Nr. 250 | 20. Mai bis 2. Juni 2011 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.
Das Jubiläum sheft!
Titelbild: WOMM
Editorial Nicht nur Käufer, sondern Leser
Sie halten die 250. Ausgabe von Surprise in den Händen. Was Ralf Rohr beschreibt, bringt unsere Ambition auf den Punkt. Surprise soll den Strassenverkäufern ein Einkommen und eine Tagesstruktur ermöglichen. Als Redaktion arbeiten wir dafür, dass sie nicht von Mitleid leben müssen. Unsere Verkäuferinnen und Verkäufer sollen ein Produkt mit Substanz anbieten können, das seinen Preis wert ist. Als Journalisten wollen wir nicht nur Käufer, sondern auch Leser.
BILD: DOMINIK PLÜSS
«Surprise liefert mir ein Einkommen und dank den AHV-Beiträgen auch meine Altersvorsorge. Und das Heft ist in den letzten Jahren besser geworden.» Das sagt der Verkäufer und Vertriebsmitarbeiter Ralf Rohr auf die Frage, was ihm das Jubiläum unseres Strassenmagazins bedeutet.
RETO ASCHWANDEN REDAKTOR
Es hat bei Surprise Tradition, zu speziellen Anlässen ein wenig Nabelschau zu betreiben. Diesmal finden sie drei Artikel, die ihnen je einen Menschen aus unseren Projekten näherbringen. Ralf Rohr spricht ab Seite 12 über die Arbeit auf der Strasse und im Zürcher Vertriebsbüro. Der ehemalige Captain der Surprise-Strassensport-Nationalmannschaft Steve Meyer erzählt ab Seite 16, wie ihm der Fussball auf seinem Weg in ein suchtfreies Leben hilft. Und was das Singen im Surprise Strassenchor für Menschen in schwierigen Lebensumständen bedeutet, erfahren Sie ab Seite 10 von Emsuda Loffredo Cular. Über die Jahre hat eine ganze Reihe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zum Erfolg von Surprise beigetragen. Langjährige Leserinnen und Leser erleben in diesem Heft eine Wiederbegegnung mit Redaktionsangehörigen und Kolumnisten aus früheren Tagen. Gerade letztere spielen bei Surprise von jeher eine wichtige Rolle. Unsere Geschichten aus den gesellschaftlichen Randgebieten sind nicht selten traurig oder empörend. Deshalb haben Kolumnen in unserem Heft eine wichtige Funktion: Ironische Betrachtungen, skurrile Geschichten und Satiren sorgen für Auflockerung und Schmunzelpotenzial im Heft. Wir präsentieren Ihnen deshalb über diese Ausgabe verteilt eine ganze Reihe von Kolumnen mit eigens angefertigten Illustrationen. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen beim Lesen – und bleiben Sie uns treu! Reto Aschwanden
Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 Ihre Meinung! Bitte schicken Sie uns Ihre Anregungen oder Kritik: Strassenmagazin Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 70, redaktion@strassenmagazin.ch. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion behält sich vor, Briefe zu kürzen. SURPRISE 250/11
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10 Emsuda Loffredo Cular, Chorsängerin Gesang bringt Freu(n)de BILD: LUCIAN HUNZIKER
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Inhalt Editorial Substanz Basteln für eine bessere Welt Blumen für unsere Verkäufer Rohrpost Redaktionsschluss Zugerichtet Weissglut des Grolls Hausmitteilung Zuversichtlich Starverkäufer Urs Habegger Krebswärts Pröschtli! Kurzgeschichte Ein Manager als Surprise-Verkäufer Wildwuchs Überwucherte Gräben Kulturtipps Geburtstag im Weltraum Ausgehtipps 100 Jahre Frisch Neu bei Surprise Verführung durch Berührung Projekt Surplus Eine Chance für alle! In eigener Sache Impressum INSP
Musik war für Emsuada Loffredo Cular früher bloss ein passives Vergnügen. Doch seit einigen Monaten singt die kroatische Magazinverkäuferin im Surprise Strassenchor mit. «Am wichtigsten ist mir, dass wir es lustig haben», sagt sie. Und weil die Gruppe so viel Spass hat, lösen Auftritte bei Emsuada Loffredo Cular kein Lampenfieber aus, sondern Vorfreude.
12 Ralf Rohr, Strassenverkäufer und Vertriebsmitarbeiter «Ich nehme die Leute, wie sie sind» BILD: DAVIDE CAENARO
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In der Zürcher Innenstadt gibt es fast kein Vorbeikommen an Ralf Rohr. Neben dem Heftverkauf arbeitet er auch im Zürcher Vertriebsbüro mit. Im Interview spricht der Surprise-Veteran über die Herausforderungen im Umgang mit Verkäuferkollegen, das Leben mit einem Magenbypass und die Strategien eines erfolgreichen Verkäufers.
16 Steve Meyer, Strassenfussballer Flasche gekickt
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FOTO: LUCIAN HUNZIKER
Von klein auf begleitete der Alkohol das Leben von Steve Meyer. Nach langen Jahren als Alkoholiker und hartem Entzug hat Steve Meyer nun Tritt im Leben gefasst. Er kickt mit dem FC Barracuda in der Surprise-Strassensport-Liga und war letztes Jahr beim Homeless World Cup in Rio de Janeiro gar Captain der Schweizer Surprise-Nati.
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ILLUSTRATION: WOMM
Zeichnen Sie auf ein Stück Papier die Form einer Rosenblüte. Schneiden Sie die Vorlage aus. Falten Sie das rote Krepp-Papier acht Mal. Schneiden Sie nach der Vorlage 16 Blütenblätter aus.
Sie brauchen: - Grünes und rotes Krepp-Papier - Dünnen Draht (zum Beispiel Blumendraht) und festen, aber biegsamen Draht - Dünnen Karton
Binden Sie die restlichen Blätter der Grösse nach (zuerst die kleineren) fest, bis die Rose fertig ist.
Drücken Sie vier der Blätter in der Mitte auseinander, so dass eine Mulde entsteht. Formen Sie in vier weitere Blätter eine etwas kleinere Mulde. Biegen Sie vier weitere Blätter nur ganz leicht. Nehmen Sie diese vier Blätter, legen Sie sie um den dicken Draht und binden Sie sie mit dem dünnen Draht fest.
Schneiden Sie aus grünem Krepp-Papier Streifen im Zickzack-Muster und wickeln Sie sie um die Unterseite der Rose. Schneiden Sie einige grüne Blätter aus und kleben Sie diese an den Stiel der Rose.
Basteln für eine bessere Welt Blumen sagen mehr als tausend Worte. Deshalb reden wir nicht lange, sondern basteln, nämlich: Rosen für die Surprise-Verkäuferinnen und Surprise-Verkäufer. Denn ohne sie gebe es keine der 250 Surprise-Ausgaben. Verschenken Sie eine Rose als Dankeschön an diejenigen, die Surprise ein Gesicht geben. SURPRISE 250/11
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BILD: ZVG
Rohrpost Redaktionsschluss Liebe Leserinnen und Leser, Sie erinnern sich vermutlich nicht an mich, macht nichts. Ich habe früher mal Kolumnen für Surprise geschrieben, dann habe ich damit aufgehört, und nun habe ich mich breitschlagen lassen, noch mal eine zu schreiben. Als Jubiläumsgeschenk für Surprise. Eine Sache nahm ich mir gleich als erstes vor. Ich würde diesen Text viel zu spät abgeben. Ich habe früher alle Kolumnen viel zu spät abgegeben, die Redaktion damit regelmässig in den Wahnsinn getrieben, und ich erinnere mich an panische Anrufe wenige Sekunden vor Druckschluss. So würde ich es wieder machen, beschloss ich. Wenn die Kolumne schon wiederauferstehen soll, dann mit allem, was dazugehört! (Schönen Dank auch, die Red.) Es hat mir damals Spass gemacht, die Rohrpost zu schreiben. Ich bekam viel Post von Lesern, mehr als später, als ich Texte in Medien mit zehn Mal so vielen Lesern schrieb. Mindestens einmal lernte ich wegen der Kolumne auch ein Mädchen kennen, es begann grossartig, endete allerdings schlimm, ein kleiner Kollateralschaden. Ach, die Nostalgie! Vermutlich werde ich alt. Wie Sie sicherlich gerade schon bemerkt haben, bin ich im Begriff die absolute Todsünde eines Kolumnisten zu begehen: Ich schreibe über das Kolumnenschreiben. Ich habe dazu eine ganz klar Haltung: Kolumnisten, die das tun, sollte man sofort ihre Kolumne entziehen, egal wie gross ihre Verdienste sind, und sie sofort durch unverbrauchte Jungkolumnisten ersetzen! Der Vorteil in meinem Fall ist, dass mir die Kolumne hier sowieso keiner mehr entziehen kann, da ich sie vor Jahren schon eingestellt habe. Ätsch. Ich wünsche Surprise alles Gute zum Jubiläum. Tolle Leistung! Und dann werde ich jetzt langsam mal wieder mein Handy einschalten, um nachzusehen, wie oft die Redaktion schon angerufen hat. Ist ja gut, ich schicke die Kolumne gleich ab.
Mathieu von Rohr schrieb die «Rohrpost» von 2003 bis 2006. Er war damals Kulturjournalist bei der Basler Zeitung und besuchte anschliessend die Hamburger Journalistenschule. Heute ist er Reporter im Auslandressort des SPIEGEL.
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Zugerichtet Der Rosenkrieg: Runde 4 Sie haben sich gegenseitig den Krieg erklärt, und beide sind entschlossen, ihn bis zum bitteren Ende zu führen. Alles, was auch nur einen kalten Waffenstillstand möglich macht, scheint verloren, Achtung, Würde, Anstand. Aufgezehrt von der Weissglut des Grolls. Unbedeutend scheinen die verheerenden Folgen ihres Rosenkriegs für die zwei Söhne, 15 und 16 Jahre alt. Einer wird gewinnen, der Mann oder die Frau, und so führen sie ihr Gemetzel der Gefühle auf dem Felde der öffentlichen Gerichtsbarkeit. Bereits zum vierten Mal muss sich ein Gericht mit dieser Ehe befassen, die vor 13 Jahren geschieden wurde. Giorgio G.* ist angeklagt wegen Vernachlässigung der Unterhaltspflichten. 2600 Franken müsste er seiner Ex-Frau Marina monatlich überweisen. Und obgleich ein Gericht die Rente auf seinen Antrag hin bereits auf die Hälfte reduziert hatte, bezahlt er immer noch zu wenig oder auch gar nichts, wodurch sich sein Ausstand auf 67 512 Franken summierte. Er behauptete, seine Geschäfte gingen schlecht, aber als die Ex-Frau hörte, dass er für sich und seine neue, 20 Jahre jüngere, russische Frau ein Haus baue, war das Mass ihres Zornes voll. Sie zeigte ihn an und erwirkte die Pfändung seiner Bankkonten und die Einziehung eines Grundstücks. Einen Tag vor Weihnachten erhielt Giorgio G. den Bescheid der Staatsanwaltschaft. «Sie können sich ja vorstellen, wie es mir über die Feiertage ging», sagt er mit weinerlicher Stimme zur Richterin: «Seither habe ich Depressionen.» Er will freigesprochen werden. Die Frau, als deren Opfer er sich fühlt, sei eine, die der
Kuh vorne das Fressen wegnehme und hinten mehr Milch erwarte. Nur ist die Höhe der Alimente nicht Gegenstand der Verhandlung, sondern das Nichtbezahlen derselben. Der Staatsanwalt verlangt zehn Monate Gefängnis. Herr G. habe bewusst zu Manipulationen, Verschleierungen sowie Scheinüberweisungen auf das Konto seiner neuen Ehefrau gegriffen, um sein Einkommen zu reduzieren und ihres zu erhöhen. Aus der Zuschauerbank ertönt ein empörtes «Pfffff». Die neue Frau G. begleitet die Szene, ganz antike Tragödie, mit leisen Klagen und wirft Satzfetzen in den Raum: «So was Verlogenes! Alles wegen ihr! Ich habe Beweise.» Sie verdreht die Augen, schüttelt den Kopf, die Wut verzerrt ihr schönes Gesicht. Der Verteidiger erklärt, seines Mandanten Pech sei, dass er unter dem alten Scheidungsrecht geschieden wurde. Heute erhielte seine Ex-Frau keine Unterhaltszahlungen. In dubio pro reo müsse man davon ausgehen, dass er sämtliche Einnahmen als Selbstständigerwerbender ins Geschäft investierte. Schuldig im Sinne der Anklage. Neun Monate Gefängnis auf Bewährung. Die Schadenersatzforderung des Opfers wird auf den Zivilweg verwiesen. Diese Schlacht gegen die Ex muss Herr G. verloren geben. Er schleppt sich wie ein geschlagener Hund aus dem Gerichtssaal. Von der Justiz ist er enttäuscht: Sie kümmert sich nur um Paragraphen, nicht um Gefühle. Aber welche Gerechtigkeit soll es geben, wenn zwei Menschen mit ihrem Leben keinen Frieden machen können? *Persönliche Angaben geändert. ISABELLA SEEMANN (ISEE@GMX.CH) ILLUSTRATION: PRISKA WENGER (PRISKAWENGER@GMX.CH) SURPRISE 250/11
Jubiläum Zuversichtlich in die Zukunft
Zur 250. Ausgabe wünsche ich Surprise: Dass noch mehr Menschen die Chance bekommen, mit dem Verkauf des Strassenmagazins ihren Lebensunterhalt ohne fremde Hilfe zu bestreiten. Um dies zu ermöglichen, brauchen wir neue Standorte und Verkaufsplätze in allen Regionen der Deutschschweiz. Wo das vorerst noch nicht möglich ist, oder wo es neue behördliche Anordnungen verhindern, wünsche ich mir, dass wir noch mehr Leserinnen und Leser
Ihre Paola Gallo
Nominieren Sie Ihren Starverkäufer!
