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Schweizer Papi Einwanderer entdecken die Vaterrolle neu Tubel und Toni Brunner – Baby Jail im Interview zum Comeback

Der digitalisierte Kranke: Medizin-Apps und Online-Diagnosen

Nr. 318 | 31. Januar bis 13. Februar 2014 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.


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Nehmen Sie an einem «Sozialen Stadtrundgang» teil! Erleben Sie Basel aus einer neuen Perspektive! Tour 1: Konfliktzone Bahnhof – vom Piss-Pass zur Wärmestube. Dienstag, 18. Februar 2014 um 9 Uhr. Tour 2: Kleinbasel – vom Notschlafplatz zur Kleiderkammer. Mittwoch, 12. Februar 2014 um 9 Uhr. Tour 3: Kleinbasel – von der Sozialhilfe zur Selbsthilfe. Dienstag, 18. Februar 2014 um 9.30 Uhr. Anmeldungen unter rundgang@vereinsurprise.ch oder 061 564 90 40. Weitere Infos unter www.vereinsurprise.ch/stadtrundgang

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Titelbild: Lucian Hunziker

«Macht mit! Es tut gut! Wir können voneinander lernen!» Mit unglaublicher Energie geht Sabri Aliu durchs Leben und reisst seine Landsleute mit, beseelt vom Thema Integration. Der Kosovare engagiert sich im Zürcher Väter-Forum, wo Migranten über Erziehungsfragen diskutieren. Und man muss sagen: Wenn das Zusammenwachsen von Kulturen immer so lustvoll vonstatten ginge wie die Treffen dieser Familienväter, dann wäre die Zuwanderung eine spannende Sache statt ein Problemfeld. Das VäterForum ist ein Integrationsangebot für Einwanderer, aber genau betrachtet stellt sich die Frage: Was heisst es denn, ein Schweizer Vater zu sein? Nein – was heisst es denn überhaupt, Vater zu sein? Mir scheint bei solchen Themen das Nebeneinander von Kulturen ganz hilfreich. Es ermöglicht den Vergleich. Und im Unterschied liegt nicht selten die Erkenntnis.

BILD: ZVG

Editorial Im Unterschied liegt die Erkenntnis

DIANA FREI REDAKTORIN

Auch Bice Aeberli und Boni Koller von der Schweizer Kultband Baby Jail können Unterschiede erkennen. Nicht kulturelle wie Sabri Aliu, sondern zeitgeschichtliche zwischen der Bandauflösung 1994 und ihrem Comeback heute. Und sie stellen fest: Die alten Feindbilder sind heute noch salonfähiger als vor 20 Jahren, und die jungen Leute, die grundlos ihre Bierflaschen an die Wand knallen, tun es heute noch ein bisschen grundloser. Erklärungen können auch die Songs von Baby Jail nicht bieten, aber sie liefern amüsante Kommentare. Lesen Sie das Interview ab Seite 10. Einen tiefen Einblick in soziale Unterschiede haben unsere Verkäufer. Mit Blick vom Rand auf die Mitte der Gesellschaft, sei es auf dem Basler Markt- oder dem Zürcher Paradeplatz. Die Position ist zwar oft unkomfortabel, aber sie schärft den Blick, und so hört man in unseren Vertriebsbüros viel darüber, wie die Leute auf Strassenverkäufer reagieren und welche Parlamentarier in Bern Surprise kaufen, man erfährt einiges über Gespräche mit Passanten, und es wird über das Leben philosophiert. Diese Verkaufenden werden einmal jährlich vom internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP mit der «Vendor Week» ins Zentrum des Interesses gestellt, auch in Basel findet diesen Monat eine entsprechende Aktion statt – Näheres dazu auf Seite 20. Und noch etwas: Die Surprise-Verkaufenden haben einen neuen Verkaufspass (siehe Beispiel unten). Bitte kaufen Sie das Magazin nur bei Verkäuferinnen und Verkäufern mit dem offiziellen Ausweis. Herzlich Diana Frei

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 Ihre Meinung! Wir sind gespannt auf Ihre Kritik, Ihr Lob oder Ihre Anmerkungen. Schreiben Sie uns! Auf leserbriefe@vereinsurprise.ch oder an Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion trifft eine Auswahl und behält sich vor, Briefe zu kürzen. Oder diskutieren Sie mit uns auf www.facebook.com/vereinsurprise SURPRISE 318/14

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10 Baby Jail «Nicht bloss Nostalgiequatsch» Nach dem Bühnencomeback gibt es nun auch ein neues Album: Mit Baby Jail meldet sich eine Kultband der späten Achtziger zurück. Im Interview sprechen die Band-Aushängeschilder Bice Aeberli und Boni Koller über neue Songs und alte Feindbilder, Existenzängste als alternde Musiker und erzählen, wie sich ihre Söhne von anderen Jugendlichen unterscheiden.

14 Medizin Digital vermessen Früher ging man zum Arzt, um zu fragen, woran man leide. Heute weiss es die Diagnose-App besser. Schon mithilfe von Google haben sich Patienten immer mehr selber zu diagnostizieren begonnen, unterdessen sind wir im Zeitalter der digitalen Selbstvermessung angekommen. Wir fühlen den digitalen Medizin-Angeboten, der Qualitätskontrolle und der Veränderung des Arzt-Patienten-Verhältnisses den Puls.

ILLUSTRATION: WOMM

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Inhalt Editorial Vergleicht euch! Die Sozialzahl Von wegen Scheinarme Aufgelesen Scheitern und gewinnen Zugerichtet Szenen aus der Beiz Mit scharf! Missbrauchtes Gewissen Starverkäufer Cabdisala Cali Xasan Porträt Rolf Lappert kommt heim Verkäuferwoche Internationale Verkäuferporträts Fremd für Deutschsprachige Hochgondeln Theater Visionen in Luzern Kultur Labyrinth der Angst Ausgehtipps Quantenphysik im Theater Nachruf Kurt Brügger Projekt SurPlus Eine Chance für alle! In eigener Sache Impressum INSP

BILD: ANDREA GANZ

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BILD: LUCIAN HUNZIKER

19 Integration An Papis Rockzipfel

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Ein moderner Vater zu sein, sei ein Phänomen des Westens, meint man oft. Zugewanderten aus anderen Kulturen werden veraltete Rollenbilder unterstellt. Nun aber engagieren sich albanische, tamilische oder somalische Männer im «Väter-Forum» der Stadt Zürich: Hier geben sie Wissen über Erziehungsthemen an ihre Landsmänner weiter.

