Surprise 305/13

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Nr. 305 | 26. Juli bis 8. August 2013 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.

Verbrechen Kurzkrimis von Mitra Devi, Rahel Hefti, Michael Herzig, Sunil Mann, Isabel Morf, Milena Moser, Ruth Schweikert


Surprise Da läuft was Charity Run 2013 Surprise läuft weiter! Laufen Sie mit! Als offizieller Partner des IWB Basler Marathons 2013 ist Surprise auch in diesem Jahr wieder sportlich unterwegs! Der Marathon findet am 22.9.2013 in Basel statt und wir werden auch in diesem Jahr wieder ein eigenes Team aufstellen. Deshalb suchen wir engagierte Persönlichkeiten, die als Teil unseres Teams an den Start gehen und ein Zeichen gegen soziale Ausgrenzung und Ungerechtigkeit setzen möchten! Laufen Sie gemeinsam mit uns und unterstützen Sie Surprise, seine Verkaufenden, sein Engagement und seine Ziele! Oder unterstützen Sie unsere Läufer mit einer Spende! Nähere Infos zur Anmeldung und zum Basler Marathon auf www.charityrun.vereinsurprise.ch oder unter www.iwbbaselmarathon.ch

Surprise singt – auch für Sie!

Surprise fördert seit 1997 die Selbsthilfe von Menschen in sozialen Schwierigkeiten. Das Magazin erscheint 14-täglich und wird auf den Strassen der deutschen Schweiz von über 200 Verkaufenden angepriesen. Surprise geniesst eine breite öffentliche Unterstützung.

Für unsere Geschäftsstelle Basel suchen wir:

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Ca. 300 m2 Büroräumlichkeiten mit ca. 50 m2 Ladenlokal im EG an zentraler Lage im Kleinbasel oder Grossbasel City.

Angebote bitte an Frau Nicole Füllemann, +41 61 564 90 90 oder per Email an n.fuellemann@vereinsurprise.ch Verein Surprise, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel Spendenkonto PC 12-551455-3

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www.vereinsurprise.ch SURPRISE 305/13


Titelbild: Priska Wenger

Der erste bekannte Mordfall der abendländischen Geschichte dürfte dem Ermittler nicht allzu viel Mühe bereitet haben. Schliesslich war er allwissend – und die erste Frage im Verhörprotokoll deshalb rhetorisch gemeint: «Kain, wo ist dein Bruder Abel?» Geschichten von Verbrechen sind rund 3000 Jahre später beliebter denn je: Rund ein Viertel aller verkauften Bücher sind Kriminalgeschichten. Mit ihnen holen wir uns Nervenkitzel in unseren Alltag oder überlassen uns für einige Momente der Faszination des Bösen. Das Verbrechen steht dabei immer für einen Bruch: Eine Grenze wird überschritten. Doch bevor eine Grenze überschritten werden kann, muss sie erst einmal gezogen werden; bevor das Gesetz gebrochen werden kann, muss es gesetzt werden. So ist die Geschichte des Verbrechens auch eine Geschichte unserer Kultur, ihrer Werte MENA KOST und Tabus. REDAKTORIN Bereits im frühen Mittelalter besangen Bänkelsänger Mord und Totschlag – und zogen damit ihre Zuhörerschaft in Bann. Doch den zuverlässig bluttriefenden Versen fehlte noch etwas Entscheidendes zum Krimi. Es handelte sich um reine Berichte des Geschehenen. Erst die Abschaffung der Folter im aufgeklärten Westen lieferte die letzte Zutat: Geständnisse konnten nun nicht mehr erpresst werden, und so erlangten Indizien bei der Suche nach der Wahrheit überragende Bedeutung. Damit wurde das Verbrechen zum Rätsel. Nun war es am unwissenden Ermittler, einer Blackbox ihr Geheimnis allein mit den Mitteln des Verstandes zu entreissen. Das blieb literarisch nicht ohne Folgen. Die klassische Krimi-Dramaturgie hat sich seither kaum verändert. Auch die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe sind wahre Könner, was den Aufbau von Spannung und das langsame Zuziehen der Schlinge betrifft: Diese zweite Sommerlesenummer enthält Kurzkrimis von Mitra Devi, Rahel Hefti, Michael Herzig, Sunil Mann, Isabel Morf, Milena Moser und Ruth Schweikert. Fast alle haben exklusiv für Surprise geschrieben, ausnahmslos alle haben uns ihre Geschichte geschenkt. Für diese bemerkenswerte Grosszügigkeit möchten wir uns von Herzen bei ihnen bedanken! Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wünsche ich eine spannende Lektüre. Und schauen Sie doch hin und wieder hinter sich – man kann ja nie wissen … Herzlich Mena Kost

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 Ihre Meinung! Bitte schicken Sie uns Ihre Anregungen oder Kritik: Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 70, leserbriefe@vereinsurprise.ch. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion trifft eine Auswahl und behält sich vor, Briefe zu kürzen. SURPRISE 305/13

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BILD: DOMINIK PLÜSS

Editorial Wort und Totschlag


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Inhalt Editorial Faszination des Bösen Basteln für eine bessere Welt Wanted! Porträt Menschliche Abgründe Verkäuferinnenporträt Die Leseratte Projekt Surplus Eine Chance für alle! In eigener Sache Impressum INSP Sudokus Teuflisch schwer

08 Sherry in Lissabon VON ISABEL MORF

11 Der Anruf VON SUNIL MANN

14 Inseltraum VON MITRA DEVI

16 Tschingg VON MICHAEL HERZIG

21 Das Kostüm VON RUTH SCHWEIKERT

24 Erzähl mir von dir … VON MILENA MOSER

26 Vermisst VON RAHEL HEFTI

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BILD: ZVG

Die Illustrationen und das Cover dieser Ausgabe stammen von Priska Wenger. Es ist bereits das sechste Mal, dass sie einer Surprise-Literaturausgabe mit ihren Illustrationen ein Gesicht verpasst. Ausserdem gestaltet sie seit Jahren die Bilder zur Gerichtskolumne «Zugerichtet». Priska Wenger studierte Visuelle Kommunikation und Illustration an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Luzern. Seit 2007 lebt und arbeitet sie in New York, wo sie 2009 den Master in Fine Arts ablegte.

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2. Entschliessen Sie sich für ein passendes Augenpaar, eine Nase und einen Mund und schneiden Sie diese aus. 3. Kleben Sie sie auf ein Blatt Papier und ergänzen Sie Haarpracht, Augenbrauen und Kinn, nach Bedarf auch Schnauz, Bart und Brille. 4. Schreiben Sie über das Bild gross GESUCHT FÜR … und untendran … BELOHNUNG (bitte selber ergänzen, je nach Schwere des Delikts und eigenen Vermögensverhältnissen). 5. Kopieren Sie das Fahndungsbild mindestens zehn Mal und plakatieren es im Umfeld des Tatorts.

Basteln für eine bessere Welt Phantombild für den Hausgebrauch Am Sonntagabend auf dem Sofa erscheint uns die Welt der ruchlosen Verbrecher und findigen Fahnder zuweilen weit weg, als reine Fiktion, zu unserer Unterhaltung kreiert. Doch dann plötzlich wird man selbst Zeuge, wie der Nachbar erneut den Müll zu früh rausstellt oder sich ein WG-Gspönli nach böswilligem Anrichten eines Chaos auf französisch aus der Küche stiehlt. Aber wie die Verbrecher stellen? Aus Krimis wissen wir: Druck aufbauen lässt sich mit der Veröffentlichung eines Fahndungsfotos. Internetpranger finden wir aus Datenschutzgründen heikel – wir empfehlen die traditionelle Papiervariante. SURPRISE 305/13

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ILLUSTRATION: SOPHIE AMMANN | WOMM

1. Schliessen Sie die Augen. Lassen Sie die mutmassliche Delinquentin/den mutmasslichen Delinquenten vor Ihrem geistigen Auge erscheinen.


Porträt Die dunklen Seiten Raub, Erpressung, Mord: Kommissär Hans Peter Kalbermatten leitet die Fachgruppe «Leib und Leben» der Basler Kriminalpolizei. Die menschlichen Abgründe werden ihm nicht fehlen, wenn er im Herbst in Pension geht. Seine Kameraden dafür umso mehr. VON MENA KOST (TEXT) UND LUCIAN HUNZIKER (BILD)

«Die meisten Mörder muss man nicht überführen. Sie gestehen freiwillig.» Hans Peter Kalbermatten muss es wissen: In den 18 Jahren, in denen er die Fachgruppe «Leib und Leben» der Basler Kriminalpolizei nun leitet, hat er rund 80 Tötungsdelikte bearbeitet – und mit jedem einzelnen Täter gesprochen: «Hier ist oft der einzige Ort, wo sie überhaupt erzählen können. Wer sonst hört einem Mörder zu?» Hans Peter Kalbermatten sitzt entspannt in seinem Bürostuhl. Er trägt ein blendendweisses Hemd, die grauschwarz melierten Haare sind unauffällig, aber sorgfältig frisiert. «Der Mensch ist nicht dafür gemacht, einen anderen zu töten», sagt der 61-Jährige. Er habe auf alle Fälle keinen erlebt, der locker auf dem Verhörstuhl gesessen sei. Alle hätten sie geschwitzt und gelitten. Aber nicht, weil die Polizei sie hart in die Mangel genommen hätte – so funktioniere Polizeiarbeit nämlich nicht, «ein völlig falsches Bild, unsere Verhöre sind zivilisierte Gespräche». Sondern weil die begangene Tat, das Gewissen oder die Familie den Täter unter extrem grossen Druck setzten. Deshalb werde ein Mord auch eher zugegeben als eine Ohrfeige: «Der mit der Ohrfeige denkt vielleicht: ‹Der hatte es doch sowieso verdient, nur schade, habe ich ihm nicht gleich noch eine verpasst.› Unter dem Gewicht eines Mordes dagegen brechen die meisten Menschen zusammen.» Tötung, Körperverletzung, Raub, Entführung, Erpressung – das sind die Delikte, mit denen sich Kalbermattens elfköpfige Fachtruppe auseinandersetzt. Bei «Leib und Leben» werden alle schweren Delikte im Team bearbeitet. «Wir sind immer mindestens zu zweit.» Nicht nur, weil die Arbeit für einen allein zu viel sei. Auch, weil man so gemeinsam über einen Fall reden könne – zum Verarbeiten: «Das hilft.» Kalbermatten nimmt eine Akte vom Schreibtisch, schaut kurz drauf und legt sie wieder hin: «Auf den ersten Blick scheint unsere Arbeit einfach: Ein Opfer, ein Täter, wir reden mit beiden – und fertig.» In der Realität aber sei alles etwas komplizierter. «Wir überbringen Todesnachrichten, reden mit den Eltern eines Opfers, oder mit der Mutter, die gerade ihr Kind getötet hat. So etwas ist nie einfach.» Zwar spreche man bei einem Tötungsdelikt immer von einem Täter und einem Opfer. In der Realität aber seien meist alle Beteiligten Opfer. «Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Es ist schon ein paar Jahre her.» Kalbermatten schaut kurz zum Fenster, dann beginnt er zu erzählen: Der Anruf sei mitten in der Nacht gekommen: Eine Mutter habe ihren achtjährigen Sohn erwürgt. «Mein Kollege und ich sind also los. In der Wohnung lag das tote Kind auf dem Boden, die Mutter sass neben ihm – mit ihrem zweiten Kind auf dem Arm.» Pause. Kalbermatten atmet lange aus. «Wir haben die Mutter aufs Revier gebracht und sofort einvernommen. Sie hat mir erzählt, wie es dazu gekommen ist, dass sie ihr Kind getötet hat – im völligen Bewusstsein davon, dass sie ihr eigenes Leben damit für immer verwirkt hat.» Er dürfe keine Details nennen. Nur so viel: Die Mutter sei zur Zeit der Tat vollkommen überfordert gewesen. Pause. «Natürlich kann man eine Tötung nicht verstehen. Aber nachvollziehen, wie es dazu gekommen ist, das kann man.»

Bei seiner Arbeit begegnet Kalbermatten den dunklen Seiten der Menschen. Klar sei das zum Teil belastend. «Aber wer hier arbeitet, ist freiwillig hier – und will etwas bewegen.» Wichtig sei allerdings, dass man über das Erlebte sprechen könne. «In jener Nacht, nachdem wir die Frau befragt hatten, haben mein Kollege und ich noch einen Kaffee getrunken und alles durchgesprochen. Erst danach bin ich nach Hause.» Nachdem man das Erlebte besprochen habe, baue man «eine Mauer» um den Fall. «Jeder, der hier arbeitet, hat sie. Wenn man alles an sich heranlässt, kann man seine Arbeit nicht machen», weiss Kalbermatten. Dann schaut er auf die Uhr. Bald ist Mittag. «Die Arbeit hat mein Menschenbild nicht sehr beeinträchtigt. Ich glaube noch immer an das

«Der Mensch ist nicht dafür gemacht, einen anderen zu töten.»

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Gute im Menschen», sagt er und greift zum Telefon: «Hör mal, es reicht mir nicht nach Hause, ich bin noch beschäftigt. Tschau, tschau.» Kalbermatten legt auf: «Mein Frau», erklärt er – und lächelt. Kennengelernt hat Kalbermatten seine Frau im Lötschental, genauer in Blatten – jenem schönen Dorf, in dem er aufgewachsen ist. «Ein halbes Leben ist das jetzt her. Sie war dort in den Ferien. Später bin ich dann zu ihr nach Basel gezogen.» Damals war Kalbermatten 21 Jahre alt und hatte gerade seine Ausbildung zum Chemikanten abgeschlossen. «Von Polizeiarbeit hatte ich noch keine Ahnung.» Sowieso sei er in seiner ganzen Kindheit nur einem einzigen Polizisten begegnet. Kalbermatten war im Dorf mit einem Velo ohne Nummernschild unterwegs. «Der Polizist war nett: Ich musste nur absteigen und das Velo nach Hause schieben», erinnert er sich. In Basel dann habe er sich – mehr aus einer Laune heraus – bei der Polizeiaspirantenschule gemeldet. «Damals waren die Zeiten noch anders. Arbeit war genug vorhanden, man brauchte sich keine Sorgen um die Zukunft zu machen.» Bereits nach zwei Wochen an der Polizeischule war Kalbermatten aber klar: «Genau das will ich machen.» Das freundschaftliche und unautoritäre Arbeitsklima und die Kameradschaft unter den Polizisten hätten den Ausschlag gegeben. «Wir sind hier füreinander da – zu jeder Tages- und Nachtzeit. Wo gibt es das sonst?» Kalbermatten lehnt sich zurück und verschränkt die Arme hinter dem Kopf: «Die Fälle werde ich nicht vermissen, wenn ich im September in Pension gehe.» In den letzten Jahren habe die Brutalität enorm zugenommen – heute schlage man noch weiter zu, wenn einer schon am Boden liege. «Davon habe ich genug. Aber die Kollegen werden mir fehlen.» Einer von ihnen, sagt Kalbermatten fröhlich, sei allerdings auch schon in Pension. Und dieser fahre wie er gerne Töff. «Wir haben abgemacht, dass wir dann gemeinsame Fahrten unternehmen.» Ausserdem möchte er mit seiner Frau auf Reisen gehen. Und eine Stunde pro Tag werde er etwas für seinen Kopf tun, das sei ihm enorm wichtig. «Ich habe mir vorgenommen, Italienisch zu lernen», sagt Kalbermatten. Und bisher habe er noch alles gemacht, was er sich in den Kopf gesetzt habe: «Das wird auch diesmal so sein.» ■ SURPRISE 305/13


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Sherry in Lissabon VON ISABEL MORF

Natürlich sah ich mich vor immensen Schwierigkeiten. Als Erstes Meinen Entschluss, kriminell zu werden, nahm ich nicht auf die musste ich mich für eine Mordmethode entscheiden. Mich entscheiden – leichte Schulter. Ich gehöre nicht zu jenen Menschen, denen im Leben das klingt, als ob ich vor einer Auswahl gestanden hätte. Aber dem war alles in den Schoss fällt. Auch bin ich nicht mit einem ausgeprägten ganz und gar nicht so. Es war eher eine Art Ausschlussverfahren. ErSelbstvertrauen gesegnet. Das bedeutet jedoch nicht, dass ich keine schiessen, das wäre eine elegante Methode gewesen, aber für mich völWünsche hätte, keine Luftschlösser darüber, was ich aus meinem Leben lig unerreichbar. Ich hatte nie in meinem Leben eine Schusswaffe in den gerne machen würde. Vielleicht neige ich sogar dazu, meine Träume beHänden gehalten. Ich wusste vage, dass man eine Pistole oder einen Resonders ehrgeizig auszugestalten – denn wenn mir einmal etwas Grossvolver (was war überhaupt der Unterschied zwischen den beiden Dinartiges, Einmaliges gelingen würde, wäre dann nicht mein ganzes Leben gern?) entsichern muss vor dem Schiessen und dass das präzise Zielen gleichsam auf ein höheres Niveau gehoben, herausgelöst aus dem Klieine Kunst darstellt, die geübt werden muss. Ich erinnerte mich an die ma der Mittelmässigkeit und Erfolglosigkeit, in dem es sich seit jeher beFilmversion eines meiner Lieblingskrimis, in dem die Heldin – nun ja, wegt hat? die Mörderin – in ihrem paillettenbesetzten Abendhandtäschchen eine Nun glaube ich nicht, dass ich dazu imstande wäre, im beruflichen zierliche Waffe mit sich führt, mit der sie dann die Kontrahentin sauber Bereich etwas Aussergewöhnliches zu leisten. Ich habe einen der unerledigt. Hübsch, aber das musste ich mir aus dem Kopf schlagen, wie auffälligsten Berufe, die es überhaupt gibt: Ich bin Sekretärin. Ich verich bedauernd einsah. Die Frau zu erwürgen beziehungsweise zu erfüge nicht über besondere Begabungen, bin sportlich ziemlich ungeschickt, meine Kochkünste sind mittelmässig und meine Versuche, Topfpflanzen zu WachsAls Erstes musste ich mich für eine Mordmethode entscheiden. tum und Blüte zu bringen, sind regelmässig gescheitert. Ist es notwendig anzumerken, dass Mich entscheiden – das klingt, als ob ich vor einer Auswahl geauch mein Äusseres in keiner Weise Aufmerkstanden hätte. samkeit erregt? Ich bin mittelgross, nicht so schlank, wie ich möchte, in mein stumpfbraudrosseln (macht man das eine mit blossen Händen, das andere mit eines Haar haben sich graue Haare gemischt, was ich eine Weile lang – nem Hilfsmittel wie einem Seidenschal oder einer Nylonschnur?), lockohne überzeugendes Ergebnis – mit einer selbst aufgelegten kastaniente mich ebenfalls nicht. Eigentlich wollte ich sie lieber gar nicht anfasfarbenen Tönung zu kompensieren versuchte. Inzwischen ist es mir sen. Und ich hatte die unbehagliche Vorstellung, wie ich da zudrücken ganz gleichgültig. Meinen Ehrgeiz habe ich in andere Bahnen gelenkt. und zudrücken würde, und sie würde einfach nicht sterben – mich woVor drei Jahren hat mich mein Mann verlassen. Nicht einmal wegen möglich vorwurfsvoll anschauen aus hervorquellenden Augen. Nein, einer Jüngeren, nein, sie ist sogar ein Jahr älter als ich. Sonst weiss ich das kam nicht infrage. Auch Erstechen und Vergiften schieden aus. eigentlich nichts über sie, ich habe sie nie kennengelernt. Einmal sah ich Schliesslich entschied ich mich für das Erschlagen mit einem stumpsie, das ist alles. Aber ich beschloss, sie zu töten. Zunächst war es nur fen Gegenstand. Das hat mir in den Kriminalromanen immer gut gefalein Gedanke, ein ohnmächtiger Wunsch, aber ganz langsam wandelte len. Ein stumpfer Gegenstand, das kann vieles sein, es ist ein Ausdruck, er sich zu einer Absicht, zu einem Plan.

