin?» «Soll ich nicht lieber eine Blody Mary machen?», zieht der Koch die Braue hoch. «Vergiss den Teppich!», triumphiert Paul durch das Café. «Der Russe bringt zwei Kisten Wodka!» «Zwei Kisten? Nicht schlecht!», nickt der Koch beeindruckt. Aber meine Geduld ist am Ende. Als mein Handy erneut klingelt, bin ich in zwei Sätzen dran. «Nein, Rischkoff», versuche ich den Händler zu beruhigen. «Nicht IHRE Nüsse! Den Teppich!» Wenig später ist das Taxi da. «Du kommst nicht mit?», fragt Paul mit ungewohnt kleiner Stimme. «Der Hund geht mit», winke ich ab. «Ich treffe dich daheim.» Und über die Theke hinweg: «Geben Sie mir eine Bloody Mary! Aber bitte heute!»
DELIA LENOIR LENOIR@HAPPYSHRIMP.CH ILLUSTRATION: IRENE MEIER (IRENEMEI@GMX.CH) SURPRISE 238/10
Kunst Des Teufels Werk Kunst und Supermarkt – verschmelzen die beiden Begriffe zu einem, rümpft das Kunst-Establishment die Nase. Das hat Peter-Lukas Meier vor elf Jahren aber nicht davon abgehalten, in Solothurn einen jährlichen KunstSupermarkt aufzuziehen. Noch bis im Januar zeigen 79 Künstler aus 13 Ländern ihre Werke.
Um die 5000 Bilder sind in Holzkisten eingereiht wie Schallplatten, sie kosten entweder 99, 199, 399 oder 599 Franken, bezahlt wird an der zentralen Supermarktkasse. Kunst als Massenware? «Im Gegenteil», sagt Peter-Lukas Meier, «wir zeigen ausschliesslich Unikate. Mit der klaren Preispolitik wollen wir beim Publikum Schwellenangst abbauen, und der provokante Name soll neugierig machen.» Das scheint zu funktionieren. Die Grösse des Anlasses hat sich seit den Anfängen etwa verdreifacht. Jahr für Jahr kommen viele junge Leute, die wahrscheinlich zum ersten Mal ein eigenes Bild kaufen; gerade unter den Werken für 99 Franken sind oft Trouvaillen. Ein Landarzt stattet seine neu eröffnete Praxis aus und nimmt zehn Bilder auf einmal mit. Die Leute wollen schnell kaufen, viel kaufen. Rote Punkte gibt es hier nicht: Entweder man nimmt das Bild, oder man lässt es stehen. «Die ersten zwei Wochenenden sind mindestens so stressig wie die ART Basel», sagt Meier, «die Leute haben das Gefühl, alles sei weg nach den ersten drei Tagen. Aber man kann sich gar nicht alle 5000 Bilder ansehen.» Beliebt sind Bilder, die attraktiv fürs Wohnzimmer sind. Grössere Formate, die mit Farben und Formen spielen. Kunst müsse nicht a priori schön sein, findet Meier, doch suchen die meisten etwas, das zum Sofa passt, Original statt Kunstdruck. Kunstkenner suchen die Kisten eher nach Bleistiftzeichnungen, Skizzen, Tuschfederzeichungen ab. Ist der erste Stress abgeklungen, wird es ruhiger. Die Besucher beginnen, untereinander zu diskutieren. Peter-Lukas Meier ist hauptberuflich Geschäftsführer eines Verlags und Grafikunternehmens. Die Idee, Kunst in Supermarktatmosphäre unter die Leute zu bringen, hat er über befreundete Künstler kennengelernt, Spanier und Argentinier. In Madrid und Barcelona gibt es die «mercados del arte» seit Jahrzehnten. Diese Art der Präsentation, die Vielfalt an Werken hat Meier beeindruckt. Die Spanier haben einen unverkrampften Umgang mit der SURPRISE 238/10
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VON DIANA FREI
Kennen keine Berührungsängste mit Kunst und Kommerz: Kunden des Kunst-Supermarkts.