Starverkäufer Urs Habegger
Schreiben Sie uns mit einer kurzen Begründung, welche/n Verkäufer/in Sie an dieser Stelle sehen möchten: Strassenmagazin Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 (0)61 564 90 99, redaktion@strassenmagazin.ch
Gilbert Zellweger nominiert Urs Habegger als Starverkäufer: «Mir ist bewusst, dass Urs Habegger immer wieder als Starverkäufer in Ihrem Magazin erscheint. Doch diese Nominierungen hat sich Urs selbst erarbeitet und verdient. Bei jedem Treffen (circa drei Mal pro Woche) diskutieren wir über Gott und die Welt. Seine Ausstrahlung ist phänomenal. Selbst bei misslichem Wetter hat er am Bahnhof Rapperswil für jeden ein Lachen und ein «Grüezi und en schöne Tag» bereit. Ohne Urs am Bahnhof Rappi wäre es nicht dasselbe und mir würden die anregenden Gespräche fehlen. Herzliche Grüsse – ein langjähriger Kunde von Urs Habegger.»
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BILD: DOMINIK PLÜSS
mit einem Abonnement erreichen können. In diesem Fall schafft die Bereitstellung der Magazine und der Abo-Versand weitere Arbeitsmöglichkeiten für unsere Verkaufenden. Damit dies keine Wünsche bleiben, sondern Realität wird, arbeiten wir im Dialog mit Behörden und Sozialwerken mit aller Kraft daran, die bürokratischen Hürden abzubauen und neue Möglichkeiten für den Surprise-Verkauf zu schaffen. Der Grund, warum wir zuversichtlich in PAOLA GALLO die Zukunft blicken, sind Sie, liebe LeseGESCHÄFTSFÜHRERIN rinnen und Leser, Gönnerinnen und Gönner, Inserentinnen und Inserenten, Sponsorinnen und Sponsoren, Spenderinnen und Spender. Ihr Beitrag ist es, der es der Redaktion ermöglicht, dafür zu sorgen, dass die Verkäuferinnen und Verkäufer alle zwei Wochen ein spannendes Magazin auf die Strasse bringen können. Und es ist Ihr Beitrag, der die Vertriebe in Bern, Zürich und Basel dabei unterstützt, unsere Verkaufenden für den Alltag zu rüsten. Dafür möchten wir Ihnen von ganzem Herzen danken!
BILD: ZVG
Sie halten die 250. Ausgabe des Strassenmagazins Surprise in Ihren Händen. Darüber freuen wir uns! Wir sind stolz auf unser Magazin, das den Schwächsten der Gesellschaft eine Stimme verleiht und die Menschen ins Zentrum stellt. Hinter den Reportagen und Porträts stehen ein hoch motiviertes Redaktionsteam und engagierte Journalisten. Zusammen sorgen sie dafür, dass alle 14 Tage ein neues Surprise zu Ihnen auf die Strasse kommt. Ebenso stolz sind wir auf das Standvermögen unserer Verkäuferinnen und Verkäufer: 300 Menschen bringen das Strassenmagazin Tag für Tag, bei Wind und Wetter, unter die Leute. Sie erarbeiten sich mit dem Strassenverkauf einen eigenen Lohn – und Selbstvertrauen. Für diese Männer und Frauen, die den Tag trotz schwieriger Lebensumstände aus eigener Kraft anpacken, setzen wir uns ein. Sie sind unsere Helden des Alltags. Am Verkaufsplatz, im Fussballtraining von Surprise Strassensport oder beim Singen im Surprise Strassenchor erleben diese Menschen Anerkennung und Zugehörigkeit. Kleine und grosse Begegnungen und Erfolgserlebnisse – ob bei einem Schwatz mit der Stammkundschaft, einer geglückten Parade im Turnierspiel oder bei einem Auftritt im Chor – geben Mut und Selbstvertrauen.
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BILD: ZVG
Krebswärts Einmal Grappa und zurück Drei Jahre sind seit meiner letzten Wortmeldung im Surprise vergangen. Dazwischen liegen gefühlte vier SVP-Initiativen und zehn Naturkatastrophen. Aber immer diese traurigen Geschichten, nein, die mag doch niemand mehr hören. Also sitze ich vor meiner Schreibmaschine, versuche an etwas Fröhliches zu denken und das Einzige, was einfällt, ist die Abendsonne. Das klingt immerhin poetisch, ich weiss, nur ist es gelogen. Denn Schreibmaschine ist ja so was von 20. Jahrhundert, dass ich sie einzig aus romantischen Gründen in diesem Text einsetze (weil Microsoft Word klingt irgendwie total scheisse). Und auch Abendsonne gibts hier nicht zu kaufen, wo mein Balkon wohnt. Weshalb ich den Thinktank mit einem Grappa fülle und zur Erkenntnis gelange, dass es in solch uninspirierten Momenten nur eines gibt: Raus aus dem Haus und rein ins Sein. SURPRISE 250/11
Denn wie sagte doch schon Aristoteles zu Araldit: «Leben statt kleben!» Das Leben, das spielt sich draussen ab. Das vergessen wir heutzutage gerne. Wer TV glotzt, sieht Kinder beatboxen, Mütter botoxen und Väter hornochsen und könnte meinen, das sei alles, was das Leben zu bieten hat. Klar hat sich die Menschheit in den letzten Jahrzehnten vor allem technologisch entwickelt (und nein, sie können bei diesem Satz keinen «Like»-Button anklicken!). Aber die besten Anekdoten liefern uns nicht Facebook, Youtube oder RTL 2, sondern die Lebenserfahrung. Vor zwei Jahren landete ich in Moskau. Noch im Flugzeug baute sich eine Frau in grauer Uniform vor mir auf, in ihrer Hand ein merkwürdiges Gerät: Eine Mischung aus Super-8-Kamera und Pumpgun. «So könnte ein Love-Toy aus dem Hause Lada aussehen», dachte ich, während die Frau auf meine Stirn zielte. Angst erfasste mich – und ein Laserstrahl. «Kein Schwein grippt uns an!», sagte die Frau. Nur ein elektronischer Grippe-Check, atmete ich auf, den ich später mit den Russen begoss. Was dem Russen der Wodka, ist dem Dominikaner der Rum. Den kann man nackig trinken oder im festlichen Cocktailkleid geniessen (Piña Colada). Am beliebtesten jedoch ist der Cuba Libre, eine Mischung aus Cola, Rum und Limetten. In Karibikstaaten heisst der Drink «La Mentirita». Kleine Lüge. Denn Kuba ist ja nicht wirklich frei. Für eine kleine Lüge zahlt
man in der Karibik höchstens vier Franken. In der Schweiz wird man für weniger veräppelt: Kürzlich in Basel gesehen: 3.50 Franken für 2,5 Deziliter Leitungswasser. Diese charmelose Schamlosigkeit ist ein kleines Beispiel für ein grosses Defizit unserer Gesellschaft: Es mangelt an Gastfreundschaft, nicht aber an Geldgier. Willkommen im Land, wo man ungeniert im geistigen Ospel durch die zersiedelte Landschaft blochert. Am nächsten Mörgeli sind mir solche negativen Gedanken zu blöd. Denn zum Glück lässt sich keine einzige Schweizer Eigenart so schlicht pauschalisieren, wie das rechtskonservative Kreise gerne hätten. So bunt wie die Welt ist auch unser Land – und für feine Farbtupfer sorgt dabei auch Surprise. Ein soziales Projekt und ein mediales Produkt, das Jubiläum feiert. Das ist ein Grund zum Feiern. Darauf sollten wir anstossen. Der Zufall will es, dass ich just einen Grappa zur Hand habe. In diesem Sinne: Pröschtli!
Marc Krebs ist Kulturredaktor bei der Basler Zeitung und schrieb zwischen 2003 und 2007 die SurpriseKolumne «Krebswärts». Caesar von Däniken illustrierte von 2004 bis 2006 die Kolumne «Binsenwahrheiten» und ist heute Geschäftsführer des streetfashionlabels Tarzan.
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Emsuda Loffredo Cular, Chorsängerin «Super, super, super» Böse Menschen haben keine Lieder, schrieb schon der deutsche Dichter Johann Gottfried Seume. SurpriseVerkäuferin Emsuda Loffredo Cular ist beim Singen jeweils mit sich und der Welt zufrieden. Dass sie durch ihr Mitwirken beim Surprise Strassenchor neue Freunde gewonnen hat, freut die Kroatin ganz besonders.