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der Bilder von einer vagen Gefährlichkeit, aber auch einer beruhigenden Anonymität evoziert. Problem Nummer zwei: Mit welchem stumpfem Gegenstand? Ich erinnerte mich an eine Kriminalgeschichte, in der eine Frau ihren Mann mit einer tiefgefrorenen Lammkeule erschlägt, die dann im Backofen weich vor sich hinbrutzelt, während die Polizisten die Wohnung nach einem passenden stumpfen Gegenstand absuchen. In einem anderen Roman schraubt der Täter aus einem Messingbettgestell eine Verzierung, eine Messingkugel, heraus, die er nach getaner Arbeit gelassen wieder hineinschraubt. Ich besass kein Messingbett mit massiven Verzierungen, sondern nur eine einfache, schmale Liege mit elastischem Lattenrost. Ich hatte sie mir nach der Scheidung gekauft und unser Ehebett vom Brockenhaus abholen lassen; auch mein Mann hatte – aus naheliegenden Gründen – kein Interesse daran. Ich trieb mich ratlos in Warenhäusern, Do-it-yourself-Shops (hier konnte ich mich einer geheimen Belustigung nicht erwehren) und Sportgeschäften herum und entschied mich schliesslich für einen einfachen Hammer. Schritt Nummer drei bestand in der Auskundschaftung des Opfers. Hier griff ich zu einer List. Fritz und ich pflegten einen losen telefonischen Kontakt. So alle paar Monate einmal rief er mich an, fragte, wie es mir ginge, erzählte so dies und das, Belanglosigkeiten aus seinem Alltag. Diese Gespräche waren meistens eher kurz, da ich keine besondere Lust hatte, mir Belanglosigkeiten aus seinem Alltag anzuhören. Aber nun sagte ich mir, weshalb nicht einmal zum Hörer greifen und, die Konversation unauffällig steuernd, ganz bestimmte, für mich nun höchst interessante Belanglosigkeiten abhören? Ich erwischte ihn in einem günstigen Moment. Seine Frau war weg, in einem Italienischkurs, den sie, so hörte ich mit Wohlgefallen, jeden Donnerstag von acht bis zehn Uhr abends besuchte. Mehr brauchte ich nicht. Nun wurde es langsam ernst. Am nächsten Donnerstagabend checkte ich die Situation vor Ort, dann ging es an die Detailplanung. Ich beschloss, mich als traditionelle Türkin zu verkleiden mit langem Regenmantel und Kopftuch. Beides kaufte ich in einem Warenhaus, das auf diese Art von Kleidern «Ich kann keinen Meineid auf mich nehmen», sagte ich spezialisiert war. Das würde mich unkenntlich machen, und Fritz’ Frau würde sich garantiert tugendhaft. «Wie kann sich die Wahrheit herausstellen, nicht bedroht fühlen und davonrennen, wenn wenn du mit einer Lüge beginnst?» ihr in der Unterführung eine Türkin folgte. Ich geriet in jenen Tagen in einen eigenartinicht die Rede. Ich wunderte mich etwas, dass Fritz sich nicht schon viel gen Zustand von höchster Konzentriertheit. Im Büro tat ich mechanisch früher Sorgen um sie gemacht hatte. Um zwei hatte er eine Vermisstenmeine Arbeit, aber innerlich war ich stets bei meinem Vorhaben. Meine meldung aufgegeben, und die Polizei war ihren Weg von der Sprachübliche Unsicherheit, überhaupt alles Gefühlsmässige, war weg, nur das schule bis nach Hause abgegangen. Diese Meldung klang für mich ganz logische Denken war da, kühl checkte ich Details und Eventualitäten ab. gut, aber es hiess weiter abwarten. Die Polizei sagt den Medien oft nicht Dann war der Tag da. Kurz nach zehn Uhr war ich auf dem Posten. alles, sondern verschweigt gerade die interessantesten Dinge. Einige Minuten später sah ich mein Opfer kommen. Ich näherte mich Am nächsten Tag rief Fritz an. Ich reagierte schockiert und ungläubig. aus einer Seitenstrasse und achtete darauf, dass die Frau mich – und daWas, seine Frau war das gewesen? Entsetzlich! Ja, entsetzlich, aber er mit meine Harmlosigkeit – bemerkte. Es klappte. Hinter ihr hergehend, schien mir nicht ganz bei der Sache zu sein. Er druckste ein wenig heden Hammer fest in der rechten Hand, beschleunigte ich in der Unterrum, dann fragte er, ob wir uns treffen könnten. Er müsse sich ausspreführung, schloss auf und schlug zu. Ohne einen Ton von sich zu geben, chen, sagte er ein wenig unsicher. Nein, nicht in einem Café. Ob er zu mir brach sie zusammen, und ich ging ruhig weiter, tauchte aus der Unterkommen könnte? Es war mir nicht ganz recht. Plötzlich geriet ich da in führung auf, entsorgte den Hammer in einem Abfallsack, den ich fest eine Verbindung zu dem Mord, und ich fragte mich, ob ich nach der Tat zuband und in einen Container warf, und ging nach Hause. Ich wusste, gleich hätte auf eine Städtereise nach Rom oder Helsinki gehen sollen. dass ich den wichtigsten Teil geschafft hatte. Alles war nach Plan verEr kam um halb neun, zum Abendessen hatte ich ihn nicht einladen laufen, keine Störung von aussen hatte mein Unternehmen durchkreuzt, wollen. Ich stellte Sherry auf. Er war von der Polizei befragt worden. und ich hatte die Nerven bewahrt. Nun hiess es abwarten. Verschiedenes erschien ihnen ungereimt. Warum war die Frau erschlaWürde ich befragt werden, in Verdacht geraten? Hatte ich irgendwelgen worden, fragten sie sich. Ein Raubmord war es nicht gewesen, ein che Spuren zurückgelassen? Ich glaubte es nicht. Den Regenmantel, das Drogensüchtiger als Täter schied aus. Auch für ein Sexualdelikt gab es Kopftuch und die Schuhe warf ich am nächsten Tag in getrennten Tüten keine Anhaltspunkte. Wo er denn an jenem Abend gewesen sei, hatten mit anderen alten Kleidern, die ich für diesen Zweck im Brockenhaus sie Fritz gefragt. Und warum er erst so spät gemeldet habe, dass seine gekauft hatte, in Kleidersammelcontainern ein. Die Türkin und ich hatFrau vermisst sei. Es dauerte eine Stunde, bis die Geschichte draussen ten keinerlei Ähnlichkeit miteinander. war. Fritz betrog seine Frau (was ich, wie ich zugebe, nicht ungern hörSie wurde erst spät gefunden, gegen drei Uhr morgens, wie es in den te), er hatte eine Freundin. Das aber wollte er der Polizei unbedingt verMorgennachrichten des Lokalradios hiess. Von einer türkischen Frau war SURPRISE 305/13

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heimlichen, denn die Freundin war schwanger von Fritz und wollte, dass er sie heiratete. Fritz aber wollte sich nicht scheiden lassen, seine Frau hatte ein hübsches kleines Vermögen (sieh an, dachte ich, das hatte er mir verschwiegen), und das wollte er eigentlich nicht eintauschen gegen ein schreiendes Baby, das Geld kostete. Fritz war nicht blöd (nicht ganz blöd, jedenfalls), ihm war rasch klar, welche Schlüsse die Ermittlungsbehörde aus dieser unkomfortablen Konstellation ziehen würde. An dem Abend war er in ein paar Spielsalons und Bars herumgehängt und hatte seine Probleme ertränkt. Allein. Dass die Freundin schwanger war, wusste er erst seit einer Woche. Und nun rutschte Fritz unbehaglich auf meinem Sofa hin und her. Ich wusste, was kommen würde. Ich bin nämlich auch nicht blöd. Ein Alibi wollte er von mir. Ausgerechnet von mir. Gut, wenn ich es ihm gäbe, wäre das auch ein Alibi für mich. Aber gleichzeitig könnte es mich auch verdächtig machen. Was, wenn es aufflog? Wie hätte ich meine Motivation, ihn zu decken, erklären können? Mitleid? Nicht bei einem Mordfall, nicht für einen Mann, der mich drei Jahre zuvor verlassen hatte. Für diese Frau. Nein, das war mir zu riskant. Das war nie Bestandteil meines Plans gewesen. Ich sah Fritz in die bittenden Augen und schüttelte langsam den Kopf. «Du nimmst doch nicht etwa an, ich hätte es getan?», fragte er mit erstickter Stimme. «Ich habe ein Alibi», beteuerte er. «Ich kann keinen Meineid auf mich nehmen», sagte ich tugendhaft. «Wie kann sich die Wahrheit herausstellen, wenn du mit einer Lüge beginnst?» «Ich habe mit diesem Mord überhaupt nichts zu tun!», begehrte er auf. «Ob ich hier lüge oder nicht, spielt nicht die geringste Rolle.» Ich schwieg.

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Isabel Morf 1957 im Bündnerland geboren, aufgewachsen im Glarnerland und im Aargau, studierte Germanistik in Zürich und Wien. Nach dem Studium arbeitete sie als freie Journalistin, schrieb über Literatur, Gerichtsprozesse, Forschungsprojekte, gesellschaftliche Themen, verfasste Reportagen und Porträts. Heute arbeitet sie als Redakteurin und Protokollführerin für das schweizerische Parlament. 2008 begann sie mit dem Krimischreiben. Bis jetzt sind erschienen: «Schrottreif» (2009, nominiert für den Zürcher Krimipreis 2010), «Satzfetzen» (2010), «Katzenbach» (2012). Ein vierter Krimi ist in Arbeit und sollte im Herbst 2014 herauskommen. www.isabelmorf.ch SURPRISE 305/13

BILD: STEFAN JÄGGI

«Ich weiss, es war nicht in Ordnung, wie ich mich dir gegenüber benommen habe vor drei Jahren», begann er sich selbst anzuklagen, «aber du kannst doch deswegen nicht wollen, dass ich wegen Mordes verurteilt werde.» «Wieso gibt nicht deine Freundin dir ein Alibi?», fragte ich. Leider hatte sie an dem Abend Besuch gehabt von ihrer Schwester. Wirklich Pech. Und da war halt ich ihm eingefallen, und dass wir uns doch immer so gut verstanden hatten. Ausser dass er mich verlassen hatte. Wegen dem Geld, das er erben würde, stotterte er, er würde sich natürlich erkenntlich – «Das Beste ist, du gehst jetzt nach Hause», beschied ich ihm freundlich, aber bestimmt. Hinterher sass ich ein Weilchen allein in meiner Stube, nippte an einem Sherry – ich hatte den Abend über nur Orangensaft getrunken – und liess mir durch den Kopf gehen, wie wunderbar sich alles fügte. Fritz wurde verhaftet. In den Bars konnte sich niemand an ihn erinnern. Er ist – wie ich – von unauffälligem Äusseren, ein Typ, der gerne übersehen wird. Dass er die Geschichte mit seiner schwangeren Freundin verheimlichte, bis die Polizei sie selber entdeckte, sprach nicht für ihn. Auch ich, als seine Ex-Frau (wie ich diesen Ausdruck hasse), wurde befragt. Was er für eine Persönlichkeit gewesen sei? Ob ich gelegentlich Angst vor ihm gehabt hätte? Ich sprach nicht schlecht über Fritz, musste aber, der Wahrheit verpflichtet, doch jenen Abend erwähnen, an dem er mich hatte dazu bewegen wollen, ihm ein falsches Alibi zu geben und mich dafür zu bezahlen. «Aus Verzweiflung natürlich», wie ich begütigend anmerkte. Auch das sprach ganz und gar nicht für Fritz. Am Tag nach seiner Verurteilung buchte ich last minute eine Städtereise nach Lissabon. Während Fritz seine neue Zelle bezog, man hatte ihn vom Bezirksgefängnis in die Strafanstalt überführt, sass ich in einer kleinen Bar, nippte an einem Sherry und schaute auf das Altstadtgässchen hinaus. Ich war zufrieden mit mir: Ich hatte wirklich sehr, sehr gut gearbeitet. ■


Der Anruf VON SUNIL MANN

Wäsche, die an Leinen flattert, oder den aufgestapelten Müllsäcken neHeute ist es soweit, endlich, die Zeit der Langeweile, des Nichtstuns ben russgeschwärzten Grillgeräten. Kinder spielen im Hinterhof, der hat ein Ende, ich kann es kaum erwarten. Ich lasse meinen Blick durch Lärm der Stadt ist hier in den Vororten kaum vernehmbar, ein fernes die Küche schweifen, sie ist aufgeräumt, sauber, der Chrom blitzt im Rauschen nur. Sonnenlicht. Ich erhebe mich mühsam, gehe langsam durch die andern Marie hat angerufen, früh schon, sie lebt jetzt in Paris und ist glückZimmer, auch sie aufgeräumt, alles an seinem Platz. Ich bin bereit. lich, hat sie gesagt, und es hat echt geklungen und ehrlich, sie wollte Ich horche in die Stille meiner Wohnung hinein. Nichts. Nur das römir damit nicht weh tun, dazu kenne ich sie gut genug, sie hat es trotzchelnde Geräusch meines zu schnellen Atems, das Rauschen des Blutes dem getan. Seither herrscht wieder Stille. In der Post lagen ein Paket und in meinen Ohren. Das Herz, das aufgeregt gegen die Rippen hämmert. zwei Karten. Die eine von Arthur, einem Kollegen aus dem Büro, die anDie Zeit, sie vergeht so langsam, wenn man auf etwas wartet. Ich widere von einem Gebrauchtwagenhändler, bei dem ich vor Jahren einen sche meine feuchten Hände an der Hose ab und gehe zurück in die Kümetallgrünen Ford gekauft habe. Ich fixiere das Telefon, es bleibt che. Sie werden mich anrufen, bald schon. Meinen Geburtstag werden stumm, doch es wird klingeln, bald schon, in spätestens einer Stunde, sie nicht vergessen. ich bin mir ganz sicher. Ich kann ein Grinsen nicht unterdrücken. Ich werde es mir gemütlich Und wenn es so weit ist, werde ich den Hörer abnehmen und in Rumachen, wenn das Telefon klingelt, die Beine hochlagern und so tun, als he mein Glas leeren, während sie mir gratulieren, und dann, wenn sie hätte ich ihren Anruf nicht erwartet, als wäre ich komplett überrascht. endlich auf die grosse Sache zu sprechen kommen, werde ich so tun, als Als hätten sie mich bei etwas Wichtigem gestört. müsste ich nach Papier und Stift suchen, obwohl Notizblock und KuIch bin früh aufgestanden, früher als sonst, habe geduscht, den besgelschreiber seit 1993 neben dem Telefon bereit liegen und ich alle paar ten Anzug angezogen und die Zähne geputzt, danach den Kaffee aufgeTage überprüfe, ob der Schreiber auch wirklich auf Anhieb schreibt und setzt, und während ich darauf wartete, dass das Wasser kochte, hörte ob noch genügend freie Blätter im Block sind. Ich werde mich räuspern ich dem monotonen Zischen der Gasflamme zu. Ich blätterte in der Zeitung, ohne sie zu lesen, blickte hin und wieder auf und beobachtete die Sonnenstrahlen, die Ich fixiere das Telefon, es bleibt stumm, doch es wird klingeln, ihre alltäglichen Muster auf die Küchenwand bald schon, spätestens in einer Stunde, ich bin mir ganz sicher. malten. Staub tanzte in der Luft, es war sehr schön. Doch mein Herz klopfte, meine Hände und ein wenig mit dem Aschenbecher rumlärmen, sie sollen ruhig merwaren feucht vor Schweiss, ich stand mindestens acht Mal auf und überken, dass in meinem Leben jetzt andere Dinge wichtig sind. Sie sollen prüfte, ob das Telefon korrekt eingesteckt war, der Hörer richtig aufgenicht glauben, ich hätte all die Jahre nur auf diesen Anruf gewartet. legt. Früher riefen sie immer um Punkt zwölf an, man konnte die Uhr Dann werde ich mir anhören, was sie mir anzubieten haben, erst eindanach stellen, früher jedenfalls, doch jetzt, ich weiss nicht, die Zeiten mal ablehnen und mein Alter und meine mangelnde Übung als Gründe ändern sich. Ich bin auf jeden Fall bereit. Elf Schritte sind es von der Küanführen, und erst wenn sie mich ein zweites Mal bitten, werde ich zuche bis ins Wohnzimmer, in vierzehn Sekunden bin ich dort, wenn ich stimmen, scheinbar zögernd, immer noch, aber mit fester Stimme, und mich beim Aufstehen beeile. sie werden mich erleichtert beglückwünschen und wissen, dass sie einIch werde nicht ausser Atem keuchen, wenn sie anrufen, ich habe gemal mehr die richtige Entscheidung getroffen, dass sie auch diesmal die lernt, mich zu beherrschen. Ich werde ihre Glückwünsche entgegenheikelste Aufgabe dem besten Mann anvertraut haben. nehmen, und wir werden bald schon auf alte Kameraden zu sprechen Ich setze mich wieder in die Küche, lasse aber die Türe offen, damit kommen, Erinnerungen auffrischen und die Toten bedauern, so wie wir ich das Telefon gut hören kann. Seit einiger Zeit habe ich links leichte sie immer bedauert haben, aufrichtig, doch ohne uns allzu lange mit ihHörbeschwerden, der Arzt sagte, das sei in meinem Alter nicht beunrunen aufzuhalten. Den Lebenden gehört die Welt. Sie werden von alten higend. Ich reisse das Papier von dem Paket, eine Pralinenschachtel Zeiten schwärmen und Anekdoten zum Besten geben, wir werden gekommt zum Vorschein, «Herzliche Glückwünsche vom Büro» steht auf meinsam in der Vergangenheit schwelgen und melancholische Scherze der Karte, die herausfällt, dazu ein paar krakelige Unterschriften, ich machen, es wird wunderbar sein. Alles ist jetzt anders, werden sie saschmeisse sie zusammen mit den beiden andern Karten in den Müll, die gen, der Nachwuchs, Sie wissen schon, gute Leute sind selten geworSchokolade kommt auf die Anrichte. den, wirklich gute Leute. Leute wie Sie. Ich sehe den Sonnenstrahlen zu, die durch die halb geschlossenen JaDer Champagner ist eiskalt, das Glas liegt im Tiefkühler, es ist bereits lousien pfeilen, sie wandern langsam über die Wand, ich kenne ihren kurz vor elf, ich nehme es heraus und sehe zu, wie es sich beschlägt, Weg genau, kenne die Maserung der Tapete, die Unebenheiten, die kleiwährend ich einschenke. Ein Geräusch ist zu hören, wie ein erleichternen Dellen und Risse, ich sitze oft hier, stundenlang, starre an die Wand ter Seufzer klingt es, die Kohlensäure prickelt über den Glasrand und beund denke an gar nichts oder an früher. netzt meine Hand mit einem feinen Sprühregen. Früher ist lange her, doch damals glaubten wir an die Sache und taDer Parkettboden knarrt unter meinen Schritten, ich gehe durchs ten bedingungslos alles dafür. Die Ausbildung war hart, die Arbeit auch, Wohnzimmer, am Telefon vorbei zum Fenster und blicke hinaus. Graue die Aufträge, die keiner machen wollte, sie blieben meist an mir hängen. Häuserzeilen, Agadir, Casablanca, Panama sind nur noch Worthülsen, Meiner Familie wurde gesagt, ich sei bei einem Flugzeugabsturz ums gefüllt mit vergilbten Erinnerungen, Schnappschüssen längst vergangeLeben gekommen, ich war jung und voller Ehrgeiz und auch ein wenig ner Zeiten, da draussen sieht alles gleich aus, seit Jahren der gleiche naiv. Doch schon bald galt ich als der Beste der Branche, man behanAusblick, die Wohnungen nur unterscheidbar an den Balkonen, an der SURPRISE 305/13

