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Leonard Cohen Der Song-Poet im Interview Suffragetten, die paffen – und andere Verkaufsmethoden

Aufgeschlitzte Reifen und politische Lieder: Pippo Pollina im Gespräch

Nr. 268 | 3. Februar bis 16. Februar 2012 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.


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Surprise fördert seit 1997 die Selbsthilfe von Menschen in sozialen Schwierigkeiten. Das Magazin erscheint 14-täglich und wird auf den Strassen der deutschen Schweiz von über 200 Verkaufenden angepriesen. Wir suchen per 1. März 2012 oder nach Vereinbarung eine Persönlichkeit für

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Titelbild: Sony Music/Dominique Issermann

Editorial Zurück in die Zukunft BILD: ZVG

Nehmen wir das Mittelalter: Die Menschen hatten keine Fensterscheiben und froren. Sie verrichteten ihr Geschäft per Aborterker, und es stank. Man warf die Abfälle auf die Strassen und wurde krank davon. Kurz: Man lebte sein Leben mitsamt den direkten Konsequenzen. Es war eine in sich geschlossene Welt. Aber unterdessen sind wir das Gefühl, unser Verhalten würde sich auf die Umwelt auswirken, weitgehend losgeworden. Unser Journalist Stefan Michel ist dem Verbleib des ausgedienten Plastiks nachgegangen und hat dabei nichts Erfreuliches zutage gefördert (S. 16). Nur die Frage «Was tun?» kann letzten Endes niemand recht beantworten. Der Philosoph und Kulturkritiker Slavoj Žižek sprach einmal anlässlich eines philo- DIANA FREI sophischen Spaziergangs durch eine Müllverwertungsanlage über die psychologi- REDAKTORIN sche Verleugnung des Mülls (siehe Youtube: Slavoj Žižek in Examined Life) und meinte: «Wir brauchen eine konsequente Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Gefahren ökologischer Katastrophen – nicht diesen New-Age-Kram vom Ausbrechen aus der technologischen Welt, damit wir unsere Wurzeln in der Natur finden.» Zu Ende gedacht heisst das: «Wir müssen artifizieller werden.» Als Lösungsansatz skizziert er eine «Art mathematisches Universum, in dem es nichts gibt ausser Formeln, technischen Formen und so weiter». Eine vollständig technisierte, künstliche Welt also, in der sich niemand die Sicht auf den Müll mit schönen Bäumen und singenden Vögeln verstellen könnte. Nun, Žižek lässt einen damit vielleicht auch etwas ratlos zurück, aber eins stimmt: Es wäre wieder eine Welt, in der Lebensstil und Konsequenzen einen Bezug zueinander hätten. Wenn auch in Science-Fiction- statt Mittelalter-Manier. Und doch blendet der Starphilosoph dabei auch die sinnliche Ebene des Daseins nicht aus: «Die Schwierigkeit ist, wie wir in dieser Dimension Poesie und Spiritualität finden. Wie wir, wenn nicht Schönheit, so doch eine Ästhetik in diesem Müll finden.» Im Internet sind wir auf zwei gestossen, die sich – wie passend – ausgerechnet die Poesie des Plastikabfalls angeeignet haben: das amerikanische Künstlerehepaar Judy und Richard Lang, das an Stränden sein angeschwemmtes Arbeitsmaterial sammelt. Sie haben uns ihre Werke zur Bebilderung unseres Textes zur Verfügung gestellt. Und kurzfristig haben wir die Möglichkeit bekommen, ein Interview mit dem Sängerpoeten Leonard Cohen abzudrucken. Das tun wir gern. In der Hoffnung, der Welt ein bisschen Poesie zu erhalten.

Wir wünschen Ihnen eine aufgeräumte Lektüre Diana Frei

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 Ihre Meinung! Bitte schicken Sie uns Ihre Anregungen oder Kritik: Strassenmagazin Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 70, redaktion@strassenmagazin.ch. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion behält sich vor, Briefe zu kürzen. SURPRISE 268 / 12

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10 Pippo Pollina Politische Courage Der italienische Cantautore ist vor 25 Jahren in die Schweiz gekommen. Von hier aus hat er Italien durch all die Berlusconi-Jahre mit seiner Musik kritisch beobachtet und in seinen Liedern mutig kommentiert. Pollina hat sich als wichtige politische Stimme etabliert und wird im April mit dem Schweizer KleinKunstPreis geehrt. Wir haben dies als Anlass genommen, mit ihm über Italien zu reden. Über die Mafia, über Kulturschaffende und das Schiffsunglück vor Giglio.

BILD: ESTHER MICHEL

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Inhalt Editorial Mittelalter und Science-Fiction Basteln für eine bessere Welt Spendet Socken Aufgelesen Lampenfieber-Egotrip Zugerichtet Spritzige Hydranten Leserbriefe Pflichtlektüre für kritische Köpfe Starverkäufer Kadi Haliye Diriye Porträt Der Kulturübersetzer Neuromarketing Zum Konsum genötigt Le Mot Noir Eine Bloody Mary aufs Devisengeschäft Die Aeronauten Scharfe Weltbetrachter Kulturtipps Faustrecht der Freiheit Ausgehtipps Distelmeyer liebt wieder Verkäuferporträt Freundschaft in Khartoum Projekt Surplus Eine Chance für alle! In eigener Sache Impressum INSP

16 Plastik Wegwerfware aus Erdöl Unsere Meere werden – scheinbar unaufhaltsam – immer stärker zugemüllt. Ein ganzer Kontinent aus Kunststoffabfällen schwimmt heute auf dem Pazifik, auch an Land türmen sich die Plastikberge. Denn Plastik baut sich in der Natur nicht ab, sondern wird nur zerrieben und verkleinert. Fische und Vögel halten ihn für Nahrung und verenden daran. Nicht nur die Kunstwerke von Judith Selby Lang und Richard Lang weisen darauf hin: Langsam aber sicher kommt der Plastikmüll zu uns zurück.

BILD: JUDITH SELBY LANG UND RICHARD LANG

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BILD: LORCA COHEN

20 Leonard Cohen «Meine Werkstatt ist nie geschlossen»

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Längst ist Leonard Cohen eine Legende unter den Songwritern. Beweisen muss er nichts mehr, und doch hat er nach einer langen Tournee ein neues Album aufgenommen. Mit «Old Ideas» legt der 77-Jährige nun sein grosses Alterswerk vor. Im Interview spricht Cohen darüber, wie lange er braucht, um zu merken, dass ein Vers nichts taugt. Er erklärt, warum sein Sohn die Stimme der Familie sei. Und präsentiert sich als humorvoller Humanist ohne Überzeugungen.

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ILLUSTRATION: SIMON DREYFUS | WOMM

1. Nehmen Sie vier bis fünf grosse PET-Flaschen gleichen Durchmessers und schneiden Sie bei allen den Hals weg, bei allen ausser einer auch den Boden.

2. Schneiden Sie in die Flasche mit Boden ein Loch, gross genug, um bequem ein Pärchen Socken daraus zu entnehmen.

3. Stecken Sie die abgeschnittenen Flaschen von unten her eine in die andere. Schrauben Sie das Ganze mit zwei kleinen Schrauben in oder an Ihren Kleiderschrank. 4. Füllen Sie von oben her die frischen Socken ein – fertig ist der praktische Sockenspender!

Basteln für eine bessere Welt Es sind zugegeben zwei der geringeren Probleme dieser Welt: Wie stelle ich sicher, dass alle meine Socken gleich oft getragen werden? Und wie platziere ich sie geordnet im Kleiderschrank? Eines der grösseren Probleme ist, dass unsere schöne Erde langsam aber sicher droht, im Plastik zu ertrinken (siehe S. 16). Für die ersten beiden Probleme bietet unser Sockenspender die Lösung! Fürs dritte immerhin ein bisschen Sensibilisierung, indem uns die umfunktionierten Plastikflaschen täglich stumm entgegenrufen: Wir wollen kein Wegwerfprodukt mehr sein! SURPRISE 268 / 12

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Aufgelesen News aus den 90 Strassenmagazinen, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Cockers Lampenfieber London. Jarvis Cocker, Sänger der Brit-PopBand Pulp, erzählt, dass er kurz vor dem Comeback-Auftritt seiner Band im Mai letztes Jahr «nervous as hell» gewesen sei. Dann habe ihn die Nachricht erreicht, dass friedliche Besetzer der Occupy-Bewegung mit Tränengas und Knüppeln vertrieben worden seien und um ein unterstützendes Wort baten. Dies habe ihn aus seinem «traurigen kleinen Lampenfieber-Egotrip» herausgerissen, denn es sei ihm bewusst geworden: «Nun gehts um etwas Grösseres».

Heiliges Wunderwasser Addis Abeba. Die internationale Nachrichtenagentur der Strassenzeitungen berichtet über einen Star-Wunderheiler in Äthiopien, der behauptet, mittels heiligem Wasser Menschen von Aids, Blindheit und anderen unheilbaren Krankheiten zu kurieren. Die Kranken stehen bei ihm Schlange, Hunderttausende soll er schon geheilt haben. Die vorgelegten HIVTests vor und nach der «Behandlung» taugen allerdings kaum zum Beweis: In Äthiopiens Spitälern wird oft geschlampt und die Blutproben von verschiedenen Patienten geraten öfter mal durcheinander.

Deutsche Armutsschere Kiel. Nicht nur bei uns, auch bei unserem nördlichen Nachbarn geht die Einkommensschere immer weiter auseinander – so stark wie in kaum einem anderen OECD-Land. So verdienten die oberen zehn Prozent der Deutschen 2008 durchschnittlich 57 300 Euro pro Jahr, während es bei den unteren zehn Prozent gerade mal 7400 Euro im Schnitt waren – also acht Mal weniger. Einer der Gründe ist die Zunahme der Teilzeitbeschäftigten: Ihre Zahl beträgt heute mehr als acht Millionen – dreimal mehr als noch im Jahr 1984.

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Zugerichtet In dubio pro vino Am Anfang stand ein abgelegenes Gartenhäuschen. Abgelegen selbst innerhalb der 8,5 Hektaren des abgelegenen Bauernbetriebes am Rande einer grossen Seegemeinde. Als Landwirt S. den Hof von seinem Vater übernommen hatte, wandte er sich von der Milch- und Viehwirtschaft ab und dem Weisswein zu. Er pflanzte Reben und produzierte Sauvignon blanc. Der Landwirt war ein leibhaftiger Vertreter der vom Aussterben bedrohten Spezies Homo helveticus: Er war ein geachteter Aktiver im Turnverein und bei der Feuerwehr. Trotz dieser Verdienste am Gemeinwesen verfügte Bauvorsteher S., das Gartenhäuschen müsse mangels Baubewilligung weg. Dem leistete der Landwirt Folge, indem er es abfackelte. Die Gemeinde räumte zähneknirschend ein, es sei ihm überlassen gewesen, wie er die Beseitigung des Gebäudes vornehme. Der Bauer war der Held der Stammtische, der Baubeamte die Lachnummer. Ersterer baute nun genau dasselbe Häuschen nochmals, stellte es aber auf Räder. Nur feste Installationen benötigen eine Baubewilligung. Und anlässlich der Gemeindewahlen gründete Landwirt S. die «Aktion Bauvorsteher S. muss weg». Als dann aus den Gemeindewerken das Gerücht aufstieg, der schlaue Bauer sei ein Wasserdieb, hörte für diesen der Spass auf. Er klagte wegen Verleumdung. Überdies würde er seine Wasserrechnungen nicht mehr begleichen, bis die Wasserwerke ihn rehabilitierten. Taten sie aber nicht, sondern schickten Betreibungen. In der Seegemeinde trugen sich hernach seltsame Dinge zu. Das schmiedeiserne Tor der Villa Seerose verschwand und tauchte in einem Weiher in der Nachbarsgemeinde auf.

Eine Frau setzte sich am Morgen ins Auto, fuhr los, und hinter ihr schoss eine Fontäne gen Himmel. Ihr Gefährt war an einen Hydranten gekettet worden, den sie nun umgerissen hatte. Bald schienen die Hydranten spontan zu bersten. 13 Fontänen sollten es insgesamt werden. Und dann verschwand die Bronzestatue am Nägelibrunnen. Dass Landwirt S. hinter den Phänomenen steckte, war wohl allen klar. Spätestens, als nach einem Jahr anstelle der Statue ein Gartenzwerg stand. Im Gegenzug montierte die Polizei ebenso heimlich ein GPSGerät am Auto des Bauers, nachweisen konnte sie ihm freilich nichts. Auch nicht mit DNAProben. Die bei der Hausdurchsuchung sichergestellten Verschraubungen waren zwar vom selben Typus N wie jene an Hydranten, aber das falsche Modell. Folgerichtig unterlag die Gemeinde im Prozess wegen Sachbeschädigung und Hinderung von Betrieben, die der Allgemeinheit dienen, im Sinne von Art 239 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. Die zweite Instanz hat Landwirt S. nun schuldig gesprochen. Den entscheidenden Beweis hatte dieser selbst ins Rathaus geschickt. Die Gemeinde, schlug er in einem Brief vor, solle endlich einige Kisten seines Sauvignon blanc an Lager zu nehmen – Bedarf hätte sie ja, bei all den Apéros. Dann käme sicher auch die bronzene Maria wieder zurück. Dem Schreiben lag ein Foto der Maria bei, inszeniert auf einem blauen Harrass, wie Weinwirt S. sie benutzte. Der Schuldspruch ist eine juristische Sensation. Es kommt äusserst selten vor, dass nicht der Grundsatz «in dubio pro reo» zur Anwendung kommt, sondern «in vino veritas».