Kunst. Es ist normal, dass auch eine ärmere Familie ein Original aufhängt, weil sie einfach Freude dran hat. Genau diese Freude will Meier dem Publikum in der Schweiz auch vermitteln; er will ihnen Kunst greifbar machen, sichtbar, bezahlbar. «Bei uns wird die Kunst von der Kunstszene beherrscht. Damit wird sie zu etwas Elitärem gemacht. Die Kunstszene bestimmt, was gut ist und was nicht.» Klar ist: Im Kunst-Supermarkt werden keine schwarzen Flecken für 5000 Franken verkauft. Kritiker hielten das Projekt anfangs für des Teufels Werk, und etliche rümpfen auch heute noch die Nase. Meier verknüpft somit nicht nur Kunst und Kommerz, sondern hinterfragt nebenher auch den hiesigen Kunstbegriff. Jährlich bewerben sich etwa 500 Künstler um die Teilnahme in Solothurn. Etliche von ihnen haben Kunsthochschulen besucht, andere sind Autodidakten. «Wenn jemand keinen professionellen Hintergrund hat, sind wir sehr vorsichtig», sagt Meier, «wir achten in einem
solchen Fall darauf, ob die Person wirklich 40 qualitativ gute Werke liefern kann.» Das ist die Mindestanzahl für die Teilnahme, ein einzelner Glückstreffer reicht nicht. Die Auswahl trifft Meier zusammen mit Mario Terés, dem Gründervater von Kunst-Supermärkten in Berlin, Frankfurt und Wien. Terés ist Kunsthistoriker, Kurator und Meiers «künstlerisches Gewissen» in der Beurteilung. «Ich würde für mich nie in Anspruch nehmen, ein Werk abschliessend bewerten zu können», sagt Meier, «und ich staune zuweilen, wie weit sich das andere Leute anmassen.» Bei ihm selber hängt zu Hause sehr vieles, sehr Unterschiedliches und immer wieder etwas anderes. Momentan sind es historische Alpenpanoramen – auch wenn sie vielleicht nicht in erster Linie zum Sofa passen. ■ Kunst-Supermarkt, noch bis zum 7. Januar 2011, Schöngrünstrasse 2, Solothurn. www.kunstsupermarkt.ch
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Kulturtipps
Sie ist vielleicht Bob Dylans Babe aus dem Song «It ain’t me babe».
Buch Amor Superstar Bei Songs wie «Angie», «Lola» oder «My Sharona» werden selbst ergraute Ohrwürmer vom Beat gepackt. Doch wem galten diese Hitparadenstürmer? Ein Buch verräts. VON CHRISTOPHER ZIMMER
Angie, A-a-angie … Lola, Lolo-lolo-lola … Nur schon der Songtitel löst in vielen einen Melodie- und Rhythmusreflex aus. Vergessen geglaubte Bilder und Gefühle tauchen auf – und mit diesen das Wo, Wann und vor allem: mit wem. Ja, bei manchen vielleicht sogar ein «Für wen». Haben doch nicht wenige Jünglinge einst zur Klampfe gegriffen und über drei Akkorde die unerreichbare Holde angeschmachtet – unter einer Schmalzlocke und in Kleidern, die heute Lachkrämpfe auslösen. Nun, diese Geschichte hat einen langen Zopf. Schon als Europa noch mittelalterlich tickte, schmiedeten Minnesänger Verse und Melodien für «hehre Frouwe». Noch viel weiter reichen die Wurzeln zurück, wenn wir an Orpheus und seine Leier denken. Und alle wurden sie trunken aus derselben Quelle: der Liebe – dort wo Amor seine Pfeile mit süssem Gift tränkt. Wer aber Orpheus sagt, muss auch Euridice sagen, denn was wäre der erste aller Sänger ohne die Dame seines Herzens? Und mit ihm all die anderen Goldkehlen, Hüftschwinger, Superstars und Boygroups? Wie viele Songs von Pop bis Punk wären im Keim verstummt ohne das Heer der Musen? Kein Wunder, wenn nicht nur Paparazzi zu gern wüssten, wer hinter so klingenden Namen wie Lucy in the Sky, Suzanne oder Maggie May steckt. Der Musikjournalist Michael Heatley hat sich aufgemacht, etliche dieser Geheimnisse zu lüften. Herausgekommen ist dabei viel mehr als nur Stoff für die Regenbogenpresse. In 50 knappen, spannenden und kurzweiligen Kapiteln über ebenso viele Klassiker der Rock- und Popgeschichte liefert Heatley eine kenntnisreiche Tour d'horizon durch ein Stück schillernde Musikkultur. Manche Geschichten sind kurios, andere tieftraurig. Nicht jeder Muse ist das ihr Gewidmete gut bekommen. Manche schmückte sich zu unrecht damit. Und einige hat es schlicht kalt gelassen. Doch alle haben sie, wissentlich oder unwissentlich, die Grossen der Branche – Lennon, Jagger, Dylan, Cohen, Springsteen, Sting und Co. – zu Popsongs inspiriert, die nicht nur legendär, sondern auch unvergesslich sind. Michael Heatley: Das Mädchen aus dem Song. Schwarzkopf & Schwarzkopf 2010. CHF 23.50.
