Rollenwechsel Papi im Vaterkurs Expats: Einblick in die Welt der Arbeitsnomaden
Die Gedanken sind frei – philosophieren im Gefängnis
Nr. 249 | 6. bis 19. Mai 2011 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.
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Titelbild: iStockphoto
Alle wissen, dass es sie gibt, aber niemand kennt sie: Expats – meist englischsprachige, gut ausgebildete Ausländer, die in die Schweiz kommen, um für einen internationalen Konzern zu arbeiten – sind eine unscheinbare Ausländergruppe. Bisher waren sie gerngesehen, weil sie keine Probleme machen, im Gegenteil: Statt in die soziale Hängematte, hängen sich Expats voll in ihre Arbeit. Statt bei Denner kaufen sie bei Globus Delikatessa ein und statt zu sechst in einer Schwamendinger Zweizimmerwohnung wohnen sie zu zweit auf 200 Quadratmetern im Zürcher Seefeld. Aufgrund ihrer Bildung, Herkunft und ihres Status werden Expats als Bevölkerungsgruppe für die Wirtschaft immer interessanter. Für den Mittelstand werden die Arbeitsnomaden allerdings auch immer bedrohlicher: Ihre Zahl nimmt zu – und schon machen Einheimische diese «High-Potentials» verantwortlich für schwinden- JULIA KONSTANTINIDIS den günstigen Wohnraum, für die Energieknappheit und die Verteuerung der REDAKTORIN Lebenshaltungskosten. Die Expats selber bekommen oft nichts von diesen Diskussionen mit, weil sie die Landessprache nicht verstehen und häufig verkehren sie hauptsächlich im Kreise anderer Expats. Wir wollten Menschen hinter dem Begriff kennen lernen und haben drei von ihnen getroffen. Lesen Sie ab Seite 16, wie Expats die Schweiz erleben. Man muss nicht unbedingt in ein neues Land ziehen, um sich fremd zu fühlen. Es kann auch passieren, dass ein kleiner Mensch, der neu ins Leben eines Paars tritt, dieses Gefühl auslöst. Unser Autor Stefan Michel traf im «Schleuderkurs für Väter» auf Männer, die sich in ihrer Rolle nicht zurechtfinden und hoffen, sich dank des Kurses besser auf der Landkarte der Vaterwelt orientieren zu können. Lesen Sie ab Seite 10, welche Erfahrungen unser Autor machte. Für die Welt, in der sich Sträflinge bewegen, braucht es keine Karte – deren Wege sind da wenige. Aber die Gedanken, die sind frei und in ihnen kann man überall hin wandern. In der Justizvollzugsanstalt BerlinTegel erhalten Häftlinge dafür Orientierungshilfe von Philosophen. Wie das genau funktioniert, lesen Sie ab Seite 20 in der Reportage von Elisabeth Wiederkehr. Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre. Herzlich Julia Konstantinidis
Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 Ihre Meinung! Bitte schicken Sie uns Ihre Anregungen oder Kritik: Strassenmagazin Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 70, redaktion@strassenmagazin.ch. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion behält sich vor, Briefe zu kürzen. SURPRISE 249/11
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BILD: DOMINIK PLÜSS
Editorial In unbekannten Gefilden
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10 Flüchtlingspolitik Angst ohne Grenzen BILD: ISTOCKPHOTO
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Inhalt Editorial Fremd in Variationen Basteln für eine bessere Welt Würfeln für Anna Aufgelesen Vor dem Nichts Zugerichtet Ein Drink mit Folgen Surprise Strassenchor Singen Sie mit! Starverkäufer Abraham Kiffle Porträt Der mit Fliegen fischt Justizvollzug Philosophie im Knast Le mot noir Richtig gute Arbeit Emos Die «Gspüürigen» Kulturtipps Ein Buch zum Wüten Ausgehtipps Schweizer Jack Johnson Verkäuferporträt «Armut ist heilbar, Reichtum teilbar» Projekt Surplus Eine Chance für alle! In eigener Sache Impressum INSP
Die Demokratiebewegungen im arabischen Raum geniessen hierzulande viel Respekt und Sympathie. Flüchtlinge als Folge politischer Instabilität sind aber nicht willkommen. Die Schweiz und Europa fechten eine abstruse Abwehrschlacht gegen vermeintliche Flüchtlingsströme. Bei den Kriegen auf dem Balkan war das noch anders. Doch seither haben Verfolgte und Schutzsuchende jede Lobby verloren.
13 Familie Väter auf Schlingerkurs BILD: ISTOCKPHOTO
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Seit Männer mit Nachwuchs nicht mehr einfach die Rolle des patriarchalen Familienoberhaupts einnehmen können und wollen, geraten nicht wenige von ihnen ins Schleudern. Wann und wie oft sollen oder müssen sie sich um die Kinder kümmern – und was, wenn das Kind partout nichts vom Vater wissen will? Orientierungshilfe können sich verunsicherte Papis im Vaterkurs holen. Unser Autor und Jung-Vater Stefan Michel war dabei.
16 Migration Die Arbeitsnomaden
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BILD: ISTOCKPHOTO
Ausländer wie sie sind gerngesehen: smart, kaufkräftig und angepasst. In der Schweiz leben immer mehr «Expats» – Angestellte internationaler Firmen. Der Aufenthalt der Durchreisenden in den Büros der Weltkonzerne ist oft befristet, deshalb sind Expats untereinander gut organisiert, man hilft sich in der Fremde. Doch das Leben in der englischsprachigen Parallelwelt kann zum Integrationshindernis werden – vor allem, wenn aus der Vorläufigkeit Sesshaftigkeit wird. Drei Expats erzählen von ihren Erfahrungen.
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ILLUSTRATION: WOMM
Malen Sie auf ein Stück Papier sechs gleich grosse Quadrate in Kreuzform auf.
Zeichnen Sie die Würfelaugen auf die einzelnen Quadrate. Von oben nach unten: 3, 2, 4 und 5 Von links nach rechts: 1, 2, und 6
Zeichnen Sie an den Seitenrändern der freiliegenden senkrechten Quadrate zusätzlich Laschen ein, damit Sie den Würfel zusammenkleben können. Am Quadrat mit den drei Würfelaugen zeichnen Sie zusätzlich am Kopfende eine Lasche ein.
Schneiden Sie die Vorlage aus. Malen Sie die Würfelaugen schwarz aus. Wenn Sie möchten, können Sie die Flächen bunt anmalen. Kleben Sie den Würfel mithilfe der Laschen zusammen.
Basteln für eine bessere Welt Dieses Jahr sind es Anna Rossinelli und Band, die versuchen, am Eurovision Song Contest über den Halbfinal hinauszukommen und ein paar Punkte mit nach Hause zu bringen. Wir verlassen uns nicht mehr auf die Punktrichter – und erwürfeln uns das Resultat lieber zu Hause am Clubtisch. So gibts sicher nicht null Punkte. SURPRISE 249/11
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Aufgelesen News aus den 90 Strassenmagazinen, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.
Vor dem Nichts Hamburg. Erdbeben, Tsunami, atomare Katastrophe – ein Verkäufer des Hamburger Strassenmagazins erzählt, warum er täglich die Entwicklungen in Japan verfolgt: «Seit ich wieder eine Wohnung habe, schaue ich täglich Nachrichten. Als ich noch obdachlos war, lag das nicht drin. Jetzt, wo ich sehe, wie die Menschen in Japan alles verloren haben, denke ich an die Zeit, in der ich selbst vor dem Nichts stand: Als meine Ehe zerbrach, ich den Job verlor und dann auf der Strasse landete. Die Menschen in Japan tun mir so leid.»
Auf Augenhöhe Salzburg. Augenhöhe ist ein Synonym für Gleichberechtigung: «Trotzdem müssen sich Hierarchie und Augenhöhe nicht ausschliessen», weiss Konfliktmanagerin Christa Heidinger. «Wenn etwa ein Vorgesetzter bereit ist, zuzugeben, dass es auch für ihn nicht immer leicht ist oder dass er einen harten Tag hatte, kann trotz Chefposition Augenhöhe entstehen.» Die Fähigkeit, Schwächen zuzugeben, koste jemanden nämlich nicht den Respekt seiner Mitmenschen, sondern erhöhe ihn und schaffe Vertrautheit.
Mit Bussgeld zum Deutsch Hannover. Künftig sollen Vorschulkinder in Hannover, die nicht zum obligatorischen Sprachförderkurs erscheinen, mit Bussgeldern zur Teilnahme gezwungen werden. Denn Untersuchungen haben gezeigt, dass rund 12 000 Kinder mangelnde Deutschkenntnisse aufweisen. Davon nehmen zwei Prozent nicht an den obligatorischen Sprachfördermassnahmen teil. Die Drohung mit Zwangsgeldern soll den Stellenwert der Sprachförderung bewusster machen.
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Zugerichtet Stutz an Jessica Es war ein «Sex on the Beach», das Longdrinkglas voller Eis, die Aussenwand nass. «Da ist mir das Glas aus der Hand gerutscht», sagt Vanessa*. Sie wollte «dieser Person» nur den Drink ins Dekolleté schütten, das war ihr die Revanche wert, obwohl sie es sich nicht leisten kann, Bargetränke zu verschütten. Vanessa, 27, alleinerziehende Mutter zweier Kinder, empfängt Sozialhilfe. Letzten Sommer in einem Club in Oerlikon. «Plötzlich», sagt sie, «habe ich von dieser Person eine Ohrfeige erhalten. Ich konnte es nicht fassen. Ich frage meine Freunde: Warumwiesoweshalb, aber die konnten es mir auch nicht sagen.» Vanessa stand mit dem Rücken zu «dieser Person». «Ich vermute mal», sagt sie, «ein Mann hat an ihren Hintern gegrapscht. Da musste ich dran glauben.» Sie hat für den Gerichtstermin bereits die Sommersachen hervorgeholt. Anmutig flatterte sie in den Verhandlungssaal, ein Schmetterling im staubigen Paragraphendschungel. Das Glas, das Vanessa aus der Hand gerutscht war, soll noch zwei andere Frauen verletzt haben. Vanessa sagt, ihr Glas allein kann nicht so viel Schaden angerichtet haben. «Da haben sich noch ganz andere Leute die Gläser um die Ohren geschlagen, nicht, dass ich hier die ganze Nacht aufgebrummt bekomme.» Aber tatsächlich, Vanessa bekommt die ganze Nacht aufgebrummt. Am schwersten verletzt war Jessica, sie tanzte gerade, sah nicht, was geflogen kam, nur das viele Blut in ihrem Gesicht. Man brachte sie ins Spital, die
Wunde über der Braue musste mit sieben Stichen genäht werden. Sie verlangt 5000 Franken Schmerzensgeld. Auch Jessicas Cousine hatte einen Splitter im Gesicht. Vanessa hatte gehofft, dass geklärt würde, was los war im Club. Sie hatte ganz viele Scherben auf dem Boden gesehen. Konnten die von einem einzigen Glas stammen? Konnte das Glas an «dieser Person» abprallen, zersplittern und gleichzeitig die Jessica verletzen? Hat «diese Person» sich weggeduckt? Keiner hat etwas gesehen, etwas gehört. Aber es gibt ihr Geständnis. Eine Verletzte, auf die sie aber nicht gezielt hatte. Und eine «Person», auf die Vanessa gezielt hatte. Und es gibt die Überzeugung der Richterin, dass Vanessa die einzige Glaswerferin war. Und ausserdem: Es bleibt eine einfache Körperverletzung, so oder so. Die Richterin verurteilt sie zu einer bedingten Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu 80 Franken und einer Genugtuung von 2000 Franken. «Ich hab doch gar kein Geld», erwidert Vanessa. «Wie soll ich denn das bezahlen? Kann ich das Abarbeiten?» Die Richterin rauft sich die streichholzkurzen Haare. «Hier ist nichts mit Abarbeiten! Das ist Schmerzensgeld und Sie sind noch milde davongekommen, aber Sie …» Vanessa wird schnippisch: «Okay. Ich hab’s gecheckt. Kein Grund zum Ausflippen.» Die Richterin ist genervt: «Abarbeiten geht nicht! Stutz an Jessica! Das ist die Auflage! Und Sie schmeissen nicht mehr mit Gläsern herum! Auch nicht, wenn Sie eine Ohrfeige bekommen!» *Persönliche Angaben geändert. ISABELLA SEEMANN (ISEE@GMX.CH) ILLUSTRATION: PRISKA WENGER (PRISKAWENGER@GMX.CH) SURPRISE 249/11
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Surprise Strassenchor Konzerte zum Mitsingen Der Surprise Strassenchor hat die Winterpause genutzt, um ein neues Repertoire einzustudieren. Unter der Leitung von Ariane Rufino dos Santos möchten die Sängerinnen und Sänger auch ihr Publikum zum Mitsingen einladen. Diese Gelegenheit haben singfreudige Zuhörerinnen und Zuhörer zum ersten Mal am Mitsingkonzert vom 7. Mai auf dem Theaterplatz in Basel.
Mitsingkonzerte des Surprise Strassenchors: Sa, 7. Mai, 11.30 Uhr im Rahmen des 125 Jahre Jubiläums der Christoph Merian Stiftung, Theaterplatz Basel.
Die Sängerinnen und Sänger des Surprise Strassenchors lassen auch ihr Publikum zu Wort kommen.
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Starverkäufer Abraham Kiffle
Schreiben Sie uns mit einer kurzen Begründung, welche/n Verkäufer/in Sie an dieser Stelle sehen möchten: Strassenmagazin Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 (0)61 564 90 99, redaktion@strassenmagazin.ch
Christina Morscher aus Zürich nominiert Abraham Kiffle als Starverkäufer: «Vor der Migros in Zürich Seebach steht bei Wind und Wetter Abraham Kiffle. Für alle hat er ein Lächeln. Auch ernste oder missgelaunte Leute schauen ein bisschen gelöster drein, wenn sie an Abraham vorbeigegangen sind. Viele Leute lassen sich auf ein kürzeres oder längeres Gespräch mit ihm ein. Dadurch hilft er, Vorurteile gegenüber Ausländern abzubauen. Er ist höflich, zuvorkommend, fleissig und herzlich.»
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Sa, 28. Mai, 18 Uhr im Rahmen des Wildwuchs Festivals, Kasernenplatz Basel.