YVONNE KUNZ (YVONNE@REPUBLIK.CH) ILLUSTRATION: PRISKA WENGER (PRISKAWENGER@GMX.CH) SURPRISE 268 / 12


Leserbriefe «Ich finde sie ziemlich verwegen» Nr. 264: Heiliger Chlaus! «Bärte nach Bastelanleitung gestrickt» Ich habe den Milchbubis Jan und Elias zu Weihnachten streng nach eurer Anleitung im Surprise-Heft Bärte gestrickt. Ich finde sie ziemlich verwegen – was meint Ihr? Nadja Gubser, per E-Mail

Nr. 266: Rohstoff «Das Buch über Rohstoffe sollte Pflichtlektüre sein für jeden kritischen Kopf» Ich bin sehr positiv überrascht und froh zu wissen, dass Sie mit der Erklärung von Bern zusammenarbeiten, einer der besten Organisationen in Sachen Menschenrechte. Das eben erschienene Buch über Rohstoffe sollte Pflichtlektüre für jeden kritischen und auch unkritischen Kopf sein. Bravo und danke an Ihr kritisches Redaktorenteam! Idamaria Tudora, Zürich

Anmerkung der Redaktion: Wir freuen uns, dass das Interview über Rohstoffe auf positive Resonanz gestossen ist. Wir erachteten das erwähnte Buch als wichtige Publikation und führten deshalb ein Interview zum Thema. Eine Zusammenarbeit mit der Erklärung von Bern besteht allerdings nicht.

Nominieren Sie Ihren Starverkäufer! Schreiben Sie uns mit einer kurzen Begründung, welche/n Verkäufer/in Sie an dieser Stelle sehen möchten: Strassenmagazin Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 (0)61 564 90 99, redaktion@strassenmagazin.ch

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Surprise allgemein «Als ehemaliger Hippie hatte ich Mühe mit der Gothik-Freundin meines Sohnes» Voller Freude öffne ich alle zwei Wochen das grosse, weisse SurpriseCouvert. Herzlichen Dank für die brisanten Themen, super Bildaufnahmen und konstruktiven Artikel. Euer aufschlussreicher Artikel letztes Jahr zum Thema «Subkultur» hat mich besonders bewegt. Als ehemaliger Hippie hatte ich doch meine Mühe, als mein Sohn seine GothikFreundin vorstellte … Euer Artikel gab mir den Impuls dazu, doch nicht alles so schwarz zu sehen! Linda Bachofen, Kriens

BILD: ZVG

Nr. 265: Frohes Fest «Weihnachten mit Hintersinn macht offenbar kreativ» Als ich die Weihnachtsausgabe von dem netten Verkäufer am Lindenplatz in Allschwil gekauft hatte und das Editorial las, seufzte ich und dachte, dass uns das Heft, trotz des zauberhaften Titelbildes, im Hinblick auf den Sinn hinter dem Halb-Sinn von Weihnachten wohl auch nicht mehr bringen würde als ein Migros-Heft. Doch bei den «Güetzli-Geschichten» (originelle Form!) wurde ich eines Besseren belehrt. Hier erklärt uns Aschi Aebersold Weihnachten. Dieser Mann, der eine schwierige Vergangenheit hat und wegen seiner Krankheit Grund zum Klagen hätte, hat sich durchs «Christkind» verändert. Er hat sich «bei vielen Leuten entschuldigt». Er hat neue Werte. Weihnachten mit Hintersinn macht offenbar kreativ. Was wollen wir mehr: in den Familien, am Arbeitsplatz, bei den Gesetzgeberinnen, den Behörden? – Der Rest des Heftes hat mir auch gefallen. Und wie gesagt, zauberhaftes Titelblatt. Vera Schindler-Wunderlich, Allschwil

Starverkäufer Kadi Haliye Diriye Richard Glückler aus Wädenswil nominiert Kadi Haliye Diriye als Starverkäufer: «Kadi steht in Wädenswil vor dem Coop und der Migros. Er ist äusserst freundlich und zuvorkommend, grüsst mich mit Handschlag und erkundigt sich nach dem Wohlergehen. Er ist sehr aufmerksam, dies vor allem, weil er mich und meine Frau – wir kaufen oft nicht miteinander ein – schon mehrmals davor bewahrt oder sogar aktiv davon abgehalten hat, zweimal die gleiche Ausgabe Surprise zu kaufen. Vorbildlich! Er verströmt Lebensfreude, aber auch Ruhe und Zufriedenheit.»

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Porträt Dolmetscher zwischen zwei Welten Der 35-jährige Ugander Godfrey Tenywa weilte für drei Monate als Gebärdensprachdolmetscher in Zürich. Er war überrascht, wie schlecht die Gehörlosen in der Schweiz in die Gesellschaft integriert sind. VON FLORIAN BLUMER (TEXT) UND SOPHIE STIEGER (BILD)

an Treffen mit anderen Organisationen und Regierungsstellen zu begleiten. Der gelernte Betriebswirt und Buchhalter machte eine weiterführende Ausbildung in Sprache und Kultur der Gehörlosen und wurde so zum Gebärdensprachdolmetscher und zum Lobbyisten für den Gehörlosenverband und den Dachverband der Behindertenorganisationen. Die Lebenswelt der Behinderten empfindet Godfrey nicht als eine uns ferne Welt: «Es braucht nur einen Unfall. Behinderung kann jeden treffen, jederzeit.» Zudem erklärt er: «Jeder braucht Gebärdensprache beim Kommunizieren, wir realisieren es nur meist nicht.» Hörbehinderte benützten die jeweils nächstliegende körperliche Ausdrucksform, um etwas zu beschreiben. Deshalb sei ihre Sprache – die neben Gesten auch aus Körpersprache, Mundbewegungen und Gesichtsausdruck besteht – auch für Hörende recht gut verständlich. Ich, du, essen, trinken – die Gesten dazu versteht jeder sofort. Einzig für abstrakte Begriffe gibt es vereinbarte Zeichen. Hier unterscheidet sich die ugandische Zeichensprache auch deutlich von der deutschen. Den zwei ugandischen Studenten hätte deshalb ein Schweizer Dolmetscher nichts gebracht. Als Gebärdensprachdolmetscher ist Godfrey viel herumgekommen, selbst ans Roskilde-Rock-Festival in Dänemark hat er ugandische Gehörlose schon begleitet. In der Schweiz war er nun allerdings zum ersten Mal. Ein Kulturschock blieb nicht aus: «Mein erster Eindruck auf der Strasse war, dass die Menschen überhaupt nicht miteinander sprechen.» Negativ fielen ihm als von der Uni Zürich eingeladener Gast auch die skeptischen Blicke der Passanten auf. Die Leute hier scheinen nicht zu differenzieren, sagt Godfrey, ihm scheine, dass Afrikaner hier generell als Bedürftige wahrgenommen werden. Oder als Kriminelle: Mehr als einmal seien er und seine ugandischen Begleiter in aller Öffentlichkeit von der Polizei umringt und in respektloser Weise kontrolliert worden.

Godfrey Tenywa hat an diesem Tag zum ersten Mal Schnee gesehen. Mit Schirm und offener Jacke kommt er im Völkerkundemuseum an, dort, wo er heute Nachmittag für Studierende der Uni Zürich seine letzte Vorlesung in ugandischer Gebärdensprache halten wird. Schon am Tag darauf wird er im Flugzeug sitzen, das ihn zurück in seine Heimat bringen wird – nicht ganz so allerdings, wie er sich das gedacht hat. Godfrey stellt sich ganz unkompliziert mit dem Vornamen vor und fragt als Erstes, ob ich ihn überhaupt verstehe, mit seinem afrikanischen Akzent. Eine etwas eigenartige Frage für einen Dolmetscher. Doch Godfrey – der übrigens ein gut verständliches Englisch spricht – ist kein Übersetzer im klassischen Sinn: Sein Job ist es, ugandische Gebärdensprache in gesprochene Sprache zu übertragen und umgekehrt. Vor ziemlich genau drei Monaten ist er in der Schweiz gelandet. Gekommen ist er als Begleiter von Ambrose Murangira und Robert Nkwangu, zwei hörbehinderten ugandischen Studenten und Teilnehmern eines länderübergreifenden Projekts der Universität Zürich und der ugandischen Makerere University zum Thema Technologie und Behinderung. Nach seinem Eindruck von der Schweiz gefragt, gerät Godfrey ins Schwärmen: darüber, wie die Verkehrsmittel funktionieren, «alles auf die Minute genau», überhaupt die ganze Infrastruktur. Fast entschuldigend sagt er: «Uganda ist natürlich ein Entwicklungsland.» Alles super also hier, während in Uganda das Chaos regiert? Nicht ganz. Denn Godfrey war erstaunt über die Stellung der Hörbehinderten in der Schweiz, «einem Land mit derartigen Ressourcen!». Es fehle zwar nicht an Unterstützung, doch er sei überrascht, wie schlecht die Hörbehinderten hierzulande in die Gesellschaft und ins Arbeitsleben integriert sind. In Uganda ist Gebärdensprache als offizielle Sprache anerkannt und die Verfassung schreibt vor, «Wie kann es sein, dass bis heute nicht ein einziger dass im Parlament fünf Vertreter von BehinGehörloser in der Schweiz je an der Universität war!» dertenorganisationen sitzen. Entsprechend gibt es dort zwei Gehörlose, die mittels eines Gebärdensprachdolmetschers mitdebattieren und mitbestimmen. GodUmso wärmer wurde Godfrey jedoch in der WG in Horgen am Züfrey ist verblüfft: «Wie kann es sein, dass bis heute nicht ein einziger Gerichsee aufgenommen, in der er auf Vermittlung eines Mitarbeiters des hörloser in der Schweiz je an der Universität war!» Ethnologischen Seminars wohnte: «Dort umarmten sie mich, plauderten Wenn Godfrey über die Rechte und die Integration von Menschen mit mit mir, luden mich zum Trinken und Essen ein. Und sie klärten mich Behinderung spricht, gerät er – noch mehr als sonst schon beim Spreauch darüber auf, dass man hier auf der Strasse nicht einfach so auf chen – in energisches Gestikulieren. «Ich kämpfe gegen die Ansicht, Leute zugehen und mit ihnen plaudern kann.» Von den Begegnungen an dass behinderte Menschen als Bedürftige betrachtet werden, die nicht der Uni und in der WG schwärmt Godfrey in den höchsten Tönen: «Wir arbeiten können. Sogenannte Handicapierte können Berater sein, Parwaren wie Brüder und Schwestern!» Von allen europäischen Ländern, lamentarier oder Botschafter!» Keine Frage: Sein Engagement ist eine die er besucht hat, habe es ihm in der Schweiz am besten gefallen. Herzensangelegenheit. In Kontakt mit Hörbehinderten kam Godfrey bei Und dennoch: Die Geschichte endet mit einer ironisch-bitteren Note. einem Auftrag für die Gehörlosenorganisation Ugandas, als er noch als Godfrey und sein gehörloser Freund Ambrose reisten nämlich zwar mit Fotograf arbeitete. Mit einigen der Porträtierten schloss er rasch vielen guten Erinnerungen, aber leeren Händen zurück nach Uganda. Freundschaft – obwohl er in der Kommunikation mit ihnen an Grenzen Das Auto, das sie zum Flughafen bringen sollte und in welchem sie ihstiess. Entsprechend habe er sich sofort angemeldet, als die Regierung re Taschen mit den persönlichen Habseligkeiten und Geschenken für ein Programm startete, in welchem Hörende die Gebärdensprache lerFreunde und Verwandte verstaut hatten, wurde auf einem Parkplatz in nen konnten. Daraufhin wurde er immer wieder angefragt, Gehörlose Oerlikon aufgebrochen – und komplett leer geräumt. ■

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Pippo Pollina «Das Schiffsunglück ist eine Metapher» Seine politische Courage brachte den sizilianischen Cantautore Pippo Pollina einst in Schwierigkeiten. Dieses Jahr wird er dafür in seiner neuen Heimat geehrt. Im Gespräch mit Surprise zeigt Pollina, dass weder Bedrohung noch Belohnung seinen kritischen Blick trüben.

VON OLIVIER JOLIAT (TEXT) UND ESTHER MICHEL (BILDER)

Herzliche Gratulation, Sie erhalten demnächst den «Schweizer KleinKunstPreis» 2012! Da hat es sich gelohnt, sich einbürgern zu lassen. Pollina: Danke, aber das war nicht der Grund, mich einbürgern zu lassen. Sondern? Ich lebe seit 1988 in der Schweiz, bin verheiratet mit einer Schweizerin und habe zwei Kinder, die Doppelbürger sind. Ich wohne hier und bezahle meine Steuern, da will ich auch mitbestimmen und wählen. In Italien wollten Sie mit Ihrer Stimme auch etwas verändern, aber das ging nicht. Wie meinen Sie das? Sie haben in Sizilien für ein Magazin geschrieben, dessen Chefredaktor Giuseppe Fava kurz nach Ihrem Antritt von der Cosa Nostra ermordet wurde. Man konnte sich also nicht frei äussern. Die 80er-Jahre waren eine andere Zeit. Die Cosa Nostra hatte unglaubliche Macht. Jeder, der gegen sie kämpfte, ob politisch oder kulturell, bekam Probleme. Die Cosa Nostra war eine vom Staat anerkannte Macht, nicht offiziell, aber sie war ganz klar toleriert. Sie konnte problemlos jemanden eliminieren. Was auch sehr oft passierte. Sie haben dann die politische Band Agricantus gegründet. Wurden Sie auch von der Mafia bedroht? Wir bekamen einige Warnungen, dass wir besser aufhören sollten. Zweimal wurden bei unserem Auto alle Reifen aufgeschlitzt. Aber viele wichtigere Personen standen weiter oben auf der Abschussliste. Mit 22 hatten Sie genug von der Situation, packten Ihre Sachen und zogen mit der Gitarre um die Welt. Warum landeten Sie in der Schweiz? Sechs Monate nach der Ermordung von Fava brauchte ich eine Pause. Ich dachte, ich reise drei Monate als Strassenmusiker durch Europa. Schlussendlich reiste ich drei Jahre um die Welt. Dann wollte ich nach Luzern, Freunde aus Palermo besuchen. Dort lernte ich beim MusizieSURPRISE 268 / 12

ren auf der Strasse den Bündner Liedermacher Linard Bardill kennen. Wir wurden Freunde, haben ein Album aufgenommen und gingen 1988 gemeinsam auf Tour. Wenn man auf der Welt herumtingelt und dann in der sauberen und wohlorganisierten Schweiz landet: Ist das nicht ein Kulturschock? Es war natürlich ein Kontrast. Aber ich lernte interessante neue Leute kennen, die sich sehr für meine Welt interessierten. Zudem sprachen viele Leute Italienisch, was in anderen europäischen Ländern nicht der Fall ist. In den 80er-Jahren hatten die italienischen Secondos in der Schweiz eine grosse Präsenz. Mehr als heute. Es gab eine offene Auseinandersetzung der Kulturen. Italienisch war in. Die Italianità wurde zum Inventar. Aber sie wurde eher als Klischee gepflegt. Nach welchem Modell sind Ihre Kinder aufgewachsen? Meine Kinder sind 19 und 16. Sie sind nicht Secondos, sondern halb Schweizer, halb Italiener. Wobei: Sie sind eher Schweizer. Dann würden sie lieber für die Nati als für die Scuadra Azzurra Fussball spielen? Äääh – im Fussball sind sie plötzlich für Italien. (Lacht.) Ich weiss nicht warum, ich selbst bin kein grosser Fan. Seit zehn Jahren singen Sie vermehrt in Italien. Das Land steckt im Umbruch: Berlusconi ist weg, die Technokraten haben übernommen. Macht es nun mehr Freude, nach Hause zu gehen? (Seufzt.) Das tragische Schiffsunglück vor Giglio repräsentiert für mich ziemlich gut den Zustand Italiens. Ein Kapitän erlaubt sich zu improvisieren. Er gefährdet 4000 Menschen, nur weil er nahe an die Insel ran will. Das ist für mich eine Metapher für den Zustand Italiens. Die Wirtschaftskrise ist dabei nur die Fassade. Dahinter steckt eine viel tiefere menschliche, humanistische Krise. Italien ist eigentlich ein reiches Land. Kulturell? Nein, auch wirtschaftlich. Es ist eigentlich viel Geld da. Nur floss das Geld die letzten 30 Jahre in die Taschen ganz weniger Leute, während

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die grosse Mehrheit verarmte. Der Mittelstand, und damit die Garantie für den sozialen Frieden, wurde quasi abgeschafft.