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BILD: EKE MIEDANER

Ich sagte zu Arthur, dass ich nach der Pensionierung den Text überdelte mich mit Respekt und Ehrfurcht, hätte es Auszeichnungen gegearbeiten würde, um ihn dann Verlagen anzubieten. Arthur sah mich ben, ich hätte sie alle erhalten. Doch ein kleiner Fehler genügte, ein verernst an und schüttelte den Kopf. patzter Auftrag, bei dem wir fast aufgeflogen wären, und sie versetzten «Das lässt du besser bleiben», sagte er, und ich verstand die Welt mich hierher, beschafften mir die Wohnung, den Job im Büro und Manicht mehr. rie, sie sagten, dass ich untertauchen müsse, noch falscherer Name, eiEin Blick zur Uhr, Viertel vor zwölf, der 14. Juli 2013, mein fünfundne weitere erfundene Existenz, man müsse abwarten, hiess es, bis die sechzigster Geburtstag, sie müssen mich anrufen. Ich habe zwanzig Zeit reif sei für die ganz grosse Sache. Man werde sich melden. Jahre darauf gewartet, habe Gulasch gegessen und Bier im «Old Inn» geUnd sie riefen an, zuerst monatlich, erkundigten sich nach meinem trunken, habe Akten abgelegt und Marie gevögelt und so getan, als wäWohlergehen und vertrösteten mich auf später, ich müsse durchhalten, dann riefen sie immer seltener an, zuletzt nur noch an meinem Geburtstag, Stimmen, die ich Es war furchtbar, selbst nach all diesen Jahren hörte ich noch nicht wiedererkannte. Die Jahre gingen vorbei, die Stimmen, ihr Flehen, Heulen, Kreischen. der kalte Krieg auch, sie sagten, dass man uns nicht mehr so oft brauche, man umarmte sich re ich ein guter Ehemann, ein richtiger Beamter. Es ist an der Zeit, dass weltweit und rückte zusammen, und der Balkan war irgendwie weit sich etwas ändert, dass ich wieder aufgeboten werde, die grosse Sache weg. Und dann kam das neue Jahrtausend, es gab Männer, die ein Flugist noch nicht zu Ende geführt worden. Man braucht mich noch, braucht zeug beängstigend zielsicher steuern konnten, und alles wurde anders, mich sehr. alles geriet ausser Kontrolle, doch sie riefen nicht an, und die Zeit zerIch schenke mir ein weiteres Glas Champagner ein, die Pralinenrann mir zwischen den Fingern. schachtel glänzt golden im Sonnenlicht, ich öffne sie, der Geruch von Ich gehe ins Wohnzimmer hinüber, ein Blick zum Telefon, es bleibt dunkler Schokolade, Zimt, Bittermandeln und Cointreau schlägt mir stumm. Das gehäkelte Deckchen, auf dem es steht, ekelt mich plötzlich entgegen. Ich stecke mir eine Kugel in den Mund, das passt zwar nicht an, der Buchenholztisch von IKEA, der hellgraue Spannteppich, die zum Champagner, schmeckt aber trotzdem, dann setze ich mich neben Glasvitrine in der Ecke mit den Nippsachen und den vermeintlichen Fedas Telefon. riensouvenirs – alles ekelt mich plötzlich an, diese Kulisse, die sie mir Von draussen höre ich die Glocken läuten, das Gemeindezentrum gebaut haben, dieses Leben, das sie mir inszeniert haben, alles falsch, liegt gleich um die Ecke, protestantische Kirche, Markthalle und Konalles nur Fassade. Ein gutbürgerliches Leben, haben sie gesagt, da fällt zertlokal in einem, man ist pragmatisch hier draussen. Zwölf Uhr. Das man nicht auf, da schöpft keiner Verdacht. Da sei ich sicher. Telefon bleibt stumm. Und ich war sicher, ich verrichtete pflichtbewusst meine Arbeit im Ich schliesse die Augen, mir ist etwas schwindlig, ich zähle bis hunBüro. Ich tat, was Beamte tun, ich legte Akten ab, führte Listen nach, tedert, und dann klingelt es doch, endlich, mein Herz rast, und ich reisse lefonierte, sinnlos, ziellos, ich trank Kaffee aus dem Automaten und ass den Hörer von der Gabel. Arthurs Stimme, die Enttäuschung verschlägt Gulasch in der Kantine, abends ging ich mit den Kollegen auf ein Bier mir den Atem, ich schnappe nach Luft und sacke zurück ins Sofapolster. ins «Old Inn», und einmal im Jahr fuhr ich mit Marie in den Urlaub, «Lass die Finger von den Pralinen!», höre ich Arthur schreien. «WieGriechenland, Spanien, zu unserem zehnten Hochzeitstag sogar nach so?» Meine Stimme stockt, ich kriege die Worte kaum noch aus dem Thailand, die Tarnung war perfekt. Ich wartete geduldig auf den nächMund. sten Auftrag, auf die ganz grosse Sache. Zwanzig Jahre lang. «Dein Manuskript … das war sehr dumm.» Er hält inne. Ich spüre, Marie verliess mich vor fünf Jahren, es traf mich völlig unvorbereiwie ich die Kontrolle über meine Glieder verliere, der Hörer rutscht mir tet, sie sagte, ich liebe sie nicht, ich sei mit den Gedanken stets anbeinahe aus der Hand, meine Beine zucken spastisch. derswo. Ich war unfähig, etwas zu erwidern. Sie hinterliess eine «Das Büro ist nicht einfach ein Büro. Wir sind wie du auf dem Abschmerzhafte Leere, ich sass immer öfter in der Küche, starrte an die stellgleis, wir warten alle auf diesen Anruf, doch sie werden uns nie Wand und dachte an früher. Und die Erinnerungen kamen, als hätten mehr anrufen, nie mehr! Kapierst du das denn nicht?» Schaum quillt aus sie nur darauf gewartet. Tagsüber hatte ich sie unter Kontrolle, ich ermeinen Mundwinkeln, Arthur sagt noch etwas, doch ich verstehe es innerte mich gern an die ruhmreichen Taten, die Aufregung und Spannicht mehr. Meine Gedärme krampfen sich zusammen, der Schmerz ist nung, doch nachts schlichen sie sich in meine Träume, die andern Erwie eine weisse Wand, ich kippe vornüber auf den Boden und knalle mit innerungen, die verdrängten, dunklen. Es war furchtbar, selbst nach all der Stirn gegen den Salontisch, der krachend umfällt, das Telefon reisse diesen Jahren hörte ich noch die Stimmen, ihr Flehen, Heulen, Kreiich mit, und als ich ein letztes Mal die Augen aufschlage, sehe ich den schen, sah das Blut, Foltermale, wie Tätowierungen auf der Haut, ihre Hörer neben meinem Kopf liegen, schwarz und glänzend, Arthurs StimGesichter, die mich in panischer Angst anstarrten, während das Leben me nur mehr ein Quäken aus weiter Ferne, das sich allmählich im lauaus ihnen wich. Der Arzt verschrieb mir Pillen, es half nichts, die Alpter werdenden Rauschen verliert. träume blieben. ■ Es wurde etwas besser, als ich begann, sie aufzuschreiben, sechshundert Seiten Erinnerungen. Ich schrieb tagelang, nach der Arbeit, bis Sunil Mann wurde 1972 als Sohn indischer tief in die Nacht hinein, an den Wochenenden, ich liess nichts aus, es Einwanderer im Berner Oberland geboren und war befreiend, die Last fiel von mir ab, mein Schlaf wurde ruhiger. lebt seit mehr als 20 Jahren in Zürich. Er hat Arthur entdeckte das Manuskript zufällig, als er einmal zum Kaffee Psychologie und Germanistik studiert, beide da war, er fragte, ob er es lesen könne, er hielt es für einen Roman. Ich Studiengänge wurden erfolgreich abgebrobejahte zögerlich. Zwei Wochen später gab er es zurück, wortlos. Ich chen. Heute arbeitet er Teilzeit bei der natiodrängte ihn, mir seine Meinung zu sagen, er sagte, es sei gut, doch zu nalen Airline. Viele seiner Kurzgeschichten brutal für seinen Geschmack, ich solle doch etwas anderes schreiben. wurden ausgezeichnet. Mit seinem RomandeDoch ich hatte bereits Gefallen am Gedanken gefunden, mit anderen büt «Fangschuss», dem ersten Krimi mit Vijay meine Erinnerungen zu teilen. Ich schickte ihnen das Manuskript, als Kumar, gewann er den Zürcher Krimipreis 2010. Mit «Lichterfest» (2011) Weckruf. Endlich würde ihnen bewusst werden, wie ausserordentlich und «Uferwechsel» (2012) legte er zwei weitere humorvoll-spannende meine Leistungen waren. Sie würden einsehen, dass es ohne mich einFälle für den indischstämmigen Privatdetektiv nach. Der vierte Roman fach nicht ging. Sie würden mich anrufen. Mich zurückwollen. erscheint Ende August 2013, wieder im Grafit Verlag.


Inseltraum VON MITRA DEVI

Als Sybil am nächsten Tag Jana nach Sport- und Ausflugsmöglichkeiten fragte, lächelte diese zwar verständnisvoll, konnte ihr aber auch nicht weiterhelfen. Die Insel schien für solche Wünsche nicht eingerichtet zu sein. Mirko brachte ihr an diesem Tag mehr farbige Bonbons, aber die konnten Sybil auch nicht recht über ihre Enttäuschung hinwegtrösten. Die Insel gefiel ihr nicht mehr so gut wie zu Beginn. Langsam beschlichen sie Gefühle, die sie nicht mochte: Langeweile, Leere, Einsamkeit. Es gab einfach nichts zu tun hier. Nicht mal was zu lesen hatte sie. Etwa nach einer Woche erwachte sie plötzlich von einem Schrei. Es war heller Tag, sie musste kurz eingenickt sein, hatte von Haien und Teufelsrochen geträumt, als dieser archaische Ton sie aufschreckte. Er schien nicht enden zu wollen. Verzweiflung lag in ihm, und er hielt qualvolle Minuten an. Mirko kam zu ihr geeilt. Sein weisses Gewand flatterte auf. «Was ist passiert?», fragte er. «Keine Ahnung.» Sie räusperte sich. Ihre Kehle fühlte sich wund an. «Jemand hat geschrien. Es klang grässlich.» Er sah sie lange an. Lag Unsicherheit in seinem Blick? Gar Angst? Dann sagte er: «Das waren Sie, Sybil.» Sie lachte auf, etwas gepresst. «Auf keinen Fall, Mirko! Ich habe geschlafen. Das war jemand anders. Ein wildes Tier vielleicht. Ein Hai oder ein Teufelsrochen.» «Ach, Sybil», sagte er, eine Spur zu einfühlsam, wie sie fand. «Berühren Sie Ihr Gesicht. Spüren Sie Ihre Tränen? Sie haben laut geweint. Wollen Sie mir sagen, warum? Vielleicht kann ich Ihnen helfen.» Sybil griff sich zögernd an die Wange. Sie war feucht, ihr Kinn auch. Ihre Augen brannten. Ihre Lippen schmeckten salzig. «Das ist Meerwasser, Mirko, keine Tränen!», sagte sie. «Ich bin wahrscheinlich schwimmen gegangen und später eingeschlafen. Ja, so wird es gewesen sein.» Mirko schüttelte den Kopf, murmelte etwas von Doktor Baumann, dem Inselarzt, dann verschwand er wieder. Sybil blieb allein zurück. Sass auf ihrer Strandmatratze, starrte auf den Ozean. Plötzlich kam ihr das Wasser bedrohlich vor, eher wie ein Moor, dunkel und brodelnd. Etwas war nicht mehr so wie vorher. Zog ein Sturm auf? Sie schaute sich um. Nein, der Himmel war wolkenlos, die Luft windstill, die Sonne brannte noch immer. Doch das Pochen in ihrem Hinterkopf schwoll zu einem Dröhnen an. Sie hatte wieder eine ihrer Ahnungen. Immer schon hatte sie diese Visionen gehabt, Bilder von Unheil und Schrecken, und jedes Mal war bald darauf tatsächlich etwas geschehen. Wie kurz vor ihrem Inselurlaub. Was war damals

Seit Sybil auf der Insel war, schien die Sonne. Ein strahlend blauer Himmel. Es war einfach traumhaft. Sie sass auf ihrer weissen Luftmatratze am Strand, wo sie ihre ganze Zeit verbrachte. Kein Lüftchen wehte, es war sehr still. So liebte sie es. Sie liess ihren Blick in die Ferne schweifen, auf die glitzernden Wellenkämme, bis in die Unendlichkeit, als plötzlich ein Einheimischer neben ihr stand. Sie hatte ihn gar nicht kommen hören, schaute zu ihm hoch und lächelte ihn an. Es war Mirko mit dem schwarzen Schnurrbart, in der typischen weissen Landestracht. «Ich bringe Ihr Essen», sagte er und zwinkerte ihr zu. Seine singende Stimme und sein weicher Akzent verstärkten noch den Charme. «Vielen Dank, Mirko», sagte Sybil und schob einen Löffel Gemüse in den Mund. Der Service «Stirb, verdammtes Vieh!», schrie sie, und ihre Stimme überhier war wirklich ausgezeichnet, immer wieder schlug sich. Die weisse Haut des Hais färbte sich rot, er röchelte, dachte sie das. Die Inselbewohner waren keuchte, stiess grauenhafte Laute aus. freundlich und ruhig und schenkten ihr mehrmals täglich bunte Bonbons, die Spezialität ihres noch gleich passiert? Ein Angriff wilder Tiere? Haie? Sie erinnerte sich Landes. Eine junge Frau namens Jana fragte sie jedes Mal, wenn sie sie nur verschwommen, wollte gar nicht daran denken. Sie war jetzt da, sah, wie es ihr gehe. Und jedes Mal antwortete Sybil voller Überzeuund es war gut. gung: «Gut!» War es wirklich gut? Einzig das Pochen in ihrem Hinterkopf störte Sybil ein wenig. Seit sie Stopp, Sybil, sagte sie sich, hör auf, dich verrückt zu machen, deine hier war, klopfte und hallte es in ihr. Manchmal klang es wie Worte, Ahnungen müssen sich ja nicht jedes Mal bewahrheiten. «Tun sie aber», manchmal wie Tierlaute, jedenfalls unangenehm, und sie wusste nicht sagte eine Stimme in ihr. «Nein, tun sie nicht!», rief sie, stand abrupt auf, recht, was sie davon halten sollte. Sicherheitshalber erzählte sie nieging ein paar Schritte im Sand hin und her, der ihr plötzlich hart und mandem davon, versuchte es zu überhören, was ihr meistens gelang. starr erschien; sie fühlte sich seltsam eingeengt – in diesem Moment So vergingen die Tage in Abgeschiedenheit und Stille, mit Sitzen, in passierte es. die Weite blicken, essen und ausruhen, bis Sybil sich nach einer Weile Ein Hai! eingestehen musste, dass es ihr zu still war. Sie wollte etwas unternehMannsgross. Schnellte aus dem Wasser. Glotzte sie an und öffnete men. Ob sie einen Tauchkurs absolvieren sollte? Ob es Möglichkeiten sein Maul. zum Wasserskifahren, Surfen oder Segeln gab? Was war mit dem NachtSybil machte einen Sprung zur Seite, zitterte, wartete darauf, dass der leben? So warm und hell es tagsüber war, so schnell verging die DämHai, wie es sich für einen Fisch gehört, auf dem Land verendete, doch merung, ja, es wurde fast von einem Moment zum andern dunkel, und das tat er nicht. Er kam näher. Es war ein weisser Hai, das gefährlichste nachts war die Insel noch ruhiger. Beinahe gespenstisch.