Wirt Callahan (links) redet sich um Kopf und Kragen.
Theater Hoch das Bierglas «Durst», ein Stück von Flann O’Brien, wandert dieser Tage durch Baselbieter Kneipen. In einer Fassung des Theater Basel, die einiges schuldig bleibt, aber immerhin die Lust auf ein Wiederlesen des irischen Autors anfacht. VON MICHAEL GASSER
Ach, diese Polizei. Stört Trinker und Raucher bei der Ausübung ihrer Genüsse. So auch in «Durst», dem ersten Akt eines nie vollendeten Theaterstücks von Flann O’Brien (1911 – 1966). Der becherfreudige irische Schriftsteller und Journalist, der eigentlich Brian O’Nolan hiess, ist ausserhalb des englischsprachigen Raums unverdient unbekannt geblieben. Trotz superber Übersetzungen von Harry Rowohlt. Nun hat sich das Theater Basel «Durst» geschnappt und den Stoff dahin verfrachtet, wo er hingehört: in die Kneipen. Das Stück, das in einem Dubliner Pub der Nachkriegszeit angesiedelt ist, wird derzeit in diversen Baselbieter Beizen aufgeführt. Die Sperrstunde hat längst geschlagen, dennoch bedient Wirt Callahan (Andrea Bettini) zwei sitzengebliebene Schluckspechte. Als ein Sergeant, der für Ruhe und Ordnung sorgen soll, an die Türe poltert, fürchtet Callahan eine Busse. Weshalb er sich durch eine flugs erfundene Kriegsgeschichte quasselt. Und die macht furchtbar Durst, schliesslich wird von der Wüste und einer Hitze fabuliert, die so ungehörig gewesen sein soll, dass die Füsse am Boden kleben blieben und die Zunge vor lauter Trockenheit schwoll. Bei der Premiere treffen Theaterbesucher und Stammgäste einer Prattler Knelle für einmal aufeinander. Und bleiben sich dennoch fremd. Callahan, der in einem schmierigen Unterhemd steckt, in dem sich wohl kein aufrechter irischer Schankwirt vor seine Gäste wagen würde, vollzieht eine furiose One-Man-Show. Ihm nimmt man die Rolle ab. Was von seinen drei Mitschauspielern nicht behauptet werden kann; sie bleiben bestenfalls blasse Stichwortgeber, die sich selbst nicht ganz im Klaren zu sein scheinen, welche Funktion sie eigentlich einnehmen. Ihren Witz gewinnt die ziemlich irrlichternde Inszenierung vor allem durch Zwischenrufe des Publikums: Als einer der beiden Trinker im Stück vom Barstuhl fällt, meint einer der Anwesenden ganz trocken: «So gehts hier immer zu und her.» «Durst», Regie: Elias Perrig; Theater Basel. Weitere Vorführungen: 23. November, Restaurant Rössli, Muttenz; 28. November, Bistro Cheesemeyer, Sissach; 1. Dezember, Restaurant Krone, Liestal; 8. Dezember, Restaurant Egglisgraben, Liestal, jeweils 20 Uhr. Freier Eintritt.
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Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.
Wenn sich zwei Herzen finden, wird meist ein drittes gebrochen.