«Für die Katastrophe, die Berlusconi verursacht hat, wird Italien 30 Jahre bezahlen.»

Es gibt einen grossen Aderlass an jungen, gut ausgebildeten Leuten. 65 000 Menschen verliessen Italien 2010, Tendenz steigend. Sehen die nach dem Abgang Berlusconis eine neue Perspektive? Nein, die gehen weg. Für die Katastrophe, die Berlusconi verursacht hat, wird Italien 30 Jahre bezahlen. Wirtschaftlich ist das Land hoffentlich schneller saniert, die Köpfe der Leute aber kaum. Die Italiener müssen merken, dass reich und schön zu sein, wichtig und berühmt zu werden unwichtige Werte sind. Berlusconi versuchte mit seinen Massenmedien, den Italienern diese Gene einzupflanzen. Es ist ihm tatsächlich gelungen, eine ganze Generation zu züchten. Der jetzige Ministerpräsident Mario Monti ist ein Mann der Banken. Er versucht nun auf die Schnelle, ein Loch zu füllen. Aber wiederum werden die gleichen Leute zur Kasse gebeten: der Mittelstand.

Neue Künstler müssen sich über besetzte Häuser und kleine Bühnen hocharbeiten. Gibt es eine alternative Kunstszene? Ganz wenig. Kultur braucht Geld. Das muss von Institutionen und vom Staat kommen, aber auch von Privaten. Die Menschen müssen nicht nur das Bedürfnis nach schönen neuen Handys haben, sondern auch den Wunsch, ins Theater zu gehen oder an ein Konzert. Die Menschen müssen sich nicht nur materiell, sondern auch geistig bereichern. Die Italiener haben vergessen, dass es auch darum geht, mehr zu wissen. Du kannst die Kultur nicht an Institutionen delegieren, du musst sie selber schaffen. Sonst werden die Italiener Opfer des nächsten mächtigen Menschen, der vorgibt, was sie machen sollen. Kritisch sein bedeutet nicht, zu sagen: Alles ist scheisse oder alles ist schlecht. Es heisst, du bist frei zu entscheiden, was dir gefällt und warum.

Politisch gab es in Italien keine richtige Gegenstimme. Nur Kulturschaffende wie Roberto Benigni oder Umberto Eco hat man im Ausland wahrgenommen. Die Politik in Italien hat die letzten 25 Jahre tatsächlich keine herausragenden Persönlichkeiten produziert und auch die Kultur hat gelitten. Die wenigen Stimmen, die politisch Position bezogen, sind Personen, die schon tief verankert waren. Benigni ist keine 30 mehr, Eco ist über 80. Sie sind nicht geprägt von den letzten 30 Jahren. Die jetzige Generation ist verarmt. Ich hoffe, man wird in den nächsten Jahren eine neue Generation von Künstlern in Italien begrüssen, die inhaltlich eine klare Position bezieht.

Immer wenn Italien in der Krise steckte, waren das Glanzzeiten für die Mafia. Sie nutzte die Phasen der Unsicherheit, um sich in staatstragende Gremien einzubringen. Wird das nun wieder der Fall sein? Nein. Die Mafia hatte zu Zeiten des Eisernen Vorhanges eine ganz wichtige Rolle gespielt, damit die Linken, die Gewerkschaften und die Kommunisten in Italien nicht an die Macht kamen. Stellen Sie sich vor, die kommunistische Partei hatte in Italien bis 1979 34 Prozent der Wählerstimmen! Die Amerikaner drohten Italien, weil es eine Katastrophe gewesen wäre, wenn ein westliches Land an strategisch bester Mittelmeerlage zum Ostblock übergetreten wäre. Die Mafia fasste die Aufgabe,

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«Ich bin keiner, der auf den Teller spuckt, von dem er isst.»

dafür zu sorgen, dass 20 Millionen Italiener von Rom bis Sizilien Christdemokraten und Republikaner wählen. Die Linke hatte in Süditalien plötzlich nur noch acht Prozent. Die Mafia hatte da alles kontrolliert. Nach dem Fall der Berliner Mauer verlor der Kommunismus seinen Schrecken. Damit ging auch die lokale Bedeutung der Mafia verloren. Schutzgeld von kleinen Ladenbetreibern wird längst nicht mehr eingetrieben. Heute kümmert sich die Mafia darum, was an den internationalen Finanzmärkten passiert.

Wenn Sie nun durch Italien touren, werden die Reifen Ihres Busses nicht mehr zerstochen? Das nicht. Aber noch 2005: Ich spielte an einem Festival bei Agrigent, an der Südseite Siziliens. In der ersten Reihe sass der damalige Präsident der autonomen Region Sizilien, der von der Mafia ins Amt gehebelt wurde. Ich habe ein Lied gegen die Mafia gesungen und ihm direkt gewidmet. Das bescherte mir einige Probleme. Unsere Garderobe wurde ausgeraubt, als einzige. Es gab Fernsehinterviews für alle, ausser mich. Und so weiter. Der damalige Präsident sitzt nun seit drei Jahren für Gefängnis und er hat noch zehn weitere vor sich. Wäre eine Karriere, wie Sie sie von der Schweiz aus aufgebaut haben, in Italien auch möglich gewesen? Auf keinen Fall. Ich hätte das auch nicht gewollt. Ich hätte wohl einen anderen Beruf gewählt und nebenbei Musik nur aus Leidenschaft gemacht. Ich hätte in den 80ern zu viele Kompromisse eingehen müssen. Ihre Lieder handeln immer von Italien. Auch die Schweiz könnte mehr politische Sänger brauchen! Ich habe eine natürliche Grenze, die Sprache. Italienisch ist auch eine Landessprache. Aber ich lebe in Zürich. Da ist sogar Schweizerdeutsch wichtiger als Hochdeutsch. Spreche ich Hochdeutsch, spüre ich eine Abgrenzung. Auch wenn ich bald 25 Jahre hier lebe, ich teile die ursprüngliche Kultur nicht. Ich kann leider kein Schweizerdeutsch. Massimo Rocchi, der im gleichen Jahr wie ich in die Schweiz kam, hat das geschafft. Er hat sich komplett mit der Schweiz identifiziert und ist hier ein Volksheld. Der Preis dafür ist, dass ihn nun in Italien keiner kennt. Sie dagegen profitieren davon, dass kritische Italiener auswandern und nun in ganz Europa Ihre Konzerte besuchen. Ja. Wobei, hier sind vermutlich 95 Prozent meiner Konzertbesucher Schweizer. Mein Erfolg ist das Resultat der weltoffenen Schweizer Kultur. Wenn du etwas zu sagen hast, wird dir hier eine Chance gegeben. Dass ich als italienischer Musiker den Schweizer KleinKunstPreis gewinne, beweist einen gewissen Freigeist. Es gibt viele wunderbare Schweizer Künstler, die den Preis genauso verdient hätten. Weltoffenheit ist nicht unbedingt ein Attribut, das man mit der Schweiz verbindet. Ist aber so! Ich bin viel auf Tour in Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich. Glauben Sie, dort sind die Leute weltoffener? Ich habe meine Zweifel. Trotzdem wäre es spannend, ein Album von Pippo Pollina über die Schweiz zu hören. Der Preis ist doch fast eine Aufforderung dazu. Ich habe mir bis jetzt noch nicht erlaubt, über die Schweiz zu sprechen und sie zu kritisieren. Mein Respekt ist zu gross. Ich genoss eine gutbürgerliche Erziehung. Lernte, dass man älteren Menschen hilft und auch allen anderen respektvoll begegnet. Daher habe ich immer Respekt vor dem Land, das mir die Chance gab, mit meiner Musik zu SURPRISE 268 / 12

überleben und mich als Mensch zu entfalten. Darum äusserte ich mich bisher nur diskret. Selbst dann, wenn ich fand, etwas ist wirklich nicht in Ordnung. Sie sind neutraler als die Schweiz? Ich bin keiner, der auf den Teller spuckt, von dem er isst. Doch nun gehe ich seit eineinhalb Jahren stimmen und habe immer verloren. (Lacht.) Ich erlaube mir je länger je mehr zu kritisieren, ohne die Hand vor den Mund zu halten. Nicht weil ich jetzt den roten Pass besitze, sondern weil ich nach 25 Jahren die hiesigen Probleme und Themen fundierter analysieren kann. Im Ausland bin ich trotzdem einer, der die Schweiz in höchsten Tönen lobt. Wahrscheinlich bin ich ein besserer Botschafter für die Schweiz als für Italien. Ich fühle mich nun psychologisch in der Lage, die Schweiz zu kritisieren, ohne mich undankbar zu fühlen. Also kann man von Ihnen in Zukunft ein Album zur Schweiz erwarten? Ich glaube schon. Sie haben sehr zornige und anklagende Texte. Warum ist die Musik dazu immer so wohlklingend, reizt es Sie nie, die Wut mit Lärm auszudrücken? (Lacht.) Ein Teil meiner Musik geht schon in diese Richtung. Aber natürlich, das Wort steht bei mir im Vordergrund. Musikalisch liebe ich halt die Harmonie. Ich glaube nicht, dass ich ein braver Künstler bin. Meine Musik ist nicht nett, sie ist leidenschaftlich und melancholisch, als Ausdruck für die Ungemütlichkeit des Lebens. Kommt der Einfluss sizilianischer Volksmusik bei Ihnen daher, dass Sie fern der Heimat Ihre Wurzeln bewahren? Die Stücke, in denen die traditionelle Musik durchkommt, nehmen zunehmend ab. Ich müsste längere Zeit in Sizilien verbringen, um das aufzufrischen. Die Technik auf dem Tambourin haben Sie noch. Das übe ich auch, weil es etwas Aussergewöhnliches ist. Nur wenige Menschen spielen dieses Instrument so. Das hab ich bewusst beibehalten. Ähnlich wie ein Secondo, der gewisse Dinge aus der Heimat besonders pflegt? Natürlich. Ich bin hier angekommen mit meinem Rucksack. Was darin war, hab ich gepflegt, und noch immer sind ein paar Reste da. ■

Schweizer KleinKunstPreis für sozialpolitisches Engagement Am 18. Mai 1963 in Palermo geboren, fand Pippo Pollina 1988, nach dreijähriger Strassenmusik-Odyssee, in der Schweiz die Liebe und eine neue Heimat. 15 Alben und über 3000 Konzerte später wird er am 21. April in Thun den Schweizer KleinKunstPreis 2012 erhalten. Die Jury würdigt dabei «seine Lieder ebenso wie sein sozialpolitisches Engagement». Alle CDs und Tourdaten: www.pippopollina.com

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Neuromarketing Grosshirn, halt die Klappe Seit Jahrzehnten werden wir mit psychologischen Tricks zum Konsum verführt. Mittlerweile hat die Bombardierung mit Werbung ein Ausmass angenommen, dass einzelne Botschaften kaum mehr durchkommen. Nun schielen Marketing-Experten auf die Neurowissenschaft. VON FLORIAN BLUMER (TEXT) UND PATRIC SANDRI (ILLUSTRATION)

Ein Gespenst geht um in der Konsumwelt: das Neuromarketing. Die neue Vermarktungsstrategie bedient sich der Erkenntnisse und Methoden der modernen Hirnforschung und verspricht die Entschlüsselung der wahren Begierden des Konsumenten – derjenigen, von denen er selber gar nichts weiss. Marketingfachleute, Manager in Nahrungsmittelkonzernen oder Hollywood-Filmproduzenten träumen von märchenhaften Umsätzen, einzelne gar von der Entwicklung eines Produkts, das so unwiderstehlich ist, dass sich ihm kein Konsument wird entziehen können.

