Surprise Strassenmagazin 277/12

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Schöner bauern Halbnackte Landwirte im Bauernkalender Humanitäre Schweiz? Wenn Flüchtlinge ewig warten

Auf eigenen Füssen stehen: eine Äthiopierin produziert Recycling-Schuhe

Nr. 277 | 15. bis 28. Juni 2012 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.


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*gemäss Basic 2008-2. Seite bitteMACH heraustrennen und schicken oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch

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Titelbild: Annette Boutellier

Editorial Status und Symbol BILD: ZVG

Wenn ich an Flüchtlinge denke, kommen mir seltsame Bilder in den Sinn. Afrikanische Kinder in zu kurzen Hosen, ihr Hab und Gut in einem Bündel über der Schulter. Menschen, die an einer Küste angespült werden, und solche, die im Meer vor Lampedusa ertrinken. Oder die Tamilen, die plötzlich im Quartier auftauchten, als ich noch in die Primarschule ging, und die mir fremd blieben. Die ich nur als «Flüchtlingswelle» in Erinnerung behalten habe, aber nicht als Menschen, mit denen ich je etwas zu tun gehabt hätte. Es sind Bilder, die weit weg angesiedelt sind, grob umrissen oder romantisiert wie aus einem Kinderbuch, das die Kleinen zum Mitleid erziehen soll. Mit Flüchtlingen hier und jetzt hat das alles jedenfalls nichts zu tun. Das könnte daran liegen, dass Flüchtlinge nicht in zu kurzen Hosen mit einem Bün- DIANA FREI del über der Schulter auf der Strasse sitzen. Sondern wie der Eritreer Kibrom in der REDAKTORIN Schweiz leben, hier und jetzt. Kibrom lebt und arbeitet in Bern und kann die unsichtbare Grenze zum normalen Schweizer Alltag trotzdem nicht überschreiten, weil ihm sein Flüchtlingsausweis das Erwerbsleben weitgehend verunmöglicht und ihm die Bewältigung des Alltags erschwert. Er ist auch nach zwölf Jahren noch ein «vorläufig Aufgenommener», Status F. Physisch und emotional längst angekommen, aber praktisch ein ewig Schiffbrüchiger, der auf seiner Insel hockt und wartet. Wörter sind Symbole, sie benennen Tatsachen, Handlungen, Objekte, Menschen. Wörter rufen bestimmte Bilder hervor. «Vorläufig aufgenommen», das ist wie minderjährig, aber ohne die Gewissheit, dass man am 18. Geburtstag eine Party schmeissen und fortan sein Leben selber in die Hand nehmen kann. Wieso schon der Begriff «vorläufige Aufnahme» die Realität verkennt und wieso die Asylpolitik oft unglaubwürdig wirkt, erklärt Migrationsrechtsexperte Alberto Achermann im Interview Seite 16. Auch beim Bauernkalender geht es um Status. Um den eines Berufsstandes, den man gern mit «Dreck und Gestank und so» in Verbindung bringt, wie Bauernsohn Mario Braun sagt. Der jüngeren Generation scheint ihr Selbstwert nicht aus ihrem Berufsstolz zu erwachsen, sondern daraus, ob hippe Medienprofis sie sexy finden. Dieses Gefühl kann einen jedenfalls beschleichen, wenn Redaktionskollegin Mena Kost einen Einblick in die Welt des Erotikkalender-Castings gibt. Halbnackt im Bauernkalender zu erscheinen, ist in der Landwirtschaft zum Statussymbol geworden. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre Diana Frei

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 Ihre Meinung! Bitte schicken Sie uns Ihre Anregungen oder Kritik: Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 70, redaktion@vereinsurprise.ch. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion behält sich vor, Briefe zu kürzen. SURPRISE 277/12

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10 Bauernkalender «Helden der Landwirtschaft» Das Geschäft mit der Erotik macht auch vor den Bauern nicht halt: Jedes Jahr nehmen rund 300 Landwirtssöhne und -töchter am Casting für den Bauernkalender teil. Mit rasierter Brust oder im besten BH versuchen sie sich einen Platz im Erotikkalender zu erkämpfen – und wollen so das Image ihres Berufsstandes aufbessern. Surprise hat zwei der Kandidaten ans Casting begleitet.

BILD: ANNETTE BOUTELLIER

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Inhalt Editorial Zu kurze Hosen Basteln für eine bessere Welt Auf Karton über Asphalt Aufgelesen Fröhliche Armut Zugerichtet Wie sagte schon Platon? Strassenchor Ohne Pauken und Trompeten Starverkäuferin Regula Weilenmann Kumar Porträt Eine Stimme für die Düfte Wörter von Pörtner Geschmacksbildung mit «Teleboy» Poetry Slam Slammer Hasler erzählt, Teil 2 Kulturtipps Ahmadinedschad spielt Tischtennis Ausgehtipps Gähnende Krokodile Verkäuferporträt Gospelsänger Projekt Surplus Eine Chance für alle! In eigener Sache Impressum INSP

14 Flüchtlinge Elend im gelobten Land BILD: ANNETTE BOUTELLIER

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Am 16. Juni wird der Flüchtlingstag begangen und es wird viel die Rede sein von der humanitären Tradition der Schweiz. Die Realität heute ist alles andere als human: Flüchtlinge sind Spielbälle von Politikern, die unsinnige Gesetzesverschärfungen beschliessen. Zwei Menschen, die seit Langem in der Schweiz leben, berichten vom Alltag mit einem unklaren Aufenthaltsstatus. Und der Migrationsrechtsexperte Alberto Achermann erklärt im Interview, warum auch die laufende Revision des Asylrechts nichts daran ändern wird, dass Asylsuchende per Gesetz in die Sozialhilfe gezwungen werden.

BILD: PHILIPP HEDEMANN

20 Äthiopien Coole Entwicklungshilfe Seit Kindheit hat die Äthiopierin Bethlehem Tilahun Alemu miterlebt, wie Milliarden von Dollar Entwicklungshilfe in ihr von Hungersnöten geschlagenes Land gepumpt wurden. Doch die Armut ist geblieben. Alemu nahm ihr Schicksal in die eigenen Hände: Mit Recyclingprodukten und zu fairen Löhnen lässt sie Schuhe produzieren, mit denen Hipster von New York bis Berlin durch die Gassen schlurfen. Eine Erfolgsgeschichte vom krisengeschüttelten Horn von Afrika.

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ILLUSTRATION: SIMON DREYFUS | WOMM

1. Nehmen Sie einen Wellkarton (als Abfallprodukt in Lebensmittel- und anderen Läden erhältlich), stehen Sie barfuss darauf und zeichnen eine Schuhsohle passend für Ihre Fussgrösse. Schneiden Sie diese für links und rechts in je doppelter Ausführung aus.

2. Schneiden Sie zwei Riemen aus einer Cornflakesschachtel aus (oder aus sonst einer Schachtel aus dünnem Karton), so 3 bis 5 cm breit und 25 bis 30 cm lang.

3. Biegen Sie die Riemen und kleben Sie sie auf eine der linken und eine der rechten Sohlen. Passen Sie die Länge Ihren Füssen an. Kleben Sie die zweite Sohle darauf.

4. Verzieren Sie die Riemchen nach Belieben. Einmal mehr: Seien Sie kreativ.

5. Und jetzt: Hinaus in den Frühling! (Sollte es mal ausnahmsweise nicht regnen.)

Basteln für eine bessere Welt In Äthiopien werden trendige Recycling-Slipper für Hipster in Berlin und New York hergestellt, und zwar mit Sohlen aus abgefahrenen Lastwagenpneus (siehe S. 20). Schön natürlich, wenn viele diese Schuhe übers Internet bestellen und damit die soziale Unternehmerin unterstützen. Nur, unsere noble Aufgabe ist es ja, die Welt bastelnd zu verbessern. Und weil Sie vielleicht nicht gerade abgefahrene Lastwagenpneus in der Garage stehen haben, hier die Kartonvariante. Macht Sie zum Trendsetter! SURPRISE 277/12

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Aufgelesen News aus den 90 Strassenmagazinen, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Am Abgrund Wien. «Da Augustin soi weidalebn!», steht kämpferisch in der neuesten Ausgabe der Strassenzeitung aus der österreichischen Hauptstadt. Die Verkäufe sind rückläufig, weil der Zeitungsverkauf systematisch eingedämmt werde, seit immer mehr Roma die Zeitung verkaufen. Augustin bekennt sich dennoch explizit zu den ungeliebten Einwanderern, wie er sich auch zu seinen afrikanischen Verkäufern bekannt hatte, als diese noch als Sündenböcke im Kreuzfeuer standen. Wir wünschen dem Augustin viel Glück!

Vorbild Strassenverkäufer London. «Ich habe dieses Magazin gekauft. Dasselbe sollten Sie tun», steht in grossen Lettern auf dem Titelbild der Mutter der Strassenmagazine, mit dem schematischen Bild eines Verkäufers, die in England in leuchtend roten Gilets auf der Strasse stehen. Im Editorial heisst es: «Wenn die Leute nach einem Beispiel suchen für eine positive, selbstverantwortliche Einstellung, die hilft, die Nation aus der ökonomischen Misere zu ziehen, dann wären sie nicht so schlecht beraten, unsere Verkäufer in den Fokus zu nehmen.»

Pförtner der Wahrheit Kiel. «Jeder Tag, an dem ich mich nicht gegen Armut engagiere, ist ein verlorener Tag», sagt Harry Belafonte, Urheber des «Banana Boat Songs» und Unicef-Botschafter. Und: «Künstler haben unvorstellbare Macht. Bedeutender als die Macht ist jedoch die Tatsache, dass Künstler die Pförtner am Tor zur Wahrheit sind.» Als Bürgerrechtler bekämpfte Belafonte unter anderem «das vorherrschende Klischee unter Weissen», dass Schwarze glücklich und fröhlich in ihrer Armut seien.

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Zugerichtet Auf zum Gericht! Ihre werte «Zugerichtet»-Kolumnistin wartet neulich am Zürcher Bezirksgericht seit 20 Minuten auf einen Angeklagten, weshalb sie sich ein paar launige Gedanken macht und in ein paar Zeitungen blättert. Dabei stelle ich fest, dass der New Yorker Bezirksrichter Jed Rakoff vor ein paar Monaten dasselbe Problem hatte wie ich gerade. Auch er wartete vergeblich auf eine Beschuldigte. Geteiltes Leid ist halbes Leid! Als weiterer Leidensgenosse tritt soeben der zuständige Zürcher Bezirksrichter erneut aus dem Gerichtssaal, stellt fest, dass es wohl nichts mehr wird mit der Verhandlung, schüttelt den Kopf und verschwindet wieder. Ich stelle mir Richter Rakoff vor, der, wie ich jetzt, da sass, in den Akten blätternd. Angeklagt ist die Bank Wegelin, wegen «Conspiracy». Die US-Justiz wirft Wegelin vor, amerikanischen Bürgern bei der Steuerhinterziehung geholfen zu haben. Ein neues Kapitel im bisher erst von Schweizer Seite ausgerufenen «War on Swiss Banks» wird – noch nicht geschrieben. Weil keiner auftaucht. Medienberichten zufolge begründete Wegelin ihr Fernbleiben damit, dass sie nicht korrekt vorgeladen worden sei. Beim zweiten Versuch liess Rakoff die St. Galler Kantonspolizei die Vorladung durch einen Zustellungsbeamten an Konrad Hummler aushändigen. In einem Presse-Communiqué versicherte darauf Wegelin, alles zu tun, um «die Angelegenheit im Rahmen respektvoller Kooperation mit den US-Behörden» zu bereinigen – um auch die zweite Anhörung platzen zu lassen. Man habe auf die Teilnahme verzichtet, da die Bank laut Schweizer Gesetz nicht verpflichtet sei, der Vorladung Folge zu

leisten. Hummler gilt jetzt nach US-Recht als flüchtig, offenbar wird ein Haftbefehl gegen den ehemaligen Wegelin-CEO geprüft. Was Philosoph Platon wohl dazu sagen würde? In seiner Zeit, auf den Marktplätzen der altgriechischen Polis, kam man freiwillig zusammen und hielt Gericht. Beschuldigte drängten oft sogar darauf, es sei zu richten. Selbstverständlich nahmen sie die Gelegenheit wahr, um ihre Sicht darzulegen! Aber auch um zuzuhören. Wenn die Gegenseite, die Richter und der Pöbel sprachen. Es ging darum, zusammenzukommen, zu debattieren, zu philosophieren – und dann Recht zu sprechen. Sicher interessanter und auch zielführender als die plumpen Taktierspielchen von namenlosen Wirtschaftsjuristen.

YVONNE KUNZ (YVONNE.KUNZ@GMAIL.COM) ILLUSTRATION: PRISKA WENGER (PRISKAWENGER@GMX.CH) SURPRISE 277/12


BILDER: SRO

Surprise Strassenchor Protestmarsch für Strassenmusik

Der Surprise Strassenchor will weniger Reglementierungen für alle Strassenmusiker. Unterstützt wurden diese

Martin Schütz, Sprecher des Basler Sicherheitsdepar-

Forderungen beim musikalischen Protestmarsch in Basel auch von der Musikakademie, dem Rockförderverein

tements, nimmt den offenen Brief vom Verein Surprise

RFV und Grossratsmitgliedern von BastA! und dem Jungen Grünen Bündnis.

an Regierungsrat Gass entgegen.

Nominieren Sie Ihren Starverkäufer! Schreiben Sie uns mit einer kurzen Begründung, welche/n Verkäufer/in Sie an dieser Stelle sehen möchten: Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 (0)61 564 90 99, redaktion@vereinsurprise.ch

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se-Geschäftsleiterin Paola Gallo überreichte einen offenen Brief an Regierungsrat Hanspeter Gass mit konkreten Vorschlägen zur Lockerung der im März eingeführten Vorschriften. So sollen die Beschränkung auf maximal vier Personen und Zwangspausen sowie Spielverbote an Haltestellen wieder aufgehoben werden. Denn so haben die Strassenmusikerinnen und -musiker kaum mehr die Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Die offizielle Antwort fiel indes vage aus: «Der Interessenausgleich ist ein schwieriges Ziel», hiess es aus dem Sicherheitsdepartement. (sro) ■

Gemeinsam gegen die verschärften Regelungen: Grossrätin Sibel Arslan, Surprise-Strassenchor-Leiterin Ariane Rufino und der Rapper Greis.

