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Die letzte Rolle Wie die Digitalisierung den Film bedroht Arm trotz Arbeit – der Preis der Billigjobs

Mama auf der Pirsch – Erlebnisse einer Alleinstehenden

Nr. 275 | 18. bis 31. Mai 2012 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.


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Titelbild: Film-Diva Liz Taylor in den frühen 50-er Jahren (Keystone / Picture Alliance)

Editorial Schockeffekte BILD: ZVG

Es heisst, als die Gebrüder Lumière 1895 in Lyon ihren Kurzfilm «Die Ankunft eines Zuges auf dem Bahnhof in La Ciotat» zeigten, seien die Zuschauer aus Schreck vor dem herannahenden Zug aus dem Kino gerannt. Die Zeiten haben sich geändert. Heute wird den Filmpionieren zu Ehren die Fussballmannschaft von Olympique Lyonnais als erste mit einem 3D-Design auf den Trikots ausgestattet. Damit deren Gegner in Zukunft tatsächlich mehr auf sich zukommen sehen als nur einen Fussballer, müssten diese allerdings eine 3D-Brille tragen. Dazu werden die Spieler von Olympique Marseille oder Paris Saint-Germain wohl kaum zu bewegen sein. Ganz im Gegensatz zu immer mehr Filmbegeisterten. Statt hinaus strömen diese heute in Massen ins Kino hinein, um dort mit lustigen Brillen FLORIAN BLUMER auf der Nase Schiffe sinken und Pfeile und allerlei andere gefährliche Dinge in 3D REDAKTOR auf sich zukommen zu sehen. Das Kino ist im Umbruch und die Zukunft ist digital. Die gute alte Filmrolle, von der schon unsere Cover-Diva Liz Taylor den Zuschauern entgegenschmachtete, wird schon bald Geschichte sein. Ist das schlimm? Es wird, so heisst es in der Filmbranche, Gewinner und Verlierer geben. Zu den Verlierern werden diejenigen gehören, die sich mehr für aussergewöhnliche Geschichten aus aller Welt als für ihnen aus Hollywood entgegenfliegende Pfeile interessieren. Warum das so ist und wie Kinobetreiber und Filmverleiher zu dieser Entwicklung stehen, erzählt Ihnen Redaktionskollegin Diana Frei in der Titelgeschichte dieser Ausgabe. In der vorletzten Ausgabe stellten wir Ihnen die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens vor, das, sollte es tatsächlich eines Tages eingeführt werden, einen starken Druck auf Anbieter von Niedriglohnjobs erzeugen würde. Bundeshausjournalist Christof Moser legt in der vorliegenden Nummer das Gegenmodell offen, welches aktuell in Wirtschaftskreisen diskutiert wird. Es sieht vor, dass die soziale Absicherung auf das pure physische Überleben reduziert wird und Mindestlöhne abgeschafft werden. So soll der Wirtschaft ein Heer von Billigstarbeitern zugeführt werden. Eine Horrorvision aus Hollywood? Wir wagten einen Blick über die nördliche Grenze und fanden dort Putzfrauen, die für zwei Euro die Stunde Böden schrubben, um die Arbeitslosigkeit tief und die Wirtschaft in Schwung zu halten. Immer mehr europäische Regierungen liebäugeln mit diesem System. Und machen damit eine ernsthafte Beantwortung der alten Frage immer dringlicher: Soll der Mensch der Wirtschaft dienen oder umgekehrt? Und, müsste man nachschieben: Wer, respektive wie viele profitieren von einer solchen Wirtschaft? Wir wünschen eine inspirierende Lektüre, Florian Blumer

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 Ihre Meinung! Bitte schicken Sie uns Ihre Anregungen oder Kritik: Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 70, redaktion@vereinsurprise.ch. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion behält sich vor, Briefe zu kürzen. SURPRISE 275/12

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10 Film Umbruch in der Kinolandschaft Die Digitalisierung der Kinosäle ist in vollem Gang. Die technische Umrüstung ist für viele Landkinos ein Segen, bedroht aber Nischenstreifen: Das Filmangebot wird einseitiger, der Mainstream verdrängt die Independent-Filme. Kleine Verleiher und unabhängige Kinos könnten an der Digitalisierung leicht zugrunde gehen. Wir haben nachgefragt, was kommt, wenn die letzte Rolle gespielt sein wird.

BILD: ZVG

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Inhalt Editorial Schockeffekte Basteln für eine bessere Welt Self-Made-Kino Aufgelesen King Eric Zugerichtet Vielsagende Gesetze Mit scharf Zügig in den Abgrund Starverkäufer Fussballnati-Fan Kumar Porträt Dr. Krimi Partnersuche Mutter im Netz Wörter von Pörtner Luxus per pedes Off-Spaces Raum für Experimente Kulturtipps Japanischer Horror Ausgehtipps Musik mit Seele Verkäuferporträt Edwards WM-Traum Projekt Surplus Eine Chance für alle! In eigener Sache Impressum INSP

14 Syrien Das Geschäft mit dem Aufstand BILD: REUTERS/GORAN TOMASEVIC

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Die Bevölkerung in Syrien leidet. Der seit einem Jahr andauernde Aufstand brachte nebst neuen Hoffnungen nicht nur mehr Gewalt und Repression, sondern stiess auch die Wirtschaft in eine tiefe Krise. Für die einzelnen Menschen bedeutet dies: Weniger Arbeit, höhere Lebenskosten und Kredite zu Wucherzinsen. Doch während die grosse Masse Schlange steht für Brot und Benzin, wittern einzelne Unternehmer das grosse Geschäft.

BILD: REUTERS/ALEX DOMANSKI

16 Arbeitsmarkt Vollbeschäftigt und unterbezahlt Deutschland hat rekordtiefe Arbeitslosenzahlen. Der Preis dafür sind Millionen von Arbeitnehmern, die mit ihrem Lohn nicht über die Runden kommen. Das hat Folgen: Wer kein Geld im Sack hat, kann auch nichts ausgeben. Doch während in Deutschland über neue Mindestlöhne diskutiert wird, fordern Schweizer Arbeitgeber Minilöhne, die durch die Sozialhilfe aufgebessert werden. Im Namen des kurzfristigen Profits sollen massenhaft Angestellte in die dauerhafte Armut gestossen werden.

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ILLUSTRATION: SIMON DREYFUS | WOMM

1. Nehmen Sie ein Stück dicken Karton und schneiden Sie einen mit dem Zirkel gezogenen Kreis mit 7,5 cm Radius aus.

2. Schneiden Sie zwei Streifen aus festem Zeichnungspapier aus, 7 cm hoch und insgesamt 49 cm lang. Kleben Sie diese – 1 cm überlappend – mit durchsichtigem Klebeband aneinander, sodass ein Streifen von 48 cm Länge und 7 cm Höhe entsteht.

3. Schneiden sie 12 je circa 7 mm breite und 3.5 cm hohe Sichtschlitze ein. Beginnen Sie nach 2 cm und schneiden dann alle 3.9 cm ein.

4. Kleben Sie den Streifen zu einem Kreis zusammen, wieder 1 cm überlappend, und kleben Sie diesen dann mit Klebstreifen auf die Scheibe.

5. Befestigen Sie das Wunderrad mit einem Reissnagel auf einem Korken.

6. Schneiden und kleben Sie noch einen Streifen aus Zeichnungspapier, wie oben, aber nur 3.5 cm hoch. Teilen Sie ihn mit einem Bleistift in 12 Teile (je 3.9 cm breit). Zeichnen Sie eine Bewegungsabfolge in 12 Bildern für den Film Ihrer Wahl. Oder laden Sie sich unseren Skateboarder beim Ollie auf www.vereinsurprise.ch/magazin/aktuelles-heft herunter. Legen Sie Ihren Streifen in die Wundertrommel ein.

7. Film ab: Laden Sie einen Freund oder eine Freundin ein und machen Sie sich eine Schüssel Popcorn. Drehen Sie an der Trommel und entfachen Sie die alte Magie der bewegten Bilder!

Basteln für eine bessere Welt Kino für Kino wird digitalisiert, die gute alte Filmrolle wird entsorgt. Na, dann machen wir unser Filmrollenkino halt selber! Das Prinzip der Wundertrommel (schon im 19. Jahrhundert ein beliebtes und weit verbreitetes Spielzeug) ist genau dasselbe wie bei der Filmrolle: Es werden einzelne Bilder abgespielt, die eine Bewegung nachbilden, unser Auge macht dank seiner Trägheit daraus einen Film – Kopfkino im wahrsten Sinn des Wortes. SURPRISE 275/12

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Aufgelesen News aus den 90 Strassenmagazinen, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Eric président London. Nicolas Sarkozy, nicht gerade ein Freund sozial Schwacher, ist erstmal weg vom Fenster, immerhin. Was aber, wenn gar der «berühmteste philosophierende Fussballer der Welt», Eric Cantona, président geworden wäre? Kandidiert hat er jedenfalls. Das Ganze entpuppte sich allerdings bald als PRAktion zugunsten einer Stiftung für Obdachlose – ein Anliegen, das dem schauspielernden Ex-Fussballgott besonders am Herzen liegt. Immerhin: Die Spenden für die Stiftung schossen mit Kandidat Cantona in die Höhe.

Sex statt Liebe Stuttgart. Auch trott-war beschäftigt sich mit der Liebe aus dem Internet (siehe unseren Selbsterfahrungsbericht zum Thema auf S. 20). Klingt natürlich nicht gerade romantisch, das Anbandeln über Onlineplattformen. Scheint aber doch zu funktionieren: Bereits fünf Millionen Deutsche soll es laut einer Studie geben, die ihren Partner übers Internet gefunden haben. Wobei die Untersuchung auch herausfand: Von den zehn Millionen Besuchern von Datingseiten suchen drei Millionen – wen wunderts – Sex statt Liebe.

Schicksal Leiharbeiter München. Schöne neue Arbeitswelt in Bayern: Ercan ist einer von 163 000 Leiharbeitern im «Freistaat», Tendenz steigend. Wenn der Chef anruft, muss Ercan 20 Minuten später in der Werkshalle stehen. Das Geld reicht nirgends hin, denn gibts keine Arbeit, erhält Ercan auch keinen Anruf. Fingering, Ohrringe und Porzellan hat er schon zum Pfandleiher gebracht, um die Miete bezahlen und Kleider für die Kinder kaufen zu können. Nun ist nichts mehr übrig, das er verpfänden könnte. Was bleibt, ist die Hoffnung auf einen neuen Arbeitgeber.

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Zugerichtet Königliches Recht Schade, liest man nicht gewohnheitsmässig Gesetzes- und Rechtstexte. Gut, benutzerfreundlich sind sie wirklich nicht, und auch die Unterhaltung bleibt durchaus auf der Strecke … ausser man liest sie als gesellschaftspolitische Psycho-Orakel! Dadurch, dass die Justiz Gesetz gewordene gesellschaftliche Entwicklungen akribisch mitschreibt, hält sie, ohne es zu wollen, in aller Trockenheit fest, wie eine Gesellschaft gerade so drauf ist. In der Schweiz scheint man die Lösung unabhängig davon, ob ein Problem gesundheitstechnischer, ökologischer oder integrationspolitischer Natur ist, in Bauvorschriften zu sehen. («Der Bau von Minaretten ist verboten.») Ein Raucherlokal ist erlaubt, wenn es «eine dem Publikum zugängliche Gesamtfläche von höchstens 80 m2 hat». Hier äussert sich der verwaltungstechnisch aufwendige Detailreichtum einer direkten Demokratie. Ein solches Gesetz hätte in einer Gesellschaft, die mehrheitlich rauchen will, schlechte Chancen. (Eine Initiative zur erneuten Lockerung scheiterte schon bei der Unterschriftensammlung – offenbar unterzeichneten nicht mal die Raucher.) Erhellend ist auch der Blick in fremde Politsysteme und deren Rechtsbücher, ein islamisches etwa. In der Mudwana hat sich Marokko mit der Gleichstellung befasst, und ihr Familienrecht modernisiert. Der «Kodex für das Personalstatusrecht» von 2004 gilt in Ost und West, Süd und Nord als grosser Wurf, ein Modell gar, wie der Islam und ein aufgeschlossenes Frauenbild zu vereinbaren sind. In der Zeit der schrill geführten Gesellschaftsdebatten wirkt die Mudwana wie ein

eben mal so lässig hingeschletztes «Voilà». Nicht, dass das Gesetz ohne islamistische Wutanfälle und feministische Empörung vonstatten gegangen wäre. Doch hier offenbaren sich Politsystem und Autorenschaft. König Mohammed VI. ist dies in Personalunion. Nicht umsonst nennt man ihn auch «M6» oder «King of Cool». Kühlen Kopfes trägt M6 die Krone der absoluten Macht. Schon mit 36 wurde er 1999 zum politischen und geistlichen Staatsoberhaupt Marokkos. Zudem brachte er als promovierter Jurist grundsätzliches Interesse am und Sachkenntnisse über das Verfassen von Gesetzen mit. Inmitten des Geschreis der InteressenvertreterInnen, so will es die Legende, habe er sich gesagt: «Wozu bin ich eigentlich König?» Und er diktierte: «1. Frauen sind der Männer Schwestern vor dem Recht.» Die Mudwana besticht durch Pragmatismus. Am besten lässt er sich an der neuen Regelung der Polygamie illustrieren. Erstens kann sich eine Frau diese ehevertraglich von vornherein verbitten. Oder, wenn sie gegen eine Zweitfrau nichts einzuwenden hat, analog zu den Rauchern in der Schweiz, eine bestimmte Anzahl Quadratmeter pro Frau fordern. Erreicht man in diesen Fragen Einigkeit, muss die Zweitehe gerichtlich legitimiert werden. In einem Verfahren muss der Mann nicht nur aufzeigen, dass er sich die von der Nummer 1 gestellten Bedingungen leisten kann, sondern muss der Nummer 2 denselben Standard zusichern. Und siehe da: Das Geschrei ist verstummt. Manchmal ist es gar nicht so schlecht, wenn ein König sein Volk zum Glück zwingt. Nur klug muss er sein. YVONNE KUNZ (YVONNE.KUNZ@GMAIL.COM) ILLUSTRATION: PRISKA WENGER (PRISKAWENGER@GMX.CH) SURPRISE 275/12


Mit scharf Lasst die Züge doch von Autos ziehen! Unsere Mobilität sprengt alle Grenzen. Derweil streift die SBB ihr grünes Kleidchen ab und zwingt uns zum Umdenken. Polemik eines desillusionierten Zugfans.