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Unheimlich? In einem viel beachteten Artikel im US-amerikanischen Wissenschaftsmagazin «Nature» vom März 2010 setzten sich zwei Wirtschaftswissenschaftler mit dem Thema auseinander. Gleich zu Beginn stellen sie klar: «Entgegen dem verbreiteten Glauben über die inhärent böse Natur des Marketings ist dessen Hauptziel zu helfen, dass Produkte besser auf die Menschen passen.» Ganz ähnlich klingt es bei Christoph Oriet, dem Leiter Neuromarketing bei der Migros, in einem Interview mit der «Handelszeitung»: «Wir wollen die Kunden nicht manipulieren, sondern es ihnen einfacher machen.» Oriet sagt aber auch, dass 80 Prozent unserer Kaufentscheide im Unterbewusstsein ablaufen. SURPRISE 268 / 12


Marketingexperte Hans-Georg Häusel formuliert es so: «Der Nucleus accumbens, der Lustkern, sagt dem Grosshirn: Halt die Klappe.» Worauf der Verstand klein beigebe: «Das Grosshirn bleibt stumm, und wir kaufen.» Rückblende: Die 30er-Jahre des letzten Jahrhunderts. Es ist schon über ein Jahrzehnt her, dass die «Materialschlacht» 1. Weltkrieg geschlagen wurde, die goldenen 20er-Jahre sind um, die USA und Europa in eine Wirtschaftskrise nie dagewesenen Ausmasses gerutscht. In dieser Zeit sagt Paul Mazer, ein einflussreicher Wall Street Banker der Investmentbank Lehman Brothers, etwas Bemerkenswertes. Er postuliert: «Wir müssen die USA von einer Bedürfnis- in eine Begehrenskultur umwandeln. Die Menschen müssen darauf trainiert werden zu begehren, neue Dinge zu wollen, bevor sie die alten überhaupt ganz konsumiert haben. Wir müssen eine neue Mentalität schaffen in Amerika. Die Begehren des Menschen müssen seine Bedürfnisse überschatten.» Die Industrialisierung hatte zwar unterdessen ein riesiges Produktionspotenzial geschaffen, nur: Irgendwer musste diese Produkte auch kaufen. Bis anhin war man sich in den USA wie in Europa gewohnt, nur dann etwas zu kaufen, wenn man es auch brauchte: neue Schuhe, wenn die alten kaputt, neues Essen, wenn die Resten aufgebraucht waren. Das erschien den Menschen logisch. Und wie die Verbraucher, so dachte auch die Werbung: logisch. Sie setzte auf der Bewusstseinsebene der potenziellen Kunden an: Produkte wurden beworben, indem man ihre Vorteile (oder die Nachteile des Konkurrenzprodukts) pries. Dies änderte sich mit der Erforschung des Unterbewusstseins durch Sigmund Freud Anfang des 20. Jahrhunderts. Genauer gesagt, mit dessen Neffen Edward Bernays, der die Theorien seines berühmten Onkels studierte und die Kraft erkannte, die darin steckt, wenn man die Menschen bei den Emotionen anstatt beim Verstand packt. Er leitete die Propagandakampagne, um das amerikanische Volk hinter ein Eingreifen in den 1. Weltkrieg zu bringen (Motto: «Making the world safe for democracy»). Sie war ein solch überwältigender Erfolg, dass Bernays darüber nachdachte, seine Entdeckung auch in Friedenszeiten zu nützen. Schöne neue Konsumwelt Bernays benannte seine Methode vom historisch belasteten, abschreckenden Begriff «Propaganda» in «Public Relations» (PR) um. Und leitete mit seinem Ansatz eine radikale Bewusstseins- und Einstellungsänderung in der Bevölkerung der westlich geprägten Welt ein. Zum Beispiel, indem er im Auftrag der Textilindustrie Schauspielerinnen in der Öffentlichkeit betonen liess, dass Kleider nicht wegen ihrer Nützlichkeit gekauft werden sollten, sondern, um damit seine Persönlichkeit auszudrücken (Motto: «Express yourself better in your dress»). Für die Tabakindustrie erschloss er das weibliche Geschlecht gleich von Grund auf: Bis anhin galt es für eine Frau als unfein zu rauchen, gepafft wurde höchstens im Versteckten. Unter dem Motto «Torches of Freedom», Fackeln der Freiheit, liess Bernays eine Gruppe junger, gut aussehender Frauen in aller Öffentlichkeit gleichzeitig Zigaretten anstecken. Die Presse liess er zuvor wissen, dass «Suffragetten» eine aufsehenerregende Aktion planten. Die Zeitungen berichteten vom Freiheitskampf der rauchenden Frauen, in Inseratekampagnen wurden den Millionen potenziellen Raucherinnen zusätzlich rebellische Damen gezeigt, die die Fackel der Freiheit hochhielten. Im grossen Stil entdeckte die PR die Bedeutung des Unterbewusstseins zur Absatzsteigerung in den 50er-Jahren. 1958 beschrieb der Amerikaner Vance Packard die neue Entwicklung in seinem Buch «Die geheimen Verführer». Das Buch schlug ein wie eine Bombe. Packard überbrachte die damals erschreckende Neuigkeit, dass mit «oft eindrucksvollem Erfolg» in «grossem Massstab Anstrengungen unternommen» würden, «unsere Kaufentschlüsse und unsere Denkvorgänge zu steuern, indem man sich der aus der Psychologie und den Sozialwissen-

schaften aufgelesenen Einsichten bedient». Packard beunruhigten «extreme Versuche», in denen nach menschlichen Schwächen gesucht wurde, um diese gezielt für die Empfänglichkeit für Werbung auszunutzen. Packard fürchtete, dass die Menschheit auf «die eisige Welt George Orwells und seines grossen Bruders» zusteuerte und dass diese Versuche nur Vorzeichen dessen waren, «was uns allen in stärkerem und wirksamerem Masse noch bevorstehen mag». Womit wir zurück im Heute wären. Ob sich Packards ärgste Befürchtungen bestätigt haben und wir tatsächlich in einer George-Orwell-Konsumwelt angelangt sind, ist Ansichtssache. Tatsache ist, dass der Konsum in den letzten Jahrzehnten in schwindelerregende Höhen stieg, dass wir uns längst daran gewöhnt haben, uns vom Marlboro-Mann zum Rauchen verführen zu lassen, und dass die Überflutung mit Werbung heute ein Ausmass erreicht hat, dass es für Werber schwierig wurde, die Menschen mit ihrer Botschaft zu erreichen. Hier weckt Neuromarketing neue Hoffnungen. Ein «Super-Heroin des Essens» Dan Ariely und Gregory Burns, die beiden Autoren des «Nature»-Artikels, beschreiben Erkenntnisse aus diversen Studien. Einiges davon mutet noch nicht ganz so bahnbrechend an. So ergab die Untersuchung der Hirnaktivität von Testpersonen im Hirnscanner MRI, dass diese auf Menschen anders reagierten als auf Markennamen. Schwerer zu erklären war der Befund einer anderen bekannten Studie: Sie ergab, dass die Ankündigung an gewohnheitsmässige Coca-Cola-Trinker, sie würden gleich ein Glas Coca-Cola bekommen, Aktivität in bestimmten Hirnarealen auslöste, während bei Pepsi-Trinkern in Erwartung eines Pepsis nichts passierte. Eine Vermutung lautet, dass Menschen zu gewissen Markennamen eben doch eine fast menschliche Beziehung entwickeln. Ariely und Burns resümieren, dass Neuromarketing wohl bald in der Lage sein wird, verborgene Informationen über Konsumentenvorlieben zu enthüllen. Das grösste Potenzial sehen sie in der Verwendung von MRI-Daten während der Entwicklung von Produkten. Trotz allem Optimismus weisen die amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler aber auch auf eine Gefahr hin: «Produktehersteller könnten Neuromarketing nutzen, um die Öffentlichkeit zum Konsumieren von Produkten zu nötigen, die diese weder braucht noch will.» Und sie hielten es für eine «extreme, aber reelle Möglichkeit», dass mit Neuromarketing eine Art «Super-Heroin des Essens» hergestellt werden kann: ein Nahrungsmittel, dass so delikat ist, dass ihm nur die asketischsten Menschen würden widerstehen können. Was tun, wenn einem die ganze unterbewusste Beeinflussung doch unheimlich vorkommt und man sich um seine körperliche und finanzielle Gesundheit sorgt? Das Einzige, was hilft, ist den Verstand einzu-

«Neuromarketing kann uns zum Kauf von Produkten nötigen, die wir weder brauchen noch wollen.»

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schalten. Franziska Troesch-Schnyder, Präsidentin des Konsumentenforums kf, rät, sich vor dem Kauf immer sehr gut zu überlegen, ob man das Objekt der Begierde auch wirklich braucht – und ob man es sich überhaupt leisten kann. Doch sie räumt auch ein, dass es sehr schwer ist, gegen die Methoden der Werbeindustrie anzukommen: «Nicht umsonst wird so viel Geld dafür ausgegeben.» Vielleicht hilft es, den Spiess einfach umzudrehen und auch als Konsument neurowissenschaftliche Tricks anzuwenden? Kürzlich wurde jedenfalls in der Tagespresse von der Erkenntnis berichtet, dass die Farbe Rot den Konsum hemmt. Also, das Grosshirn rät: Kaufen Sie sich für den nächsten Gang durch die Innenstadt doch einfach eine rote Brille. ■

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Plastik Praktisch und tödlich Plastik ist überall. Der praktische Kunststoff zum Wegwerfen ist zum globalen Problem geworden: Er lässt Tiere verenden, treibt als Müllstrudel auf dem Meer – und kehrt über die Nahrung allmählich zum Verursacher zurück.

VON STEFAN MICHEL (TEXT) UND JUDITH SELBY LANG UND RICHARD LANG (BILDER)

Tiere halten Plastik für Nahrung Als Erste bekommen es die Tiere zu spüren. Fische und Meeressäuger verheddern sich in aufgegebenen Fischernetzen, Robben bleiben in Getränkekasten hängen. Traurige Berühmtheit erlangte «Mae West», eine nach dem amerikanischen Filmstar der 30er-Jahre benannte Meeresschildkröte, die sich als Jungtier im Ring einer Getränkeflasche verfangen hatte. Sie wuchs darum herum und schwamm mit einer absurden Wespentaille durch den Ozean. Schmerzhaft auch die Bilder, die der Filmer Chris Jordan auf dem Midway-Atoll schoss, einer Inselgruppe auf halbem Weg zwischen Amerika und Asien: Zehntausende Jung-Albatrosse sterben dort jedes Jahr, weil sie von ihren Eltern mit Plastikteilen gefüttert werden, die diese für Nahrung halten. Irgendwann sind ihre Mägen mit unverdaulichem Schrott verstopft und sie verhungern. Ist der Kunststoff zerrieben, fressen ihn die Fische, die das Granulat für Plankton halten. Das ist umso schlimmer, weil die Partikel teilweise mit Schadstoffen wie dem Plastikweichmacher Bisphenol A belastet sind oder Gifte im Lauf ihrer Seefahrt aufnehmen: zum Beispiel die mittlerweile weltweit verbotenen Dioxine, PCB, das Insektizid DDT und weitere krebserregende und erbgutverändernde Substanzen. Die Aufzählung stammt aus dem Jahrbuch 2011 der UNO-Umweltorganisation Unep. Sie ist dort allerdings noch um einige Chemikaliengruppen länger. Die Verantwortlichen der Unep vermuten erst, dass diese Substanzen über Speisefische auf unseren Tellern landen könnten. Der Nachweis

«Plastikzeitalter» – der Begriff ist aus der Mode geraten, verdrängt vom «Information Age». Dabei durchdringen die polymeren oder monomeren Kunststoffe unser Leben mindestens so sehr wie die allgegenwärtige Information. Plastik ist überall, um uns und in uns. Vom Ausschalten des Weckers am Morgen über das Anziehen der Kleider, das Essen und das Sporttreiben bis zum Lichterlöschen sind wir mit Gummi, Plastik, Polyester oder anderen Kunststoffen in Berührung. Und selbst wenn wir uns auf eine einsame Insel zurückzögen, wir würden früher oder später auf den Wunderstoff des 20. Jahrhunderts stossen. «Es gibt auf der Erde keine unberührte Natur mehr», behauptet Werner Boote, Regisseur des Films «Plastic Planet». Für Gebiete in der Nähe des Meeres hat er damit sicherlich recht. Seit Jahren ist die enorme Verschmutzung der Weltmeere mit Plastik ein Thema. Eine über Bord gegangene Ladung Spielzeug ermöglichte der Wissenschaft, Meeresströmungen zu verfolgen. Inzwischen weiss man, dass in allen Ozeanen riesige Wasserwirbel existieren, die Abfall mitreissen und langsam in ihr Zentrum führen. So sind schwimmende Mülldeponien gigantischen Ausmasses entstanden. Berühmtestes Beispiel ist der «Great Pacific Garbage Patch» (grosser pazifischer Müllfleck), der aus geschätzten 100 Millionen Tonnen Plastikteilen besteht, die sich auf einem Gebiet von der Fläche Zentraleuropas ausbreiten. Die rotierende Suppe Wir Schweizerinnen und Schweizer gehören zu den grössten nimmt ständig neue Ingredienzen auf, die Plastikkonsumenten der Welt. langsam zu Pulver zerfallen. Dieses sinkt auf den Meeresboden ab. Flaschen, Deckel, Plastiktüten, Feuerzeuge, Teile von Kugelschreifehlt bis jetzt. Auch das Bundesamt für Gesundheit weiss nichts von verbern, Windeln, Sonnenbrillen, Kanister, Schuhe, Nylons schwimmen im seuchtem Meerfisch in der Schweiz. Matthias Wüthrich, ChemiekamMeer. Die Liste lässt sich beliebig verlängern: Hohlkörper, Platten, Rinpagnenleiter von Greenpeace, sieht jedoch keinen Grund zur Entwarge, Reifen, Kugeln, Stifte, Netze, Schnüre – die Formen sind vielfältig nung: «Einmal in die Umwelt entlassen, bauen sich solche Dauergifte und es gibt nichts aus Plastik, das nicht auf den Ozeanen treibt. 6,4 nicht mehr ab. Im Gegenteil, sie reichern sich im Fettgewebe von FiMillionen Tonnen Plastik landen Jahr für Jahr im Meer, schreibt die schen an und gelangen so in die Nahrungskette. Es ist eine Frage der «Süddeutsche Zeitung» unter Berufung auf die amerikanische Akademie Zeit, bis sie zu uns Menschen zurückkommen.» PCB-belastete Fische der Wissenschaften. Nur ein Fünftel davon stammt von Schiffen oder gibt es im Übrigen auch in der Schweiz. 2007 wurden in der Saane (FreiBohrinseln. Der grosse Rest wird an Land weggeworfen, in Flüsse geburg) und der Birs (Jura) Fische mit stark erhöhten Werten entdeckt. kippt, von Deponien geweht und schliesslich von den Küsten weg auf Wie sich später zeigte, waren die Substanzen aus Abfalldeponien in die die Weltmeere hinausgetragen. Flüsse gesickert. 2009 gab das Bundesamt für Gesundheit Grenzwerte SURPRISE 268/ 12