BILD: ZVG

Musikalische Bereicherung oder nervende Lärmbelästigung? An der Strassenmusik scheiden sich die Geister. Dies wurde beim musikalischen Protestmarsch des Surprise Strassenchors am 6. Juni deutlich. Rund 50 Personen zogen mit Gesang und Trommeln durch die Basler Innenstadt, um gegen die verschärften Strassenmusik-Regelungen zu protestieren – unter ablehnenden Zurufen von Geschäftsleuten und Zustimmungsbekundungen von anderen Passanten und Strassenmusikern. Ziel des musikalischen Umzugs war das Justiz- und Sicherheitsdepartement am Fischmarkt. Surpri-

Starverkäuferin Regula Weilenmann Kumar Esther und Robert Sulzer aus Winterthur nominieren Regula Weilenmann Kumar als Starverkäuferin: «Wir kaufen unser Surprise stets bei Frau Weilenmann an der Marktgasse in Winterthur und freuen uns, wenn wir sie dort antreffen und ein paar Worte mit ihr wechseln können. Frau Weilenmann ist stets freundlich, gut gelaunt und versteht es, auf die Menschen zuzugehen, ohne aufdringlich zu sein. Wir schätzen ihre Arbeit bei Wind und Wetter sehr.

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Porträt Eine Frau geht ihrer Nase nach Yvonn Scherrer riecht sich durchs Leben. Und lässt mit ihrem soeben erschienenen «Nasbüechli» auch uns daran teilhaben. VON JULIA KONSTANTINIDIS (TEXT) UND LUCA CHRISTEN (BILD)

Yvonn Scherrers Gesicht verschwindet hinter einem Fächer aus dünnem Sandelholz mit filigranem Muster. Ihre Nase berührt das Accessoire, sie zieht die Luft tief ein: «Das ist ein schöner Duft – warm und gleichzeitig kühl. Wie eine Decke, die einen umhüllt.» Sie mag Harz, Hölzer und Natürlichkeit. Scherrers Leidenschaft sind die Düfte dieser Welt. Die Frau mit dem flammend roten Haarschopf erblindete als Baby und setzte ihre Nase schon früh ein, um ihre Umgebung wahrzunehmen. Sie ordnet Orte und Länder nach Gerüchen ein und erkennt die Gefühlslage ihrer Mitmenschen an deren Körpergeruch: «Der Geruch von Stress ist sehr unangenehm, er riecht nach Krankheit.» Dass sie ein besonders sensibles Riechorgan besitzt, ist ihr lange Zeit nicht aufgefallen: «Ich dachte, das sei bei allen so.» Doch Yvonn Scherrer redete über die Gerüche, die sie umgeben – so wurde sie sich bewusst, dass es bei Weitem nicht selbstverständlich ist, die Welt olfaktorisch wahrzunehmen. Sie hat auch erfahren, dass es in der sehenden Welt nicht besonders schicklich ist, über das zu sprechen, was in der Luft liegt. Schlimmer noch, dass es für die Welt der Düfte keine Sprache gibt. Nebst den Gerüchen spielt die Sprache eine grosse Rolle in Yvonn Scherrers Leben: Dank verschiedener Hilfsmittel und ihrer grossen Willenskraft ist es ihr möglich, zu 60 Prozent als Redaktorin bei Radio DRS 1 in Zürich zu arbeiten. Die Frau mit einem abgeschlossenen Theologieund Journalistikstudium lebt davon, Geschichten zu erzählen. Die Lust am Formulieren und Fabulieren machte auch vor ihrer Nase keinen Halt: «Ich spürte die Sehnsucht, über Düfte zu schreiben.» Um ihrer Welt der Gerüche eine Sprache zu geben, nahm sie letztes Jahr eine siebenmonatige Auszeit, in der das «Nasbüechli» entstand, mit dem sie zurzeit auf Lesetour ist. In Tagebuchform, auf Dialekt, schreibt Scherrer über ihre Sinneseindrücke und nimmt die Leserinnen und Leser mit auf Reisen in ferne Länder. In lautmalerischem Berndeutsch schreibt die Journalistin, die aus Münsingen bei Bern stammt, vom überwältigenden Duft der Rosenfelder in Bulgarien oder vom Geruch der seidenen Kleider, die sie in Peking anprobiert. Scherrer beschreibt aber auch den Geruch der Aare in Bern und erzählt von olfaktorischen Begegnungen mit Männern und Frauen. Es sind poetische, stimmungsvolle Texte, aber auch Zeugnisse von Gestank und Hässlichkeit. Wer etwa die Geschichte vom schwitzenden Mann im Flugzeug liest, schämt sich für dessen alles durchdringenden Schweissgeruch. «Für einzelne Personen, denen ich die Geschichten vorab zum Lesen gab, waren einige Texte fast unerträglich», bestätigt Scherrer. Trotzdem habe sie auch solche Geschichten erzählen wollen: «Die Nase ist ehrlich.» Die Wahrheit findet ihren Weg immer in die Nase, das hat Yvonn Scherrer auf ihren Reisen erfahren. Die Länder Osteuropas und Asiens

sind ihre bevorzugten Reiseziele: «Asien ist extrem – schön und schrecklich zugleich», erzählt Scherrer. Sie habe dort Erlebnisse gehabt, die sie beinahe zur Verzweiflung gebracht hätten, etwa in Burma: «Ich wurde fast ohnmächtig vom Gestank in den Strassen. Meine Begleiter bemerkten es und versorgten mich mit duftenden Jasminblüten.» Besonders angetan hat es Scherrer aber Bulgarien, das sie regelmässig bereist. «Das Land ist wie ein Parfüm, das nach Sommer riecht. Es hat für mich einen sehr weichen, molligen und trotzdem vitalisierenden Duft», schwärmt sie. Umso schwerer fällt es der feinfühligen Frau, von ihren Reisen wieder zurück in die Schweiz zu kehren: «Hier fühle ich mich nicht zu Hause, die Schweiz ist zu geruchlos.» Ganz auf intensive Dufterlebnisse muss Scherrer hier jedoch nicht verzichten: Seit einem Jahr bildet sie sich in Bern zur Aromatherapeutin aus. Sie glaubt an die lindernde Wirkung von Aromen – wenn sie richtig eingesetzt werden: «Düfte gehen direkt ins Stammhirn, das für

«Hier fühle ich mich nicht zu Hause, die Schweiz ist zu geruchlos.»

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das Erinnerungsvermögen zuständig ist, deshalb sind sie nicht für alle Menschen gleich.» Seit sich die neugierige Zeitgenossin auf professionelle Weise mit Aromen und Düften beschäftigt, fühlt sich Yvonn Scherrer richtiggehend befreit. «Meine Nase ist wie erlöst – endlich kann sie machen, wofür sie bestimmt ist.» Dass sie mit ihrem Wissen über die Wirkung von Aromen und Düften anderen Menschen etwas Gutes tun kann, erfüllt Yvonn Scherrer mit Zufriedenheit: «So kann ich den Menschen etwas zurückgeben.» Denn obwohl sie ein sehr eigenständiges Leben führt und mit Blindenführerhund Safir einen zuverlässigen Begleiter an ihrer Seite hat, ist sie immer wieder auf die Unterstützung anderer angewiesen. Die Gabe ihrer feinen Nase führt Yvonn Scherrer nicht ausschliesslich auf ihre Blindheit zurück. «In meiner Familie haben alle einen sehr guten Geruchssinn», erklärt sie. Es sind denn auch nicht unbedingt blinde Menschen, mit denen sich Scherrer über Düfte austauscht: «Ich kann mit Leuten, die gerne essen oder mit Wein zu tun haben, sehr gut darüber sprechen – Menschen, die für Genuss empfänglich sind.» Die Duftexpertin möchte ihr Riechvermögen weiter perfektionieren und sich nach der zweijährigen Ausbildung in Aromatherapie zur Parfümeurin – zur sogenannten «Nase» – ausbilden lassen. Zwar liegen zwischen diesen Disziplinen in der öffentlichen Wahrnehmung Welten. Für Scherrer ist der Übergang vom einen Beruf zum anderen jedoch fliessend. Was ihre Parfüms dereinst bewirken sollen, weiss sie jetzt schon: «Ich möchte gute Erinnerungen hervorholen. Ich will, dass sich die Menschen wohlfühlen mit ihren Düften. Und sie sollen so erfahren, wer sie selber sind.» Wenn sie sagt, welche Eigenschaften ihr bei einem Duft wichtig sind, ist es, als beschreibe sie sich selbst: schlank, geradlinig, mit Tiefgang. ■ SURPRISE 277/12


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Bauernkalender Zeigs mir, Landwirt! Für den Bauernkalender ziehen sich die angehenden Landwirte Mathias und Dunja bis auf die Unterwäsche aus. Sie wollen so das Image ihres Berufsstandes aufbessern. Die Macher des Erotikkalenders befeuern derweil Klischees.

VON MENA KOST (TEXT) UND ANNETTE BOUTELLIER (BILDER)

nung.» Die zierliche Frau trägt grosse Filzpantoffeln über ihren Arbeitsschuhen und ihre Brille ist leicht getönt. «Soll er doch. Ich bin zwar streng katholisch aufgewachsen und kenne die moralische Seite gut. Zum Glück bin ich ein offener Typ, ich habe kein Problem damit.» Sie zuckt mit den Achseln. Vom Flur her ist dröhnendes Geläut zu hören: Mathias – jetzt in Jeans, Sennenhemd und Appenzeller Gurt – schleppt eine enorme Treichel an der Küche vorbei Richtung Haustür. «Jeder Bewerber muss einen persönlichen Gegenstand zum Casting mitbringen», ruft er in die Küche. Auf dem Hofplatz steht sein dunkelgrüner Audi für die Abfahrt bereit. Er öffnet den Kofferraum, legt die Glocke hinein und streicht behutsam über das dunkle Metall. «Die habe ich beim 100. Zürcher Kantonalen Schwingertag 2010 gewonnen. Je weiter man kommt, desto grösser die Glocke», sagt er und blickt zu Boden. Vom Kuhstall her kommt sein Bruder Mario angeschlendert und lehnt sich an die Fahrertüre. Mit ratloser Miene beobachtet er Mathias – unterdessen hat er spitz gekriegt, was dieser vorhat: «Soll er doch», brummt der 15-Jährige und schüttelt den Kopf, «soll er doch!» Dann schaut er zum grossen Bruder auf: «Ich räum dir durchaus Chancen ein.» Mathi-

Die Wiesen um den Hof der Familie Braun im zürcherischen Gibswil sind gelb vor Löwenzahn. Schwarze und braune Kühe grasen, ein Jack Russell Terrier wetzt auf dem Pflastersteinplatz vor Pferdestall und Remise hin und her. Drei braune Ziegen meckern ins Postkartenidyll. «Heute Morgen habe ich meinem Bruder bei den Vorbereitungen für die Ziegenschau vom Zuchtverein Wald-Fischenthal geholfen. Bei uns auf dem Hof wird morgen eine Miss gekürt.» Mathias Braun sitzt am Tisch in der getäferten Bauernküche und erklärt, worauf es bei der Ziege ankommt: «Die Beine, also das Fundament, das Euter und das Fell werden bewertet. Zwei unserer Tiere nehmen am Wettbewerb teil.» Es ist halb neun Uhr morgens, Mathias ist frisch geduscht, und sein glatt rasiertes Gesicht glänzt mit den gegelten Haaren um die Wette. Mathias blickt an sich hinunter: bedrucktes T-Shirt, karierte kurze Hose, Turnschuhe. «Ich ziehe mich mal um, damit der Landwirt besser rüberkommt …» 22 Jahre, 181 Zentimeter, 80 Kilo, Haare und Augen braun, gelernter Polymechaniker und Landwirt in Ausbildung, Hobby: Schwingen, seit acht Jahren. Mit diesen Angaben und einem Foto hat sich Mathias vor ein paar Wochen um «Wir Landwirte können es auch zu etwas bringen, auf dem die Aufnahme in den Schweizer BauernkalenLand gibt es nicht nur Kühe und Mist.» der beworben. Die Konkurrenz um einen Platz im Erotikkalender ist gross: Rund 300 Bäuerinas betrachtet kurz seine Hände und stemmt sie dann zu Fäusten geballt nen und Bauern haben sich dieses Jahr gemeldet. Auch Mathias’ Freunin die Hüften: «Wo bleibt Dunja! Jetzt wirds dann aber Zeit.» din Dunja hat ein Foto von sich eingeschickt – und beide sind eine Runde weitergekommen: Heute ist das Paar mit 40 weiteren Ausziehwilligen Schweiss und Gel ans Casting auf den Erlebnisbauernhof Jucker Farmart am Pfäffikersee «Zum ersten Mal habe ich den Bauernkalender beim Nachbarn gegeladen. «Dunja kommt gleich, sie ist sich noch am Vorbereiten. Wir sehen, also den mit den Frauen. Gekauft hab ich ihn selber nie. Immer fahren gemeinsam zum Termin», sagt Mathias. nur angeschaut. Der Kalender ist sehr verbreitet in der Landwirtschaft», Während sich der «Bauernkalender Girls» grosser Beliebtheit erfreut erzählt Mathias. Er und Bruder Mario stehen noch immer beim Auto und jährlich 13 500 Mal verkauft wird, ist die einige Jahre jüngere und warten. So, wie der Kalender aufgebaut sei – mit einem Kurzpor«Boys»-Edition mit einer Auflage von 7500 Stück etwas weniger gefragt: trät des jeweiligen Monatsboys nämlich, sei er «gute Werbung für die Analog zu den Frauen posieren darin leicht bekleidete Bauernsöhne in Landwirtschaft». Das Wort «Bauer» kommt Mathias nicht über die Lipländlicher Umgebung, mit einer Ziege, einem Pferd oder allerhand pen, kein einziges Mal an diesem Tag. «Das tönt irgendwie weniger … Landwirtschaftsgerät, mit Grashalm im Mund unter dem früchtebeladeweniger … einfach weniger als Landwirt», findet er. Überhaupt: «Es nen Apfelbaum. Mathias schliesst die Augen: «Wenn ich wählen kann, gibt schon viele Vorurteile gegen uns.» Bruder Mario nickt. «So Dreck möchte ich mich gerne mit einer Kuh präsentieren.» und Gestank und so.» Dabei, und jetzt hebt Mathias die Brauen, sei das nicht berechtigt. Klar, die Städter seien sich Besseres gewöhnt – besseAppenzellergurt und Sennenhemd re ÖV-Verbindungen, mehr Läden, Diskos, aber: «Wir Landwirte könWährend Mathias sich umzieht, kommt seine Mutter Pia in die Künen es auch zu etwas bringen, auf dem Land gibt es nicht nur Kühe und che. Ja, diese Kalender-Sache. «Mir hat er’s vorgestern erzählt. Dem VaMist.» ter gestern Abend. Und der Bruder hat noch von gar nichts eine Ah-