VON MICHAEL GASSER (TEXT) UND LUCIAN HUNZIKER (BILD)
Neuland zu betreten, ist für Emsuda Loffredo Cular nichts Ungewohntes. Mit 17 zog sie von Bosnien nach Kroatien, in die Gegend von Zagreb. Von dort aus machte sie sich vor zwei Jahren in die Schweiz auf. Zusammen mir ihrem Mann, aber ohne Tochter und einjährige Enkelin. Loffredo Cular kramt tief in ihrer Handtasche und sagt nicht, dass sie die beiden sehr vermisst. Muss sie auch nicht, das aufsteigende Augenwasser spricht Bände. «Vielleicht kommen die zwei einmal auf Besuch», hofft sie. Und fügt mit versucht tapferer Miene an: «Aber es wird noch dauern, ich weiss.» Zurückgelassen hat die Kroatin nicht nur Verwandte, Freunde und Heimat, sondern auch die Musik. Und die ist ihr wichtig. Mit der könne man alles, was einen belaste, vergessen. Zumindest zwischendurch. Selber spiele sie kein Instrument, «nur ein bisschen Mundharmonika», erklärt sie bescheiden. Doch wenn sie zu Hause den mitgebrachten Platten des Turbo-Folk-Musikers Kemal Malovcic oder der Popsängerin Fahreta Jahic, besser bekannt als Lepa Brena («Schöne Brena»), lausche, dann würde ihr jeweils gleich das Herz aufgehen. «Die Sprache, die Gitarren, das Akkordeon – sobald ich die höre, fühle ich mich für ein paar Momente daheim. Und glücklich.» Da könne es schon passieren, dass sie mitsumme und obendrein noch ein Tänzchen wage. In letzter Zeit allerdings seltener. Sie habe gerade einige private Probleme, da brauche sie bisweilen eine stärkere Ablenkung als die Musik. Deshalb nimmt Loffredo Cular seit einigen Monaten Deutschstunden und übt intensiv. «Weil ich unbedingt vorankommen will, lerne ich auch viel zu Hause, mithilfe von CDs.» Momentan ist sie als Surprise-Verkäuferin tätig, was ihr viel Spass bereitet. «Eine Kollegin hat mir davon erzählt, zum Glück.» Gleichwohl sehne sie sich wieder nach ihren früheren Jobs und hoffe, baldmöglichst wieder etwas Vergleichbares zu finden. «Ich war nicht nur Hausfrau, ich habe auch 29 Jahre lang in Altersheimen und Spitälern geputzt.» Das habe ihr gefallen, das Schaffen und Krampfen. Ihren Mann habe sie dabei auch kennen gelernt, wie
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sie betont. Man spürt, dass sie trotz der derzeitigen Schwierigkeiten stolz auf ihre Vergangenheit ist. Angesprochen auf ihre Kindheit, gibt sich Loffredo Cular zunächst wortkarg. «Da, wo man geboren wird, gefällt einem einfach alles.» Nach einigen Minuten öffnet sie das Türchen zu ihrer Vergangenheit dann doch noch zwei Spalt breit. Wobei sich ein von Verlust geprägtes Bild auftut. «Als ich vier war, starb meine Mutter, als ich zehn war, mein Vater.» Danach sei sie von Verwandten und Nachbarn grossgezogen worden. Vielleicht der Grund, weshalb sie als Kind nicht viel gesungen hat und sie sich auch nicht daran erinnern kann, dass ihr mal jemand heimatliche Lieder beibrachte. Trotzdem oder gerade deshalb hat Loffredo Cular keinen Moment gezögert, als sie angefragt wurde, dem Surprise Strassenchor beizutreten. Aus Langeweile habe sie jedenfalls nicht zugesagt. «Ich weiss immer etwas anzufangen. Im Notfall stricke ich.» Einmal pro Woche geht die quirlig wirkende Loffredo Cular an die Chor-Proben, überaus pflichtbewusst. Zusammen mit ihren gut zwölf Mitsängerinnen- und sängern übe sie deutsche, spanische oder afrikanische Songs ein. Kroatische bisher nicht, die seien halt aufgrund des kyrillischen Alphabets schwer zu lesen, bedauert sie. Selbst möge sie ja auch jene Lieder am liebsten, die relativ einfach einzustudieren seien. «Am wichtigsten ist mir, dass wir es auch lustig haben.» Es sei schön, etwas Neues auszuprobieren, sich mit Leuten zu treffen, zu reden, zu singen. «Ich habe neue Freunde gefunden, ganz bestimmt.» In diesen Wochen hat Loffredo Cular ihre ersten Auftritte mit dem Surprise Strassenchor. Ist sie nervös? «Nein, natürlich nicht», prustet es zurück. Zwar sei sie noch nicht lange beim Chor, doch es gefalle ihr so gut, dass sie ihn genau so belassen möchte, wie er jetzt ist. Aus dem einfachen Grund, dass der Surprise Strassenchor «super, super, super» sei. Erleben Sie den Strassenchor live 28. Mai, 18 Uhr wildwuchs-Festival Basel, Kaserne 18. Juni, 14 Uhr Flüchtlingstag in Basel, Theaterplatz
Interview Kraft durch Singen Surprise-Chorleiterin Ariane Rufino dos Santos über das Spezielle an der Arbeit mit dem Strassenchor. INTERVIEW: MICHAEL GASSER
Der Surprise Strassenchor setzt sich aus Menschen aus aller Welt zusammen. Eine besondere Herausforderung für die Kommunikation mit den Sängerinnen und Sängern? Schon, aber beim Singen lebt ja vieles auch vom Hören und Sehen. Diejenigen, die meine Anweisungen noch nicht so genau verstehen, schauen, was die anderen machen. Ausserdem gebe ich meine Anweisungen nicht rein verbal, sondern verdeutliche sie mit Gesten. Ganz nebenbei lernen die Mitwirkenden so ein bisschen Deutsch. Unterscheidet sich die Arbeit mit dem Surprise Strassenchor von der mit anderen Chören? Wir haben teilweise Leute, die nicht besonders gut singen können, die zunächst lernen müssen, eine Stimme zu halten und einen bestimmten Ton zu finden. Nicht alle können immer zu den Proben kommen, ihr Alltag ist manchmal zu belastet. Aber alle bemühen sich, möglichst häufig dabei zu sein, weil sie wissen, dass sie dank den Chorproben eine zweistündige Auszeit von ihren Problemen nehmen können. Was ist denn das Spannendste am Surprise Strassenchor? Spannend sind die Konzerte der anderen Art, bei denen nicht stimmliche Leistung, sondern das Miteinander, Lebensfreude und Stolz als Erfolg angestrebt werden. Die Mitwirkenden tanken beim Surprise Strassenchor frische Kraft, um ihr Leben zu meistern. ■
Michael Gasser war von 2003 bis Ende 2008 Chefredaktor bei Surprise und betreibt heute das Textbüro «wörtersee» in Basel. SURPRISE 250/11
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Ralf Rohr, Strassenverkäufer und Vertriebsmitarbeiter «Ab und zu bin ich etwas zu hart» Ralf Rohr verkauft das Strassenmagazin in der Zürcher Innenstadt und arbeitet als Assistent im Vertriebsbüro. Zum Jubiläum traf sich der langjährige Surprisler mit einem Kollegen aus der Redaktion zu einem Gespräch über Doppelrollen, Verkaufsstrategien, die Entwicklung von Surprise und die Band Status Quo.
DAVIDE CAENARO (BILDER)
ten, der kauft nie ein Heft, aber wenn er mich sieht, sagt er: Aha, ist wieder Donnerstag.
Ralf, du hast eine Doppelrolle: Einerseits bist du Strassenverkäufer, andererseits Mitarbeiter im Vertriebsbüro Zürich und musst bei den anderen Verkäufern die Einhaltung der Regeln durchsetzen. Wie geht das zusammen? Die Verkäufer schauen mich natürlich als einen der ihren an. Vor Reto Bommer, dem Zürcher Vertriebsleiter, haben sie mehr Respekt.
Und am Freitag? Wenn das neue Heft ausgegeben wird, bin ich um viertel nach sechs im Büro. Das bedeutet: Viertel nach vier aufstehen, 5:18 Uhr fährt das erste Tram. Alles kalkuliert. Und am Samstag bin ich spätestens ab halb acht im Büro, denn dann hat Reto frei und ich mache die Heftausgabe allein.
Wie gehst du damit um? Ich zeige zwischendurch, wo der Hammer hängt. Du kennst ja das Spiel «Guter Bulle, böser Bulle» – so ist es auch bei Reto und mir. Er ist der Nette mit Geduld und ich bin der, der explodiert. Gell, Reto, dass kann man schon so sagen? Reto Bommer: Das kann man so sagen. Viele Verkäufer haben mittlerweile gelernt, dass sie hübsch ruhig und sachte auftreten müssen, wenn Reto in den Ferien ist. Wenn sich einer nicht an die Regeln hält, können wir ihm den Verkaufspass für zwei Wochen entziehen. Das passiert bei mir noch schnell einmal.
Klingt nach Stress. Ich arbeite sechs Tage die Woche, das hängt an. Ich bin nicht mehr der Jüngste, werde dieses Jahr 52. Da merkst du es, wenn du stundenlang am selben Ort stehst. Deshalb brauche ich den Sonntag zum Ausruhen.
VON RETO ASCHWANDEN (INTERVIEW) UND
«Ich zeige, wo der Hammer hängt – sonst tanzen mir die anderen Verkäufer auf der Nase rum.»
Da bist du konsequent? Sehr konsequent. Ab und zu vielleicht sogar zu hart. Gell Reto? Reto: Ab und zu. Ich will nicht den Boss raushängen, aber manchmal geht es nicht anders. Sonst tanzen sie mir auf der Nase rum. Hattest du Anlaufschwierigkeiten im Vertrieb? Schwer war vor allem der Umgang mit dem Computer. Die frühere Vertriebsleiterin war in dieser Beziehung knallhart. Bis ich die Verkaufszahlen eingetippt hatte, durfte ich nicht mal eine rauchen. Wie sieht ein typischer Arbeitstag aus? Ich stehe um halb fünf auf. Ohne Wecker. Dann Kaffee et cetera und um zwanzig vor sechs nehme ich das Tram von Schwamendingen zum Hauptbahnhof. So früh? So früh. Am Bahnhof trinke ich noch mal einen Kaffee und um viertel vor sieben starte ich den Heftverkauf an der Bahnhofstrasse. Dienstags verkaufe ich von acht bis elf am Gemüsemarkt auf dem Bürkliplatz. Übern Mittag gehe ich ins Büro und mache die Abrechnung vom Vortag. Von drei bis sechs Uhr nachmittags mache ich beim Orell Füssli Heftausgabe an die anderen Verkäufer. Am Donnerstag stehe ich jeweils an der Löwenstrasse. Und zwar nur am Donnerstag. Es gibt einen PassanSURPRISE 250/11
Reto hat auch schon gesagt, ich sollte mich mehr erholen. Reto Bommer: Du solltest dich wirklich mehr erholen. Manchmal nehme ich es am Donnerstag der zweiten Verkaufswoche lockerer. Dann läuft nicht mehr viel. Am Freitag kommt ja das neue Heft. Hast du denn keine Hobbys? Amsterdam und die Band Status Quo. Anfang Mai kam das zusammen: Ich war bei ihrem Konzert in Amsterdam. Die spielen doch seit 30 Jahren die gleichen drei Akkorde – hängt dir das nicht zu den Ohren raus? Mir gefällts. Die CDs höre ich selten, aber live tönts viel besser. Und ewig werden die das nicht mehr machen. Die Band gibts seit über 40 Jahren, deshalb muss man sie jetzt noch anschauen gehen. Und dafür reist du bis nach Amsterdam? Mir gefällt diese Stadt einfach. Ich war schön öfter da, zuletzt Anfang Mai. Und davor war ich eine Woche in Österreich. Meine Mutter stammt von dort und ich war auf Besuch bei Onkeln und Tanten, die sind alle so zwischen 75 und 80. Du bist also nicht das schwarze Schaf in der Familie? Ich gelte als ein wenig verrückt, aber wir haben guten Kontakt. Bist du schon immer gerne gereist? Bis vor ein paar Jahren war ich stark übergewichtig. In dieser Zeit ging
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Wir gratulieren. Ein immer wieder überraschender Zugriff auf soziale Themen. Weiter so!
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Haus- und Energietechnik GmbH
Wir wünschen Surprise eine starke Stimme für Benachteiligte. Weiter so!
Wir wünschen den Verkäuferinnen und Verkäufern weiterhin ein gutes Stehvermögen.
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Das Migros-Kulturprozent ist ein freiwilliges, in den Statuten verankertes Engagement der Migros für Kultur, Gesellschaft, Bildung, Freizeit und Wirtschaft. www.migros-kulturprozent.ch
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«Integration Basel» Fachstelle Integration und Antidiskriminierung
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Wir wünschen Surprise einen sicheren Stand in der Schweizer Magazin-Szene.
Vielen Dank für die tolle Partnerschaft. Weiter so!
Kulturmagazin für den Raum Basel SURPRISE 250/11
ich nie in die Ferien. Mit 165 Kilo war es mir einfach nicht wohl. Im August vor acht Jahren haben sie mir einen Magenbypass gelegt. Was macht so ein Bypass? Der Magen wird verkleinert. Nach der Operation musst du neu essen lernen, fast wie ein Kind. Müesli, Suppen, solche Sachen. Nach etwa einem Jahr kannst du wieder anfangen mit Kartoffelstock und so. Und heute? Wenn du zu viel isst, kommt es postwendend wieder hoch. So lernst du zwangsläufig, vernünftig zu sein. Heute kann ich eigentlich alles essen, halt einfach in kleinen Mengen. Dadurch bin ich heikel geworden. Wenn ich schon nur wenig essen kann, dann Sachen, die ich gern habe. Was ist mit Kaffee und Alkohol? Reto Bommer: Kaffee und Zigaretten sind offensichtlich kein Problem. Und mit Alkohol habe ich schon vor elf Jahren aufgehört. Hast du davor gesoffen? Ich hatte einen guten Zug. Einen Liter Appenzeller habe ich während der Arbeitszeit getrunken. Was hast du damals gearbeitet? Im Gastgewerbe. Ursprünglich hatte ich Maurer gelernt. Auf Dauer ging das mit der Trinkerei natürlich nicht gut. Ich wurde immer launischer und ungeniessbarer, bis ich beschloss: Es reicht. Einfach so, ohne Therapie? Ohne Therapie. Ich beschloss, zur Jahrtausendwende aufzuhören und seit dem 1.1.2000 habe ich keinen Alkohol mehr angerührt. Das braucht einen starken Willen. Den habe ich. Die Zigaretten aufzugeben, das habe ich allerdings noch nicht geschafft.
Guter Bulle, böser Bulle: Vertriebsleiter Reto Bommer und Ralf Rohr.
Sehr freundlich, aber mir zuliebe musst du das nicht sagen. (lacht) Wieso soll ich mich bei dir einschleimen? Mir gefällt das Heft wirklich. Ich lese es fast immer. Einmal hatte ich das nicht gemacht und prompt wollte ein Käufer wissen, was drin stehe. Das war natürlich schlecht. Man sollte den Inhalt kennen, um der Kundschaft Auskunft geben zu können. Wie sollte es mit unserem Strassenmagazin deiner Meinung nach weitergehen? Ich bin zufrieden, wies ist. 80 Prozent der Kunden gefällt das Heft.