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niert. Frei wird hingegen, wie bei jeder Verbrennung, der in den Kunstbekannt und meldete, die Werte seien wieder deutlich gesunken. Eine stoffen enthaltene Kohlenstoff in Form von CO2. Der Bund prüft zurzeit, weitere Quelle der Kunststoffverschmutzung sind Waschmaschinen, wie eine neue Studie aus Irland zeigt. Sie lösen kleinste Partikel aus den Kleiwelche weiteren Kunststoffarten separat gesammelt werden könnten. dern und geben sie ins Abwasser ab. Wo dieses nicht gereinigt wird – und Mit einem funktionierenden Abfallentsorgungssystem und in sicherer das ist noch immer in der überwiegenden Mehrheit der Küstengebiete Distanz zum plastikverseuchten Meer scheint die Schweiz einmal mehr der Fall –, landen sie im Meer. In der Schweiz, immerhin, bleiben sie grösstenteils im Klär«Im Blut von Neugeborenen lassen sich bis zu 400 industriell schlamm hängen. hergestellte Stoffe nachweisen, die dort nicht hingehören.» Szenenwechsel: Wer schon einmal in Afrika über Land fuhr – oder auch durch gewisse Gegenden Südeuropas –, der hat mit Plastiktüten übersäte Landstriche geeine Insel der Glückseligkeit zu sein. Oder? Greenpeace-Campaigner sehen. Im Film «Plastic Planet» erzählt ein marokkanischer Reiter-StuntMatthias Wüthrich hat Einwände. «Wie genau wollen Sie es wissen?», man, der schon in mehreren Hollywood-Streifen mittat, wie jedesmal fragt der Chemiker noch, bevor er ein Feuerwerk aus Abkürzungen und zuerst das Stück Wüste, auf dem gedreht wird, von den allgegenwärtiSubstanzbezeichnungen zündet. gen Plastiksäcken gereinigt werden müsse. Was der Plastikmüll im Meer Das erste: PVC. Ein «Killer-Plastik» sei das, wegen seiner hohen Menund an Land gemeinsam haben: Er ist nicht abbaubar. Zwar zerfällt er ge an Weichmachern und Stabilisatoren. «Ohne diverse Zusatzstoffe wäin immer kleinere Partikel, aber zu organischer Materie wird er nicht. re PVC porös, brüchig und völlig unbrauchbar – im Grunde genommen Einmal in die Welt gesetzt, bleibt er bestehen, in welcher Form auch imist PVC ein Abfallprodukt aus der toxischen Chlorchemie», so Wüthrich. mer. Einige Länder haben die Tüten in den Läden bereits verboten, darDie Stiftung Warentest stellte fest, dass die beliebten PVC-Bodenbeläge unter Südafrika, Bangladesch und das Land der chronischen Abfallkribis zu 36 Prozent aus Weichmachern bestehen. Die Stoffe verdampfen se: Italien. – erkennbar am Geruch – und gelangen so in den menschlichen Organismus. Das Gleiche gilt laut Wüthrich für «bromierte FlammschutzmitPlastikverbrennung setzt CO2 frei tel», die gewissen Plastiksorten beigemischt werden, beispielsweise in Mobiltelefonen, Computern oder TV-Geräten, und von diesen ausgeWir Schweizerinnen und Schweizer gehören zu den grössten Plasdünstet werden. «Beide Stoffe können das Hormonsystem und die tikkonsumenten der Welt. 125 Kilo Kunststoff pro Kopf und Jahr kommenschliche Fruchtbarkeit beeinträchtigen», sagt der Greenpeace-Cammen hier in Umlauf. Das entspricht über 6000 Halbliter-PET-Flaschen paigner. oder 50 000 Gratistüten vom Grossverteiler. Natürlich ist nicht alles Verpackung, was wir an polymeren und monomeren Kunststoffen ver«Wir werden schleichend chemisiert» brauchen. Das Material steckt in den Gebäuden, in denen wir leben, in Ein weiterer Diskussionsstoff ist Bisphenol A. Es wird verschiedenen Möbeln und Fahrzeugen, in Geräten, die wir benutzen, und in den KleiPlastiksorten zugegeben, um sie biegsam zu machen. Und es beeinflusst dern, die wir tragen, ja sogar in Büchern und Magazinen, die wir lesen. den menschlichen Hormonhaushalt. Ob es dies in schädlichem AusDass vier von fünf PET-Flaschen in der Schweiz rezykliert werden, ist mass tut oder nicht, darüber streitet sich die Fachwelt seit Jahren. Die international ein Spitzenwert. Von allen Plastikabfällen landen trotzdem EU hat Babyflaschen mit Bisphenol A verboten. Das Bundesamt für Ge80 Prozent in der Verbrennungsanlage oder in Zementwerken. Immersundheit verweist auf diverse Studien in den letzten 50 Jahren und ist hin liefern sie als Brennmaterial noch etwas Energie. Der grösste Teil der weiterhin der Meinung, der Stoff sei in den vorkommenden Konzentrain der Verbrennung austretenden Schadstoffe wird von der Rauchgastionen unbedenklich, auch für Säuglinge. Für den Greenpeace-Vertreter reinigung zurückgehalten, die Filterasche wird als Sonderabfall depo-

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steht fest: «Wenn man die Ungefährlichkeit einer Substanz nicht beweisen kann, dann gehört sie aus dem Verkehr gezogen. Und Bisphenol A steht schon lange im Verdacht, beim Mann die Spermienqualität zu beeinträchtigen.» «Wir Menschen werden schleichend chemisiert», ist Wüthrich überzeugt. «Im menschlichen Körper, in der Muttermilch und selbst im Blut von Neugeborenen lassen sich bis zu 400 industriell hergestellte Stoffe nachweisen, die dort sicherlich nicht hingehören.» Plastik ist nur für einen Teil davon verantwortlich. Welchen Schaden sie anrichten, ist erst vage erforscht. Eine sichere Konsequenz ist die abnehmende Spermienzahl, die bei Menschen und Tieren feststellbar ist. Hunger statt Plastik? Die letzte Sünde des Plastiks sind dessen Hauptbestandteile: die nicht erneuerbaren Rohstoffe Erdöl oder Erdgas. Bereits genannt wur-

Plastikkunst aus dem Meer Die Bilder zu diesem Beitrag stammen vom US-amerikanischen Künstlerehepaar Judith Selby Lang und Richard Lang. Sie begannen eines Tages im Jahr 1999, angeschwemmten Plastikmüll an ihrem Lieblingsstrand Kehoe Beach in Nordkalifornien einzusammeln. Erstaunt darüber, dass sie Gegenstände fanden, die von allen möglichen Ländern am Pazifik stammten, und vor allem in welch riesiger Zahl, machten sie das Plastiksammeln zum Hauptinhalt ihres künstlerischen Schaffens. Anfangs hatten sie gewitzelt, dass sie aufhören würden, wenn sie einmal das hundertste Feuerzeug gefunden hätten. Bis Ende des Jahres fanden sie jedoch bereits 600. Mindestens 35 Kilo Plastik bringen sie von jedem Ausflug zum knapp einen Kilometer langen Kehoe Beach jeweils zurück, in einem Jahr sammeln sie rund zwei Tonnen Plastik. Die Fundstücke – von Kämmen über Kellogs-Figürchen aus den 50er-Jahren bis zum Einwegbesteck – lagern sie in einem Schuppen, nach Farben und Formen sortiert. Sie schaffen daraus grosse Skulpturen, Installationen, Fotoserien und Schmuck. In einem Kurzfilm über ihre Arbeit sagt Richard Lang, dass es nicht ihr Ziel sei, den Strand zu reinigen: «Dies wäre auch völlig unmöglich. Wir ‹kuratieren› den Strand vielmehr – das heisst, wir suchen uns aus, was wir für unsere Arbeit brauchen.» SURPRISE 268 / 12

de das CO2, das bei der Verbrennung frei wird. Dem ist entgegenzuhalten, dass Plastik als leichte Alternative zu Glas, Holz oder Metall hilft, Transportenergie und CO2-Emissionen zu sparen, nicht nur als Verpackung, sondern auch als Baustoff der Fahrzeuge. Auch Wüthrich findet: «Bei den Alternativen muss man genau hinsehen, ob deren Ökobilanz wirklich besser ist.» Besonders kritisch sind «Bio-Kunststoffe», die aus Mais oder Zuckerrüben hergestellt werden und damit in direkte Konkurrenz zur Produktion von Nahrungsmitteln treten. Der ökologische Vorteil wird wie beim Bio-Treibstoff zum Nachteil der Hungernden. «Jute statt Plastik» – mit diesem Aufruf versuchte man schon einmal, den Kunststoff-Abfallberg in den Griff zu kriegen. Heute ist das nötiger denn je. Und es ist nicht zu spät, auch wenn eines feststeht: Der Plastik, den wir in die Welt gesetzt haben, wird noch da sein, wenn wir uns längst von diesem Planeten verabschiedet haben. ■

Nach ihrer Motivation befragt, sagt Judith Selby Lang, dass sie sich vor Beginn des Projekts nicht bewusst gewesen seien, wie sehr Plastik ein Teil jeden Aspekts unseres Lebens geworden ist, «vom Essen, das wir zu uns nehmen, bis zu den Kleidern, die wir tragen». «Dieser eine Strand kann die Geschichte der ganzen, weltweiten Misere erzählen», sagt Richard. Dabei seien sie nicht grundsätzliche Plastikgegner: «Es ist wichtig zu sehen, dass es grossartige Verwendungen von Plastik gibt: Glasaugen, künstliche Knie- und Hüftgelenke, alle möglichen medizinischen Entwicklungen, die ohne Plastik nicht möglich wären.» Doch verboten gehört ihrer Meinung nach der Einweggebrauch von Flaschen, Verpackungen und Plastiksäcken. Richard sagt: «In jedem Stück Plastik, das wir brauchen, steckt auch ein Stück Verantwortung drin. Es ist an jedem Einzelnen zu sagen: Ich werde dieses Plastiklöffelchen nicht gebrauchen, um vier Sekunden lang Eis damit zu essen und es dann wegzuwerfen.» Trotz allem Engagement sagen Richard und Judith, dass ihre Absicht letztendlich «ästhetischer und feierlicher Natur» sei. Denn: «Wir glauben an die Kraft der Schönheit.» (fer) http://beachplastic.com

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BILD: SONY MUSIC / DOMINIQUE ISSERMANN

Leonard Cohen «Meine Werkstatt ist nie geschlossen» Während Leonard Cohen in der Eremitage meditierte, stahl ihm seine Managerin mehrere Millionen Dollar von seinem Konto. Darum ging der kanadische Sängerpoet im Januar 2008 nach 15 Jahren wieder auf Konzertreise. Die Tour wurde zum Triumphzug und beflügelte die Arbeit an einem neuen Album. Zur Veröffentlichung von «Old Ideas» stand der 77-jährige Cohen der Presse in London dazu Red und Antwort.

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VON HANSPETER KÜNZLER

Warum haben Sie sich ausgerechnet jetzt entschlossen, ein neues Album zu veröffentlichen, acht Jahre nach dem letzten? Mir kommt es vor, es sei erst gestern gewesen! Ich brauche sehr lang, bis ich ein Lied geschrieben habe, dabei bin ich pausenlos am Schreiben. Darum hatte ich nie den Eindruck, ich hätte eine Pause eingeschaltet. Meine Werkstatt ist nie geschlossen.

Ihr Sohn Adam ist ebenfalls Sänger und hat unlängst ebenfalls ein neues Album veröffentlicht. Wie gefällt es Ihnen? Ich finde ihn toll. Ich würde dies auch sagen, wenn er nicht mein Sohn wäre. Er ist die Stimme der Familie. Im Gegensatz zu mir kann er wirklich eine Melodie singen. Als Kind hat er mich halb verrückt gemacht. Ständig hat er irgendwelche Laute von sich gegeben. Es war klar, dass ihm die Stimme viel bedeutete.

Vor noch nicht allzu langer Zeit haben Sie eine überaus erfolgreiche Tournee beendet, die erste nach vielen Jahren. Hat sich diese Erfahrung auf die neuen Lieder ausgewirkt? Ich glaube schon. Die Reaktion der Menschen auf der ganzen Welt hat mich sehr berührt. Ich bin für sowas durchaus nicht unempfänglich! Das Erlebnis hat mich erfrischt und angespornt. Als die Tournee zu Ende war, hatte ich keine Lust mich auszuruhen, und so habe ich dieses Album gemacht. Jetzt bin ich voller Tatendrang und wer weiss, vielleicht führt das zu einer weiteren Tournee und einem weiteren Album. Eine weitere Tour – wo Sie doch auf der letzten Tournee angeblich 247 Konzerte spielten? Es war eine wundervolle Tournee, zumal ich ja 15 Jahre lang nie mehr sowas unternommen hatte. Ich fühlte mich damals ein bisschen wie Ronald Reagan in seinen Herbstjahren. Er konnte sich daran erinnern, eine gute Rolle gespielt zu haben. Die Rolle des Präsidenten in einem Film. Mir ging es ähnlich. Ich glaubte mich daran erinnern zu können, einmal die Rolle eines Sängers gespielt zu haben. Als ich auf Tournee ging, kam das Gefühl zurück, ich sei ein arbeitender Mensch auf dieser Welt. Das fand ich sehr befriedigend.