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Porträt Das Geheimnis der gefiederten Fliege Hans-Ruedi Hebeisen, 68, ist einer der weltbesten Fliegenfischer. Die Sommermonate verbringt er auf seinem Schloss in Irland, wo er seiner zweiten Leidenschaft frönt: dem Kochen. VON ISABELLA SEEMANN (TEXT) UND NANDOR NAGY (BILD)
Es ist so still, dass man sie hört, die Stille der Natur. Nur hie und da klingt das Murmeln des Wassers, zuweilen ein Platschen, wenn ein Fisch aufspringt, einen Salto macht und wieder untertaucht – und das Sirren der Seidenschnur, die Schleifen durch die Luft zieht. Mitten im Fluss steht Hans-Ruedi Hebeisen und setzt Wurf um Wurf mit der handgespleissten Bambusrute. Wer je dem Zauber des Fischens erlegen ist, weiss, was das gewöhnliche Angeln vom Fliegenfischen trennt. Der Fischer nimmt hier kein Wurfgewicht, er bedient sich stattdessen einer speziellen Schnur, die er lassogleich über das Wasser schnellen lässt und an deren Ende ein Insektenimitat hängt, ein filigranes Kunstwerk aus bunten Federn und Fäden, das nicht viel mehr als ein halbes Gramm wiegt. Wie so etwas aussieht, hat das Kinopublikum in Robert Redfords Romanverfilmung «A River Runs Through It» vorgeführt bekommen. Brad Pitt spielt darin den verwegenen Sohn einer presbyterianischen Familie, für die es keine Trennung zwischen Religion und Fliegenfischen gibt. Bei Hans-Ruedi Hebeisen sind Fischen und Arbeiten eins. Und damit ist er erst noch zu Wohlstand gekommen. Nach einer kaufmännischen Ausbildung übernahm er das von seinem Vater 1948 gegründete Fischerlädeli in Zürich-Seebach und baute es zu einem der führenden Sportfischereiunternehmen der Welt aus. Die Schaffhauserstrasse 514 ist ein Ort, wo sich Fischer fühlen wie Kinder im Bonbonladen: Hunderte von Ruten stehen da, Rollen und Schnüre der verschiedensten Art, tausenderlei Köder und Fliegen. Manch ein Hobbyangler reisst hier ein Loch in sein Budget, dass die ganze Familie durchfällt. HRH, wie Hans-Ruedi Hebeisen von Petris Jüngern genannt wird, ist mit vielen Kunden seit Jahrzehnten verbunden, erfreulicherweise kämen aber auch stets neue, junge hinzu. «Das Fliegenfischen ist zu einem Trendsport geworden – und auch bei Damen beliebt.» Wobei er gleich klarstellt, dass Fliegenfischen kein Sport ist, «sondern eine Lebensphilosophie». Manche würden es auch «eine Art Krankheit» nennen – zumindest in dem Sinn, dass man sich mit der Leidenschaft unheilbar infizieren kann. Fliegenfischer gelten als Exzentriker unter den Anglern – und HRH ist eine Legende in dieser Szene. Er wirft nicht nur schön, sondern auch präzise und weit. Mit 62,73 Metern hielt er zeitweise den Weiten-Weltrekord. Inzwischen gibt er seine Erfahrungen im Werfen wie im Fangen an seine Schüler weiter, Wirtschaftsbosse, Hollywoodstars und Politiker («keine Namen bitte») buchen von ihm geführte Anglerreisen an den Yukon-River, nach Patagonien oder Schweden. «Im Fliegenfischen ist Wurftechnik alles», doziert Hebeisen, watet in den Fluss und zeigt den Schlangenwurf, den Gebetsroither-Rückschwung, den Überkopfwurf mit Doppelzug, den Knapp-um-die-Ohren-des-Photografen-Wurf, und dann demonstriert er noch, wie man mit der Schnur einen Fisch in den Himmel zeichnet. «Der Arm, die Rolle und die Schnur müssen eins werden», sagt der Meister und fügt hinzu, dass Musikalität von Vorteil sei, «denn oh-
ne Rhythmus geht es nicht». Und mit Kraftanstrengung schon gar nicht. Hebeisens Tipp: «Halte die Rute so sanft wie ein frisch geschlüpftes Küken.» Das ist gar nicht einfach für Grossstädter und bei manchem Neuling verheddern sich die Schnüre innert Minuten zu einem Makramee. Fliegenfischer halten nicht einfach die Angel ins Wasser und warten, dass einer anbeisst. Sie pirschen sich an wie die Katze vorm Mauseloch. Mit List und Geduld. Und Fairness. Fliegenfischer fischen ohne Widerhaken und lassen dem Fisch die Chance, den Köder auszuspucken. Viele Damen und Herren in Grün lassen ihre Beute wieder frei, die Freude am perfekten Wurf zählt. Bei Hebeisen ist das anders: «In der Seele bin ich Jäger geblieben. Ich fische und esse meine Beute.» Das Kochen ist seine zweite Passion. Mit der Starköchin Rosa Tschudi, die ihn als «grossen Künstler im Kochen» schätzt, trifft er sich regelmässig für kulinarische Vergnügungen. In seinem Buch «Faszination Tafelfreuden», das mit der Goldmedaille für das beste Kochbuch 2009 ausgezeichnet wurde, hält er nicht nur Rezepte, sondern auch Erlebnisse aus seinem Leben als Fischer, Weltreisender und Geniesser fest. Band zwei ist kürzlich erschienen, und weil noch immer nicht alles erzählt ist, denkt er über eine Trilogie nach. Sommers reist Hebeisen jeweils nach Irland, in die Nähe von Galway, und zieht sich in seinen herrschaftlichen Landsitz aus dem 19. Jahrhundert, der einst dem englischen Vizekönig und Statthalter Irlands gehörte, zurück. Zum Schreiben und, klar, zum Angeln. Er nennt zehn Seen sein Eigen. Hans-Ruedi Hebeisen ist ein Gentleman alter Schule, doch wenn man auf Tierschützer zu sprechen kommt, kann er schon mal die Contenance verlieren. «Hirnrissiger Bockmist», echauffiert er sich über die Argumentation des Tieranwalts Antoine Goetschel im Hecht-Fall. «In meinem ganzen Leben habe ich noch nie einen grösseren Scheissdreck zu hören bekommen.» Was den selbsternannten Tierschützern an Wissen über die Zusammenhänge in der Natur fehle, kompensierten sie mit Ideologie und Dogmatismus, meint der 68-Jährige. Es seien nämlich stets die Fischer, die sich im Naturschutz vorbildlich engagierten – allein schon aus ureigenem Interesse. Für ihn ist die Disziplin auch erzieherisch wertvoll. «Fischen macht mental stark, weil man gegen das Aufgeben ankämpfen muss. Wann kommt der Biss? Nach drei oder dreihundert Würfen? Man weiss es nie, und wenn die Konzentration nachlässt und man falsch reagiert, waren viele Stunden Fischen umsonst.» Mehr als einmal habe er sich den «Ranzen abgefroren», ein Vollbad genommen und nichts gefangen.
«Fischen macht mental stark, weil man gegen das Aufgeben ankämpfen muss.»
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Als Höhepunkt des Fliegenfischerlebens betrachtet Hans-Ruedi Hebeisen ein Abend allein im eigenen Fluss in Irland, umschwärmt von schlüpfenden Köcherfliegen, nach denen im Zwielicht selbst die vorsichtigsten Grossforellen verrückt sind. Dann sinniert er gern über den Ausspruch des römischen Dichters Horaz: «Carpe diem» – nutze den Tag. Oder wie der König der Fliegenfischer treffender übersetzt: «Fange den Tag!» ■
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BILD: KEYSTONE
Andere Zeiten, anderer Empfang: 1999 begrüsste der Direktor des Bundesamts für Flüchtlinge, Jean-Daniel Gerber, Ankömmlinge aus dem Kosovo persönlich in der Schweiz.
Flüchtlingspolitik Wenig herzlich Noch bevor überhaupt ein einziger Nordafrikaner die Schweiz erreicht hatte, war sie schon da: die Ablehnung der Flüchtlinge. Diese Stimmung ist politisch gewollt und medial befeuert. Als in den 1990er-Jahren der Balkan brannte, war das noch ganz anders.
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VON CHRISTOF MOSER
die Leichen von Ertrunkenen aus ihren Netzen. Das Mittelmeer ist ein nasses Grab, nicht erst seit gestern. Und die Opferzahlen erreichen jene eines Kriegs. Schnell vergessen ging auch, dass das kleine Tunesien – Einwohnerzahl zehn Millionen – inzwischen über 400 0000 Bürgerkriegsflüchtlinge aus Libyen aufgenommen hat und damit die Hauptlast der Tragödie trägt. Im Vergleich dazu wirkt es lächerlich, dass der 500 Millionen Menschen zählende Kontinent Europa mit den 20 000 Flüchtlingen auf der italienischen Mittelmeer-Insel Lampedusa überfordert sein will. Das hinderte die Medien nicht daran, die Ablehnung gegen Flüchtlinge von Anfang an und ohne jedes Mitgefühl voranzutreiben. «Kommt die Flüchtlingswelle, droht ein Anstieg der Kriminalität», titelte zum Beispiel der «Tages-Anzeiger» seitenfüllend, lange bevor über-
Von der Freude über den «arabischen Frühling», über die Revolten in Nordafrika und dem Nahen Osten, vom Respekt für den Freiheitskampf der jungen Menschen auf der anderen Seite des Mittelmeers ist in Europa nur noch herzlich wenig übrig: die Angst vor Flüchtlingen. Sie äussert sich zum Beispiel in Leserbriefspalten: «Mir wird ganz mulmig, wenn ich diese Typen schon nur sehe», schrieb ein «Blick»-Leser. Ein anderer meinte: «Sobald Demokratie und Freiheit in Aussicht stehen, flüchten sie! Diese Leute sind gefährlich und offensichtlich nur in einer Diktatur zu bändigen. So sieht die Realität leider aus!» Abgesehen davon, dass solche Leserbriefe vor einigen Jahren noch nicht gedruckt worden wären, weil sie rassistisch sind, stellt sich ganz grundsätzlich die Frage: Woher kommt sie, diese Ablehnung? Die Frage stellt sich umso Die Behörden tun alles, damit kein Flüchtling die Schweiz erreicht. Trotzdem mehr, als dass es eine Ablehnung auf Vorrat schwillt die Angst vor einer Flüchtlingswelle auf einen neuen Höchststand. ist: Als besagte Leserbriefe Mitte April veröffentlicht wurden, hatten es gerade mal ein haupt der erste Flüchtling die Schweizer Landesgrenze querte. «Nordpaar Dutzend Nordafrikaner in die Schweiz geschafft. Was als Erfolg afrikaner haben Diebstähle begangen», titelte die «Aargauer Zeitung» der Politik gefeiert wird, ist eigentlich ihr doppeltes Versagen: Die Beein paar Wochen später, als die ersten Flüchtlinge Chiasso erreicht hathörden tun alles Mögliche und Unmögliche, damit kein Flüchtling die ten. Basis der prominent aufgemachten Geschichte war eine unbelegte Schweiz erreicht, und trotzdem schwillt die Angst vor einer FlüchtBehauptung von SVP-Mitglied Heinz Brand, dem Chef der Schweizer lingswelle auf einen neuen Höchststand. Mutmasslich mit den entspreMigrationsämter. chenden politischen Folgen, zumal die Schweiz im Herbst ein neues Die Medien befeuern nur eine vorhandene Grundstimmung, die Parlament wählt. wahren Gründe für die Welle der Angst sind tiefer zu suchen als an der medialen Oberfläche. Längst und ohne Not haben sich auch die politiMassengrab im Mittelmeer schen Parteien zu Komplizen der Flüchtlingsgegner gemausert. Die Es wäre ein Leichtes, die Medien für diese Grundstimmung der Gründe dafür sind politisch gewollt oder zugelassen, und es gibt einfaAngst verantwortlich zu machen. Gründe dafür gäbe es genug. Das che Erklärungsmuster dafür und kompliziertere. Die Auswirkungen AKW in Fukushima rauchte noch aus allen Ritzen, als die News-Ticker sind so oder so frappant: Man braucht nicht weit zurückzublenden, da der Onlineportale ihren Fokus wieder zurück ans Mittelmeer verlagerwar die Aufnahme von Flüchtlingen zumindest nicht weniger als ein ten: Plötzlich ratterte nicht mehr jeder gemessene Strahlungswert als notwendiges Übel – und das war im Vergleich zu heute schon viel. «Breaking-News» über die Bildschirme, sondern immer neue, noch höhere Zahlen von jungen Männern in Booten. Aus Tausenden TsunamiBrot für Balkan-Flüchtlinge Toten wurden über Nacht Tausende Tunesier, alle auf dem Weg nach Um den Stimmungswandel zu beschreiben, ist es gar nicht nötig, die Europa, in die Schweiz. Schnell einmal war von einem «Flüchtlingsviel zitierten 14 000 Ungarn-Flüchtlinge zu bemühen, die 1956 vor dem Tsunami» die Rede. sowjetischen Einmarsch in die Schweiz flüchteten und nicht zuletzt In der allgemeinen Aufregung gingen alsbald die wichtigsten Fakten deshalb mit offenen Armen empfangen wurden, weil sie sich vor den vergessen. Zum Beispiel, dass die angebliche Flüchtlingswelle eigentverhassten Kommunisten retteten. Bedeutsamer im Hinblick auf die lich ein steter Strom ist. Schon vor den Umstürzen in der arabischen heutige Situation war die Solidaritätswelle, die den Chilenen 1973 nach Welt strandeten Jahr für Jahr Tausende Flüchtlinge aus Afrika an Eurodem Sturz der Regierung Allende in der Schweiz entgegenschlug. Der pas Küsten. Seit 1998 ertranken laut der Organisation «Fortress Europe» Bundesrat wollte damals nicht mehr als 200 chilenische Flüchtlinge gegen 10 000 Flüchtlinge im Mittelmeer. Immer wieder ziehen Fischer SURPRISE 249/11