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Alfacel AG, Cham
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Thommen ASIC-Design, Zürich
Kino Szenen dreier Ehen
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Coop Genossenschaft, Basel
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AnyWeb AG, Zürich
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Velo-Oase Bestgen, Baar
Zum vierten Mal in fünf Jahren nimmt Woody Allen sein Publikum mit nach London. Dort wird gestritten, gelogen und betrogen, dass es eine wahre Freude ist.
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Institut, Basel
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Niederer, Kraft & Frey, Zürich
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Stoll Immobilientreuhand AG, Winterthur
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Kaiser Software GmbH, Bern
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Responsability Social Investments AG, Zürich
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chefs on fire GmbH, Basel
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Ingenieurbüro BEVBE, Bonstetten
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Gemeinnütziger Frauenverein Nidau
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VXL gestaltung und werbung ag, Binningen
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Scherrer & Partner GmbH, Basel
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TYDAC AG, Bern
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KIBAG Strassen- und Tiefbau
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OTTO’S AG, Sursee
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Klinik Sonnenhalde AG, Riehen
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Canoo Engineering AG, Basel
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Lehner + Tomaselli AG, Zunzgen
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fast4meter, storytelling, Bern
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Brother (Schweiz) AG, Baden
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Druckerei Hürzeler AG, Regensdorf
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IBZ Industrie AG, Adliswil
Schweizerisches Tropen- und Public Health-
VON FABIENNE SCHMUKI
Es ist Woody Allens Regiearbeit Nummer 41, doch dem Altmeister scheinen die Ideen nicht auszugehen. Ehekrach, Promiskuität, Midlife Crisis: Die Themen in «You Will Meet A Tall Dark Stranger» strotzen zwar nicht vor Originalität, aber Woody Allen vermag den Figuren echtes Leben einzuhauchen. Somit entsteht der Eindruck, die Personen auf der Leinwand würden tatsächlich dem eigenen Umfeld, ja der eigenen Familie entspringen. Die Erzählstimme führt durch das regnerische London, vorbei an scheiternden Ehen. Dabei wird der Zuschauer zum Voyeur, der erfährt, wie Alfie seine Haut bräunt, Zähne bleicht und Ehefrau verlässt. Natürlich kauft er sich einen Sportwagen und verliebt sich in das um die Hälfte jüngere Callgirl Charmaine. In ihrer Not holt sich Alfies Exfrau Helena Rat bei der Wahrsagerin Cristal, einem Scharlatan sondergleichen. Cristal sei Dank, glaubt Helena bald nicht nur an sich, sondern auch an ihre Reinkarnation. Auch Sally, die Tochter von Alfie und Helena, entfremdet sich immer stärker von ihrem Ehemann Roy. Sie findet Bestätigung in der Arbeit, verguckt sich in ihren Chef, während Roy in Selbstmitleid über seinen scheiternden Roman versinkt. Zu seinem Glück findet er offene Ohren und Schenkel bei der atemberaubenden Nachbarin Dia, die selbst kurz vor ihrer Vermählung steht. Nicht einmal bei der Namensgebung seiner Protagonisten – gespielt von Stars wie Anthony Hopkins, Antonio Banderas oder der indischen Newcomerin Freida Pinto – geizt Woody Allen mit Klischees. Indem er diese aber dermassen schamlos offenlegt und dem Zuschauer clevere Dialoge und abscheulich direkte Wortwechsel liefert, hält er das Publikum über die gesamten 98 Minuten hinweg bei der Stange. Es ist ungemein unterhaltsam, sich über das Leid anderer zu belustigen. Vor allem dann, wenn der Streit so giftig ist, wie der zwischen Mutter Helena und Schwiegersohn Roy. Schadenfreude ist ein billiger Trick, um den Zuschauer an den Kinostuhl zu fesseln. Aber so, wie sie Woody Allen in seinem neusten Streich verpackt, macht sie einfach Spass.
Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Strassenmagazin Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.
«You Will Meet A Tall Dark Stranger», 98 Min., Englisch mit deutschen und französischen Untertiteln. Ab 2. Dezember 2010 in den Deutschschweizer Kinos.
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«Spielen» mit Mega-Maschinen – auch für Erwachsene.