Das Album: «Old Ideas» ist eines von Leonard Cohens besten Alben. Aufgenommen wurde es im Heimstudio mit Musikern, die gerade zur Verfügung standen. Mitglieder der grandiosen Band, die ihn auf seiner Comeback-Tournee begleiteten, treten sporadisch auf: Sie seien nicht so lange abkömmlich gewesen, wie er sie gebraucht hätte, sagt Cohen. Die vornehmlich mit akustischen Gitarren, Geigen, Banjo, Schlagzeug und einer diskreten Hammondorgel eingespielte Musik verströmt viel Wärme. Die Frauenchöre setzen die Gratwanderung früherer Werke fort und säuseln gekonnt zwischen Kitsch, Ironie und unbefleckter Engelhaftigkeit. Da gemahnen die Arrangements an einen eleganten Tom Waits, dort an JJ Cale in Zeitlupe. Die Texte handeln derweil von vergangenen Lieben, schwindender Zukunft und der Heiterkeit im Angesicht des Unausweichlichen. (hpk) Leonard Cohen: «Old Ideas» (Sony)

Am Anfang Ihres Romans «Beautiful Losers» steht der Satz: «Der Leser dieses Buches verdient das gleiche Schicksal wie der Autor.» Glauben Sie an Schicksal? Wissen Sie, ich könnte jetzt im Dienste der Herzlichkeit und Höflichkeit allerhand Gedanken und Überzeugungen ausprobieren. Aber in Wirklichkeit kann ich keine tiefen Überzeugungen mehr pflegen. Ich weiss nicht, warum. Irgendwie scheine ich mich schlicht nicht mehr hinter Überzeugungen stellen zu können. Vielleicht ist das der älteste Gedanke überhaupt – dass es keine Gedanken gibt, die bleibenden Wert haben. Dass es nur darum geht, weiterzumachen. Sie sind unterdessen zweifacher Grossvater geworden. Hat das einen Einfluss darauf, wie Sie Ihre Arbeit angehen? Machen Sie sich Gedanken darüber, was Sie dereinst hinterlassen werden? Ich kann diese wunderbaren kleinen Kreaturen mit keinen grossen Konzepten in Zusammenhang bringen. Erbe oder sonst sowas. Es ist für mich einfach eine einzige grossväterliche Freude, einen so erstaunlichen Ausdruck unseres Familienschicksals miterleben zu dürfen.

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BILD: SONY MUSIC

Wenn Sie einen Zeitsprung machen könnten, welchen Ratschlag würden Sie dem jungen Leonard Cohen geben, der gerade daran Ihr heute wohl bekanntestes Lied «Hallelujah» soll an die 80 Stroist, seinen Weg zu finden? phen gehabt haben, ehe Sie es auf die endgültige Länge zurückBei der Frage muss ich an meinen alten Freund Irving Layton denken. stutzten. Ist das Ihre übliche Arbeitsweise? Er ist mittlerweile verstorben, war aber wahrscheinlich der grösste DichSo ist es. Beim neuen Album allerdings weniger. Ich würde nicht sagen, ter, den Kanada je hervorgebracht hat. Ich vertraute ihm meine innersdie neuen Songs seien geschwind entstanden, aber doch immerhin ein bisschen schneller. Zum Schreiben von «Hallelujah» brauchte ich mindestens vier Jahre. «Mein winziges Problem besteht darin, dass ich an jedem Vers Mein Problem ist … gemessen an den Problearbeiten muss, ehe ich erkennen kann, dass er nichts taugt.» men der Welt ist es ein winziges Problem, ich will nicht, dass Sie glauben, es sei ein wichtiten Gedanken an, schilderte, was ich zu tun gedachte und zu erreichen ges Problem … aber mein winziges Problem besteht darin, dass ich jehoffte. Und seine Reaktion war immer die: «Leonard, bist du auch wirkden Vers zuerst schreiben muss, daran arbeiten, ihn polieren, ehe ich erlich sicher, dass du das Falsche tust?» kennen kann, dass er nichts taugt. ■


BILD: ANDREA GANZ

Le mot noir Waffenschein für die Moral Mitte Januar in einem Bistro in Paris. «Eine Bloody Mary, aber pronto!», schmettert Oncle Paul, 103, durch das Lokal. «Zum Frühstück?», sehe ich aus meinem Notizbuch auf. «Ich soll hier eine Stunde auf dich aufpassen.» «Chérie, das wollten diese Nazis damals auch!» «Schon gut», lenke ich ein. «Was machst du da für eine Liste?», will Paul jetzt wissen. «Der Chef unserer Nationalbank hat keinen Job mehr. Wäre schön, wenn er bei unserem Magazin mitmachen würde.» «Hier streichen sie auch dauernd Stellen», schüttelt Paul den Kopf. «Was bietet ihr denn an?» «Wir bieten ihm, lass mal sehen, eine faire Behandlung?» «Was hat er denn verbrochen?» «Rechtlich? Bis jetzt nichts.» «Also war es Sex? Eine Sambatruppe im Büro!», blüht Oncle Paul sofort auf. «Nein.» «Und trotzdem soll er für euch arbeiten?» «Okay», seufze ich.

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«Da wechselt ein Banker von einem Haifischbecken zum Wasserballett, d’accord? Weil es da keine offiziellen Regeln gibt, stellt er ein paar auf und übt neue Tänze ein, die Biss haben. Abends kommt er müde heim, um abzuschalten.» «Ah, und seine Frau will nicht dasselbe!», orakelt Oncle Paul. «Dann ist sie wie Suzanne!» «Suzanne hatte von deinen Seitensprüngen die Nase voll. In dieser Geschichte werden ein paar Transaktionen gemacht und der Mann stolpert über die Moral. Voilà.» «Das bin ich auch!» «Das ist nicht dasselbe.» «Rechtlich hatte ich nichts verbrochen! Das würde dir auch ein Nazi bestätigen.» «Okay», gebe ich auf, «aber keiner hat dich deshalb als Gauner verschrieen. Oder als Falschmünzer. Oder als ‹gelgeschniegelt› persönlich beleidigt. Denn eigentlich müsste dann auch das Wort ‹mutmasslich› irgendwo stehn, non?» «Oh, das geht schnell!», winkt Oncle Paul ab. «Suzanne hat diese Kleine angerufen und schon war ich weg vom Fenster!» «Bei diesem Banker dito. Er will seine Konten offenlegen, aber das Wasserballett taucht ab. Als es irgendwann wieder auftaucht, liegt der Banker tot auf dem Grund des Pools.» «Ah, und jetzt macht er keine Wellen mehr!» «So ungefähr … aber mit dem Gesicht nach unten? … Paul?» «Was?» «Wenn du dein Gebiss noch einmal in meinen Kaffee tunkst, schreie ich um Hilfe.» «Koffein reinigt die Zähne, das weiss jeder»,

schmollt Oncle Paul. «Dieser Fisch gestern Abend …» «Finger weg!!» «Was ist denn die Moral bei deiner Geschichte?», lenkt Oncle Paul treuherzig ein. «Keine Ahnung, ist es moralisch, jemanden vorsätzlich ertrinken zu lassen? Mit dem Gesicht nach unten?», frage ich zurück. «Die Moral ist eine Keule!», ereifert sich Oncle Paul. «Jeder schwingt sie, wenn er sie braucht. Zu meiner Zeit war sie arisch und blond. Aber die haben nicht mit der Résistance gerechnet!» «Dann wäre die Moral dieser Bankergeschichte vielleicht, keine Keule ohne Waffenschein?», überlege ich. «Das würde ich aber in euren Jobbeschrieb nehmen!», engagiert sich Oncle Paul. «Vielleicht fängt er dann bei euch an?» «Die Moral c’est un … Güggeliiii!», schmettert Oncle Paul durch das Pariser Bistro. «Du redest da von einem Huhn», souffliere ich. «Poulet … poulet, poulet!» «Mais non, c’est la merde, voilà! Hör auf mich, dann kriegst du auch eine Bloody Mary!»

DELIA LENOIR LENOIR@HAPPYSHRIMP.CH ILLUSTRATION: IRENE MEIER (IRENEMEI@GMX.CH) SURPRISE 268 / 12


Die Aeronauten Doppelt gemoppelt Doppelalben sind meist übermotivierte Werke von Künstlern, die ihren kreativen Zenit überschritten haben. Mit «Too Big To Fail» veröffentlichen Die Aeronauten nun eben ein solches. Sind sie zum 20-Jahre-Jubiläum dem «Size matters»-Trugschluss erlegen?

Grösse beweisen müssen Die Aeronauten keinem. 1992 in Schaffhausen als Punkkapelle gegründet, machte die Band musikalisch bald nur, was ihr passte. Mit so träfer wie trockener Ironie sang Olifr M. Guz dazu, dass alles irgendwie zum Lachen sei. Auch die linke Szene, die gerne die Band für sich vereinnahmt. Die Aeronauten wurden schnell Undergroundhelden, nie wirklich gross, und sind nach 20 Jahren so was wie eine Szeneinstitution wider Willen. Schlagzeuger Daniel D’Aujourd’hui: «Wir sind engagierte Musiker und beobachten das Weltgeschehen mit scharfen und kritischen Augen. Aber als Band politisch zu sein, wird uns eigentlich mehr unterstellt. Ja, teilweise wird es von uns fast schon verlangt. Gibt es irgendwo eine Demo gegen Banken, werden wir angefragt, ein Konzert zu geben.» Der Titelsong des neuen Albums ist denn auch keine Schlachthymne für die Occupy-Bewegung. «Too Big To Fail» steht vielmehr mehr für die Sehnsucht eines Verlierers am Ende einer von Beginn weg maroden Beziehung. Das Hadern mit sich, früher und heute, zieht sich durch das Album. «Früher war ich einfach zu begeistern, heute ist alles dasselbe», singt Guz im Song «Enten». Resignieren oder gar kapitulieren mag er deswegen aber noch lange nicht: «Ich seh den Enten zu nach der Therapie. Ich geb den Enten Brot, bis ich keins mehr hab. (…) Stopf die Enten voll, bis sie untergehen»! Noch immer steckt der Punk oder einfach ein sarkastisch aufmüpfiger Geist in Guz. Der intoniert inbrünstig: «Das Ende ist nah und alle Leute singen nah nah nah nah nah» oder «Ich tu, was ich tun muss. Ich tu, was ich tun soll. Das Leben geht weiter, der Friedhof ist voll. Jetzt bin ich hemmungslos.» Die Message kommt an: Feiern, erst recht in schlechteren Zeiten wie jetzt, mit all den Krisen. Das kann man politisch deuten oder einfach mitfeiern. Denn den Texten zum Trotz klingt die Musik beschwingt und unbeschwert: Chörli-Soul mit Twang-Gitarre bei «IQ 39», Gipsy-Dixie bei «Der Steinerne Rächer», Stampede-Country in «Wegen Dir». Die Stilvielfalt kommt nicht überraschend. Kaum ein Genre, an dem sich die sechs Recken noch nicht vergriffen haben. Dank dem lakonischen Nicht-Gesang von Guz klingt dennoch alles unverkennbar nach den Aeronauten. Man weiss mittlerweile auch, dass Saxofonist Roger Greipel mit Gesangseinlagen hin und wieder Farbtupfer setzt – auf «Too Big To Fail» mit dem Song «Uswanderer». Doch funktionieren Die Aeronauten ohne Gesang? Ein einzelnes Instrumental, auch wenn es so schön ist wie das Mariachi-Stück «Extremadura» von 1997, ist nicht aussagekräftig. Doch nun gibt es ein komplettes Instrumental-Album. Die zweite Scheibe von «Too Big To Fail» ist bis auf die Mostindien-Dorfhymne «Buumeshuse» und das abschliessende «Alle Probleme» befreit von Texten. Damit fallen bei der Band auch die letzten Stilfesseln. Mit Jazz, Soul, Funk und einem SURPRISE 268 / 12

BILD: ADRIAN ELSENER

VON OLIVIER JOLIAT

Die Aeronauten mit Sänger Guz (ganz links), Drummer Daniel D’Aujourd’hui (3. v.r.).

Instrumentensammelsurium bis hin zu samoanischen Hasstrommeln komponierten Die Aeronauten einen Soundtrack fürs Kopfkino. Was für ein Film abläuft, bestimmt jeder selbst. Für die einen feiern Bud Spencer und Terence Hill zu «Sabotage» ihr Beizenprügelei-Comeback, für andere heizen da grad Cheech und Chong die Strandparty an. Auch ohne Stimme sind die vierzehn Tracks typisch Die Aeronauten, weil stets der Humor und die Spielfreude durchdrücken. Die zweite Scheibe ist ein gelungenes Überraschungsgeschenk zum 20-Jährigen, nicht nur für die Fans. D’Aujourd’hui: «Es war ein lang gehegter Wunsch der Band, ein Instrumental-Album aufzunehmen. Das Jubiläum bot die Gelegenheit, etwas Spezielles zu machen, die packten wir beim Schopf.» Die Aeronauten haben mit «Too Big To Fail» Grosses gewagt und gewonnen. Wo die erste Platte zum Denken anregt, verleitet die zweite zum Abdriften. Die Fans können dieser Szeneinstitution weiter blind beziehungsweise taub vertrauen. Die Aeronauten sind nicht zu gross, sondern zu gut, um zu scheitern. ■

Die Aeronauten: «Too Big To Fail» (Rookie Records/Irascible). Live: Fr, 3. Februar, Mokka Thun, Sa, 4. Februar, Kiff Aarau. Ab März grosse Schweizer Tour: siehe www.aeronauten.ch

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BILD: ZVG

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Kulturtipps

Keine Lemminge. Sondern Fliegen beim Zeitvertreib. Marcela ist die Angestellte eines Toten.

Buch Lob der Fliege

Kino Viel Duft aus der Dose

Gibt es ein Leben vor der Fliegenklatsche? – Ja! Die Fotografien von Magnus Muhr liefern dafür den flügelschlagenden Beweis.

Der bettlägerige Amador bedarf der Gesellschaft und die schwangere Marcela übernimmt. Als der alte Mann stirbt, betreut sie ihn aus Finanznöten einfach weiter – mit schlechtem Gewissen.