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die locker auf dem Lenkrad liegt: Ein silberner Ring ziert den RingfinUnterdessen ist das Gel in Mathias’ Haaren getrocknet und ein helles ger. «Den haben wir uns aufs Einjährige geschenkt.» Dann fragt sie: Braun kommt zum Vorschein. Es ist warm und er hat Schweisstropfen «Hast du meine Glocke auch eingepackt?» Mathias murmelt: «Du meinst auf der Stirn: «Ich finde es gut, dass es auch einen Bauernkalender mit das Glöckli? Auch im Kofferraum.» Männern gibt. Die Frauen sollen nicht länger benachteiligt sein. Die sollen auch etwas zum Anschauen haben.» Ein Auto biegt schwungvoll auf den Hof«Wir haben heute grossartige Kandidaten hier, bodenständiplatz ein. Eine junge Frau, mit Taschen belage Typen. Die sollen einmal zeigen, dass auch Bauern etwas den, steigt aus: Dunja. «Hoi, ich muss mich draufhaben.» noch umziehen.» Sie spurtet an Mathias vorbei ins Haus. «Hopp hopp, wir sind pressant», ruft Auf dem Parkplatz der malerisch gelegenen Jucker Farmart AG, nur er ihr nach. Mathias wirft abermals einen Blick in den Kofferraum. «Die ein paar Meter vom Pfäffikersee entfernt, stehen um die 50 Autos. Der Nervosität steigt etwas», gibt er zu, «aber die Vorfreude überwiegt.» Himmel ist tiefblau und wolkenlos. Mathias und Dunja packen Glocke und Glöckli und die Kleidertasche aus dem Kofferraum. Dann laufen sie Hotpants und Kameras schwer beladen zur «Anmeldung», einem mit allerhand Papieren belegMathias steuert sein Auto auf der Ghöchstrasse durch die hügelige ten Festtisch. «Viel Glück», ruft eine Brünette in Hotpants, die ihnen entLandschaft Richtung Pfäffikersee, Dunja auf dem Beifahrersitz. Die 19gegenkommt. «Die hats schon hinter sich», sagt Dunja. Auf dem Hofjährige Bäuerin in Ausbildung trägt einen Jeans-Mini und ein Oberteil platz des «Erlebnisbauernhofs», den man für allerlei Anlässe mieten aus Sennenhemdstoff: Partnerlook. «Als wir im Februar an der ‹Tier und kann, herrscht Hochbetrieb. Festbänke sind aufgebaut, Kinder turnen Technik›-Messe in St.Gallen waren, hat uns der Dezember-Boy aus dem auf Heuballen herum und Medienleute mit Kamera halten knapp be2012er-Kalender angesprochen», sagt Dunja: «Wir wollten gerade eine kleideten jungen Leuten Mikrofone unter die Nase: Der Reporter von RaWurst essen gehen, da fragte der, ob wir uns nicht bewerben wollten.» dio Zürisee kommt an. «Wieso schaffst gerade du es in den Kalender?», Zuerst hätten sie Nein gesagt. «Aber dann haben wir uns gesagt: Wieso fragt er Mathias. Dunja wirft ihr blondes Haar in den Nacken und lädenn auch nicht, es ist eine neue Erfahrung.» Dunja streicht sich das chelt, Mathias räuspert sich, und während die Sonne das Messing-Kühlange blonde Haar aus dem Gesicht. Noch wohnt sie im zehn Kilometer lein auf seinem Gurt golden erstrahlen lässt, erklärt er: «Weil ich mit entfernten Saland, aber das soll sich ändern. In ein paar Jahren wollen meiner Natürlichkeit überzeuge.» «Landwirtschaft und Erotik, passt das die beiden den Hof von Mathias’ Vater übernehmen. «Wir werden Viehzusammen?», will Radio Zürisee wissen: «Ja, wir helfen so, das Image bestand und Landwirtschaftsfläche verdoppeln. Aber zuerst wird geheider Landwirtschaft aufzubessern», sagt Dunja. Radio Zürisee ist zufrieratet», umreisst Mathias den Plan. Dunja zeigt auf Mathias’ linke Hand, SURPRISE 277/12

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nenz von Francine Jordi und Renzo Blumenthal. Ein Fotograf mit Porden. Dann streckt die Frau hinter dem Anmeldetisch den beiden Neunoschnauz schaut in einen Laptop, hinter ihm der Schirm einer Blitzankömmlingen ein Formular entgegen: «Bitte ausfüllen und mit Autoanlage. Grelles Licht durchzuckt die Scheune. Eine junge Frau in Hotgramm versehen.» pants und Stilettos hält ein Pferd am Zügel und drückt die Knie durch. Das ist schnell getan. Was sie unterschreiben – Überlassung der «Sehr schön, genau so, zeigs mir», rufts hinter dem Bildschirm hervor. Rechte an allen Fotos, die heute von ihnen gemacht werden, auf unbestimmte Zeit – scheint Mathias und Dunja nicht zu interessieren. «Wird schon recht «Es ist gut, dass es auch einen Bauernkalender mit Mänsein», brummt Mathias. Die Frau von der Annern gibt. Frauen sollen nicht länger benachteiligt sein und meldung zeigt zum Eingang einer grossen auch etwas zum Anschauen haben.» Scheune: «Hier gehts zum Casting, links ist die Maske, dort müsst ihr euch auch noch kurz Mäged Helmy, genannt Mike – Organisator des Bauernkalenders und zeigen. Ihr werdet aufgerufen, wenn ihr drankommt.» Dunja flüstert Mitinhaber der produzierenden Magic Fox Media AG –, steht mit verMathias etwas zu. «Ich begleite Dunja noch geschwind zur Toilette.» Er schränkten Armen am Set und schaut zwischen Jury und Fotograf hin deponiert Glocke, Glöckli und Dunjas Tasche etwas unsanft vor dem und her. Er nickt, alle scheinen zufrieden: «Wir haben heute grossartige Scheuneneingang. Kandidaten hier, bodenständige Typen. Die sollen einmal zeigen, dass Hand in Hand kommen sie vom WC zurück. «Es wäre schön, wenn Bauern etwas draufhaben. Männer erotisch zu fotografieren, ist natürsie uns beide nehmen würden. Oder keinen», sagt Mathias. «Aber wir lich nicht einfach, das wirkt schnell schwul. Deshalb verzichten wir auf gönnen es dem anderen, falls es nur einer schafft», sagt Dunja. «Es gibt kurze Hösli und Halstüchli. Nein, nein, wir zeigen Helden, die Helden keine Eifersucht, das haben wir vorgängig diskutiert», pflichtet Mathias der Landwirtschaft», sagt er gut gelaunt. bei und streicht sich mit dem Handrücken übers Gesicht. Dann betreten Mathias und Dunja stehen etwas verloren im Eingangsbereich. Zwisie die Scheune. schen den dunkel gekleideten Organisatoren fallen Dunjas nackte Beine auf. Draussen, im Sonnenlicht, haben sie gut zum warmen FrühProminenz und Gänsehaut lingstag gepasst. Hier drin überzieht sie eine Gänsehaut. Eine MaskenWährend der Anlass aufgrund der Festtische und Heuballen bisher bildnerin fragt Mathias und Dunja nach eventuellen Narben oder Tatganz gemütlich gewirkt hat, enthüllt das Scheuneninnere den profestoos, Dunjas Oberweite wird gemessen und ihre Brüste werden begutsionellen Medienanlass: Die Bretterwände sind mit Kalenderbildern taachtet. Die Maskenbildnerin ist zufrieden. «Gut. Ihr seid als nächstes peziert, Assistenten sehen Listen mit Namen durch. Hinter einem landran», verkündet sie. gen Holztisch sitzt die sechsköpfige Jury, angereichert mit der Promi-

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«Vor einem Schwingfest bin ich nervöser», sagt Mathias und blinzelt. Dunja und er schnappen sich einmal mehr Glocke und Glöckli, diesmal, um sie zum Set zu tragen. Ob dem Geläut muss Francine Jordi lachen: «Es ist uuh schöön, hier zu sein», haucht sie «Glanz&Gloria» ins Mikrofon. Dunja und Mathias stellen ihre Glocken ab und bringen sich vor der Jury in Position: Beide stemmen sie einen Arm in die Hüfte. Sie nennen Name, Beruf und Hobby, dann sagt Mathis: «Ich finde den Bauernkalender eine gute Sache, um das Image der Landwirtschaft zu verbessern.» Die Jurorinnen und Juroren nicken wissend. Man scheint sich hier einig zu sein, dass das Ansehen der Bauern aufgepeppt werden muss. «So, jetzt wollen wir euch in Action sehen», verkündet Jordi. Push-up und Schwarzenegger-Pose Den Anfang macht Dunja: Sie trägt jetzt rote High Heels und zieht – ruckzuck – ihr Oberteil aus. Ein roter Push-up-BH kommt zum Vorschein. Der Pornoschnauz nickt anerkennend. Dunja greift das Lederband ihrer Glocke mit beiden Händen, lässt sie zwischen den Beinen baumeln, wirft ihr Haar von der einen Seite auf die andere. «Prima, ganz prima», die Kamera klickt und die Jury hats lustig: «Wir können Mathias auch kurz rausschicken», rufts, «falls das hilft …» Es wird gelacht. Und schon ist Mathias dran. Mit nacktem Oberkörper stemmt er seine Treichel mal hierhin, mal dorthin. «Bei dir gehen wir auf die Muskeln, denk an Schwarzenegger», rufts hinter dem Laptop hervor. Mathias Gesicht ist angespannt, die Treichel schwer und Schwarzenegger-Posen deshalb schwer nachzuahmen. Dunkel bimmelt die Glocke. Endlich ruft der Fotograf: «Jetzt noch ein gemeinsames Foto, pack deine Frau auf den Arm.» «Wie denn?», fragt Mathias. «Ja wie wohl?!», ruft Dunja. Mathias presst die Lippen zusammen. Dann schnappt er sich seine Freundin, SURPRISE 277/12

hebt sie hoch und hält sie in dem Fotografen entgegen. Francine Jordi stellt fest: «Es ist einfach so schwer, einen Menschen in so kurzer Zeit zu erfassen und zu bewerten.» Keine zehn Minuten hat das Shooting gedauert. Aber weitere Kameras warten. Tele Züri und Blick TV möchten ein Interview, Dunja soll doch gleich so vor die Kamera, wie sie ist – im BH. Das will sie aber nicht und zieht schnell ihr Oberteil an. «Es war speziell, aber schön», sagt Mathias derweil ins Mikrofon. An den Festbänken in der Sonne wird noch kurz verweilt und einige Schlucke Wasser aus der PET-Flasche getrunken – mehr nehmen sich Mathias und Dunja vom aufgebauten Buffet nicht. Die beiden sind plötzlich wortkarg. «Tipptopp. Bin erleichtert. Froh. Wir haben es gemacht», sagt Mathias. «Jetzt, wo wir schon mal da waren, wären wir schon gern im Kalender, gell?», sagt Dunja. Dann hängen sich die beiden Glocke und Glöckli an den Arm und ziehen davon. «Zurück in den Alltag, zurück zu den Ziegen», sagt Mathias noch, «vielleicht brauchen die ja noch was für morgen.» ■

Kurz vor Redaktionsschluss wurde bekannt: Mathias wird nicht im Bauernkalender «Boys» 2013 zu sehen sein, die Jury hat sich gegen ihn entschieden. Dunja hingegen wird einen Monat lang die «Girls»-Edition zieren.