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12 % 10 % 8% 6% 4% 2% 0% TG ZH SZ GR BE GL LU BS Zunahm ZG SH e der Fa NW AG llzahlen Zunahm SO VD in d er Sozia e der Fa AR CH lhilfe na llzahlen UR SG ch Kanto in der S NE FR Quelle: o n z in ia JU AI lh P Bundes ilfe gesa rozent (o amt für BL OW mtschw h n Statistik e G VS TI enf), 20 eizerisc , Schwei 11 h, ze rische S

ozialhilf

estatistik

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Die Sozialzahl Arme werden zahlreicher «Die Reichen werden reicher, die Armen zahlreicher» : Diese Kurzformel für die Ungleichheit in der Schwe iz hat der Sozialethiker Willy Spieler geprägt. Sie wurde in letzter Zeit vehement infrage gestellt. Die neoliberalen Kamp ftrupps von «avenir suisse» und dem sogenannten Libera len Institut versuchten mit unzähligen Grafiken und atemb eraubender Zahlenakrobatik zu beweisen, dass es in der Schweiz gar keine zunehmende soziale Schieflage gebe. Weder seien die Reichen im Vergleich zum Rest der Bevölkerung wirklich reicher geworden, noch gehe es den Armen schlecht. Vielmehr müsste man eigentlich von Scheinarmen reden, wenn man internationale Vergle iche beiziehe. Diese argumentativen Konstrukte sollten helfen, die 1:12-Initiative zu bodigen und die Mindestlohninitiat ive zu desavouieren. Schon immer widersprachen diese «Beweise» den Erfahrungen aus dem Alltag. Nun liegt von Amtes wegen ein Beleg vor, dass die Armut in der Schweiz tatsächlich zunim mt. Kürzlich hat das Bundesamt für Statistik die schweizerisc he Sozialhilfestatistik für das Jahr 2012 vorgelegt. Die Daten beunruhigen. Gegenüber dem Vorjahr nahm die Zahl der erfassten Sozialhilfefälle um 6,1 Prozent zu. Diese Zahl ist zwar zu einem guten Teil auf die Überführung der kanton alen Arbeitslosenhilfe in die Sozialhilfe im Kanton Genf zurückzuführen. Darüber hinaus ist aber auch eine genere lle Zunahme der Fälle in allen anderen Kantonen festzustellen . In einigen Kantonen liegt die Zunahme bei rund ein Prozent, in anderen aber bei deutlich über zehn Prozent! In den meisten Kantonen beträgt das Wachstum der Fallzah len zwischen drei und neun Prozent.

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die t die Zahl der Personen, Mit dieser Entwicklung lieg kritimüssen, erstmals über der Sozialhilfe beanspruchen en, dass . Man muss davon ausgeh schen Grösse von 250 000 namik tgesetzt hat. Trotz dieser Dy sich dieser Trend 2013 for ischen zw ich gle Ver te, also der hat aber die Sozialhilfequo geder er jen mit der Sozialhilfe der Zahl der Personen in t zen Pro 3,1 auf 3 geringfügig von samten Bevölkerung, nur nt sta kon sie re Sonderfall Genf wä zugenommen. Ohne den uns interpretieren? Erinnern wir zu geblieben. Wie ist das ein s das r, kla chrechnen, dann ist an das wenig beliebte Bru und ler Zäh n kann, wenn sich Bruch nur konstant bleibe Zahl ändern. Der Zunahme der Nenner gleichermassen ver er end ech en steht also ein entspr der Sozialhilfebeziehend e ahm Zun zahl gegenüber. Diese Anstieg der Bevölkerungs n Migration zu erklären. ist nur mit der anhaltende Die praktisch konstante SoHier wird es nun spannend. bürger, dass es entgegen rechts zialhilfequote signalisiert wanverstärkenden Armutsein licher Polemik zu keiner sich ruppen s ausländische Personeng derung gekommen ist. Das he Berisc ize we sch die tragen als ein höheres Armutsrisiko ht-EUNic aus hen nsc allem Me völkerung, ist bekannt. Vor öfund en tion ika alif berufliche Qu Ländern haben geringere sich en seh und erb Spracherw ter Schwierigkeiten mit dem h ahlte, aber gesellschaftlic bez ht lec sch darum gezwungen, gen rde we Sie zu verrichten. sehr notwendige Arbeit ihrer uns an der Finanzierung en hab braucht, und wir alle des len Zah len eiligen. Die aktuel materiellen Existenz zu bet den in lt rha an diesem Sachve BFS zeigen nun, dass sich ielrt hat. Für einen neuen, gez letzten Jahren nichts geände und en taates durch Migrantinn ten Missbrauch des Sozials ne Belege. Migranten finden sich kei PRI SE. CH OEP FEL @V ERE INS UR CA RLO KN ÖPF EL (C. KN WO MM BIL D: SIM ON DR EYF US,

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Aufgelesen News aus den 90 Strassenmagazinen, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Erfolg durch Scheitern Hannover. «Scheitern ist die Basis künftiger Erfolge.» Diesen schönen Satz verdanken wir dem SPD-Landtagsabgeordneten Michael Höntsch. Es ist seine Antwort auf die wirkungslosen Proteste der hannoveraner Schüler gegen eine Arbeitszeiterhöhung ihrer Lehrer: Der Landtag hat sie – mit Höntschs Stimme – trotzdem beschlossen. Da lacht das Herz des ehemaligen Politik-Lehrers: Seine ExSchüler partizipieren brav am politischen Prozess, ohne dabei so erfolgreich zu sein, dass es seine eigenen Anliegen gefährden würde.

Beherzt leben Salzburg. Alles Verdrängte kommt irgendwann an die Oberfläche, gerne in Form von Krankheiten oder auch Unfällen, sagt Ruediger Dahlke, Arzt, Psychotherapeut und Bestsellerautor. Wer sein Herz nicht öffnen und weiten könne, laufe Gefahr, eine Herzinsuffizienz zu bekommen, wer nicht auf verschiedenen Ebenen wachsen könne, bei dem würden es oft Tumore tun. Er selbst sei in der Jugend erfolgreicher Skifahrer gewesen, sein Körper habe ihn aber mittels drei Knochenbrüchen hintereinander zur Vielseitigkeit angehalten – womit er heute ganz gut lebe.