«Manche Stammkunden melden sich ab, wenn sie in die
Wie bist du zu Surprise gekommen? Ferien gehen. Ich lege ihnen dann ein Heft zurück.» Als ich noch so dick war, habe ich eine Weile vom Sozialamt gelebt. Dann arbeitete ich TeilUnd auf Vertriebs- oder Verkäuferseite? zeit bei der Stadtreinigung. Es gibt da eine Gruppe, die am Wochenende Man muss die Leute nehmen, wie sie sind. Da gibt es nicht viel zu ändie Strassen säubert. Für 18.70 Franken in der Stunde, alles inbegriffen, dern. auch der Einsatz an Weihnachten, morgens um fünf. Parallel dazu habe ich bei Surprise angefangen. Welche Tipps würdest du einem neuen Verkäufer geben? Höflich sein. Und immer grüssen. Obwohl das schwierig ist, bei TauWann war das? senden von Leuten, die an einem vorbeilaufen. Beim Verabschieden auf Im Februar 2004. Dann machte ich ein, zwei mal Ferienablösung für die die Umstände achten: Einen schönen Abend wünschen am späten damalige Vertriebsleiterin Sonja Slaby. Da musste ich jeweils die Belege Nachmittag, ein schönes Wochenende am Samstag oder neulich schöne der Einzahlungen nach Basel faxen, damit sie sahen, dass das Geld Ostern. Am besten sagt man das, bevor der Kunde es tut, denn das wirkt überwiesen wurde. aufmerksam. Wie ist die Vertriebsleiterin auf dich gekommen. Was mit Ausrufen: Surprise! Ich kenne sie seit der Schule, sie ist auch in Spreitenbach aufgewachsen. Hab ich noch nie gemacht. Erstens liegt mir das nicht und zweitens: Wer Ich musste dann einen Computerkurs in der Migros Klubschule machen, eins kaufen will, kauft eins. Da nützt Rufen nichts. Ausserdem habe ich damit ich auch das Administrative erledigen konnte und dann wurde ich viele Stammkunden. in einem Teilzeitpensum angestellt. Reto Bommer: Mittlerweile hat er auch gelernt, wie er im Internet rausWas heisst viele? findet, wo Status Quo auftreten. Einige. Da stecken sieben Jahre Arbeit dahinter. Manche Stammkunden So ist es. Ich bin recht geschickt mit dem Computer, finde meistens eimelden sich bei mir sogar ab, wenn sie in die Ferien gehen. Ich lege ihnen Ausweg, wenn ich in einer digitalen Sackgasse stecke. nen dann ein Heft zurück. Das ist meine Art von Kundenservice. Umgekehrt gibt es ein paar, die das Heft immer nur bei mir kaufen. Von daNun sind wir mit Surprise bei 250 Ausgaben angelangt. Was beher: Ich bin auf dem richtigen Weg. deutet das Strassenmagazin für dich? ■ Es ist mein Einkommen und dank den AHV-Beiträgen auch meine Altersvorsorge. Und das Heft ist in den letzten Jahren besser geworden. SURPRISE 250/11
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Steve Meyer, Strassenfussballer «Ich als Captain!» Steve Meyer war 30 lange Jahre dem Alkohol verfallen. Nach unzähligen Entzügen, Klinikaufenthalten und Suizidversuchen hat er vor zwei Jahren den Entzug geschafft und die Therapie erfolgreich beendet. 2010 war er als Captain mit seiner Strassenfussballmannschaft in Rio an der Weltmeisterschaft. VON MELANIE IMHOF (TEXT) UND LUCIAN HUNZIKER (BILDER)
Freundin hatte. Der Alkohol gab mir damals die Geborgenheit und die Zuwendung, die ich brauchte. Ich sah nicht ein, dass eine Frau mir genau das auch geben könnte. Als ich von meiner damaligen Freundin vor die Wahl gestellt wurde, entweder der Alk oder sie, entschied ich mich für die Droge. Als sie mich verliess, stürzte ich komplett ab. 15 Dosen Bier und ein Liter Schnaps waren lange meine Tagesration. Irgendwann habe ich dann auch nichts Festes mehr runtergekriegt. Mit 28 kollabierte mein Kreislauf. Ich wohnte damals bei einem Freund – er ist übrigens bis heute ein enger Vertrauter von mir –, er sah mich auf der Couch liegen. Glücklicherweise ist er Sanitäter und hat mich sofort eingeliefert. Beim Arzt stritt ich alles ab. Alkohol? Ich? Sicher nicht! Er liess mich gehen. Bis zu meiner erfolgreichen Therapie vor zwei Jahren war ich ungefähr 50 Mal im Spital und in der psychiatrischen Klinik, hatte zwei Suizidversuche hinter mir. Ich fühlte mich so nutzlos. Aber so richtig geklappt hat es dann doch nicht mit dem Abtreten. Auch nicht, als ich mich im Keller mit meinem Sturmgewehr erschiessen wollte. Ich war derart verladen, dass ich bloss ein riesiges Loch in die Kellerdecke schoss. Doch als ich 2009 abermals ins Spital eingeliefert wurde, dämmerte mir langsam, aber sicher, dass ich was unternehmen musste. So machte ich den Entzug im Spital und wurde anschliessend zur Überbrückung ins ‹Hupp›, ein Haus des Blauen Kreuzes, gebracht. Dort verbrachte ich viel Zeit draussen. Auf langen Spaziergängen habe ich mich nach und nach wieder gespürt. Schliesslich die Therapie in der Forel Klinik: Acht Monate hardcore Kurse! Einzelund Gruppengespräche. Und dann das Bonding! Das Bonding war die schlimmste, aber auch die erfolgreichste Therapieform, die ich absolviert habe. Sie zwingt dich, dich wieder selbst zu spüren. Es zwingt dich, einen anderen Menschen auf dir auszuhalten und es zwingt dich, all die furchtbaren Verletzungen, die dir während eines ganzen Lebens, vor allem aber in der Kindheit zugefügt worden sind, wahrzunehmen, den Schmerz zuzulassen und ihn auszuhalten. Wir waren jeweils zu zweit. Ein Brocken von einem Mann hat sich auf
«Mutter hatte es nicht einfach. Sie kam aus dem Welschen zu uns nach Burg. Auf diesen Bauernhof, der von meinem Vater und seinen Eltern betrieben wurde. Sie kannte keinen Knochen und schwatzte eine Sprache, die keiner so richtig verstand. Burg im Leimental, Kanton Baselland. Kein sehr aufgeschlossener Ort. Dort kennt jeder jeden. Wenn da eine Fremde auftaucht, ist das für sich schon mal was ganz Exotisches. Mutter bekam mich und meine Schwester. Und bald hat sie es auf dem Hof nicht mehr ausgehalten. Mein Vater hat immer zu seinen Eltern gehalten, wie man mit einer Ehefrau umgeht, hat er nie ganz kapiert. Dass seine Frau auch Bedürfnisse hat, ist ihm nicht aufgefallen. Und wir haben halt auch nicht mitgekriegt, wie man eine gute Beziehung führt. Also verschwand Mutter immer mal wieder vom Hof. Uns hat sie mitgeschleppt. In die Dorfbeiz. Da hat sie sich dann zu anderen Männern gesetzt, ziemlich nahe sogar. Und dann gings los mit der Becherei. Wir waren immer dabei, haben alles mitgekriegt. Aber für sie war es halt ein Ausweg. Der einzige. Meistens ist es gut gegangen. Zwei Mal jedoch kamen wir mit dem Auto ins Schleudern. Einmal schlitterten wir ein Tobel runter, ein anderes Mal krachten wir frontal in einen Baum. Keine Ahnung, wie viele Schutzengel wir hatten. Bestimmt einige. Wir kamen jedes Mal lebend davon, fast ein Wunder, so wie das Auto jeweils ausgesehen hat. Totalschaden. Futsch. Doch sie hat das nicht vom Saufen abgehalten. Einmal sind wir sogar ganz ausgezogen von zu Hause. Zu einem anderen Mann nach Möhlin. Meine Schwester blieb beim Vater. Ich fands ganz angenehm da. Der neue Freund meiner Mutter hat mir sogar ein Töffli geschenkt. Ein feiner Kerl. Doch wir kehrten zurück, ich weiss nicht weshalb. Der Terror ging weiter. Mit elf hatte ich meinen ersten Absturz – ‹nachleben› nennt man das in der Fachsprache. So was lernt man später in der Therapie. Ich kannte ja nichts anderes von daheim, von der Mutter. Ich kann mich gut daran erinnern, wie wir Jungs uns bei einem Kumpel zu Hause getroffen hatten. Die Eltern weg. Die Bar aufgefüllt, man musste nur noch zugreifen. Bier, Wein, «Ich wollte sterben, war aber derart verladen, dass ich bloss Schnaps, Liköre. Alles, was das Herz begehrt. ein riesiges Loch in die Kellerdecke schoss.» Normalerweise dauerte der Weg vom Kumpel zu mir heim 30 Minuten. In dieser Nacht hatte ich acht Stunden. Totaler Filmriss. Schwarzes Loch im Hirn. Einige mich draufgelegt. Eine, zwei, drei Stunden. In dieser Zeit machte es Schrammen am Körper und im Gesicht, ich muss ein paar Mal hingemehrmals ‹PENG› in meinem Kopf. Was ich da rausgeschrien habe, unfallen sein. Aber ehrlich, ich wusste nicht mehr, wie ich nach Hause geglaublich. Aber dann war es draussen. kommen bin. Das war dann auch der Start meiner unrühmlichen KarNach den acht Monaten war ich trocken. Zum ersten Mal nach vieriere als Alkoholiker. len Jahren. Und ich bin es heute nach zwei Jahren immer noch. Nach Die Lehre zum Bäcker/Konditor war für mich ein Segen. Ich konnte der Therapie wurde ich im Sophie-Blocher-Haus in Frenkendorf BL aufausziehen. Hatte ein eigenes Zimmer. Auch beim FC Laufen lief es recht genommen. Es gibt Betreuung und Beratung, ich habe Arbeit, eine Wohgut, ich spielte in der 2. Liga, später in Reinach in der 3. Liga. Fussball nung und fühle mich wohl. Mit dem Fussball habe ich beim FC Barrahat mich lange begleitet und half mir sehr viel später dann auch wieder cuda vom Sophie-Blocher-Haus auch wieder angefangen. Wir spielen in aus der Scheisse. Leider habe ich auch während der Lehre getrunken, der Strassenfussball-Liga, organisiert von Surprise Strassensport. Durch was dazu führte, dass ich rausgeschmissen wurde. Später fand ich dann das Training bin ich recht fit geworden. Ich habe mich diszipliniert, keieine andere Bäckerei, in der ich abschliessen konnte. Der Alkoholkonnes auszulassen. Das hat sich gelohnt. Letztes Jahr erlebte ich nämlich sum wurde aber immer extremer. Ich hörte auch nicht auf, als ich eine ein echtes Highlight: Der Nati-Trainer David Möller kam auf mich zu SURPRISE 250/11
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Wir gratulieren. «Lass dich nicht unterkriegen, sei frech und wild und wunderbar!»
Starke Sache!
Wir sagen allen, die es täglich auf der Strasse verkaufen: Chapeau!
(Astrid Lindgren)
Informieren und Alarmieren
Wir wünschen Surprise eine starke Stimme für Benachteiligte. Weiter so!
Wir wünschen Surprise einen sicheren Stand in der Schweizer Magazin-Szene.
Wir wünschen Surprise eine starke Stimme für Benachteiligte. Weiter so!
Wir freuen uns auf weiteren überraschenden Lesestoff.
Wir wünschen den Verkäuferinnen und Verkäufern weiterhin gutes Standvermögen.
Der Name Surprise ist Programm. Ein Beitrag im Kampf gegen den politischen Meinungsbrei. Wir gratulieren von Magazin zu Magazin.
Magazin für politische Meinungsbildung.
Weiter so!
Wir sagen allen, die es täglich auf der Strasse verkaufen: Chapeau!
Gefällt uns!
womm.ch www.kul.li
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und fragte, ob ich in die Surprise-Nationalmannschaft eintreten wolle. Wow! Welche Ehre! Und damit nicht genug. Die Weltmeisterschaft fand in Rio statt. Ich war natürlich unheimlich stolz, da mitreisen zu dürfen. Ich als Captain! Wir haben uns recht gut ‹gmetzget›. Ich hatte die Mannschaft im Griff. Ein bleibendes Erlebnis war die Reise am letzten Tag: Wir stiegen auf den Berg Corcovado. Da oben drauf steht die berühmte Jesus-Statue. Ich bin nicht gläubig im christlichen Sinne, mittlerweile glaube ich ja Gott sei Dank wieder an mich. Doch das war dann schon ein sehr imposanter Anblick, dieser Jesus. Wie er so dastand ... Heute bin ich mit 42 total trocken. Und ich bin sicher, dass es so bleiben wird. Ich fühle mich stark. Und ich bin zuversichtlich, was meine Zukunft angeht. Ich halte mich an die Worte meines Grossvaters: ‹Junge, pass auf. Egal, was da kommt in deinem Leben, gib nie auf!›» ■ Melanie Imhof war stellvertretende Chefredaktorin von Surprise von 2004 bis 2009 und arbeitet heute als Informationsbeauftragte im Präsidialdepartement des Kantons Basel-Stadt.