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gestellt hat, verwandelte Sommaruga die Flüchtlingswelle im Gleichaufnehmen. Dagegen regte sich jedoch Protest in der Bevölkerung, der klang mit den anderen europäischen Ministern in eine Flüchtlingsflut. dazu führte, dass die Schweiz weit mehr Chilenen aufnahm. «In Europa herrscht höchste Alarmstufe», titelten tags darauf nicht nur Am Eindrücklichsten illustriert den Stimmungswandel gegenüber Schweizer Zeitungen. «Ich werde täglich darüber informiert, wie viele Flüchtlingen jedoch der Rückblick in die 1990er-Jahre, als auf dem BalLeute in Lampedusa ankommen», beruhigte Sommaruga umgehend via kan Kriege tobten und die Schweiz zuerst 30 000 Menschen aus Bos«NZZ am Sonntag». Und plötzlich war die Sozialdemokratin realpolinien und Herzegowina aufgenommen hat und Ende des Jahrzehnts tisch dort, wo sie ideell gar nicht hingehört: mitten in der technokratiweitere 53 000 Flüchtlinge aus dem Kosovo. schen Verwaltung des Elends. Auch damals war die Angst vor einer Flüchtlingswelle gross, und sie war angesichts von bis zu 1100 Flüchtlingen, die an Spitzentagen an die Bilaterale Zweiklassen-Gesellschaft Schweizer Grenze gelangten, im Vergleich zu heute berechtigt. Doch Es ist wahrscheinlich die wichtigste politische Erkenntnis aus dem angesichts des unermesslichen Leids, der Bilder von halb verhungerten aktuellen Drama im Mittelmeer: Dass die parlamentarische Linke, ausMenschen in Konzentrationslagern, zeigten sich die Schweizerinnen gehend von ihrer Begeisterung für die europäische Idee und deren reund Schweizer anfänglich solidarisch. Die Glückskette verzeichnete mit über 40 Millionen Franken einen Spendenrekord, allein der «Beobachter» sammelte Selbst Sozialdemokraten stehen realpolitisch dort, wo sie ideell nicht in einer Leseraktion innert drei Wochen hingehören: mitten in der technokratischen Verwaltung des Elends. 600 000 Franken für Caritas. Das Schweizerische Rote Kreuz wurde von Hilfsangeboten alpolitischen Niederschlag in den Schengen-Verträgen, heute vollstänüberschwemmt. Überall im Land entstanden private Hilfsaktionen, dig in den Abwehrkampf gegen Flüchtlinge eingebunden ist. Zumal Hunderte stellten Wohnraum zur Verfügung. In Kreuzlingen warfen sich mit der Personenfreizügigkeit das Nutzen-Kosten-Kalkül im UmEinheimische Jeans und Jacken über den Zaun des Flüchtlingszengang mit Ausländern auch im linken Meinungsspektrum komplett trums, andere gaben am Eingang kistenweise Brot und Früchte ab. durchgesetzt hat. Den Flüchtlingen ist damit die politische Lobby abSelbst als im April 1999 die damalige Bundesrätin Ruth Dreifuss handen gekommen. Und der Linken einer ihrer wichtigsten Grundnach einem Besuch in einem mazedonischen Flüchtlingslager spontan sätze: Dass kein Mensch mehr Rechte haben darf als ein anderer. 20 Kosovaren in die Schweiz mitnahm, überwog in den LeserbriefspalDamit ist die kompliziertere Erklärung für die Flüchtlings-Angst ten das Lob für diese «humanitäre Geste». Im Glückskette-Büro trafen auf Vorrat verbunden. «Kriegsflüchtlinge nehmen wir auf, WirtschaftsFaxe ein mit den Worten «Chapeau, Frau Dreifuss». Die CVP liess verflüchtlinge schicken wir zurück», betonte SP-Bundesrätin Sommaruga lauten, die Bundesrätin habe «mit dem Herzen» gesprochen, und selbst in den letzten Wochen immer wieder. Sie unterschlägt damit, dass auch von der SVP war nur leise Kritik zu vernehmen: «Diese Aktion dekladie Zuwanderer aus der EU letztlich Wirtschaftsflüchtlinge sind. Die riere ich als billigen PR-Gag», sagte SVP-Nationalrat Hans Fehr, gänzbilateralen Verträge gewährleisten zwar den wirtschaftlichen Fortbelich ohne Seitenhieb auf die aufgenommen Flüchtlinge. Im Hintergrund stand der Schweiz, schüren jedoch auch die Überfremdungsangst. Und jedoch braute sich bereits zusammen, was letztlich den Grundstein legführen dazu, dass europäische Akademiker frei in die Schweiz einreite für die umfassende Abwehr-Politik von heute. sen dürfen, Akademiker aus Tunesien aber ins Elend zurückgeschickt «Seit Kriegsbeginn hat die SVP 9 Prozent zugelegt», titelte der «Sonnwerden – sie sind Menschen zweiter Klasse. tagsBlick» im Mai 1999. Im Sorgenbarometer schnellte die Asylpolitik Kein Wunder, fehlt selbst linken Politikern angesichts der gewollten als «drängendstes Problem» innert Jahresfrist von 31 auf 55 Prozent Migration aus Europa und der damit verbundenen Ängste in der BeZustimmung, und die SVP wusste dies für sich zu nutzen. Aus der breit völkerung der Mut, sich für die Aufnahme von nordafrikanischen akzeptierten Rückkehrhilfe von 2000 Franken wurden plötzlich «goldeFlüchtlingen einzusetzen. Nicht einmal SP-Aussenministerin Micheline ne Fallschirme für Flüchtlinge». «Die Realpolitik des Portemonnaies hat Calmy-Rey kann sich in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag» zu die Hilfsbereitschaft des Herzens verdrängt», schrieb der Chefredaktor einem Ja durchringen. «Hilfe heisst für uns vor allem Hilfe vor Ort», der «SonntagsZeitung» daraufhin in einem Kommentar. Im Wahlherbst sagt sie auf die unmissverständliche Frage: «Soll die Schweiz freiwillig 1999 wurde die SVP erstmals zur stärksten Partei im Land. Flüchtlinge aufnehmen?» Das war in den 1990er-Jahren noch anders: «Natürlich wird die Schweiz mit der Aufnahme von Flüchtlingen ihren Panik auf Vorrat Beitrag zur Bewältigung dieser humanitären Katastrophe leisten», sagDavon haben sich die anderen Parteien, ganz besonders die FDP und te Ruth Dreifuss damals auf exakt die gleiche Frage. Nichts bringt den die CVP, bis heute nicht erholt. Darauf beruht auch die einfache ErkläStimmungswandel besser auf den Punkt als die beiden Aussagen der rung für die heutige Grundstimmung der Angst – und sie ist wirklich SP-Magistratinnen – die Haltung der Linken gegenüber Flüchtlingen einfach: Die SVP hat im letzten Jahrzehnt fremdenfeindliche Parolen deckt sich im Wahljahr 2011 mit jener der anderen Parteien: wenig salonfähig gemacht und die politische Mitte in einen Wettbewerb um herzlich. immer noch härtere Asylgesetze gezwungen. Als der Aufstand in Li■ byen Anfang März dieses Jahres definitiv in einen blutigen Krieg auswuchs, erklärte der Zürcher Kantonsrat dank den Stimmen aus FDP und CVP ein SVP-Postulat für dringlich, das verlangte, «dass keine Flüchtlinge aus Nordafrika aufgenommen und die Grenzen bestmöglich geschützt werden». Eine Panikreaktion, angetrieben nicht zuletzt von Justizministerin Simonetta Sommaruga, die im laufenden Wahljahr unter dem Druck von rechts bemüht ist, zu beweisen, dass auch die SP zu den Flüchtlingswellenbrechern gehört. Von «bis zu einer Million möglichen Flüchtlingen» sprach sie wenige Tage vor dem Entscheid des Zürcher Kantonsrats. Sommaruga hatte die Zahl am Rande eines eiligst organisierten EU-Innenministertreffens in Brüssel aufgeschnappt. Mit dieser Schätzung, die sich auf Europa bezogen als völlig übertrieben heraus-
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Familie Schleudernde Väter Wenn Väter mit ihrer neuen Rolle Mühe haben, dann besuchen sie eher keinen Vaterkurs. 14 Männer machen eine Ausnahme und besuchen den «Schleuderkurs für Väter». Unser Autor war als Rookie dabei. VON STEFAN MICHEL
Bruno Manser, nicht verwandt mit dem verschollenen UreinwohnerAktivisten, war Vater geworden und wunderte sich: Hebammenbesuch, Stillberatung, Rückbildungskurs, alles war auf seine Frau zugeschnitten. Er hatte seine Stelle als Mittelschullehrer gekündigt, arbeitete als selbstständiger Erlebnispädagoge und übernahm einen grossen Teil der Kindbetreuung. «Ich war der Mantelaufhänger», erinnert er sich, «und am Schluss sagte ich jeweils: Mir geht es übrigens auch gut.» Väter werden in ihrer neuen Rolle alleingelassen, gehen im grossen Kurs- und BeSURPRISE 249/11
ratungsangebot vergessen, war seine Erkenntnis. Warum das so ist, sollte er bald feststellen. Er entwickelte den «Schleuderkurs für Väter» und bot ihn an verschiedenen Orten an. Meistens fand er mangels Anmeldungen nicht statt. Männer lassen sich in privaten Dingen nicht gerne in Kursen helfen. Anders an diesem lauen Frühlingsabend in Baden: 14 Männer setzen sich auf die im Kreis angeordneten Stühle, schreiben ihren Namen sowie Alter und Geschlecht ihrer Kinder auf ein Blatt und platzieren es gefaltet vor sich auf dem Boden. Als Vater einer sechswöchigen Tochter bin ich der Rookie im Kreis. Die anderen haben zwi-
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schen einem und zwölf Jahren Vaterschaft auf dem Buckel. Der Grossteil ist Anfang 40 und hat Kinder zwischen zwei und fünf. Die Vorstellungsrunde bringt es schonungslos an den Tag: Praktisch alle wurden von ihrer Frau angemeldet oder ultimativ dafür motiviert, sich einzuschreiben. Ich offenbare mich als Berichterstatter für das Strassenmagazin.
der Runde bewusst. «Das ist Theorie», meldet sich einer, «eine gleich starke Beziehung zwischen mir und dem Kind wie zwischen meiner Frau und dem Kind ist nicht möglich, wenn ich tagsüber bei der Arbeit bin.» Der Vater einer Patchwork-Familie hält dagegen: «Doch, das ist möglich. Das ist Beziehungsarbeit.» Die Mehrheit ist anderer Meinung. «Was soll ich denn tun, wenn mein Sohn immer von mir weg zur Mutter rennt?», fragt ein 40-jähriger rhetorisch. Ein eloquenter Geschäftsmann erklärt: «Seit vier Jahren sind meine Frau und ich uns einig, dass ich einmal ein Wochenende nur mit unserem Sohn verbringen sollte, aber ich habe nicht den Mut dazu.» Einige lachen, andere schauen ihn verständnisvoll an. «Ihr kennt meinen Sohn nicht», verteidigt er sich an die Lacher gerichtet. Im Kreis sitzen gestandene, beruflich erfolgreiche Männer zwischen Ende 30 und 50. Einige jugendlich und extravertiert, andere unauffällig und zurückhaltend. Sie können sich ausdrücken, verteidigen ihren Standpunkt. Aber zu ihren Kindern eine enge Beziehung aufzubauen, damit scheinen fast alle Mühe zu haben. «Seit ich nach der Arbeit mit
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Der Vater im Familiendreieck Manser trägt unter dem Anzug ein T-Shirt mit der Aufschrift «I have never bitten anyone». So sieht der jugendlich wirkende Enddreissiger auch nicht aus. Er beginnt seinen Vortrag mit einem Modell, das er auf der Wandtafel fortlaufend weiterzeichnet. Mit der Geburt des ersten Kindes wird aus der Zweierbeziehung ein Dreieck. Die Beziehung zwischen Mutter und Kind ist naturgemäss enger als jene zwischen Vater und Kind. Doch auch die Linie zwischen den Eltern kann es mit der Mutter-Kind-Achse nicht aufnehmen. «Viele Väter stürzen sich in dieser Phase in die Arbeit und entfernen sich so erst recht von ihrer Familie», beschreibt er. «Am Abend kommt der Vater nach Hause und erfährt von seiner «Ich war der Mantelaufhänger und am Schluss sagte ich Frau, was das Kind Neues gelernt und weljeweils: Mir geht es übrigens auch gut.» che Entscheide sie gefällt hat.» Sollte er sich Windeln wechselnd in den Familienalltag meinem Kind in den Supermarkt zum Einkaufen gehe, ist es besser geeinbringen wollen, laufe er Gefahr, von der wesentlich routinierteren worden», meldet einer einen ersten Erfolg. Beim einzigen noch nicht Mutter belehrt zu werden, so Manser. «Du malst schwarz-weiss», fin30-jährigen Vater im Kurs haben die Flucht in die Arbeit und die Kondet ein Teilnehmer. «Finde ich nicht», wirft ein anderer ein. Die Mehrflikte zu Hause zu einem ernsthaften medizinischen Zwischenfall geheit scheint sich in der Beschreibung durchaus wiederzuerkennen. führt. Ein anderer, der Vater des fliehenden Sohnes, berichtet: «Seit ich Der Vortrag Mansers läuft auf den Rat hinaus, Väter müssten Zeit nicht mehr versuche, es allen recht zu machen und mehr für mich nur mit dem Kind verbringen. Und für die Beziehung zur Frau seien geschaue, geht es besser mit meinem Jüngsten.» meinsame Stunden ohne Kind wichtig. Beides scheint den Vätern in
«Ihr kennt mein Kind nicht» – die Angst vor dem eigenen Nachwuchs wird ungern zugegeben.