Muntelier/FR König der Baumaschinen
BILD: ISTOCKPHOTO
BILD: BRIGITT RISCH
BILD: ZVG
Ausgehtipps
Regen die Fantasie an: Versteinerungen. Im Tanzplan Ost ist allerlei Akrobatisches zu sehen.
Basel Steine mit Geschichte
Auf Tournee Tanzen im Osten
Planierraupe, Grader, Betonmischer. Rufen diese Wörter bei Ihnen Emotionen hervor? Nein? Schlägt Ihr Herz auch nicht höher, wenn Sie rot-weiss lackierte Holzlatten sehen? Absperrbänder? Baustellen allgemein? Nicht einmal beim Wort Bagger? Dann ist auch der Baggerpark nichts für Sie. Alle anderen aber können sich dort einen Kindheitstraum erfüllen: Neun (echte!) Schaufelbagger der neusten Generation stehen auf dem Gelände bei Muntelier zum graben und stapeln bereit. Auf Wunsch kann ausserdem – passender Weise im überdimensionalen Sandkasten – ein Schatz ausgebuddelt werden. Mit Hilfe der tonnenschweren Maschinen, versteht sich. (mek)
Tanz ist nicht nur der Schwanensee im Stadttheater sondern auch die vielen kleinen, zeitgenössischen Programme, die freischaffende Tänzer und Tänzerinnen an den unterschiedlichsten Orten aufführen. Um sich untereinander zu vernetzen, aber auch um in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen zu werden, haben sich Tanzschaffende aus der Ostschweiz im Verein ig-tanz ostschweiz zusammengeschlossen. Mit dem Programm Tanzplan Ost ist der zeitgenössische Tanz in der Ostschweiz nun auf Tournee. Insgesamt acht Kompanien – Newcomer und bekannte Namen – beteiligen sich am Projekt, das beste und vielfältige Tanzunterhaltung garantiert. (juk)
Sie schmiegen sich unauffällig ans Gemäuer eines alten Gebäudes oder mischen sich unter ganz normale Kieselsteine. Versteinerungen sind von Ferne unauffällig, von Nahem umso spektakulärer. Die Schnecken, Muscheln, Insekten, die für immer im Gestein verewigt sind, regen die Fantasie an und lassen Spinnereien über vergangene Jahrtausende zu. An den Internationalen Basler Mineralien- und Fossilientagen zeigen 160 Aussteller ihre guten Stücke, Fachliteratur und Werkzeuge zum Mineralien- und Fossiliensammeln werden angeboten und an einem Stand bestimmen Experten mitgebrachte Mineralien und Fossilien. Und vielleicht ist das Stückchen, das Sie gefunden haben, tatsächlich ein Teil eines versteinerten Säbelzahntiger-Zahns.(juk)
Outdoor Baggerpark bei Muntelier, für Kinder ab
Tanzplan Ost – zeitgenössischer Tanz auf Tournee,
41. Internationale Basler Mineralien- und Fossilientage,
10 Jahren. Öffnungszeiten: Mi, Fr, Sa und So. Nur auf
nächste Stationen: 26./27. November, Chur, Theater;
4./5. Dezember, 10 bis 18 Uhr (Samstag) und 10 bis
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11./12. Dezember, St.Gallen, Lokremise. Weitere Infos: www.tanzplan-ost.ch
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BILD: LISA HARAND
BILD: RUBEN WYTTENBACH
Finsterlinge aus dem Aargau: die Gebrüder Ringli.
Zürich Zwischen Asphalt und Kerzenlicht Erwacht als Erwachsener: Baze.