Neulich im Zug, kurz vor Abfahrt im Bahnhof Bern. In treuer, täglicher Begleitung das gute Gefühl, auf der richtigen, weil grünen Seite zu sitzen. Und dann das: Auf dem Nebengleis glänzt eine Lokomotive, nicht im gewohnten Rot, nein, im Werbekleid eines italienischen Kleinwagens! Die Bahn wirbt für das Autofahren? Ähnlich verblüffend und ernüchternd die Reaktion im SBB-Reisbüro auf die Anfrage nach einer Zugverbindung von Bern nach Istanbul. Die Stimme der Kundenberaterin klang beinahe schon entsetzt. «Nach Istanbul? Mit dem Zug? Das macht keinen Sinn. Da müssen Sie fliegen!» Was will uns die Bahn damit sagen? Es kann nur folgende Botschaft sein: «Lieber Zugfahrer, es ist Zeit, dass du dich von der schönen Illusion verabschiedest, dass du mit Deinem Gereise etwas für die Umwelt tust. Wir fahren nämlich, wie du wohl weisst, auch nur mit Strom (zu einem Viertel aus Atomkraftwerken), unsere Gleise zerschneiden Landschaften und Wälder und unsere ratternden und quietschenden Züge terrorisieren Menschen, die in Gleisnähe wohnen. Dazu tragen wir entscheidend zur Zersiedelung bei, indem wir es attraktiv machen, in der Stadt zu arbeiten und in der Agglomeration zu wohnen. Klingt das für dich etwa nach Umweltschutz?» Tatsächlich tut SBB-Chef Andreas Meyer alles, um der guten alten Bahn den Anstrich eines modernen Unternehmens zu geben. Was bedeutet: Kohle muss rein, egal wie. Umweltüberlegungen sind Sache der Politik, wir sind da, um die Mobilitätsnachfrage zu befriedigen – dies die Message des Bahn-Chefs, pardon, Mobilitätsunternehmens-CEOs, in einem Interview mit der Wochenzeitung «Die Zeit». Wohin es führt, wenn der mobile Mensch König ist, zeigt die neuste Mobilitätsstudie des Bundesamts für Statistik. Die klingt beim ersten Hinhören eigentlich ganz positiv: Die Jungen fahren immer weniger

Nominieren Sie Ihren Starverkäufer! Schreiben Sie uns mit einer kurzen Begründung, welche/n Verkäufer/in Sie an dieser Stelle sehen möchten: Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 (0)61 564 90 99, redaktion@vereinsurprise.ch

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Auto und alle fahren mehr Zug. Viel mehr sogar. Das Auto ist und bleibt jedoch das mit Abstand beliebteste Verkehrsmittel, es gab noch nie so viele Neuzulassungen von Motorfahrzeugen wie im Jahr 2011. Das Auto verbraucht ein Mehrfaches an Energie und stösst massiv mehr CO2 aus als die Bahn. Doch die Tatsache, dass 2010 ein Viertel (!) mehr Bahnkilometer zurückgelegt wurden als noch fünf Jahre zuvor, vermag den Umweltfreund nur zu freuen, solange er an die zu allzu simple Gleichung Zug = grün glaubt. Schon Paracelsus hatte es gepredigt: All Ding sind Gift, allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist. Und die Umwelt leidet an einer massiven Überdosis Verkehr, aller Art. Die Antworten der Politiker? Linke und Grüne fordern, dass der öffentliche Verkehr ausgebaut wird. Bürgerliche finden, jetzt sei mal wieder der Autoverkehr dran. Was bis jetzt zuverlässig zum gutschweizerischen «Kompromiss» führte, dass man einfach beides förderte. Mit der Folge, dass heute jeder Einwohner dieses Landes mit Velo, Bus, Bahn und Flugzeug jährlich 20 000 Kilometer zurücklegt, also einmal um die halbe Erdkugel reist. Übrigens: Beim Bundesamt für Umwelt rieb man sich kürzlich die Augen, als eine eigene Studie ergab, dass ein mit Benzin fahrendes Kleinauto unter dem Strich umweltfreundlicher ist als ein Elektroauto mit seiner hochgiftigen Batterie. Es ist Zeit, mit lieb gewonnenen Mythen aufzuräumen. So brutal das für den modern-mobil-grünen Menschen von heute klingt: In der Beziehung Verkehr-Umweltschutz gilt: Nur weniger ist mehr. ■

BILD: ZVG

VON FLORIAN BLUMER

Starverkäufer Rathakrishnan Santhirakumar Patrick Maggio aus Genf nominiert Rathakrishnan «Kumar» Santhirakumar als Starverkäufer: «Ich möchte den Verkäufer im Bahnhof Bern nominieren, der mir mit seiner lustigen und fröhlichen Art meinen Feierabend etwas schöner macht! Er steht stets ins Vollmontur (Schal der Fussball-Nati, Cap, etc.) da und hat immer ein Lächeln auf den Lippen. Das ist mein Starverkäufer!»

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Porträt Der Krimidoktor Mit «Eiger, Mord und Jungfrau» und «Giftnapf» gelang dem Emmentaler Arzt Paul Wittwer der Durchbruch als Schriftsteller. Sein medizinisches Fachwissen kommt ihm auch als Krimiautor zugute. VON MILENA CADERAS (TEXT) UND HANSUELI SCHÄRER (FOTO)

Im neuen Kriminalroman «Widerwasser» steht das organisierte Verbrechen im Zentrum. Und es geht um die Frage, ob es möglich ist, ein neues Leben anzufangen. Erzählt wird die Geschichte von drei Männern. Schwierigkeiten begleiten Mauro Matter seit seiner Kindheit. Er steckt in einer Sackgasse. Limacher dagegen lässt sich in wichtigen Fragen von seiner Nase leiten. Trotz beruflicher Neuorientierung droht dem Fahnder der Kantonspolizei die Midlife-Crisis. Gut hingegen läuft es für Vincenzo Lo Russo. Als Camorra-Boss, genannt «die Katze», scheint er auf der Erfolgsschiene. Die Leben dieser drei Männer kommen unverhofft zusammen. Jeder der drei gerät in ein unheilvolles Spiel mit dem Tod: Matter, der ihn gesucht hat, findet ihn nicht, Limacher kommt ihm gefährlich nahe, und Lo Russo lässt ihn für sich arbeiten. Wer eine blutrünstige Gruselgeschichte über Psychopathen erwartet, ist bei Wittwer falsch. Für Wittwer geht es mehr um Persönlichkeitsentwicklung. Die Geschichte ist die anspruchsvollste der drei bisher erschienen Kriminalromane. Und wie in den anderen Büchern spielt auch hier medizinisches Fachwissen eine entscheidende Rolle bei der Lösung des Falls. Die Schriftstellerei soll ein Hobby bleiben, betont Wittwer. Ein seriöser Schaffer bleibt er dabei aber allemal – auch im Nebenamt. Er schreibt nicht einfach drauflos. Für seine Bücher brauche er einen Faden. Schliesslich müsse er ja wissen, wo ihn die Geschichte hinführt. Auf dem Weg dorthin lässt er sich gerne inspirieren, aber nicht vom Weg abbringen. Für «Widerwasser» führten ihn die Recherchen nach Neapel. Rund um den Vesuv hat er Stimmung und Atmosphäre aufgenommen.

Die Gemeindebibliothek in Zollikofen ist bis auf den letzten Platz gefüllt. 2009 war Paul Wittwer im Rahmen von «Zollikofen liest ein Buch» schon einmal hier. Viele der Anwesenden sassen schon damals im Publikum. Wittwer liest nicht einfach ein paar Passagen vor. Er holt aus. Erzählt, wie er – fast schon zufällig – zum Schreiben gekommen ist. Geduldig beantwortet er alle Fragen. Hier sitzt einer vor dem Publikum, der sich den Umgang mit den unterschiedlichsten Menschen gewohnt ist. Als Arzt hat Wittwer gelernt, seinen Patienten zuzuhören und auf sie einzugehen. Seit 20 Jahren betreibt er in der kleinen Gemeinde Oberburg bei Burgdorf eine Praxis für Allgemeinmedizin. Nach der Lesung nimmt sich Wittwer Zeit für einen Apéro, entdeckt ein paar bekannte Gesichter. Man kennt sich. Rund 10 000 Exemplare der neusten Geschichte sind bereits verkauft worden. Für Schweizer Verhältnisse ein beachtenswerter Erfolg. Solche Lesungen eine Belohnung für die Arbeit am Schreibtisch, sagt Wittwer: «Es ist ein gutes Gefühl, wenn die Leute nachfragen, wann die nächste Geschichte erscheint.» Den Weg zur Schriftstellerei ging er im Zickzack. In jungen Jahren hat sich Paul Wittwer als Musiker versucht – Klavier und Gitarre. Offenbar mit wenig Erfolg. Zum 30. Geburtstag schenkte ihm seine Frau eine Staffelei. «Wahrscheinlich eine Botschaft», lacht Wittwer heute. Mit viel Freude, aber auch nicht ganz so viel Talent, habe er gemalt. Die Staffelei endete in derselben Ecke wie die Gitarre. Mitte der 90er-Jahre ist Wittwer zum Zu viel Raum will er dem Bösen in seinen Geschichten Schreiben gekommen. Am Anfang hat er sich vorgenommen, jeden Tag eine Seite zu schreinicht geben. Paul Wittwer ist froh, wenn am Ende das ben. Angefangen hat er mit einfachen KinderGute siegt. geschichten. Seine drei Kinder verloren mit der Zeit das Interesse an den Geschichten, ihm verging deshalb aber die Freude am Schreiben noch lange nicht. Auch «Zu viel Raum will ich dem Bösen in meinen Geschichten nicht gewenn sich das Hobby als anspruchsvoller als erwartet entpuppte. Vier ben», sagt er. Paul Wittwer ist froh, wenn am Ende der Geschichte das Jahre hat er am ersten Buch «Eiger, Mord und Jungfrau» gearbeitet. Die Gute siegt. Er lacht fein. Ob es darum geht, Gerechtigkeit zu schaffen, Suche nach einem Verlag gestaltete sich weit schwieriger als vermutet. will er offen lassen. «Ich habe mich ziemlich naiv auf die Suche gemacht», sagt er heute Parallelen zwischen der Schreibstube und der Praxis? Doch, die gebe rückblickend. Bis er endlich das fertige Buch in der Hand halten konnes. Ob Arzt oder Schriftsteller: In beiden Fällen müsse man sich in ante, vergingen sechs Jahre. Doch dann landete Wittwer damit gleich eidere hineinversetzen. Auch als Mediziner auf dem Land versuche er imnen Grosserfolg. Der Landarzt sorgte mit «Eiger, Mord und Jungfrau» mer die Gesamtsituation seiner Patienten zu verstehen. Und die fragen nicht nur in der Literaturszene für Furore, sondern reihte sich auch in immer wieder nach dem nächsten Buch. Vage Ideen für eine nächste Gedie Reihe schreibender Schweizer Ärzte wie Esther Pauchard und Thoschichte gibt es auch schon. Aber unter Druck setzen lässt er sich nicht. mas Röthlisberger ein. Ein absolut zufälliges Phänomen, wie Wittwer Nur so viel will er verraten: Eine Villa im Wallis hat ihn inspiriert. Auf betont. «Am meisten überrascht war ich, dass so ein Buch immer auch jeden Fall war er gerade ein paar Tage auf der Riederalp. Obwohl. Einen das Ergebnis einer Teamarbeit ist», zieht Wittwer Fazit. Beim Nydegg Traum hegt Paul Wittwer. Eine Praxisauszeit. Ein paar Monate einfach Verlag sei alles sehr gut eingespielt. In der Zwischenzeit hat er das Promal den Sprung ins kalte Schreibwasser wagen. Bis jetzt hat sich aber duktionstempo etwas erhöht. «Weil ich vermutlich effizienter geworden noch kein Interessent gemeldet, der die Praxisvertretung für diese Zeit bin», sagt er mit einem Grinsen. übernehmen könnte. ■ SURPRISE 275/12

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Film Das Ende einer Ära Bis Ende Jahr werden die meisten Kinos auf die digitale Projektion umgestellt haben. Die technische Umrüstung wird sich auch auf das Filmangebot auswirken.

VON DIANA FREI

«Digitalisierung beschert den Kinos steigende Besucherzahlen», war Ende letzten Jahres in den Zeitungen zu lesen. Das war eine interessante Nachricht, da man seit Jahren von Publikumsschwund und drohendem Kinosterben spricht. Die Digitalisierung der Kinosäle ist zurzeit in vollem Gang und die 35-mm-Kopie, die Filmrolle, Symbol für das Medium Film an sich, wird in den nächsten Monaten fast ganz vom Markt verschwinden. Filme werden nicht mehr physisch vorhanden, sondern auf Festplatte gespeichert sein. Und die Vorteile, so scheint es, sind für Kinobetreiber enorm: Man muss nicht mehr auf Filmkopien warten, die noch in anderen Kinos gebraucht werden, man kann flexibler programmieren, die Transportkosten für die etwa 20 Kilo schweren Filmkartons fallen weg und der Operateur muss die einzelnen Akte nicht mehr zusammenkleben (der Beruf wird vielmehr aussterben). Die schlechte Nachricht ist: Die Digitalisierung wird dazu beitragen, dass mehr Mainstream gezeigt wird, dass die Vielfalt leidet, dass Verleiher mit anspruchsvollem Programm nur schwer überleben werden. Womöglich werden einige kleine Kinos schliessen müssen, weil sie sich die Umrüstung auf das digitale Format nicht leisten können. Die Digitalisierung ist nicht einfach eine technische Umstellung, sondern sie hat Auswirkungen auf die Programmation, auf das Filmangebot, auf die Kinolandschaft insgesamt. «Es wird den Studiofilm betreffen», meint Romy Gysin, Geschäftsführerin vom kult.kino, dem Basler Studiokino, «denn umgerüstete Kinos auf dem Land können jetzt einen Film im Stil eines Harry Potter zur gleichen Zeit haben wie Zürich, Bern und Basel.» Das war vorher nicht möglich, weil nur eine beschränkte Anzahl Kopien vorhanden war. Landkinos mussten also warten, bis die Stadt den Film ausgewertet hatte, und zeigten in dieser Nische oft Studiofilme. Jetzt ist eine gleichzeitige Programmation möglich, die Nische wird verschwinden. Weil damit die Zahl der gespielten Filmtitel generell abnimmt, werden über längere Sicht vor allem Verleiher eingehen, die weniger kommerzielle Filme anbieten. Und Kinos, die den anspruchsvollen Studiofilm weiterhin programmieren würden, sind zu einem kommerzieller ausgerichteten Programm gezwungen.

mehr nur bei uns gezeigt, sondern auch im Mainstreamkino. Sobald ein Studiofilm erfolgsversprechend ist, haben wir ihn nicht mehr exklusiv bei uns.» «Die Artenvielfalt geht rasant verloren», sagt auch Bea Cuttat, Präsidentin des Schweizerischen Studiofilmverbands SSV. Sie gehört zu jenen Menschen, die einmal gerade in einer Sitzung sind, wenn man anruft, dann erst nächste Woche wieder Zeit haben für ein paar Fragen, und irgendwann meint ihre Mitarbeiterin: «Sie ist eigentlich immer im Stress.» Schliesslich aber erklärt sie in hohem Tempo, wieso das Kinoangebot immer mehr vom Mainstream geprägt wird: Die Digitalisierung sei nur einer von mehreren Gründen, einer, der die allgemeine Entwicklung «ein bisschen beschleunigt». Die anderen Gründe sind Zeitgeist, Sehgewohnheiten und finanzieller Druck. «Das Problem ist, dass

Immer weniger Menschen interessieren sich für fremde Welten und künstlerische Experimente.