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BILD: ANNETTE BOUTELLIER

Flüchtlinge In der Zwischenwelt Anlässlich des Flüchtlingstags am 16. Juni wird einmal mehr die Schweiz als Hort der Menschenrechte beschworen werden. Dabei debattierte der Nationalrat soeben über erneute Verschärfungen im Asylrecht. Wir haben mit zwei Flüchtlingen gesprochen, die seit Jahren hier leben. Reza aus Teheran lebt seit bald fünf Jahren mit Ausweis N in der Schweiz. Er hat Deutsch gelernt und könnte in der Gastronomie arbeiten. Doch die Gesetze zwingen ihn zum Nichtstun. VON ISABEL MOSIMANN

Der 42-jährige Reza aus Teheran ist ein freiheitsliebender Freigeist. Für ihn ist klar: «Religion ist eine persönliche Angelegenheit.» Im Iran, wo die Religion die Politik und somit den Staat bestimmt, konnte er nicht mehr weiterleben. Immer wieder wurden er und seine Frau auf der Strasse angehalten und kontrolliert. Die Beamten überprüften, ob er tatsächlich mit seiner Ehefrau unterwegs war und verhörten die Eheleute getrennt. «Solche Sachen machen meinen Kopf kaputt», sagt Reza kopfschüttelnd. Es

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gebe im Iran ein Leben vor und nach dem Sturz des Schahs 1979, das mache es schwierig. Die Menschen, besonders in den Städten, hatten ein freies Leben geführt. Heute dürfen Frauen nicht mehr in körperbetonten Kleidern auf die Strasse, die Männer öffentlich keine Krawatte tragen, und die jungen Leute können Partys nur im Geheimen feiern. 2007 verliess Reza sein Land und stellte in der Schweiz einen Asylantrag, in der Hoffnung, hier in Freiheit ein neues Leben zu beginnen. Bereits in der Empfangsstelle in Basel fing er an, Deutsch zu lernen. Mittlerweile verfügt er über einen grossen Wortschatz und spricht fliesSURPRISE 277/12


send Deutsch. In den viereinhalb Jahren, in denen er mittlerweile im Kanton Bern wohnt, hat er einen halbjährigen Gastronomiekurs im Schulrestaurant La Cultina und einen Mechanikkurs absolviert. Weil er bis heute nur die Aufenthaltsbewilligung N für Asylsuchende hat, kann er vom Gelernten kaum profitieren. 18 Stunden darf er pro Monat mit diesem N-Ausweis arbeiten und maximal 400 Franken verdienen. Für den Rest kommt das Sozialamt auf, bis ein definitiver Asylentscheid gefällt ist. Bis jetzt hat er zweimal einen negativen Entscheid erhalten. Beide Male hat er Rekurs eingelegt und wartet nun auf den Bescheid des zweiten Rekurses. Seinem Gemüt hat es der gelernte Glasbläser, der im Iran über zehn Jahre lang Laborutensilien hergestellt hat, zu verdanken, dass er nicht resigniert. Das Nichtstun, das Warten und die Ungewissheit über seine

Zukunft setzen ihm zu, trotzdem versucht er optimistisch zu bleiben und das Beste aus der Situation zu machen: «Irgendwo wird es weitergehen, wenn nicht in der Schweiz, dann in einem andern Land – aber ganz sicher nicht im Iran.» Dorthin will und kann er nicht zurück, zu gross ist das Risiko, dass er im Gefängnis landet. Im Iran sind alle suspekt, die irgendwo auf der Welt um Asyl angefragt haben. Zudem hat sich seine Frau mittlerweile in Abwesenheit von ihm scheiden lassen. Er hofft, dass die Zeit in dieser Zwischenwelt bald ein Ende hat und er einer Arbeit nachgehen und sein Geld selbst verdienen kann – wie die meisten seiner Mitmenschen in der Schweiz. Arbeit hätte er, doch bei seinen beiden Jobs beim Putzen in einem Fitnesscenter und als Aushilfe in der La Cultina arbeitet er nur das absolute Minimum, denn mehr erlauben ihm die Schweizer Gesetze nicht. ■

Kein Konto für Kibrom Kibrom Mesfun lebt seit mehr als zwölf Jahren als vorläufig Aufgenommener in der Schweiz. Er möchte seinen Lebensunterhalt gerne selber verdienen. Doch mit dem F-Ausweis erhält er weder einen anständigen Job noch ein Handy-Abo. VON ISABEL MOSIMANN

Kibrom Mesfun und seine Familie mussten 1999 ihren Wohnort Addis Abeba von einem Tag auf den andern verlassen, weil sie bedroht wurden. Kibrom und seine Frau stammen aus Eritrea, das früher eine Provinz von Äthiopien war. Als Eritrea 1993 die Unabhängigkeit erlangte, wurden auf äthiopischem Boden wohnhafte Eritreer quasi Ausländer, und diese wurden je länger, je mehr schikaniert. Kibrom Mesfun wollten die Behörden verhaften. Doch ausgerechnet in der Nacht, als sie zu seinem Haus kamen, war er geschäftlich in einer anderen Stadt. Die Familie benachrichtigte ihn, und er organisierte mit seinen Ersparnissen sofort die Flucht nach Europa. Im Winter 1999 stellte die Familie in Genf der Schweiz ihren Asylantrag. Sie wurden dem Kanton Bern zugeteilt, erhielten eine Wohnung in Thun. Im Mai 2000 kam ihr sechstes Kind auf die Welt. Der jüngste Sohn der Familie ist sozusagen ein Berner. Nach rund drei Jahren wurde der Ausweis N für Asylsuchende umgewandelt in F für vorläufig aufgenommene Flüchtlinge. Vorläufig Aufgenommene sind die meisten Familienmitglieder bis heute geblieben. Während sämtliche Bekannten der Familie im Laufe der Zeit die Aufenthaltsbewilligung B oder C erhalten haben, warten die Mesfuns noch heute auf diesen Status. Der Grund dafür liegt wohl in der Grösse respektive im Budget der Familie. Als Kibrom Mesfun nach der Aufenthaltsbewilligung, dem sogenannten B-Ausweis, fragte, hiess es, er und seine Frau müssten ihren Lebensunterhalt zu 100 Prozent selbst verdienen, sonst hätten sie keine Chance auf B. Bewarb er sich – seine Frau kümmerte sich um die kleineren Kinder, denn Fremdbetreuung hätte wiederum viel gekostet –, hiess es, man würde ihn gerne einstellen, aber mit Ausweis F sei es leider nicht möglich.

det, später in Thun war er in der Velostation tätig, in der Brockenstube und sieben Jahre als sogenannter Bahnhofpate bei den SBB. Nur leider waren das keine «richtigen» Stellen, sondern vorwiegend Freiwilligenarbeit und Sozialprogramme. Mittlerweile hat er eine 50-Prozent-Stelle als Allrounder im Kulturbetrieb Konzepthalle 6 in Thun. Neben den verschiedenen Jobs verkauft der 51-Jährige seit 2004 Surprise. Auch seine Frau ist aktiv, sie hilft mit bei einem Integrationsprojekt der Caritas und übersetzt manchmal für die Gemeinde. Für die beiden ältesten Kinder hat es kürzlich eine positive Wende gegeben: Weil sie arbeiten und genügend verdienen, haben sie die Schweizer Staatsbürgerschaft bekommen. Doch Kibroms Kinder mussten und müssen noch immer auf vieles verzichten. Wurden sie von ihren Freunden eingeladen, mit in die Ferien ins Ausland zu fahren, mussten sie absagen. Einer der Söhne wollte einmal an einem Hiphop-

Für den B-Ausweis braucht Kibrom Mesfun eine feste Anstellung – und die erhält er nur mit B-Ausweis.

Wettbewerb in Deutschland teilnehmen – die grenzüberschreitende Reise scheiterte am Ausweis F. Auch für die Eltern gibt es immer wieder Einschränkungen: Ein Handy-Abonnement abzuschliessen, ist mit FAusweis nicht möglich. Auch den Hausanschluss hat die Familie nur dank der Gemeinde. Zurzeit sind die Lehrstellen der beiden mittleren Kinder aktuell. Der Sohn sucht eine Stelle als Automechaniker und erhält auf zahlreiche Bewerbungen oft als Antwort: «Ist nicht möglich mit F.» Die Tochter hatte Glück und fand eine Lehrstelle als Pharmaassistentin. Im August fängt sie an. Als sie begleitet vom Vater ein Konto bei einer Grossbank eröffnen wollte, hiess es: «Das geht nicht mit F.» ■

Eingebürgerte Kinder, eingeschränkte Kinder Gearbeitet hat Kibrom Mesfun aber immer seit seiner Ankunft. Bereits in der Flüchtlingsunterkunft hat er sich für Extraaufgaben gemelSURPRISE 277/12

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Flüchtlinge «Die Verfahren müssen einfacher werden» Alberto Achermann ist ein Kenner des Migrationsrechts. Im Interview erklärt er, warum die Asylverfahren in der Schweiz so lange dauern und zeigt auf, wie die Flüchtlinge dadurch in eine Spirale der Verelendung geraten. In die Politiker hat er wenig Vertrauen: Sie präsentieren Scheinlösungen und machen alles nur noch komplizierter. VON RETO ASCHWANDEN (INTERVIEW) UND ANNETTE BOUTELLIER (BILDER)

Wir haben für dieses Heft mit einem Iraner gesprochen, der seit über vier Jahren hier lebt. Als Asylsuchender mit Ausweis N darf er maximal 18 Stunden im Monat arbeiten und dabei höchstens 400 Franken verdienen. Was soll eine solche Regelung? Ich nehme an, es geht in diesem Fall um eine Beschäftigung, die nicht als Erwerbsarbeit gilt und die Sozialhilfe nicht schmälert. Prinzipiell dürfen Asylsuchende nach drei Monaten arbeiten. Je nach Kanton gelten andere Regeln, so ist die Arbeit meist nur in bestimmten Branchen möglich. Zudem haben Inländer Vorrang und das Honorar muss branchenüblich sein, damit kein Lohndumping stattfindet. Die meisten Asylsuchenden haben daher grosse Mühe, eine geregelte Arbeit zu finden, die bewilligt wird. Wie kann es passieren, dass jemand vier Jahre lang ohne abschliessenden Bescheid hier bleibt? Einerseits sind Asylbehörden und Gerichte überlastet, weil der Personalbestand nicht den steigenden Gesuchszahlen angepasst worden ist. Da kann es vorkommen, dass die klaren Fälle vorgezogen werden und heikle Verfahren liegen bleiben. Zudem leben wir in einem Rechtsstaat. Es gibt Rekursmöglichkeiten und manchmal gute Gründe für eine Wiedererwägung. In verschiedenen Ländern wie etwa Eritrea oder dem Iran ist die Menschenrechtssituation so katastrophal, dass man die Leute fast nicht heimschicken kann. Wie lange dauert das Asylverfahren denn durchschnittlich? Eine Studie sprach von 19 Monaten, aber ich weiss nicht, wie die Verfasser darauf gekommen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat andeAufenthaltsbewilligungen: Was gilt für welchen Flüchtling? Asylsuchende erhalten den Ausweis N. Arbeiten ist in den ersten drei Monaten gar nicht, danach nur unter strengen Auflagen erlaubt. Wer Arbeit findet, hat (wie die vorläufig aufgenommenen Ausländer) eine Sondersteuer von zehn Prozent des Einkommens zu entrichten. Asylsuchende haben keinen Zugang zu den vom Bund subventionierten Integrationsmassnahmen und keinen Anspruch auf Familienzusammenführung. Vorläufig aufgenommene Ausländer erhalten den Ausweis F. Ob und in welchen Branchen eine Erwerbsarbeit möglich ist, entscheidet der zuständige Kanton. Ausländer mit F-Ausweis können an staatlich finanzierten Integrationsprogrammen teilnehmen und haben – nach drei Jahren und falls sie keine Sozialhilfe beziehen – das Recht auf Familiennachzug. SURPRISE 277/12

re Statistiken, laut denen ein normales Verfahren etwa sechs Monate dauert. Manche Fälle sind so klar, dass sie innert Tagen entschieden sind. Und dann gibt es jene, wo eine Ablehnung nichts bringt. Eritreer etwa oder Leute aus Äthiopien und Algerien kann man nicht zurückschicken, weil der Staat sie nicht mehr aufnimmt. Wir sprachen auch mit einem Surprise-Verkäufer, der seit zwölf Jahren als vorläufig Aufgenommener mit Ausweis F hier lebt … … Zwölf Jahre sind ungewöhnlich lange … … Er hat mehrfach versucht, die Aufenthaltsbewilligung, den BAusweis, zu erhalten. Das wurde abgelehnt, weil er zu wenig verdiene, um seine Familie durchzubringen. Gleichzeitig hat er Mühe, mit dem F-Ausweis Arbeit zu finden oder nur schon ein HandyAbo zu lösen. Kommen Ihnen solche Geschichten bekannt vor? Sehr. Es gibt in verschiedenen Lebensbereichen Probleme, zum Beispiel auch bei Auslandreisen. Der grösste Teil der vorläufig Aufgenommenen sind Menschen, die wir im landläufigen Sinn als Flüchtlinge bezeichnen würden: Sie sind vor dem Krieg geflohen oder vor miserablen Menschenrechtssituationen. In der Schweiz erhalten sie eine vorläufige Aufnahme – weil sie nicht individuell verfolgt werden, sondern aufgrund der Zustände in ihrer Heimat bedroht sind. Das betrifft über 20 000 Leute in der Schweiz und jährlich kommen 3000 bis 4000 hinzu. Woher stammen diese Menschen? Oft sind es Kriegsvertriebene wie die Tamilen in den 80er- und 90er-Jahren oder aktuell Leute aus Syrien. Diese Menschen waren nicht aktiv am Konflikt beteiligt, sie sind einfach vor den Bomben geflohen. Wann sie zurückkehren können, weiss niemand. Manche Konflikte dauern Jahrzehnte und darum bleiben 80 bis 90 Prozent der vorläufig AufgeAnerkannte Flüchtlinge, die vorläufig aufgenommen wurden, erhalten ebenfalls den Ausweis F. Im Vergleich zu den vorläufig aufgenommenen Ausländern dürfen sie auf ein Gesuch des Arbeitgebers hin einer Erwerbstätigkeit nachgehen, ohne dass eine Sondersteuer fällig wird. Anerkannte Flüchtlinge, denen Asyl gewährt wurde, erhalten eine Aufenthaltsbewilligung (Ausweis B). Nach fünf Jahren können sie den C-Ausweis beantragen, also die Niederlassungsbewilligung. Sie dürfen weitgehend unbeschränkt arbeiten und ihre Familie nachkommen lassen. Abgewiesene Asylsuchende behalten den N-Ausweis oder erhalten von den Kantonen ein Ad-hoc-Ausweispapier. Sie haben weder Zugang zum Arbeitsmarkt noch zu Integrationsprogrammen. Quelle: Schweizerische Flüchtlingshilfe