Thun/Bubikon Vernunft statt Verschwendung Langsam wird HipHop wieder interessant. Nach Jahren voller aufgewärmter Wortspiele und abgestumpfter Beats präsentiert nun ein Rapper nach dem anderen nachdenkliche Texte zu organischeren Sounds. Jüngst ist es der Berner Baze, der gleich mit dem Titel seines neuen Albums klarmacht: «D’Party isch vrbi». Der einstige Bad Boy berichtet vom Erwachen als Erwachsener nach dem jugendlichen Rausch. Alltag statt Nachtleben ist nun das Thema, der Übergang von Verschwendung zur Vernunft. Dazu passend verlässt sich Baze musikalisch nicht länger nur auf pumpende Bässe: Hier zieht ein Saxophon die Schlieren am Fenster nach, dort orgelt einer den Blues der frühen Morgenstunden und im Titeltrack übernimmt Endo Anaconda den Refrain. Auf Endo wird das Konzertpublikum verzichten müssen, die sackstarken Songs der neuen Scheibe hat Baze aber auch so am Start. (ash)
Zürich ist vieles, aber ganz sicher nicht die Stadt der Rockbands. Schon gar nicht jener von der düster-gefährlichen Sorte. Dafür mussten zuerst ein paar Brüder aus dem Aargau einfahren. Ringli heissen die drei bürgerlich, Circle Brothers, wenn sie Musik machen. Gerade ist ihr Album «Love & Disorder» erschienen: Zwölf Songs zwischen Asphalt und Kerzenlicht, Lederjacke und Anzug. Hier weht der Geist von Johnny Cash, dort flackert der Wahnsinn von Nick Cave und zwischendurch dröhnen die Gitarren wie beim Black Rebel Motorcycle Club. Stellen Sie sich vor, die norwegischen Dunkelrocker von Madrugada kämen aus der Langstrassen-Gegend: So tönen die Circle Brothers. Zu überprüfen direkt vor Ort im Klub Zukunft mitten im Chreis Cheib. (ash) Circle Brothers: 24. November, 21 Uhr, Zukunft, Zürich.
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Verkäuferporträt «Diesmal weinte der Bräutigam» Surprise-Verkäufer Wolfgang Kreibich aus Basel hat unlängst seine Eva geheiratet. Stretchlimousine, Rosenblätter und Strassenmusiker sorgten für eine unvergessliche Feier. Doch die frisch Vermählten wissen: Die Arbeit an ihrer Beziehung hat gerade erst richtig begonnen. BILD: ZVG
AUFGEZEICHNET VON RETO ASCHWANDEN
Eva Kreibich: Kennengelernt haben wir uns im April 2007. Wir besuchten die Gottesdienste der gleichen Gemeinde und haben uns ein paar Mal unterhalten. Wolfgang machte den Reinigungsdienst und engagierte mich als Ferienaushilfe. Irgendwann ist mir ein Missgeschick passiert, weil ich zwei Telefonnummern vertauscht habe. Da meinte er: Das kostet ein Gipfeli, lass uns was trinken gehen. So landeten wir in der Grün 80 und haben 14 Stunden miteinander geredet. Ein paar Tage später hat er mich angerufen und wollte sich wieder verabreden. Wolfgang Kreibich: Ich war Feuer und Flamme. Habe mir überlegt, wie sag ich ihr das. Also habe ich sie ins Restaurant eingeladen. Ich war so nervös. Schliesslich nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und sagte: Du Eva, ich liebe dich. Und sie antwortete: Ich liebe dich auch. Am Anfang hatte ich Zweifel. Wir sind sehr verschieden und gleichzeitig dickköpfig. Ich bin sehr verantwortungsbewusst und mache mir dadurch das Leben schwer. Ich bin mehr der Lebenskünstler. Deshalb regen wir uns über die Eigenheiten des anderen auf. Andererseits ergänzen wir uns dadurch. Erzähl doch mal von der Hochzeit. Das war wunderschön! Wir wurden in einer Stretch-Limo durchs Dorf gefahren. Ich wollte einfach mal erleben, wie sich das anfühlt. Dann wurden wir vor dem Standesamt in Empfang genommen. Es hatte viele Leute, die ich schon lange nicht mehr gesehen hatte. Auf einmal stand da eine Gruppe von Strassenmusikern. Die hatten wir nicht bestellt, aber wo sie schon mal da waren, spielten sie für uns. Das Publikum war gemischt: Evas Familie und Freunde, SurpriseAngestellte, Leute von der Strasse, auch Kundschaft von mir. Wir durften selber Sachen gestalten für die Trauungszeremonie. Es war sehr persönlich und schön. Wir hörten das Hohelied Salomons, es gab ein Gedicht von Christian Morgenstern und dann haben wir uns gegenseitig ein paar Worte gesagt. Beim Verlassen des Standesamtes haben uns Leute von Surprise mit Rosenblättern beworfen. Danach gabs Apéro, den hat Evas Schwester für uns ausgerichtet. Und dann haben wir richtig gefeiert. Ich habe einen jüdischen Tanz aufgeführt. Wolfgang sass im Stuhl und ich tanzte sieben Mal um ihn herum. Und wir hatten einen Panflöten-Spieler, das habe ich mir gewünscht.