Die Artenvielfalt geht verloren Die Basler kult.kinos sind seit Sommer 2011 digital eingerichtet. Romy Gysin weiss die Vorteile der digitalen Projektion zu schätzen, aber die Firma bekommt zu spüren, dass jetzt Filme auch in der Stadt in mehreren Kinos gleichzeitig gezeigt werden können: «Studiofilme wie ‹The Artist›, der letzte Woody Allen oder der ‹Verdingbub› werden nicht

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wir das Publikum ein bisschen verloren haben. Früher hatten die Zuschauer eine gewisse Grundneugier und schauten sich auch schwierigere, künstlerisch anspruchsvollere Filme an.» Die Schweiz wurde früher in Europa als das Land mit der grössten Vielfalt im Kinoangebot wahrgenommen. Heute kommt keiner mehr ins Kino, wenn ein Film anstrengend zu sein droht. «Da ist es nur logisch, dass ein Kino, das von der ersten Woche an ‹Black Swan› mit Natalie Portmann spielen kann, stattdessen nicht einen rumänischen Film mit Untertiteln zeigt.» 3D auf dem Lande Die Spirale geht so: Wenn die Artenvielfalt abnimmt, gewöhnt sich das Publikum an den Mainstream und lässt sich auf keine Experimente mehr ein, was die Kinobetreiber wiederum zwingt, Leichtverdauliches zu zeigen. Bea Cuttats Erkenntnis aus einer Umfrage, die sie durchführen liess: «Anscheinend mögen auch Studenten nicht mehr Untertitel lesen. Junge Leute sind sich einfach gewöhnt, dass alles synchronisiert ist. Das finde ich tragisch.» Und die Spirale dreht sich weiter: Cuttat, die mit «Look now!» auch einen eigenen Arthouse-Verleih führt, wird ihren besagten rumänischen Film nicht synchronisieren lassen, weil es sich finanziell nicht lohnt. Solche Filme können gar nicht mehr herausgebracht werden. «Damit ist er wie wegradiert von der Landkarte», hält Cuttat fest, und was den eigenen Verleih betrifft, sagt sie: «Für uns ist es schwieriger geworden, ins Kino zu kommen.» Was wie Schwarzmalerei klingt, zeigt Cuttats Unverständnis dafür, dass sich immer weniger Menschen für fremde Welten und künstleriSURPRISE 275/12


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Szenen wie im Film «Cinema Paradiso» sind Vergangenheit: Das Publikum verliert seine Grundneugier …

sche Experimente interessieren. Und entsetzte Ratlosigkeit, ohne jemandem die Schuld zuschieben zu wollen: «Die Kinos zeigen halt, was das Publikum sehen will. Sie müssen schliesslich auch überleben.» Sehr auffällig sei, dass sich im Jahr 2011 der Anteil an Landkinos, die 3D zeigen, verdoppelt hat, sagt René Gerber, Geschäftsführer von ProCinema, dem Schweizerischen Verband für Kino und Filmverleih: «Die Landkinos brauchen das, um zu überleben.» Aber man könne nicht pauschal sagen, dass die Digitalisierung die Landkinos rette: «Es kommt auf die Konkurrenzsituation an. Darauf, welchen technischen Standard die anderen bieten und ob es Multiplexkinos in der Nähe gibt.»

zwei oder drei Sälen, die sie zeigen würden, holt sie nicht einmal einen Zehntel davon herein. Momentan ist noch fast jeder Film in beiden Formaten erhältlich. Ein Kinosterben, weil sich kleinere Betriebe die technische Umrüstung nicht leisten können, sei momentan also noch nicht auszumachen, sagt ProCinema-Geschäftsführer Gerber. Aber nächstes Jahr wird es vermutlich nur noch digitale Filme geben: «Dann wird man sehen, was passiert.» Gerade auf dem Land gibt es ab und zu eine Handvoll cinephiler Zeitgenossen, die einen Filmclub gründen, um ein kulturell spannendes Programm zu bieten. Das Kino Wildenmann in Männedorf ist aus einem solchen Filmclub entstanden. In der Zürichsee-Gemeinde kann man an der Schiffsstation in der Sonne sitzen und sich wie in den Ferien fühlen; hier steht auch ein Schild der «schönsten Fischottergemeinde am Zürichsee», wie es heisst, und darauf abgebildet ist neben den Signeten für

Die Fischottergemeinde mit der Filmrolle Erstaunlich findet Gerber, wie viele Kinos in der Schweiz die Investitionen für die Digitalisierung selber gestemmt haben. Es gibt Kinos in Gemeinden mit weniger als 2000 Einwohnern, über 200 von den 530 Kinos in der Schweiz ha«Kinos, die sich gegen die digitale Projektion wehren, ben nur einen einzigen Saal. Diese Kinos sind können bald nur noch ‹Bäckerei Zürrer› spielen.» gezwungen, alles zu spielen, wenn sie überleben wollen. Zwar unterstützt das Bundesamt Schiff, Hallenbad und Apotheke auch eine Filmrolle. Das Kino gehört für Kultur (BAK) diejenigen Kinos, die eine gewisse kulturelle Vielfalt zur Identität von Männedorf. bieten, aber der Rest setzt sich aus privater Finanzierung zusammen, Das Wildenmann ist das einzige Kino am rechten Zürichseeufer, und aus Darlehen, Subventionen der Gemeinden und Geldern von Gönneres ist vom Bundesamt für Kultur (BAK) schon mehrmals für seine «kulvereinen. turell orientierte Kinoprogrammation» ausgezeichnet worden. Gespielt «Wenn es Kinos gibt, die sich bis zum Ende ihrer Tage gegen die diwird nicht im Vollprogramm und der Betrieb wird mit insgesamt eingitale Projektion wehren, dann werden sie bald nur noch ‹Bäckerei Züreinhalb Stellenprozenten aufrechterhalten, Geschenkgutscheine gibt es rer› zeigen können – also nur noch alte Filme», sagt Bea Cuttat. Sie selauch in der Papeterie. Heute wird das Kino als Genossenschaft betrieber versucht mit ihrem Verleih zurzeit noch, auch 35-mm-Kopien herben, nicht gewinnorientiert. Letzten Dezember wurde auf digitale Prozustellen, aber es wird immer teurer. Bis zu 10 000 Franken kostet es sie, jektion umgerüstet. eine 35mm-Kopie zu kaufen, zu übersetzen und zu untertiteln. Mit den

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… und die Filmrolle verschwindet genauso wie die Artenvielfalt.

Es ist ein Montagnachmittag, an dem das Kino zu ist, Geschäftsführer Christian Pfluger empfängt an der Kaffeebar zum Gespräch und ist zufrieden: «Es kann Zufall sein, aber momentan haben wir sehr gute Zahlen. In den letzten vier Monaten hatten wir über 40 Prozent mehr Zuschauer, es ist unglaublich. Wenn wir Ende Jahr tatsächlich immer noch so deutlich über dem Schnitt sind, ist es sicher auf die Digitalisierung zurückzuführen.» Digitalisieren oder schliessen – darauf wäre es auf längere Sicht wohl hinausgelaufen: «Für uns war es anfangs dramatisch, die Finanzierung war ein Problem.» Jahrelang hatte man in Kinokreisen gemunkelt, «irgendwann wird umgestellt», aber niemand wollte sich recht auf Prognosen festlegen. Dann, eines Tages, kam dieser Brief vom Bundesamt für Kultur: Das BAK unterstütze die Umstellung, man könne sich innerhalb einer bestimmten Frist um Subventionen bewerben. Pfluger und sein Team gaben ihren Antrag ein und begannen in einem dreivierteljährigen Prozess mit «einem harzigen Start und mehreren Rückschlägen» nach dem restlichen Geld zu suchen: «Die ersten drei oder vier Monate war es keineswegs klar, dass wir es schaffen würden»,

nedorf entfernt, in Uster, hat das Central zugemacht. Hans Brönnimann, der ehemalige Betreiber, stammt aus einer lokalen Kinodynastie. Nun hörte er aus Altersgründen auf, und weil sich die Gelegenheit zum Verkauf bot. «Wenn die Digitalisierung jetzt nicht gekommen wäre, hätte ich noch ein paar Jahre weitergemacht», sagt er, «und wenn ich 20 Jahre jünger wäre – logisch! –, hätte ich den ganzen Zauber mitgemacht.

Die Digitalisierung ist für die Kinos Jungbrunnen und Todesstoss zugleich.

Eine neue Generation zieht ein Schliesslich sprach die Gemeinde Männedorf eine hohe Subvention, das BAK sagte zu, es kamen sehr grosszügige private Spenden und der Gönnerverein machte Benefizveranstaltungen. Gekostet hat die Umrüstung etwa 100 000 Franken.«Etwas weniger als eigentlich erwartet», sagt Pfluger. Die Digitalisierung, so scheint es, kann Jungbrunnen und Todesstoss zugleich sein: Das Publikum kommt, die Vielfalt geht, die einen Kinos blühen auf, die anderen gehen ein. Nicht allzu weit von MänSURPRISE 275/12

Die Digitalisierung hat meinen Entscheid, das Kino aufzugeben, beschleunigt.» Der technische Umbruch hat den Generationenbruch gebracht und den Schlusspunkt hinter eine Ära gesetzt. Nun ist im ehemaligen Central der örtliche Filmclub qtopia eingezogen und führt momentan noch Filmkunst ab 35-mm-Kopien vor. Auch hier wird bald die letzte Filmrolle gespielt sein: Das Projekt Digitalisierung ist aufgegleist. ■ Digitalisierung im Eiltempo Von schweizweit 530 Sälen sind zurzeit 361 auf die digitale Projektion umgerüstet, also 67 Prozent. 281 (40 Prozent) davon können auch 3D zeigen. Dieses Jahr wurden bis Ende April 145 neue Filme gestartet. Davon wurden 61 Filme ausschliesslich digital vorgeführt (42 Prozent). Vier Filme wurden nur analog vorgeführt (drei Prozent) und entsprechend waren 80 Filme sowohl digital wie auch analog verfügbar (55 Prozent). Zum Vergleich: 2011 wurden sieben Prozent der Filme ausschliesslich digital vorgeführt, 39 Prozent wurden nur analog vorgeführt und entsprechend waren 54 Prozent sowohl digital wie auch analog verfügbar.

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Syrien Geschäften im Ausnahmezustand Die Bevölkerung Syriens leidet unter den Unruhen, die nun seit einem Jahr andauern. Das Geld verliert an Wert, die Preise für Grundnahrungsmittel schnellen in die Höhe. Doch einige Geschäftemacher wittern ihre grosse Chance. Geschichten aus dem Alltag im Ausnahmezustand.

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VON OLIVER HOLMES (TEXT) UND KHALED AL-HARIRI (BILD)

Bauunternehmer Ahmed, der aus Angst vor einer Verhaftung nur mit seinem Vornamen genannt werden will, ist ein Beispiel unter vielen: Während die Behörden damit beschäftigt sind, eine Revolte zu bekämpfen, hat er ein kleines Business mit illegalem Hausbau aufgezogen. «Ja, ja, ich beute die Revolution aus», sagt der 48-Jährige in seinem Heim in Aleppo, Syriens weitläufiger 2.5-Millionen-Wirtschaftsmetropole. «Ich habe vorher schon illegal gebaut, allerdings im Verdeckten. Heute brauche ich es nicht mehr gross zu verstecken.» Opportunistische Bauherren, Kredithaie und Schwarzmarktimporteure machen derzeit ein gutes Geschäft mit der Revolte. Und Sicherheitsfirmen, die Überwachungskameras und dicke Stahltüren an verängstigte Syrer verkaufen, erleben ebenfalls einen Absatzboom. Jihad Yazigi, ein Ökonom aus der Hauptstadt Damaskus und Herausgeber des «Syria Report», der führenden Wirtschafts-News-Website des Landes, sagt, dass die Syrer bereits früh erkannt hatten, dass eine Inflation drohte. Tatsächlich hat das syrische Pfund seit Beginn der Revolte gegenüber dem US-Dollar die Hälfte seines Werts verloren. Also versuchten viele Syrer, Land zu kaufen oder auf bereits erworbenem Land zu bauen. Diese Strategie scheint aufzugehen: In Gegenden, die nicht direkt von Kämpfen betroffenen sind, blieb der Wert von Immobilien bis heute stabil.