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nommenen für immer in der Schweiz. Dem müsste man Rechnung tragen, indem man sagt: Die werden hier bleiben, also muss man die Integration fördern. Das passiert heute nicht? Die Politik laviert. Es gibt Phasen, in denen man die Stellung verbessern will. Bei einer der letzten Gesetzesrevisionen wurden vorläufig Aufgenommene auf dem Arbeitsmarkt besser gestellt. Denn das spart Kosten. Weil die Leute für sich selber sorgen, statt auf Staatskosten zu leben. Im Prinzip ja. Aber weil Menschen mit F eben als vorläufig Aufgenommene gelten, haben sie Schwierigkeiten, Arbeit zu finden. Das führt zu diesem Teufelskreis, den der erwähnte Surprise-Verkäufer erlebt: Die Voraussetzung für die Umwandlung von F zu B nach fünf Jahren setzt eine erfolgreiche Inte«Die Politik gration voraus, was unter anderem wirtschaftetwas, aber liche Selbständigkeit bedeutet. Daran scheitern gefährlich.» viele, denn potenzielle Arbeitgeber meinen: Die bleiben ja nur vorübergehend hier. Deshalb liegt die Sozialhilfequote bei vorläufig Aufgenommenen sehr hoch. Ich würde behaupten, dass viele Fälle von gescheiterter Integration mit dem Status als vorläufig Aufgenommene anfangen. Das überträgt sich auf die Kinder und führt in eine Spirale der Verelendung. Die Betroffenen sind dazu verdammt, am Rand der Gesellschaft zu vegetieren. Blicken wir in die Praxis: Finden sich die Behörden selber in den ganzen Vorschriften überhaupt zurecht? Wir haben im Ausländer- und Asylrecht eine Komplexität geschaffen, die nicht mehr in allen Details handhabbar ist. Bei den vorläufig Aufgenommenen kommen zwei Gesetze und fünf Verordnungen zur Anwendung. Zudem gibt es viele Sonderregelungen, dadurch haben es die Behörden mit insgesamt 20 verschiedenen Gruppierungen zu tun, für die unterschiedliche Bestimmungen gelten. Da blickt niemand mehr durch. Umso mehr, als verschiedene Behörden beteiligt sind: Sozialämter, Arbeitsbehörden, Fremdenpolizei und so weiter. Ein Paragrafendschungel. Und es könnte noch schlimmer werden: Der Nationalrat diskutierte gerade die Aufhebung des Familienasyls. Ein Geniestreich sondergleichen! Bis jetzt galt: Eine Person, die Asyl erhält, darf die Familie nachziehen und die erhält auch Asyl. Wenn wir das nicht mehr haben, dann muss man entweder beim Migrationsamt ein Familiennachzugsgesuch stellen, was zu umständlichen Verfahren führt. Oder diese Leute kommen einfach hierher und werden unter Umständen vorläufig aufgenommen. Dann haben wir in derselben Familie eine Person, die als Flüchtling anerkannt ist und jemanden, der vorläufig aufgenommen ist. Die Folgen: Diese Leute haben verschiedene Ansätze in der Sozialhilfe, unterschiedliche Zugänge zum Arbeitsmarkt, andere Integrationsprogramme. Man ist noch weit davon entfernt, das System ganzheitlich zu betrachten. Woran liegt das? Um innenpolitisch zu punkten, werden Schnellschüsse produziert. Die aktuelle Vorlage kam ins Parlament, ohne dass man die Materie vertieft betrachtet hätte. Mit der aktuellen Revision soll auch die Wehrdienstverweigerung als Asylgrund abgeschafft werden. Das ist eine Mogelpackung, denn ändern wird sich nichts. Wer einzig wegen Wehrdienstverweigerung verfolgt wird, erhält schon heute kein Asyl. In der Schweiz werden Dienstverweigerer ja auch bestraft. Wer aber in Eritrea den Wehrdienst verweigert oder desertiert, wird aufs

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Gröbste gefoltert, wenn er erwischt wird. Diese Personen bekommen nicht Asyl, weil sie den Wehrdienst verweigern, sondern weil ihre Bestrafung völlig unverhältnismässig ist. Schaut man die Botschaft des Bundesrates zur Revision des Asylgesetzes juristisch an, ist sie eine Bestätigung der heutigen Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Man gaukelt der Bevölkerung vor, man mache etwas, aber eigentlich ändert sich nichts. Das finde ich gefährlich. Die Vorlage wurde nach der Beratung im Ständerat von der staatspolitischen Kommission des Nationalrates massiv verändert. Kann so ein kohärentes Gesetz rauskommen? Nein. Ich fand schon bei den letzten Revisionen, dass damit ein Flickenteppich geschaffen wurde. An sich hatte ich gehofft, mit der aktuellen Vorlage könnten die Verfahren vereinfacht werden. Aber es geht sel-

gaukelt der Bevölkerung vor, man mache eigentlich ändert sich nichts. Das finde ich ten um vernünftige Lösungen, sondern es läuft ein Wettkampf darum, wer am restriktivsten ist. Das gilt für die Rechten. Was macht die Linke falsch? Ich habe schon lange keine intelligenten Vorschläge mehr gehört, die proaktiv andere Akzente setzen würden. Ich vermisse auch jegliche europäische Initiative, in dem Sinn, dass man im Zusammenhang mit dem Dublin-Abkommen den Kontakt zu anderen europäischen Sozialdemokraten oder Grünen sucht, um die europäische Asylpolitik mitzugestalten. Sie sagen, das Ziel der Asylgesetz-Revision müsste eine Vereinfachung sein. Wie könnte die aussehen? Ich finde, lange Verfahren sind in gewisser Weise eine Menschenrechtsverletzung. Das andauernde Warten in der Ungewissheit ist äusserst problematisch. Darum bin ich für schnellere Verfahren. Das bedingt, dass man sie vereinfacht und all die Sonderbestimmungen abschafft. Und man müsste die Rechtsvertretung der Asylsuchenden massiv verstärken. Heute übernehmen Hilfswerke die Rechtsvertretung – auf eigene Kosten und mit völlig ungenügenden Ressourcen. In Zukunft könnte der Staat den Hilfswerken ein Mandat übertragen. Mit genügend Kapazitäten könnte man die Verfahren viel schneller durchführen. Und nach dem Entscheid? Dann müsste man anerkennen, dass die vorläufig Aufgenommenen lange hier bleiben werden und ihnen eine echte Perspektive bieten. Die Sonderregelungen sollten möglichst abgeschafft werden. Man könnte die vorläufig Aufgenommenen den anerkannten Flüchtlingen gleichstellen, denn ich sehe keinen Grund, warum man sie wesentlich anders behandeln sollte. Ein einheitlicher Status würde alles vereinfachen. Und dieser Status würde erst hinterfragt, wenn eine echte Rückkehrmöglichkeit besteht oder wenn die Leute schwer straffällig werden. ■ Zur Person Prof. Dr. Alberto Achermann gilt als einer der besten Kenner der Schweizer Asylgesetzgebung. Der ehemalige Zentralsekretär der Schweizerischen Flüchtlingshilfe arbeitet heute als selbständiger Anwalt in Bern. Er gehört zur Direktion des Zentrums für Migrationsrecht der Universität Neuchâtel und ist seit 2010 Assistenzprofessor für Migrationsrecht an der Universität Bern. Achermann ist Vizepräsident der Eidgenössischen Kommission zur Verhütung von Folter, für die er unter anderem als Beobachter bei Ausschaffungen fungiert. Bis vor Kurzem gehörte er dem Vorstand von Surprise an. SURPRISE 277/12


Reza im Schulrestaurant La Cultina: Wenn es nach ihm ginge, würde er öfter die Kochschürze überstreifen.

Politik der Abschreckung Internierungslager, Streichung der Sozialhilfe, Abschaffung des Familiennachzugs – in der Sommersession arbeitete das Parlament mit Hochdruck daran, die Schraube im Asylwesen anzuziehen. VON CHRISTOF MOSER

Die Schweizer Asylgesetze sollen verschärft werden. So will es die Vorlage des Bundesrats, doch der staatspolitischen Kommission (SPK) des Nationalrats gingen die Vorschläge noch nicht weit genug. Sie zerzauste die bundesrätliche Botschaft und verlangte weitere Massnahmen zur Abschreckung von Asylsuchenden. Zudem hagelte es Minderheitsanträge. Politischer Konsens von links bis rechts besteht nur in einem Punkt: dass es viel zu lange dauert, bis die Behörden über Asylgesuche entschieden haben. Mehr als 42 000 Asylsuchende halten sich heute in der Schweiz auf, deren rechtlicher Status nicht endgültig geklärt ist. Die Rechte reagiert mit vermehrter Repression. Der Vorschlag des Bundesrats, jugendlichen Sans-Papiers zu ermöglichen, eine Berufslehre zu ergreifen, wird von FDP und SVP bekämpft – mit dem Argument, die Schweiz würde damit ihren illegalen Verbleib belohnen. Einschneidend auch die Forderung, Asylsuchenden während des Verfahrens nur noch Not- statt Sozialhilfe zu gewähren. Nachdem das Bundesamt für Migration (BFM) in einem Rechtsgutachten feststellte, dass die faktische Halbierung der Unterstützung auf etwa acht Franken pro Tag weder der Bundesverfassung noch der Flüchtlingskonvention widerspricht, hat auch die politische Mitte darauf eingeschwenkt. SURPRISE 277/12

Die Debatte wird in den kommenden Sessionen fortgesetzt. An weiteren Verschärfungen wird gefordert: – Einschränkung des Flüchtlingsstatus: Wer in seinem Herkunftsland den Wehrdienst verweigert oder desertiert, soll nicht mehr als Flüchtling gelten. Betroffen davon wären vor allem Eritreer. Zudem soll der Familiennachzug abgeschafft werden. Ehegatten und Kinder von Flüchtlingen sollen nicht mehr automatisch Flüchtlingsstatus erhalten. «Eine Asylpolitik aber, die Verfolgte und ihre Familien mutwillig trennt, ist mit Sicherheit keine, die sich humanitär nennen kann», schreibt die NZZ. – Abschaffung der Botschaftsgesuche: Asylsuchende sollen künftig nicht mehr die Möglichkeit haben, auf einer Schweizer Botschaft ein Asylgesuch einzureichen. 2011 sind über 6300 solche Gesuche gestellt worden, das entspricht 28 Prozent aller Gesuche. – Ausreiseverbot für vorläufig Aufgenommene: Asylsuchende, die in der Schweiz vorläufig aufgenommen werden und sich mehr als zwei Monate im Ausland aufhalten, sollen ihren Status verlieren. Diese Sanktion ist ebenso für Personen vorgesehen, die auch in einem anderen Land ein Asylgesuch einreichen. – Internierungslager. Die SVP fordert zentrale Internierungslager, in die Asylsuchende eingesperrt werden. Wer das Lager verlässt, verliert den Anspruch auf ein Verfahren. ■

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Äthiopien Arbeit statt Almosen Vergessen Sie «Freitag»: Durch Brooklyn und Kreuzberg schlurft man heute auf abgefahrenen Lastwagenreifen aus Äthiopien. Und leistet ganz nebenbei echte Entwicklungshilfe für ein von Hungersnöten geplagtes Land.

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VON PHILIPP HEDEMANN (TEXT UND BILD)

Als Meles Zenawi und seine Rebellenarmee 1991 in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba einmarschierten und den kommunistischen Diktator Mengistu stürzten, trugen viele der Kämpfer Sandalen aus alten Lastwagenreifen. Sie konnten sich nichts anderes leisten. Mittlerweile ist Zenawi seit über 20 Jahren Staatsoberhaupt und bewegt sich in feinen Ledersohlen auf dem internationalen Parkett. Dafür laufen Trendsetter in New York und Berlin in äthiopischen Reifenlatschen herum. Denn eine findige äthiopische Unternehmerin hat die ehemaligen ArmeLeute-Schuhe zu einem teuren Exportschlager gemacht. Und gibt damit im zwölftärmsten Land der Welt mittlerweile 300 Menschen Arbeit. Bethlehem Tilahun Alemu hat aber noch lange nicht genug. Die Firmengründerin sagt: «Meine Marke soll die afrikanische Antwort auf Nike, Puma und Timberland werden.» In der kleinen Manufaktur am westlichen Stadtrand Addis Abebas herrscht Hochbetrieb. 100 Männer und Frauen sitzen dicht gedrängt auf selbstgezimmerten Holzbänken, zeichnen mit Hilfe von Schablonen Schnittmuster, nähen bunte Stoffe um grüne Leisten, kleben Autoreifen als Sohlen unter Stoffschuhe. In der Luft hängt der beissende Geruch von Klebstoff, Nähmaschinen surren, das monotone Klopfen vieler Hämmer gibt den schnellen Arbeitsrhythmus vor. Made in Ethiopia, zu 100 Prozent Bei SoleRebels herrscht Stress. Morgen müssen 40 Kisten mit 1500 Paar Schuhen rausgehen. Der Internetversand Amazon hat sie bestellt, Nachschub für den US-Schuhmarkt. Bethlehem Tilahun Alemu nimmt ein paar rote Hausschuhe aus einem der für Amerika bestimmten Kartons, zerrt an Stoff und Sohlen. Die Nähte halten, die Chefin ist zufrieden. «Das Internet hilft uns, die Nachfrage des Marktes in Echtzeit zu bedienen. Aber wenn die Qualität nicht stimmt, bringt es auch nichts, wenn die Schuhe vier Tage nach Amazons Bestellung in New York sind», referiert die resolute Unternehmerin beim Rundgang durch die Werkstatt. Bis zu 200 Paar Schuhe können ihre Arbeiter pro Tag herstellen. Seit der Gründung 2006 konnte SoleRebels den Umsatz Jahr für Jahr steigern, blieb stets in der Gewinnzone. In diesem Jahr will die Geschäftsfrau 1,5 Millionen Euro Umsatz machen. Alemu rasselt diese Zahlen runter, als würden sie ihr nicht viel bedeuten. Doch als sie über ihre Angestellten spricht, übertönt der Stolz in ihrer Stimme fast den Werkstattkrach: «Ich habe hier vor fünf Jahren mit fünf Leuten angefangen, heute beschäftigte ich 300 Menschen!» SoleRebels ist damit der grösste Arbeitgeber des 5000 Einwohner zählenden Dorfs Zenbework am Stadtrand der Hauptstadt Addis Abeba. Über 600 verschiedene Flip-Flops, Sandalen, Sneaker, Schiffsschuhe, Slipper und Hausschuhe hat die Manufaktur im Programm – und die Kollektion wächst unaufhaltsam. Aus alten äthiopischen Armeeuniformen, einheimischem Leder, Hanf, Jute und Baumwolle entwerfen die Firmenchefin und ihre Schuhmacher ständig neue Modelle. Bald will die Mutter auch Kinderschuhe mit ins Programm aufnehmen, damit endlich auch Tochter Naiomi (6) und die Söhne Benjamin (3) und Nathan (1) Mamas Schuhe tragen können. Jeder SoleRebel wird in Handarbeit hergestellt, ist somit ein Unikat. Nur dass der Träger auf einem LKW-Reifen