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SURPRISE 305/13


SURPRISE 305/13

Mit freundlicher Genehmigung von Mitra Devi. Aus: «Die Bienenzüchterin – Mörderische Geschichten», Appenzeller Verlag, Herisau.

BILD: BEA HUWILER

aller Meeresungeheuer. Ohne lange nachzudenken, griff sie unter ihre Strandmatratze, holte die Harpune, die sie für Notfälle bereithielt, hervor und stach zu. Wieder und wieder stiess sie die scharfe Spitze in das Herz des Tieres, das zusammenzuckte, sich aufbäumte, seinen Rachen weit aufriss. «Stirb, verdammtes Vieh!», schrie sie, und ihre Stimme überschlug sich. Die weisse Haut des Hais färbte sich rot, er röchelte, keuchte, stiess grauenhafte Laute aus. Laute, die ihr fast menschlich vorkamen, Laute, die wie Worte klangen, als rufe er um Hilfe. Seine Augen verdrehten sich, er schlug noch ein paar Mal mit den Flossen, dann war er tot. Sybil bebte am ganzen Körper. Ihre Kleider waren blutverspritzt, sie hielt noch immer die Waffe umklammert. Endlich kamen Mirko und Jana angerannt. Sie wurden blass vor Entsetzen, als sie das riesige tote Tier entdeckten. Dann drehte Jana langsam den Kopf und schaute zu Sybil hinüber. Abscheu lag in ihrem Blick, als hätte Sybil etwas Furchtbares getan. Ein Insel-Tabu gebrochen. Dabei hatte sie doch nur ihr Leben verteidigt. Sie wollte es der netten Frau erklären, aber sie war so durcheinander, dass sie nur unverständliche Worte von sich gab. «Allmächtiger!», sagte Mirko fast tonlos, während er auf den weissen Körper am Boden starrte. «Sie hat wieder getötet. Sybil hat Doktor Baumann umgebracht.» Sybil wusste nicht, was er damit meinte, und als er ihr die Harpune aus der Hand nahm und zu Jana sagte: «Warum hat man sie nicht besser durchsucht? Dieses Taschenmesser hätte niemals übersehen werden dürfen, als man sie ins Isolierzimmer gebracht hat. Holen Sie schnell Verstärkung!», da begriff sie noch weniger. Warum nannte er ihre Harpune Taschenmesser? Jana drückte den Notknopf an der Wand und lief los. Schrilles Klingeln hallte durch die Räume. Kurz darauf erschienen zwei weitere weiss gekleidete Männer, die Sybil mit Ledergurten an ihre Matratze banden.

Der eine gab ihr eine Spritze. Sie tauchte ab. Letzte Wortfetzen drangen in ihr Bewusstsein: gehässige, böse Sätze. Sie wollte sich rechtfertigen, sie wollte erklären – es war doch nur ein Fisch, warum machten alle solch ein Aufhebens? –, aber ihre Zunge wurde lahm, ihr Hirn dumpf und schwer. Einige Tage waren seit dem Tod des Hais, den die Inselbewohner Doktor Baumann nannten, vergangen. Sybil hatten sie in ein enges Gewand gezwängt, das sie für einen Taucheranzug hielt, doch als sie sich in die Fluten stürzen und schnorcheln wollte, wurde das Wasser zu Stein, die Wellen zu Beton. Sie stiess sich die Stirn an einer Mauer und blutete. Das Meer war verschwunden, der Strand war weg, ihre hübsche kleine Luftmatratze hatte sich in ein hässliches Klinikbett verwandelt, die Sonne in eine grelle Neonröhre, die Weite in vier Wände. Wo war ihre Insel? Wo war der Sand? Man hatte sie betrogen! Sie würde sich beim Reiseveranstalter beschweren. So konnten die doch nicht mit ihren Gästen umspringen! Sie würde toben und wüten, ja, das würde sie. Plötzlich hörte sie wieder diesen Schrei, von dem Mirko behauptet hatte, er sei aus ihrem Mund gekommen. Diesmal erschallte er von überall her, wurde als Echo von den Wänden zurückgeworfen und kroch wie ein giftiges Reptil in ihre Ohren. Zwei Weissgekleidete stürzten herein, befreiten sie endlich von dem engen Taucheranzug, der ihr schon fast das Blut abgeschnürt hatte, gaben ihr mehrere von diesen Bonbons – rosafarbene, hellblaue und eine grün-gelb gestreifte Kapsel. Wie bunte Smarties sahen sie aus. Doch sie schmeckten ihr nicht mehr, vernebelten ihr Hirn, deshalb spuckte sie sie wieder aus. Sollten sich die Eingeborenen doch in ihrer Gastfreundschaft verletzt fühlen, sie hatte nun genug. Sie war mit dem Service nicht mehr zufrieden, nein, ganz und gar nicht. Sie wollte hier raus. Als sie das den beiden Männern mit der gebührenden Freundlichkeit mitteilte, schüttelten diese nur ihre Köpfe. Der Grössere sagte: «Wenn Sie Ihre Medikamente nicht einnehmen, müssen wir Ihnen wieder eine Spritze geben, und Sie werden noch lange im Isolierzimmer bleiben müssen. Seien Sie doch bitte etwas kooperativ.» Sybil starrte auf seinen Mund, auf seine spitzen Zähne, und in diesem Moment fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: Die beiden Männer waren getarnte Haie. Weisse, mordlüsterne Tiere. Die Tarnung war gut, aber sie hatte sie durchschaut. Wenn ich einen erledigen kann, dachte sie, komme ich auch mit zweien klar. Mit einer Schnelligkeit, die sie selber überraschte, griff sie unter die Wolldecke, holte das schwere Metallstück hervor, das sie vor einer Woche vom Bettgestell abgeschraubt hatte, von dem sie natürlich wusste, dass es in Wirklichkeit eine Fischkeule war, und schlug auf die beiden Haie ein. Endlich verstummte das Dröhnen in ihrem Kopf. Und da war er wieder, der Strand. Die Mauern verschwanden, die Meereswellen rauschten, eine Möwe schrie. Sybil vergrub ihre Füsse im warmen Sand und liess ihren Blick in die Ferne schweifen. ■

Mitra Devi geboren 1963, ist Krimiautorin, bildende Künstlerin, Journalistin und hat vor Kurzem ihren ersten Dokumentarfilm «Vier Frauen und der Tod» gedreht. Sie hat 13 Bücher veröffentlicht. Nebst schwarzhumorigen Short Stories, von denen einige als «Schreckmümpfeli» von Radio SRF gesendet wurden, hat sie sich mit der Nora-Tabani-Serie einen Namen gemacht. Ihr neuester Roman «Der Blutsfeind» wurde mit dem Zürcher Krimipreis ausgezeichnet. www.mitradevi.ch

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Tschingg VON MICHAEL HERZIG

Es würde ein guter Tag werden für einen Menschen, der das Glück erzwingen konnte. Pankratius Föhn schob sein Rennrad durchs Garagentor ins Freie. Der Elektromotor stotterte. Einen Augenblick lang hing das Tor über der Ausfahrt. Bockstill. Pankratius hielt inne. Der Motor setzte seine Arbeit fort. Föhn schritt in den Morgen hinaus. Über dem See strahlte die Sonne. Ab und zu blitzte es auf, wenn sie sich in einer Welle spiegelte. Er stieg aufs Rad. Gleich nach dem Frühstück würde seine Frau Kälin herbestellen müssen, den Handwerker aus Feusisberg. Seit dieser unter Umgehung baurechtlicher Vorschriften sein Elternhaus umgebaut hatte, schuldete er Pankratius Föhn mehr als nur einen Gefallen. Das Garagentor zu reparieren, war das Mindeste, was der Mann tun konnte. Föhn rollte die von Buchsbäumen gesäumte Zufahrt auf die Etzelstrasse hinunter. Aus der Ausfahrt gegenüber kam ihm das neue 3er-Cabrio von BMW entgegen. Pankratius Föhn zog den Bauch ein. Die Nachbarin winkte. Ihre blonde Mähne flatterte im Morgenwind. Der Motor heulte auf. Linda und Lukas Fässler im Haus nebenan würde das Müsli im Hals stecken bleiben. Lukas würde etwas Unverständliches brummen, Linda ihre Wut hinunterschlucken, nicht aber die bissigen Bemerkungen über Deutsche, mit denen sie hausieren ging. In der Bäckerei und im Blumenladen. Die Verkäuferinnen lächelten verlegen, wenn Linda Gift sprühte. In ihrem Möbel- und Innendekorationsgeschäft freilich wurden Lindas Ressentiments zum Problem. Deutsche waren auch Kunden. Trotzdem hielt Linda nicht den Mund. Je schlechter es lief, umso verbitterter wurde sie. Fässlers hatten panische Angst, dass die Zuzügler das Dorf zur Stadt machten. Die Schule zu einem multikulturellen Irrgarten. Das Wohnsträsschen zur Durchfahrtsachse. Alle paar Tage brachten sie ein neues «Langsam – Achtung Kinder!»-Schild am Strassenrand an.

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Der BMW verschwand um die Kurve. Die Nachbarin wollte vor sieben Uhr in Zürich sein. Später waren die Zufahrtstrassen dicht. Pankratius Föhn hatte nichts gegen Deutsche. Im Gegenteil. Sie hatten ihm manch schöne Wohnung abgekauft. Föhn trat in die Pedale. Auf den fünfhundert Metern bis zum Dorfausgang zählte er drei Baustellen. An zweien verdiente er mit. An der dritten bald. Der Bauherr hatte sich übernommen. Gespannt wartete Föhn auf den richtigen Augenblick, sein Angebot zu platzieren. Zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein, war seine Spezialität. Nach dem letzten Haus stieg die Strasse steiler an. Föhn pedalte an einer Landmaschinenwerkstatt vorbei. Das Tor stand offen. Aus der Halle hörte er Maschinenlärm. Jedes Mal, wenn er daran vorbeiradelte, staunte Pankratius Föhn, dass die Firma überhaupt noch existierte. Immoos hatte seine Werkstatt in den Siebzigern eröffnet. Umgeben von Wiesen und Höfen. Nun lag er am Rand eines Siedlungsbreis aus sonnendurchfluteten Eigentumswohnungen und kunstvoll verschachtelten Villen. Wollerau, Feusisberg und Freienbach hatten ihre Einwohnerzahl verdoppelt, die Millionärsquote vervielfacht. Die Nachfrage nach Einachsern war im Keller. Hoch im Kurs standen Zahnimplantate, Swimmingpools, Alarmanlagen. Ein paar Meter weiter zirpten Grillen. Auf dem Hügel zur Rechten lag gemähtes Gras. Darüber zog ein Bussard seine Kreise. Pankratius Föhn schaltete das Gehirn ab. Nichts zu denken war der tiefere Sinn seines morgendlichen Trainings, ein flacher Bauch der oberflächliche Effekt. An diesem Tag wählte er die kürzere Tour. Er fühlte sich schlapp. Im Magen hatte er ein flaues Gefühl. Am Abend zuvor war er mit Bruno Betschart durch die Wirtschaften gezogen. Ihr monatliches Treffen. Betschart war Bauunternehmer. Und Kantonsrat. Das ergab so manche Synergie. Mit einem üppigen Essen in Bürgis «Burehof» am Sihlsee hatten sie begonnen. Danach einen Jass geklopft. Gefolgt von einer dicken SURPRISE 305/13


Havanna am Zürichsee. Auf dem Weg über den Etzel hatten sie bei der Tüfelsbrugg angehalten und von der Brücke aus in die Sihl gepinkelt. Das taten sie seit ihrer gemeinsamen Schulzeit am Kollegium Schwyz. Mittlerweile hatten sie nicht die geringste Ahnung, welcher von beiden damit angefangen hatte und wieso. Auch stiegen sie nicht mehr so flink wie früher auf die Brüstung. Trotzdem stellten sie Mal für Mal das Auto auf der Brücke ab und packten das Teufelchen aus. Nach der Zigarre in der Altherrenlounge in Pfäffikon waren sie nach Brunnen gefahren, hatten sich in eine Bar gesetzt, Gin Tonic getrunken und den jungen Frauen zugeschaut, bis keine mehr da gewesen war. Spät in der Nacht war Pankratius Föhn von der Kantonspolizei Schwyz heimgefahren worden. Ein Polizist im Streifenwagen, einer in Föhns Cayenne. Betscharts Schwager war Polizeikommandant. Das half bei vielen Dingen. Jeden ersten Donnerstag im Monat festigten Betschart und Föhn ihre Bande. Aus diesen Touren hatte sich manch rentabler Handel ergeben. In den Wirtschaften flossen auch die Informationen. Da musste man gut zuhören und eins plus eins zusammenzählen. Darum ersetzten sie ihre Tour de Schwyz nun in wohlüberlegter Dosierung durch gelegentliche Ausflüge ins Edelpuff im zürcherischen Schwerzenbach. Bei der Chastenegg strampelte Föhn rechts den Hügel hinauf, liess den Etzel im Büel links liegen und fuhr bei der Büelweid in Richtung Sihl den Hang hinunter. Als es vor Bleiken wieder aufwärts ging, riss die Kette. Seine Frau war nicht mehr zu Hause. Auf dem Tisch lag eine Notiz. Sie war Wanderschuhe kaufen gegangen. Für die Mythenwanderung an Pfingsten. Eine Familientradition. In aller Herrgottsfrühe den steilen Hang hinauf, Frühstück vor atemberaubender Bergkulisse, eine kurze Andacht und dann sofort den Berg hinunter, bevor die Massen der Ausflügler und Touristen anmarschierten. Schwitzend und schnaufend stand Föhn im Wohnzimmer. Die Fensterfront war einer der Trümpfe seines Hauses. Das Panorama reichte vom Säntis über den See bis fast nach Zürich. Dafür beneideten ihn viele. Auch solche, die sich eine luxuriösere Villa leisten konnten. Den Weg von Bleiken nach Hause war er gerannt. Das Fahrrad vor die Welt verändern. In weiser Voraussicht hätte sich sein Vater ein Stusich her stossend. Das hatte den Kater vertrieben. Ebenso zwei junge dium in Jurisprudenz gewünscht. Nichtsdestotrotz hatte er seinem Sohn Kätzchen, die vor dem Bauernhof in Bleiken gespielt hatten und in den die ersten Aufträge besorgt. Umbauten für den Kanton. EinfamilienhäuStall geflüchtet waren, als Pankratius Föhn vorbeigerannt war. Dafür ser in den Gemeinden oberhalb Schwyz. Ein Schulhaus, ein Kirchgehatte ihm der Hofhund hinterhergebellt. meindehaus. Das Handy summte. Föhn zuckte zusammen. Er hatte keine AhNicht allzu lange nach Studienabschluss fuhr Pankratius Föhn seinen nung, wie lange er vor dem Fenster gestanden hatte. Gedankenverloersten Porsche. Ebenso schnell stellte er fest, welch mühseliger Beruf ren. Dabei hätte er längst im Büro sein sollen. Hatte eine volle Agenda Architektur im Grunde genommen war. Das Baurecht ein Dschungel. und am Mittag mit dem Landammann zum Essen abgemacht. Er liess Die Bürokratie allmächtig. Kommissionen und Ämter voller Hosendas Telefon liegen und stürzte in den oberen Stock hinauf. Eine schnelscheisser, die sich vor jedem Gang auf die Toilette nach allen Seiten hin le Dusche. Erst heiss, dann kalt. Darauf schlüpfte er in die Kleider, welche seine Frau aufs Bett gelegt hatte. Das Hemd zuknöpfend, rannte er die Treppe hinNach einer Zigarre in der Altherrenlounge in Pfäffikon hatten sie unter, schnappte sich das Mobiltelefon und sich in eine Bar gesetzt, Gin Tonic getrunken und den jungen die Aktenmappe. Frauen zugeschaut, bis keine mehr da gewesen war. Er lief in die Tiefgarage hinunter. Seine Frau hatte den Mini genommen. Mit dem Cayenne absicherten, damit niemand rekurrierte, das Referendum ergriff, Petitiowollte er sich nicht blicken lassen. Also stieg er in den Roadster. Diesnen lancierte oder die Medien einschaltete. Wenn man dann endlich eine mal funktionierte das Garagentor tadellos. Er fuhr auf die Etzelstrasse Baufreigabe erlangt hatte, fing der Ärger erst recht an. Mit Handwerkern, und dann in Richtung Dorf. Nach der Kurve stand ein Geschwindigdie dem Begriff Kostendach schwindelerregende Bedeutung verliehen. keitsmesser am Strassenrand. Ein weiteres Werk von Linda und Lukas Mit der Bauherrschaft. Je weniger der Staat sich an die selbst gesetzten Fässler. Föhn gab Gas. Termine hielt, umso unnachsichtiger war er gegenüber seinen AuftragUnterwegs telefonierte er. Ein Kunde hatte angerufen, als er unter die nehmern. Und bei Familien musste man zuerst herausfinden, wer das Dusche gehetzt war. Die Fenster seien nicht dicht, behauptete der Mann. Sagen hatte. Die Ehefrau, die Schwiegermutter, die Geliebte. Keinesfalls Ein Garantiefall. Föhn versprach, sich darum zu kümmern. Was bedeuderjenige, der den Vertrag unterzeichnet hatte. tete, dass Luzia sich kümmern musste. Seine Sekretärin. Pankratius Als Immobilienhändler verdiente man besser und arbeitete weniger. Föhn kaufte, riss ab, baute oder renovierte und verkaufte wieder. NachDarum hatte Föhn umgesattelt. Zum richtigen Zeitpunkt. Denn als der dem er den Schlüssel übergeben hatte, wollte er mit den Kunden nichts Kanton zum Steuerparadies wurde, die Millionäre in Scharen nach mehr zu tun haben. Ausserschwyz zogen und im inneren Kantonsteil die Hügel mit TerrasFöhn hatte Architektur studiert. Mit den anderen Studenten hatte er sensiedlungen zugepflastert wurden, stand Pankratius Föhn bereit, das nichts anfangen können. Zu abgehoben waren sie, wollten mit Bauen SURPRISE 305/13