halb an im Ausland produzierten Gütern wie etwa Medikamenten – und sie sind gezwungen, diese auf dem Schwarzmarkt zu suchen. Lama, ein 25-jähriger Apotheker in der Hauptstadt, sagt: «In der Apotheke sind wir gezwungen, mit Schmugglern zusammenzuarbeiten. Medizin ist nicht etwas, das aufgeschoben werden kann. Wenn wir unsere Bestände nicht mit illegalen Methoden auffüllen, dann werden Kunden, insbesondere solche mit chronischen Erkrankungen, selbst versuchen, sich ihre Medikamente auf dem Schwarzmarkt zu beschaffen.» Dasselbe spielt sich beim Benzin ab: Während die Schlangen vor den Tankstellen lang und länger werden, kaufen immer mehr Stadtbewohner auf dem blühenden Schwarzmarkt ein. Issa, ein damaskischer Student Mitte 20, erzählt, dass er in der Tankstelle, in der er arbeitet, einen Wechsel der Geschäftspraxis festgestellt hat: «Als die Ölpreise stiegen, stellte mein Chef Leute an, welche die Schlangestehenden im Auge behalten. Wenn jemand aufgibt und wegfahren will, wird er von ihnen gestoppt und sie bieten ihm Benzin zu einem höheren Preis an. Die Schlangen sind so lang, dass die Leute bereit sind, exorbitante Preise zu bezahlen.» Schrumpfende Wirtschaft, steigende Preise Einige syrische Produktionsfirmen schaffen es, die diplomatischen Querelen und Assads verbitterte Haltung gegenüber ehemaligen Verbündeten, die sich aufgrund der gewalttätigen Reaktion auf die Demokratiebewegung gegen ihn wandten, auszunützen. Die Türkei war einer der engsten Verbündeten Syriens, doch gegen Ende des letzten Jahres verhängte Ankara Sanktionen gegenüber dem Handelspartner. Assad rächte sich, indem er das Freihandelsabkommen mit der Türkei einseitig kündigte, was die Preise einiger Importprodukte in die Höhe schnellen liess. Dies entpuppte sich als Segen für lokale Produzenten, wie ein westlicher Diplomat in Beirut sagt. Auch wenn es vielleicht nicht alle Nachteile aufhebe, welche die Krise mit sich brachte, so müssten syrische Produzenten zumindest nicht länger mit billigeren und oft auch hochwertigeren türkischen Importen konkurrieren, so der Diplomat. Der syrische Ökonom Yazigi pflichtet bei: «Als das Freihandelsabkommen aufgehoben wurde, gab es einen Boom im lokalen Handwerk. Syrische Stoffe, Möbel und Lebensmittel verkaufen sich gut», sagt er: «Das billige syrische Pfund erlaubt es einigen Firmen gar, Produkte in den Irak zu exportieren.» Die aktuelle Wirtschaftskrise trifft die syrische Bevölkerung schwer. Und viele Syrer glauben, dass auch die Geschäftemacher nur knapp über die Runden kommen. Im Januar betrug die offizielle Inflationsrate

50 Prozent Zinsen auf Kredite «In den ersten Monaten der Revolution wurde viel illegal gebaut, nicht nur, weil sich die Leute vor der Inflation fürchteten, sondern auch, weil viele Leute bauen wollten, aber bisher keine Genehmigung bekommen hatten», sagt Yazigi. In Damaskus hätten die Behörden unterdessen zwar durchgegriffen und die Preise für Stahl und Zement seien stark anstiegen, was das Bauen verteuert. Doch ausserhalb der Hauptstadt hält der Bauboom an. Für syrische Männer ist der Besitz von eigenem Wohnraum oft eine Bedingung, um heiraten zu können. Dies führt zu einer grossen Nachfrage, welche die Preise für den Hausbau in die Höhe getrieben hat. Für syrische Väter ist es oft günstiger, das Haus der Familie um eine oder zwei Etagen aufzustocken, als den Söhnen eigene Wohnungen zu kaufen. Andere Unternehmer profitieren vom Chaos im Bankensektor, der aufgrund von Wirtschaftssanktionen und fallenden Devisenreserven in Turbulenzen geraten ist. Nebst weiteren Sanktionen haben westliche und arabische Länder die Importe von syrischem Öl gestoppt und finanzielle Verbindun«In der Apotheke sind wir gezwungen, mit Schmugglern gen mit syrischen Banken gekappt. Die syrizusammenzuarbeiten.» schen Geldreserven sind fast auf einen Drittel gesunken seit Beginn des Aufstands. Während 15 Prozent, die Preise für einige Grundnahrungsmittel wie Zucker, Butdas syrische Pfund an Wert verliert, steigt die Nachfrage nach ausländiter, Pflanzenöl und Eier stiegen gar um 100 Prozent. Es gibt zwar keine schen Währungen. Doch nur noch wenige Banken sind heute bereit, offiziellen Zahlen, in welchem Mass der Aufstand das Bruttoinlandprovon ihren knappen Devisenbeständen etwas zu verkaufen. Geldwechsdukt (BIP) beeinflusst hat, aber Yazigi schätzt, dass die Wirtschaft letzler, die auf den Bazars in Damaskus Dollars verkaufen, profitieren von tes Jahr um rund 15 Prozent geschrumpft ist und dieses Jahr um weitePanikkäufen. re 15 Prozent eingehen könnte. Während der Wert des syrischen Pfunds Bankkredite zu erhalten, ist fast unmöglich geworden. Dies schafft einbrach, schossen die Lebensunterhaltskosten in den Himmel. Viele wiederum Geschäftsmöglichkeiten für Kredithaie ohne Lizenz. Ali, 34, Syrer können sich nur noch das leisten, was sie zum blanken Überleben arbeitet für seinen Vater, einen Bauern, der darum kämpft, seinen Fabrauchen. Die Regierung warnte die Bürger vor der Möglichkeit einer milienbetrieb zu erhalten, aber weder von staatlichen noch von privaumfassenden Energierationierung. ten Banken Kredite erhält. «Am Ende hat mein Vater Geld von einem «Es mag stimmen, dass syrische Geschäfte weniger ausländische Kredithai geliehen», sagt Ali. Er musste das Darlehen für drei Monate Konkurrenz haben. Aber wenn Syrer keine Produkte mehr kaufen und abschliessen, zu einem Zins von 50 Prozent bei 25 Prozent Zuschlag für alles das Doppelte kostet, was macht das noch für einen Unterschied?», verspätete Rückzahlung. «Ich war überrascht, wie organisiert das Gefragt ein Bewohner von Damaskus. Und fügt an: «Man tut, was man schäft ablief. Er bekam sogar offizielle Dokumente! Jeder muss heute kann. Aber alle leiden weiterhin.» diese Darlehen aufnehmen und die Geldleiher arbeiten ganz offen, denn ■ die Polizei ist anderweitig beschäftigt.» Um Devisen im Land zu halten, erhöhte die Regierung die Zolltarife www.street-papers.org/Reuters auf gewissen Importprodukten. Syrerinnen und Syrern mangelt es desÜbersetzung aus dem Englischen: Florian Blumer SURPRISE 275/12

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Arbeitsmarkt Das Billigjob-Wunder Deutschland bekämpfte die Arbeitslosigkeit jahrelang mit Niedrigstlöhnen. Von den Billigarbeitskräften profitieren vor allem die Firmen. Das Beispiel macht in Europa und bei Schweizer Politikern Schule, dabei überlegt die deutsche Regierung aufgrund sinkenden Konsums die Rückkehr zu Mindestlöhnen.

VON SARAH MARSH UND HOLGER HANSEN

Anja hat während der letzten sechs Jahre für zwei Euro in der Stunde Böden gewischt und Geschirr gespült. Wenn sie die Schlagzeilen in den Zeitungen liest, die Deutschlands «Jobwunder» loben, empfindet sie nur Befremden. «Meine Firma hat mich ausgebeutet», sagt die 50-Jährige. Sie sitzt in der Küche ihrer kleinen Wohnung in der ostdeutschen Stadt Stralsund. «Wenn ich etwas anderes finden könnte, wäre ich schon lange weg.» Stralsund ist eine schöne Stadt am Meer, aber Anja, die aus Angst, gefeuert zu werden, ihren vollen Namen nicht nennen will, kann sich die hübschen Cafés nicht leisten. Aufgrund der Billigjobs liegt Deutschlands Arbeitslosenquote auf dem tiefsten Stand seit der Wiedervereinigung. Das deutsche Modell gilt für andere europäische Länder im Standortwettbewerb und im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit als Vorbild. Kritiker sagen, dass die Reformen zwar geholfen hätten, Jobs zu schaffen, gleichzeitig aber auch den Niedriglohnsektor und Zeitarbeit ausweiteten und die ungleiche Einkommensverteilung verstärkten. Arbeitsmarktzahlen zeigen, dass der Niedriglohnsektor in den fünf Jahren bis 2010 drei Mal schneller gewachsen ist als der restliche Arbeitsmarkt. Das Salär kann in Deutschland, wo es keinen nationalen Mindestlohn gibt, ohne Weiteres unter einen Euro pro Stunde sinken, vor allem in den ostdeutschen Bundesländern. Das erklärt auch, warum die Deutschen trotz «Jobwunder» nicht mehr Geld ausgeben als zu Zeiten höherer Arbeitslosigkeit. 7,2 Prozent der Arbeitnehmer haben 2010 so wenig verdient, dass sie unter der Armutsgrenze leben, verglichen mit 4,8 Prozent im 2005. Das ist immer noch weniger als der europäische Durchschnitt von 8,2 Prozent. Doch die Zahl der Working Poor ist in Deutschland schneller gewachsen als in der gesamten Eurozone zusammengenommen.

Der deutsche Arbeitsmarkt wächst insbesondere im Bereich der Geringverdiener und Zeitarbeiter, und zwar aufgrund von Deregulierung und der Förderung von flexiblen, vom Staat geförderten Mini-Jobs. Die Zahl der Vollzeitbeschäftigten mit geringem Einkommen – weniger als zwei Drittel des Durchschnittseinkommens – stieg von 2005 bis 2010 um 13,5 Prozent auf 4,3 Millionen. Gemäss der Bundesagentur für Arbeit ist der Zuwachs drei Mal so hoch wie jener auf dem regulären Arbeitsmarkt. 2011 gab es mit 910 000 Beschäftigten drei Mal so viele Zeitarbeiter wie 2002, als Berlin begann, die Bestimmungen für Zeitarbeit zu lockern. Wirtschaftswissenschaftler sagen, dass es Schröders Absicht war, diese Bereiche schnell wachsen zu lassen, um Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose wieder in ein Beschäftigungsverhältnis zu bringen. Daten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigen, dass Geringverdiener heute 20 Prozent der Vollzeitbeschäftigten in Deutschland ausmachen, verglichen mit acht Prozent in Italien und 13,5 Prozent in Griechenland. In seinem letztem Jahr als Kanzler hatte sich Schröder auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos gebrüstet: «Wir haben den besten Niedriglohnsektor in Europa geschaffen.» Sieben Jahre später loben Arbeitge-

Das Salär kann ohne Weiteres unter einen Euro pro Stunde sinken – darum geben die Deutschen trotz «Jobwunder» kein Geld aus.

«Bester Niedriglohnsektor in Europa» Die Globalisierung hat Deutschlands exportabhängige Wirtschaft unter enormen Wettbewerbsdruck gesetzt. 2003 hat die Regierung die grössten Reformen im Sozialsystem seit Ende des Zweiten Weltkrieges in Gang gesetzt. Während die französischen Sozialisten die 35-Stunden-Woche und Mindestlöhne einführten, haben die deutsche Sozialdemokraten (SPD) den Arbeitsmarkt dereguliert und den Druck auf die Arbeitslosen erhöht. Gewerkschaften und Arbeitnehmer haben einem Verzicht auf Lohnerhöhungen zugestimmt, als Gegenleistung für Arbeitssicherheit und Wachstum. Flexible Arbeitsplatzmodelle und von der Regierung subventionierte Kurzarbeit haben Arbeitgebern geholfen, sich dem wirtschaftlichen Umfeld anzupassen, ohne Mitarbeiter einstellen oder entlassen zu müssen. Frankreichs abgewählter Präsident Nicolas Sarkozy hat Gerhard Schröders «Agenda 2010» wiederholt als Beispiel für sein Land bezeichnet. Spanien und Portugal haben bei ihren Arbeitsmarktreformen ebenfalls vieles von Deutschland übernommen.

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ber die Reformen, die für das Wachstum von Mini-Jobs und Zeitarbeit verantwortlich sind. «Die Gewerkschaften argumentieren, dass MiniJobs zu bedenklichen Arbeitsbedingungen in Deutschland führen würden, aber das ist nicht korrekt», sagt Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft. Ohoven sagt, Mini-Jobs würden speziell von Frauen und Studenten ausgeübt. Jürgen Wuttke von der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände führt aus, dass die Reformen den Unternehmen mehr Flexibilität gäben und mehr Möglichkeiten eröffneten, um Mitarbeiter für einfachere Tätigkeiten mit geringer Produktivität einzustellen. Mini-Jobber als Lückenbüsser Fritz Engelhardt, Inhaber eines kleinen Dreisternehotels in Pfullingen, sagt, er würde zwei Mini-Jobber beschäftigen, die am Wochenende aushelfen und kleine Besorgungen erledigen. «Viele Unternehmer im Dienstleistungsgewerbe versuchen Spitzenzeiten in der Arbeit am Wochenende oder bei speziellen Veranstaltungen aufzufangen, indem sie Mini-Jobber einstellen,» sagt Engelhardt. «Innerhalb grosser Ketten können Hotels Mitarbeiter von Schwesterunternehmen nutzen, aber für kleine und mittelständische Unternehmen sind Mini-Jobs unentbehrlich zur Existenzsicherung.» Doch auch deutsche Unternehmensriesen sind von dieser neuen Form der Beschäftigung abhängig, um flexibel zu bleiSURPRISE 275/12