Surprise Strassensport Der Strassensport ist ein Angebot von Surprise. 18 Teams mit unterschiedlichem sozialen Hintergrund spielen mittlerweile in der Schweizer Strassensport Liga. Zudem unterstützt Surprise soziale Institutionen beim Aufbau von professionellen Trainings und stellt eine StreetSoccer-Anlage zur Verfügung. Termine: 28. Mai, Kaserne Basel, Frühlingsturnier; 31. Mai, BenefizSpiel, Surprise Nati vs. Team Coca-Cola, Stade de Suisse, Bern. Mehr Infos: www.strassensport.ch
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Kurzgeschichte Roland A. Meier im Selbstversuch VON SANDRA HUGHES (TEXT) UND IRÈNE MEIER (ILLUSTRATION)
Roland Meier gefällt sich. Er zupft die ausgebeulte Hose zurecht, schlägt den Kragen der alten Jacke hoch. Evelyne besorgte sie secondhand, Kleidungsstücke dieser Art befinden sich seit 30 Jahren nicht mehr in seinem Schrank. Anzug und Krawatte sitzen besser und sind die einzig angemessene Kleidung für öffentliche Auftritte. Aber diesmal zieht er ja keine Bilanz vor Aktionären. Heute wird er am Hauptbahnhof stehen und das Strassenmagazin verkaufen. Er prüfte das Produkt im Vorfeld und findet es passend, mit ihm zusammen aufzutreten: Da wird nicht gejammert, sondern gearbeitet, keine hohle Hand gemacht, sondern Initiative ergriffen. Perfekt für seine Botschaft. Eine Fotografin ist bestellt, das Regionalfernsehen will ihn filmen. Die anderen Medien liessen nichts von sich hören. Bestimmt rennen die Journalisten zur Miss Kompost oder stellen dem neusten archäologischen Fund letzte Fragen. Ihnen entgeht der Auftritt von Roland A. Meier, Unternehmer und Hauptaktionär der Maiss AG, verheiratet, Vater von drei erwachsenen Söhnen, Gemeindepräsident seit elf Jahren, versiert im Bewältigen von Krisen. Er führt Produktion und Absatz von Schrauben, Nägeln und Nieten zu neuer Blüte, er bringt Dividenden wieder hoch und Aktionäre zum Jubeln. Seiner Evelyne besorgt er die besten Ärzte der Stadt, wenn sie wieder alles zu negativ sieht. Für Sohn Lukas, der in die falsche Szene geraten ist, hat er immer ein offenes Ohr, und wenn Geld hilft: An ihm soll es nicht liegen. Im Gemeinderat verhindert er ein weiteres Asylheim und bietet Roten und Grünen die Stirn. Er ist für Steuersenkungen und findet, dass die Umweltverschmutzung von Interessenvertretern herbeigeredet wird. Den Bäumen im Wald geht es gut. Drogen hingegen sind tatsächlich ein Problem, er sieht die kläglichen Gestalten, die ihn anbetteln, er liest von den Kriminellen, die seinen Mitbürgerinnen die Handtasche klauen. Mass halten, kann er da nur entgegnen, wie er es selbst tut, keiner zwingt ihn, die zweite Flasche Wein zu öffnen. Jeder hat selbst die Verantwortung dafür, was er sich zuführt. Stark sein, Selbstdisziplin üben, auch mal eine übergezogen erhalten, aber da versagen heutige Erzieher. Kuscheln kann ich nachts im Bett, sagt er jeweils, wollen Sie wissen, was ich tagsüber mache? Damit holt er sich immer ein paar Lacher. «Strassenmagazin!» Er räuspert sich. Seine Stimme tönt angenehm. «Strassenmagazin, die neuste Ausgabe!» Er hängt die Tasche mit den Heften um. Noch ist sie schwer, aber das wird sich ändern. Er rechnet damit, dass er die Magazine bis Mittag verkauft hat. Er wird beim Vertriebsbüro Nachschub bestellen, die netten Damen dort würden staunen. Sie zögerten ein wenig, als er mit der Anfrage an sie gelangte, einen Tag lang das Strassenmagazin zu verkaufen. Er lobte das Projekt, das Unternehmergeist mit sozialem Engagement verbindet, er legte ihnen dar, wie wichtig ihm dieser Selbstversuch sei, ein Erfahrungsgewinn, eine Schulung fürs Leben. Sie nickten. Das mit den Medien liess er aus. Auch von seinem Verkaufsrekord brauchten sie nichts zu wissen, und dass er dem Strassenmagazin seinen Erlös spendiert. Das werden sie erfahren, wenn er es den Journalisten in die Mikrofone diktiert. «Jeder kann, wenn er will. Einsatz ist alles. Erfolg ist machbar. Daran glauben und arbeiten. Sehen Sie mich an, den Meier Roli, Sohn ei-
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nes Taglöhners und einer Heimarbeiterin. Ich weiss, wovon ich spreche. Und ich handle, ohne lange zu reden. Für eine gute Sache.» Niemand braucht jetzt schon zu wissen, dass er für den Regierungsrat kandidieren will. Aber sein Bekanntheitsgrad muss gesteigert werden. Am Samstag für die Partei vor dem Coop stehen und Schokoladenherzchen verteilen reicht nicht. «Strassenmagazin!» Geht schon ganz schön laut. Er lächelt seinem Spiegelbild nochmals zu und verlässt das Haus. In der Strassenbahn stinkt es. Er weiss, weshalb er Audi fährt. Der Schweiss läuft ihm übers Gesicht, als er am Bahnhof aussteigt. Er hat kein Taschentuch dabei, dafür ist Evelyne zuständig, aber Evelyne sitzt wieder einmal in der Klinik. Sie lässt sich aufpäppeln mit bunten Pillen und analysieren von diesem bleichen Arzt, der ihn nie grüsst. Er wischt sich den Schweiss mit dem Ärmel von der Stirn, sieht sich in der Bahnhofshalle um. Er nimmt den strategisch besten Platz ein, die Rolltreppen im Blick, die ihm Kunden liefern. «Strassenmagazin!» Er räuspert sich. Dieser Lärm hier, man versteht seine eigene Stimme nicht. Kinder schreien und jagen sich durch die Halle, keine Mutter, die für Ordnung sorgt, dafür kläffende Hunde. «Strassenmagazin, die neuste Ausgabe!» Männer in Anzügen hasten an ihm vorbei, Handy am Ohr, grosse Worte auf den Lippen. Sie ignorieren ihn, die Wichtigtuer. Sie fühlen sich erhaben, weil sie Anzüge tragen und Business machen. Sie glauben, ihn verachten zu dürfen, den Strassenverkäufer mit der ausgebeulten Hose. Sie sind Opfer ihres Erfolgs, seelisch verroht, ohne Blick für Not. Ignoranten. Er schliesst sie als Zielgruppe aus. Er wird seine Magazine an die Frauen bringen, die in Scharen die Rolltreppe hinaufund hinunterfahren. Sie gehen, ihre Taschen an sich gepresst, mit zielgerichtetem Blick an ihm vorbei, die Absätze klappern, klack klack klack. Manchmal lacht eine, während sie in ihr Telefon spricht. Keine schaut ihn an. Er steht hier, Roland A. Meier, 56, braungebrannt, gross und gut in Form, und keine beachtet ihn. «Für einen guten Zweck, Strassenmagazin!» Eine junge Frau schielt auf das Heft in seiner Hand, für einen kurzen Augenblick, schaut schnell wieder weg. «Tun Sie etwas Gutes – für Sie und für mich!» Ein Blick trifft ihn, braune Augen, er lächelt und hält das Heft der Frau entgegen, sie bewegt die Lippen, sagt etwas. Er versteht es, als sie an ihm vorbei ist, mit einem bösen Zischen: «Wichser!» Er wischt sich den Schweiss von der Stirn. Die Tasche wiegt schwer, er stellt sie auf den Boden zwischen seine Füsse, bewegt die schmerzenden Schultern. Die Fotografin ist auf zwölf Uhr bestellt, sie wird diskret ein paar Aufnahmen machen, wenn er mit Kunden im Gespräch ist. Er muss die Strategie ändern, auf Inhalte setzen, nicht auf Mitleid. Die Leute wollen einen Mehrwert, von guten Taten kann niemand leben. Schon gar nicht diese aufgeblasenen Weiber hier, die sich einzig für ihr Make-up am Morgen engagieren. «Spannende Reportagen!» Um das Thema «Späte Liebe» geht’s im Heft, das hat er beim schnellen Durchblättern gesehen. Nichts, was er lesen will. Und auf eine griffige Formel, die auch noch öffentlich verkündbar ist, lässt sich das kaum bringen. Ihm fällt bloss Schlüpfriges ein. Hätte er doch vorher seine Kommunikationsabteilung gefragt, aber er wollte sein Vorhaben für sich behalten, die Leute einmal mehr überraschen mit seinen Ideen. «Hier, für Sie.» Eine ältere Dame steht vor ihm, drückt ihm zwei kalte Münzen in die Hand. Verblüfft starrt er auf die sechs Franken. «Ihr Heft!», ruft er und eilt der Frau nach. «Behalten Sie es.» Sie lächelt und winkt. Die Alte will sein Produkt nicht, sie zweifelt SURPRISE 250/11
an der Qualität. Sie traut ihm zu, mindere Ware zu verkaufen, die blöde Kuh. Dabei ist das Thema auf sie zugeschnitten. Ihr fehlt einer, der sie mal so richtig. Einer, der ihrem Dünkel den Garaus macht. «Sex über 60 im Strassenmagazin!» Er hat die Formel gefunden. Die Leute hier kriegen, was sie verdienen. «Bringen ihn Alte noch hoch?» Seine wohlklingende Stimme hallt durch den Bahnhof. Zwei junge Frauen schauen zurück und kichern. «Geile Greisinnen! Kaufen Sie geile Greisinnen im Strassenmagazin!» Geht doch. Die Herren im Anzug starren. «Abartig oder nicht? Alterssex im Strassenmagazin. Strassenmagazin!» Eine Hand umklammert seinen Oberarm, jemand greift nach seiner Tasche mit den Magazinen. «Mitkommen.» Zwei bullige Bahnhofspolizisten nehmen ihn in die Mitte. «He!» Er versucht, sich loszuwinden. «Lassen Sie mich los. Ich habe eine Bewilligung, ich darf hier verkaufen.» Die Hand an seinem Arm drückt fester, zieht ihn vorwärts. «Erregung öffentlichen Ärgernisses. Los, mitkommen.» Öffentliches Ärgernis, ein Witz. Dazu gehören andere Handlungen als offensives Anpreisen eines Produkts. Wie empfindlich die Polizisten heutzutage sind. «Ich muss da mal etwas klarstellen: Ich bin Roland Meier, Sie wissen schon, Maiss AG, Besitzer, Unternehmensleiter und ...» «Ha», sagt der eine, «der ist gut. Und ich bin Prinz Charles im Urlaub.» Sie grölen. «Verdammt, ich kann mich ausweisen.» Er versucht wieder, sich loszureissen, aber sie schieben ihn vorwärts, mit festem Griff. «Später, jetzt kommst du mal schön mit auf den Posten, du Chef, du.» Ihr Gelächter dröhnt in seinen Ohren, seine Gedanken rasen, als er zwei junge Männer mit Kamera und Mikrofon auf sich zukommen SURPRISE 250/11
sieht. Sein Herz stockt. Sie sind vom Regionalfernsehen. Der eine stutzt, stösst den andern an, der sofort die Kamera ansetzt. «Herr Meier, Sie sind heute in ungewöhnlicher Mission unterwegs.» Der junge Mann hastet vor ihm her, presst ihm das Mikrofon an die Nase. Von vorne filmt der andere, wie ihn die Polizisten vorwärts zerren. «Ich sage nichts!», schreit er, «kein Wort, no comment. Einen unschuldigen Bürger verhaften, sind wir hier in einem Rechtsstaat? Eine Bananenrepublik ist das, wir leben in einer Bananenrepublik, jawohl!» «Bananenrepublik, Bananenrepublik!», schallt es aus dem Fernseher, als er die Nachrichten schaut, später, zu Hause. Die Polizei entliess ihn, nachdem er seine Identität beweisen konnte, mit einer Mahnung. Sohn Lukas schickt ihm eine SMS, «Imposanter Auftritt, gut gemacht, Pa». Evelyne schluckt Pillen und kriegt nichts mit. «Unternehmer und Politiker erregt öffentliches Ärgernis», liest er fett am nächsten Tag, das Lokalblatt bringt ein Bild dazu, Roland A. Meier mit wutverzerrtem Gesicht, flankiert von zwei Polizisten. Er gibt ein paar Interviews, relativiert, lächelt. Roland A. Meier ist in aller Munde. Ziel erreicht. Nicht wie vorgesehen, mit leichtem Kollateralschaden, aber der stärkste Businessplan kann vom Leben eingeholt werden. Das vermittelt er seinen Leuten seit Jahren. Einzig die vielen Strassenmagazine irritieren ihn. Zurückbringen kommt nicht in Frage, er will keine spöttischen Blicke sehen. Er bringt die Stapel in den Keller. Evelyne soll sie fürs Altpapier bündeln, sobald sie aus der Klinik zurück ist. Den Damen und Herren vom Verein Strassenmagazin wird er eine satte Spende zukommen lassen. Man soll den Wahlkampf in die alltäglichen Handlungen einbinden. Schliesslich erwägt er ernsthaft seine Kandidatur für den Regierungsrat. Gerade eine Bananenrepublik braucht Männer wie ihn. ■
Zur Person: Sandra Hughes ist 1966 geboren, sie lebt in Allschwil bei Basel. 2006 veröffentlichte sie den Roman «Lee Gustavo», 2009 erschien, wiederum im Zürcher Limmat Verlag, das Buch «Maus im Kopf».