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nach Schwyz drängende Geld in die richtigen Bahnen zu lenken. Seinen ersten Porsche hatte er behalten. Für Sonntagsfahrten. Nach Schwyzerbrugg rief Betschart an. «Wieder nüchtern?» «Wie am Tag meiner Geburt.» Föhn lenkte den Sportwagen gekonnt durch die Kurve und beschleunigte in der Geraden. Er liebte diese Strecke mit ihren sanften Hügeln. «Beeler zieht den Rekurs weiter!» Viktor Beeler! Ein Querulant. Ein Schulmeister, der ein bisschen in der Welt herumgekommen war, an Schweizer Schulen in Lateinamerika unterrichtet, dort mit der Befreiungstheologie sympathisiert hatte und mit dem Protest der indigenen Bevölkerung gegen Ausbeutung und Raubbau. Der zurückgekommen war, um gegen Zürcherisierung und Überfremdung des Kantons Schwyz zu predigen. Gegen den Zerfall der dörflichen Gemeinschaft, der Volkskultur, des althergebrachten Vereinslebens, der Natur. Es müsse wieder klar werden, wer wen zu grüssen habe im Dorf. Mit dieser Botschaft tourte er durch die Kirchgemeindehäuser des Kantons. Und hatte das Publikum im Sack. Insbesondere Lukas und Linda Fässler, die penetrant alle Schweizer im Ort grüssten. Viktor Beeler blockierte ein Projekt von Betschart und Föhn. Beziehungsweise die dafür notwendige Änderung des Bauzonenplans in Wollerau. Die Behörden für diese Umzonung zu gewinnen, war mit einigem Aufwand verbunden gewesen. Ein Versprechen hier, ein Zugeständnis da. Am Ende waren alle auf ihrer Seite gewesen. Nur Beeler und seine Getreuen nicht, die nun vor Bundesgericht gingen. «Hast du verstanden, Föhn? Der Schafseckel kostet uns Geld! Viel Geld!» Vor Föhn bog ein Mopedfahrer aus einem Feldweg in die Altmattstrasse ein. Ohne Helm auf dem Kopf, dafür mit Stumpen im Mund. Pankratius Föhn überholte. Auf der anderen Seite der Strasse stand ein Plakat von Betscharts Partei im Feld. Föhn hatte 20 000 Franken beigesteuert. «Hörst du mir zu? Es ist an der Zeit, Beeler das Heiland-Spielen auszutreiben!» Trottoir und winkte nochmals. Föhn fuhr langsam an. «Besonders «Beeler hat eine junge Frau. Eine sehr junge Frau.» schockiert hat mich, dass die Tätowierung über ihrer Scham so gut zu «Erzähl mir was Neues! Ich weiss doch, was der Hurenbock in Südsehen war.» amerika gesucht hat. Bist du neidisch? Vielleicht sollten wir das nächste «Donnerwetter! Mail mir die Fotos! Ich kümmere mich um den Rest.» Mal ins Puff gehen!» Betschart pfiff die Titelmelodie von James Bond. «Ach übrigens, du bist «Beelers Frau war auf dieser Technoparty. Weisst du, welche? Jene ab sofort Verwaltungsratsmitglied von Nova Brunnen. Herzlichen auf der Sattelegg, die mein Sohn organisiert hat. Goa heisst der MusikGlückwunsch!» stil, glaube ich.» Pankratius Föhn legte das Handy auf den Beifahrersitz. Im selben AuBruno Betschart lachte. «Daran kann ich mich gut erinnern. Das Fest, genblick schellte es wieder. Das Display zeigte an, dass Luzia ihn suchdas dich mehr als nur Nerven gekostet hat. Die Busse, die der Sohnemann kassiert hat. Die Entschädigung des Bauern. Das Abendessen mit mir, weil ich dafür Vor Jahren hatte Föhn seine Sekretärin zu einem Wochenende gesorgt habe, dass die Polizei die Ermittlung nach Paris eingeladen. Luzia hatte abgelehnt. Weil er sie nicht wegen Drogenhandels eingestellt hat. Dein Juentlassen hatte, hielt sich Föhn für unglaublich fortschrittlich. nior ist schliesslich nicht für das Pack verantwortlich, das aus Zürich zu uns kommt, nur te. Er war heillos verspätet. Föhn liess das Telefon klingeln. Am Ortsweil ein initiativer junger Mann eine Party steigen lässt! Alles weiss ich, ausgang jagte er den Tacho in Höhen, die teuer werden konnten. Föhn, nur ist mir gerade entfallen, wie der Lärm genannt wird, den sie «Die Besprechung in der Kantonalbank habe ich auf nächste Woche dabei gehört haben!» verschoben. Aber die beim Raumplanungsamt hat ohne dich stattge«Von dieser Party gibt es Bilder im Internet.» Föhn passierte das funden.» Luzia Conti überreichte ihm ein Bündel Unterlagen. Zuoberst Ortsschild von Rothenthurm und bremste. «Das sind aber nicht alle. ein Blatt mit Telefonnummern. Leute, die er zurückrufen sollte. «Du David hat mehr davon auf einer externen Festplatte. Ich habe seinen siehst aus, als ob du einen Kaffee gebrauchen könntest.» Computer und den ganzen Klimbim eingezogen, bis er seine Schulden «Danke.» Er nahm das Dossier entgegen und lächelte schräg. Sie ging abgestottert hat. Am Wochenende habe ich mir die Speicherplatten anzur Kaffeemaschine. Daneben stand ein Foto ihrer Familie in einem vergeschaut.» Er hielt vor einem Fussgängerstreifen. Eine alte Frau tipgoldeten Rahmen. Ihr Mann arbeitete sich bei einer Versicherung hoch. pelte über die Strasse. «Dabei habe ich Bilder von der Party gefunden, Die beiden Buben sahen aus wie angehende Fussballstars. die sehr spät aufgenommen wurden. Besser gesagt frühmorgens. Als Vor Jahren hatte Föhn seine Sekretärin zu einem Wochenende nach die Leute nicht mehr nüchtern waren.» In der Mitte der Strasse blieb Paris eingeladen. Seine Frau war zur Kur ins Südtirol gefahren. Luzia die Alte stehen und winkte. Föhn lächelte freundlich. «Es sind Bilder hatte abgelehnt. Freundlich, aber bestimmt. Weil er sie nicht entlassen von Beelers Gemahlin dabei. Darauf hat sie nicht viele Kleider an. Sie hatte, hielt sich Pankratius Föhn für unglaublich fortschrittlich. ist auch nicht allein. Aber ohne Viktor Beeler.» Die Frau erreichte das

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Sie war gross und hatte Kurven. Als Kind war sie lang und dürr ge«Übrigens hat dein Vater dreimal angerufen. Wegen der Beerdigung. wesen. «Wenn du nicht gekommen wärst, hätte ich dich aufgesucht!» Sie findet um 09:15 Uhr statt. Das schaffst du nicht mehr. Den TrauerIhre Stimme klang dunkel und rau. Doch wirklich überrascht war Föhn gottesdienst schon. Vorher musst du unbedingt die Baustelle von Meinvon ihren Augen. Glasklar. Er hatte einen von Kummer und Alkohol gerad & Kümmerli besichtigen. Sie können nicht mehr länger warten. Das trübten Blick erwartet. Ihn schauderte. hat mir die Sekretärin kreischend klargemacht.» Luzia stellte die dampLuzia di Fusco ging zur Beifahrerseite und öffnete die Tür. «Fahren fende Kaffeetasse auf den Tisch. wir!» «Welche Beerdigung?» Föhn blickte sich um. Dann stieg er ein. Sie zündete sich eine Ziga«Salvatore di Fusco ist letzte Woche gestorben. Deinem Vater liegt rette an, hielt ihm das Päckchen hin. Er schüttelte den Kopf und liess die viel daran, dass du dich blicken lässt.» Fast schien es, als läge es Luzia Fenster hinunter. selbst am Herzen. Sie seufzte und ging zu ihrem Schreibtisch zurück. «Hätte ich mir denken können», zischte sie. «Die Gesundheit ist das Föhn nippte gedankenversunken an seinem Kaffee. Der alte di Fusco. Wichtigste.» Erster und Letzter seiner Familie in Ibach. Im dortigen Werkhof der GeFöhn rutschte auf dem Sitz herum. «Es tut mir leid um deinen Vater. meinde Schwyz hatte er vor seinem Tod Handlangerdienste verrichtet. Schlimme Sache.» Er wollte ihr sagen, dass er keine Zeit habe, viel zu Die Anstellung hatte ihm Föhns Vater verschafft. Nachdem sich di Fusco tun, Besprechungen verpasst, in einer Stunde mit dem Landammann zu beinahe zu Tode gesoffen hatte. Föhn Senior war Arzt gewesen. In der Mittag esse, am Nachmittag nochmals drei Termine wahrnehmen müsehemaligen Praxis seines Vaters hatte Pankratius sein Büro eingerichtet. 1966 war Salvatore di Fusco zum ersten Mal aus Lecce in Süditalien in die Schweiz gekomObschon es mehr als dreissig Jahre her war, erkannte er sie somen. 1972 hatte er eine feste Stelle in der Reisfort. Sie trug schwarz. Schuhe, Hose, Bluse, Blazer, Handtasche, mühle in Ingenbohl gefunden. 1970 war seine Augenringe, alles schwarz. Tochter Luzia geboren worden. In Italien. Sein Sohn Francesco kam 1972 in der Schweiz zur se und am Abend wieder einmal etwas mit seiner Frau unternehmen Welt. Seine Frau arbeitete im Hotel Waldstätterhof in Brunnen. Das wawolle. Doch er schwieg, als sie ihn anstarrte. Minutenlang. ren die Daten über Salvatore di Fuscos Leben, die die Zeitungen ver«Deine Sekretärin hat denselben Namen wie ich!» Sie drückte die Zibreitet hatten, nachdem sein Sohn Francesco 1978 auf dem Weg in die garette im Aschenbecher aus. Schule spurlos verschwunden war. «Luzia. Es ist lange her», stotterte Pankratius Föhn. «Lass uns …» Die Geschichte des kleinen Francesco hatte wochenlang in den Zei«Was?», unterbrach sie ihn. «Was ist lange her?» Sie legte beide Häntungen gestanden. Auch nachdem die Kantonspolizei die Suche aufgede auf das Armaturenbrett und schaute zum Fenster hinaus. Über dem geben hatte. Wonach die Artikel der Reporter von Betroffenheit ins RäFriedhof thronten die Gebäude des Klosters Ingenbohl. «Dass du mir auf sonieren gekippt waren. Weshalb der kleine Francesco unbeaufsichtigt unterwegs gewesen sei, wurde gefragt. Was die Journalisten nicht weiter erstaunen mochte angesichts der Tatsache, dass die Mutter arbeitete, statt auf ihre Kinder aufzupassen. Normalerweise wurde Francesco von seiner Schwester in die Schule begleitet. Doch an jenem Tag hatte diese krank im Bett gelegen. Der Vater in der Fabrik, die Mutter im Hotel. Und bald schon wurde die Berichterstattung über das Verschwinden des kleinen Francesco di Fusco zur Debatte über erwerbstätige Mütter. Über die Frage, ob diese überhaupt Verantwortung für ihre Kinder übernehmen konnten. Und ob die Ursache dieses schrecklichen Ereignisses nicht doch vielleicht in der Tatsache begründet war, dass Fremdarbeitern der Familiennachzug zu einfach gemacht würde. Erst die Devisenmarktintervention der Nationalbank verdrängte Francesco di Fusco aus den Schlagzeilen. Derweilen wurde Francescos Mutter ins Sanatorium gesteckt, wo sie sich drei Jahre später erhängte. Der Vater soff. Die Tochter kam ins Heim. Der Bub blieb verschwunden. «Du musst dich beeilen, Pankratius!» Föhn schreckte aus seinen Erinnerungen auf. Luzia deutete auf ihre Armbanduhr. Er stand auf, suchte seine Sachen zusammen. Die Mappe, den Autoschlüssel, die Jacke. Beinahe schlafwandlerisch. Luzia rief ihm etwas hinterher. Er verstand es nicht. Natürlich kam er zu spät. Auf die Baustelle und zur Beerdigung. Als er seinen Wagen neben dem Eingang zum Friedhof parkte, kam ihm die Trauergemeinde entgegen. Viele Leute waren es nicht. Vorwiegend Arbeitskollegen des Verstorbenen, die die Zeit aufschreiben konnten. «Du hättest wenigstens am Gottesdienst teilnehmen können!» Vater Föhns Augen funkelten wütend. «Aus Respekt und Pietät.» Darauf liess er seinen Sohn stehen. Unentschlossen lehnte sich Pankratius Föhn an seinen Wagen. Da sah er sie. Obschon es mehr als dreissig Jahre her war, erkannte er sie sofort. Sie trug schwarz. Schuhe, Hose, Bluse, Blazer, Handtasche, Augenringe, alles schwarz. Mittlerweile war sie über vierzig. Verlebt. Trotzdem von einer kühnen Schönheit. Sie steuerte geradewegs auf Föhn zu. SURPRISE 305/13

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Mit freundlicher Genehmigung von Michael Herzig. Aus: Mitra Devi & Petra Ivanov (Hrsg.): Mord in Switzerland, 18 Kriminalgeschichten, Appenzeller Verlag, Herisau 2013. Die Handlung der Geschichte sowie deren Figuren sind frei erfunden.

Michael Herzig lebt in Zürich. Er ist 1965 in Bern geboren und an den Ufern der Emme aufgewachsen. Nach dem Abitur hat er als Musikjournalist und Schallplattenverkäufer gearbeitet, vergeblich versucht, Rockstar zu werden, und schliesslich ein Studium in Geschichte, Staatsrecht und Politologie abgeschlossen. Seit 1998 arbeitet Michael Herzig im Sozialbereich. 2007 erschien sein erster Kriminalroman «Saubere Wäsche» im Grafit Verlag Dortmund, 2009 «Die Stunde der Töchter» und 2012 «Töte deinen Nächsten». Nebst Krimis schreibt Michael Herzig leidenschaftlich gerne Gedichte, Werbetexte und E-Mails. SURPRISE 305/13

BILD: PINO ALA

dem Schulweg abgepasst hast? Mich mit Steinen beworfen hast? Mich Tschinggenliese gerufen hast? Mich in eine Scheune gezerrt hast? Mir die Hosen heruntergerissen und an mir herumgefingert hast? Dass ich mich nicht mehr getraut habe, zur Schule zu gehen? Dass ich meiner Mutter alle möglichen Krankheiten vorgegaukelt habe, damit ich zu Hause bleiben konnte? Findest du, das sei lange her, Föhn?» Er schüttelte den Kopf. «Können wir nicht vernünftig miteinander reden?» Sie stöhnte. «Ja, natürlich. Fahr los! Wir gehen an den See.» Pankratius Föhn startete den Motor. Wenn er den Landammann nicht auch versetzen wollte, musste er sich sputen. Er wendete und fuhr den Kirchweg zurück zur Dammstrasse. Gegenüber sah man die Gebäude des Industrieareals. Die Reismühle. Dort hatte Luzias Vater in den Siebzigern angefangen. Die Zementfabrik. Dort würde Nova Brunnen entstehen. Eine neue Stadt. Eine neue Zeit. «An dem Tag, als Francesco verschwand, bin ich zu Hause geblieben. Krank vor Angst.» Sie steckte sich die nächste Zigarette an. Blies den Rauch zu Föhn hinüber. «Nur die Gewissensbisse, die mich seither quälen, sind schwerer zu ertragen!» Föhn fuhr am Bahnhof vorbei. An der Ochsenbar, wo er tags zuvor mit Betschart gesessen hatte. In den Hotels und Restaurants wurde das Mittagessen aufgetischt. Über der Strasse hingen die Flaggen der Urkantone. «Parkieren kannst du beim Quai.» Föhn fand eine Lücke, fuhr hinein und liess den Motor laufen. «Ich muss in zwanzig Minuten in Schwyz sein. Dringend.» Am Waldstätterquai posierten japanische Touristen in Gruppen. Davor sassen Rentner auf Bänken. Pensionierte Gastarbeiter, die den Anlegeplatz zur Piazza machten. Pankratius Föhn musterte sein Gegenüber. Ihr Gesicht war vom Leben gezeichnet. Das Dekolleté indessen hätte dasjenige einer jüngeren Frau sein können.