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Manser ruft Gruppenarbeitszeit aus. Ich su«Im Kurs fällt es leichter, über Probleme zu sprechen. Meinen che mir die zwei Väter mit den jüngsten KinKollegen würde ich nicht erzählen, was ich hier erzählt habe.» dern aus. Einer war Finanzchef der Schweizer Filiale einer ausländischen Bank. «Schreib das ner Junge seit einem halben Jahr wenigstens etwas weniger häufig vor im Surprise», fordert er mich auf: «Die verlangen, dass du Mails und ihm wegläuft. Das Urteil des Patchwork-Vaters würde mich interessieSMS sofort beantwortest, ob am Wochenende oder in den Ferien. Dauren, der sich gegen den Fatalismus der meisten in der Runde gewehrt ernd summt das Mobiltelefon, da wirst du verrückt!» Um mehr Zeit mit und sie zur Beziehungsarbeit aufgerufen hat. Doch der ist bereits verder Familie zu haben, kündigte er seinen Managerjob und wurde Beschwunden. amter. Man müsse nicht nur Zeit für die Familie haben, sondern auch ■ noch Energie, wenn man nach Hause komme, fasst er seine Erfahrung zusammen. «Das Umfeld ist entscheidend dafür, wie das Familiendreieck aussieht», weiss der andere Vater in unserer Arbeitsgruppe. Trotz Kaderstelle in einem internationalen Unternehmen findet er seinen Job «eher locker». Doch auch er arbeitet 100 Prozent und seine Frau kümmert sich vollzeitlich um Familie und Haushalt. Da die ganze Verwandtschaft in Deutschland lebt, sei kinderlose Zeit nur etwa alle zwei Monate möglich, wenn sie die Schwiegereltern besuchen. Meine in der kleinen Runde geäusserte Absicht, möglichst viel von meinem bisherigen Leben – freiberufliche Tätigkeit, reges Sozialleben, Sport – nun mit Kind zu pflegen, quittieren die beiden mit herzlichem Gelächter. Väterlich klären sie mich auf: «Was die Freizeit betrifft: Vergiss es!» Meine Vermutung, dass ich mit Frau und Kind in den letzten sechs Wochen mehr bei Freunden zu Besuch und an kulturellen Veranstaltungen war als sie in den letzten sechs Monaten, behalte ich für mich. Zurück im Plenum diskutiert die Runde weiter, wie man es als Vater schaffen könnte, mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen. Verschiedene Organisationsvorschläge werden eingebracht, Empfindungen kundgetan, erfolgreiche und gescheiterte Versuche, das Vertrauen der eigenen Kinder zu gewinnen, geteilt. Ich frage mich, ob diese Männer keine Väter unter ihren Freunden haben, mit denen sie sich austauschen können. Die Antwort liefert ein Teilnehmer: «In dieser Runde, Anzeige: mit Männern, die ich wahrscheinlich nie mehr sehe, fällt es mir viel leichter, über meine Probleme zu sprechen. Meinen Arbeitskollegen würde ich nicht erzählen, was ich hier erzählt habe.» Ausflugstipps statt Sex «Beim Sex haben wir keine Lösung gefunden», berichtet ein anderer aus seiner Arbeitsgruppe. Die Aktivität im Ehebett scheint nach erfolgreicher Fortpflanzung bei allen drastisch nachgelassen zu haben. Spätestens jetzt würde wohl der letzte Mann die Flucht ergreifen, der sich mit dem Gedanken der Familiengründung trägt, und der die ungute Idee hatte, den Vaterkurs als Entscheidungshilfe zu besuchen. Im Bestreben, mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen, taucht ein weiteres Manko auf: Was tut man mit den Kindern? Die Runde tauscht Ausflugstipps: Zoo, Badeanstalt, kindergerechte Museen, Flugplatz. Mann schätzt professionelle Angebote. Auf Mansers Vorschlag, in den Wald zu gehen, die Natur zu erleben, bekennt ein lebenslustig wirkender Mann: «Ich weiss nicht, was ich im Wald soll.» Geradezu exotisch mutet der Tipp eines Vaters an, einmal den Zug zu nehmen statt das Auto. Ein gewisses Aufatmen ist zu spüren, als Manser sagt, man müsse als Vater nichts mit seinen Kindern spielen, das einem überhaupt keinen Spass mache. Der Kurs neigt sich dem Ende zu. Die Väter, die sich zu Wort melden, sind voll des Lobes. Es tue gut, zu hören, dass andere die gleichen Probleme haben, sagen einige, und dass sie sich jetzt weniger allein fühlten. Mehrere wünschen sich eine Fortsetzung oder einen längeren Kurs. Ich wundere mich ein bisschen, dass niemand mehr konkrete Hilfestellung erwartet hatte, dass sie zufrieden sind mit einem relativ simplen Modell der Familienbeziehungen und vielen Krisenberichten aus anderen Haushalten. Auch nach dem Kurs auf dem Korridor tönt es nicht anders. «Ich fühle mich bestätigt», sagt einer. «Dieser Abend stärkt mich in meiner Erkenntnis, dass es auch meinem Kind besser geht, wenn mir wohl ist», gibt der Teilnehmer zu Protokoll, dessen kleiSURPRISE 249/11
Mein Noteinsatz. «Sinnvolle Arbeit macht mich zufrieden und gibt mir Energie für meinen Berufsalltag.»
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Migration Fremd auf hohem Niveau Ein Jahr in Amerika, zwei in Australien und sechs in der Schweiz: Expats ziehen dorthin, wo ihre Arbeitgeber sie hinschicken – und werden so nicht selten zu Integrationsexperten. VON JULIA KONSTANTINIDIS
entsprechend kaufkräftig. Ausserdem bringen die hochqualifizierten Migranten Wissen und Prestige in die Städte.
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Sie haben eine gute Ausbildung und interessante, gutbezahlte Jobs. Lifestyle I: Vorläufigkeit Die Arbeit ist ihnen sehr wichtig, sie möchten im Leben weiterkommen. Expats sind oft bei internationalen Firmen angestellt und werden von Dafür gehen Expats – kurz für «Expatriates» (Ausgebürgerte), wie sie ihren Arbeitgebern in der halben Welt herumgeschickt, um in den Absich auf Englisch nennen – weite Wege. Zum Beispiel von Indien in die legern der Konzerne zu arbeiten. Schweiz oder von Grossbritannien nach Australien. In der Schweiz wächst dieser Bevölkerungsanteil vor allem in Städten mit internationalen Unternehmen raVon Expats wird erwartet, dass sie sich schnell in ihrer neuen Umsant. Es ist schwierig, die genaue Anzahl der gebung einleben und die geforderte Arbeitsleistung erbringen. Ausländer, die ins Expat-Schema passen, zu benennen, da ihr Status kein offizieller und daOb das nun Kuala Lumpur oder Zürich ist, spielt keine Rolle. Es ist in mit auch nicht registriert ist. Eine kürzlich erschienene Studie, welche erster Linie die Aussicht auf einen Karriereschritt gepaart mit Abenteudie Situation der Expats im Raum Basel untersucht, geht allerdings daerlust oder der Sehnsucht nach der weiten Welt, welche die Expats von aus, dass allein in den Kantonen Basel-Stadt und Basel-Landschaft packt: Sie ziehen mit Sack und Pack, mit Kind und Kegel in ein Land, rund 36 000 Expats leben. Anders als andere Ausländergruppen werden von dem sie vielleicht nur die gängigen Touristenklischees kennen und die Expats aus wirtschaftlicher Sicht immer interessanter für Bund und dessen Sprache sie nicht verstehen, geschweige denn sprechen. Kantone: Sie gehören mindestens der oberen Mittelschicht an und sind
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Anders als bei anderen Immigranten ist der Aufenthalt der Expats im Gastland oft von Beginn an befristet und dauert so lange, wie der Arbeitsvertrag es vorsieht. Das Leben der berufsbedingten Weltenbummler ist deshalb auf Vorläufigkeit ausgerichtet: Auf einschlägigen Internetseiten werden möblierte Zimmer, Wohnungen und Häuser angeboten sowie Adressen von Umzugsfirmen, sogenannten «shipping-companies», die Übersee-Umzüge organisieren, weitergegeben. Man tauscht sich darüber aus, wo man gut essen, schön wandern und toll shoppen kann. Und wer sich alleine fühlt, findet Anschluss bei einer der vielen Aktivitäten, für die via Netz Teilnehmer gesucht werden. Von Expats wird erwartet, dass sie sich schnell in ihre neue Umgebung einleben und die geforderte Arbeitsleistung erbringen. Da bleibt wenig Zeit, sich vertieft mit dem neuen Wohnort auseinanderzusetzen.
auf und ziehen sich in die Expat-Parallelwelt zurück, andere bleiben dran: Integration braucht Zeit und Kraft, egal welcher Schicht oder Herkunft jemand angehört.
«They make things happen»
Lifestyle II: Parallelwelt Flora Zaman, 40, Chemikerin aus Cardiff, Wales, seit 1998 in der «Vor allem die Sprache ist ein Problem», weiss Gioia Jauslin. Sie beSchweiz, wohnt in Schönenbuch/BL treibt in Basel – in nächster Nähe zum Novartis-Campus, einem wichti«Ich wusste schon während des Studiums, dass ich ins Ausland gegen Arbeitgeber vieler Basler Expats, ihr «relocation»-Unternehmen. Seit hen möchte. Als ich nach dem Abschluss die Möglichkeit hatte, in Basel sieben Jahren hilft sie Expats beim «Umsiedeln»: Ihre Aufträge erhält sie zu arbeiten, packte ich die Chance. Mein Mann kam sechs Monate spävon den Arbeitgebern der Expats, oder sie wird von Neuzuzügern direkt ter nach. Während ich seit meiner Ankunft in wechselnden Positionen um Hilfe angefragt. Auf der «orientation tour» bringt sie angehenden Exbei meinem ersten Arbeitgeber – ein internationales Pharmaunternehpats, deren definitive Umsiedlung noch bevorsteht, die Stadt und ihre men – angestellt bin, hat mein Mann in verschiedenen Unternehmen, verschiedenen Quartiere näher, sie zeigt ihnen die Schulen – lokale wie auch bei lokalen Firmen, gearbeitet. auch internationale –, sie besichtigt mit ihren Kunden Wohnungen, um Man weiss wirklich nichts am Anfang: Wie viel kostet eine Wohihnen eine Vorstellung zu vermitteln, mit welchen Bedingungen sie am nung? Welches Quartier ist gut zum Wohnen? Wie funktioniert der öfneuen Wohnort zu rechnen haben. «Da gibt es grosse Unterschiede bei fentliche Verkehr? Dass Expats so gut vernetzt sind – im Internet und den Bedürfnissen», weiss die Berufsorganisatorin. Amerikaner etwa persönlich – kommt daher, dass man einander unterstützen will. Wer möchten meistens ein grosses Haus mieten, während Expats aus Asien schon länger hier ist, möchte seine Erfahrungen und sein Wissen an solhäufig Wohnungen an belebten Orten vorziehen: «Viele finden es seltche weitergeben, die erst kurz in der Schweiz sind. Unter Expats gibt es sam, dass bei uns so wenig Leute auf der Strasse sind – im Gegensatz ein grosses Bewusstsein für diese Situation, neu an einem Ort zu sein, zu ihren Heimatländern, wo viel mehr Menschen unterwegs sind.» und man hilft sich gegenseitig. Kommen die Expats dann angeflogen, holt Gioia Jauslin sie vom Ich denke, das Wesen eines Expats ist grundsätzlich ein offenes, Flughafen ab und geht mit ihnen auf Tour: Anmelden bei der Einsonst würde er gar nicht von seiner Heimat wegziehen. Es braucht eiwohnerbehörde, Einkaufsmöglichkeiten und Freizeitanlagen zeigen, nen grossen Effort, neue Leute kennen zu lernen, einen Freundeskreis Schnellkurs fürs Benutzen des ÖV und der Müllentsorgung. «Je mehr aufzubauen. Es ist manchmal auch traurig, wenn ein Expat wieder wegLänder die Expats bewohnt haben, desto lockerer nehmen sie die Einzieht. Damit muss man in diesem Umfeld aber pragmatisch umgehen – gewöhnung», beobachtet Jauslin. es kommen auch immer wieder neue Leute dazu. Die Ungewissheit, wie Vielen der Arbeitsnomaden gelinge es gut, sich an das Umfeld anzuviel Zeit bleibt, um eine Freundschaft zu pflegen, ist wohl auch mit ein passen, einigen falle es schwerer, den Anschluss zu finden. «Oft fehlt ExGrund, weshalb Expats in meinem Empfinden schneller mit anderen pats die Zeit, einen Deutschkurs zu machen, dennoch möchten sie sich Menschen in Kontakt kommen und sich befreunden. Es entscheidet sich integrieren und werden zum Beispiel Mitglied in einem lokalen Sportclub. Viele fragen mich, «Den Wegzug von Freunden muss man pragmatisch wie sie Schweizer kennen lernen können.» sehen – es kommen auch immer wieder neue dazu.» Doch Expats bleiben oft unter sich, auch weil sie so gut organisiert und aktiv sind: Wer will, kann sich in einer englischsprachigen Parallelwelt mit minimalen relativ schnell, ob man jemanden näher kennen lernen will oder nicht. Berührungspunkten zur lokalen Bevölkerung bewegen: Die Kinder werAllgemein erlebe ich Expats als Menschen, die Dinge anpacken, «they den in die englischsprachige internationale Schule geschickt, der Freunmake things happen». deskreis erwächst aus diesem internationalen Umfeld. Ich selber bezeichne mich als Expat, obwohl ich nicht ganz glücklich Da sind aber auch die Expats, die ihre Umgebung und ihre Mitmenbin damit. Denn «Expat» vermittelt mir das Gefühl, in einer vorübergeschen kennen lernen möchten, die sich in die Gesellschaft integrieren henden Situation zu leben – und das tun ich und meine Familie längst und ihrer Parallelwelt entfliehen möchten. Sie konjugieren in Deutschnicht mehr: Nach drei Jahren hier in der Schweiz haben wir uns wohl kursen mühsam Verben und sind frustriert, wenn sie zum x-ten Mal gefühlt, nach sechs Jahren wurde uns klar, dass unser Aufenthalt hier eine englische Antwort erhalten, obwohl sie versuchen, deutsch zu etwas Längerfristiges sein würde. Nur wenn ich oder mein Mann ein sprechen. Sie schicken ihre Kinder in lokale Schulen und suchen den wirklich gutes Jobangebot bekämen, würde ich heute vielleicht wieder Kontakt zu ihren Schweizer Nachbarn. Dabei machen sie dieselben Ervon hier wegziehen, aber ungern. fahrungen, die auch weniger privilegierte Ausländer machen: Sie werWir haben ein Haus auf dem Land gekauft, unsere beiden Kinder geden schräg angeschaut, weil sie sich anders verhalten als erwartet, man hen in die lokale Schule. Sie sind wohl etwas zwischen Expats und Einspricht stumpf Schweizerdeutsch mit ihnen, obwohl sie den Dialekt heimischen: Wir Eltern vermitteln ihnen die britische Kultur, doch sie nicht verstehen, und manchmal spüren sie das Misstrauen Fremden leben stärker in der schweizerischen als mein Mann und ich – schon gegenüber – etwa, wenn die Schweizer Frauen im Müttertreff partout nur, weil sie Schweizerdeutsch sprechen. Ich wollte, dass die Kinder den unter sich bleiben. Manche geben resigniert ihre Integrationsversuche Dialekt lernen, ich selber spreche mittlerweile passabel hochdeutsch. SURPRISE 249/11
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Flora Zaman, 40, seit 13 Jahren in der Schweiz.
William Bird, 45, seit neun Jahren in der Schweiz.
Dadurch, dass die Kinder im Dorf in die Schule und in den Kindergarten gehen, lernte ich mehr Schweizer kennen, das passt mir sehr. Unser Freundeskreis setzt sich heute aus englischsprachigen Expats, Deutschen und Schweizern zusammen. Obwohl ich manchmal Sehnsucht habe nach meiner Familie und Freunden in Wales, ist Basel heute mein Daheim.»