geht, der schon Tausende Kilometer auf äthiopischen Pisten und Strassen zurückgelegt hat, ist bei jedem Modell gleich. Die Firmenchefin: «Äthiopien ist ein armes Land. Hier wird nichts weggeworfen. Alles wird immer und immer wieder recycelt, auch LKW-Reifen!» Generation Entwicklungshilfe In Äthiopien kosten die Designerstücke umgerechnet zwischen 17 und 43 Euro. Doch kaum einer der Arbeiter in der Schuhfabrik trägt das Produkt der eigenen Hände, ihre Füsse stecken in billigen Plastikschuhen, Importware aus China. Die SoleRebels sind für den äthiopischen Markt schlichtweg zu teuer. 99 Prozent gehen in den Export. Auch wenn alleine in Paris vermutlich mehr SoleRebels als in ganz Äthiopien getragen werden, hat die kleine Schuhmanufaktur schon viel für das arme Land am Horn von Afrika erreicht. Unternehmerin Alemu: «Seit ich klein bin, habe ich gesehen, wie Hilfsorganisationen Milliarden von Dollar nach Äthiopien gepumpt haben. Aber wir sind immer noch ein armes Land. Entwicklungshilfe kann vielleicht kurzfristig die schlimmste Not lindern, aber sie kann keinen langfristigen Aufschwung schaffen. Wir müssen endlich kapieren, dass wir unsere Probleme nur lösen können, wenn wir beginnen, hochwertige Produkte statt nur unveredelte Rohstoffe zu exportieren. So sind wir weniger von den schwankenden Weltmarktpreisen abhängig, und ein grösserer Teil der Wertschöpfung bleibt im Land.» Ihrer Meinung nach hat sich seit der verheerenden Hungersnot von 1984/85 fast eine ganze Generation Äthiopier auf Hilfe von aussen verlassen. Das habe Spuren in der nationalen Psyche hinterlassen. Alemu:

«Meine Marke soll die afrikanische Antwort auf Nike, Puma und Timberland werden.»

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«Anfangs hatten wir grosse Probleme mit der Disziplin, weil die meisten unserer Angestellten noch nie zuvor einen festen Job hatten. Sie kamen einfach, wann sie wollten. Aber mittlerweile haben wir das im Griff. Es erfüllt unsere Leute mit Stolz, dass sie nicht bei internationalen Hilfsorganisationen um Almosen bitten müssen, sondern für gute Arbeit einen guten Lohn bekommen. Ausserdem bekommen sie ihr Gehalt auch, wenn die Industrieländer die Entwicklungshilfe auf Grund der globalen Krise kürzen.» Alemu zahlt ihren Angestellten rund das Doppelte von dem, was sie in anderen Schuhfabriken verdienen würden. Zudem übernimmt sie die Kosten für Krankenversicherung, Schuluniform und Unterrichtsmaterialien der Arbeiter. Dass der unternehmerische Erfolg bei Alemu nicht auf Kosten der Arbeiter geht, hat sich herumgesprochen. Im letzten Jahr wurde sie vom Weltwirtschaftsforum in Davos zum Young Global Leader ernannt. Es ist nur eine Auszeichnung von vielen. Mittlerweile hat Alemu fast so viele Preise wie Schuhe in ihrer Kollektion. Und warum trägt die Chefin selbst keine Reifenschuhe, wenn sie einen Journalisten empfängt? «Ich bin nur 1,60 Meter gross. Darum muss ich bei Businessterminen Absätze tragen – und SoleRebels produziert ausschliesslich gemütliche Flats», lacht die Unternehmerin. ■

SoleRebels-Schuhe können bestellt werden unter: www.solerebelsfootwear.co

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BILD: GUIDO SÜESS

Wörter von Pörtner Kindheitshelden In den letzten paar Wochen sind gleich zwei bekannte Schweizer gestorben, die meine Kindheit geprägt und in mir zwei bis heute lodernde Leidenschaften geweckt haben: Walter Roderer und Kurt Felix. Komödien und Quizshows. Walter Roderer habe ich mit etwa acht Jahren auf der Bühne im Ferienort Adelboden gesehen und mir nach der Vorstellung das erste Autogramm meines Lebens geholt (die Sammlung wuchs nie über zwei Stück hinaus, das zweite war von Beat Breu). In meiner Schallplattensammlung finden sich immer noch die hübschen 10-Inch-Scheiben mit seinem Frühwerk. An Kurt Felix führte als Kind in den Siebzigerjahren kein Weg vorbei. Alle schauten «Teleboy», das war das Gesprächsthema für den Wochenanfang, die lustigen Szenen konnte man bald auswendig und spielte sie nach. Sogar meine eher an Hochkultur

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interessierten Eltern wurden genötigt, sich den «Teleboy» anzuschauen. Gut, anfangs hatten wir gar keinen anderen Sender. Das Quizschauen mit der ganzen Familie ist eines der Rituale, das nur jene Generation geprägt hat, die ihre jungen Jahre in der Ära der erschwinglichen Fernsehgeräte und beschränkten Senderauswahl verlebt hat. Die seltsam beruhigende Wirkung von Quizshows hat bei mir lange angehalten. Ungeachtet des zunehmend verblassenden Glanzes von Sendungen wie «Wetten dass …?» oder «Benissimo» habe ich der grossen Samstagabendkiste jahrzehntelang die Treue gehalten. In den bewegten Jugendjahren war es eine verschworene Gemeinschaft, die sich um den Fernseher versammelte, um die vielgeschmähten Sendungen zu schauen. Ein Untergrund im Untergrund sozusagen, und damit kam sogar das Familiengefühl wieder auf. Dieselben Leute waren es, die trotz gefärbter Haare und politischer Dissidenz Buchhalter Nötzli im Kino schauen gingen. Doch wie es so geht mit den Kindheitshelden, irgendwann trennen sich die Wege. Bei Kurt Felix musste ich auf sein «Verstehen Sie Spass?» laut und deutlich mit «Nein» antworten. Scherze mit versteckter Kamera sind nur lustig, wenn die Person in eine absurde Situation verstrickt wird, auf die sie reagieren kann. Wird sie in die Ecke gedrängt, wo sie nicht anders als blöd dastehen kann, ist es nicht lustig,

wie die in Flugzeugen der Firma Swiss endlos gezeigten Spots eindrücklich beweisen oder die Juxtelefone von Lokalradiomoderatoren im Gegensatz zu denen von «Studio Braun». Womit ich beim Fachsimpeln über Komödien- und Quizformate angelangt bin, was ich stundenlang tun könnte. Aber nicht tun werde, weil es niemanden interessiert. Die beiden Sparten, die mir so viel bedeuten, gelten, zumindest im deutschen Sprachraum, als minderwertig. Zwar darf man unterdessen über Sendungen wie «The Office» auch an den Solothurner Literaturtagen reden, aber das ist die Ausnahme, wie auch Fernsehserien wie «The Wire». Kaum jemand kennt hierzulande Steve Coogan und seine Kunstfigur Alan Partridge, den Quizshow-Moderatoren und immer wieder neu belebten Helden verschiedener lustiger Sendungen, was für einen wie mich natürlich das höchste der Gefühle ist, die Verschmelzung meiner beiden Lieblingsformate. Zu denen ich den Zugang dank Leuten wie Walter Roderer und Kurt Felix gefunden habe. Dafür bin ich ihnen ewig dankbar.

STEPHAN PÖRTNER (STPOERTNER@LYCOS.COM) ILLUSTRATION: MILENA SCHÄRER (MILENA.SCHAERER@GMX.CH) SURPRISE 277/12


Poetry Slam «Wovon leben Sie wirklich?» Von der Kneipe ins Opernhaus – im zweiten Teil unserer Geschichte des Poetry Slams erzählt Ur-Slammer Etrit Hasler, wie er und seinesgleichen in Opernhäuser und Kunstkreise kamen.

Vor ein paar Monaten trat ich im Opernhaus Hannover an einem Poetry Slam auf, bei dem vor allem «alte Recken» der deutschsprachigen Szene versammelt waren. Also solche, die sich noch an die meist verklärte «gute alte Zeit» erinnern können, als wir noch in verrauchten Kneipen vor 30 Leuten auftraten. An jenem Abend waren es 800, das Opernhaus war seit Wochen restlos ausverkauft. Und irgendwann während des Abends beugte sich Tobi Kunze, ein alter Weggefährte aus Hannover, zu mir herüber und flüsterte mir ins Ohr: «Wann ist es eigentlich normal geworden, dass wir Theater füllen?» Ich muss gestehen, ich weiss bis heute keine Antwort – obwohl ich seit zwölf Jahren ohne Unterbruch mit dabei bin. Als wir – ein OK bestehend aus den versammelten Schweizer Slamveranstaltern – 2008 die deutschsprachigen Meisterschaften im Schiffbau Zürich veranstalteten und über ein ausgedehntes Wochenende ein fast 10 000 Köpfe zählendes Publikum anlockten, dachten wir, der Zenit sei nun erreicht. Im letzten Jahr fanden dieselben Meisterschaften in Hamburg statt – das Finale passte nur noch in ein Eishockeystadion. Die Veränderung kam schleichend: Auch heute existieren noch die chaotisch-sympathischen Slams in kleinen Bars, auch wenn diese nicht mehr so verraucht sind wie früher. Nur füllen wir parallel dazu auch den Schiffbau und die Rote Fabrik in Zürich, die Schützi in Olten, das Casinotheater Winterthur. Slammer sind regelmässig zu Gast im Fernsehen, machen Kolumnen fürs Radio oder Zeitungen. Werden Gastautoren an Stadttheatern. Dies hat weniger damit zu tun, dass das Medium selber massentauglicher geworden wäre, wie man manchmal hört. Die Texte, die heute an einem Poetry Slam zu hören sind, unterscheiden sich formal kaum von ihren Vorläufern. Was sich hingegen verändert hat, ist dass Slammerinnen und Slammer heute mit Preisen überhäuft werden. Als Gabriel Vetter 2006 (als mit 22 Jahren jüngster Gewinner aller Zeiten) den «Salzburger Stier» erhielt, war er wohl der erste kunstpreisgekürte Slammer des deutschsprachigen Raums, sicher aber der Schweiz. Seither sind Renato Kaiser, Laurin Buser, Simon Libsig, Kilian Ziegler und Valerio Moser, um nur die Schweizer zu nennen, dazugekommen. Und natürlich Lara Stoll als jüngste Gewinnerin des Thurgauer Kulturpreises. Sie alle wurden – im Unterschied zu den Aktivisten der ersten Stunde wie zum Beispiel Jürg Halter, welche erst mit Preisen ausgezeichnet wurden, nachdem sie dem vermeintlichen Unterhaltungsformat den Rücken gekehrt hatten – für ihre Verdienste als Slammer mit Kulturpreisen geehrt. Und ja: Wir treten nicht mehr für Fahrtkosten und drei Getränkegutscheine auf. Eine Handvoll Slampoeten in der Schweiz kann inzwischen von ihrer Kunst leben. So gut, wie es sich in der Schweiz eben von Kunst leben lässt – soll heissen, solange man keine Familie unterstützen muss, SURPRISE 277/12

BILD: GABY SPIRIG

VON ETRIT HASLER

Lara Stoll: Slammerin und Kunstpreisträgerin.

kommt man durch. Allerdings nicht mit Poetry Slams. Sondern mit Soloshows und Geldauftritten für Banken, politische Parteien, Geburtstagsfeiern und Vereinsanlässe. Glamourös ist das nicht immer. Aber die leicht belustigten Gesichter, die dann nachfragen: «Nein, im Ernst: Wovon leben Sie wirklich?» – die entschädigen für vieles. Obwohl es inzwischen tatsächlich auch um Geld geht, ist eines aus den Anfangszeiten geblieben. Die Szene, die sich selber auch leicht ironisch als Slamily bezeichnet, ist tatsächlich immer noch genau das: Eine grosse dysfunktionale Familie, in der jede jeden kennt. Die knapp 40 Slam-Habitués in der Schweiz – Poeten, Veranstalterinnen, Moderatoren – sehen sich alle paar Wochen. Feiern zusammen, auf der Bühne und daneben. Was es für Newcomer schwierig macht, einen Fuss in die Tür zu bekommen. Aber auch als gesunder Bremsmechanismus funktioniert für Veranstalter, die mit der Popularität des Slams Geld verdienen wollen, indem sie 35 Franken Eintritt nehmen und die Auftretenden mit Trinkgeld abspeisen. Solche Veranstaltungen gibt es immer wieder. Und immer gehen sie nach kürzester Zeit wieder ein. Während der Poetry Slam ungerührt davon weiter die kleinen und die grossen Häuser füllt. ■ Etrit Hasler trat 2000 bei seinem ersten Poetry Slam auf und hat vor fünf Monaten seinen Brotjob an den Nagel gehängt, um auch wieder von der Kunst zu leben. Wenn Sie ihm dabei helfen wollen, können Sie ihn (und fast alle anderen hier erwähnten Poeten) über www.drehundangel.ch buchen. Dort finden Sie auch Veranstaltungshinweise.