Rock’n’Roll! Bochum. «Disco, Disco Partizani» war der Schlachtruf einer ganzen Party-Generation: Mit diesem Hit hat der Berliner Shantel den Balkan-Pop mitbegründet. Doch die PartyLaune ist ihm vergangen. Er sieht im Osten die Ideale verraten, für die sie «gefeiert und gekämpft» hätten: Statt Aufbruchstimmung antisemitische (Ungarn), mafiöse (Bulgarien) oder diktatorische Regierungen (Türkei). Die Konsequenz: Statt Disco-Pop gibts auf dem neuen Album Rock’n’Roll.

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Zugerichtet Humpen am Hinterkopf Breitbeinig nimmt der Angeklagte im Gerichtssaal Platz, ein grosser, dürrer Mann mit langem, grauen Haar und Schnauz. Ungelenke Tätowierungen bedecken seine Hände, er trägt einen Jeansanzug mit industriell eingerissenen Stellen, aber immerhin frisch gewaschen und gebügelt. Reini H.*, 53, soll in einer Bar dem Plattenleger Urs unvermittelt zunächst den Inhalt eines Bierkruges und gleich darauf den Humpen selbst auf den Hinterkopf geworfen haben. «Wegen Moni», sagt der Angeklagte, und es tue ihm leid, und er könne sich an nichts mehr erinnern. Er lebt in geordneten Verhältnissen, hat Arbeit als Monteur und eine neue Freundin. Gesoffen hat er trotzdem. Moni ist eine verflossene Affäre, der er nachtrauert. Sie hatte ihn verlassen – für den Nebenbuhler. Das Drama jenes Tages fing schon an, als sie noch gar nicht in Sicht war. Er zog mit seiner Jetzigen um die Häuser, am Nachmittag Dörflifest, dann in einen Pub und später noch in eine Beiz. Die Jetzige geht gern dahin, die Musik rockt. Fatal, dass auch Moni die gleiche Beiz mag, sie hatte dort mit Reini viele heitere Stunden verbracht. Sie erschien auf der Bildfläche, als er schon etliches intus hatte. Mit dem Neuen. «Als ich die beiden gesehen habe, das hat mich ziemlich traurig gemacht», sagt Reini trübsinnig. Die Jetzige verliess den unglücklichen Mann um Mitternacht, warum, kann man sich vorstellen. Reini trank weiter, sechs, sieben Halbe und ein paar Jägermeister. «Irgendwann», sagt er, «war Filmriss. Ich lag auf dem Boden, wurde an die frische Luft gebracht. Draussen aufgestanden, wieder hingeknallt.» Als früh der Schäferhund raus musste, habe ihn seine

Partnerin vor dem Bett gefunden. Es ist klar, worauf Herr Reini hinauswill: verminderte oder in Gänze abhandengekommene Schuldfähigkeit wegen Trunkenheit. Auch habe er sich gewundert, dass keine Polizei ihn zuhause aufsuchte. Als wäre das ein Beweis, dass nichts gegen ihn vorliegt. Dem Richter beweist es etwas anderes: «Wenn Sie sich gewundert haben, müssen Sie ja gewusst haben, dass Sie was gemacht haben.» Na ja, Herr Reini hatte ein ungutes Gefühl. Möglich, dass er mit dem Glas rumgefuchtelt habe. Die Zeugen liefern die fehlende Sequenz in Reinholds Erinnerungsfilm: Urs und Moni sassen am Tresen, sie haben sich geküsst. Da kommt Reini rein mit seiner Freundin. Der guckt schon ganz böse, als er Moni sieht. Auf einmal bekommt Urs einen Schlag auf den Hinterkopf, ihm wurde schwarz vor Augen. Im Krankenhaus stellten die Ärzte eine Gehirnerschütterung und eine Platzwunde fest. Hätte der Geschädigte nicht den Kopf weggedreht und zudem einen solchen harten Schädel, hätte es weitaus schlimmer kommen können. Wegen Körperverletzung wird der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu 90 Franken verurteilt, sowie einer Busse von 1800 Franken. Die Geldstrafe fällt bedingt aus. Dafür muss Reini Urs eine Genugtuung von 5000 Franken sowie eine Prozessentschädigung von 3700 Franken bezahlen. Es soll ihm eine Lehre sein. Fürs nächste Mal, wenn die Jetzige auch wieder verflossen ist und einen neuen Liebhaber hat. * persönliche Angaben geändert

ISABELLA SEEMANN (ISEE@GMX.CH) ILLUSTRATION: PRISKA WENGER (PRISKAWENGER@GMX.CH) SURPRISE 318/14


Abtreibungsfinanzierung Liebe Mütter, böse Frauen Die Befürworter der Initiative «Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache» argumentieren mit der Gewissensfreiheit. Tatsächlich aber offenbart die Vorlage das menschenverachtende Gesellschaftsbild rechtskonservativer Kreise.

Die Abtreibungsfinanzierung soll per Volksinitiative aus der Grundversicherung gestrichen werden. Gemäss Initiativtitel geht es um Geld, im Abstimmungskampf argumentieren die Initianten aus religiöskonservativen Kreisen aber zunehmend mit dem Gewissen. Das Gewissen, das gute! «Ich will doch keine Abtreibung mitfinanzieren müssen», verkündet das liebe Mami mit dem herzigen Baby auf einem Abstimmungsplakat. Und SVP-Ständerat Peter Föhn, Co-Präsident des Initiativkomitees, ergänzt: «Das kann ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren.» Die Befürworterinnen und Befürworter wollen keine Mitschuld an der «Tötung ungeborener Kinder». Und mitbezahlen wollen sie auch nicht. Vom finanziellen Druck auf ungewollt Schwangere versprechen sich die Initiantinnen und Initianten unter anderem eine Abnahme der jährlich 10 500 Abtreibungen auf rund 9500. 1000 ungewollte Kinder sollen also geboren werden, weil sich die Mutter oder die Eltern eine Abtreibung nicht leisten können. Wieviel Nächstenliebe steckt denn in diesem Ansatz: «Wenn du kein Geld hast, dann gebäre dieses Kind, das du nicht willst.» In welchem Moralsystem sind 1000 ungewollte Kinder in prekären sozialen Verhältnissen wünschenswert? Man muss nicht soweit gehen, hier ein politisches Kalkül zu unterstellen, um das als menschenverachtend zu erkennen. Um diesem Zynismus die Krone aufzusetzen, werden – wie so oft, wenn es um die Stimmen der Rechten geht – soziale Unterschiede zu einem Ausländerproblem umgedeutet: «Rund 50 Prozent aller Abtreibungen in der Schweiz werden von Ausländerinnen (…) vorgenommen (…). Die Vermutung liegt nahe, dass Abtreibung als kostenloses Verhütungsmittel missbraucht wird.» So stellen sich die Initianten das also vor? «Lass uns