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BILD: GUIDO SÜESS
Wörter von Pörtner 250 Jahre Surprise Noch ist es nicht so weit. Die ersten 250 Ausgaben dürfen jedoch gefeiert werden. Gut, dass es das Heft so lange schon gibt und dass so viele Ausgaben von so vielen Leuten gekauft und auch gelesen werden. Anlass, der Redaktion zu gratulieren, die für wenig Lohn und Ruhm eine gute Zeitschrift macht. Das Heft ist bekanntlich kein Selbstzweck, es erfüllt zwar eine wichtige Aufgabe, erlaubt es Menschen, ein eigenständiges Einkommen zu erzielen, soziale Kontakte zu pflegen, selbstständig und selbstbewusst zu bleiben. Kurzum, ein schönes Ereignis, dieses Jubiläum, wäre es nicht eigentlich ein trauriges. Strassenmagazine, früher auch Arbeitslosenoder Obdachlosenzeitung genannt, sollte es nämlich gar nicht geben. Zu besseren Zeiten und in besseren Welten wären die Menschen, die diese Zeitungen ver-
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kaufen, in die Gesellschaft integriert und fänden ihr Ein- und Auskommen auf andere Weise. Neben der viel diskutierten Integrationsverweigerung von Personen gibt es auch eine Integrationsverweigerung der Gesellschaft. Jenen gegenüber, die das Tempo nicht mithalten können, die sich einen Fehltritt geleistet haben, die im falschen Land geboren wurden, die zu anstrengend sind. Für diese Menschen ist es in den letzten 20 Jahren härter geworden, in unserem Land und in unserer Welt. Im Gegensatz zu jenen, die auch dann nicht auf die Boni verzichten müssen, wenn sie das Weltwirtschaftssystem gegen die Wand fahren, weil sie zwar stets für Gewinne und Erfolge, niemals jedoch für Fehler und Versagen verantwortlich gemacht werden dürfen, ist die Nachsicht mit jenen am anderen Ende der sozialen Leiter stetig gesunken. Wer arm, krank, fremd ist, ist in allererster Linie selber schuld und soll darum selber schauen. Uns wird schliesslich auch nichts geschenkt, oder? Dabei schenken wir durchaus gern. Aber nur nach oben. Wenn Groll oder Zweifel aufkommen, warum man trotz guter Ausbildung, trotz Arbeitsmoral und Leistungsbereitschaft nicht vom Fleck kommt, warum die eigene Arbeit mehrere Hundert Mal schlechter bezahlt und darum auch weniger wert ist als die eines Kartenhauskonstrukteurs, dann leitet man diese negativen Emotionen gegen unten ab.
Die immer wieder von den Absahnern entfachte Neiddiskussion ist reine Augenwischerei. Der wahre Neid, die tiefe Missgunst, richtet sich gegen unten. Um jeden noch so kleinen Budgetposten wird gefeilscht, wenn es um soziale Anliegen, wenn es darum geht, das Leben derer zu erleichtern, die es wirklich schwer haben. Schwache zu prügeln ist risikofrei und befriedigend und auch nachtreten ist erlaubt. Darum gibt es auch immer mehr private Hilfsorganisationen, Wohltätigkeitsveranstaltungen und Unterstützungsprojekte wie Surprise. Sie erfüllen eine wichtige Aufgabe. Doch eigentlich sollten sie gar nicht nötig sein, weil sich eine zivilisierte Gesellschaft nicht den Starken zu Füssen wirft, sondern auf die Schwächsten achtgibt. Darum ist zu hoffen, dass es das Surprise eines Tages nicht mehr braucht. Dass der Wert eines Menschen nicht allein an seiner wirtschaftlichen Effizienz gemessen wird, die Gesellschaft ihre Ränder ausdehnt und weniger ausgrenzt, so dass alle ihren Platz finden und etwas tun können, das ihnen entspricht. Und sei das auch nur der Verkauf einer Zeitschrift.
STEPHAN PÖRTNER (STPOERTNER@LYCOS.COM) ILLUSTRATION: MILENA SCHÄRER (MILENA.SCHAERER@GMX.CH) SURPRISE 250/11
Festival wildwuchs Im Ballkleid gegen Berührungsängste Seit zehn Jahren wuchert das Kulturfestival wildwuchs in Basel über Gräben und Mauern der Gesellschaft. Hier sollen Menschen mit und ohne Behinderung dank Musik und Theater oder einer Bratwurst vom Grill zusammenfinden.
«Wenn Menschen mit Behinderungen endlich anders wahrgenommen werden, hat sich das Festival wildwuchs selbst erledigt», meint die Künstlerische Leiterin, Sibylle Ott. Kunst ist für die Wahrnehmungsverschiebung ein idealer Katalysator. Wo sonst geht es derart um Originalität und individuellen Ausdruck, während Normen verpönt sind. Otto Normalbürger kann sich dabei auch gerne mal überlegen: Was wäre die heutige Kulturgeschichte ohne sogenannt «Wahnsinnige» wie Maler Vincent van Gogh oder Lyriker Friedrich Hölderlin? Doch nicht nur die Hochkultur, auch die heutige Popmusik ist geprägt von blinden Musikern wie Ray Charles oder Stevie Wonder. Ja selbst Entertainer Robbie Williams wäre ohne sein Borderline-Syndrom wahrscheinlich nur halb so einnehmend und charismatisch. Klar sind die körperlichen oder geistigen Normabweichungen bei den wildwuchs-Künstlerinnen und -künstlern meist augenscheinlicher. Die Berührungsängste des Publikums sind über die Jahre dennoch geringer geworden. Das Basler Kulturfestival lockte bei der letzten Durchführung 15 000 Besucher an. Doch bis Menschen mit und ohne Behinderung ganz normal zusammen das Leben und die Kunst feiern, sind gemäss Ott noch genug Zäune niederzureissen. An die 50 Produktionen sind in den zehn Tagen der Jubiläumsausgabe auf dem Kasernenareal Basel und im Theater Roxy Birsfelden zu erleben. Das Bouquet an Programmblüten ist bunt: Nebst vielen einheimischen Produktionen wie «Die 7 Todsünden», ein gesamtschweizerisches Theaterprojekt von sieben Gruppen, werden Gastspiele internationaler Truppen geboten, etwa der «Dengaku Mai» («Tanz im Reisfeld») des japanischen Jinenjo Club. Tagsüber locken Vorführungen lokaler Laientruppen und Workshops auf den Kasernenplatz. Der dort eigens aufgebaute «Schaugarten» ist das eigentliche Herzstück des wildwuchsFestivals. Es ist nicht nur die Plattform für regionales Musik-, Tanz- und Theaterschaffen. Zwischen Workshops, Spielaktionen und Bistro durchmischen sich Publikum und Künstler. Diese Begegnungen und der entstehende Austausch sind das Hauptanliegen des Festivals. Neugierig darf man beim wildwuchs-Festival gerne sein. Doch ist der «Schaugarten» definitiv nicht als Freakshow gedacht. Sibylle Ott sagt: «Es gibt leider noch heute Regisseure, die Menschen mit Behinderungen mehr der Effekthascherei wegen einsetzen. Wir achten bei der Auswahl der Produktionen jedoch ebenso auf professionelle Qualität wie auf die notwendige Sensibilität. Darum entwickelt das Publikum schnell Respekt vor der künstlerischen Leistung. Im Gegenzug fallen die Berührungsängste und man will mehr über diese Menschen erfahren.» Zu erfahren gibt es vieles, auch heisse Eisen werden angepackt. Bei einem Festival gab es eine französische Produktion, in der die Schauspieler in einer Szene nackt tanzten. Ott: «So etwas sorgt auf jeder Bühne für gespaltene Meinungen. Darum koppeln wir gewagte Produktionen gerne an Podiumsdiskussionen, an denen sich Schauspieler, Regisseure und Publikum auf Augenhöhe austauschen können.» SURPRISE 250/11
BILD: DOMINIK LABHARDT
VON OLIVIER JOLIAT
Tanz im Reisfeld: Jinenjo Club.
Um die Normalität des Miteinanders aller zu unterstreichen, gibt es auch gemischte Projektgruppen und ein paar von der Norm abweichende Gaukler ziehen über das Gelände. Der krönende Höhepunkt des Festivals wird aber bestimmt der Jubiläumsball mit Live-Musik, DJs und dem Tanz der wildwuchs eigenen Hofballtruppe, die sich dafür in ihre speziell dafür geschneiderten Kleider wirft. Auch alle anderen Ballgäste sollen sich an den Dresscode «chic» halten. Wer gerne ein eigenes Ballkleid schneidern will, kann das übrigens während des Festivals bei einem der Stände im Schaugarten tun. Und wer keine Zeit hat, nach Basel zu fahren: Gewisse Produktionen spielen auch an den Partnerfestivals Okkupation! in Zürich (18.– 28. Mai) und Beweggrund in Bern (1.– 5. Juni). ■ Freitag, 27. Mai, bis Sonntag 5. Juni, Kaserne Basel, Theater Roxy Birsfelden, und diverse Plätze. www.wildwuchs.ch, www.hora-okkupation.ch, www.beweggrund.ch
Surprise am wildwuchs-Festival Surprise freut sich, gemeinsam mit dem wildwuchs-Festival zu feiern. So findet am Samstag, 28. Mai, ab 11 Uhr auf dem Kasernenplatz ein Turnier der Surprise Strassensportliga statt. Um 14 Uhr spielt die neu formierte Surprise Nationalmannschaft ausserdem gegen ein Prominenten-Team aus Sport, Politik und Kultur. Und um 18 Uhr singt und musiziert der Surprise Strassenchor im Schaugarten.
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BILD: ZVG
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Kulturtipps
Perry Rhodan, Weltraumpionier
Kermit und Jim: Henson sprach und spielte den Frosch immer selbst.
Comic Zukunft made in Germany
Film Frösche und andere Menschen
Lange vor Captain Kirk und Spitzohr Spock, Luke Skywalker und Han Solo war er «unser Mann im All»: Perry Rhodan. Nun wird die gleichnamige Kultserie 50.
1990 will Jim Henson sein Muppet-Imperium an die Walt Disney Company verkaufen. Da stirbt er, 53-jährig, an einer Lungenentzündung. Heuer wäre der Vater von Kermit 75 geworden.