«Lernt Deutsch!» William Bird, 45, Informatiker aus Cambridge, England, seit 2002 in der Schweiz, wohnt in Basel «Expats sind abenteuerlustige Menschen, die ihre Heimat verlassen, weil sie neugierig darauf sind, ein anderes Land kennen zu lernen – und weil ein interessanter Job sie herausfordert. Die Arbeit ist der Hauptgrund, weshalb Expats von einem Land ins andere ziehen. Man gewöhnt sich an diesen Lebensstil, daran, immer mal wieder umzuziehen. Trotzdem ist es jedes Mal eine Herausforderung, sich an den neuen Orten einzuleben und sich zu orientieren. Es gibt Expats, die müde werden davon. Das heisst aber nicht, dass sie wieder zurück in ihre Heimat gehen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Expats, die länger aus der Heimat weg sind, oft nicht mehr dorthin zurückkehren. Viele lassen sich an dem Ort nieder, an dem sie sich besonders wohlfühlen. Ich bin schon zum zweiten Mal in der Schweiz. Davor war ich ein Jahr zum Arbeiten in Amerika. Mein erster Aufenthalt in der Schweiz dauerte nur ein Jahr, das war von Anfang an klar. Damals organisierte mir eine Agentur die Wohnung
und kümmerte sich bei meiner Ankunft um die wichtigsten Formalitäten. Wer kein Deutsch spricht, ist froh um diese Hilfe, weil es doch ziemlich schwierig ist, sich ohne Sprachkenntnisse zu organisieren. Wer befristet zum Arbeiten hierher kommt, hat oft auch nicht viel Zeit, um sich einzuleben, weil der Arbeitsaufwand sehr hoch ist – und man ist schlicht froh, wenn man sich um so wenig wie möglich kümmern muss. Unter Expats, die nur kurz in einem Land bleiben, gibt es solche, die sich nicht ernsthaft um Anschluss an die Schweizer Gesellschaft bemühen. Wer aber länger bleibt, sucht Kontakt zu Einheimischen. Dabei ist die Sprache ein riesiges Hindernis: Dass viele Schweizer so gut und gern englisch sprechen, ist für Expats am Anfang sehr hilfreich, später wird es aber zum Problem. Deutsch zu lernen und dann auch mit Schweizern zu sprechen, ist schwierig, weil sie schnell ins Englische wechseln. Ich gehe seit drei Jahren in den Deutschunterricht, verstehe aber nicht alles, was in Schweizerdeutsch gesagt wird, geschweige denn spreche ich es. Das macht die Sache noch etwas komplizierter. Deshalb mein Rat an Expats, die in die Schweiz kommen: Lernt Deutsch und versucht, Schweizerdeutsch zu verstehen.
«Dass viele Schweizer gut und gern englisch sprechen, kann zum Problem werden.»
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Denn es ist schwierig, ohne Schweizerdeutsch-Kenntnisse Schweizer kennen zu lernen. Seit ich eine Schweizerin zur Lebenspartnerin habe, hat sich mein Freundeskreis um einige Schweizer erweitert. Mit einer direkten Bezugsperson fällt der Eintritt in die «Schweizer Gesellschaft» einfacher, man lernt so auch ungeschriebene Regeln kennen. Denn obwohl die britische und die Schweizer Kultur einander sehr ähnlich sind, SURPRISE 249/11
Mein älterer Sohn war ein Jahr alt, als wir hierher kamen, der jüngere wurde hier geboren. Sowohl mein Mann als auch ich arbeiteten für denselben Pharmakonzern in Basel. Ich habe jedoch vor drei Jahren auf-
gibt es einige kleine Unterschiede – die aber je nachdem für Irritationen sorgen. Zum Beispiel bin ich es nicht gewöhnt, Menschen zur Begrüssung zu küssen, es sei denn, sie gehören zur Familie oder sie stehen mir sehr nahe. Und wenn ich mich von einer Gruppe von Leuten verabschiede, dann nicht bei jedem einzeln: Aufgrund meines Verhaltens wurde mir auch schon Arroganz unterstellt. Dabei kannte ich ganz einfach die hiesigen Verhaltensmuster nicht. Was das anbelangt, war ich zu Beginn auch überhaupt nicht von den Ladenöffnungszeiten in der Schweiz begeistert: Sonntag – und alles ist zu. Mittlerweile schätze ich diese Konsumpause und mache es wie die Schweizer: Ich unternehme was in der Natur. Davon sind viele Expats begeistert – die Freizeitmöglichkeiten, welche die Schweiz bietet, und dass alles so nahe beieinander liegt. Ich fühle mich hier zu Hause, denn für mich ist daheim dort, wo ich arbeite, lebe und die meiste Zeit verbringe.»
«Versteht man die Sprache nicht, lebt man im eigenen Universum.»
«Gut für die Persönlichkeitsbildung»
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Le Tang, 40, IT-Spezialistin aus London, England, seit 2002 in der Schweiz, wohnt in Muttenz/BL «Als mein Mann und ich in die Schweiz kamen, erhielten wir von einer professionellen Relocation-Expertin Unterstützung: Die Frau half uns bei der Wohnungssuche, ging mit uns zur Bank, zeigte uns die verschiedenen Angebote, die es für die Kinderbetreuung gibt. Ich war sehr froh um diese Unterstützung, denn es ist doch alles sehr fremd, wenn man die Sprache überhaupt nicht versteht.
gehört zu arbeiten: Die Kinder gehen hier im Dorf zur Schule. Die Betreuung zu organisieren, sowie das eigene Zeitmanagement zu koordinieren, war zu aufwendig. Dafür habe ich begonnen, Deutsch zu lernen – und ich habe mich schon sehr verbessert. Ich finde es schön, wenn ich nun mit Leuten auf Deutsch eine Unterhaltung führen kann, die über Grundlegendes wie Wetter oder Befinden hinausgeht. Solange man die Sprache des Landes nicht versteht, lebt man in seinem eigenen Universum – weil man einfach nicht mitbekommt, was um einen herum geschieht. Wir hatten uns überlegt, ob wir unseren ältesten Sohn aus der lokalen Schule nehmen und in die «International School» schicken sollten. Er hatte Schwierigkeiten mit ein paar Mitschülern und wir dachten zuerst, es habe vielleicht damit zu tun, dass er der einzige Nicht-Schweizer in der Klasse ist. Es stellte sich aber heraus, dass auch andere Kinder dieselben Schwierigkeiten hatten. Als Expat darf man nicht jedes irritierende Verhalten mit dem eigenen Fremdsein erklären und nicht alles persönlich nehmen. Expats mit Kindern stellt sich die Frage nach dem Mass der Integration zwangsläufig. Als mein Mann und ich noch beide arbeiteten und der ältere Sohn in Basel in einer internationalen Kinderkrippe war, hatten wir keinen Kontakt zu unserem Wohnumfeld, das ist jetzt ganz anders und ich geniesse das. Hier im Dorf gibt es viele alteingesessene Familien, von denen auch jüngere Generationen in der Nähe der Eltern bleiben. Das finde ich etwas sehr Schönes. Als Expat hat man das nicht, vielleicht ist das aber auch etwas typisch Schweizerisches: In vielen Ländern ist man es gewohnt, von der Ursprungsfamilie wegzuziehen, um zu arbeiten oder zu studieren. Andererseits fällt es Expats vielleicht einfacher, auf Menschen zuzugehen, neue Leute kennen zu lernen. Einheimische, deren persönliches Umfeld seit Jahrzehnten dasselbe ist, sind nicht auf diese Kontakte angewiesen. Unser Freundeskreis ist gemischt, ich habe eine sehr gute Schweizer Freundin, bin aber auch mit Expats aus verschiedenen Ländern befreundet. Die Gemeinsamkeit, fremd zu sein in diesem Land, macht diese Kontakte einfacher. Mir fällt es vielleicht etwas leichter, in der Fremde zu leben, denn als chinesische Vietnamesin, die in Grossbritannien aufgewachsen ist, war ich schon immer fremd. Das Schöne am Leben als Expat: Man erhält Einblicke in fremde Kulturen, das beeinflusst auch die eigene Lebenseinstellung. Man muss flexibel sein, um als Expat zu leben. Es ist erstaunlich, wie anpassungsfähig Menschen sind – als Expat kann man von dieser Fähigkeit Gebrauch machen. Für die eigene Persönlichkeitsbildung finde ich das positiv. Es ist aber auch durchaus möglich, als Expat in der Expat-Community zu leben – der Zusammenhalt einer solchen Gemeinschaft vermittelt auch eine gewisse Sicherheit, ich kenne das von der chinesischen Community in London. Der Nachteil: Man bleibt in seiner eigenen Welt und es hilft nicht dabei, vom Umfeld akzeptiert zu werden. Deshalb finde ich es wichtig, sich als Expat dort einzubringen, wo man lebt, in Vereine einzutreten und zu versuchen, Einheimische kennen zu lernen.» ■
Le Tang, 40, seit neun Jahren in der Schweiz. SURPRISE 249/11
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Justizvollzug Sokrates im Knast Im grössten Männergefängnis Deutschlands, der Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel, findet europaweit Einzigartiges statt: Jede Woche kommen hier Philosophen mit Inhaftierten ins Gespräch. Der antike Denker Sokrates steht dabei Pate. VON ELISABETH WIEDERKEHR
Auf den ersten Blick sieht hier alles ruhig und friedlich aus. Die meisten Gebäude der Justizvollzugsanstalt Tegel sind aus Backstein. Ende des 19. Jahrhunderts errichtet, strahlen die grossen Häuser eine Wärme aus, die so gar nicht zum Klischeebild eines Gefängnisses passen will. Hat man den Eingangsbereich aber betreten, wird sofort deutlich, wo man sich befindet. Meist grusslos nehmen Beamte, die hinter dicken Glasscheiben sitzen, Ausweise entgegen. Reingelassen wird nur, wer angemeldet ist und pünktlich erscheint. Sobald alles überprüft ist, heisst es Taschen öffnen: Handys, Datenträger und Portemonnaies sind strengstens verboten. Wer die anschliessende Leibesvisitation öfter erlebt, weiss, wie unterschiedlich genau sie ausfallen kann. Weshalb, bleibt Beamtenge-
heimnis. Dann geht es weiter durch mehrere Innenhöfe – immer in Begleitung von Uniformierten, die von ihrem beeindruckenden Schlüsselbund regen Gebrauch machen. Mit den Worten «Sie sind also die Sokratiker» heisst ein Beamter schliesslich Bärbel Jänicke und Horst Gronke willkommen und öffnet ih-
In den philosophischen Gesprächen spielt Tataufbereitung keine Rolle.
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nen die letzte Türe. Bilder mit romantisch angehauchten Landschaftsmotiven und ein grossformatiges Gemälde, das eine Splitternackte in Brandungswellen zeigt, schmücken den Treppenaufgang zur Abteilung für Langzeitinhaftierte. Wer hier einsitzt, kennt entweder das Drogengeschäft im Detail, war an Raubüberfällen beteiligt, in brutale SchlägeSURPRISE 249/11
reien verwickelt oder hat gemordet. Im Einzelnen wissen das die «Sokratiker» nicht. Einige Gefangene thematisieren ihre Delikte von sich aus, andere schweigen sich darüber aus. Nachgefragt wird nie, da in den philosophischen Gesprächen, im Gegensatz zu den psychologischen, Tataufarbeitung keine Rolle spielt. Bevor es losgeht, wechseln die Gesprächsleiter mit den Anwesenden oft ein paar Worte – man duzt sich und weiss so einiges voneinander. Die meisten der rund 60 Männer, die in dieser Abteilung dicht an dicht leben, sind Jänicke und Gronke von früheren Gesprächen her bekannt. Da kann eine einfache Frage nach dem derzeitigen Befinden manchmal ganze Familiengeschichten auslösen. Andere Inhaftierte antworten nur mit einem vielsagenden Schulterzucken. Trotz der Möglichkeit, eine Ausbildung zu machen, und verschiedenen Freizeitangeboten ist die Hauptbeschäftigung der meisten hier warten, warten und nochmals warten. Gezählt werden die Tage bis zur nächsten Sitzung, an welcher der weitere Haftverlauf besprochen wird, und auch Besuchstage bieten Anhaltspunkte. Vom Gang her riecht es nach Abendessen, das sich die Gefangenen mit langfristig Haltbarem aus dem internen Shop zubereiten.
uns nicht, dass eine Person mit sich im Reinen ist und dass sich in ihrem eigenen Wertesystem keine Widersprüche ergeben», erklärt Gronke, «sie muss ihre Auffassungen auch gegenüber anderen konsistent vertreten können.» Geistige Insel Ortswechsel: In der sokratischen Gruppe auf der sozialtherapeutischen Station des Berliner Gefängnisses äussern sich die Teilnehmer noch ein Stück enthusiastischer über die Gesprächsabende. «Für mich
«Es ist der einzige Ort, wo wir ein vernünftiges Gespräch führen – das gibt es sonst nicht.»