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BILD: ZVG

BILD: ZVG

Kulturtipps

Manchmal würde man lieber im Schwarm mitfliegen, als einzigartig zu sein.

Fische im Netz: Einheimische wie Flüchtlinge zappeln sich durch das Leben.

Buch Einzigartig

Kino Die Verletzlichen unter sich

Jeder Mensch ist einzigartig. Das kann nicht oft genug gesagt werden. Und es ist wichtig und wunderbar. – Doch ist das wirklich so?

Tausende verzweifelte Afrikaner kommen im «gelobten Land» Lampedusa an – und treffen dort auf eine kleine Fischergemeinde, die selbst ums Überleben kämpft.

VON CHRISTOPHER ZIMMER VON YVONNE KUNZ

Der Schreck fährt dem Jungen Ben in die Glieder, als ihm seine Mutter sagt, dass er etwas ganz Besonderes und Einzigartiges ist. Dass es keinen anderen auf der ganzen Welt gibt, der so wie er ist. Doch gerade das macht dem Jungen Angst. Denn in seinen Augen macht diese Einzigartigkeit einsam. Es wird auch nicht gut, als seine Mutter sagt, dass sie und sein Papa doch bei ihm sind. Wie kann das helfen, wo doch auch seine Mutter und der Hund Miracle, ja, selbst die kleinste Ameise, die an ihnen vorbeikrabbelt, einzigartig sind, anders als alle anderen und damit so allein wie Ben? Es ist ein überraschender Gedanke, dem der israelische Schriftsteller und Friedensaktivist David Grossman da nachgeht. Es gibt doch so viele Bücher, die in allen nur denkbaren Varianten davon erzählen, wie besonders jeder Mensch ist, wie einzigartig jede Kreatur, und wie wichtig es ist, das zu erkennen und zu respektieren. Bücher, die dazu beitragen wollen, uns zu bestärken und uns unserer Selbst zu versichern. Nun aber auf einmal genau das Gegenteil. Und das ist, so erstaunlich es auf den ersten Blick sein mag, auch durchaus berechtigt. Denn zum einen hat unsere Einzigartigkeit auch ihre Schattenseiten, etwa, wenn sie bis zum Exzess getrieben wird, in einer Gesellschaft, in der man erst wirklich dazugehört, wenn man sich am weitesten von allen anderen entfernt hat: als «It» oder wandelndes Markenzeichen. Und zum andern gehört das Alleinsein auch untrennbar zum Leben, in das wir ebenso allein geboren werden, wie wir aus ihm fortsterben. Da tut Trost not. Und der findet sich auch. In einer der wirklich grossen Erfindungen, die nicht nur den Menschen vorbehalten ist. Eine Eins-aErfindung, nicht weniger wertvoll als das Rad oder das Brot: die Umarmung. Das spürt Ben auch sogleich, als ihn seine Mutter fest in die Arme schliesst und er ihren Herzschlag so deutlich spürt wie sie seinen. Jetzt ist er nicht mehr allein, und genau dafür, sagt seine Mutter, wurde die Umarmung erfunden. Eine schlichte Geschichte, von David Grossman in wenigen Sätzen erzählt und von Michal Rovner mit Bildern illustriert, die so zart und offen sind wie Träume. Ein Büchlein, bestens geeignet, sich selbst und andere zu beschenken.

Der 20-jährige Filippo Pucillo (gespielt von Filippo Pucillo) und seine Familie leben vom Fisch- und Touristenfang auf der winzigen sizilianischen Insel Lampedusa. Der Überlebenskampf ist hart am Rande Europas. Grossvater Ernesto verweigert sich stur der Moderne, der Vater ist ertrunken und Mutter Giulietta nichts wie weg. Filippos Perspektiven sind also wenig berauschend. Doch im Vergleich zu all den Einwanderern, die je nach Verlauf ihrer Reise halbtot auf der Insel ankommen, ist seine Misere dann doch wieder relativ. Oder? Als der Grossvater verbotenerweise eine hochschwangere Äthiopierin und deren Sohn aus dem Meer fischt und im Familienheim versteckt, prallen die Notsituationen aufeinander und bald ist klar, dass sie nicht gegeneinander aufgewogen werden können. Der Alltag der Familie gerät vollends aus den Fugen. Die Polizei sitzt dem Grossvater im Nacken, Filippo pendelt zwischen verwöhnten Touristen und traumatisierten Flüchtlingen, die von der Mutter widerwillig betreut werden, hin und her. «Terraferma» heisst auf Deutsch Festland, doch die Protagonisten schlittern auf Treibsand dahin. Eine Stärke des Films liegt darin, dass Regisseur Crialese aus einem sehr persönlichen Blickwinkel erzählt. So entsteht Intimität; die Zuschauerin wird zu einem weiteren, stillen Familienmitglied. Damit wird der Film dem hohen menschlichen Stellenwert der Flüchtlingsproblematik spielend gerecht – klingt einfach, ist aber bei einer derart verpolitisierten Thematik nicht ohne. Stellenweise könnte man «Terraferma» pädagogischen Übereifer und Rührseligkeit vorwerfen, doch dies tut dem grössten Verdienst des Films keinen Abbruch. Er begegnet dem Problem der illegalen Einwanderung und der noch fehlenden Lösungen mit aller Offenheit. Dieser hohe humanistische Anspruch war neben der wunderbaren Fotografie auch die Hauptbegründung für den Jurypreis am Filmfestival Venedig 2011. Emanuele Crialese: «Terraferma», F/I, 2011, 88 Min., mit Filippo Pucillo, Mimmo Cuticchio, Giuseppe Fiorello u. a. Der Film läuft ab 21. Juni in den Deutschschweizer Kinos.

David Grossman: Die Umarmung. Mit Zeichnungen von Michal Rovner. Hanser 2012. 14.90 CHF.

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BILD: MAX REITMEIER

Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.

Handreichend oder abwehrend: Gestik ist das halbe Spiel.

Kunst Die Leichtigkeit des Plastikballs Der Hinterhof Offspace in Basel ist mit der Ausstellung «Ping Pong – The Impossibility of Controlling 2.7 Grams of Plastic» vorübergehend zum Tischtennis-Klub mutiert. Ein sorgloses Aufeinandertreffen von Spiel und Kunst. VON MICHAEL GASSER

150 Quadratmeter, fünf Tischtennis-Tische. Aber keine gewöhnlichen. Mit «Ping Pong – The Impossibility of Controlling 2.7 Grams of Plastic», der bereits zehnten Ausstellung im Hinterhof Offspace, zeigen die Kuratoren Johannes Willi, Thomas Keller und Eveline Wüthrich einmal mehr überaus Spielerisches. Die Tische im hohen Raum mit den Lichtluken, in einem ehemaligen Bananenlager, sind nicht zuletzt als Gebrauchskunst gedacht. Es gilt nicht, Sicherheitsabstand zu halten, es darf und soll selbst Hand angelegt werden. Gegen Vorweisen einer ID erhält man Schlägel und Plastikball und darf ebenso frei wie franko auf den Spielflächen mit den energisch dreinblickenden Fotoköpfen von Irans Präsident Ahmadinedschad und Israels Ministerpräsident Netanjahu mit Tischtennisbällen zum Smash ansetzen. Getrennt werden die beiden umstrittenen Politiker durch ein Netz aus Stacheldraht. Was die Beziehung der beiden Nahoststaaten auch ohne Worte auf den Punkt bringt. Der von Johannes Willi gestaltete, am Raumrand stehende Tisch zeigt sich hingegen als monolithischer schwarzer Gipsblock. Und ganz ohne Firlefanz und Netz. Was trotz der richtigen Masse kurz stutzen lässt. Handelt es sich dabei überhaupt um einen Ping-Pong-Tisch? Es handelt sich. Dass einige der von Künstlern wie Hanspeter Hofmann oder Kueng/Caputo gestalteten Tische schon wenige Tage nach der Vernissage deutlich erkennbare Spielspuren aufweisen, nehmen Keller und Willi in Kauf. Auch wenn es ein wenig schmerze. Per se geniesse das Spielelement bei ihren Ausstellungen nicht immer oberste Priorität, erklären die zwei. «Wichtig ist uns jedoch, dass die Besucher jeweils eine Eigenleistung erbringen.» Der Charme der Schau liegt nicht zuletzt in der locker gelungenen Mischung von Kunst und Populärem. Wer genau hinschauen mag, bekommt ausdrucksstarke Werke zu sehen, wer blosse Unterhaltung sucht, wird gleichfalls bedient. Und das bestens. Anders gesagt: Im Hinterhof Offspace kann man derzeit zwei, wenn nicht gar mehrere Fliegen auf einen Schlag treffen.

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Kaiser Software GmbH, Bern

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Klimaneutrale Druckerei Hürzeler AG, Regensdorf

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Inova Management AG, Wollerau

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Grenzenlos GmbH, Binningen

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projectway GmbH, Köniz

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Balcart AG, Carton Ideen Lösungen, Therwil

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Gemeinnütziger Frauenverein Nidau

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Velo-Oase Bestgen, Baar

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Arbeitssicherheit Zehnder GmbH, Otterbach

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fast4meter, storytelling, Bern

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Scherrer & Partner GmbH, Basel

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Brockenstube des Reformierten Frauenvereins Aesch-Pfeffingen

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Klinik Sonnenhalde AG, Riehen

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Schweiz. Tropen- und Public Health-Institut, BS

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Migros Zürich, Kulturprozent

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Psychiatrische Dienste Aargau AG (PDAG)

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Locher, Schwittay Gebäudetechnik GmbH, BS

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Weingut Rütihof, Uerikon

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AnyWeb AG, Zürich

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Niederer, Kraft & Frey, Zürich

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Musikschule archemusia, Basel

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Paulus-Akademie Zürich

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Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich

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Thommen ASIC-Design, Zürich

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BEVBE Ingenieurbüro, Bonstetten

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

«Ping Pong – The Impossibility of Controlling 2.7 Grams of Plastic», bis 11. August. Hinterhof Offspace, Münchensteinerstr. 81, Basel. www.hinterhof.ch/offspace SURPRISE 277/12

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BILD: ZVG

BILD: MARK LAMPRECHT BILD: ZVG

Ausgehtipps

Brandmarke für die Ware Mensch.

Basel Sklavenhandel «Schmutziger Handel in edlen Räumen» – das ist keine Enthüllungsgeschichte aus dem «Blick», sondern Titel einer Führung im Haus zum Kirschgarten. Auch Basel war im 17. bis 19. Jahrhundert in den Sklavenhandel verstrickt, und die Stiftung für nachhaltige Entwicklung und interkulturellen Austausch Cooperaxion schaut in ihrer diesjährigen Informationskampagne etwas genauer hin. So gibt unter anderem das Stoffdruckerei-Museum in Mülheim Einblick in die Herstellung der kunstvollen Indiennes-Tücher, die als Bargeld für den Sklavenkauf dienten, und ein historischer Vortrag im Unternehmen Mitte wirft den Blick auf die Burckhardtschen Handelshäuser. (dif)

Bildgewaltig: «Von der Kürze des Lebens».

Wildes Getier oder hinduistischer Gott?

Zürich Freier Szenereigen

Zürich Wilde Kerle

Die Rote Fabrik gehört zu den Fixpunkten der freien Theaterszene. Und so ist es nur konsequent, dass die Zürcher Restspiele im Fabriktheater über die Bühne gehen. Zu sehen bekommt das Publikum allerhand: Etwa eine «Autoren-Jam-Session» mit Ruth Schweikert, Simon Froehling, Stefanie Grob und Gerhard Meister, das Kindertheater «Wie Grossvater schwimmen lernte», sowie die 25-stündige (!) Vorführung «Nico’s Love Instant Movie» der Gruppe Grenzgänger. Zudem gibt es eine Wiederaufnahme des Publikumserfolgs «Von der Kürze des Lebens». Die Gruppe kraut_produktion verbindet in ihrem bildgewaltigen Szenenreigen Trash mit Analyse und unterhält damit ganz vorzüglich. (ash)

Das PurPur ist nicht einfach ein Kindertheater. Es ist ein richtiges Kindertheaterhaus, in dem man in Geschichten eintauchen kann – sei es beim Zuschauen oder in einem Kurs mit Mitspielen, Tanzen, Malen. Im Juni macht das Museum Rietberg, Kunstmuseum für aussereuropäische Kulturen, auch mit und lässt Löwen brüllen und Krokodile gähnen. «Ungeheuer, tierisch, toll!» heisst das Theaterwochenende für Kinder ab fünf Jahren. Da schleichen sich die menschlichen Jungtiere durchs Museum, das Rudel führen eine Kunstvermittlerin und eine Theaterpädagogin an. Was passiert, wenn sie dabei den afrikanischen Masken und hinduistischen Göttern der Ausstellung begegnen, wird sich zeigen. (dif)

«Von der Kürze des Lebens» So., 17. Juni, 20 Uhr

Theater PurPur: «Ungeheuer, tierisch, toll!»

und Mo., 18. Juni, 20 Uhr, Rote Fabrik, Zürich.

Sa., 23. Juni, 15 bis 18 Uhr und So., 24. Juni, 10 bis 12 Uhr.

Weitere Produktionen der Zürcher Restspiele:

Anmeldung unter 044 206 31 31, Teilnehmerzahl

www.rotefabrik.ch

beschränkt. Weitere Theaterwochenende am 3./4. November und am 1./2. Dezember. www.theater-purpur.ch

Anzeigen:

«Auf den Spuren des Sklavenhandels in Basel», Fr., 22. Juni und Sa., 23. Juni, jeweils 14 Uhr Haus zum Kirschgarten, Fr., 22. Juni, 19 Uhr Unternehmen Mitte, Fr., 29. Juni, 13 Uhr Stoffdruckerei-Museum Mülheim, 19 Uhr Unternehmen Mitte, Sa., 30. Juni, 13 Uhr Maison Schoelcher, Fessenheim. Informationen unter 077 405 83 33 und info@cooperaxion.org www.cooperaxion.org

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Erfolgreicher Ost-West-Dialog: Natalie Klaus und Mitmusiker.