VON CHRISTOPHER ZIMMER
VON PRIMO MAZZONI
Die Zahlen sind beeindruckend: Seit am 8. September 1961 das erste Heft («Unternehmen Stardust») über die Ladentheke ging, erschienen bis heute fast 2600 «Perry Rhodan»-Bände. Allein in Deutschland wurden weit über eine Milliarde Hefte verkauft. Dazu kommen noch Ausgaben in Ländern wie Japan, Frankreich oder Brasilien, Taschenbücher, Sammelbände, Comics und Computerspiele, Hörbücher und jede Menge Fanartikel. Würde man die Gesamtauflage aller Hefte übereinanderstapeln, würden sie locker bis zum Mond reichen. Eben dort fing alles an. Acht Jahre vor Neil Armstrong betritt Major Perry Rhodan als erster Mensch den Erdtrabanten und entdeckt ein gestrandetes Raumschiff der Arkoniden – hoch entwickelte, aber degenerierte «Alien»-Humanoide. Mit Hilfe der Arkonidentechnik verhindert Rhodan den dritten Weltkrieg, eint die Erde und macht sich daran, das galaktische Grossreich der Terraner zu errichten – wofür er sich dank seiner, durch einen Zellaktivator verliehenen, Unsterblichkeit reichlich Zeit lassen kann. Während Jahrtausenden leitet er fortan die Geschicke der Menschheit. Hinter diesem gewaltigen Unternehmen steckt ein vielköpfiges Autorenteam, das mit deutscher Gründlichkeit am fiktiven Parallelkosmos des «Perryversum» bastelt. Neulingen wird der Einstieg durch abgeschlossene Zyklen erleichtert. Zudem bleiben die Hauptfiguren – etwa der Mausbiber Gucky oder der Arkonidenprinz Atlan – und wichtige Schlüsselereignisse erhalten. In diesem Rahmen tummelt sich alles, was das Fanherz begehrt: Überlichttriebwerke und Impulskanonen, Schutzund Tarnschirme, ferne Welten und fremdartige Geschöpfe, Mutanten und Hyperräume, Superintelligenzen sowie Kosmokraten und Chaotarchen, die mit Galaxien Schach spielen. Pünktlich zum 50-Jahre-Jubiläum des gemäss Verlag «ältesten, langlebigsten und meistgelesenen Produkts der deutschen Nachkriegsliteratur» findet in Mannheim der 5. Rhodan-Weltkongress statt – mit News und Facts aus Fiktion und Wissenschaft. Der passende Aprilscherz dazu geisterte durchs Internet: Barack Obama habe als 13-Jähriger die Rhodan-Hefte verschlungen und darum gebeten, an der WeltCon 2011 die Keynote halten zu dürfen. Tja, wenn schon Fiktion, dann gleich mit der grossen Kelle!
1936 in den USA im Staate Mississippi geboren, ist Jim Henson früh vom Fernsehen fasziniert. Die Chance auf einen Auftritt in einem Lokalsender ist es dann, die ihn als Teenager dazu bringt, einen Sketch mit Puppen aufzuführen. Sofort erkennt er die neuen Möglichkeiten, die eine Kamera dem Puppenspiel bietet. Daraufhin entwickelt er eine erfolgreiche Serie von Werbespots für Hundefutter mit einem sprechenden Hund. 1969 werden die Macher der Kinderserie «Sesamstrasse» auf Jim Henson aufmerksam. Für sie entwickelt er seine Puppen, die er «Muppets» nennt, weiter. Hier taucht erstmals Kermit der Frosch auf, den Henson immer selbst gespielt und gesprochen hat. Ausschliesslich für Kinderprogramme arbeiten möchte Henson jedoch nicht. Aber niemand scheint an der Idee einer Puppenshow für Erwachsene Gefallen zu finden. Dank eines englischen Mäzens gelingt es Henson schliesslich, eine erste Folge der «Muppets Show» zu realisieren. Der Erfolg ist derart gross, dass zwischen 1976 und 1981 fünf Staffeln mit insgesamt 120 Episoden und mehrere Spielfilme folgen sollten. Die Serie verkauft sich weltweit millionenfach, und inzwischen sind die Muppets längst legendär. Figuren wie Miss Piggy, Gonzo der Grosse, das Tier und natürlich Kermit der Frosch kennen alle. Die Rezepte des dänischen Kochs und die bösen Bemerkungen der beiden Rentner Statler und Waldorf gehören zum zitierbaren populären Kulturkanon. Doch die Muppets sind nicht genug für Henson, er sieht beim Film für die Arbeit mit Puppen ein noch grösseres Potenzial. Mit Fantasy-Filmen wie «Dark Cristal» und «Labyrinth» begibt sich Henson auf dunkleres Terrain und entwickelt seine Kunst weiter, indem er mit seinem «Creature Shop» realistische «Viecher-Effekte», sogenannte Animatronics, für Filme wie «Babe» produziert. Jim Henson könnte dieses Jahr seinen 75. Geburtstag feiern. Nach seinem Tod sind die Muppets dann 2004 doch noch Teil des Mickey-Mouse-Imperiums geworden. Unter diesem Dach leben Kermit und seine Muppet-Familie fröhlich weiter. Bisher sind die ersten drei Staffeln der «Muppet Show» auf DVD erschienen, im Original und in deutscher Synchronfassung.
Infos unter: www.perry-rhodan.net, www.perrypedia.proc.org, www.prchronik.com
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Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.
Ausgespielt: Die CD ist ein Auslaufmodell.
Musik Silber ist nicht Gold Vor 30 Jahren wurde mit der Compact Disc die digitale Musik-Revolution ausgerufen. Jubiläumsschriften klingen jedoch mehr nach Nachruf als nach der ursprünglichen «Ode an die Freude». VON OLIVIER JOLIAT
Beethovens Neunte soll für die CD Pate gestanden haben. Denn der Gründungslegende zufolge wollte der damalige Sony-Vizechef Norio Ohga das Klassik-Meisterwerk endlich ohne Unterbruch hören können. Wilhelm Furtwänglers überlange Beethoven-Interpretation definierte so den Spielzeit-Standard von 74 Minuten. Präsentiert wurde die «Laser-Schallplatte» 1981. Kaufen konnte man die erste CD – Abbas «The Visitors» – aber erst im August 1982. Die Produktionsverzögerung war nicht weiter tragisch. Denn obwohl die Hersteller deren Vorzüge wie «überragende Klangqualität», «einfaches Handling» und «lange Laufzeit» anpriesen, hielt sich die Begeisterung der Massen in Massen. Kein Wunder, das Digital-Zeitalter erreichte mit IBMs erstem PC und Commodores C64 eben erst die Wohnzimmer. Der Durchbruch gelang 1985. Mit «Brothers in Arms» von den Dire Straits knackte erstmals ein komplett digital produziertes Album die Millionengrenze. Da auch die CD-Player erschwinglicher wurden, entwickelte sich die CD zum erfolgreichsten Tonträger aller Zeiten. Viele Plattensammler kauften ihre Lieblingsalben auf CD nach. Der Silberling bescherte der Musikindustrie in den 90er-Jahren goldene Zeiten. Das Vinyl-Angebot in den Musikläden schrumpfte, für die schwarzen Scheiben war in der digitalen Revolution kein Platz mehr. Doch auch diese Revolution frisst ihre eigenen Kinder. Um die Jahrtausendwende konnte jeder am Heimcomputer CDs ohne Qualitätsverlust kopieren. Einschneidender war jedoch, dass das immer leistungsfähigere Internet schnell ein grösseres Angebot an Musik bot als der bestsortierte Plattenladen – zwar illegal, aber gratis. 95 Prozent der heruntergeladenen Musik wird nach Schätzungen der Plattenindustrie geklaut. Lange versuchte sie dies mit läppischen Kopierschutz-Methoden und Klagen gegen illegale Anbieter wie Napster zu verhindern. Don Quijotes Kampf gegen die Windmühlen war aussichtsreicher. Die CD-Verkaufszahlen haben sich in den letzten zehn Jahren weltweit wie auch in der Schweiz mehr als halbiert und Apple hat derweil in aller Ruhe ein Plattform-Monopol für das boomende Geschäft mit legalen Downloads aufgebaut. Die CD ist zu ihrem 30. Geburtstag zwar noch immer der erfolgreichste Tonträger, doch die 30-Jahre-Grenze scheint nicht nur das Verfallsdatum ihrer Silberbeschichtung zu sein. SURPRISE 250/11
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Coop
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Arbeitssicherheit Zehnder GmbH, Ottenbach
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Velo-Oase Bestgen, Baar
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Schweiz. Tropen- und Public Health-Institut, BS
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Augusta-Raurica-Loge Druidenorden Basel
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Druckerei Hürzeler AG, Regensdorf
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Klinik Sonnenhalde AG, Riehen
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Stellenwerk AG, Zürich
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www.bauernschlau.ch, Hof, Web, Kultur
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Axpo Holding AG, Zürich
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AnyWeb AG, Zürich
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Niederer, Kraft & Frey, Zürich
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Gemeinnütziger Frauenverein Nidau
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Knackeboul Entertainment, Bern
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Locher Schwittay Gebäudetechnik GmbH, Basel
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Kaiser Software GmbH, Bern
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Responsability Social Investments AG, Zürich
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Lions Club Zürich-Seefeld
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TYDAC AG, Bern
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bewegstatt.ch, Janine Holenstein, Frauenfeld
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VXL gestaltung und werbung ag, Binningen
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Scherrer & Partner GmbH, Basel
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D. Heer Geigenbau, Winterthur
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KIBAG Kies und Beton
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Weblotion Webagentur, Zürich
Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Strassenmagazin Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.
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Ausgehtipps
Geben ein Konzert am Jubiläum: Brandhärd aus Basel.
Münchenstein/BL Zusammen feiern Annakin bringt Sternenstaub auf die Stolzewiese.
Zürich Freiluft urban
Vor genau einem halben Jahrhundert reichte es dem englischen Anwalt Peter Benenson definitiv: Er konnte die Ungerechtigkeiten der Welt nicht länger ertragen, ohne etwas dagegen zu tun. Aus der Überzeugung, das Aussergewöhnliches möglich ist, wenn sich Leute für eine gerechtere Welt zusammentun, lancierte er den «Appeal for Amnesty» – einen Aufruf für die Amnestie von sechs Gewissensgefangenen – und rief damit den Vorläufer des heutigen sozialen Netzwerks Amnesty International ins Leben. Zum 50-Jahre-Jubiläum steigt in Bern ein grosses Fest mit Aktionen, Diskussionen und Konzerten. (mek)
Eines der ersten Daten der Freiluft-Saison ist jeweils das Stolze Openair in Zürich Oberstrass. Das hat mittlerweile Tradition, feiert doch das Festival mitten in der Stadt heuer den zehnten Geburtstag. Zwei Tage lang spielen einheimische und internationale Acts auf. Am Freitag die belgischen Eklektiker von Das Pop und die reizende Fiona Daniel aus Zürich, die sich gerade vom Geheimtipp der SongwriterStuben zur Festivalattraktion mausert. Am Samstag sorgen dann die Mundartisten für Lokalkolorit, Kalabrese lässt sein Rumpelorchester von der Leine und die Aargauerin Annakin streut Sternenstaub und Melancholie über die Stolzewiese. Wem so viel Gefühl zu viel ist, geht ans Tätschquiz mit Boni Koller und Katja Alves, um mit unnützem Wissen zu brillieren. Zwei Sachen bleiben auch nach einem Jahrzehnt unverändert: Es gibt ein Zelt zum Schutz gegen Regen und Kälte und – der Eintritt ist gratis. (ash)
Fest 50 Jahre Amnesty International, Sa, 28. Mai;
27. und 28. Mai, Stolzewiese, Zürich.
Strassenaktionen der Berner Amnesty-Gruppen in der
www.stolzeopenair.ch
Amnesty-Plakat mit einer Lithografie von Pablo Picasso, New York, 2000.
Bern 50 Jahre Amnesty
Das Konzert im engen Eisenbahnwaggon, das Jugendtheater im coolen Kellergewölbe mit steiler Abstiege oder die Kult-Bar auf der Dachterrasse des abgerockten Abbruchhauses – Licht und Lift längst abgeschaltet. Jungen Menschen mit einer Behinderung verstellen allerlei Hindernisse den Zugang zur (Jugend-) Kultur. Aber resigniert auf den Ausgang zu verzichten, kann keine Lösung sein: Das dachten sich einige initiative Menschen und riefen das Together Festival ins Leben. Dieses Jahr feiert der Anlass sein Fünf-Jahre-Jubiläum mit HipHop, Balkan Dance, Funk- und Folk-Pop, Indie Rock und Jubiläums-Überraschungen. Garantiert behindertengerecht. (juk) Together Festival, Sa, 4. Juni, ab 16 Uhr, TSM Schulzentrum, Münschenstein; Detailprogramm: www.togetherfestival.ch
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Altstadt, 11 bis 14 Uhr; Podiumsdiskussion, Ausstellung, Essen und Trinken in der Aula des Progr, 14 bis 16 Uhr. Konzert Endo Anaconda & Schifer Schafer (Stiller Has), 21 Uhr, und Konzert «The Young Gods», 22. 30 Uhr, Türöffnung 20 Uhr. Programm: www.progr.ch
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Zürich AufgeFRISCHt «Max Frisch? Kenn ich nicht, aber: geiler Name.» M.W., befragt zu einem der bedeutendsten Schweizer Schriftsteller, ist entweder zu jung, um ihn zu kennen, oder hat im Deutschunterricht hinter der Säule gesessen. M.W. und alle anderen haben die Gelegenheit, den Autor von «Homo Faber» in der Ausstellung zu seinem 100. Geburtstag kennen zu lernen oder das Wissen über den Zürcher Literaten aufzufrischen. Die Ausstellung interviewt Schüler und Professoren, Wanderer und Schriftsteller, Graffitikünstler und Wissenschaftler, Oberkellner und Politiker zu Max Frisch, der vor 20 Jahren gestorben ist. Und sie zeigt: Frischs Werk ist in Gebrauch, wird kontrovers gelesen und diskutiert, im Theater geschaut oder im Film erlebt. Es lebt fort in Alltagszitaten – vom Bonmot des Lehrers bis hin zur Spruchweisheit auf der Zigarettenpackung. (juk) Max Frisch – eine Ausstellung zum 100. Geburtstag, noch bis zum 4. September,
Welches Werk da wohl entsteht? Max Frisch 1956 in Mexiko.