Sprechen ohne Konsequenzen Pünktlich um 18 Uhr findet sich dann die eigentliche Gesprächsgruppe zusammen. Die sechs bis zwölf Männer verteilen sich alle freiwillig um einen wackligen Holztisch. Wer mitmachen möchte, verpflichtet sich, während rund acht Sitzungen über ein und dasselbe Thema nachzudenken. Viele tun das, trotz der zuweilen hohen Anforderung in Sachen Konzentration und Disziplin, gerne. Die Gesprächsgruppe bietet ihnen die Möglichkeit, sich frei zu äussern. Nichts, was hier gesagt wird, hat Konsequenzen für den weiteren Verlauf ihres Gefängnisaufenthalts. Weder Sozialarbeiter noch Psychologen, die mit ihren Gutachten den Verlauf jeder Haft bestimmen, kommt etwas von dem zu Gehör, was in der Gruppe geäussert wird. Auch können die Gefangenen darauf vertrauen, dass alles, worüber sie laut nachdenken, von ihren Mitgefangenen nicht weitergetratscht wird. Diese Abmachung wurde in den zehn Jahren, in denen die sokratischen Gespräche in Tegel bereits stattfinden, nie gebrochen. Entsprechend stellen die Zusammenkünfte für viele eine Art Insel im rauhen Gefängnisalltag dar. «Es ist der einzige Ort, wo wir ein vernünftiges Gespräch führen – das gibt es sonst nicht», sagt Mohammed stellvertretend für viele andere. Wer von aussen kommt, kann fast nicht glauben, dass diese Männer, von denen sich viele markante Muskeln antrainiert haben, kaum miteinander ins Gespräch kommen. Freundschaften gebe es hier nur höchst selten, sagen sie übereinstimmend. Zwar habe fast jeder einen sogenannten Passmann – worunter schlicht einer zu verstehen ist, der zu einem passt –, abgesehen davon gibt es aber kaum Vertraute. «Das Gespräch fördert einen neuen Zusammenhalt, so lernen wir uns besser kennen», sagt Marek. Sich zu öffnen und persönliche Erfahrungen – jenseits der stereotypen Anekdoten – preiszugeben, fällt vielen nicht leicht. In Anbetracht all dessen ist es erstaunlich, was den Männern im Verlauf des Gesprächs dann doch über die Lippen geht. Sie haben sich das Thema Glück gewählt, wollen mit der Unterstützung von Bärbel Jänicke und Horst Gronke herausfinden, was es damit auf sich hat. Zum Einstieg sind sie aufgefordert, eine ganz konkrete Situation aus ihrem Leben zu schildern, die etwas mit Glück zu tun hat. Vom Autoverkauf über die Geburt der Tochter, die für Rafal «Überglück» bedeutete, bis hin zum allmorgendlichen Trinken aus einer schönen Kaffeetasse kommen hier Erlebnisse zur Sprache. Aus den vielen wird dann ein Beispiel ausgewählt, das als Grundlage für weitere Überlegungen dient. Der Bezug zur konkreten Lebenspraxis verhindert ein Abdriften in rein spekulatives Denken und durch die Erkenntnissuche in der Gruppe überprüfen die Beteiligten ihre Wahrnehmungs- und Denkgewohnheiten. «Es reicht SURPRISE 249/11
sind diese Zusammenkünfte sehr wertvoll, ich schätze den ruhigen Austausch sehr – das ist hier drin alles andere als selbstverständlich», sagt Johannes, und auch Detlev, der erst seit Kurzem in der Gruppe ist, hat hier etwas kennen gelernt, wonach er im Gefängnisalltag bis dahin vergeblich gesucht hatte: «Hier kann ich wirklich offen reden.» Wilfried lobt die sokratischen Gespräche gar in den höchsten Tönen: «Für mich sind sie eine geistige Insel, eine Oase.» Er geht den Dingen gerne auf den Grund und als einer der wenigen hier hatte er auch vor seiner Haft bereits Berührungspunkte mit Philosophie. «Hier drin habe ich neulich auch an einer Arbeit über den französischen Philosophen Pascal mitgeschrieben», erzählt er. Grosse Namen sind in sokratischen Gesprächen jedoch nie gefragt, vielmehr geht es um das eigene Denken aller Beteiligten. Deshalb kommen auch die Themen immer von den Gefangenen selbst. Besprochen wird, was viele in der Gruppe umtreibt. So will Horst Gronke von den Anwesenden etwa wissen, welche Frage sie für ihr Leben klären wollen. So unterschiedlich die Einzelnen sind, so verschieden fallen auch ihre Lebensfragen aus. Jörg wollte etwa wissen, woher die Kraft komme, die einem hilft, die Richtung zu ändern. Johannes hingegen trieb die Frage um, ob Gutmütigkeit mit Dummheit gleichzusetzen sei. Nach längerem Abwägen konzentriert sich die Gruppe auf die Frage: Wann ist es eigentlich angemessen, gelassen zu reagieren? Auch in dieser Gruppe geschieht der Einstieg ins Gespräch über eine konkrete Erfahrungssituation. Diesmal ist von brennenden Friteusen, übellaunigen Vermietern, gemobbten Kindern und betrogenen Ehemännern die Rede. Bald schon verflüchtigt sich die oft erdrückende Gewissheit, Gelassenheit sei immer und überall angebracht. Im Austausch mit den anderen überwinden viele – zumindest für Momente – die hier oft bis ins Extreme gesteigerte Tendenz, den Blick nur auf sich selbst und die eigene Biografie zu richten. Unterstützt durch die philosophische Hebammenkunst von Bärbel Jänicke, versuchen die Beteiligten nach und nach Voraussetzungen zu erkennen und zu benennen, welche ihren Ansichten und Handlungen zu Grunde liegen. Zu allererst geht es immer darum, eine Sache wirklich gut zu verstehen – auch indem man sich emotional in andere hineinversetzt. Abgeschlossen werden die Abende immer mit einem Gespräch über das Gespräch. Jetzt dürfen alle alles loswerden, was ihnen durch den Kopf geht – da fallen dann oft in einem Atemzug Worte wie anstrengend, interessant, toll und beglückend. Der Abschied ist herzlich und gegenseitig immer mit guten Wünschen verbunden. Während die Gefangenen bald «Einschluss» haben, verlassen die Gesprächsleiter die Gebäude wieder etappenweise. Draussen ist es nun dunkel und Katzendame Susi, das einzige weibliche Wesen, das hier dauerhaft wohnt, bekommt gerade ihre Häppchen. Die beiden «Sokratiker» gehen der langen Gefängnismauer entlang. Auf einmal hebt sich lautlos eine Schranke, so dass sie bequem hinausspazieren können – eine kleine Aufmerksamkeit derjenigen, die hier über die Kameras alles minutiös verfolgen. ■
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BILD: ANDREA GANZ
Le mot noir Freuden der Arbeit Kürzlich im brechend vollen Farbladen. «Bodenfarbe?», legt der Typ hinter dem Tresen die Stirn in Falten. «Ich brauche ein Muster!» «Bambus», nicke ich und grabe in meiner Tasche nach einem Stück Holzplanke. «Und was ist da drauf?» «Lasur? Und irgend so ein Lack?» «Gut», knurrt der Typ so drohend wie ein Zahnarzt. «Dann fangen wir mal an.» «Wir zahlen schnell zwei Pinsel!», drängelt sich ein junges Paar vor, aber der Typ ist schon in seinem Element. «Lappen!», greift er sich das Hundetuch, das ich ihm entgegenstrecke, und zum jungen Paar: «Ohne Haare gehts wohl nie. Nitro!» «Ähm … Nitro?», versuche ich Zeit zu schinden. «Oder wollen Sie schleifen?» «Nicht, wenn es sich vermeiden lässt. Ich gehe heut Abend essen und der Holzstaub …» «Nitro!», quietscht der Typ mit dem Daumen über die Bodenplanke. «Und setzen
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Sie die Maske auf. Ich will nicht, dass Sie wegkippen!» «Das nenne ich ein Fachgeschäft», staunt hinter mir ein Mann im Polohemd. «Lässt sich da was machen?», atme ich unsicher hinter meinem Mundschutz. Doch der Typ nickt nur mit dem Kopf. «Mitkommen!», geht er vor mir in die Regale und holt einen Topf heraus. «Dieses Acryl gibt es in Weiss, in Neige, in Neige-Weiss und in Wolke. Wenn Sie mehr wollen …» «Ich würde die Maske gerne abnehmen», bleibe ich folgsam, weil der Typ fachlich ein Ass ist. «Vielleicht Wolke nach, sagen wir, einem Wolkenbruch? Richtig? Oder Neige im März? Oder ein Schuss Elefant mit einer ganzen Kiwi?» «Elefant mit einem Spritzer Rot», hadere ich mit der Maske, weil ich langsam keine Luft mehr kriege. «Nehmen Sie dieses Ding doch endlich ab», kommt mir der Mann im Polohemd zu Hilfe. «Dann können wir hier nämlich zahlen.» «Wir haben nur zwei Pinsel!», wagt das junge Paar einen neuen Vorstoss. «Gute Idee», schwinge ich den Mundschutz wie eine Handtasche. «Ich suche hier solange diesen Elefanten.» «The Indian!», korrigiert mich der Typ ungerührt. «Und das ist englisch, wenn Sie das nicht wissen!» «Ich wollte nur nicht schwierig sein», klimpere ich mit den Augen. «Wenn Sie dauernd einen Pinsel zahlen wollen – dann sind Sie schwierig!», bafft der Typ in Richtung Tresen. «Und jetzt die Pinzette!» «Ich brauche eine Pinzette?» «Pinzette! Und aus dieser
Flasche einen halben Tropfen. Mehr nicht. Einen halben! Sonst haben Sie kein Indian, sondern Kuhmist!» «Okay», nicke ich ratlos. «Nur einen halben? Wie kriege ich das hin?» «Mitkommen!», winkt mich der Typ durch den Laden und knurrt vor sich hin: «Jetzt ist sie schwierig!» Im ganzen Geschäft ist es mittlerweile lähmend ruhig geworden. «Fliessblatt!», streckt mir der Typ die Hand entgegen. «Welches Regal?», frage ich, so lieb es geht. «Er will ein Fliessblatt!», rauscht der Mann im Polohemd voraus durch die Regale. «Los, holt ihm endlich, was er will!» «Kein Grobkorn!», souffliere ich und dackle hinter dem Mann im Polohemd her. «Sonst kriegt er eine Krise!» Eine knappe Stunde später vor dem Laden. «Gute Arbeit», klopft der Mann im Polohemd auf meine Schulter. «Solange hab ich noch nie für Abdeckband gebraucht!» «Sie haben es gemerkt?», schwärme ich. «Der Typ macht seine Arbeit richtig gern!»
DELIA LENOIR LENOIR@HAPPYSHRIMP.CH ILLUSTRATION: IRENE MEIER (IRENEMEI@GMX.CH) SURPRISE 249/11
Emos «Die Wut in dir kocht über» Weltschmerz und Selbsthass prägen die Gefühlswelt vieler Jugendlicher. In der Emoszene finden die unverstandenen Teenies Anschluss. Mit Aussenstehenden reden sie allerdings nicht so gern. Eine UndercoverRecherche als dritter Teil unserer Subkultur-Serie.
Zürich Hauptbahnhof, Samstagabend. Ich bin auf der Suche nach sogenannten Emos. Emos sollen sich dadurch auszeichnen, dass sie Gefühle wie Trauer oder Verzweiflung exzessiv ausleben. Ich schlendere also solidarisch schwermütig umher, bis ich auf einem Bänkli eine Gruppe Jugendlicher kauern sehe, die den Merkmalen meiner EmoCheckliste entspricht: schwarz oder platinblond gefärbter Pony, bis zum Kinn frisiert, schwarze, eng anliegende Kleidung, aufgepeppt mit grellfarbenen Ringelaccessoires und Buttons, Lippen und Wangen mit Piercings durchstochen – und zwei Kilo schwarzen Kajal um die Augen geschmiert: «Hoi zäme – seid ihr Emos?» – «Was, Emos, sicher nöd!», krächzt es aus der vom Stimmbruch geplagten Kehle eines androgynen Jugendlichen. Ich stelle fest, dass sich die Bezeichnung Emo inzwischen als Schimpfwort etabliert hat. Ich bleibe hartnäckig: «Ihr seht aber genau wie Emos aus!» Doch da ist nichts zu machen, die zwischen Adipositas und Anorexie polende Gruppe verneint kollektiv depressiv. Ich versuche zahlreiche weitere von mir eindeutig als Emos erkannte Jugendliche ins Gespräch zu verwickeln – chancenlos. Emos wollen anscheinend nicht mit fremden Menschen reden – zumindest nicht direkt. So versuche ich es im Internet auf der SocialCommunity Netlog, ein digitaler Treffpunkt der Emos. Ich registriere mich als 15-Jährige und wähle den Nickname EmilySuicide. Jetzt nur noch den Steckbrief ausfüllen: Musik? Der Begriff Emo stammt ursprünglich von Emocore, einem Subgenre des amerikanischen Hardcore-Punk. Deren Vertreter waren im Gegensatz zu ihren härteren Gspändli darum bemüht, in der Musik auch feinsinnigere Emotionen zum Ausdruck zu bringen. Ich wähle Rites of Spring als Urgesteine des Emo, My Chemical Romance als neuere Vertreter und Goodbye Fairbanks als Schweizer Antwort darauf. Hobbys? Hhm, über das Leben nachdenken, mich stylen, Gedichte schreiben und Gleichgesinnte treffen – flugs noch ein «<3», das obligate Herzsymbol, drangehängt und fertig ist mein Profil. Dann noch meine derzeitige Stimmung: «Falling deeper and deeper.» Mein Kassandraruf wirkt: Knapp drei Minuten später habe ich bereits vier Freunde, in deren Profilen sich zahlreiche EmoGruppierungen finden. Die Administratorin der «Emos Schweiz»-Gruppe sticht mir ins Auge – sie hat ein Gedicht veröffentlicht: «Die Wut in dir kocht über, die Wut über dich selbst, du hasst die Welt, du bist verzweifelt, du denkst mit einem Schnitt wirds besser? Nein! Du zerstörst alles, du redest dir jedes verdammte Mal ein, es ist das letzte …» SURPRISE 249/11
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VON IVANA LEISEDER
My Chemical Romance entsprechen der Stimmungslage der Emos.
Jesses nein. Reflexartig möchte ich dem 13-jährigen Mädel zu Hilfe eilen – doch ich will ja inkognito durch die Welt der Emos schlendern, deshalb: Weiter gehts! Ich erfahre, dass in den grossen Schweizer Städten regelmässig Emo-Treffen stattfinden. Schweizer Emo-Websites oder offizielle Szene-Treffpunkte scheint es aber nicht zu geben, alles wird auf Netlog, Facebook oder deutschen Plattformen wie etwa emostar.de verhandelt. Bald schon stosse ich auf eine Diskussion über Emo-Vorurteile: Schwermütig seien sie, würden sich die Arme zerschneiden, seien schwule Heulsusen. Die Nicknames der durchschnittlich 15-Jährigen widerlegen diese Klischees nicht gerade: Stalking_Junkie, L.I.P., Albtraum, Morphine. Ein Emo-Mädchen schreibt auf die Frage, was seine bislang schlechteste Erfahrung gewesen sei: «Fast mein ganzes Leben.» Andere hingegen lassen verlauten: «Sari, ich lieb di über alles min shads, du bish mis lebe!!!!<3». So trieft denn nicht nur tiefe Traurigkeit, sondern auch überschäumende Liebe aus dem konsequent verstümmelten «Sch». An diesem Punkt habe ich genug gesehen von der Emo-Welt. Fazit: Ish voll krass, bebii<3. ■ www.netlog.ch www.emostar.de
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Fühlen Sie sich frei, dieses Buch zu
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Kulturtipps
Gefilmten Tanz gibts in Wim Wenders «Pina» zu sehen.
verschandeln!
Buch Kreativ destruktiv
Film Gefilmter Tanz
Trauen Sie sich, diese Seite einfach herauszureissen? Wenn nicht, wird es Zeit, dass Sie die schöpferisch-zerstörerische Kraft in sich entdecken.