Luzia stellte den Motor ab und zog den Zündschlüssel heraus. «Komm mit!» Sie stieg aus. Föhn folgte ihr widerwillig. An der zentralen Parkuhr vorbei. Daneben die Wegweiser für die Velowege. Je nachdem, welchen man nahm, pedalte man über 40 Kilometer nach Luzern oder über 37. Luzia ging weiter. Föhn hinterher. Er betrachtete ihren Gang. Den wiegenden Körper. Rechts lag der Waldstätterhof, links die Gartenwirtschaft. Danach kamen seltsame Eisenplastiken. Dann die Minigolfanlage. Schliesslich der Platz der Auslandschweizer und der Föhnhafen. Eine grosse Wiese. Darauf eine Art Pavillon, der vom Schweizerischen Schreinermeisterverband gestiftet worden war. Rechts daneben der Kanal, der von den Bootshäusern zum See führte, flankiert von den Anlegeplätzen. Links der See und das Bergpanorama. Am linken unteren Ende ein Kunstwerk aus Stein, auf dem Teenager sassen und rauchten. Zuvorderst die Tafel zum Gedenken an die Auswanderer. Davor blieb Luzia stehen. «Wer dieses Land verlässt, erhält ein Denkmal. Was aber kriegen jene, die kommen?» Sie drehte sich um und öffnete die Handtasche. «Warum hast du meinen Bruder umgebracht?» Pankratius Föhn blieb stehen. «Du warst 14, er erst sechs!» Föhn gluckste. «Darum hast du mich hierher geschleppt? Um mir eine Szene zu machen?» Er schüttelte den Kopf. «Dafür lasse ich das Mittagessen mit dem Landammann sausen. Ich Hornochse!» «Warum bist du denn mitgekommen? Hast du gedacht, du könntest mir nach 35 Jahren nochmals an die Wäsche gehen?» Luzias Stimme klang laut und bitter. Föhn schaute sich um. Ausser den Jugendlichen schien sie niemand zu beachten. «Du fantasierst, du drehst vollkommen durch!» Pankratius Föhn grinste böse. «Wie deine Mutter.» «Du magst doch Huren?» Luzia di Fusco griff in die Handtasche. «Ich bin eine.» Sie zog eine Pistole hervor, die riesig wirkte in ihrer Hand. «Ich bin 35 Jahre lang weggerannt.» Sie hielt ihm den Lauf der Pistole an die Stirn. Föhn zuckte zusammen. Von der Steinskulptur her waren Schreie zu hören. Ihm versagten die Beine. Er sank auf die Knie. Der Pistolenlauf folgte ihm. «Warum hast du meinen Bruder umgebracht?» Pankratius Föhn fing an zu weinen. «Es war …, es ging …, es ist so lange her.» Er schluchzte. Luzia di Fusco drückte ihm die Waffe fester an den Kopf. Das Geschrei breitete sich aus. Von der Minigolfanlage rannten Leute in Richtung Quai davon. «Er war …» Föhn stockte, schluckte. «Er war halt ein Tschingg.» Luzia drückte ab. Dann legte sie die Waffe auf den Boden und wartete. Sie war heimgekehrt. ■


Das Kostüm VON RUTH SCHWEIKERT

besassen keinen Föhn. Remo brauchte keinen mit seiner Halbglatze, Das Trinkgeld ist inbegriffen, sagte der Taxifahrer energisch und und ich hatte bereits als Teenager beschlossen, meine Haare fortan an drückte mir den Fünfliber wieder in die Hand. Reflexartig vergewisserder Luft zu trocknen, weil ich gelesen hatte, das sei schonender; selbst te ich mich, dass wir nichts vergessen hatten, zwei Koffer, Katjas Ruckim Winter ging ich morgens mit feuchten Haaren aus dem Haus. sack, mein Laptop, drei Plastiktüten; das ganze Gepäck stand aufgereiht Das hatte sich auch nach unserer Trennung nicht geändert. Auch vor dem Hauseingang wie wir damals fürs Familienalbum, als wir frisch sonst hatte sich kaum etwas geändert, ausser dass wir tatsächlich – und eingezogen waren, Remo, Timo, Katja, die eben erst laufen gelernt hatdas war unsere grösste Hoffnung gewesen – seltener stritten. Wir wohnte, und ich. Nein, da war nichts im Kofferraum zurück geblieben, das ten weiterhin zusammen; wir sahen keinen Grund, die Wohnung, die der Taxifahrer zu Geld machen konnte, und ich bedankte mich noch einzahlbar war und uns beiden gefiel, aufzugeben. Mit ihren vier Schlafmal für seine Freundlichkeit; immerhin hatte er die Sitzerhöhung aus zimmern war sie ausserdem mehr als gross genug für uns drei; Timo dem Kofferraum geholt und Katja beim Anschnallen geholfen. Die Fahrt wohnte unter der Woche in Basel im Lehrlingsheim des Chemiekonvom Bahnhof zur Wohnung war so kurz, dass ich mich stets ein wenig zerns; auch am Wochenende war er fast nur zum Schlafen zuhause, schämte, wenn ich ein Taxi nahm. Aber Katja war von der langen Zugwenn überhaupt. fahrt erschöpft, und das Gepäck zu schwer für uns zwei. Katja hatte bald eine Verwendung gefunden für das Föhn-Ungetüm; Noch nie hatte ein Taxifahrer das Trinkgeld verweigert; seine Entsie benutzte es als Flugzeug, liess Pilotin, Besatzung und Passagiere einschiedenheit irritierte mich, trotzdem dachte ich nicht weiter darüber steigen, und durch die geschlossene Kinderzimmertüre hörte ich, wie nach; was ging es mich auch an, ich kannte diesen Mann und seine Lausie damit nach New York flog, zu Papa, sagte sie, Mama muss alleine zunen nicht, und ich würde ihn kaum je näher kennenlernen. Im Lift fiel hause bleiben, und daran ist sie ganz selber schuld. mir unsere ehemalige Nachbarin ein; sie war im Winter mit fünfundDas leuchtete mir sofort ein; Katja war zu klein, um zu begreifen, wie vierzig Jahren gestorben, offenbar war sie länger krank gewesen, ich kompliziert unsere Geschichte war, sie brauchte einen Schuldigen; sie hatte es nicht bemerkt. brauchte eine Person, der sie die Schuld zuschieben konnte. Dass ich es Die Wohnung war in besserem Zustand, als ich befürchtet hatte; Rewar, war eigentlich logisch; Katja fühlte sich meiner Liebe sicher; bemo hatte die Wäsche gewaschen und den Müll runtergestellt, bevor er stimmt war es einfacher für sie, auf mich wütend zu sein als auf Remo – zur Hochzeit seines Neffen nach New York geflogen war, und ein Nachbar hatte die Balkonpflanzen gegossen; alles in Ordnung also. Ich atmete auf, schob zwei TiefRichtig unheimlich wurde die Sache, als ich aus einer Plastiktüte kühlpizzas in den Ofen und schnitt einen halb mit Katjas neuen Kleidern, die wir zum Kindergartenanfang gekauft verschrumpelten Apfel in zwei gleich grosse hatten, ein nasses Etwas zog. Stücke. Wir assen gierig und stumm, obwohl wir schon im Zug dauernd gegessen hatten. und tausendmal besser, sagte ich mir, als wenn sie sich selber schuldig Katja fragte noch nicht mal, wann Remo zurückkäme; vielleicht traute gefühlt hätte. Auch wenn wir uns immer aufgeteilt hatten und beide besie sich nicht, vielleicht interessierte es sie in diesem Moment wirklich ruflich sehr eingespannt waren, war Remo insgesamt doch weniger pränicht. Kaum war sie eingeschlafen, fiel auch ich ins Bett; zu müde, um sent, unternahm weniger mit ihr, erledigte, während er Katja von ihrem mich auszuziehen, als hätten wir nicht eine einwöchige Städtereise hinTag erzählen liess, nebenher seinen privaten Mailverkehr – was mich ter uns, sondern eine Expedition. früher geärgert hatte, jetzt war es mir egal, vielleicht bekam er ja eines Diese Nacht war ein schwarzes Tuch. Tages die Quittung dafür. Die Überraschung folgte am nächsten Morgen, als ich die Koffer ausDass ich mich verliebt hatte, konnte Katja nicht wissen; niemand packte. Woher kommt dieser Föhn?, fragte ich Katja, die nur den Kopf wusste davon, es war auch schon wieder vorbei; es war eher eine Reschüttelte. Weiss ich doch nicht, sagte sie und spielte weiter auf ihrem aktion gewesen auf Remos Desinteresse an mir; es kam mir inzwischen Verkehrsteppich; ihr Lieblingsspiel, das sie in die ganze Welt führte, zu lächerlich vor und auch falsch, obwohl es dafür keinen Grund gab, Reall den Kontinenten, Städten und Ländern, die ihr, seit wir die Olympimo und ich waren schliesslich getrennt, wir waren einander keine Reschen Spiele ziemlich ausführlich im Fernsehen mitverfolgt hatten, ein chenschaft mehr schuldig. Begriff waren, ohne dass sie sich wirklich etwas darunter vorstellen Richtig unheimlich wurde die Sache erst, als ich aus einer der Plaskonnte: London, USA, Jamaika, Australien, Elfenbeinküste, Russland, tiktüten mit Katjas neuen Kleidern, die wir zum Kindergartenanfang in Südafrika. Ich hätte gerne gewusst, wie die Weltkarte in ihrem Kopf auseinem Dresdner H&M gekauft hatten, ein nasses Etwas zog. Ich muss sah, wie sich die Eindrücke und Geschehnisse im Hirn einer knapp geschrien haben; Katja stürzte aus dem Kinderzimmer, bereit, mich vor Fünfjährigen zu etwas halbwegs Vernünftigem ordneten. Einbrechern und Spinnen zu retten – ich hatte tatsächlich eine SpinIch war vollkommen sicher, dass ich diesen Föhn, ein altmodisches, nenphobie, was Katja zum Totlachen fand, wie konnte man Angst hablau-silbernes Unding, nie zuvor in meinem Leben gesehen hatte. Wir SURPRISE 305/13

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BILD: ZVG

ben vor einem fast unsichtbaren Tier, das die meiste Zeit über seelenIch merkte, wie mir schwindlig wurde. Was, wenn das Kostüm und ruhig in einer Zimmerecke hockte? der Föhn der Toten gehört hatten? Sollte ich anrufen und der Polizei von Was ich in den Händen hielt, war ein Sommerkostüm, zweiteilig, meinem seltsamen Fund erzählen? Aber was, wenn sie mir Fragen stellsehr schmal geschnitten, Grösse 34 höchstens; der knielange Jupe türten, unangenehme, zum Zustand meiner Ehe zum Beispiel; ob mein kisfarben, das ärmellose Oberteil mit Blumenmuster bedruckt, beides Mann eine Geliebte hatte? Ob ich eifersüchtig war? Wir wohnen zumit hauchdünnem Seidenstoff gefüttert; wunderschön, ein Traum. Wesammen, aber wir haben uns getrennt, würde ich sagen, sein Privatleder Grösse noch Hersteller waren vermerkt; wahrscheinlich war es ben interessiert mich nicht. massgeschneidert. Es erinnerte mich an ein ähnlich gemustertes, lachsNun gut, ich wusste, dass es da jemanden gab, aber mehr als einmal farbenes Kostüm, das ich als Teenager meiner Mutter für eine Party in hatte ich die Frau nicht gesehen. Es stimmte, sie war dünn, sehr dünn, einer Waldhütte abgeluchst hatte – als ich frühmorgens nach Hause und eher klein; asiatisch hätte ich die Gesichtszüge nicht unbedingt gekam, war es unrettbar zerrissen, und statt mich bei meiner Mutter zu nannt, aber das mochte eine Frage der Interpretation sein. Sie war in entschuldigen, schrie ich sie an, es passe ihr sowieso nicht mehr, sie sei China aufgewachsen, das hatte Remo mir erzählt, so übervoll war sein viel zu dick geworden. Herz, das er den Mund nicht halten konnte, der Idiot, aber ihr Vater war Warum war ich so erschrocken? Auch dieses Kostüm, und darauf hätFranzose, und das schien mir in ihrem Gesicht stärker zur Geltung zu te ich einen Eid abgelegt, hatte ich nie zuvor gesehen. Wie zum Teufel kommen. Besass diese Li, sie war Pianistin, einen Schlüssel? War sie gar kam es in diese Plastiktüte? Und warum war es nass? Hatte jemand – eiin der Nacht auf Sonntag, nach unserer Rückkehr aus Dresden, in unne sehr schlanke, schöne junge Frau, stellte ich Die Leiche hatte bislang noch nicht identifiziert werden können. mir vor – darin gebadet? Oder hatte sie es frisch gewaschen? Von Hand? Durfte man so Auch lag keine Vermisstenanzeige vor, die auf die Frau passte. etwas überhaupt in der Maschine waschen? Und plötzlich fiel mir der Taxifahrer ein; hatte er deshalb kein Trinkgeld sere Wohnung gekommen, weil sie hier etwas vergessen hatte – oder angenommen, weil er mir etwas in mein Gepäck geschmuggelt hatte? – aus lauter Sehnsucht nach Remo? Hatte sie vielleicht, weil sie sich allein die schmerzhaften Erinnerungsstücke an die vergangene Zeit mit einer wähnte, geduscht und die Haare geföhnt? Konnte es sein, dass ich von geliebten Frau, ihr Föhn und ihr Lieblingskostüm? Oder hatte er sich – diesem Geräusch aufgewacht war, zu Tode erschrocken? War ich wirkim Gegenteil – des Föhns und des Kostüms entledigt, weil darauf Spuren lich ins Bad gerannt, hatte ich Li überwältigt und sie samt laufendem waren; Spuren, die ihn überführen konnten? Ich wusste nicht einmal Föhn in der Hand in die Badewanne gestossen, die noch zur Hälfte mit mehr, ob er alt oder jung gewesen war – eher jung, brünetter Teint und Wasser gefüllt war, weil der Abfluss verstopft war? Hatte sie dabei einen schwarzhaarig. Kein gebürtiger Schweizer, bestimmt nicht; aber woher tödlichen Stromschlag erlitten? Oder hatte ich sie so lange unter Wasser stammte er, aus der Türkei, aus Pakistan, Spanien oder Tunesien? Oder getaucht, bis sie aufhörte zu atmen, einfach so, instinktiv, ohne zu wishatte er damit überhaupt nichts zu tun, hatte eine der Mitreisenden von sen, was ich tat? Hatte ich sie danach – Li war leicht, kinderleicht, etDresden nach Zürich – die eifrig lesende Medizinstudentin, die dünne was über vierzig Kilo, schätzte ich – gar mitten in der Nacht in die TiefFrau mit den Kopfhörern, die sie nie abnahm, der beleibte Siebzigjährigarage geschleppt, hatte sie auf den Rücksitz unseres Autos gelegt und ge, der die ganze Zeit über schlief oder zu schlafen vorgab – in einem war zum Limmatufer gefahren, wo ich ihr das Kostüm auszog und ihre unbewachten Moment uns Föhn und Kostüm ins Gepäck gestopft? Leiche in den Fluss warf? Aber warum hätte ich sie ausziehen sollen? Ich war einigermassen verwirrt, aber ich hatte einiges vorzubereiten Weil ich ihren nackten Körper sehen wollte, den Remo so begehrte, dass für den nächsten Tag und stürzte mich darauf. Nachdem wir im Bahner sich bereits überlegte, mit ihr zusammenzuziehen? Und was wäre hof das Notwendigste zum Essen eingekauft hatten, hängte ich das Kosdann aus uns geworden, aus Katja, Timo und mir? Nur um Abstand zu tüm zum Trocknen auf und legte den Föhn zuhinterst in den Badzimgewinnen, war er nach New York geflogen. Nicht Abstand von Timo, merschrank. Ich schlief sehr schlecht in dieser Nacht. Katja ebenfalls; Katja und mir, den hatte er bereits zur Genüge; Abstand von ihr. vor lauter Aufregung machte sie gar ins Bett und kroch morgens um drei Katja stiess mich an, unsere Pizzas wurden serviert; träumst du, fragfrierend zu mir unter die Decke. te sie, und ich sagte ja, ich träume von unserer Zukunft. Für Katjas ersten Tag im Kindergarten hatte ich mir freigenommen; Wie konnte ich je herausfinden, was ich getan hatte? Aber vielleicht wenn Remo die Hochzeit seines Neffen wichtiger war als Katjas erster war das gar nicht nötig? Li war erst seit ein paar Wochen in der Stadt, ihSchritt in die Welt der Schule, wollte wenigstens ich unsere Tochter bere Eltern lebten in einer chinesischen Provinzstadt; die Hochschule, an gleiten. Natürlich hatte er es anders formuliert; er habe keine Lust, sagder sie Klavier unterrichten sollte, hatte Semesterferien. Remo und ich galte er, heile Familie zu spielen und Katja damit zu belasten, lieber wolle ten als gestandenes Ehepaar und irgendwie waren wir das auch, wir hater klare Verhältnisse. Ich war stolz auf mich, dass ich es schaffte, ihm ten schon vieles überstanden, warum nicht auch das; es wäre tatsächlich nicht zu widersprechen. zum Lachen, wenn wir das Ganze nicht wieder hinbiegen könnten. Der Morgen ging schnell vorbei; es war angenehm, mit den anderen Ich wusste nur eines: Ich musste den Föhn und das Kostüm loswerMüttern und Vätern zu plaudern. Katja machte ihre Sache gut, war sichtden, so schnell wie möglich, aber das war keine Sache. lich froh, ihre Krippenfreunde im Kindergarten wieder zu treffen, und Unsere Pizzas waren sehr gut; Katja wirkte vergnügt, und plötzlich auch die Lehrerin gefiel ihr, sie sei jung und frisch, sagte sie. Zur Feier war ich es auch. ■ des Tages lud ich Katja zum Mittagessen in die nahe Pizzeria ein. Um die Wartezeit zu überbrücken, holte ich eine Zeitung, während Katja auf meinem Handy rumspielte. Auf der Panorama-Seite sah ich es: UnbeRuth Schweikert geboren 1964 in Lörrach, kannte Frau tot aus der Limmat geborgen. Eine junge Frau war am Sonnlebt mit ihrer Familie in Zürich. Sie schreibt tagmittag von Badegästen leblos im Wasser treibend gefunden worden, Romane, Erzählungen und Theaterstücke sonackt bis auf die Unterhosen. Die Polizei schloss ein Verbrechen nicht wie Kolumnen und Essays. Ausserdem unteraus und suchte Zeugen; womöglich war die Frau nicht ertrunken, sonrichtet sie am Schweizerischen Literaturinstidern an Land getötet und anschliessend ins Wasser geworfen worden. tut in Biel. Die Leiche hatte bislang noch nicht identifiziert werden können. Auch lag keine Vermisstenanzeige vor, die auf die Frau passte, sehr schlank, eins sechzig gross, Ende zwanzig, asiatische Gesichtszüge.