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17 BILD: KEYSTONE/AP NY MARTIN MEISNEN


ben. Adidas, weltweit zweitgrösster Hersteller von Sportbekleidung, und die Supermarktkette Kaufland, zur gleichen Unternehmensgruppe gehörend wie die Discountkette Lidl, nutzen Mini-Jobs, um Beschäftigungslücken in Spitzenzeiten aufzufangen. Wenn Konservative Mindestlöhne fordern Kritiker sagen, Deutschland würde einen hohen Preis für seine Reformen zahlen, denn diese würden zu einem zweigeteilten Arbeitsmarkt führen. Arbeitgeber zeigen wenig Initiative, reguläre Vollzeitstellen zu schaffen, wenn sie wissen, dass sie Arbeitnehmer mit flexiblen Verträgen einstellen können. Eine von fünf Stellen ist heute ein Mini-Job, bei dem Arbeitnehmer maximal 400 Euro im Monat verdienen, steuerfrei. Für fast fünf Millionen Menschen ist dieses ihre Hauptarbeit, weshalb sie zusätzlich auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. «Reguläre Vollzeitstellen werden in Mini-Jobs aufgeteilt», sagt Holger Bonin vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Die Vereinfachung der Zeitarbeitsregelung bietet den Arbeitgebern wenig Anreiz, Mitarbeiter mit festen Verträgen, Arbeitsplatzsicherheit und angemessenem Gehalt einzustellen. Zeitarbeiter in Deutschland verdienen meist weniger als fest angestellte Arbeitnehmer. Niedrige Löhne für Mini-Jobber und wachsender Druck auf die Arbeitslosen, einen Job zu finden, haben einen deflationären Effekt auf die Löhne in allen Branchen, sagen Wirtschaftswissenschaftler. Während die Lohnschere in Deutschland früher mit jener in skandinavischen Ländern vergleichbar war, ist sie im letzten Jahrzehnt deutlich aufgegangen. «Der Abstand der Armen zur Mittelklasse hat sich vergrössert, in Deutschland mehr als in anderen Ländern», sagt OECD-Wirtschaftswissenschaftlerin Isabell Koske. Gesunkene Löhne

und Arbeitsplatzunsicherheit haben auch zu einer verringerten Binnennachfrage geführt, die Achillesferse des exportabhängigen Deutschlands, sehr zur Verzweiflung seiner Nachbarn. «Die Importnachfrage ist gering, und das, obwohl Deutschland einer der Leistungsträger in der Eurozone ist», sagt Ekkehard Ernst von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Die Wahlen vom kommenden Jahr und die Beschwerden der europäischen Nachbarn über das Handelsungleichgewicht haben das Thema Niedriglöhne zurück auf die Agenda der deutschen Regierung gebracht. Kanzlerin Angela Merkel plant die Einführung von Mindestlöhnen in Bereichen, wo es noch keine gibt, und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen wirbt dafür, dass Zeitarbeiter das gleiche verdienen wie reguläre Arbeitnehmer. «Die Tatsache, dass unsere konservative Regierung die Einführung von Mindestlöhnen diskutiert, sagt einiges aus», sagt Enzo Weber vom deutschen Institut für Arbeitsmarktforschung (IAB). «Welche Regierung auch in Zukunft kommen mag, Massnahmen, um die Arbeit flexibler zu gestalten, werden nicht mehr derart vorangetrieben werden. Wir haben einen kritischen Zustand erreicht und ich denke, dass es nicht viel weiter gehen wird.» Ernst vom ILO sagt, dass Deutschland nur hoffen kann, dass die anderen europäischen Länder ihre deflationäre Politik nicht zu sehr an Deutschland anlehnen, denn dann würde die Nachfrage aussterben. «Wenn jeder das gleiche macht, ist nichts mehr da, wohin man exportieren kann.» ■

www.street-papers.org/Reuters Übersetzung aus dem Englischen: Jessica Michaels

Arbeitsmarkt Kalkulierte Armut Noch sind Billigjobs in der Schweiz wenig verbreitet. Geht es nach den Arbeitgebern, wird sich das aber ändern. Die Löhne sollen runter, die Existenzsicherung der Sozialhilfe überlassen werden. VON CHRISTOF MOSER

«Nicht jeder Lohn kann für eine Familie existenzsichernd sein. Wo ausnahmsweise das Haushaltseinkommen nicht ausreicht, gewährleisten Sozialversicherungen und Sozialhilfe die Existenzsicherung» – mit dieser Aussage sorgte Valentin Vogt, der Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbands, Anfang April dieses Jahres für Empörung. Dabei hatte Verbandsfunktionär Vogt nur ausgesprochen, was sich gewählte Politiker nicht zu sagen wagen: Dass die Schweiz wie Deutschland kalkulierte Armut braucht, um in der globalen Wirtschaft wettbewerbsfähig zu bleiben. Gerichtet war die Aussage des Arbeitgeberpräsidenten gegen die «Mindestlohn-Initiative», die der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) im Januar lanciert hat. Die Initiative verlangt, dass niemand, der

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100 Prozent arbeitet, weniger als 4000 Franken verdienen soll. Heute werden 400 000 Menschen in der Schweiz für weniger als 22 Franken pro Stunde und damit für unter 4000 Franken pro Monat beschäftigt. Zwei Drittel davon sind Frauen. Billigjobs statt Mindestlöhne «Wenn wir in der Schweiz die Erwerbsbeteiligung hoch halten wollen, dürfen wir die Stellen im Niedriglohnbereich nicht mit Mindestlöhnen ausradieren, die sich an der Existenzsicherung ausrichten», sagt Arbeitgeberpräsident Vogt. Mit anderen Worten: Die Wirtschaft braucht die Billigarbeiter, und deren Existenzsicherung ist Sache des Staats. Wobei das leider nur die halbe Wahrheit ist. Die Schweiz, eines jener Länder, das zu den grossen Gewinnern der Globalisierung gehört, wird in den letzten Jahren auch immer stärker SURPRISE 275/12


BILD: ZVG

Der Unmut wächst: Angestellte des öffentlichen Sektors bei einer Demonstration in Frankfurt Anfang März.

solidarisch zu sein, ohne im globalen Wettbewerb zu verlieren. Die mit den Schattenseiten des Erfolgs konfrontiert: Der Konkurrenzkampf Schweizer Wirtschaft ist nicht gewillt, diese Herausforderung anzuwird härter, die Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt steigen – und die nehmen. soziale Sicherheit im heutigen Rahmen kostet die Schweiz zu viel, um «Die Sozialabgaben in der Schweiz sind noch viel zu hoch, wenn wir im globalen Wettbewerb mithalten zu können. Deshalb müsse die international mithalten wollen», wiederholt NZZ-Publizist und Ökonom Schweiz ähnlich wie Deutschland nach der Einführung von Hartz IV die Beat Kappeler unablässig – und deutet damit an, wohin die Reise gehen Entstehung einer dauerhaften Unterschicht akzeptieren, sagen Politiker soll. Das Gegenmodell zum bedingungslosen Grundeinkommen – dieses hinter vorgehaltener Hand. Das ist die ganze Wahrheit. will jeder Person in der Schweiz rund 2500 Franken zusprechen und Die Weichen dafür hat die Politik 2010 gestellt, als bei der Arbeitslowurde diesen Frühling als Initiative lanciert – wird in Wirtschaftskreisenversicherung radikale Einschnitte getätigt wurden. Bei bis 30-Jährigen ohne Kinder sind die Taggelder auf zwölf Monate gekürzt worden, bei Jugendlichen unDie Schweiz müsse die Entstehung einer dauerhaften ter 25 auf ein halbes Jahr. Der VersicherungsUnterschicht akzeptieren, sagen Politiker hinter vorgeabbau für Arbeitslose soll gewährleisten, dass für die Billigarbeit auch genügen Billigarbeiter haltener Hand. verfügbar sind. Die Kosten für ein existenzsisen bereits diskutiert. Die Sozialpolitik der Zukunft soll auf einer Grundcherndes Leben sollen in die Sozialhilfe abgeschoben werden. Die Starente basieren, die in zwei Säulen gegliedert ist. Die erste Säule soll die tistik zeigt, dass Working Poors, jene Menschen, die arbeiten und denphysische, nicht aber wie bisher auch die soziale und kulturelle Exinoch Sozialhilfe brauchen, in Branchen wie dem Gast- und Reinigungsstenzsicherung abdecken. Die soziale und kulturelle Lebenshaltung, so gewerbe oder beim Detailhandel übervertreten sind. In der Mehrzahl die Vision der Wirtschaft, müsste durch Arbeitsleistung in Billigstjobs sind es Alleinerziehende oder Familien mit mehreren Kindern. gewährleistet werden. Mindestlöhne gäbe es keine mehr. «Die Sozialpolitik der Zukunft ist die Verwaltung der Armut», schrieb Im Vergleich zu heute würde dadurch das Existenzminimum auf die Surprise Ende 2010. «Sie wollen Sozialpolitik mit der Axt betreiben. Sie Hälfte reduziert. Eine vierköpfige Familie erhielte jährlich statt wie heuwollen zurück in eine soziale Eiszeit», sagte FDP-Bundesrat Pascal te 60 000 Franken via Sozialhilfe nur noch 30 000 Franken Grundrente. Couchepin, als er im Herbst 2010 nach sieben Jahren als Sozialminister Pro Kopf hiesse das: 625 Franken pro Monat. in Rente ging, an die Adresse der bürgerlichen Parlamentsmehrheit. Es Das ist die Politik der Armut um jeden Preis. werde, so Couchepin, eine Herausforderung sein, mit sozial Schwachen ■ SURPRISE 275/12

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Partnersuche Mama, der?! Warum für alleinerziehende Mütter auf Partnersuche die eigenen Kinder dem Internet als Orakel weit überlegen sind. Und womit paarungswillige Männer rechnen müssen, die sich mit Müttern verabreden. VON BIRGIT LUDWIG (TEXT) UND MILENA SCHÄRER (ILLUSTRATION)

Als ich mit Blind Dates anfing, war ich schon eine ganze Weile allein, und ich hatte von meinen Freundinnen die tollsten Sachen über Partnerbörsen gehört. Das Internet schien mir daher effizient für die Zielgruppenauswahl, besonders als alleinerziehende Mutter – um keine unnötigen Abende in Bars für die Grobauswahl von Männern mehr zu verschwenden. Dann lieber nur die treffen, die wirklich wissen, was sie wollen! Doch das sollte sich als Trugschluss herausstellen.

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Mein Erster war ein Inder. Als der Mann mir nach einer Viertelstunde im Chat ein Treffen vorschlug, willigte ich schnell ein. Warum sich lange aufhalten, wenn man über Stimme, Bewegung und Aussehen viel mehr Informationen gleichzeitig erhalten kann? Doch das Gespräch wurde schnell zähflüssig. Ich wusste nicht so recht, wie weiter. Kochte er gerne? Kinder? Als Neuling im Dating-Business hatte ich leider vergessen, mir ein Türchen offenzulassen oder eine Freundin um einen Alibi-Anruf zu bitten. Nach einer anstrengenden Stunde Unterhaltung verabschiedeten wir uns erleichtert. SURPRISE 275/12


kam um den Tisch herum und machte sich an mich ran. Als er eine DreiDie Kinder fingen schon an, sich darüber zu wundern, was ich dauviertelstunde später wieder in seine Klamotten stieg, konnte ich es fast ernd abends so lange noch am Schreibtisch und am PC machte. Gott sei nicht glauben. Danach hörte ich noch sporadisch von ihm, immer sehr Dank war meine ältere Tochter noch nicht in dem kritischen Alter, in unbestimmt und vage. Ich wunderte mich über mich selbst, dass ich auf dem sie jetzt ist – sie hätte mich bestimmt gehänselt, welchen «Spacko» so eine Taktik hereingefallen war, wo ich doch immer aufmerksam zuich denn jetzt gerade wieder treffe. gehört hatte, und brach den Kontakt ab. Deshalb verschwieg ich ihr auch das Date mit dem Heilpraktiker, der Zuhören konnte ich wirklich gut. Das kam nicht immer gut an. Als mir sofort die Koordinaten seiner Praxis-Website gab. Ich fragte mich, ob ich Ulrich, den Geschäftsführer, fragte, was denn seine letzte Freundin er wohl eher Kunden suchte statt einer Frau. An einem regnerischen Dedazu gesagt hätte, dass er Jahre nach seiner Scheidung immer noch bei zembersamstag fuhr ich nach Spiez, er hatte mich zu einem Adventsseiner Familie wohne, verstummten die Gespräche zwischen uns. So höck eingeladen. Ich wusste nicht genau, was er damit meinte. Als ich wie auch mit dem Mann, der mir erst auf ausdrückliches Nachfragen das Café endlich gefunden hatte, erwartete mich der Mann am Kopfende eines langen Tisches – und mit ihm ungefähr 20 Senioren. Mein Date war der VizepräAls ich das Café gefunden hatte, erwartete mich der Mann sident des hiesigen Kneipp-Vereins. Die Senioam Kopfende eines langen Tisches – und mit ihm ungefähr ren zwinkerten uns aufmunternd zu, ein älte20 Senioren. rer Herr kniff mir in den Oberschenkel und fragte mich, ob ich die künftige Ehefrau wäre? beim dritten Treffen erzählte, dass er verheiratet sei – hatte er das etwa Nach einer halben Stunde musste mein Date gehen – sein Hausmeister vorher nicht erwähnt? Nein, hatte er nicht. Dieses Detail hätte ich mir käme gleich. Auch keine schlechte Ausrede. Seitdem vermeide ich Einsicher gemerkt. Ich kann es nicht leiden, angelogen zu werden. ladungen zu Adventshöcks. Ralph hingegen wirkte aufrichtig. Wir verabredeten uns in einer JuDas sechste Date klang dagegen vielversprechend. Nur wenig jünger, gendherberge, ich hatte diesmal die Kinder dabei. Ralph fuhr mit den Juniorchef einer kleinen Modellbaufirma. Ein Mann mit Verantwortung. Kindern Ski und ertrug es mit Humor, dass ihm meine jüngere Tochter Und das Beste: keine Kinder, keine Altlasten, dafür aber einen Hund. Als beim Essen auf den Schoss kotzte. Die Kinder fanden ihn sympathisch alleinerziehende Mutter selektiert man die Männer nicht unbedingt daoder meckerten zumindest nicht. Ich hingegen zögerte. Ralph gab auf nach, ob sie Kinder haben – im Gegenteil. Jedes weitere Kind macht die und berichtete einige Monate später, er habe nun eine neue Freundin. gemeinsame Konstellation noch komplexer. Hunde sind da wesentlich Ich hingegen verstand mich selber nicht mehr. Die Abende am PC pflegeleichter und meckern auch nicht so viel übers Essen. Wir verabvermittelten mir zunehmend das Gefühl, nach den falschen Kriterien redeten uns zum Wandern im Jura. Er würde die Route festlegen und eiAusschau zu halten. Diese Selbstdarstellung, die Halbwahrheiten, das ne Karte mitbringen. Taxieren, die Ungeduld. Diese Ambivalenz bei vielen Männern, die vorgaben, nach etwas zu suchen, aber eigentlich doch gar nichts finden Schweigsamer Hund, schönes Auto wollten. Als wir nach fünf Stunden bergauf im knietiefen Schnee, seinen RottVor allem aber merkte ich, dass es bei mir ähnlich war. Dass ich mich weiler dabei, endlich den Chasseral erreichten, war ich bereits ziemlich gar nicht wirklich auf jemand neuen einlassen wollte, sondern unbeerschöpft und ein wenig ungehalten. Erst oben erzählte er mir, dass seiwusst meine eigenen Anstrengungen sabotierte. Und das war unfair, ne Wanderkarte schon 20 Jahre alt sei. Als wir dann im Dunkeln den auch den Männern gegenüber. Diesem Problem war mit einem Blind DaWald hinuntergestürmt waren, fuhr kein Bus mehr, und niemand wollte nicht beizukommen. Da gab ich auf. te uns im Auto mitnehmen – wegen des grossen Hundes. Ehrlich gesagt, mochte ich den Hund. Ich war froh, dass er dabei war. Er erzählte, im Härtetest Kind Gegensatz zu seinem Herrchen, auch nicht so viel Negatives über seine Wenn heute ein Mann, den ich im Umfeld kennengelernt habe, meiEx-Freundin. ne Küche betritt, dann beobachten ihn ohnehin die Kinder. Besonders Die Kinder hatte ich bisher weitgehend aussen vor gelassen. Ich traf die, die mir gefallen, müssen sich manchmal bohrende Fragen und mich nur allein, das war schon kompliziert genug. Doch beim nächsten schnippisches Verhalten gefallen lassen. Die hingegen, an denen ich Date musste ich aus Termingründen meine ältere Tochter mitnehmen. kein Interesse habe, bei denen sind sie instinktiv tolerant und freundAuf dem Parkplatz stieg Bernhard aus seinem silbernen Sportwagen und lich. Ich kann nicht sagen, dass ich diese Art der Selektion wirklich begrüsste uns schüchtern. Als wir später nach Hause fuhren, meinte empfehlen kann. Aber allen meinen alleinerziehenden Freundinnen meine Tochter zu mir: «Mama, der?! Der passt doch gar nicht zu dir. geht es genauso. Und vielleicht ist die Reaktion eines Kindes als Spiegel Aber schönes Auto.» des eigenen Verhaltens nicht der schlechteste Filter? Wer das als Mann Es zählen schliesslich die inneren Werte, dachte ich. Doch der achdurchsteht, muss zwar immer noch nicht passen. Aber ist schon ziemte Mann, den ich traf, war – ich kann es nicht anders sagen – ein Halolich weit gekommen. dri. Er chattete mich an, und es dauerte keine drei Zeilen, da ging es Seitdem verdient meine Tochter ihr Taschengeld damit, bei Männerschon um das Eine. Und das konsequent. Obwohl ich eigentlich sofort besuch nachher einfach nur den Daumen rauf oder runter zu halten. wusste, in welche Kategorie er passte, ging von ihm etwas unverschämt Daumen nach oben bedeutet: Kann wiederkommen. So wie das Orakel Verführerisches aus. ER wollte unbedingt, dass wir uns treffen. Wenn von Delphi. Das heisst zwar nicht, dass sie sich nicht auch einmal irrt, ich konkret nachfragte, hielt er mich hin. Er war beim Militär, und so und dass ich immer auf sie höre. Aber bekanntlich haben die Griechen war auch seine Strategie: In Deckung bleiben und auf den richtigen Moja auch nicht immer gehört und nun viel Lehrgeld bezahlt. Und trotzment für den Angriff warten. Meine Schwäche wusste er sofort auszudem ein paar gute Jahre gehabt. nutzen: Er sah gut aus und machte mich neugierig. Er hätte nur mittags ■ Zeit – da wäre er in der Stadt und könne schnell bei mir auf einen Kaffee vorbeikommen. Vorsichtshalber sagte ich meiner Freundin im Haus Bescheid. Der Mann liess sich an meinem Küchentisch nieder und beobachtete mich. Meinen Versuch, ein Gespräch zu führen, liess er unbeeindruckt an sich abprallen. Nach 20 Minuten schob er die Kaffeetasse weg, SURPRISE 275/12