Museum Strauhof, Zürich.
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Fein der Zwirn, leicht derangiert die Lieder: Element of Crime.
Aarau Futterfabrik auf der Rennbahn
Mein Noteinsatz. «Sinnvolle Arbeit macht mich zufrieden und gibt mir Energie für meinen Berufsalltag.»
Spenden für Caritas-Bergeinsatz per SMS – einfach und bequem. Senden Sie «Berg 20» per SMS an die Nummer 227 und es werden Ihnen 20 Franken über Ihre Telefonrechnung oder Ihr Prepaid-Guthaben abgebucht. Beträge zwischen 1 und 99 Franken sind möglich. Vielen Dank.
Nach 20 Jahren sei mal eines klargestellt. Das KiFF in Aarau trägt seinen Namen nicht, weil dort besonders gern Gewürzzigaretten geraucht werden. Stattdessen handelt es sich um ein Akronym: Kultur in der Futterfabrik, denn das war einst der Zweck der Anlage. Zum Jubiläum disloziert das KiFF auf die Pferderennbahn. Da gibt es frische Luft und doch genug Schärmen, denn um sich im Schlamm zu wälzen, eignen sich die Hauptbands eher weniger. Element of Crime sind zwar nicht für besonders sonnige Songs bekannt, doch hören möchte man diese leicht derangierten Lieder lieber elegant gewandet als in Gummistiefeln. Ähnlich ist es mit Sivert Hoyem, der als ehemaliger Sänger von Madrugada die schönste Baritonstimme Skandinaviens kultiviert hat. Damit das Jubiläum nicht zur Nostalgieveranstaltung für Veteranen wird, zelebriert das Duo Blood Red Shoes maximale Rockenergie in Minimalformation. Und für die Verhaltensauffälligen wird Das Pferd aus Basel das 20-Jährige in einen Kindergeburtstag verwandeln. (ash) 26. und 27. Mai, Pferderennbahn im Schachen, Aarau. www.kiff.ch
— www.theater-basel.ch, Tel. +41/(0)61-295 11 33 — SURPRISE 250/11
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Eingestiegen Der Einfränkler Kürzlich wollte ich ein Surprise kaufen. Das ist eigentlich nichts Aussergewöhnliches. Insbesondere seit mich ein Bekannter per Mail auf zwei Artikel aufmerksam gemacht hat, die mein besonderes Interesse weckten. Der eine Text war eine scharfsinnige Analyse einer neuen Entwicklung in Medien und Politik, die ich so noch nirgends gelesen hatte. Der andere bestand aus praktischen Tipps, was man als Einzelner gegen den Klimawandel tun kann – ein Thema, das mich gerade im Rahmen eines Buchprojekts beschäftigte und ich bis dahin in Magazinen vermisst hatte. Dieses Mal hatte der Kaufwunsch allerdings einen speziellen Grund: Ich hatte vernommen, dass Surprise einen Redaktor sucht, hatte Lunte gerochen und wollte deshalb die aktuelle Ausgabe unter die Lupe nehmen. Im Bahnhof Bern erblickte ich eine Verkäuferin und ging
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stracks auf sie zu. Mein Elan wurde allerdings gebremst, als ich in meiner Hosentasche nach Geld suchte und gerade mal fünf Franken fand. Ich hatte auch keine Zeit mehr, noch zu einem Bankomaten zu rennen. Nichts zu machen, dachte ich mir also. Und wer weiss, ob ich heute noch einem weiteren Verkäufer über den Weg laufen werde. Surprise kann man nun mal nicht einfach an jedem Kiosk ... «Warten Sie», sagte da der Mann, der bei der Verkäuferin stand. In der einen Hand hielt er eine Dose Bier, mit der anderen kramte er sein Münz aus der Hosentasche hervor: «Ich gebe Ihnen den Franken.» «Oh, danke, aber ...», setzte ich an, das wollte ich nun auch nicht, es sah wirklich nicht so aus, als ob der Mann ... «Nein, schon gut», mischte sich nun die Verkäuferin ein, «geben Sie mir einfach die fünf Franken.» Schön, dass es Surprise gibt. Und ich freue mich darauf, ab sofort mein erlerntes Handwerk, meine journalistische Erfahrung und meine Energie für das Strassenmagazin einzusetzen. Die konkrete Arbeit und die tägliche Herausforderung, da bin ich mir sicher, werden sich dabei kaum von der Mitarbeit an der Publikation eines Grossverlags unterscheiden. Mein Anspruch als Redaktionsmitglied wird sein, Geschichten zu finden und zu erzählen, die überraschend und lehrreich und unterhaltend sind. Und die den zufällig im Heft Blät-
ternden zum Lesen verführen, indem sie ihn berühren. Und doch hat Surprise etwas Einzigartiges: Die Verkäuferinnen und Verkäufer, fester Bestandteil der Deutschschweizer Innenstädte, geben dem Surprise eine Seele, die andere Magazine nicht besitzen. Und damit dem Journalisten eine besondere Motivation in seiner Arbeit: Während einem bei kommerziellen Blättern tendenziell eher wurscht ist, wie viele Exemplare die anonyme Kioskfrau loswird – ihr ists das ja auch –, so weiss ich genau, dass ich der Surprise-Verkäuferin, der ich auf dem Nachhauseweg begegnen werde, die Arbeit erleichtern oder erschweren kann – je nachdem, wie gut ich meine Arbeit mache. Und irgendwie habe ich das Gefühl, ich schulde jemandem noch was. Denn den Franken habe ich damals dankend angenommen.
Florian Blumer ist seit Mitte Mai Redaktor bei Surprise. Illustration: Patric Sandri (patric.sandri@gmx.net) SURPRISE 250/11
Eine Chance für alle! Werden Sie Surprise-Götti oder -Gotte Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten als andere. Menschen, die sich aber wieder aufgerappelt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt Struktur und wieder einen Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Die Surprise-Strassenverkäuferinnen und -verkäufer helfen sich
Marlies Dietiker Olten
selber. Das verdient Respekt und Unterstützung. Regelmässige Verkaufende werden von Surprise gezielt unterstützt. Die Teilnehmer am Programm SurPlus sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit). Mit der Programmteilnahme übernehmen die Surprise-Verkaufenden mehr Verantwortung; eine wesentliche Voraussetzung dafür, wieder fit für die Welt und den Arbeitsmarkt zu werden.
Kurt Brügger Basel
Jela Veragut Zürich
René Senn, Zürich Wolfgang Kreibich, Basel Peter Gamma, Basel Anja Uehlinger, Baden
Peter Hässig, Basel Andreas Ammann, Bern Tatjana Georgievska, Basel
Ausserdem im Förderprogramm SurPlus: Marika Jonuzi, Basel Fatima Keranovic, Baselland Bob Ekoevi Koulekpato, Basel Jovanka Rogger, Zürich
Ja, ich werde Götti/Gotte von: 1 Jahr: 6000 Franken
1/2 Jahr: 3000 Franken
1/4 Jahr: 1500 Franken
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1 Monat: 500 Franken
250/11 Talon bitte senden oder faxen an: Strassenmagazin Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@strassenmagazin.ch, PC-Konto 12-551455-3 SURPRISE 250/11
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Surprise ist: Hilfe zur Selbsthilfe Surprise hilft seit 1997 Menschen in sozialen Schwierigkeiten. Mit Programmen in den Bereichen Beschäftigung, Sport und Kultur fördert Surprise die soziale Selbständigkeit. Surprise hilft bei der Integration in den Arbeitsmarkt, bei der Klärung der Wohnsituation, bei den ersten Schritten raus aus der Schuldenfalle und entlastet so die Schweizer Sozialwerke.
Ich möchte Surprise abonnieren! 24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.) Gönner-Abo für CHF 260.–
Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht von Armut und sozialer Benachteiligung betroffenen Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit für ihre Anliegen. Surprise beteiligt sich am Wandel der Gesellschaft und bezieht Stellung für soziale Gerechtigkeit. Strassenmagazin und Strassenverkauf Surprise gibt das vierzehntäglich erscheinende Strassenmagazin Surprise heraus. Dieses wird von einer professionellen Redaktion produziert, die auf ein Netz von qualifizierten Berufsjournalistinnen, Fotografen und Illustratorinnen zählen kann. Das Magazin wird fast ausschliesslich auf der Strasse verkauft. Rund dreihundert Menschen in der deutschen Schweiz, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten damit eine Tagesstruktur, verdienen eigenes Geld und gewinnen neues Selbstvertrauen.
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Herausgeber Strassenmagazin Surprise GmbH, Postfach, 4003 Basel www.strassenmagazin.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Do T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 info@strassenmagazin.ch Geschäftsführung Paola Gallo, Agnes Weidkuhn (Assistenz GF) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@strassenmagazin.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Reto Aschwanden (Nummernverantwortlicher), Mena Kost, Julia Konstantinidis redaktion@strassenmagazin.ch Ständige Mitarbeit Alexander Jungo (Korrektorat), Delia Lenoir, Irene Meier, Stephan Pörtner, Milena Schärer, Isabella Seemann, Priska Wenger, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Florian Blumer, Davide Caenaro, Caesar von Däniken, Michael Gasser, Sandra Hughes, Lucian Hunziker, Melanie Imhof, Olivier Joliat, Marc Krebs, Primo Mazzoni, Mathieu von Rohr, Patric Sandri Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 29 400, Abonnemente CHF 189.–, 24 Ex./Jahr Marketing, Fundraising T +41 61 564 90 61 Theres Burgdorfer, t.burgdorfer@strassenmagazin.ch
Sport und Kultur Surprise fördert die Integration auch mit Sport. In der Surprise Strassenfussball-Liga trainieren und spielen Teams aus der ganzen deutschen Schweiz regelmässig Fussball und kämpfen um den Schweizermeister-Titel sowie um die Teilnahme an den Weltmeisterschaften für sozial benachteiligte Menschen. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Chor. Gemeinsames Singen und öffentliche Auftritte ermöglichen Kontakte, Glücksmomente und Erfolgserlebnisse für Menschen, denen der gesellschaftliche Anschluss sonst erschwert ist. Finanzierung, Organisation und internationale Vernetzung Surprise ist unabhängig und erhält keine staatlichen Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle anderen Angebote wie die Betreuung der Verkaufenden, die Sportund Kulturprogramme ist Surprise auf Spenden, auf Sponsoren und Zuwendungen von Stiftungen angewiesen. Surprise ist eine nicht gewinnorientierte soziale Institution. Die Geschäfte werden von der Strassenmagazin Surprise GmbH geführt, die vom gemeinnützigen Verein Strassenmagazin Surprise kontrolliert wird. Surprise ist führendes Mitglied des Internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP) mit Sitz in Glasgow, Schottland. Derzeit gehören dem Verband über 100 Strassenzeitungen in 40 Ländern an.
Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83, M +41 79 428 97 27 Markus Hurschler, Zoë Kamermans, Spalentorweg 20, 4051 Basel, basel@strassenmagazin.ch Vertriebsbüro Zürich T +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12 Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, zuerich@strassenmagazin.ch Vertriebsbüro Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02 Andrea Blaser, Alfred Maurer, Pappelweg 21, 3013 Bern, bern@strassenmagazin.ch Chor/Kultur T +41 61 564 90 40, F +41 61 564 90 99 Paloma Selma, p.selma@strassenmagazin.ch Strassensport T +41 61 564 90 10, F +41 61 564 90 99 Lavinia Biert (Leitung), Olivier Joliat, David Möller l.biert@strassenmagazin.ch, www.strassensport.ch Trägerverein Strassenmagazin Surprise Präsident: Peter Aebersold Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird von der Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt. Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen.
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R E I N R U T S G N I L H FRĂœ L E S A B / K ASE R N E I A M . 8 2 , G A T S M A S R H U 0 0 . 7 1 S I B 0 0 . 1 1 VON iel Surprise-Nati vs. FC Grossrat p 14 Uhr: Tests
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