Nominieren Sie Ihren Starverkäufer! Schreiben Sie uns mit einer kurzen Begründung, welche/n Verkäufer/in Sie an dieser Stelle sehen möchten: Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 (0)61 564 90 99, redaktion@vereinsurprise.ch

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bei den Kondomen sparen, Habibi, wenn ich schwanger werde, lass ich mir einfach schnell eine Abtreibung bezahlen.» Oder wie? Es ist wichtig zu wissen, dass 60 Prozent der Frauen, die abtreiben, verhütet haben, und rund die Hälfte der Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen, bereits Kinder haben. Die etwas häufigeren Schwangerschaftsabbrüche unter Migrantinnen erklären sich denn auch durch deren überdurchschnittliches Armutsrisiko und überdurchschnittlich viele Kinder. Mit dem Gewissen lässt sich also genauso gut – nein: besser – gegen die Initiative argumentieren. Worum geht es in Wahrheit? Im Kern zielt die Initiative auf eine erneute Infragestellung und Stigmatisierung des legalen Schwangerschaftsabbruchs. Sie ist ein Angriff auf das Selbstbestimmungsrecht der Frauen in Fragen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit. Und vor allem: Sie diskriminiert Frauen, indem sie die Männer aus ihrer Mitverantwortung entlassen will und Frauen nicht nur die Schmerzen sondern auch die Kosten eines oft gravierenden medizinischen Eingriffs tragen lässt. ■

BILD: ZVG

VON MENA KOST

Starverkäufer Cabdisala Cali Xasan Monika Szeemann aus Basel schreibt: «Cabdisala Cali Xasan ist mein absolutes Highlight unter den Surprise-Verkaufenden. Bisher habe ich das Heft an unterschiedlichen Orten in Basel gekauft. Seit ich Cali kenne, gehe ich deswegen extra an den Aeschenplatz. Der junge Mann ist so ein Sonnenschein. Zu allen Leuten ist er freundlich, lacht sie an und spricht sogar mit ihren Hunden – egal, ob sie das Strassenmagazin kaufen oder nicht. Dabei ist er nie aufdringlich.»

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Porträt Vollendeter Anfänger Rolf Lappert ist einer der erfolgreichsten Schweizer Schriftsteller. Jahrelang zog er schreibend um den Globus. Jetzt wagt er das Abenteuer Sesshaftigkeit in Zofingen. VON MENA KOST (TEXT) UND ANNETTE BOUTELLIER (BILD)

Prozess durch, sind selbst wie eine Insel, und müssen merken, dass ihnen das auf Dauer nicht gut tut. Die Leute wollen etwas von ihnen, sie müssen sich öffnen.» Wenn Lappert über seine Figuren spricht, etwa über Wilbur aus seinem preisgekrönten Werk «Nach Hause schwimmen» oder über Megan, die im Roman «Auf den Inseln des letzten Lichts» auf einer philippinischen Insel landet, tut er das, als würde er über real existierende, fühlende Menschen reden. «Megan ist mir von allen am nächsten. Weil sie vegetarisch lebt wie ich. Weil sie eine Getriebene ist, die nach dem Sinn des Lebens sucht. Weil sie sich vorstellen könnte, auf dieser abgeschotteten Insel zu bleiben. Und weil sie depressive Phasen hat. Das kenne ich auch.» Der grosse Mann streckt seinen Rücken durch. «Bei mir ist es nicht pathologisch, aber ich bin jemand, der manchmal vielleicht etwas zu fest über den Sinn des Lebens und den Lauf der Welt nachdenkt – und sich dann Sorgen macht.» Lappert streicht sich durchs graumelierte Haar. Dann klingelt das Telefon. «Ich ruf dich zurück», sagt er in den Hörer. «Das war mein Neffe, mein Bruder hat drei Kinder.» Lappert schlendert an seiner enormen dunkelgrauen Couch vorbei und setzt sich vor seinen zweiten Kaffee. «Ich selbst habe ja keine. Das war auch nie der