Wim Wenders’ Hommage «Pina» an die Wuppertaler Tanz-Ikone Pina Bausch läuft derzeit in den Kinos. Bauschs Kunst hat seit den Achtzigerjahren viele Filmschaffende inspiriert, wovon aussergewöhnliche Dokumentarfilme und andere filmische Perlen zeugen.
VON CHRISTOPHER ZIMMER
VON CHRISTINE A. BLOCH
Eigentlich sollte man mit einem Buch doch gut umgehen, pfleglich, mit Sorgfalt. So «wie es sich gehört». Den Rücken nicht überdehnen, damit er nicht bricht. Keine Eselsohren machen. Nicht hineinschreiben oder kritzeln. Oder etwa gelesene Kapitel herausreissen, um bei fortgeschrittener Reiselektüre weniger Gewicht schleppen zu müssen. Und da kommt nun ein Buch, das genau dazu anstiftet: zu allem nur denkbar Scheusslichen, Unvorstellbaren, Ungehörigen. Das dazu auffordert, den Buchrücken nicht nur zu überdehnen, sondern sogar mutwillig zu brechen. Da soll man sich wild, aggressiv und hemmungslos austoben. Seiten in Brand setzen, in Farbe ertränken, zerschneiden, zerreissen, mit Spucke, Kaffee, Honig, Leim oder Sirup bekleckern, darauf herumkauen, sie kompostieren und den Verfall beobachten, ja, gleich das ganze Buch an die Wand knallen oder unter die Dusche mitnehmen. Was soll das? Um Himmels willen!, möchte man denken und ob all dieser Unsäglich- und Grausamkeiten graue Haare bekommen. Und wen würde es wundern, wenn einem das Buch vor Entsetzen aus den schreckensstarren Händen fällt? Aber dann bleibt man doch wie gebannt bei der Lektüre, fassungslos und unfähig, sich davon loszureissen. Doch dann schleichen sich leise Zweifel ein. Plötzlich wird so etwas wie eine abstruse Poesie des Destruktiven erkennbar. Und dann stehen da auch auf einmal Sätze, die nicht ins zerstörerische Schema passen: «Ziehe deine Kreise», «Seite für gute Ideen» oder «Diese Seite ist eine Metapher. Was soll sie bedeuten?» Da ist eine Seite gut für die Seelenhygiene: «Platz für negative Kommentare. Lass alles raus!» Eine andere ist philosophisch: «Verliere diese Seite. Akzeptiere den Verlust.» Und eine lädt gar zu erotischem Nervenkitzel ein: «Benutze das Buch als Kleidungsstück.» Und so landet man zwar nicht am Ende, doch dafür am Anfang seines Lateins. Und hat einiges zu überdenken, mit Klischees und Anerzogenem ins Gericht zu gehen. Weil im Zerstörerischen etwas aufkeimt. Etwas Ermutigendes, eine Einladung, sich zu befreien, über die Stränge zu schlagen, eingefahrene Gleise zu verlassen. Oder, wie es die Autorin Keri Smith nennt, die schöpferische Zerstörung zu entdecken.
Als einer der ersten integrierte Rainer Werner Fassbinder 1981 Ausschnitte aus Pina Bauschs Arbeiten in seinen Dokumentarfilm «Theater der Trance». In «Un jour Pina m’a dit» und «A Primer for Pina» begleiteten keine geringeren als Chantal Akerman und Susan Sontag das Wuppertaler Tanz-Ensemble, dessen Direktorin Pina Bausch war, auf und hinter der Bühne. Ein besonders schönes und treffendes Porträt zwischen Dokumentation und Fiktion ist der israelischen Filmemacherin Lee Yanor mit «Coffee with Pina» gelungen. Zum Leitmotiv werden hier die Hände der Tänzerin, die eine Zigarette oder eine Kaffeetasse halten, im Gespräch weich-elegant artikulieren und die in den Körper eingeschriebenen Choreografien immer und immer wieder herausfliessen lassen. Pina Bauschs Person und Kunst wurden auch gerne in narrative Fiktionen eingebaut: Für «E la nave va» setzte 1982 Federico Fellini die Tänzerin für die Verkörperung der hochsensiblen Principessa Lherimia ein, welche zwar nicht sehen, dafür aber in Farben hören kann. Die Rolle der weitsichtigen Blinden erinnert an Pinas «Café Müller», bei dem vorwiegend mit geschlossenen Augen getanzt wurde. Szenen desselben Stückes wie auch aus «Masurca Fogo» eröffnen und schliessen rahmenartig Pedro Almodóvars oscargekrönten «Hable con ella» ab. Pina Bausch, die ihre Tanzproduktionen mit Projektionen, Schnitten und Fragmenten wie Filme komponierte und gerne mit verschiedenen Genres experimentierte, führte in einigen Aufzeichnungen ihrer Filme auch selber Regie. Einem breiteren Publikum wird sie wohl am besten in Erinnerung sein mit «Tanzträume», der letzten Dokumentation mit der lebenden Pina Bausch, die 2009 starb. Körperlich und emotional aber wird ganz sicher Wim Wenders aktuelle Hommage «Pina» beeindrucken, bei welcher der Zuschauer durch die ausgeklügelte 3D-Technik als Teil der Choreographie auf traumartige Weise durch den Film getragen wird.
Keri Smith: Mach dieses Buch fertig. Verlag Antje Kunstmann 2010. CHF 16.50.
2002, 112’/«Tanzträume» Anne Linsel, D, 2009, 89’/«Pina», Wim Wenders, D/F/GB,
«Theater in Trance», Rainer Werner Fassbinder, D, 1981, 91’/«Un jour, Pina m’a demandé», Chantal Akerman, F, 1983, 55’/«A Primer for Pina», Susan Sontag und Jolyon Wimhurst, GB, 1984, 31’/«Coffee with Pina», Lee Yanor, IL, 2003, 52’/«E la nave va», Federico Fellini, IT, 1983, 132’/«Hable con ella», Pedro Almodòvar, ES,
2011, 106’.
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Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.
Sittengemälde in Comicform: Gemma Bovery beim Intrigieren.
Comic Klassiker in eigenwilligem Gewand «Gemma Bovery» ist nicht nur inhaltlich eine Neuinterpretation des Klassikers «Madame Bovary». Denn die Graphic Novel der Engländerin Posy Simmonds geht erzähltechnisch neue Wege. VON MICHEL ECKLIN
In London langweilt sich Gemma Bovery. Gelockt vom französischen Savoir vivre, kann sie ihren Mann überzeugen, auf die andere Seite des Ärmelkanals zu ziehen. Aber auch im idyllischen Dorf in der Normandie weiss Gemma wenig mit sich anzufangen. Denn ihr Problem ist nicht England, sondern ihr Mann, den sie nie wirklich mochte. Aus Ideenlosigkeit – oder ist es aus Rachsucht? – treibt sie das so friedliche Dorf in üble Intrigen. Bald zeigt sich, dass Langeweile den friedlichsten Charakter verderben kann, und die Geschichte muss so enden, wie sie eben enden muss: In einer menschlichen Tragödie, in der niemand unschuldig bleibt. In «Gemma Bovery» erinnert nicht nur der Titel an den Klassiker «Madame Bovary» von Gustave Flaubert. Die Ähnlichkeiten sind durchaus beabsichtigt, der erzählende Dorfbäcker nimmt die Parallelen sogar in seinen Überlegungen auf. Doch die englische Comic-Autorin Posy Simmonds liefert mehr als nur eine zeitgenössische Neuinterpretation des Sittengemäldes des Mittelstands aus der Sicht eines Dorfbäckers. Denn sie verwendet eine spektakuläre Form, eine ihr eigene Verbindung von Roman und Bildergeschichte. Ihren detailreichen Bleistiftzeichnungen fügt sie längere Textpassagen bei, die das Innenleben der Figuren genauestens ausleuchten. Sie nimmt sich alle grafischen und typografischen Freiheiten, die es braucht, um über der Dorfgemeinschaft eine bedrohliche Spannung schweben zu lassen, ähnlich wie Flaubert das vor über hundert Jahren tat. Die Verbindung von Comic und Roman wurde schon oft versucht, selten ist sie so flüssig und ungezwungen gelungen wie bei Simmonds. Egal, ob man von einem illustrierten Roman oder einem romanesken Comic spricht – es ist das Verdienst des Berliner Reprodukt-Verlags, das eigenwillige, aber trotzdem locker lesbare Werk einem deutschsprachigen Publikum zugänglich zu machen.
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Augusta-Raurica-Loge Druidenorden Basel
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Druckerei Hürzeler AG, Regensdorf
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Klinik Sonnenhalde AG, Riehen
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Stellenwerk AG, Zürich
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www.bauernschlau.ch, Hof, Web, Kultur
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Axpo Holding AG, Zürich
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AnyWeb AG, Zürich
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Niederer, Kraft & Frey, Zürich
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Gemeinnütziger Frauenverein Nidau
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Knackeboul Entertainment, Bern
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Locher Schwittay Gebäudetechnik GmbH, Basel
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Kaiser Software GmbH, Bern
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Responsability Social Investments AG, Zürich
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Lions Club Zürich-Seefeld
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TYDAC AG, Bern
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bewegstatt.ch, Janine Holenstein, Frauenfeld
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VXL gestaltung und werbung ag, Binningen
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Scherrer & Partner GmbH, Basel
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D. Heer Geigenbau, Winterthur
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KIBAG Kies und Beton
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Weblotion Webagentur, Zürich
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OEKOLADEN Theaterpassage, Basel
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commilfo Isabelle Wanner, Baden
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atelier111.ch, Basel
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Zürcher Kantonalbank, Zürich
Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Strassenmagazin Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.
Posy Simmonds: «Gemma Bovery». 112 Seiten in Schwarz-Weiss. Reprodukt Verlag.
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Ausgehtipps Zürich/Interlaken Surfsound aus Engelberg Manche Musiker rollen böse mit den Augen, wenn sie mit berühmteren Berufskollegen verglichen werden. Al-Berto ist da anders. Er schreibt ein Lied, das «Jack Johnson» heisst. Weil es eben Leute gibt, die finden, er klinge wie der surfende Sonnyboy aus den USA. Lieber aber, so Al-Berto, würde er am Meer leben. Das wäre gäbiger zum Surfen als Engelberg, wo der Mann herkommt. Und so zieht es Al-Berto immer wieder hinaus in die Welt, zu den Wellen. Wieder daheim, trommelt er die Fried Bikinis zusammen und nimmt leichtfüssige Lieder auf, die sich anfühlen wie Sand zwischen den Zehen. Die Gitarre schrummelt, der Rhythmus pendelt zwischen Reggae und Funk, und wenn Al-Berto von Englisch auf Spanisch wechselt, klingt er plötzlich nach Manu Chao. Dem hat er kein Lied gewidmet. Aber der surft ja auch nicht. (ash) Konzerte: Do, 12. Mai, 21 Uhr, Brasserie 17, Interlaken; Fr, 13. Mai, 20 Uhr,
Al-Berto: Songs wie Sand zwischen den Zehen.
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Helsinki, Zürich.
Gut möglich, dass Sie am Tanzfest sogar in der Migros ins Tanzfieber geraten.
Schweizweit Let’s dance! Peter in freier Natur – im «Gare des Enfants» dann auf der Bühne.
Tanzend quer durch die Schweiz, von Kreuzlingen bis Chiasso? Wählen Sie diese Route am Wochenende des Tanzfestes, gelangen Sie zum Beispiel via Frauenfeld, St. Gallen, Zürich, Zug, Luzern – über die Alpen –, und dann mit Halt in Bellinzona, Losone und Lugano nach Chiasso. Das Tanzfest findet an 19 Orten in der Schweiz statt und sein Name ist Programm: In Form von Filmvorführungen wie etwa in Fribourg (ja, wieder mal Patrick Swayze anschwärmen in Dirty Dancing), oder als bewegter Stadtspaziergang durch Basel, oder aber als Performance in einem Schaufenster in Aarau. An allen Veranstaltungsorten gibts zudem Tanzkurse, die von Flamenco über Hip Hop bis zum Yoga Dance eine breite Palette an Tanzarten abdecken. (juk) Das Tanzfest, Sa, 14. und So, 15. Mai, schweizweit; Programminformationen für einzelne Orte: www.dastanzfest.ch
Basel Grosse und kleine Tiere Das ist die Geschichte vom tapferen Peter, der dank der Hilfe eines kleinen Piepmatzes versucht, die Ente zu retten, die vor Aufregung aus dem Teich gestiegen war und jetzt im Bauch des Wolfs steckt. Ob ihm das gelingt, was mit dem Wolf und der Ente passiert, und welche Rollen die Katze und der Grossvater in der Geschichte spielen, sei hier nicht verraten. Anschaulicher wird das nämlich bei der Aufführung des musikalischen Märchens mit Musik und Text von Sergei Prokofjew präsentiert – die Darsteller sind allesamt Kinder. (juk) «Peter und der Wolf», musikalisches Märchen, Sa, 14. Mai, 14.30 und 17 Uhr; So, 15. Mai, 11 und 14.30 Uhr, Gare des Enfants im Gare du Nord, Basel.
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BILD: AI WEIWEI STUDY OF PERSPECTIVE – TIANANMEN (PERSPEKTIVISCHE STUDIE – PLATZ DES HIMMLISCHEN FRIEDENS), 1995–2003 ©AI WEIWEI
Winterthur Kritische Stimme Was viele befürchteten, ist vor ein paar Wochen geschehen: Der auch im Westen bestens bekannte chinesische Künstler und Regimekritiker Ai Weiwei wurde verhaftet und ist seither wie vom Erdboden verschwunden. Vorgeworfen werden ihm angebliche Wirtschaftsverbrechen. Der Welt dürfte jedoch klar sein, dass hier versucht wird, eine kritische Stimme zum Verstummen zu bringen. Die Ausstellungsmacher in Winterthur wurden von den Ereignissen überrascht, umso wichtiger wird nun die Ausstellung des Künstlers. Ai Weiwei ist ein künstlerischer Tausendsasa, befasst sich mit Architektur, Bildhauerei, Fotografie, neuen Medien oder Konzeptkunst. In Winterthur steht die Fotografie- und Videokunst im Zentrum. Gezeigt wird die weltweit erste umfassende Fotografie- und Videoausstellung des Künstlers. (juk) Ai Weiwei – Interlacing, Ausstellung, vom 28. Mai bis zum 21. August, Fotomuseum Winterthur.
Klar, dass dieses Werk von Ai Weiwei dem Regime nicht passt.