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Was ein bisschen eigenartig war: Normalerweise weint bei einer Hochzeit die Braut, diesmal wars der Bräutigam. Später, als Eva den Brautstrauss geworfen hat, hat den die Freundin ihres Sohnes gefangen. Die haben sich dann am selben Abend noch verlobt. Sie sind schon lange zusammen. Unsere Flitterwochen haben wir verschoben. So eine Hochzeit kostet ja auch was. Und weil nun die beste Zeit für den Heftverkauf ansteht, will ich erst wieder Geld reinholen. Die Hochzeitsreise holen wir dann nächstes Jahr nach. Man fühlt sich nach der Trauung sehr verbunden. Aber damit ist es nicht getan. Das Haus ist noch nicht fertig gebaut. Wir müssen da und dort noch schleifen und einrichten. Aber das Leben ist ja ein Lernprozess. Die Heirat ist ein Anfang, nicht das Ende. Wichtig ist, dass man an sich arbeitet, um immer näher zueinanderzufinden. Wichtig war einfach, dieses Wort auszusprechen: So wie du bist – Ja. So stehe ich zu dir. Vor der ganzen Welt. Wenn man lange allein gelebt hat, so wie wir, und nicht mehr 20 ist, dann haben sich Gewohnheiten eingeschlichen, die den anderen stören. Damit muss man sich immer wieder konfrontieren, damit man gemeinsam den Rank finden kann. Das gehört dazu. Das hast du schön gesagt.
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Starverkäufer BILD: ZVG
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Elisabeth Augstburger aus Liestal nominiert Theo Geiser als Starverkäufer: «Schon jahrelang begegne ich Theo Geiser. Er ist jeweils sehr freundlich und ausgeglichen. Trotz seines schweren Unfalles vor einigen Jahren, der sein Leben geprägt und verändert hat, verlor er den Mut nicht und hat auch bei starken Schmerzen tapfer weitergekämpft. Das ist beispielhaft und verdient Anerkennung! Ich wünsche Herrn Geiser und seiner Familie alles Gute und weiterhin viel Mut für alle herausfordernden Situationen.»
Ausserdem im Förderprogramm SurPlus: Marlies Dietiker, Olten Peter Hässig, Basel Fatima Keranovic, Baselland René Senn, Zürich Andreas Ammann, Bern Wolfgang Kreibich, Basel
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Herausgeber Strassenmagazin Surprise GmbH, Postfach, 4003 Basel, www.strassenmagazin.ch Geschäftsführung T +41 61 564 90 63 Fred Lauener, Agnes Weidkuhn (Assistenz GF) Öffnungszeiten Sekretariat Mo–Do 9–12 Uhr, T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 info@strassenmagazin.ch Redaktion T +41 61 564 90 70 Reto Aschwanden (verantwortlich), Julia Konstantinidis, Mena Kost, Thomas Oehler (Sekretariat) redaktion@strassenmagazin.ch Freie Mitarbeit Florian Bachmann, Zhuang Fanfan, Diana Frei, Andrea Ganz, Michael Gasser, Yvonne Kunz, Delia Lenoir, Dominique Meienberg, Irene Meier, Fabienne Riklin, Fabienne Schmuki, Isabella Seemann, Priska Wenger, Christopher Zimmer, Oliver Zwahlen Korrektorat Alexander Jungo Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 29 400, Abonnemente CHF 189.–, 24 Ex./Jahr Anzeigenverkauf T +41 76 325 10 60 anzeigen@strassenmagazin.ch
Sport und Kultur Surprise fördert die Integration auch mit Sport. In der Surprise Strassenfussball-Liga trainieren und spielen Teams aus der ganzen deutschen Schweiz regelmässig Fussball und kämpfen um den Schweizermeister-Titel sowie um die Teilnahme an den Weltmeisterschaften für sozial benachteiligte Menschen. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Chor. Gemeinsames Singen und öffentliche Auftritte ermöglichen Kontakte, Glücksmomente und Erfolgserlebnisse für Menschen, denen der gesellschaftliche Anschluss sonst erschwert ist. Finanzierung, Organisation und internationale Vernetzung Surprise ist unabhängig und erhält keine staatlichen Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle anderen Angebote wie die Betreuung der Verkaufenden, die Sportund Kulturprogramme ist Surprise auf Spenden, auf Sponsoren und Zuwendungen von Stiftungen angewiesen. Surprise ist eine nicht gewinnorientierte soziale Institution. Die Geschäfte werden von der Strassenmagazin Surprise GmbH geführt, die vom gemeinnützigen Verein Strassenmagazin Surprise kontrolliert wird. Surprise ist führendes Mitglied des Internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP) mit Sitz in Glasgow, Schottland. Derzeit gehören dem Verband über 100 Strassenzeitungen in 40 Ländern an.