Das Fertighaus sieht aus wie frisch verpflanzt: Einfahrt und Umschwung sind eine Brache, an einer Mauer parkt eine Schubkarre, daneben lagern Rohre und Schaufeln. Der untere Teil des Hauses ist verputzt und dunkel gestrichen, der obere mit leuchtend hellem Lärchenholz verkleidet: «Das Holz wird mit den Jahren nachdunkeln», sagt Schriftsteller Rolf Lappert. Irgendwann wird es so dunkel sein wie der Verputz. In den Wüsten Nevadas und Arizonas, an den Stränden Thailands, in den Urwäldern der Philippinen, in Lettland, Amerika, Ungarn, Argentinien, Deutschland, Frankreich oder Irland – Rolf Lapperts Bücher sind über die ganze Welt verstreut entstanden. «Im Ausland kann man sich abschotten, sich Wochen und Monate auf eine Insel zurückziehen, in Ruhe schreiben. Hier in der Schweiz geht das nicht. Irgendwann meldet sich immer jemand», sagt der 55-Jährige, während er in seiner auffallend sauberen Küche Kaffee macht. Die Zeiger der grossen Wanduhr über dem Kühlschrank stehen still, im Hintergrund läuft Radio Swiss Jazz. Mit 18 Jahren, gleich nach seiner Ausbildung zum Grafiker, ging es los mit dem Reisen: «Es war mein erklärtes Ziel, die Welt zu sehen.» Die Sommer verbrachte der junge Lappert in der Schweiz mit Jobben. Dann, spätestens im «Megan ist mir von all meinen Romanfiguren die nächste: Weil sie eine November, brach er auf. Irgendwohin, wo es Getriebene ist, die nach dem Sinn des Lebens sucht.» warm war und er von seinem Geld leben konnte. Mit den Jahren wurden die Reisen immer ausgedehnter. Irgendwann Plan, mein Bruder scheint alle Vater-Gene abbekommen zu haben», sagt liess sich Lappert in Frankreich nieder, dann in Deutschland. Zuletzt er und lacht. Es tut gut, ihn lachen zu hören. «Mein Bruder und ich sind lebte er elf Jahre in Irland: «Grüne Hügel, Schafe, ein traumhaft schöner in Olten aufgewachsen, in einem 14-stöckigen Hochhaus, wir wohnten Sommer. Ich war bei einem Freund zu Besuch, habe ein Auto gemietet im neunten. Hätten wir ein Loch in den Boden gebohrt, wären wir bei und bin auf der Insel herumgefahren. Als ich auf die Ortschaft Kenmare Capus’ in der Stube rausgekommen. Alex Capus ist ein paar Jahre jünim County Kerry zufuhr, wusste ich: Hier will ich leben.» Also hat ger als ich, deshalb hatten wir nicht viel miteinander zu tun. Aber wir Lappert ein Grundstück gekauft und ein Haus darauf gebaut. «Eines der haben beide bei der gleichen Primarlehrerin Schreiben gelernt, bei der ersten Ökohäuser Irlands», erklärt er stolz. Als es endlich fertig war, Frau Brotschi.» Wieder muss er schmunzeln. «Wenn ich an meine Kindwollte er es am liebsten gleich wieder loswerden. «Es war zu gross für heit denke, ist meine Mutter sehr präsent. Der Vater war oft auf Reisen. mich alleine, und irgendwie hatte ich mit diesem Haus bereits wieder Aber wenn er da war, zum Beispiel in den Ferien, war er da. Richtig.» abgeschlossen.» Also hat er es verkauft. Und sich gleich daran gemacht, Die Ferien verbrachten Lapperts damals meist im fix installierten Wohnein altes Cottage wieder aufzubauen. Dann, irgendwann, hatte er genug wagen am Thunersee. Dort lag auch ein kleines Boot, in dem die Mänvon Irland. «Das Wetter wurde immer schlechter», erklärt er. «Jeden Tag ner der Familie auf dem See herumgeschippert sind und geangelt haben. Regen drückt aufs Gemüt.» «Damals hat es mir nichts ausgemacht, den Wurm auf den Haken zu Lappert legt sandfarbene Sets auf den Holztisch, an dem gut und gern spiessen und den Fisch zu töten», sagt Lappert. Heute steht auf der Küein Dutzend Freunde dinieren können. Erst dann serviert er den Kaffee. chenkommode eine ganze Zeile vegetarischer Kochbücher. «Alle aus Wenn er erzählt, wie es ihn nach Irland verschlagen hat, wird klar: Rolf dem Brocki. Rezepte ausprobiert habe ich bisher noch keine, aber sie seLappert macht nicht viel Aufhebens um Ortswechsel. Und er scheint gut hen schön aus, oder?» darin zu sein, neu anzufangen. Das zeigt sich auch in seinen Büchern, So wie Lappert in die Welt hinausgegangen ist, so kommt er heim. seine Anfänge ziehen einen ohne Umschweife in eine Welt, die man Als wäre es das Natürlichste auf der Welt. «Es war immer klar, dass ich auch nach 500 Seiten nur ungern wieder verlässt. Nicht, weil sie so fröhirgendwann in die Schweiz zurückkehre. Meine Eltern sind um die 80. lich wäre oder unkompliziert. Eher, weil man an der Seite seiner oft etIch wollte nicht mehr jedes Mal in einen Flieger steigen müssen, um sie was einsamen Figuren eine ungeheure Freiheit spürt. Sie scheinen sich zu besuchen.» Sein deutsches Fertighaus auf dem Zofinger Grundstück nicht allzu sehr an Orten oder anderen Menschen zu orientieren, songefällt ihm gut. Es ist das allerletzte Haus, dahinter beginnt der Wald. dern unabhängige Systeme zu sein. «Meine Hauptfiguren sind oft wie Ruhig ist es hier. «Das ist jetzt mein Daheim. Weil ich weiss, dass ich eine Kamera, die alles wahrnehmen, aber nicht gross reflektieren. Sie hier bleiben werde.» Rolf Lapperts Augen ruhen auf dem sandfarbenen reden nicht viel darüber, wie sie sich fühlen. Dafür machen sie einen Tischset – dann hebt er den Blick: «Zumindest eine Zeit lang.» ■

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Baby Jail «Scheisse, bin ich eine Berufsjugendliche?» 20 Jahre nach der Auflösung veröffentlicht die Zürcher Kultband Baby Jail mit «Grüsse aus dem Grab» ein neues Album. Ein Gespräch mit den beiden Frontfiguren Bice Aeberli und Boni Koller über die Legitimation von Comebacks, Vandalismus und das Älterwerden als Alt-Achtziger.

VON RETO ASCHWANDEN (INTERVIEW) UND ANDREA GANZ (BILDER)

Die fiese Frage vorneweg: Wie viele Bands kennt ihr, die nach langer Trennung ein Album rausgebracht haben, das so gut ist wie die alten Sachen? Bice Aeberli: Die Beatles hätten das wahrscheinlich hinbekommen. Boni Koller: Ist das neue Black-Sabbath-Album so gut wie die alten Sachen? Geschafft haben das vielleicht Die Ärzte, aber die haben bloss fünf Jahre Pause gemacht und nicht 19 wie wir. Bice: Der Beweggrund, ein neues Album aufzunehmen, ist ja nicht zwingend, dass es besser wird als alles, was man früher gemacht hat. Sondern? Boni: Wir haben 2012 angefangen, wieder Konzerte gegeben und fanden schnell: Das ist zu lässig, um gleich wieder aufzuhören. Also sagten wir uns: Wenn es Baby Jail nun wieder gibt, dann wollen wir schauen, ob es für ein neues Album reicht.