VON CHRISTOPHER ZIMMER VON MICHAEL GASSER

Sie ist nicht gerade das, was man eine Schönheit nennt, mit ihrem behaarten Körper und den riesigen Facettenaugen. Die Rede ist von der Musca domestica, der Gemeinen Stubenfliege. Dass es sie überhaupt gibt, wird uns oft erst bewusst, wenn sie nervt. Wenn sie zum hundertsten Mal auf unserer Hand oder der Pizza landet und man am liebsten, wie weiland das tapfere Schneiderlein, sieben auf einen Streich erlegen möchte. Dabei hat die Stubenfliege einiges zu bieten, wofür sie zu beneiden ist. Immerhin kann sie kopfüber an der Decke spazieren und sogar im Flug kopulieren. Sie reagiert fünfmal schneller als wir (kein Wunder, dass sie kaum zu fangen ist!), schlägt 200-mal pro Sekunde mit den Flügeln (man versuche das mal mit den Armen!) und fliegt mit einer Geschwindigkeit von zwei Metern pro Sekunde. Eine stolze Leistung bei einer Körpergrösse von acht Millimetern. Dass sie immer wieder in die Fensterscheibe donnert, weil ihr Gedächtnis nur 0,7 Sekunden weit reicht, ist übrigens eher ein Mythos. Wahrscheinlich existiert das Prinzip Fenster einfach nicht in ihrem Weltbild. Was sie durchaus mit den Menschen verbindet, vor allem mit den unbelehrbaren, die ständig mit dem Kopf durch die Wand wollen. Überhaupt ist es kein Wunder, wenn der zivilisatorische Impuls des Menschen auf die Fliege abgefärbt hat. Immerhin begleiten diese Brummer uns, seit wir in Höhlen an Feuern sassen. Wer nun glaubt, dass dies eine zu gewagte These ist, dem sei «Das geheime Leben der Fliegen» des schwedischen Fotografen Magnus Muhr ans Herz gelegt. Und auch die Ungläubigste wird zugeben müssen, dass die Stubenfliege alles andere als nur «gemein», also einfach, normal oder gewöhnlich, wenn nicht gar langweilig ist, sondern durchaus in der Lage, ihr kurzes Leben putzmunter zu geniessen. Auf den mit kleinen zeichnerischen Präzisionen erweiterten Fotografien findet sich schlichtweg alles von Spiessertum bis Saus und Braus. Da wird gesportlert, geliebt, gesündigt und gelebt, dass sich die Flügel biegen. Da fischen Fliegen mit Fliegen, blasen Alphorn, rasen durch die Halfpipe, sind verliebt-verlobt-verheiratet, schiffen an Wände oder schnarchen vor der Glotze. Nichts Menschliches ist der Fliege fremd. Und zu Recht paraphrasiert der Klappentext: Nur Fliegen sind schöner!

Der Abschiedsbrief ist verfasst, der Koffer gepackt: Marcela (Magaly Solier) plant, ihren Freund Nelson (Pietro Sibille), einen Rosenverkäufer, sitzen zu lassen. Doch dann bricht sie an der Bushaltestelle zusammen und erfährt im Spital, dass sie schwanger ist. So geht sie wieder nach Hause, zerreisst die noch ungelesenen Zeilen und schickt sich zurück in ihren Alltag. Marcela ist keine Frau der vielen Worte, lieber nickt sie, zuckt mit dem Kopf oder noch häufiger: schweigt. Auch übers ungeborene Kind. Als der blumengefüllte Kühlschrank kaputt geht, muss ein neuer her – obwohl ihn sich das Paar nicht leisten kann. Weshalb Marcela aufs Angebot eingeht, als Gesellschafterin für einen älteren, bettlägerigen Mann zu arbeiten: Amador (Celso Bugallo) mag Puzzles – nicht zuletzt, weil er in ihnen Parallelen zur menschlichen Existenz zu erkennen glaubt. «Vor dem Leben kriegst du alle Teile. Deine Aufgabe ist es rauszufinden, wo sie hingehören.» Die bedächtig aufblühende Beziehung zwischen ihnen endet abrupt, als Amador stirbt. Was Marcela in die Zwickmühle bringt, hat sie doch noch nicht genügend Geld verdient. Statt der Tochter den Tod zu melden, zieht sie Amador das Leintuch übers Gesicht und besucht ihn weiter. Mit schlechtem Gewissen. Blätternd und betend sitzt sie in der Küche, kauft einen Ventilator und versprüht viel Duft aus vielen Dosen. Marcela versucht die Fäden der Ereignisse in ihren Händen zu halten, und obwohl ihr diese zunehmend zu entgleiten scheinen, gelingt es ihr nach und nach doch, die Puzzleteile ihrer eigenen Existenz zu verstehen. Der Film von Fernando León De Aranoa gibt sich beinahe ebenso schweigsam wie seine Protagonistin: Statt zu erklären wird einfach akribisch und in langen Kamerasequenzen beobachtet. Selbst quälerische Momente werden bis zum Ende ausgespielt – was das Zuschauen mitunter schwerfallen lässt. Doch weil die Geschichte immer wieder mal von absurdem Humor durchbrochen wird und weil sie zeigt, dass selbst der Tod das Leben als solches nicht wirklich unterbricht, vermag das Werk auf stille Weise zu beeindrucken. Fernando León De Aranoa: «Amador», 112 Min., mit Magaly Solier, Celso Bugallo u. a. Der Film läuft zurzeit in den Deutschschweizer Kinos.

Magnus Muhr: «Das geheime Leben der Fliegen». DuMont Buchverlag 2011. 16.90 CHF.

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Sie wissen, was ein schöner Teppich, aber nicht, was Liebe ist.

Theater Fassbinder an der Goldküste Laura Koerfer versetzt Fassbinders Film «Faustrecht der Freiheit» aus den deutschen 70ern ins heutige Zürich. Ein guter Ort, um über das Verhältnis zwischen Geld und Liebe nachzudenken. VON SARAH STÄHLI

Die Welt ist eine glitzernde Drehbühne, auf der einem ganz schwindlig wird, die Reichen haben keinen Geschmack, und Geld macht blöd im Kopf. Die derzeit als Hoffnungsträgerin der Schweizer Theaterszene gehandelte 26-jährige Regisseurin Laura Koerfer hat sich Rainer Werner Fassbinder vorgeknöpft. Im Theater Neumarkt versetzt die junge Regisseurin «Faustrecht der Freiheit», das Klassenkampf-Drama um einen halbkriminellen Schausteller und unglücklichen Lottogewinner, der von der Oberschicht nach Strich und Faden ausgenützt wird, ins heutige Zürich und macht aus dem schwulen Liebespaar ein lesbisches. Eugen wird zu Eugénie, Fox zu Foxy. Die Aussage bleibt die gleiche: Geld allein macht nicht glücklich und im Fall von Foxy sogar sehr unglücklich. Und Liebesbeziehungen lassen sich nur sehr schlecht mit ökonomischen Beziehungen vereinbaren. Denn was die neureiche Foxy für wahre Liebe hält, ist in Wirklichkeit reine Geldgier. Es ist ein tolles Schauspielerensemble, mit dem Koerfer für ihr «zeitgenössisches Märchen» zusammenarbeitet: Katarina Romana Schröter in Glam-Rock-Leggins und Bikerboots spielt die Lottokönigin, die nicht weiss, wie ihr geschieht, berührend zwischen selbstbewusster Göre und naiver Liebeskranken, Tabea Bettin ist grässlich unausstehlich als berechnende Goldküsten-Madame und Alexander Seibt gibt den pseudowohlwollenden Entdecker der armen Foxy als Ekelpaket. Für die Slapstick-Höhepunkte des Abends sorgt der grossartige Philippe Graber, egal, ob er als Snob angewidert die Nase rümpft oder als Kneipenproletarier in einer Spelunke verbissen Aromat auf sein Osterei streut: Graber beherrscht es fantastisch, von einer Rolle in die nächste zu schlüpfen, von Unterschicht zu Oberschicht zu hechten. Auf den Fransenvorhang werden immer wieder Videos projiziert, in denen eine Polizistin, ein Pfarrer, eine Benimmdame und ein Unternehmer ihre Gedanken zu Täter und Opfer, Trennung von Privatem und Öffentlichen, Lüge und Wahrheit bekunden. Es sind grosse Themen, die Koerfer in ihrem Stück anschneidet, ihre Inszenierung bleibt trotzdem leichtfüssig und berührend. Ein schöner Einstand der jungen Zürcher Regisseurin.

Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.

01

Migros Zürich, Kulturprozent

02

Psychiatrische Dienste Aargau AG (PDAG)

03

Locher, Schwittay Gebäudetechnik GmbH, BS

04

Weingut Rütihof, Uerikon

05

AnyWeb AG, Zürich

06

Niederer, Kraft & Frey, Zürich

07

Musikschule archemusia, Basel

08

Paulus-Akademie Zürich

09

Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich

10

Thommen ASIC-Design, Zürich

11

BEVBE Ingenieurbüro, Bonstetten

12

homegate AG, Adliswil

13

ratatat – freies Kreativteam

14

Kaiser Software GmbH, Bern

15

bölsterli hitz gmbh, 8005 Zürich

16

www.rechenschwaeche.ch

17

Philip Maloney, Privatdetektiv

18

VXL gestaltung und werbung ag, Binningen

19

Scherrer & Partner GmbH, Basel

20

Balcart AG, Carton Ideen Lösungen, Therwil

21

KIBAG Bauleistungen

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responsAbility, Zürich

23

Odd Fellows, St. Gallen

24

Coop

25

Arbeitssicherheit Zehnder GmbH, Ottenbach

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Strassenmagazin Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

«Faustrecht der Freiheit»: Fr, 3. und Sa, 4. Februar, Di, 7., bis Fr, 10. Februar, Mi, 15., bis Sa, 18. Februar, jeweils 20 Uhr, Theater am Neumarkt, Zürich www.theaterneumarkt.ch 268/12 SURPRISE 268 / 12

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Folkies mit Metallwerkzeug: Hellsongs.

Auf Tour Schlachtrösser im Folk-Gewand Es war mal eine gute Idee: Man nehme bekannte Songs und übertrage sie in einen anderen Stil. So kam die Welt zu Bluegrass-Versionen von Hip-Hop-Hits und New-Wave-Klassikern im Bossa-Nova-Gewand. Irgendwann wurde der Gag zum Trend und ein bisschen blödsinnig. Doch noch immer gibt es Bands, die sich Fremdmaterial mit Liebe und Sachverstand aneignen. Hellsongs aus Schweden zum Beispiel. Das Trio spielt gerne Heavy-Metal-Stücke und pflegt dabei eine besondere Vorliebe für Iron Maiden und Black Sabbath. Wo ursprünglich Drums donnern und Sänger keifen, pluckert nun eine akustische Gitarre, klimpert das Klavier und Harriet Ohlsson singt dazu mit anrührender Mädchenstimme. Hellsongs nehmen ihr Material auseinander und setzen es neu zusammen, sodass die Originale manchmal kaum noch durchscheinen. Dafür schimmern Schlachtrösser wie Maidens «Run To The Hills» umso schöner im fein gesponnenen Gewand einer Folk-Ballade. (ash)

BILD: BENNO HUNZIKER

BILD: NIC FRECHEN

BILD: ZVG

Ausgehtipps

Dichter freundlicher Gestalt: Jochen Distelmeyer.

«Fiin und zaart ...» – Pamina gibt sich unbeeindruckt.

Zürich Auf Du mit Jochi-Boy

Basel «Mond gib Rueh»

Jede Generation hat ihre Sprecher, die – sofern sie was taugen – diese Rolle natürlich von sich weisen. So ist es auch mit Jochen Distelmeyer. In den 90ern sorgte er mit seiner Band Blumfeld dafür, dass in den Studi-WG-Küchen der Gesprächsstoff nicht ausging. Auf den ersten Alben bewegte er sich textlich wie musikalisch durch ein komplexes Referenzsystem, das zu entschlüsseln mehr als abendfüllend war. Später drehten sich die Diskussionen dann darum, warum «Jochi-Boy» plötzlich Liebeslieder in gefälligen Popklängen sang und ob das nun Ausverkauf oder die Infiltration des Mainstreams bedeute. Blumfeld gibt es schon länger nicht mehr, Distelmeyer. Nun kommt der notorisch freundliche und aufgestellte Sänger solo nach Zürich, um seine intelligenten Lieder für empfindsame Menschen im kleinen Rahmen zu spielen. (ash)

«Fiin und zaart, i muess Di gärn ha, Mond, versteck Di und gib Rueh …» – so klingt es im Kindertheater Arlecchino, wenn sich der Mohr Monostatos, der politisch-kind-korrekt gar keiner ist, sich der schönen Pamina nähert. Peter Keller, Initiator, Direktor, Kassier, künstlerischer Leiter und Platzzuweiser des Prix-schappo-ausgezeichneten Kleintheaters hat die Geschichte um den edlen Tamino, der die holde Pamina aus den Fängen der bösen Königin der Nacht retten muss, zusammen mit seinem ehrenamtlichen Team kind- und rheinkniegerecht auf Baseldeutsch übersetzt und vereinfacht. Grosse Klänge für kleine Ohren! Schon ab vier ist man dabei. (fer) «Zauberflöte», für Kinder und Erwachsene, ab vier Jahren, Mi 8. und Mi 15. Februar, 14.30 Uhr, Theater Arlecchino, Amerbachstrasse 14, Basel.

Jochen Distelmeyer live: Do, 16. und Fr, 17. Februar, jeweils 21 Uhr, Restaurant Viadukt, Zürich.

Anzeigen:

Hellsongs: Do, 16. Februar, 20.30 Uhr, ISC, Bern; Fr, 17. Februar, 20 Uhr, Coq D’Or, Olten; Sa, 18. Februar, 20.20 Uhr, El Lokal, Zürich; So, 19. Februar, 20 Uhr, Werkstatt, Chur.

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BILD: ANDY FISCHLI

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Montserrat und Bhutan stellen die Fifa-Rangliste auf den Kopf.