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BILD: GUIDO SÜESS

Wörter von Pörtner Luxusprobleme Vor Kurzem besuchte ich eine Veranstaltung, die etwas länger dauerte. Es war an einem Freitagabend. Bis ich mich auf den Heimweg machte, war schon ziemlich Samstagmorgen. Ich wollte ein Taxi nehmen, hatte aber nur eine frisch vom Automaten gezogene Zweihunderternote im Sack. Am Freitagabend sind die Taxis gut ausgelastet und so dauerte es eine Weile, bis eines anhielt. Ich fragte den Fahrer, ob er meine grosse Note wechseln konnte. Die Fahrt hätte circa 30 Franken gekostet. Er konnte nicht. Vielleicht hatte seine Schicht eben erst begonnen, vielleicht hatten schon zu viele mit grossen Noten bezahlt. Ich fragte nicht weiter, sondern machte mich, mit Blumenstrauss und Portweinflasche, die mir an dem Anlas überreicht worden waren, zu Fuss auf den Weg. Ich ärgerte mich nicht darüber, abgewiesen worden zu sein, sondern sin-

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nierte, wie jedes Lebensalter seine Tücken birgt. Als ich jung war, konnte ich mir kein Taxi leisten oder hatte um diese Zeit stets die ganze Barschaft vertrunken. Nun hatte ich Geld, bares gar, und musste trotzdem zu Fuss gehen. Doch schon nach einer kurzen Strecke konnte von Müssen keine Rede mehr sein. Der Fussmarsch wirkte erfrischend, die Nacht war kühl und ich beschloss, gar nicht mehr nach Taxis Ausschau zu halten, sondern den ganzen Weg zu gehen. Dieser führte quer durch die Stadt, dem Fluss entlang zum See und ich staunte, wie hübsch die Stadt doch bei Nacht ist. Am See scheuchte ich ein paar Enten auf, die quakend über die Wiese watschelten. Ein leichter Regen setzte ein, der mich nicht störte. In ein paar Monaten wäre hier an einem Freitagabend wahrscheinlich Rambazamba, die Wiese belegt und die Enten geflüchtet. Vereinzelte Nachtschwärmer standen noch immer vor angesagten Clubs, ich nahm sie von Weitem wahr. Sie würden wahrscheinlich mit dem Taxi heimfahren. Am Rand meines Quartiers studierte ich im Schaufenster eines Haushaltwarengeschäfts einen herabgesetzten Werkzeugkoffer. Nach einer Stunde erreichte ich mein Zuhause. Ich war gut ausgelüftet und hatte die grosszügig genossenen Getränke gut verdaut. Mir wurde bewusst, dass eigentlich nicht das Taxifahren ein Luxus war, sondern das ZuFuss-Gehen. Ein Luxus, dem ich in Zukunft öf-

ter frönen werde. In einer reichen, geschäftigen Stadt wie Zürich können sich viele Leute Taxis leisten, aber nur wenige, für eine simple Wegstrecke eine Stunde aufzuwenden, wenn sie sich in einem Bruchteil der Zeit bewältigen lässt. Luxus ist auch, in einer Stadt zu wohnen, in der man von einem Stadtrand zum anderen zu Fuss gelangen kann. Am Sonntag war ich ausgeschlafen und hörte entfernt die Lautsprecherdurchsagen des Marathons, der an diesem Tag stattfand. Ich fragte mich, wie viele der Läufer wohl ihre täglichen Wegstrecken zu Fuss zurücklegten. In Strassenkleidung mit Strassenschuhen. Wahrscheinlich wenige, denn im Gegensatz zum Laufen, dass von Dynamik, Leistungs- und Willenskraft zeugt, hängt dem Gehen der Ruch des Müssigen, des Schlendrians und Unproduktiven an. Dafür haben Marathonläufer keine Zeit. Luxus können sich eben nur wenige leisten.

STEPHAN PÖRTNER (STPOERTNER@LYCOS.COM) ILLUSTRATION: MILENA SCHÄRER (MILENA.SCHAERER@GMX.CH) SURPRISE 275/12


Offspaces An der Basis An den internationalen Kunstmessen werden Werke für mehrere Tausend Dollar verkauft. Die neuen Ideen entstehen aber dort, wo es Platz für Experimente hat: zum Beispiel in unabhängigen Kunsträumen.

Es gibt diese leer stehenden Ladenlokale, wo spätabends manchmal zehn, zwanzig Leute auf dem Fensterbrett des Schaufensters herumsitzen; irgendjemand performt, und wer im Vorbeigehen hineinblickt, ist sich nicht ganz sicher, ob der Kunstevent da drin öffentlich ist oder privat. Es handelt sich dabei vermutlich um einen Offspace. New Jerseyy ist ein solcher, nahe der französischen Grenze in Basel, verborgen hinter einem Baugerüst. «Eine Szene spricht eine Sprache, die nicht allen zugänglich ist. Das kann man kritisieren», sagt Daniel Baumann, der zusammen mit drei Künstlern und einem Grafiker den Kunstraum betreibt, «wenn man alles vermitteln und erklären wollte, würde es die Dynamik wieder bremsen. Das ist eine Frage der Ressourcen, aber wir fordern von den Leuten auch, dass sie selber denken.» Die Mittel sind knapp, das Tempo schnell. Pro Monat werden zwei Ausstellungen gezeigt, und das Budget beträgt 3000 bis 4000 Franken pro Ausstellung für Material, Anreise, Unterkunft des Künstlers und Bier zur Eröffnung. Löhne gibts nicht. Überreste der letzten Ausstellung sind auf einem Teppich ausgebreitet. Ein Teddybär, Sitzhocker, Topfpflanzen, ein Osterhase. Der Raum ist vielleicht 35 Quadratmeter gross, kahl, ohne Eleganz, ohne Vorgaben, und er scheint zu warten, was mit ihm passiert. Ein unabhängiger Kunstraum ist nicht kommerziell. Er kann Sprungbrett für Künstler und Kuratoren sein, aber auch für namhafte Künstler sind die unabhängigen Kunsträume interessante Experimentierfelder. Rob Pruitt, der für Jimmy Choo schon Schuhe designt hat, machte hier einen Pandabärflohmarkt, John Armleder und Walter Pfeiffer waren auch schon da. «Galerien haben ihr Programm mit einem Künstler, den sie vertreten und in den sie investieren. Wir vertreten keine Künstler, sondern eine Haltung», sagt Baumann, «uns interessieren Leute, die Sachen anders denken, die sie schnell denken, elegant und überraschend.» Daniel Baumann selbst ist Kurator und Kunsthistoriker und war Leiter des Kunstprojekts «Kunsttangente», mit der der Kanton Basel-Stadt den Bau einer Stadtautobahn begleiten liess. Vor drei bis vier Jahren war Basel ein ödes Pflaster, was unabhängige Kunsträume betraf, ein «riesiger Wasserkopf mit grossen Institutionen», so Baumann, aber ein Biotop für neue Ideen existierte kaum. Mit New Jerseyy, Oslo 10, deuxpiece oder S.A.L.T.S. begannen auch in Basel die unabhängigen Kunsträume zu boomen. In Bern existiert seit 2004 Marks Blond. Daniel Suter, der ihn betreibt, trägt die Kunst in den Alltag: «Wir bauten einen Kiosk um und machten die Ausstellungen wöchentlich. Mit einer enormen Geschwindigkeit. Dem Prozess kam mehr Bedeutung zu als der Ausstellung.» Beim unabhängigen Kunstraum – «Basisraum» nennt ihn Suter am liebsten – sei es wesentlich, dass er zwischen den Institutionen, den Kunsthallen, MuSURPRISE 275/12

BILD: DAVID AEBI

VON DIANA FREI

Private Einladung? Nein! Kunsthappening bei Marks Blond.

seen und kommerziellen Galerien stehe. Schon im 19. Jahrhundert schufen die Künstler, die nicht in die Salons eingeladen wurden, alternative Strukturen. «Die Kunsthallen, die heute sehr etabliert sind, hatten gewissermassen auch einen Offstatus», sagt er. Suter ist Präsident von OffOff, einem Netzwerk von gegen 60 Kunsträumen schweizweit, das sich kulturpolitisch engagiert. Das Kulturfördergesetz wird derzeit umgebaut. Aufgaben werden, vielleicht nicht nur zum Besten, vom Bundesamt für Kultur zur Pro Helvetia verlagert, bereits wurden Subventionen gestrichen. Sutter versteht OffOff als eine Art Gewerkschaft, und dabei geht es ihm nicht nur um Fördergelder, sondern um eine Haltung: «In den 60ern war die Kunst politisch, gesellschaftskritisch. In den letzten 20 bis 25 Jahren hat der Markt enorm an Einfluss gewonnen. All die Kunstmessen, die Sammler und die Kunst als Wertanlage sind bestimmend geworden, und wer von der Kunst leben will, fokussiert sich darauf.» Daniel Suter will, dass die Künstler wieder politischer werden, autonomer. Im Juni zieht die ART Basel wieder die internationale Kunstwelt und das grosse Geld an. Und doch, sagt Daniel Baumann vom New Jerseyy, schwärmen gerade dann die Kunstinteressierten auch zu den Offspaces aus. Und erholen sich dort, wo das Geld für Kataloge fehlt und man selber denken muss, von den Cüpli-Anlässen. ■ www.newjerseyy.ch www.marksblond.com www.offoff.ch

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Kulturtipps

Endlich ein Mädchen, das keine Pferde stiehlt, sondern mit einem starken Stier philosophiert.

Immer schön nach Lehrbuch: Rache auf Japanisch.

Buch In Geschichten wohnen

DVD Denn sie wissen, was sie tun

In zwölf poetischen Erzählungen nehmen uns Jürg Schubiger und Jutta Bauer mit auf eine leichtfüssig-philosophische Reise durch Welt und Leben.

Als ihre vierjährige Tochter im Pool der Schule tot aufgefunden wird, ist Lehrerin Moriguchi überzeugt, dass einige ihrer Schüler Schuld tragen. Die japanische Buchverfilmung «Geständnisse» ist ein kompromissloser psychologischer Thriller.