«Tubel Trophy» war 1992 euer grösster Hit. Bald darauf habt ihr die Band aufgelöst. Boni: Das hatte aber nichts miteinander zu tun. Und wir waren schon vor diesem Hit eine erfolgreiche Band. Wir konnten so viele Konzerte spielen, wie wir wollten. Der Grund für den Band-Split war, dass ihr euch als Paar getrennt habt. Bice: Das und die Belastung mit zwei kleinen Kindern, es wurde einfach alles zu viel. Auf dem neuen Album singt ihr im Stück «Albisgüetli-Marsch», dass Uniformen unsympathisch machen, und im «Ländlerworkshop» wird über Toni Brunner gewitzelt. Die alten Feindbilder scheinen intakt. Boni: Die haben sich schliesslich in der Zwischenzeit nicht zivilisiert. Im Gegenteil: Sie sind noch erfolgreicher als vor 20 Jahren, und der

Neues Material als Legitimation, weiterhin Konzerte zu geben? «Unsere alten Feindbilder sind heute noch erBice: Ja, denn ich finde, es gibt keine Legitifolgreicher und salonfähiger als damals. Damation, zehn Jahre lang die alten Hits zu spierum darf man sie benennen und ihnen ans len. Das tut man nicht. Schienbein treten.» Boni Koller Boni: Doch doch, es gibt solche Bands. Bice: Aber das möchte ich nicht hören. Bei den Konzerten in den letzten zwei Jahren konnten uns alle sehen, die unsere alten Stücke noch einmal live erleben wollQuatsch, den sie vertreten, ist noch salonfähiger als damals. Darum darf ten, und auch jene, die uns damals verpasst haben, weil sie noch zu man diese Feindbilder ruhig benennen und ihnen ans Schienbein treten. klein waren. Das wäre damit eigentlich erledigt. Boni: Wir werden weiterhin auch alte Lieder spielen. Manche ein bissBoni, mit der Satire «Muss bezahlen» nimmst du Leute aufs Korn, chen umarrangiert, das haben wir schon bei den Auftritten im letzten die das Zerstören von Telefonzellen als politische Aktionen rechtJahr so gemacht. fertigen. Die Achtziger-Bewegung, aus der du kommst, setzte auch nicht nur auf die Kraft des überlegenen Argumentes. Ist es Habt ihr Schiss davor, dass das Publikum bei den anstehenden nicht seltsam, wenn du den heutigen Strassenkämpfern vorwirfst, Auftritten die neuen Sachen über sich ergehen lässt, bis endlich es gehe ihnen nur um die Lust an der Zerstörung? «Tubel Trophy» kommt? Bice: Ich verstehe dieses Lied anders. Für mich geht es um Leute, die an Boni: Nein, und wenn es so sein sollte, können wir dieses Experiment der Hardbrücke aus dem Zug steigen und dann einfach so die Bierflavon mir aus beenden. Ich könnte mir aber vorstellen, dass die Leute finsche an die Wand schmeissen oder in ein parkiertes Velo treten. den werden, das sei nicht bloss Nostalgiequatsch. Das Album ist so geBoni: In den ersten zwei Strophen geht es tatsächlich um jene, die so worden, wie es sein soll. Wir bieten den Leuten etwas, das ähnlich ist tun, als würden sie ein Zeichen gegen die Globalisierung setzen, wenn wie unsere alten Sachen, aber nicht völlig das Gleiche. Mir reicht das als sie eine Telefonzelle abfackeln. Aber das gab es bereits, als ich 19 war. Legitimation. Die besonders Mutigen haben in der Roten Fabrik die Klos zertrümmert, Bice: Der «Tubel» ist in unserem Programm ein Aussenseiter. Dieses Lied weil sie sich das sonst nirgends getrauten. Ich fand das damals schon kennen alle, auch Leute, die sich nie für Baby Jail interessiert haben. blöd. Klar war ich Teil dieser Bewegung und habe auch Aktionen unterBoni: Aber ich glaube, wir werden ihn im Programm behalten. So aus stützt, die nicht legal waren. Aber einfach irgendwas kaputt machen … Freundlichkeit. Wobei ich schon auch Verständnis habe für Jugendliche, die ein biss-

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Als Paar getrennt, als Baby Jail wieder zusammen: Boni Koller und Bice Aeberli am oberen Letten in Zürich.

chen Dampf ablassen müssen – solange sie ihre Wut gegen Sachen richten und nicht gegen Menschen. Wenn man die Humorbegabung vieler Linker kennt, dann ist nicht davon auszugehen, dass ihr euch dort mit diesem Lied neue Freunde macht. Bice: Ich könnte mir vorstellen, dass humorlose Menschen dieses Lied gar nicht richtig kapieren. Das Stück war bereits auf der Single, die wir letztes Jahr rausgebracht haben. Bei unseren Konzerten habe ich Leute gesehen, die es begeistert mitsangen. Boni: Wir haben oft an linken Veranstaltungen gespielt, und da gab es immer mal wieder Leute, die uns Scheisse fanden, weil wir nicht in jedem Lied den Kapitalismus anprangern. Damit hatte ich nie ein Problem. Abgesehen davon bleiben viele aus der harten Polit-Fraktion ihrer Linie nicht das Leben lang treu. Ein paar Jahre sind sie ganz krass drauf und dann übernehmen sie doch die Firma des Vaters oder kaufen sich eine dicke Karre. Wie ist das Älterwerden als Alt-Achtziger für euch: Wie bringt ihr die alten Ideale und die neuen ökonomischen Zwänge unter einen Hut? Bice: Ich habe nie von der Musik gelebt, sondern immer nebenbei gejobbt. Klar mache ich mir meine Gedanken: Ist es mit 50 noch legitim, zwischen Jöbli und Musik zu leben wie eine 20-Jährige? Oder sollte ich mir überlegen, doch noch eine Karriere zu starten? An sich lebe ich gut damit, wie es ist. Aber ich habe mich auch schon gefragt: Scheisse, bin ich eine Berufsjugendliche?