Schamlos schlechter Geschmack: die Zorros.

Bern Back to the roots

Bern Zerdudelte Klassiker

Der Dialog zwischen Ost und West, insbesondere auf der politischen Ebene, ist von Missverständnissen geprägt. Auf der musikalischen Ebene hingegen funktioniert er, wie die junge Berner Sopranistin Natalie Klaus und ihre Mitmusiker feststellten. Kein Wunder: Musikalisch war der Westen schon immer stark vom Orient beeinflusst. So ist die arabische Laute der Vorläufer unserer Gitarre und auch die Troubadouren entspringen einer arabischen Tradition. In ihrer Beschäftigung mit dem Orient fiel Klaus dazu auf, dass viele westliche Opern wie Mozarts «Die Entführung aus dem Serail» im Orient spielen und sich – oberflächlich – an die dortige Musik anlehnen. Zwischen der Oper des Frühbarock und arabischer Musik entdeckte sie aber auch tiefer liegende Gemeinsamkeiten. In Zusammenarbeit mit dem Komponisten Nehad El-Sayed und vier Mitmusikern führte sie die beiden Musikrichtungen nun zusammen. Das Resultat ist ein musikalischer Ausflug in eine exotische Welt, der gleichzeitig auch eine Reise zu unseren eigenen musikalischen Wurzeln ist. Das Premierenpublikum war begeistert. (fer)

Wenn sich Musiker von Rang und Namen ausserhalb ihrer Stammformation zusammentun, dann spricht man gern von einer «Supergroup». Meist hält die dann nicht, was die Affiche verspricht, und drum geben die Zorros lieber gleich den Tarif durch: Geübt wird aus Prinzip nicht und wozu Songs schreiben, wenns schon so viele gibt? Also stiefelten BeatMan, Olifr M Guz und Patrick Abt unvorbereitet ins Studio und dudelten sich dort, so gut es ging, durch den einen oder anderen Klassiker. Ganz einfach, schliesslich hat Beat-Man mit Voodoo Rhythm ein eigenes Label, auf dem er veröffentlichen kann, was und wies ihm passt. Und so musizieren die Zorros Stücke wie «Paint It Black», «Rehab» oder «Nights In White Satin» ins Elend, denn irgendwo muss auch schlechter Geschmack einen Ausdruck finden. Andere würden sich schämen, die Zorros aber taufen ihr Machwerk auch noch und zwar auf den Namen «Future». Am besten mit einem Schuss Grenadine. (ash) Sa., 16. Juni, 23 Uhr, Café Kairo, Bern.

«Oper im Orient», orientalische Barockarien, u.a. mit Werken von Francesco Cavalli, Marco da Gagliano und Friedrich Händel, So., 17. Juni, 17 Uhr, Kirche Saanen, Sa., 23. Juni, 19.30, Kirche Nidau, So., 24. Juni, 17 Uhr, Schlosskirche Spiez, www.operimorient.ch

Anzeige:

— www.theater-basel.ch, Tel. +41/(0)61-295 11 33 — SURPRISE 277/12

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Verkäuferporträt «Ich möchte nur ich selbst sein» Strassenzeitungen wie Surprise gibt es auf der ganzen Welt. In Nigeria verkauft Daniel Light Ezekiel (28) das Magazin «The Big Issue». Noch lebt der gläubige Hobbymusiker in den Strassen von Lagos, doch er träumt von einer Karriere als Gospelsänger.

Die beste Art, den schmalen jungen Mann zu beschreiben, ist, ihn ein Rätsel zu nennen. Denn dieser Mann ist auf verschlungenen Pfaden durchs Leben gegangen, dorthin, wo sogar die Engel Angst hätten. Daniel Light Ezekiel, 28, Verkäufer des «Big Issue Lagos», ist nicht einfach nur der Junge von nebenan. Noch kaum erwachsen, musste er sich entscheiden: Entweder wie sein Kumpel in eine Miliz im Niger-Delta eintreten, wo Rebellen gegen die Regierung um die Kontrolle über die ölreiche Gegend kämpfen. Oder versuchen, eine ehrbare Existenz aufzubauen, in der das Leben Kampf bedeutet. Er entschied sich für letzteres. Entschlossen, sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen, verliess Dan, wie ihn seine Freunde nennen, vor ein paar Jahren seine Heimat im Bundesstaat Delta, um in der Metropole Lagos ein besseres Leben zu finden. Ohne jede Hilfe von aussen musste er auf der Strasse auf die harte Tour überleben. Er nahm verschiedene Jobs an, wusch eine Zeit lang Autos im niemals endenden Verkehr von Lagos. Trotz seiner schwierigen Situation hat er grosse Träume und Pläne. Wie Martin Luther King jr., die Ikone der Afroamerikaner, ist er fest davon überzeugt, dass er, wenn er sich nur ernsthaft darauf vorbereitet, eines Tages Grossartiges leisten wird. Sein Motto lautet: «Arbeite und bete.» Als entschlossener und motivierter Mensch sieht er jede Schwierigkeit als Chance, seine Ziele im Leben zu erreichen. Seine Hartnäckigkeit und die Ernsthaftigkeit, mit der er die Dinge anpackt, lassen ihn nie aufgeben. Ein gewöhnlicher Tag als Zeitungsverkäufer beginnt für ihn um acht Uhr morgens. «Wenn ich morgens aufwache, spreche ich zuerst meine Gebete. Anschliessend ziehe ich mich an, gehe los und verkaufe meine ‹Big Issue›-Magazine beim Stadion in Surulere. Wie lange ich bleibe, hängt davon ab, wie es an einem Tag läuft – wenn ich etwas verkaufe, möchte ich länger bleiben, um mehr Geld zu verdienen, aber wenn ich nichts verkaufen kann, höre ich normalerweise gegen Mittag auf», sagt er. Gerne möchte er das Magazin in der ganzen Metropol-Region von Lagos anbieten, doch sein Bein macht ihm seit einer Polio-Erkrankung während seiner Kindheit Probleme. Deshalb ist sein Radius als Verkäufer auf die Brücke unter dem Stadion beschränkt. Die Einkünfte aus den Heftverkäufen bessert er auf, indem er unter der Brücke Handybatterien auflädt. «Das hilft mir über die Zeiten, in denen ich nichts verkaufe.» Obwohl er mit seinem Job als Verkäufer nicht gerade viel verdient, findet Dan, dass diese Arbeit Vorteile bietet, die man nicht hoch genug

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BILD: ZVG

VON ALI SMART

schätzen kann. «Jetzt kann ich den Leuten mit neuem Selbstbewusstsein gegenübertreten. Ausserdem weiss ich jetzt, dass ich auch einige andere Dinge tun kann, die ich bisher noch nie getan habe», sagt er mit Nachdruck. Er ist stolz auf seine Arbeit als Zeitungsverkäufer, doch betrachtet er diesen Job nicht als dauerhafte Beschäftigung. «Ja, ich bin zufrieden, ein Zeitungsverkäufer zu sein. Aber ich weiss auch, dass ich diesen Job nicht lange machen werde, weil ich das, wonach ich suche, noch nicht gefunden habe. Aber als Verkäufer zu arbeiten, ist sicher besser, als überhaupt nichts zu tun.» Dan, der auch den Namen Oghenemaro trägt, was «Mein Gott ist gross» bedeutet, hofft, eines Tages ein grosser Musiker zu werden. Er schreibt Gospelsongs und singt auch.« Ich möchte erleben, dass meine Songs auf der ganzen Welt gespielt werden», sagt er selbstbewusst. Seine musikalischen Vorbilder sind die amerikanischen Gospelsänger Kirk Franklin und Don Moen. Auf die Frage, ob er eine dieser musikalischen Grössen imitieren möchte, antwortet er trocken: «Nein, ich möchte nur ich selbst sein.» ■ www.street-papers.org / The Big Issue Lagos – Nigeria SURPRISE 277/12


Eine Chance für alle! Werden Sie Surprise-Götti oder -Gotte Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten als andere. Menschen, die sich aber wieder aufgerappelt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt Struktur und wieder einen Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Die Surprise-Strassenverkäuferinnen und -verkäufer helfen sich

Bob Ekoevi Koulekpato Basel

Ausserdem im Programm SurPlus: Marika Jonuzi, Basel Fatima Keranovic, Baselland Jovanka Rogger, Zürich

selber. Das verdient Respekt und Unterstützung. Regelmässige Verkaufende werden von Surprise gezielt unterstützt. Die Teilnehmer am Programm SurPlus sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit). Mit der Programmteilnahme übernehmen die Surprise-Verkaufenden mehr Verantwortung; eine wesentliche Voraussetzung dafür, wieder fit für die Welt und den Arbeitsmarkt zu werden.

Marlis Dietiker Olten

René Senn Zürich

Jela Veraguth, Zürich Wolfgang Kreibich, Basel Kurt Brügger, Basel Anja Uehlinger, Baden

Andreas Ammann, Bern Tatjana Georgievska, Basel Peter Gamma, Basel Josiane Graner, Basel

Ja, ich werde Götti/Gotte von: 1 Jahr: 6000 Franken

1/2 Jahr: 3000 Franken

1/4 Jahr: 1500 Franken

Vorname, Name

Telefon

Strasse

E-Mail

PLZ, Ort

Datum, Unterschrift

1 Monat: 500 Franken

277/12 Talon bitte senden oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch, PC-Konto 12-551455-3 SURPRISE 277/12

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Surprise ist: Hilfe zur Selbsthilfe Surprise hilft seit 1997 Menschen in sozialen Schwierigkeiten. Mit Programmen in den Bereichen Beschäftigung, Sport und Kultur fördert Surprise die soziale Selbständigkeit. Surprise hilft bei der Integration in den Arbeitsmarkt, bei der Klärung der Wohnsituation, bei den ersten Schritten raus aus der Schuldenfalle und entlastet so die Schweizer Sozialwerke.

Ich möchte Surprise abonnieren!

Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht von Armut und sozialer Benachteiligung betroffenen Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit für ihre Anliegen. Surprise beteiligt sich am Wandel der Gesellschaft und bezieht Stellung für soziale Gerechtigkeit. Strassenmagazin und Strassenverkauf Surprise gibt das vierzehntäglich erscheinende Strassenmagazin Surprise heraus. Dieses wird von einer professionellen Redaktion produziert, die auf ein Netz von qualifizierten Berufsjournalistinnen, Fotografen und Illustratorinnen zählen kann. Das Magazin wird fast ausschliesslich auf der Strasse verkauft. Rund dreihundert Menschen in der deutschen Schweiz, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten damit eine Tagesstruktur, verdienen eigenes Geld und gewinnen neues Selbstvertrauen.

24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.) Gönner-Abo für CHF 260.–

Sport und Kultur Surprise fördert die Integration auch mit Sport. In der Surprise Strassenfussball-Liga trainieren und spielen Teams aus der ganzen deutschen Schweiz regelmässig Fussball und kämpfen um den Schweizermeister-Titel sowie um die Teilnahme an den Weltmeisterschaften für sozial benachteiligte Menschen. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Chor. Gemeinsames Singen und öffentliche Auftritte ermöglichen Kontakte, Glücksmomente und Erfolgserlebnisse für Menschen, denen der gesellschaftliche Anschluss sonst erschwert ist. Finanzierung, Organisation und internationale Vernetzung Surprise ist unabhängig und erhält keine staatlichen Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle anderen Angebote wie die Betreuung der Verkaufenden, die Sportund Kulturprogramme ist Surprise auf Spenden, auf Sponsoren und Zuwendungen von Stiftungen angewiesen. Surprise ist eine nicht gewinnorientierte soziale Institution. Die Geschäfte werden vom Verein Surprise geführt. Surprise ist führendes Mitglied des Internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP) mit Sitz in Glasgow, Schottland. Derzeit gehören dem Verband über 100 Strassenzeitungen in 40 Ländern an.

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PLZ, Ort

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E-Mail

Datum, Unterschrift 277/12 Bitte heraustrennen und schicken oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch

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Herausgeber Verein Surprise, Postfach, 4003 Basel www.vereinsurprise.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Do T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 info@vereinsurprise.ch Geschäftsführung Paola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (stv. GL) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@vereinsurprise.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Reto Aschwanden, Florian Blumer, Diana Frei (Nummernverantwortliche), Mena Kost redaktion@vereinsurprise.ch Ständige Mitarbeit texakt.ch (Korrektorat), Yvonne Kunz, Delia Lenoir, Irene Meier, Stephan Pörtner, Milena Schärer, Isabella Seemann, Priska Wenger, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Annette Boutellier, Luca Christen, Michael Gasser, Philipp Hedemann, Julia Konstantinidis, Christof Moser, Isabel Mosimann Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 15000, Abonnemente CHF 189.–, 24 Ex./Jahr Marketing, Fundraising T +41 61 564 90 61

Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83, M +41 79 428 97 27 Patrick Würmli, Spalentorweg 20, 4051 Basel, basel@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Zürich T +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12 Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, zuerich@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02 Andrea Blaser, Alfred Maurer, Bruno Schäfer, Pappelweg 21, 3013 Bern, bern@vereinsurprise.ch Strassenchor T +41 61 564 90 40, F +41 61 564 90 99 Paloma Selma, p.selma@vereinsurprise.ch Strassensport T +41 61 564 90 10, F +41 61 564 90 99 Lavinia Biert (Leitung), Olivier Joliat, David Möller l.biert@vereinsurprise.ch, www.strassensport.ch Vereinspräsident Peter Aebersold Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird von der Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt. Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen. SURPRISE 277/12


Von Aarberg bis Zuoz. Surprise gibt es beim Strassenhändler Ihres Vertrauens. Oder im Abo per Post.

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Macht stark.

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