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Damit Du Dein Bike am Bahnhof wiederfindest …
ABUS Steel-O-Flex Granit Fr. 109.00
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Auf Tour Endzeitlicher Space-Rock Schlagworte und Schubladen treiben Crippled Black Phoenix auf die Palme. Bristol, Kollektiv, Post-Rock, Mogwai- und Portishead-Ableger – all das wolle man weder lesen noch hören, lässt das siebenköpfige Ensemble wissen. Ein paar Referenzen können wir uns aber doch nicht verklemmen: Pink Floyd, weil ein Song wie «Burnt Reynolds» hymnisch gen Space rockt. Silver Mt. Zion, weil die orchestralen Arrangements wuchtig wogen. Kiffersound, weil die Stücke so lang sind, dass die Zeit nicht nur zum Bongstopfen, sondern auch zum Aufrauchen reicht. «Endzeitballaden» nennt die Band selber ihre Songs. Allzu düster klingen die freilich nicht, eine Neigung zu ambitioniertem 70erRock hingegen hilft beim Zugang. Wer einmal drin ist, wird von den epischen Melodiebögen in ein Land über den Wolken entrückt. (ash) Konzert: Di, 17. Mai, 21.30 Uhr, Rote Fabrik, Zürich; Mi, 18. Mai, 20 Uhr, Reitschule, Bern; Do, 19. Mai, 20.30 Uhr, Gare de Lion, Wil.
Epischer Kiffersound: Crippled Black Phoenix.
www.vitelli.ch, Dornacherstr. 101, 4053 Basel, T 061 361 70 70, info@vitelli.ch
— www.theater-basel.ch, Tel. +41/(0)61-295 11 33 — SURPRISE 249/11
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Verkäuferporträt «Armut ist heilbar, Reichtum ist teilbar» Lisbeth Schranz (68) verkauft seit zwölf Jahren Surprise und ist damit in Bern die «Dienstälteste». Ans Aufhören denkt sie nicht, denn als Zeitschriftenverkäuferin kann sie ihre kleine Rente aufbessern. Ausgleich zum Verkaufsalltag findet sie bei Konzertbesuchen oder im Gemüsegarten.
«Als Kind verkauften wir regelmässig Bundesfeiermarken oder so Abzeichen für verschiedene Hilfsorganisationen wie zum Beispiel die Pro Infirmis. Von unserem Bauernhof im Kanton Luzern bis ins nächste Dorf hatten wir einen Schulweg von vier Kilometern, also gingen wir von Haus zu Haus und boten die Abzeichen an. Das ist eine ähnliche Tätigkeit, wie ich sie heute auch mache als Zeitschriftenverkäuferin. Dazu gekommen bin ich, als mein früherer Arbeitgeber den Betrieb einstellen musste und ich arbeitslos wurde. Nach erfolgloser Suche vermittelte mich das Arbeitsamt an die Zeitung ‹Boulevard/Objectif réussir›, die als Beschäftigungsprogramm anerkannt war und seit 1994 auf Deutsch und Französisch erscheint. ‹Boulevard› verkaufe ich noch heute, und bis vor ein paar Jahren schrieb ich auch ab und zu mit. Nachdem ich bereits ein paar Jahre für ‹Boulevard› tätig war, kam 1999 das Strassenmagazin Surprise nach Bern. Surprise war zwei Jahre zuvor in Basel gegründet worden und dehnte sein Verkaufsgebiet nach und nach aus. Als der damalige Vertriebsleiter auf der Suche nach Strassenverkäufern dann vor mir stand und fragte, ob ich Surprise verkaufen wollte, fand ich: Klar, mache ich – lieber verkaufe ich beide, als die Konkurrenz gleich nebenan zu haben! Obwohl ich bereits AHV-Bezügerin bin, kann ich es mir nicht leisten, mit dem Verkauf aufzuhören. In den Achtzigerjahren haben mein Mann und ich in der Region Bern ein Haus gekauft. Da es als Vermögen zählt, bekommen wir keine Ergänzungsleistungen, und das Pensionskassengeld kriegen wir auch nicht, das steckt im Haus. Ich muss sagen, ich bin zwar mit meinen 68 Jahren immer noch gerne aktiv, aber wenn ich die Wahl hätte, würde ich mich doch lieber vermehrt auf die Gartenschaukel legen und lesen. Doch so weit ist es noch nicht, und ich arbeite, wenn es die Gesundheit zulässt, weiterhin von Montag bis Samstag als Verkäuferin. In der Regel stehe ich im Bahnhof am Aufgang zur Neuengasse. Doch manchmal zieht es mich ans Tageslicht, dann stelle ich mich in der Spitalgasse vor den Vögele. Dort hat es auch nicht so viel Zugluft. Am Samstag Vormittag bin ich zudem immer auf dem Markt in der Münstergasse zu finden. In all den Jahren habe ich eine grosse Stammkundschaft aufgebaut. Darunter sind Politiker von links bis rechts. Sogar Parteipräsidenten kaufen Surprise regelmässig bei mir. Weil ich aber schon so lange dabei bin, habe ich auch schon Kunden verloren. Durch die Pensionierung oder Krankheit kommen manche nicht mehr in die Stadt, und ein paar treue Kunden sind auch schon gestorben. Den Ausgleich zu meiner Arbeit finde ich im Garten, wo ich Gemüse, Früchte und Blumen anpflanze. Zudem gehe ich regelmässig ins Konzert. Wir haben den Musiker in der Familie: Mein Sohn ist Berufs-
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AUFGEZEICHNET VON ISABEL MOSIMANN
musiker, so vernehme ich immer, wer wann spielt. Und ab und zu besuchen wir meine Tochter und ihre Familie in Zürich. Ferien mache ich einmal pro Jahr, und zwar eine Woche Skiferien. Eine Folge meiner langjährigen Verkaufstätigkeit im Bahnhof ist auch, dass ich viele Randständige kenne. Ein paar von ihnen unterstütze ich, indem ich ihnen helfe, ihr Geld einzuteilen. Und im Winter besorge ich ihnen manchmal ein paar warme Socken. Für mein Engagement für die Leute von der Gasse ernte ich gelegentlich blöde Sprüche von Passanten. Würden sie nicht gleich in der Menge abtauchen oder auf der Rolltreppe verschwinden, würde ich ihnen gerne sagen, ein bisschen Menschlichkeit und mehr Solidarität würde ihnen auch nicht schlecht stehen! Was ich bereits als Kind begriff, verstehen viele Erwachsene noch heute nicht: Armut ist heilbar, Reichtum ist teilbar.» ■ SURPRISE 249/11
Eine Chance für alle! Werden Sie Surprise-Götti oder -Gotte Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten als andere. Menschen, die sich aber wieder aufgerappelt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt Struktur und wieder einen Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Die Surprise-Strassenverkäuferinnen und -verkäufer helfen sich
Tatjana Georgievska Basel
selber. Das verdient Respekt und Unterstützung. Regelmässige Verkaufende werden von Surprise gezielt unterstützt. Die Teilnehmer am Programm SurPlus sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit). Mit der Programmteilnahme übernehmen die Surprise-Verkaufenden mehr Verantwortung; eine wesentliche Voraussetzung dafür, wieder fit für die Welt und den Arbeitsmarkt zu werden.
Peter Gamma Basel
René Senn Zürich
Jela Veraguth, Zürich Wolfgang Kreibich, Basel Kurt Brügger, Basel Anja Uehlinger, Baden
Peter Hässig, Basel Andreas Ammann, Bern Marlies Dietiker, Olten
Ausserdem im Förderprogramm SurPlus: Marika Jonuzi, Basel Fatima Keranovic, Baselland Bob Ekoevi Koulekpato, Basel Jovanka Rogger, Zürich
Ja, ich werde Götti/Gotte von: 1 Jahr: 6000 Franken
1/2 Jahr: 3000 Franken
1/4 Jahr: 1500 Franken
Vorname, Name
Telefon
Strasse
PLZ, Ort
Datum, Unterschrift
1 Monat: 500 Franken
249/11 Talon bitte senden oder faxen an: Strassenmagazin Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@strassenmagazin.ch, PC-Konto 12-551455-3 SURPRISE 249/11
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Surprise ist: Hilfe zur Selbsthilfe Surprise hilft seit 1997 Menschen in sozialen Schwierigkeiten. Mit Programmen in den Bereichen Beschäftigung, Sport und Kultur fördert Surprise die soziale Selbständigkeit. Surprise hilft bei der Integration in den Arbeitsmarkt, bei der Klärung der Wohnsituation, bei den ersten Schritten raus aus der Schuldenfalle und entlastet so die Schweizer Sozialwerke.
Ich möchte Surprise abonnieren! 24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.) Gönner-Abo für CHF 260.–
Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht von Armut und sozialer Benachteiligung betroffenen Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit für ihre Anliegen. Surprise beteiligt sich am Wandel der Gesellschaft und bezieht Stellung für soziale Gerechtigkeit. Strassenmagazin und Strassenverkauf Surprise gibt das vierzehntäglich erscheinende Strassenmagazin Surprise heraus. Dieses wird von einer professionellen Redaktion produziert, die auf ein Netz von qualifizierten Berufsjournalistinnen, Fotografen und Illustratorinnen zählen kann. Das Magazin wird fast ausschliesslich auf der Strasse verkauft. Rund dreihundert Menschen in der deutschen Schweiz, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten damit eine Tagesstruktur, verdienen eigenes Geld und gewinnen neues Selbstvertrauen.
Geschenkabonnement für: Vorname, Name
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Herausgeber Strassenmagazin Surprise GmbH, Postfach, 4003 Basel www.strassenmagazin.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Do T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 info@strassenmagazin.ch Geschäftsführung Paola Gallo, Agnes Weidkuhn (Assistenz GF) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@strassenmagazin.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Leitung: Reto Aschwanden, Julia Konstantinidis (Nummernverantwortliche), Mena Kost redaktion@strassenmagazin.ch Ständige Mitarbeit Alexander Jungo (Korrektorat), Delia Lenoir, Irene Meier, Stephan Pörtner, Milena Schärer, Isabella Seemann, Priska Wenger, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Christine A. Bloch, Michel Ecklin, Ivana Leiseder, Delia Lenoir, Irene Meier, Stefan Michel, Christof Moser, Isabel Mosimann, Nandor Nagy, Isabella Seemann, Priska Wenger, Elisabeth Wiederkehr, Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 29 400, Abonnemente CHF 189.–, 24 Ex./Jahr Marketing, Fundraising T +41 61 564 90 61 Theres Burgdorfer, t.burgdorfer@strassenmagazin.ch
Sport und Kultur Surprise fördert die Integration auch mit Sport. In der Surprise Strassenfussball-Liga trainieren und spielen Teams aus der ganzen deutschen Schweiz regelmässig Fussball und kämpfen um den Schweizermeister-Titel sowie um die Teilnahme an den Weltmeisterschaften für sozial benachteiligte Menschen. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Chor. Gemeinsames Singen und öffentliche Auftritte ermöglichen Kontakte, Glücksmomente und Erfolgserlebnisse für Menschen, denen der gesellschaftliche Anschluss sonst erschwert ist. Finanzierung, Organisation und internationale Vernetzung Surprise ist unabhängig und erhält keine staatlichen Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle anderen Angebote wie die Betreuung der Verkaufenden, die Sportund Kulturprogramme ist Surprise auf Spenden, auf Sponsoren und Zuwendungen von Stiftungen angewiesen. Surprise ist eine nicht gewinnorientierte soziale Institution. Die Geschäfte werden von der Strassenmagazin Surprise GmbH geführt, die vom gemeinnützigen Verein Strassenmagazin Surprise kontrolliert wird. Surprise ist führendes Mitglied des Internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP) mit Sitz in Glasgow, Schottland. Derzeit gehören dem Verband über 100 Strassenzeitungen in 40 Ländern an.
Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83, M +41 79 428 97 27 Markus Hurschler, Zoë Kamermans, Spalentorweg 20, 4051 Basel, basel@strassenmagazin.ch Vertriebsbüro Zürich T +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12 Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, zuerich@strassenmagazin.ch Vertriebsbüro Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02 Andrea Blaser, Alfred Maurer, Pappelweg 21, 3013 Bern, bern@strassenmagazin.ch Chor/Kultur T +41 61 564 90 40, F +41 61 564 90 99 Paloma Selma, p.selma@strassenmagazin.ch Strassensport T +41 61 564 90 10, F +41 61 564 90 99 Lavinia Biert (Leitung), Olivier Joliat, David Möller l.biert@strassenmagazin.ch, www.strassensport.ch Trägerverein Strassenmagazin Surprise Präsident: Peter Aebersold Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird von der Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt. Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen.
SURPRISE 249/11
Gut betucht.
Dazu passend: Leichtes T-Shirt, 100%Baumwolle, für Gross und Klein.
Grosses Badetuch 100 x 180 cm aus sehr langlebigem Zwirngarn, 100% handgepflückte Baumwolle. Mit Surprise-Logo eingewebt und von A bis Z in der Schweiz hergestellt. Vorder- und Rückseite verschiedenfarbig: vorne kühles Aquablau, hinten heisses Rot.
Herren CHF 25.– S M L (schmal geschnitten) Kinder CHF 20.– XS S Alle Preise exkl. Versandkosten.
Strandtuch (100 x 180 cm) CHF 65.–
50 Prozent des Verkaufspreises kommt Surprise zugute.
Vorname, Name
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PLZ, Ort
Datum, Unterschrift 249/11
*gemäss Basic 2008-2. Seite bitteMACH heraustrennen und schicken oder faxen an: Strassenmagazin Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@strassenmagazin.ch
Ist gut. Kaufen! Wer etwas verkauft, braucht Geld. Schlichte Wahrheit – gute Sache. Denn 50 Prozent des Verkaufspreises kommt Surprise zugute. Alle Preise exkl. Versandkosten.
Surprise Zeitungs-Taschen (34 x 36 cm); CHF 37.50 neon-orange schwarz
Surprise City-Taschen (24,5 x 35,5 cm); CHF 40.– rot blau schwarz
Vorname, Name
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Strasse
PLZ, Ort
Datum, Unterschrift
Surprise Rucksäcke (32 x 40 cm); CHF 89.– schwarz rot
249/11
*gemäss Basic 2008-2. Seite bitteMACH heraustrennen und schicken oder faxen an: Strassenmagazin Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@strassenmagazin.ch SURPRISE 249/11
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Von Aarberg bis Zuoz. Surprise gibt es beim Strassenhändler Ihres Vertrauens. Oder im Abo per Post.
24 Ausgaben für 189 Franken oder als Gönner-Abo für 260 Franken. Gutes lesen, Gutes tun und gleich bestellen! www.strassenmagazin.ch, www.strassensport.ch, Spendenkonto PC 12-551455-3 Strassenmagazin Surprise, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99