VON CHRISTOPHER ZIMMER VON NILS KELLER

Das kleine Mädchen macht sich auf in die «runde Welt», um nach «Überall» zu kommen. Doch dafür braucht sie Hilfe, denn Überall ist zwar leicht zu finden, aber auch leicht zu verpassen. Sie trifft auf den wilden Wolf, den starken Stier und die grosse Frau. Dann gibt es da noch einen Papagei, der kommt und geht und aus dem niemand schlau wird, und die Puppe Bianca Bernasconi, die im Rucksack des kleinen Mädchens wohnt und dort ihr stummes Puppengeheimnis hütet. Alle diese Figuren sind frei. Sie können sich auch mal eine Auszeit nehmen. Wichtig ist nur, dass sie da sind, wenn sie gebraucht werden. Und alle diese Figuren wissen, dass sie Teil einer Geschichte sind. Sie werden nicht nur erzählt, sondern nehmen aktiv am Erzählen teil, machen sich zurecht wie zu einer Reise, denn «eine Geschichte betritt man wie durch eine Tür, man wohnt eine Weile darin, man liebt, man leidet, man lacht und so fort, und dann verlässt man die Geschichte wieder». Gemeinsam fahren die Protagonisten nach Paris, wo dem Wolf auf dem Mona-Lisa-Bild vor allem die Landschaft gefällt – nur die Frau davor stört. Sie gehen baden und auf einen Kostümball, steigen auf einen Berg und beobachten die Wolkengestalten, oder spielen zur Weihnacht das Krippenspiel mit verteilten Rollen. Und dabei denken sie über ihre Namen nach, erzählen einander Geschichten aus ihrem Leben, reden vom Sterben oder streiten sich darüber, ob Robinson Crusoes Gefährte Freitag, Samstag, Sonntag oder Januar hiess. «Eine ziemlich philosophische Geschichte» lautet der Untertitel dieses schmalen Büchleins von Jürg Schubiger (Text) und Jutta Bauer (Bilder), denn es geht unter- und nicht vordergründig oder gar aufdringlich auch um Philosophie. Aber um eine, so leicht, bunt und windverspielt wie ein Luftballon. Eine grosse Kunst ist das, die die beiden vielfach Ausgezeichneten (u.a. mit der Hans-Christian-Andersen-Medaille, dem Nobelpreis der Kinder- und Jugendliteratur) auf bewundernswerte Weise beherrschen. Eine Kunst, bei der sich die Frage nach dem Alter der Lesenden nicht stellt, weil sie ein Leben lang berührt. Jürg Schubiger, Jutta Bauer: «Überall ist leicht zu verpassen. Eine ziemlich philoso-

An ihrem letzten Arbeitstag schreitet die Lehrerin Yuko Moriguchi scheinbar geistesabwesend durch das Klassenzimmer, in dem die 13Jährigen die verordnete Milch trinken, SMS schreiben und sich langweilen. Das Desinteresse legt sich, als sie auf den Tod ihrer Tochter zu sprechen kommt: Sie ist überzeugt, dass es kein Unfall war, sondern beschuldigt zwei ihrer Schüler des Mordes. Da das japanische Gesetz jedoch Minderjährige schützt, geht es ihr dabei nicht um juristische Gerechtigkeit. Gegen Ende ihres Monologs holt die Lehrerin zum Paukenschlag aus: Sie erklärt, sie habe die Milchportionen der zwei Beschuldigten mit etwas Blut ihres HIV-infizierten Partners angereichert, und die zwei hätten nun drei Monate Zeit, die Flüchtigkeit des Lebens schätzen zu lernen. Tumult, Gekreische, zwei zusammenbrechende Schüler – und selbst für die Zuschauer stellt sich Überforderung ein. Doch dies ist erst der Anfang des Dramas. Nun folgen weitere Geständnisse verschiedenster Beteiligter, die uns aus verschiedenen Blickwinkeln an den darauf folgenden Monaten teilhaben lassen: Die Mutter des einen Täters muss mit ansehen, wie ihr geliebter Sohn langsam den Verstand verliert. Der Ersatzlehrer – von allen im Unwissen gelassen – versucht in naivem Eifer gute Stimmung zu verbreiten und feuert dadurch die unterschwellige Panik weiter an. «Geständnisse» von Regisseur Tetsuya Nakashima kam bei der OscarVerleihung 2011 auf die Shortlist für den besten fremdsprachigen Film und verpasste die Nomination nur knapp. Er enthält wohl Klischees japanischer Filme: ein Soundtrack aus Popsongs, Teenager in Schuluniformen und stilisierte Blutspritzer. Doch steht diese Bilderflut im Kontrast zur Verzweiflung, die Täter wie Opfer gefangen hält. So entsteht eine visuell berauschende und psychologisch ergreifende Geisterbahnfahrt – an deren Ende das ferne Licht der Erlösung leuchtet. Eine trügerische Hoffnung in einer Welt, in der von allen – ob schuldig oder nicht – gesagt werden kann, dass sie wohl wissen, was sie tun.

phische Geschichte.» Jacoby & Stuart 2012. Fr. 24.90

Tetsuya Nakashima: «Geständnisse»/«Kokuhaku» (Japan 2010), 106 Min., mit Takako Matsu u. a., Japanisch, Deutsch, deutsche Untertitel, Extras: Making-of.

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Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.

Fern von Zürich: Sivan auf Besuch in der Heimat.

Führung Mit dem Teller auf dem Kopf Sivan führt Besucher durch jüdische Quartiere in Zürich. Die junge Kinderbetreuerin scheut keine Diskussion und hat genug Gesprächsstoff für ein ganzes jüdisches Jahr.

01

Inova Management AG, Wollerau

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Grenzenlos GmbH, Binningen

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projectway GmbH, Köniz

04

Balcart AG, Carton Ideen Lösungen, Therwil

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Gemeinnütziger Frauenverein Nidau

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Velo-Oase Bestgen, Baar

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Arbeitssicherheit Zehnder GmbH, Otterbach

08

fast4meter, storytelling, Bern

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Scherrer & Partner GmbH, Basel

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Brockenstube des Reformierten Frauenvereins

VON FABIENNE SCHMUKI

«Trägt dein Vater auch einen Teller auf dem Kopf? Und hat er auch diese Löckchen?» Fragen wie diese hat Sivan schon zuhauf beantwortet – schliesslich weiss sie, dass einige jüdische Traditionen auf Nichtjuden seltsam wirken mögen. Im Mai und Juni wird die 18-jährige Sivan dreimal die sogenannte Pickeltour der Stadt Zürich leiten. Pickeltouren sind Stadtführungen, auf denen junge Erwachsene ihr ganz persönliches Zürich zeigen. Und wenn es um das Thema Gemeinschaft geht, ist Sivan Expertin: Ob in der Familie, in der jüdischen Jugendbewegung Hashomer Hatzair (kurz Shomer, vergleichbar mit den Pfadfindern) oder in ihrer Ausbildung zur Kinderbetreuerin – Sivan kennt und liebt den Dialog, den Austausch in der Gruppe und den Halt, den ihr verschiedene Gemeinschaften geben. Sivan führt durch das jüdische Zürich. Sie ist eine von fast 9000 Juden, die in der Stadt wohnen und auf eine lange Geschichte zurückblicken können. Sivan führt vorbei an der Jüdischen Schule Noam und an weiteren Stationen, die für ihr Leben von Bedeutung sind. Dabei erzählt sie Geschichten aus ihrer Jugend und Kindheit – es sind viel zu viele für diesen kurzen Text, doch nur eine schon macht «gluschtig» auf diese Pickeltour: Sivan, die erst mit fünf Jahren in die Schweiz kam, weigerte sich anfänglich, Schweizerdeutsch zu sprechen. Also freundete sie sich im Kindergarten mit einem türkischen Mädchen an, obwohl sie Hebräisch sprach und ihre Freundin Türkisch. Sivans Eltern liessen ihren drei Kindern schon immer die Freiheit, selber darüber zu entscheiden, wie stark der jüdische Glauben auf ihr Leben Einfluss nehmen sollte. «Ich darf am Samstag Auto fahren und das Licht an- und ausschalten», scherzt sie, «nur das Familienessen am Freitagabend hat bei uns wirklich Tradition.» Sivans Geschichten scheinen die Zürcher und Zürcherinnen neugierig zu machen: Der Rundgang vom 24. Mai ist bereits ausgebucht, zwei weitere finden im Juni statt.

Aesch-Pfeffingen 11

Klinik Sonnenhalde AG, Riehen

12

Schweiz. Tropen- und Public Health-Institut, BS

13

Migros Zürich, Kulturprozent

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Psychiatrische Dienste Aargau AG (PDAG)

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Locher, Schwittay Gebäudetechnik GmbH, BS

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Weingut Rütihof, Uerikon

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AnyWeb AG, Zürich

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Niederer, Kraft & Frey, Zürich

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Musikschule archemusia, Basel

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Paulus-Akademie Zürich

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Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich

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Thommen ASIC-Design, Zürich

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BEVBE Ingenieurbüro, Bonstetten

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homegate AG, Adliswil

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ratatat – freies Kreativteam

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

«Shomer und die Kinderkrippe – Gemeinschaft gross geschrieben!» Do., 24. Mai (ausgebucht) und Do., 21. und 28. Juni 2012, jeweils 18 Uhr. Frühzeitige Anmeldung erforderlich unter www.stadt-zuerich.ch/pickeltouren

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BILD: JACOB BLICKENSTAFF

BILD: ZVG ZBIGNIEW RYBCZYNSKI

Ausgehtipps

Disco Queen und der Digitaltechniker: Fiji.

Konkurrenzlos: Sharon Jones & The Dap-Kings.

Auf Tour Lässige Extravaganz

Auf Tour Soul, Mama Langsam reichts mit all dem auf alt getrimmten Soul-Gedöns. Schön, durften auch Nachgeborene diese Sorte Schmerz und Euphorie erfahren, aber grad jede Saison noch einen neuen Neo-Souler brauchts wirklich nicht. Schliesslich gibts Sharon Jones & The Dap-Kings, die diese Retrowelle vor zehn Jahren losgetreten haben. Und die Truppe aus New York ist in Sachen Groove und Feeling schlicht konkurrenzlos. Mittlerweile dürfte es sich ja herumgesprochen haben, dass es die Dap-Kings waren, die auf «Back To Black» von Amy Winehouse für die Musik sorgten. Was aber an sich nebensächlich ist, denn am besten klingt das Oktett mit Sharon Jones am Mikrofon. Bevor Ihnen also funky Bläser und butterweiche Basslinien endgültig zu den Ohren raushängen: Ziehen Sie sich die Mama des Neo-Soul rein. (ash)

14. VIDEOEX — Internationales Experimentalfilm &

Nicht schlecht für eine Schweizer Band – wer noch immer derart über einheimisches Musikschaffen parliert, offenbart sich als Ignorant. Längst operiert eine ganze Reihe hiesiger Musiker auf internationalem Niveau. Was allerdings lange fehlte: eine CH-Band, die echten Glamour unter die Discokugel bringt. Seit 2006 Fiji die Tanzfläche betraten, ist das anders. Der Synthiepop des Berner Duos klingt kühl und doch verführerisch, tanzbar und auch verträumt. Simon Schüttel sorgt für die Musik, die 80er-Pop mit den Möglichkeiten der zeitgenössischen Digitaltechnik verbindet. Sinn und Sex verleiht Fiji aber Sängerin Simone de Lorenzi. Sie kann gurren wie Alison Goldfrapp und knurren wie Grace Jones – nachzuhören auf dem neuen Album «Spell On Me». Und live verwandelt sich die Bundesangestellte zur Disco Queen, die mit lässiger Extravaganz die Partypeople regiert. (ash)

Video Festival, 26. Mai bis 3. Juni, Kunstraum

Sa, 19. Mai, 22 Uhr, Kiff, Aarau;

Mi, 23. Mai, 20.30 Uhr, Usine, Genf.

Walcheturm, Kanonengasse 20, Zürich

Do, 24. Mai, 21 Uhr, Albani, Winterthur;

www.videoex.ch

Fr, 25. Mai, 23 Uhr, Hive, Zü rich;

«Tango» gewann 1983 einen Kurzfilm-Oscar.

Zürich Sehnervenkitzel Wenn es in Kuratorendeutsch heisst «losgelöst aus dem gewohnten narrativen Rahmen entfalten die Bilder ihre Bedeutungsgeflechte», dann will uns der Pressetext eigentlich sagen: Achtung, jetzt wirds wirr. Doch auch wirres Zeug hat seine Berechtigung. Hier haben wir Bilder, die uns an den Kopf geschmissen werden, statt dass sie Geschichten mit Anfang, Mitte und (zu allem Überdruss oft Happy) Ende erzählen, die uns lauter überflüssige Erklärungen aufs Auge drücken. Vielleicht kitzelt das den Sehnerv, vielleicht auch nicht. Aber es ist auf jeden Fall eine erholsame Erfahrung, wenn sich ein Film beim Bier danach nicht in drei Sätzen zusammenfassen lässt. (dif)

Mo, 21. Mai, 20 Uhr, Kaserne, Basel; Di, 22. Mai, 20 Uhr, Kaufleuten, Zürich;

Fr, 22. Juni, 22 Uhr, Frauenraum Reitschule, Bern.

Anzeigen:

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BILD: SHAHRAM ENTEKHABI: GOLDEN EDITION, 2010

BILD: SILAS KREIENBÜHL

Radio Beromünster ist zu neuem Leben erwacht.

Wotsch Mais? Popcorn im Stacheldraht.