Erzähl mir von dir … VON MILENA MOSER

Niemand muss allein sein. Wo hatte sie das gelesen? Wer allein ist, will allein sein. Der Satz ärgerte sie. Er blieb in ihrem Kopf hängen und liess sich nicht mehr löschen. Wollte sie wirklich allein sein? An ihre letzte Beziehung konnte sie sich kaum erinnern. Sie lag mehrere Jahre zurück. Wie viele, drei? Fünf? Sieben? Jahre, in denen sie nicht jünger geworden war. Und schöner auch nicht. Die Abende vor dem Fernseher rächten sich. Fernsehserien und Weisswein. Fernsehserien, Pizza und Weisswein. Sie weinte, sie lachte, sie verliebte sich. Sie erschreckte sich zu Tode, sie grämte sich. Das alles vor ihrem Fernseher. Sie durchlebte das ganze Spektrum der Emotionen, ohne sich auch nur einmal von ihrem Sofa zu erheben. Wollte sie wirklich einen Mann kennenlernen, der kein Serienheld war? Oder wollte sie allein sein? Hätte man ihr vor zwanzig Jahren gesagt oder auch vor zehn, dass sie im Alter von neununddreissig allein leben würde, ohne Mann und ohne Kinder, sie hätte gelacht. Es war doch immer einer da, der mehr von ihr wollte. Sie musste nur den Richtigen finden. Sich richtig entscheiden. So lange sie das Gefühl hatte, es könnte noch einer kommen, der besser zu ihr passte, der ihr mehr versprach, so lange konnte sie sich nicht festlegen. Doch irgendwann war einfach keiner mehr da gewesen. War es das, was dieser Satz meinte? War sie selber schuld? «Selber schuld ist man immer selber», seufzte Isabelle. Auch das hatte sie irgendwo gelesen. Jeden Morgen stand sie auf und zog sich an. Zog sich sorgfältig an, schminkte sich, glättete ihr Haar mit einem speziellen Gerät. Mit glänzendem Haar und roten Lippen stieg sie in den Zug und fuhr zur Arbeit. Vor dem Mittagessen zog sie sich die Lippen noch einmal nach und ebenso, bevor sie sich auf den Heimweg machte. Es gab hundert Möglichkeiten, sie anzusprechen. Jeden Tag. Sie war bereit. Doch keiner tat es. Bei ihrer Arbeit in einer Beratungsstelle für Wiedereinsteigerinnen hatte Isabelle mit Frauen zu tun, die all das hatten, was sie sich wünschte: einen Mann, eine Familie. Doch das reichte ihnen nicht. Sie wollten wieder arbeiten, die meisten von ihnen mussten. Sie waren in ihrem Alter, manche etwas älter. Sie hatten all das, was Isabelle nie gehabt hatte, schon wieder verloren. Sie hatten ganz auf die Liebe gesetzt, auf die Familie. Irgendwann rächte sich das. Das Leben bestrafte sie. Und dann sassen sie in Isabelles Büro und füllten multiple-choiceFragebögen aus, Seite um Seite. Was hatten sie noch zu bieten – ausser ihrer Hingabe? Isabelle kämpfte gegen die Verachtung, die beim Zuhören in ihr aufstieg. Wie konnte man so dumm sein? Wie konnte man sich so abhängig machen? Die einzelnen Fäden dieser immer wieder anderen Geschichten mit dem immer gleichen Ausgang verwoben sich zu einem festen Gespinst, das sich immer enger um Isabelles Herz wickelte. Sie bekam keine Luft mehr. Gab es wirklich keine Alternative zwischen Einsamkeit und Selbstaufgabe? Erst die Fernsehserien stellten ihren Glauben an das Leben wieder her. Ihre Zuversicht, dass alles noch möglich war. Könnte ein Mann aus Fleisch und Blut dasselbe für sie tun?

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Wer allein ist, will allein sein. Der Satz ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Er ärgerte sie so sehr, dass sie beschloss, ihn zu widerlegen. Sie meldete sich bei einer Partnerschaftsvermittlungsseite auf dem Internet an. Sie fotografierte sich im schmeichelhaften Licht ihres Wohnzimmers, sie beschrieb sich in klaren Worten. Sie wartete. Hallo Süsse! Hey, Kleines. Baby. Wildfremde Männer blinkten plötzlich überall auf. Auf ihrem Handy, auf ihrem Computer. Meinten sie wirklich sie? Wie sollte sie auf so etwas reagieren? Hallo, schrieb sie zurück. Hey. Und dabei blieb es dann meistens. Erzähl mir von dir … Die Versuchung war gross, sich neu zu erfinden. Aber sie tat es nicht. Sie hatte auch ihren Stolz. Doch verschweigen war nicht dasselbe wie lügen. Sie erwähnte weder ihre Arbeit noch ihren Kinderwunsch und wurde mit zahlreichen Handynummern belohnt. Bald schickten ihr mehrere Männer mehrmals täglich knappe Nachrichten. Beim Aufwachen an dich gedacht … Ich wünsch dir einen wundervollen Tag! Ich denk an dich! Solche Nachrichten konnte man an hundert Nummern gleichzeitig schicken. Lieb von dir! Ja, du, dir auch! Ich auch … Mit manchen verabredete sie sich zum Telefonieren, und wenn sie ihre Stimme mochte, zum Kaffee. Erzähl mir von dir! Was willst du wissen? Manche Männer verschwanden so plötzlich, wie sie gekommen waren. Aber es wuchsen immer neue nach. So einfach war das? Es war tatsächlich genau so wie früher, dachte Isabelle. Als da immer irgendwelche Männer waren. Die mehr von ihr wollten als sie. Sie versteckten sich nur besser. Leider war es auch so wie früher, dass sie immer dachte, da komme noch ein anderer, ein besserer. Und die Männer schienen das auch zu denken. Doch dann war da Serge. Auf seinem Profilbild sah er etwas müde aus, unverstellt. Wie ein echter Mensch. Verwitwet, Vater von Zwillingen, Entwicklungshelfer, viel unterwegs. Manchmal verschwand er für ein paar Tage, dann schrieb er wieder stündlich. Er schickte ihr Fotos von sich mit den beiden Mädchen, die sich ein Eis teilten. Isabelle vergrösserte das Foto auf ihrem Handy und stellte sich innerlich zu den dreien. Sie fand, sie passe gut zu ihnen. Als sie zum ersten Mal telefonierten, hörte sie im Hintergrund gedämpfte Stimmen aus dem Fernseher. «Das doppelte Lottchen», sagten sie beide gleichzeitig. SURPRISE 305/13


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BILD: KATHARINA LU ̈ TSCHER

Als die Kinder im Bett waren, rief er sie zuDu weisst, dass mich nur ein Krieg oder eine Hungersnot von rück. Erzähl mir von dir … Sie redeten bis mordir fernhalten könnten. Der Gedanke an dich wird mich am gens um vier. Der Fernseher blieb kalt. Leben erhalten. Warte auf mich. Am nächsten Morgen hatte Isabelle keine Zeit, um sich vor der Arbeit zu schminken. «Nichts. Ich war noch im Studium, als ich schwanger wurde. EthnoTrotzdem wurde sie morgens in der S-Bahn schon von einem Mann anlogie …» gesprochen, und mittags im Café wieder. Der Kellner legte ein Gänse«Hm.» blümchen zu ihrem Sandwich. Isabelle zog die Schublade auf, nahm einen Stapel Formulare hervor. So einfach war das? Im selben Moment piepste ihr Telefon. Im Laufe des Tages schrieb Serge ihr zwanzig SMS. Während BeraNach Hause kommen heisst zu dir zu kommen … tungen und Sitzungen schaute Isabelle immer wieder verstohlen auf ihr Isabelle lächelte. «Fangen Sie schon einmal an, diese Fragen zu beantHandy. Danach erinnerte sie sich an keines der Gespräche. Kaum war worten, ich komme gleich wieder …» Sie schloss sich in der Toilette ein. sie zuhause, rief er sie an. Wieder redeten sie die halbe Nacht. Er erDann komm … komm zu mir … ich warte zählte von seiner Frau, die vor drei Jahren von einem Betrunkenen über«Es tut mir leid», sagte sie, als sie in ihr Büro zurückkam. «Ich muss fahren worden war, auf dem Fussgängerstreifen. Sie schwiegen zusamunsere Besprechung leider unterbrechen. Ein Notfall …» men. Sie meinte, ihn weinen zu hören. Sie hatte das Gefühl, ihn schon Marianne nickte nur. «Ich bin auch schon fast fertig», sagte sie. Ihr lange zu kennen. Blick war resigniert. Einen Moment lang fühlte Isabelle sich schuldig. «Da bist du ja endlich», sagte sie zu ihm. Dann dachte sie an Serge, der auf dem Weg zu ihr war. «Wo warst du so lange», sagte er. «Ich nehme Ihre Unterlagen mit und rufe Sie gleich morgen an.» Sie verabredeten sich für den nächsten Tag. Isabelle meldete sich Sie würde sie im Zug studieren, dachte sie, doch dann vergass sie es. krank und verbrachte den ganzen Tag mit den Vorbereitungen für das Sie liess die Mappe auf dem Sitz liegen, wischte sie mit ihrer Tasche im Treffen. Sie räumte ihre Wohnung auf, sie räumte sich auf. Sie kaufte Gehen auf den Boden, die Blätter fielen heraus. Sie konnte es nicht ersich ein Kleid, liess sich die Fussnägel lackieren. Stellte Champagner warten, nach Hause zu kommen. Zu Serge. Doch Serge kam nicht. Er kühl und Kerzen neben das Bett. Man wusste nie. meldete sich auch nicht. Er nahm das Telefon nicht ab. Und auf IsabelSie war schon im Treppenhaus, als ihr Telefon piepste: Du weisst, les zunehmend verzweifelte Nachrichten antwortete er auch nicht. Als dass mich nur ein Krieg oder eine Hungersnot von dir fernhalten könnsie sein Profil aufrufen wollte, war es verschwunden. Als hätte es ihn ten. Leider ist das in meinem Beruf gar nicht so selten. Tut mir leid, dass nie gegeben. ich mich nicht früher gemeldet habe, musste mich um meine Mädchen Isabelle weinte die ganze Nacht. Und auch den ganzen nächsten Tag. kümmern. Der Gedanke an dich wird mich am Leben erhalten. Warte auf Sie blieb den Rest der Woche zuhause. Sie las keine Zeitung. Schaltete mich. den Fernseher nicht ein. Erfuhr nichts von dem Unfall, bei dem MariEine ganze Woche lang hörte sie nichts. Sie las alle seine Nachrichanne Z., Hausfrau und Mutter zweier Kinder, auf dem Fussgängerstreiten, die sie längst auswendig kannte, wieder und wieder. Sie schaute fen getötet wurde, am helllichten Tag. Und auch nicht, dass der Autosich die Bilder an, in die sie so gut hineinpassen würde. Am fünften mobilist Fahrerflucht begangen hatte und die Bevölkerung um Hinweise Abend schaltete sie den Fernseher an. Nichts passierte. Die edlen Bildgebeten wurde. Als sie wieder zur Arbeit ging, hatte sie ihre letzte Klienschirmhelden hatten keine Wirkung mehr auf sie. tin vollkommen vergessen. Und dass sie ihre Unterlagen mitgenommen «Manche Frauen sind wirklich blöd», sagte ihre Kollegin in der Kafund im Zug liegengelassen hatte, auch. feepause. Eine ihrer Klientinnen war auf einen Heiratsschwindler herFrage: Nennen Sie einen oder mehrere Gründe, warum Sie wieder in eingefallen. Er hatte sie um ihr ganzes Vermögen gebracht. Jetzt musste das Berufsleben einsteigen möchten. sie zum ersten Mal in ihrem Leben Arbeit suchen. Antwort: Meine Ehe ist am Ende. Mein Mann hat mehrere Profile bei «Das Schlimmste ist, dass sie ihm noch nachtrauert!» Partnerseiten auf dem Internet. Er gibt sich nicht einmal Mühe, das zu «Habt ihr das gelesen?» Eine andere Kollegin las aus der Zeitung vor: verbergen. Er hat sein i-pad offen zuhause rumliegen lassen. Als wäre es «Mit gespielter Liebe 372 000 Franken ergaunert: 57-jähriger hatte Beihm egal. Schlimmer noch, er gibt sich als Witwer aus. Einmal ist seine ziehungen mit sechs Frauen und nahm sie dabei aus wie WeihnachtsFrau an Krebs gestorben, ein andermal vom Auto überfahren worden. Ich gänse …» habe Angst, dass er mich aus dem Weg schaffen will. Ich muss mir eine «Was hat das denn mit irgendwas zu tun?», fragte Isabelle. Ihre Stimeigene Existenz aufbauen. Ich weiss nur noch nicht wie … me klang schärfer als beabsichtigt. Sie fühlte sich persönlich angesproWer allein ist, will allein sein, dachte Isabelle. Jetzt hatte sie es endchen. Dabei hatte sie niemandem etwas erzählt, weder von ihrer Anlich verstanden. meldung auf den Partnerschaftsseiten noch von ihren Dates und Flirts, ■ geschweige denn von Serge. «Was hast du denn?» Milena Moser 1963 in Zürich geboren, veröf«Du bist aber empfindlich!» fentlichte 1990 ihre erste Kurzgeschichten«Ach, lasst mich doch in Ruhe!» Isabelle nahm ihre Kaffeetasse und sammlung «Gebrochene Herzen oder Mein erverliess den Aufenthaltsraum. Sie meinte, ihre Kolleginnen kichern zu ster bis elfter Mord». Mit «Die Putzfraueninsel» hören. landete sie 1991 ihren ersten Bestseller. Es folgIhr letzter Termin wartete schon in ihrem Büro. Eine neue Klientin. ten weitere erfolgreiche Romane und ErzähIsabelle versuchte, sie mit einem Blick einzuschätzen: Gut angezogen, lungen sowie Sachbücher. Milena Moser lebt aber die Kleider waren ihr zu gross, als hätte sie in kurzer Zeit viel Genun mit ihrer Familie, nachdem sie acht Jahre wicht verloren. Dunkle Ringe unter den Augen, schlaflose Nächte. Eine in San Francisco gewohnt hat, wieder in der Frau in der Krise, dachte Isabelle. Gibt es sonst etwas Neues? Schweiz. Ihr neuer Roman «Das wahre Leben» erscheint am 4. SeptemMarianne erzählte ihr eine Geschichte, die sie in Varianten schon so ber im Nagel & Kimche Verlag. Neben ihrer Tätigkeit als Autorin schreibt oft gehört hatte, dass sie sie auswendig kannte. Früh geheiratet, Kinder Milena Moser regelmässig Kolumnen und hat zusammen mit der Autobekommen, zuhause geblieben, Ehe gescheitert … rin Sibylle Berg und der Agentin Anne Wieser eine Schreibschule ge«Und was haben Sie gelernt?» gründet: www.die-schreibschule.com


Vermisst VON RAHEL HEFTI

Eine Grille zirpte. Das Geräusch liess sie aufschrecken. Reiss dich zusammen, schalt sie sich innerlich und starrte die Landstrasse hinunter, zu deren Seiten sich hohe Weizenähren erhoben. Sie malte sich aus, dass jemand daraus hervor und an ihre Gurgel springen könnte. Der Gedanke schnürte ihr die Kehle zu. «Reiss dich zusammen.» Diesmal sagte sie es laut. Ihr Körper hörte trotzdem nicht hin. Sie hatte das Dorf vor fünfzehn Minuten verlassen. Die Kirchturmuhr schlug fünf und der laue Sommerwind trug den Klang auf den Landweg hinaus. Er erinnerte sie daran, wie weit die Zivilisation bereits hinter ihr lag. Nach weiteren fünf Minuten erreichte sie den Wald. Die erste Baumreihe bildete eine unnatürlich gerade Linie, die aussah wie eine Grenze. Ob das eine Warnung der Natur war? Zum letzten Mal, Miriam, reiss dich zusammen!, beschwor sie sich, doch wie erwartet zeigten ihre Gedanken keine Wirkung. Ihr Körper schien heute nach seinen eigenen Regeln zu spielen. Klein beigeben wollte sie aber nicht. Noch einmal atmete sie tief durch. Dann verschwand sie im Wald. «Ich weiss nicht, wo Miriam ist.» Auf Elinas Stirn hatten sich Schweissperlen gebildet. Sie sass auf dem Revier von Wachtmeister Fredi Hauser. Dessen Schweinsaugen waren argwöhnisch verengt. Angeblich hatte man den Schal der verschollenen Miriam Sahli auf dem Landweg zum Wald gefunden. Elina benötigte all ihr schauspielerisches Talent, um sich überrascht zu geben. Sie wollte ihre Rolle bei Miriams Verschwinden nicht sofort preisgeben. Auch das schlechte Gewissen, das wie Galle in ihr hochstieg, versuchte sie zu unterdrücken. Das mit dem Wald war doch bloss eine Mutprobe gewesen: Ein Foto vom Baum mit dem eingeritzten Kreuz, an dem sich vor längerer Zeit ein Massenmörder erhängt hatte – mehr nicht. Miriam hatte das Bild um