Marketing T +41 61 564 90 61 Theres Burgdorfer Vertrieb T +41 61 564 90 81 Smadah Lévy (Leitung) Vertrieb Zürich T +41 44 242 72 11 Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, Mobile +41 79 636 46 12 r.bommer@strassenmagazin.ch Vertrieb Bern T +41 31 332 53 93 Alfred Maurer, Pappelweg 21, 3013 Bern, Mobile +41 79 389 78 02 a.maurer@strassenmagazin.ch Betreuung und Förderung T +41 61 564 90 51 Rita Erni Chor/Kultur T +41 61 564 90 40 Paloma Selma Strassensport T +41 61 564 90 10 Lavinia Biert Trägerverein Strassenmagazin Surprise Präsident: Peter Aebersold Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird von der Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt. Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen. SURPRISE 238/10
Gut betucht.
Dazu passend: Leichtes T-Shirt, 100%Baumwolle, für Gross und Klein.
Grosses Badetuch 100 x 180 cm aus sehr langlebigem Zwirngarn, 100% handgepflückte Baumwolle. Mit Surprise-Logo eingewebt und von A bis Z in der Schweiz hergestellt. Vorder- und Rückseite verschiedenfarbig: vorne kühles Aquablau, hinten heisses Rot.
Herren CHF 25.– S M
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Damen CHF 25.– M CHF 20.– XS S (auch für Kinder) Alle Preise exkl. Versandkosten.
Strandtuch (100 x 180 cm) CHF 65.–
50 Prozent des Verkaufspreises kommt Surprise zugute.
Vorname, Name
Telefon
Strasse
PLZ, Ort
Datum, Unterschrift 238/10
*gemäss Basic 2008-2. Seite bitteMACH heraustrennen und schicken oder faxen an: Strassenmagazin Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@strassenmagazin.ch
Ist gut. Kaufen! Wer etwas verkauft, braucht Geld. Schlichte Wahrheit – gute Sache. Denn 50 Prozent des Verkaufspreises kommt Surprise zugute. Alle Preise exkl. Versandkosten.
Surprise Zeitungs-Taschen (34 x 36 cm); CHF 37.50 neon-orange schwarz
Surprise City-Taschen (24,5 x 35,5 cm); CHF 40.– rot blau schwarz
Vorname, Name
Telefon
Strasse
PLZ, Ort
Datum, Unterschrift
Surprise Rucksäcke (32 x 40 cm); CHF 89.– schwarz rot
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*gemäss Basic 2008-2. Seite bitteMACH heraustrennen und schicken oder faxen an: Strassenmagazin Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@strassenmagazin.ch SURPRISE 238/10
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Von Aarberg bis Zuoz. Surprise gibt es beim Strassenhändler Ihres Vertrauens. Oder im Abo per Post.
24 Ausgaben für 189 Franken oder als Gönner-Abo für 260 Franken. Gutes lesen, Gutes tun und gleich bestellen! www.strassenmagazin.ch, www.strassensport.ch, Spendenkonto PC 12-551455-3 Strassenmagazin Surprise, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99