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Kennt ihr Existenzängste im Sinn von: Hätte ich mir damals gescheiter einen anständigen Job gesucht? Bice: Es geht nicht um Existenzangst. Bei mir ist es einfach so, dass ich nicht weiss, ob ich noch mal einen Job finden würde. Erstens weiss ich nicht, was ich will und zweitens bin ich zu alt für den Arbeitsmarkt. Existenzangst spürte ich wenn schon früher, als die Kinder noch kleiner waren. Aber in einem Jahr ist auch der Jüngere draussen und dann sieht das Leben wieder anders aus. Dann muss ich finanziell nur noch für mich schauen und das schaffe ich irgendwie. Die 68er sind durch die Institutionen marschiert und prägten viele Bereiche der Gesellschaft, wie erlebt ihr das in eurer Generation? Boni: Auch da gibt es ein paar, die angekommen sind. Und vor allem gibt es ganz viele, die sich damals nicht an den politischen Auseinandersetzungen beteiligten, aber von diesem neuen Geist profitiert haben. Ich bin mir bewusst, dass andere in unserem Alter dreimal mehr verdienen und ganz anders leben. Aber ich bereue nicht, meinen Weg gewählt zu haben. Zumindest konnte ich immer machen, was ich wollte. Ab 30 musste ich nicht mehr auf den Bau oder ins Magazin arbeiten gehen, sondern konnte von der Musik oder anderen Showbusiness-Sachen im weiteren Sinn leben. Ihr wart Teil einer Szene, die Zürich vom Zwingligeist befreit hat. Damals gab es noch kaum ein Nachtleben, heute ist die Stadt eine Party-Metropole. Spürt ihr noch etwas vom damaligen Geist oder findet ihr, dass sich auf dem Boden, den ihr bereitet habt, immer mehr Geschäftemacher ausbreiten? SURPRISE 318/14


Boni: Wenn wir die Öffnungszeiten von Beizen und Bars anschauen, dann hat das sicher auch mit der Achtziger-Bewegung zu tun. Allerdings war die Fussball-WM 1994 in den USA fast genauso wichtig: Die Spiele fanden wegen der Zeitverschiebung spät nachts statt und darum hatten auch Wirte länger geöffnet, die sich das sonst nicht getraut hätten. Das gab dem ganzen Gastgewerbe noch mal einen Schub.

«Viele Jugendliche wollen heute eine Karriere im konventionellen Sinn machen. Unsere Söhne nicht, das haben sie womöglich von uns abgeschaut.» Bice Aeberli

Aber für Bands wie euch gab es damals eine Notwendigkeit, in besetzten Häusern aufzutreten, weil es kaum Klubs gab. Heute kann ich jeden Abend zwischen mehreren Konzerten aussuchen. Boni: Ja, aber was sich nicht verändert hat: Man braucht Geld. Wenn ich 1980 nach Mitternacht noch was trinken gehen wollte, hätte ich mit ein paar hundert Stutz im Sack sicher irgendeinen blöden Strip-Schuppen gefunden. Ohne Geld bleibst du auch heute von vielen Sachen aus diesem Riesenangebot ausgeschlossen. Darum sind die Jugendlichen auch mit der Flasche vom Kiosk unterwegs und bunkern die vor dem Klub im Gebüsch. Und jetzt solls ab zehn Uhr abends keinen Alkohol über die Gasse mehr geben. Einerseits ist alles liberalisiert, andererseits wird immer mehr reglementiert und kontrolliert. Bice: Es geht nur um Konsum, und ohne Kohle kannst du es extrem vergessen. Das merke ich auch bei unseren Kindern. Es gibt unzählige Angebote, aber als Schüler oder als Stift kannst du dir das gar nicht leisten. Auf der anderen Seite glaube ich trotzdem, dass ein Teil der Bewegung und dieser Aufbruchstimmung in unsere Tage gerettet werden konnte. Die Besetzerszene zum Beispiel scheint mir seit einiger Zeit wieder recht stark und präsent. Boni: Die haben aus den Fehlern der Achtziger gelernt. Nicht, dass ich dauernd in solchen Häusern herumhängen würde, aber was ich so höre, machen die es besser als früher.

Biografie: Von der Tubel Trophy zur Odyssee Boni Koller (*1961) und Bice Aeberli (*1963) bilden den harten Kern von Baby Jail. Er schreibt die Texte, spielt Gitarre und singt, sie spielt Bass, früher öfter auch Handorgel und singt die zweite Leadstimme. 1985 in Zürich gegründet, erlangten Baby Jail schnell Kultstatus. Ihre Musik wurzelte im Punk, was aber eher mit den Fähigkeiten der Bandmitglieder zu tun hatte als mit einem bestimmten Stil. Gleich eines der ersten Stücke, «Sad Movies», wurde dank DRS 3 zu einem ersten kleinen Hit und begründete eine Bandtradition: Eingeschweizerte Covers von alten Hits gehörten ebenso zum Repertoire wie deutsche Gassenhauer, die Baby Jail lange vor dem Schlager-Revival im Programm hatten. Der grösste Hit war allerdings eine Eigenkomposition: «Tubel Trophy» nahm 1992 Stammtischproleten aufs Korn und landete in den Top Ten. Nachdem die Beziehung zwischen Boni Koller und Bice Aeberli in die Brüche gegangen war, löste sich 1994 auch die Band auf. Boni Koller gründete nach dem zwischenzeitlichen Ende von Baby Jail die satirische Rap-Gruppe Allschwil Posse sowie (mit Bices Schwester Sybille Aeberli) die Kinderband Schtärneföifi, die eine neue Form von Musik für Kinder begründeten und bis heute erfolgreich durch die Schweiz touren. Derzeit sind sie im Schauspielhaus Zürich in der «Odyssee für Kinder» zu erleben. Bice Aeberli spielte unter anderem mit Admiral James T. und Guz (der auch das neue Baby-Jail-Album produzierte) und seit einiger Zeit mit dem Trio from Hell jeden Sonntag im Zürcher Klub Helsinki. (ash) SURPRISE 318/14