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halb sechs Uhr früh via Whatsapp an Elina geschickt. Und nun, achtundvierzig Stunden später, galt sie als vermisst und Elina sass im stickigen Büro des Wachtmeisters. Sie fragte sich, ob der Polizist von der Foto-Nachricht wusste. Das hätte zumindest erklärt, weshalb sie nun befragt wurde. Elina hatte nie viel von Miriam gehalten. Miriam wiederum wäre durchs Feuer gegangen, um in Elinas Clique aufgenommen zu werden – ein fruchtbarer Boden für die Mutprobe. Weshalb sich Miriam auf die Sache eingelassen hatte, war Elina dennoch schleierhaft. Mein Gott, sie waren doch keine Kinder mehr! Freundschaften gründeten nicht auf Mutproben. Doch anscheinend war Miriam naiver als eine Disney-Prinzessin. Und ganz offensichtlich verschollen. Vielleicht sogar tot. Der Gedanke kam Elina völlig spontan. Ihr Herz zog sich zusammen. Nun bekam sie doch ein schlechtes Gewissen. Sie schaute über die Tischplatte hinweg zu Hauser, der sie noch immer lauernd beobachtete. Ihr entwich ein Seufzen. Es machte keinen Sinn, die Sache mit dem Foto zu verheimlichen. Sie zog ihr Smartphone aus der Handtasche und tippte sich durch das Menü. Kurz darauf leuchtete Miriams Baum-Bild auf, das sie Hauser unter die Nase streckte. Dessen Augenbrauen schossen in die Höhe. «Das ist der Mörderbaum. Was hat ein Mädchen wie Miriam dort zu suchen?» Elina setzte jenen Blick auf, den sie normalerweise benutzte, wenn sie zu lange im Ausgang war. «Die ganze Schule hält sie für langweilig und zurückgeblieben. Vielleicht wollte sie uns das Gegenteil beweisen.» «Indem sie mitten in der Nacht den Mörderbaum fotografiert?» Hauser schüttelte den Kopf. «Das Motiv ist doch absurd. Vielleicht ist sie einfach durchgebrannt.» «Nein, das passt nicht zu Miriam.» «Dann wurde sie womöglich entführt.» SURPRISE 305/13


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BILD: FABIAN TROXLER

«Wir sind keine Mörder, bloss weil wir Miriam nicht mögen!», stiess Wer wollte Miriam schon entführen? Elina biss sich auf die Zunge, sie hervor. «Sie ist in den Wald gegangen. Sie hat das Foto freiwillig geehe der Gedanke über ihre Lippen kam. Sie schwieg, was Hauser ausmacht. Niemand hat sie dazu gezwungen! Und wenn sie entführt wurnutzte, um erneut das Wort zu ergreifen. de, dann ist das Selbstverschuldung, Pech oder Schicksal, aber nicht «Um halb sechs Uhr hat sie ein Foto des Mörderbaumes an dich vermeine Schuld.» schickt. Es ist das letzte Lebenszeichen, das wir von ihr haben. Was da«Weinst du wegen mir oder aus Angst um dein Gewissen?», mischte nach geschah, können wir folglich nur vermuten. Das Durchbrennen sich eine neue Stimme ein. Elina und Hauser schossen herum. Elina und die Entführung haben wir bereits angesprochen. Zumindest Ersteschluchzte auf, als sie Miriam entdeckte. Sie stand zusammen mit eires hältst du für unwahrscheinlich. Darf ich fragen, weshalb?» nem Polizisten und einem fremden Jungen in der Tür. Ihre Haare waren «Das habe ich Ihnen bereits gesagt. Miriam ist die langweilige Unzerzaust und unter den Augen zeichneten sich tiefe Ringe ab; auch ihre schuld vom Lande. Selbst wenn sie es wollte, würde sie das niemals hinKleidung hatte schon bessere Tage gesehen. Aber sie lebte, Miriam war kriegen. Für so etwas fehlt ihr der Mut.» am Leben. Elina hatte keinen Menschen auf dem Gewissen. Sie weinte «Der Mut fehlte ihr aber nicht für einen Schnappschuss vom Mörnoch immer. Die Erleichterung über Miriams Auftauchen versagte ihr derbaum», wandte Hauser ein. Elina verdrehte die Augen. die Kontrolle über ihren Tränenfluss. Fredi Hauser indes hätte nicht «Ein läppischer Waldbesuch kann doch nicht mit einem Reissaus vergegenteiliger reagieren können. Miriam war die Tochter eines guten glichen werden. Wie gesagt, Miriam würde sich das niemals getrauen. Freundes. Entsprechend zornig fuhr er sie an: Und überhaupt: Wo sollte sie hin? Sie hat kaum Freunde.» «Zur Hölle, wo warst du!? Hast du eine Ahnung, was für Sorgen sich «Also wurde sie vielleicht doch entführt.» deine Eltern gemacht haben?» Elina erwiderte nichts. Sie hatte beschlossen, diese Möglichkeit zu igMiriam zog betreten den Kopf ein. Der Polizist neben ihr ergriff seufnorieren. Sie behagte ihr nicht. Noch weniger behagte ihr allerdings zend das Wort. Hausers nächste Überlegung. «Ich habe die beiden am Bahnhof angetroffen. Miriams Lieblings«Denkst du, sie könnte sich etwas angetan haben?» band spielte gestern in Zürich. Sie wollte unbedingt hingehen, aber ih«Das bezweifle ich.» Ihre Antwort kam postwendend, trotzdem wurre Eltern haben es ihr nicht erlaubt. Aus diesem Grund ist sie ausgebüxt de ihr heiss und kalt zugleich. Sie traute Miriam wenig zu, aber Suizid klang erschreckend plausibel. Vor ihrem inneEs waren doch nur Sticheleien gewesen. Ein kleiner Scherz über ren Auge tauchte Miriams kleiner, rundlicher Miriams Fischmund; ein etwas grösserer über ihren Hintern. NieKörper auf – erhängt am Mörderbaum. Ihre glasigen Augen waren aufgerissen und starrten mand konnte sich wegen solchen Lappalien umbringen wollen. in Elinas Richtung. Sie bargen keinerlei Leund auf eigene Faust mit den ersten Bus- und Zugverbindungen hingebenszeichen; dennoch erkannte Elina den Vorwurf, der in den dunklen fahren. Nach dem Konzert verpasste sie den letzten Anschluss, weshalb Pupillen schimmerte. sie bei ihrem Freund übernachtete.» Er zeigte auf den schlaksigen Kerl, Ihre Unterlippe begann zu zittern. Es waren doch nur unbedeutende der hinter Miriam stand. Elina glaubte, sich verhört zu haben. Hastig Sticheleien gewesen. Ein kleiner Scherz über Miriams Fischmund; ein trocknete sie ihre Tränen. etwas grösserer über ihren Hintern. Das Verstecken eines Schuhs, ein «Du hast dich davongeschlichen, um an ein Konzert zu gehen und Wasserballon an den Kopf. Niemand konnte sich wegen solchen Lappadann bei deinem Freund übernachtet?» Ihr Blick haftete noch immer auf lien umbringen wollen. Miriam durfte das nicht gewollt haben. Damit dem fremden Jungen. Er sah verboten gut aus. Miriam beobachtete Elihätte sie Elina und die anderen quasi zu Mördern gemacht. Ob so etwas na mit hochgezogenen Augenbrauen. strafbar war? «Du klingst vorwurfsvoll. Dabei habe ich extra für dich einen AbsteSie zuckte zusammen, als Hauser aufstand, um das Fenster zu öffcher in den Wald gemacht. Zugegeben, mir war schon ein wenig mulnen. Offenbar war ihm der blasse Teint seiner Zeugin aufgefallen. Elina mig zumute. Allerdings mehr wegen dem Konzertbesuch als dem Mörbildete sich ein, dass durch die Öffnung noch mehr Hitze in den Raum derbaum.» Sie klang spöttisch. Das passte so gar nicht zu Miriam. Elina strömte. Absurderweise bekam sie Gänsehaut. blinzelte überfordert. Sie hatte geglaubt, das pummelige Mädchen zu Hauser setzte sich wieder zu ihr an den Tisch. kennen und ihr Wesen auf den ersten Blick durchschaut zu haben. Nun «Sie war sehr unbeliebt, nicht wahr?» musste sie einsehen, wie falsch sie damit gelegen hatte. Miriam lächelElina fühlte sich wie ein Schaf auf der Schlachtbank, dem das Meste, als hätte sie Elinas Gedanken gelesen. ser des Gewissens an die Halsschlagader gedrückt wurde. Auf einmal «Es ist übrigens witzig, dass der Spruch mit der Oberfläche von dir bekam sie Panik. kam», sagte sie. «Don’t judge a book by its cover, Elina. Dir könnte ein «Natürlich waren wir nicht immer nett zu ihr», antwortete sie. Der spannender Roman entgehen.» Kloss in ihrem Hals wurde grösser und ihre Stimme eindringlicher, als ■ sie weiterfuhr: «Aber es war Miriams freie Entscheidung, ein Foto des Mörderbaums zu machen. Mit ihrem Verschwinden habe ich nichts zu tun. Niemand von uns ist dafür verantwortlich. Jeder Mensch hat einen freien Willen, und wer sich überreden lässt, ist selber schuld. Das ist doch wie bei der Migros: Die schnorren uns auch rotgespritzte ErdbeeRahel Hefti wurde 1988 geboren und wuchs ren aus Spanien auf. Aber ist es ihr Problem, dass wir der Versuchung in der Region Ausserschwyz auf. Sie studierte schneller erliegen als dem Pestizid? Versprechungen sind leerer als MiPublizistik- und Kommunikationswissenschafriams Gehirn. Besässe sie nur einen Funken Verstand, dann wäre sie ten sowie Filmwissenschaften an der Univernicht zum Mörderbaum gegangen! Es ist nicht meine Schuld, dass sie sität Zürich und schloss das Studium Anfang sich mehr von der Mutprobe versprach, als wir jemals zu bieten gedieses Jahres mit dem Master of Arts ab. Bedachten. Man sollte sich nie auf die Oberfläche verlassen – sie kann uns reits als Jugendliche verfasste sie Drehbücher täuschen.» Der Wachtmeister beobachtete sie aufmerksam, ohne etwas und Kurzgeschichten, die sie gemeinsam mit zu erwidern. Je länger sein Schweigen andauerte, desto nervöser wurFreunden und Schulklassen verfilmte. 2012 erde Elina. Der Kloss in ihrem Hals hielt dem Druck nicht länger stand. schien ihr Debütroman «Das verlorene Dorf» beim Verlag LiteraturSie brach in Tränen aus. werkstatt. www.das-verlorene-dorf.com


Verkäuferinnenporträt «Ich habe immer ein Buch bei mir» BILD: MWF

Die quirlige Berner Surprise-Verkäuferin Manuela Frieden (47) geht kaum ohne ein Buch aus dem Haus. In Krimis und Thrillern sucht sie die Spannung, in fernöstlichen Philosophien die Ruhe. AUFGEZEICHNET VON ISABEL MOSIMANN

«Im Mai habe ich wieder angefangen, Surprise zu verkaufen. Davor habe ich fünf Jahre pausiert. Es ging mir in dieser Zeit nicht gut. Die Hefte verkaufe ich vor der Wankdorf-Migros und in meinem privaten Umfeld. Ich kenne sehr viele Leute, vor allem im Breitenrain- und Lorraine-Quartier, wo ich bereits seit zehn Jahren wohne. Wenn ich unterwegs bin, egal wohin, habe ich immer ein Buch bei mir. Im Moment ist es gerade der Thriller ‹Das Evangelium nach Satan› vom Kanadier Patrick Graham. Ich lese fast jede freie Minute, und zwar am liebsten Krimis und Thriller. Ich liebe diese Art von Unterhaltung, die Spannung, die man dabei spürt. Mein absoluter Lieblingsautor ist Stephen King. Ich kaufe die Taschenbücher meistens selbst, manchmal kriege ich auch welche geschenkt. Wenn ich durch die Stadt gehe, habe ich immer ein Auge auf die vergünstigten Bücher vor den Buchläden. Genauer gesagt halte ich Ausschau nach Krimis – sicher nicht nach Liebesromanen oder so! Ich lese oft auch abends. Zu Hause habe ich bewusst keinen Fernseher – das ist mir zu langweilig, da muss man oft das Hirn gar nicht einschalten. Wenn ich hin und wieder einen Film schauen will, gehe ich zu Kollegen oder ins Kino. Der letzte Film, den ich gesehen habe, war ‹Sâdhu›. Der wurde mir empfohlen. Da zieht sich ein hinduistischer Heiliger ins Himalaya-Gebirge zurück und bleibt dort während acht Jahren mutterseelenallein. Schliesslich kehrt er in die Zivilisation zurück, weil er nicht findet, was er sich erhofft hat. Alles in allem war es ein super Film. Aber Angst gemacht hat mir die Passage, in der er nach seiner Rückkehr unter anderem in Kathmandu ist. Diese Leute in dieser Stadt! Wie die sich dort dicht an dicht bewegen – nie im Leben möchte ich an einen solchen Ort. Mich interessieren Glaubensrichtungen wie der Hinduismus und der Buddhismus, dazu muss ich aber nicht nach Indien, Tibet oder eben Nepal reisen. Ich kann auch auf anderen Wegen mehr darüber erfahren. Eine der wenigen Biografien, die ich gelesen habe, ist zum Beispiel diejenige über Osho, den man hier eher unter dem Namen Bhagwan kennt. Mithilfe von Büchern oder Filmen zu diesen Philosophien und Lebensweisheiten versuche ich, mehr Frieden, mehr Ruhe und meine eigene Mitte zu finden. Ein Symbol dafür ist der silberne Buddha, den ich an meiner Halskette trage. Gepackt haben mich übrigens auch die Harry-Potter-Bücher – die habe ich alle gelesen. Von den Filmen habe ich hingegen nur einen gesehen. Ich bin kein Fan von Literaturverfilmungen. Oft weichen sie vom

Original ab, das nervt mich! Zudem machen sie meine eigenen Vorstellungen kaputt. Für mich gilt deshalb: Wenn ich mir überhaupt mal eine Verfilmung anschaue, dann lese ich ganz sicher das Buch zuerst, nicht umgekehrt. Eine Leseratte war ich schon als Kind. Bücher, an die ich mich erinnern kann, sind zum Beispiel ‹Die rote Zora› oder später ‹Das Parfüm›. Und sehr gerne habe ich auch ‹Geisterjäger John Sinclair› gelesen. Das waren diese Grusel-Heftli, in denen Oberinspektor Sinclair von Scotland Yard die Hauptrolle spielt. Ich vermute, meine Vorliebe für Krimis und Thriller hat dort ihren Anfang genommen.» ■

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Herausgeber Verein Surprise, Postfach, 4003 Basel www.vereinsurprise.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Do T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 info@vereinsurprise.ch Geschäftsführung Paola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (stv. GL) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@vereinsurprise.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Mena Kost (Nummernverantwortliche), Reto Aschwanden, Florian Blumer, Diana Frei redaktion@vereinsurprise.ch Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Rahel Nicole Eisenring, Shpresa Jashari, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Stephan Pörtner, Milena Schärer, Isabella Seemann, Priska Wenger, Tom Wiederkehr, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Mitra Devi, Rahel Hefti, Michael Herzig, Lucian Hunziker, Sunil Mann, Isabel Morf, Milena Moser, Isabel Mosimann, Ruth Schweikert Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 17 650, Abonnemente CHF 189.–, 24 Ex./Jahr Marketing, Fundraising T +41 61 564 90 50 Oscar Luethi (Leitung)

Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83, M +41 79 428 97 27 Thomas Ebinger, Anette Metzner, Spalentorweg 20, 4051 Basel, basel@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Zürich T +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12 Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, zuerich@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02 Andrea Blaser, Alfred Maurer, Bruno Schäfer, Pappelweg 21, 3013 Bern, bern@vereinsurprise.ch Strassenchor T +41 61 564 90 40, F +41 61 564 90 99 Paloma Selma, p.selma@vereinsurprise.ch Strassensport T +41 61 564 90 10, F +41 61 564 90 99 Lavinia Biert (Leitung), Olivier Joliat, David Möller o.joliat@vereinsurprise.ch, www.strassensport.ch Vereinspräsident Peter Aebersold

Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird von der Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt. Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen.

SURPRISE 305/13


Sudoku Füllen Sie die leeren Felder mit den Zahlen von 1 bis 9. Dabei darf jede Zahl in jeder Zeile, in jeder Spalte und jedem der neun 3 x 3-Blöcke nur ein Mal vorkommen. Die Lösungen finden Sie in der nächsten Surprise-Ausgabe.

Mittelschwer

Teuflisch schwer

Die 25 positiven Firmen

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SURPRISE 305/13

Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.

12

Arbeitssicherheit Zehnder GmbH, Ottenbach

13

Novartis International AG, Basel

14

Solvias AG, Basel

15

Ernst Schweizer AG, Metallbau, Hedingen

16

confidas Treuhand AG, Zürich

17

ratatat – freies Kreativteam, Zürich

18

G.A.T.E.S., Hôteliers & Restaurateurs SA, Basel

19

Claude Schluep & Patrick Degen, Rechtsanwälte, Bern

20

homegate AG, Adliswil

21

Sprenger & Partner Bauingenieure SIA USIC, Arlesheim

22

Oechslin Architektur GmbH, Zollikerberg

23

Fischer + Partner Immobilien AG, Otelfingen

24

IBP – Institut für Integrative Körperpsycho-

01

Gemeinnütziger Frauenverein, Nidau

02

Schweizer Tropeninstitut, Basel

03

VeloNummern.ch

04

Scherrer & Partner GmbH, Basel

05

Applied Acoustics GmbH, Gelterkinden

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet

06

Buchhandlung zum Zytglogge, Bern

werden?

07

hervorragend.ch, Kaufdorf

Mit einer Spende von mindestens 500 Franken

08

Kaiser Software GmbH, Bern

09

Velo-Oase, Erwin Bestgen, Baar

10

Coop Genossenschaft, Basel

11

Cilag AG, Schaffhausen

therapie, Winterthur 25

Knackeboul Entertainment

sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

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Macht stark.

www.vereinsurprise.ch â?˜ www.strassensport.ch â?˜ Spendenkonto PC 12-551455-3 Verein Surprise, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, Tel. 061 564 90 90, Fax 061 564 90 99


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