Bern Grosses Kino Die Stars waren begeistert. Zinedine Zidane hat ihn bereits dreimal gesehen und Roberto Baggio entdeckte darin «den wahren Geist des Fussballs»: Der so rührende wie mitreissende Kino-Dokfilm «The Other Final» zeigte den etwas anderen Final – ein Spiel zwischen dem vorletzten und dem letzten der Fifa-Weltrangliste, ausgetragen zur Zeit des WM-Finals 2002 in Japan. Die Fussballauswahl aus Montserrat, einer Karibikinsel, die 1995 von einem Vulkanausbruch zu grossen Teilen zerstört und seither auch immer wieder von verheerenden Wirbelstürmen heimgesucht wurde, reiste in die dünne Himalayaluft des buddhistischen Königreichs Bhutan, um dort das Spiel ihres Lebens auszutragen. Wer den Film verpasst hat, bekommt nun eine zweite Chance – und das erst noch in der Cinématte, dem schönsten Kino von Bern direkt an der Aare. Im Februar sind dort dazu Klassiker wie «The Commitments» (irische Soulmusiker, die sich mit einem überzeugten «I'm black and I'm proud» aufeinander einschwören, ebenfalls rührend) oder «Trainspotting» («Scotland is shait», auch rührend, aber anders) zu sehen. Ab i'd Matte! (fer) «The Other Final» am 9. Februar, 21 Uhr, «The Commitments» am 17., 18. (21 Uhr), 19. und 26. Februar (16 Uhr), «Trainspotting» am 11. (18.30 Uhr) und 13. Februar (21 Uhr), Cinématte – Restaurant, Bar, Kino, Wasserwerkgasse 7, Bern.

Guillotine: Andy Fischli und wie er die Welt sah.

Basel Caffè Comic Peng! Pow! Mmmh! statt hopp-und-weg. Soviel in Sprechblasenkürze zum Eiscafé Acero. Und etwas ausführlicher und gemächlicher ausgedrückt: Das Acero ist ein Ort, an dem man verweilen und sich erholen darf, abwarten und Tee trinken und sich Gelati-Sorten wie LebkuchenSpekulatius, Kürbis-Ingwer und Ayurveda auf der Zunge zergehen lassen darf. Alles mit gratis W-LAN und Leseecke mit Zeitungen, Büchern und gahz speziell: Comics. Diesen widmert das Acero nun ein ganzes Wochenende: Anlässlich eines zweitägigen Festivals kann man dem brasilianischen Comic-Künstler Koostella und dem Autoren Andy Fischli («Eingeklemmtes», «Der Sinn») beim Zeichnen über die Schulter gucken. Ausserdem lädt König Lü.Q. zum Comic-Jam ein. Die Idee ist: Wer will, zeichnet mit. Das Resultat wird eine einmalige gemeinsam geschaffene Geschichte sein. Dazu stellen Sammler ihre Schätze zum Schmökern zur Verfügung. So warten Tim und Struppi, Marsupilami, Alack Sinner, Gaston, John Difool, Little Nemo, Krazy Kat und viele weitere nur darauf, neu oder wieder entdeckt zu werden. Und ein Büchertisch des Balser Comix Shops gehört da selbstredend dazu. (dif) Comictage, Sa, 4. und So, 5. Februar, Sa 14 bis 17 Uhr Koostella, ab 16 Uhr Comic Jam mit König Lü.Q. So 14 bis 17 Uhr Andy Fischli, Eiscafé Acero, Rheingasse 13, Basel www.acero-eiscafe.ch

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Verkäuferporträt «Mein Freund starb auf der Flucht» Baheylu Weldegargis (30) kam nach seiner Flucht aus Eritrea 2007 in die Schweiz. Bei Begegnungen mit Surprise-Kunden vor dem Quartierzentrum Wittigkofen in Bern kann er die schlimmen Erlebnisse der Vergangenheit für einen Moment vergessen.

«Als ich 2006 aus Eritrea flüchtete, wusste ich, dass ich in die Schweiz reisen wollte. Als Kind ging ich in eine Schweizer Missionsschule. Eine sehr gute Schule, in der wir Kinder mit viel Respekt behandelt wurden, auch jene, die im Waisenhaus wohnten, das zur Schule gehörte. Für die zwölfte Klasse musste ich meine Familie verlassen und in die Militärschule eintreten. Nach einem Jahr durfte ich kurz nach Hause, danach wurde ich in den Landwirtschaftsdienst eingeteilt. Meine Einheit half einem Bauern bei der Feldarbeit. Die Arbeit war hart und wir bekamen nur wenig zu essen. Aber am meisten setzte mir die Trennung von meiner Familie zu. Meine Eltern sind geschieden; meine Geschwister und ich wuchsen beim Vater auf. Er ist halbseitig gelähmt und führt trotzdem einen kleinen Kiosk. Statt einem fremden Bauern wollte ich doch lieber meinem eigenen Vater helfen! Deshalb lief ich nach fünf Monaten aus dem Landdienst davon. Zwei Jahre lange musste ich mich immer wieder vor der Polizei verstecken, die mich suchte und zurück in den Militärdienst bringen sollte. Wenn sie zu unserem Haus kamen und an die Türe klopften, konnte ich jedes Mal durch die Hintertür verschwinden. Doch ich wusste, dass das nicht ewig gut gehen würde, und bekam immer mehr Angst. Als ich mich einmal bei einem Freund versteckte, der auch Probleme mit den Behörden hatte, schlug er vor, gemeinsam zu flüchten. Bis in die sudanesische Hauptstadt Khartoum waren wir gemeinsam unterwegs, dann trennten sich unsere Wege, weil er im Sudan bleiben wollte. Durch Zufall traf ich in Khartoum auf Tolason. Wir kannten uns von zu Hause, schon unsere Väter waren befreundet gewesem. Zusammen suchten wir dann einen Transport nach Libyen und fanden bald einen Lastwagenfahrer, der uns mitnahm. Als ich vor der Abfahrt noch Wasser besorgen wollte, kam ein Typ und bot mir an, gegen Dollar Wasserflaschen zu besorgen. Ich gab ihm das Geld und sah ihn nie wieder. Als der Fahrer los wollte, mussten wir – 45 Personen – aufsteigen. Für Tolason war klar, dass er sein Wasser mit mir teilt, obwohl er auch nur zwei PET-Flaschen hatte. Damit das Wasser reichte, tranken wir jeweils nur einen Deckel voll. 20 Tage dauerte die Fahrt durch die Sahara – das war das Schlimmste, nein, sagen wir das Zweitschlimmste auf der ganzen Flucht. In Libyen wurden wir wie viele andere Ausländer von der Polizei eingesperrt und kamen erst gegen Bezahlung wieder raus. Da ich alles Geld, das ich hatte, in Khartoum an den falschen Wasserhändler verloren hatte, konnte ich mich nicht sofort freikaufen. Tolason, der noch Geld hatte, kam frei, organisierte Geld für mich und holte mich raus. In der Küstenstadt Misrata versuchten wir dann, auf ein Schiff nach Italien zu kommen. Drei Mal klappte es nicht, weil die Polizei am Ufer wartete, um uns Flüchtlinge zu verhaften. Beim vierten Mal wurden mein Freund und ich getrennt, weil auch diesmal die Polizei auftauchte. Ich schaffte es mit 40 anderen auf ein kleines Plastikboot. Am dritten Tag

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AUFGEZEICHNET VON ISABEL MOSIMANN

auf dem Meer hatte der Motor einen Defekt, den zwei Mechaniker aber beheben konnten. Am vierten Tag starb eine junge Frau, die mit ihrer Mutter unterwegs war; zudem ging das Benzin aus. Am sechsten Tag fand uns endlich die Küstenwache und brachte uns an Land. Diese Tage auf dem Meer waren sehr schwierig für mich, aber das Allerschlimmste hörte ich von Überlebenden eines anderen, gesunkenen Bootes: Tolason war beim Untergang ums Leben gekommen. Nun lebe ich seit August 2007 in der Schweiz, fühle mich hier sehr, sehr wohl und schätze das Leben in Freiheit. Aber dass es Tolason nicht geschafft hat, das macht mich unglaublich traurig und schmerzt mich jeden Tag. Besser geht es mir, wenn ich Arbeit und etwas zu tun habe. Bis jetzt konnte ich einem Bauern bei der Apfelernte helfen und ein Praktikum machen als ‹Automechaniker-Assistent›. Weil ich nach vielen Bewerbungen immer noch keine Arbeit habe, bin ich seit Dezember bei Surprise. Es ist zwar vor dem Quartierzentrum Wittigkofen sehr kalt, dafür lerne ich viele Leute kennen. Das freut mich sehr.» ■ SURPRISE 268 / 12


Eine Chance für alle! Werden Sie Surprise-Götti oder -Gotte Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten als andere. Menschen, die sich aber wieder aufgerappelt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt Struktur und wieder einen Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Die Surprise-Strassenverkäuferinnen und -verkäufer helfen sich

Marlies Dietiker Olten

Ausserdem im Programm SurPlus: Marika Jonuzi, Basel Fatima Keranovic, Baselland Bob Ekoevi Koulekpato, Basel Jela Veraguth, Zürich

selber. Das verdient Respekt und Unterstützung. Regelmässige Verkaufende werden von Surprise gezielt unterstützt. Die Teilnehmer am Programm SurPlus sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit). Mit der Programmteilnahme übernehmen die Surprise-Verkaufenden mehr Verantwortung; eine wesentliche Voraussetzung dafür, wieder fit für die Welt und den Arbeitsmarkt zu werden.

Peter Gamma Basel

Jovanka Rogger Zürich

Wolfgang Kreibich, Basel Kurt Brügger, Basel Anja Uehlinger, Baden Peter Hässig, Basel Andreas Ammann, Bern

Tatjana Georgievska, Basel René Senn, Zürich Josiane Graner, Basel

Ja, ich werde Götti/Gotte von: 1 Jahr: 6000 Franken

1/2 Jahr: 3000 Franken

1/4 Jahr: 1500 Franken

Vorname, Name

Telefon

Strasse

E-Mail

PLZ, Ort

Datum, Unterschrift

1 Monat: 500 Franken

268/12 Talon bitte senden oder faxen an: Strassenmagazin Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@strassenmagazin.ch, PC-Konto 12-551455-3 SURPRISE 268 / 12

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Surprise ist: Hilfe zur Selbsthilfe Surprise hilft seit 1997 Menschen in sozialen Schwierigkeiten. Mit Programmen in den Bereichen Beschäftigung, Sport und Kultur fördert Surprise die soziale Selbständigkeit. Surprise hilft bei der Integration in den Arbeitsmarkt, bei der Klärung der Wohnsituation, bei den ersten Schritten raus aus der Schuldenfalle und entlastet so die Schweizer Sozialwerke.

Ich möchte Surprise abonnieren! 24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.) Gönner-Abo für CHF 260.–

Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht von Armut und sozialer Benachteiligung betroffenen Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit für ihre Anliegen. Surprise beteiligt sich am Wandel der Gesellschaft und bezieht Stellung für soziale Gerechtigkeit. Strassenmagazin und Strassenverkauf Surprise gibt das vierzehntäglich erscheinende Strassenmagazin Surprise heraus. Dieses wird von einer professionellen Redaktion produziert, die auf ein Netz von qualifizierten Berufsjournalistinnen, Fotografen und Illustratorinnen zählen kann. Das Magazin wird fast ausschliesslich auf der Strasse verkauft. Rund dreihundert Menschen in der deutschen Schweiz, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten damit eine Tagesstruktur, verdienen eigenes Geld und gewinnen neues Selbstvertrauen.

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Datum, Unterschrift 268/12 Bitte heraustrennen und schicken oder faxen an: Strassenmagazin Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@strassenmagazin.ch

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Herausgeber Strassenmagazin Surprise GmbH, Postfach, 4003 Basel www.strassenmagazin.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Do T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 info@strassenmagazin.ch Geschäftsführung Paola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (stv. GL) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@strassenmagazin.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Reto Aschwanden, Florian Blumer, Diana Frei (Nummernverantwortliche) redaktion@strassenmagazin.ch Ständige Mitarbeit texakt.ch (Korrektorat), Yvonne Kunz, Delia Lenoir, Irene Meier, Stephan Pörtner, Milena Schärer, Priska Wenger, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Michael Gasser, Olivier Joliat, Hanspeter Künzler, Judith und Richard Lang, Esther Michel, Stefan Michel, Isabel Mosimann, Patric Sandri, Sarah Stähli, Sophie Stieger Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 15000, Abonnemente CHF 189.–, 24 Ex./Jahr Marketing, Fundraising T +41 61 564 90 61 Theres Burgdorfer, t.burgdorfer@strassenmagazin.ch

Sport und Kultur Surprise fördert die Integration auch mit Sport. In der Surprise Strassenfussball-Liga trainieren und spielen Teams aus der ganzen deutschen Schweiz regelmässig Fussball und kämpfen um den Schweizermeister-Titel sowie um die Teilnahme an den Weltmeisterschaften für sozial benachteiligte Menschen. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Chor. Gemeinsames Singen und öffentliche Auftritte ermöglichen Kontakte, Glücksmomente und Erfolgserlebnisse für Menschen, denen der gesellschaftliche Anschluss sonst erschwert ist. Finanzierung, Organisation und internationale Vernetzung Surprise ist unabhängig und erhält keine staatlichen Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle anderen Angebote wie die Betreuung der Verkaufenden, die Sportund Kulturprogramme ist Surprise auf Spenden, auf Sponsoren und Zuwendungen von Stiftungen angewiesen. Surprise ist eine nicht gewinnorientierte soziale Institution. Die Geschäfte werden von der Strassenmagazin Surprise GmbH geführt, die vom gemeinnützigen Verein Strassenmagazin Surprise kontrolliert wird. Surprise ist führendes Mitglied des Internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP) mit Sitz in Glasgow, Schottland. Derzeit gehören dem Verband über 100 Strassenzeitungen in 40 Ländern an. Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83, M +41 79 428 97 27 Zoë Kamermans, Patrick Würmli, Spalentorweg 20, 4051 Basel, basel@strassenmagazin.ch Vertriebsbüro Zürich T +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12 Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, zuerich@strassenmagazin.ch Vertriebsbüro Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02 Andrea Blaser, Alfred Maurer, Bruno Schäfer, Pappelweg 21, 3013 Bern, bern@strassenmagazin.ch Strassenchor T +41 61 564 90 40, F +41 61 564 90 99 Paloma Selma, p.selma@strassenmagazin.ch Strassensport T +41 61 564 90 10, F +41 61 564 90 99 Lavinia Biert (Leitung), Olivier Joliat, David Möller l.biert@strassenmagazin.ch, www.strassensport.ch Trägerverein Strassenmagazin Surprise Präsident: Peter Aebersold Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird von der Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt. Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen.

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Macht stark.

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Von Aarberg bis Zuoz. Surprise gibt es beim Strassenhändler Ihres Vertrauens. Oder im Abo per Post.

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