Beromünster Kunst im Radiosender

Pfäffikon Kugelfisch, Kalaschnikow

Radio Beromünster ist legendär: Der «Landessender» wurde einst weit über die Grenzen der Schweiz für seine unabhängigen Informationen geschätzt – insbesondere im Zweiten Weltkrieg, als Beromünster als Gegenstimme zur Nazipropaganda in Deutschland, Österreich und im Warschauer Ghetto gehört wurde. Vor gut drei Jahren wurde der Sender geschlossen, die Zeit der Mittelwelle ist vorüber. Stattdessen schlug in Beromünster die Stunde der Kunst: Der international erfolgreiche Künstler Wetz initiierte den Umbau des Gebäudes zu einem Kunst- und Kulturzentrum mit verschiedenen Ausstellungsräumen. Dort sind nebst regionalen Künstlern auch internationale Grössen wie Roman Signer zu sehen. Jeweils sonntags kann man sich – ohne Anmeldung – einer Führung anschliessen, bei welcher einem sowohl die bewegte Geschichte des Hauses wie auch die aktuellen Ausstellungen gezeigt werden. (fer) Öffentliche Führungen durch KKLB (Kunst und Kultur im Landessender

Man spricht von Globalisierung und Öffnung der Welt und vergisst darüber, dass wir uns gleichzeitig immer stärker abgrenzen. Abschotten gegen alles, was da von draussen auf einen einstürmt. Da muss man sich verteidigen. Vorsorglich mal ein bisschen drohen, man kann aber auch einfach flüchten, sich anpassen, kooperieren oder die andern täuschen: Das sind die Strategien, die man sich zur Abwehr bereitlegen kann, finden die Macher der aktuellen Ausstellung im Vögele Kultur Zentrum. Sie versuchen, den Abwehrstrategien in Wirtschaft, Ökologie, Politik, Militär, Sport und Psychologie auf die Spur zu kommen: Auf Themeninseln begegnet man vom Kugelfisch bis zur Kalaschnikow so manchem Wehrhaften, um danach in den Zukunftsraum entlassen zu werden, wo die Bedrohungen der Zukunft auf einen warten und eine Art Denkfabrik eingerichtet ist. Ob es sinnvoll ist, in kugelsicherer Weste anzureisen, lässt der Pressetext offen. (dif)

Beromünster), mit spezieller Kinderführung, jeden Sonntag von 14 bis circa 15.30 Uhr,

«ABWEHR. Überlebensstrategien in Natur, Wirtschaft, Politik und Alltag»,

Anmeldung nicht erforderlich, Landessender 1-3, Beromünster, www.kklb.ch

noch bis zum 26. August, Vögele Kultur Zentrum, Gwattstrasse 14, Pfäffikon/SZ , Mi. bis So. 11 bis 17 Uhr, Do. bis 20 Uhr, Feiertage geöffnet: Auffahrt, Fronleichnam, Bundesfeiertag, Mariä Himmelfahrt www.voegelekultur.ch

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— www.theater-basel.ch, Tel. +41/(0)61-295 11 33 — SURPRISE 275/12

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Verkäuferporträt Auf dem Weg zur WM Edward Moisés Casarán (34) ist ein erfahrener Verkäufer. Bereits früher hat er in seiner Heimat als Strassenverkäufer und Prospekteverteiler gearbeitet. Hier verkauft der fröhliche Kolumbianer Surprise in Spiez und Interlaken.

«Ursprünglich komme ich aus Cali, der drittgrössten Stadt von Kolumbien. Da ich in armen Verhältnissen aufgewachsen bin, konnte ich keine Ausbildung machen und hing deshalb als Jugendlicher oft auf der Strasse herum. In der Langeweile fängt man da leicht an, Drogen zu konsumieren. Bei meinem ersten Versuch, weg von der Strasse und den Drogen zu kommen, haben mir Nonnen aus Deutschland geholfen. Später kam ich in ein Projekt mit Sozialarbeitern, wo zuerst mir geholfen wurde und ich nachher selbst die neu ankommenden Jugendlichen unterstützte. Weil ich aber mehrmals rückfällig wurde, beschloss ich mit 23, mein Leben zu ändern und an einem andern Ort neu anzufangen. Ich reiste Richtung Süden und landete im 400 Kilometer entfernten Quito, der Hauptstadt von Ecuador. In Quito ging es mir gut. Meinen Lebensunterhalt verdiente ich als Verkäufer. Nicht mit Strassenmagazinen wie hier, sondern einfach sonstigen Zeitschriften. In Ecuador kann man als Strassenhändler verschiedene Hefte kaufen und mit Gewinn wiederverkaufen. Dann habe ich auch eine Zeit lang in Bussen Süssigkeiten verkauft. Wenn ich finanziell knapp dran war, gaben mir vor allem religiöse Leute ein wenig Geld. Ich erzählte ihnen, wie mir Gott im Leben immer wieder geholfen hat. Der Glaube verbindet. Und dass man andern Leuten nach Möglichkeit helfen soll, sagen ja eigentlich alle Religionen. 2008 lernte ich in Ecuador eine Schweizerin kennen. Als sie zurück in der Schweiz war, schrieben wir uns viele E-Mails. Schliesslich lud sie mich in die Schweiz ein. Wegen der Aufenthaltsbewilligung war eigentlich ein Besuch von maximal drei Monaten geplant. Doch dann beschlossen wir, bald zu heiraten, und ich blieb in der Schweiz. Ich besuchte sofort einen Deutschkurs und fing kurze Zeit später an, bei einem Gemüsebauern zu arbeiten. Als meine Frau und ich im Winter 2011 für längere Zeit nach Kolumbien reisten, verliess ich die Stelle. Ich wollte nach unserer Rückkehr eine neue Arbeit suchen. Am Anfang sah es gut aus, ich hatte einen Job bei einem Hauswart in Aussicht, ging aber sicherheitshalber auch bei einem Landschaftsgärtner schnuppern. An beiden Orten wollten sie mich. Weil ich zuerst beim Hauswart war, entschied ich mich für ihn. Nach zwei Monaten fand der Chef, es gebe zu viele Missverständnisse zwischen uns, weil mein Deutsch noch nicht so gut war, und löste den Vertrag auf. Die Stelle beim Landschaftsgärtner war natürlich schon besetzt, und ich musste wieder anfangen zu suchen. Aber ich hatte Glück und fand relativ schnell Arbeit bei einem Sanitär-Heizungsinstallateur. Doch auch dort war nach einem Monat Schluss, weil ich mir beim Tragen eines schweren Radiators einen Rückenschaden holte. Durch die Rückenschmerzen war es nicht mehr so einfach, eine Stelle zu finden. Nach vielen frustrierenden Monaten der Arbeitslosigkeit erhielt ich dann den Tipp mit Surprise. Das ist eine Arbeit, die ich pro-

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BILD: IMO

AUFGEZEICHNET VON ISABEL MOSIMANN

blemlos machen kann – und sie liegt mir. Wie gesagt, habe ich ja schon in Südamerika als Magazinverkäufer auf der Strasse gearbeitet. Für immer möchte ich Surprise aber nicht verkaufen. Am liebsten würde ich noch eine Ausbildung machen, zum Beispiel eine Verkäuferlehre. Dann könnte ich meinen Lebensunterhalt besser verdienen. Ich bin noch jung, ich kann noch etwas lernen. Deshalb, und weil man für verschiedene Stellen den Führerschein braucht, bin ich jetzt auch an der Autoprüfung. Vor einiger Zeit haben meine Frau und ich entschieden, uns zu trennen, weil wir einfach zu verschieden sind. Nun suche ich also nicht nur Arbeit, sondern auch ein Zimmer. Es ist gerade eine harte Zeit. Aber ich vertraue darauf, dass mir Gott beisteht und hilft. Und schliesslich darf ich auch schöne Dinge erleben, wie zum Beispiel kürzlich das Turnier von Surprise Strassensport in Basel. Das hat mir sehr gefallen, denn: Kolumbianer lachen gerne, tanzen gerne und spielen leidenschaftlich gerne Fussball! Nun habe ich eine Einladung fürs Kader der Nationalmannschaft erhalten und hoffe fest, dass ich an der diesjährigen Strassenfussball-WM in Mexiko City teilnehmen darf.» ■ SURPRISE 275/12


Eine Chance für alle! Werden Sie Surprise-Götti oder -Gotte Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten als andere. Menschen, die sich aber wieder aufgerappelt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt Struktur und wieder einen Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Die Surprise-Strassenverkäuferinnen und -verkäufer helfen sich

Josiane Graner Basel

Ausserdem im Programm SurPlus: Marika Jonuzi, Basel Fatima Keranovic, Baselland Bob Ekoevi Koulekpato, Basel

selber. Das verdient Respekt und Unterstützung. Regelmässige Verkaufende werden von Surprise gezielt unterstützt. Die Teilnehmer am Programm SurPlus sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit). Mit der Programmteilnahme übernehmen die Surprise-Verkaufenden mehr Verantwortung; eine wesentliche Voraussetzung dafür, wieder fit für die Welt und den Arbeitsmarkt zu werden.

René Senn Zürich

Marlis Dietiker Olten

Jovanka Rogger, Zürich Jela Veraguth, Zürich Wolfgang Kreibich, Basel Kurt Brügger, Basel

Anja Uehlinger, Baden Andreas Ammann, Bern Tatjana Georgievska, Basel Peter Gamma, Basel

Ja, ich werde Götti/Gotte von: 1 Jahr: 6000 Franken

1/2 Jahr: 3000 Franken

1/4 Jahr: 1500 Franken

Vorname, Name

Telefon

Strasse

E-Mail

PLZ, Ort

Datum, Unterschrift

1 Monat: 500 Franken

275/12 Talon bitte senden oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch, PC-Konto 12-551455-3 SURPRISE 275/12

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Surprise ist: Hilfe zur Selbsthilfe Surprise hilft seit 1997 Menschen in sozialen Schwierigkeiten. Mit Programmen in den Bereichen Beschäftigung, Sport und Kultur fördert Surprise die soziale Selbständigkeit. Surprise hilft bei der Integration in den Arbeitsmarkt, bei der Klärung der Wohnsituation, bei den ersten Schritten raus aus der Schuldenfalle und entlastet so die Schweizer Sozialwerke.

Ich möchte Surprise abonnieren!

Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht von Armut und sozialer Benachteiligung betroffenen Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit für ihre Anliegen. Surprise beteiligt sich am Wandel der Gesellschaft und bezieht Stellung für soziale Gerechtigkeit. Strassenmagazin und Strassenverkauf Surprise gibt das vierzehntäglich erscheinende Strassenmagazin Surprise heraus. Dieses wird von einer professionellen Redaktion produziert, die auf ein Netz von qualifizierten Berufsjournalistinnen, Fotografen und Illustratorinnen zählen kann. Das Magazin wird fast ausschliesslich auf der Strasse verkauft. Rund dreihundert Menschen in der deutschen Schweiz, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten damit eine Tagesstruktur, verdienen eigenes Geld und gewinnen neues Selbstvertrauen.

24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.) Gönner-Abo für CHF 260.–

Geschenkabonnement für:

Sport und Kultur Surprise fördert die Integration auch mit Sport. In der Surprise Strassenfussball-Liga trainieren und spielen Teams aus der ganzen deutschen Schweiz regelmässig Fussball und kämpfen um den Schweizermeister-Titel sowie um die Teilnahme an den Weltmeisterschaften für sozial benachteiligte Menschen. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Chor. Gemeinsames Singen und öffentliche Auftritte ermöglichen Kontakte, Glücksmomente und Erfolgserlebnisse für Menschen, denen der gesellschaftliche Anschluss sonst erschwert ist. Finanzierung, Organisation und internationale Vernetzung Surprise ist unabhängig und erhält keine staatlichen Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle anderen Angebote wie die Betreuung der Verkaufenden, die Sportund Kulturprogramme ist Surprise auf Spenden, auf Sponsoren und Zuwendungen von Stiftungen angewiesen. Surprise ist eine nicht gewinnorientierte soziale Institution. Die Geschäfte werden vom Verein Surprise geführt, die vom gemeinnützigen Verein Strassenmagazin Surprise kontrolliert wird. Surprise ist führendes Mitglied des Internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP) mit Sitz in Glasgow, Schottland. Derzeit gehören dem Verband über 100 Strassenzeitungen in 40 Ländern an.

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Datum, Unterschrift 275/12 Bitte heraustrennen und schicken oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch

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Herausgeber Verein Surprise, Postfach, 4003 Basel www.vereinsurprise.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Do T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 info@vereinsurprise.ch Geschäftsführung Paola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (stv. GL) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@vereinsurprise.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Reto Aschwanden, Florian Blumer(Nummernverantwortlicher), Diana Frei, Mena Kost redaktion@vereinsurprise.ch Ständige Mitarbeit texakt.ch (Korrektorat), Yvonne Kunz, Delia Lenoir, Irene Meier, Stephan Pörtner, Milena Schärer, Isabella Seemann, Priska Wenger, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Khaled Al-Hariri, Milena Caderas, Holger Hansen, Oliver Holmes, Nils Keller, Birgit Ludwig, Sarah Marsh, Christof Moser, Isabel Mosimann, Hansueli Schärer, Fabienne Schmuki Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 15000, Abonnemente CHF 189.–, 24 Ex./Jahr Marketing, Fundraising T +41 61 564 90 61

Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83, M +41 79 428 97 27 Claudia Pleuss, Patrick Würmli, Spalentorweg 20, 4051 Basel, basel@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Zürich T +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12 Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, zuerich@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02 Andrea Blaser, Alfred Maurer, Bruno Schäfer, Pappelweg 21, 3013 Bern, bern@vereinsurprise.ch Strassenchor T +41 61 564 90 40, F +41 61 564 90 99 Paloma Selma, p.selma@vereinsurprise.ch Strassensport T +41 61 564 90 10, F +41 61 564 90 99 Lavinia Biert (Leitung), Olivier Joliat, David Möller l.biert@vereinsurprise.ch, www.strassensport.ch Vereinspräsident Peter Aebersold Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird von der Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt. Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen. SURPRISE 275/12


Ist gut. Kaufen! Wer etwas verkauft, braucht Geld. Schlichte Wahrheit – gute Sache. Denn 50 Prozent des Verkaufspreises kommt Surprise zugute. Alle Preise exkl. Versandkosten.

Surprise Zeitungs-Taschen (34 x 36 cm); CHF 37.50 neon-orange schwarz

Surprise City-Taschen (24,5 x 35,5 cm); CHF 40.– rot blau schwarz

Vorname, Name

Telefon

Strasse

E-Mail

PLZ, Ort

Datum, Unterschrift

Surprise Rucksäcke (32 x 40 cm); CHF 89.– schwarz rot

275/12

*gemäss Basic 2008-2. Seite bitteMACH heraustrennen und schicken oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch

Dazu passend: Leichtes T-Shirt, 100%Baumwolle, für Gross und Klein.

Schön und gut. Grosses Badetuch 100 x 180 cm aus sehr langlebigem Zwirngarn, 100% handgepflückte Baumwolle. Mit Surprise-Logo eingewebt und von A bis Z in der Schweiz hergestellt. Vorder- und Rückseite verschiedenfarbig: vorne kühles Aquablau, hinten heisses Rot.

Herren CHF 25.– S (schmal geschnitten) Kinder CHF 20.– XS S Alle Preise exkl. Versandkosten.

Strandtuch (100 x 180 cm) CHF 65.–

50 Prozent des Verkaufspreises kommt Surprise zugute.

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Macht stark.

www.vereinsurprise.ch â?˜ www.strassensport.ch â?˜ Spendenkonto PC 12-551455-3 Verein Surprise, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, Tel. 061 564 90 90, Fax 061 564 90 99


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