Was machen sie denn besser? Bice: Es ist viel durchmischter. Sie sind toleranter untereinander. Es gibt einen Ehrgeiz, etwas auf die Beine zu stellen. Innerfamiliär konntet ihr das Achtziger-Erbe offenbar weitergeben: Euer Sohn Fidel spielt in einer Punkband … Bice: … und sie haben eine Bassistin und die ist seine Freundin. Die Geschichte wiederholt sich. Bice: Das sehen wir dann. Boni: Max, der Jüngere, ist ein guter Beatboxer. Das Beatboxing bei der neuen Version von «Jede Tag» tönt wie meine Stimme, aber das ist Max. Er klingt fast gleich, weil wir halt eng verwandt sind. Man meint ja immer, die Kinder müssten sich von den Eltern abgrenzen. So gesehen hätten eure Söhne eine Bankkarriere anstreben müssen. Bice: Vielleicht haben wir es einfach besonders gut gemacht. Mir fällt auf, dass es in der Generation unserer Söhne extrem viele ehrgeizige junge Menschen gibt, die im konventionellen Sinn Karriere machen wollen. Fidel und Max gehören nicht dazu, das haben sie womöglich von uns abgeschaut. Boni: Schön blöd. Bice: Übrigens können sie sich sehr wohl abgrenzen: Fidel hat ein, zwei Mal mit seiner Band im Vorprogramm von Baby Jail gespielt. Danach fand er, das wolle er nicht mehr machen, weil es nicht sein Publikum sei. Ich fand es grossartig, dass er nicht einfach im Fahrwasser seiner Eltern auftreten will. Da war ich richtig stolz. ■ Das Album: Schöne Grüsse Man erkennt sie sofort und zwar nicht nur, weil der Band-Oldie «Jede Tag» in gleich zwei Neufassungen, davon eine in Chinesisch, auftaucht. «Grüsse aus dem Grab» klingt wie Baby Jail, auch wenn die aktuelle Besetzung mit Nico Feer und Aad Hollander ihre Instrumente beherrscht. Einen derart unterhaltsamen und schlauen Mix aus Lumpeliedli-Punk, Stil-Persiflagen und PopSatiren gabs während der Baby-Jail-Pause nur jenseits der Grenze (und zwar bei den Ärzten). Hierzulande kriegt niemand sonst so hinterfotzige Hymnen wie jene auf «Schwamedinge» hin. Beim «Ländlerworkshop» holt Bice die Handorgel raus für ein doppelbödiges Spottlied in bester Baby-Jail-Tradition, das live auch gegen Bandklassiker bestehen dürfte. Ähnliches Potential hat das krachende «Muss bezahlen» mit Boni in der Rolle des Vandalen. Und am Schluss kredenzt der begnadete Texter als versteckten Rausschmeisser eine dieser unschlagbar eingeschweizerten Coverversionen aus der Klassikerkiste. Fazit: Das sind schöne «Grüsse aus dem Grab». (ash) Baby Jail: «Grüsse aus dem Grab», Lux Noise / Non Stop Music.

Konzerte: Fr, 1. Februar, 21.30 Uhr, Kaserne Basel; Do, 7. Februar, 20 Uhr, Schüür, Luzern; Fr, 8. Februar, 21 Uhr, Bogen F, Zürich; Do, 14. Februar, 21 Uhr, Grabenhalle, St. Gallen. Weitere Daten: www.babyjail.com

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ILLUSTRATION: PATRIC SANDRI

Medizin Dr. Google und das Blutdruck-Handy Internet und Smartphones holen auf: Vieles, was der Arzt und die Klinik kรถnnen, bieten sie ebenfalls an, von der Diagnose bis zur Analyse einer Urinprobe. Noch aber sind die ร rzte unverzichtbar, und die digitalen Mรถglichkeiten schaffen neue Probleme.

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ILLUSTRATIONEN: WOMM

VON STEFAN MICHEL

Was tut der der moderne Mensch bei Bauchschmerzen? Er geht zu Dr. Google. 1020 000 Ergebnisse hält der Datengott in Weiss bereit. Auch auf «chronische Bauchschmerzen» hat er noch fast eine halbe Million Antworten. Und so liest man sich dann ein, auf Wikipedia, symptome.ch, internisten-im-netz.de. Es gibt viel zu erfahren über entzündete Darmausstülpungen, Magengeschwüre, Gallensteine und Krebs im Verdauungstrakt. Was-fehlt-mir.net bietet Symptome zum Anklicken. «Bauchschmerzen» sind laut Online-Diagnose mit einer Wahrscheinlichkeit von 23 Prozent auf die Sichelzellenkrankheit zurückzuführen – sofern auch noch Schmerzen in Knochen, Gelenken und Füssen vorliegen. Nicht? Wie wärs mit Gluten- oder Laktose-Unverträglichkeit? Tiefer und tiefer arbeitet sich der Geplagte in den Dschungel der Fach- und Populärliteratur. «Dr. Google hat eine wichtige Rolle erhalten», bestätigt Dr. Urs Stoffel, Chirurg, Präsident der Zürcher Ärztegesellschaft. Immer mehr Kranke kommen munitioniert mit Internet-Wissen in die Sprechstunde und glauben nicht nur zu wissen, was ihnen fehlt, sondern auch, welche Behandlung sie brauchen. Einen Teil der Konsultation wendet der Arzt dafür auf, dem Patienten zu erklären, wie viel die Information, die er gefunden hat, mit seinem Befinden zu tun hat. «Klar, oft muss man erstmal zerstören, was der Patient glaubt», beschreibt Stoffel, fährt dann aber fort: «Grundsätzlich ist es gut, wenn sich Patienten selber informieren.» Ein informierter Patient übernehme Verantwortung und halte sich besser an die Regeln der Behandlung, erklärt der Chirurg.

raten ob der für sie negativen Informationen in Panik oder glauben an etwas zu leiden, was sie gar nicht haben. Hypochondrie ist ein altes Phänomen. Auch die auf Beipackzetteln aufgeführten Nebenwirkungen können Verunsicherung bis zur Panik auslösen. Hier ist das Internet nur ein anderes Medium mit der gleichen Wirkung. «Cyberchonder» wird die neue Generation der eingebildeten Kranken bereits genannt. Die schlechteste Information, so Guggenbühl, finde sich in Web-Foren, die nicht von einem Arzt betreut werden: «Da wird teilweise schlimmer Unsinn verbreitet.» Ultraschalluntersuchung mit dem Smartphone Vieles hängt von der Qualität der Information ab, und die ist für Laien schwer zu beurteilen. Dafür gibt es Institutionen wie «Health on the Net» (HON), die Gesundheitsinformationen auf dem Internet beurteilen, für Patienten wie für Fachpersonen. «Was das HON-Label trägt, ist gut, daran orientieren sich auch Ärzte», hält Stoffel fest. Interessierte können auch direkt auf der HON-Website nach Informationen suchen und erhalten dann nur jene, die von der 1996 gegründeten Stiftung für gut befunden werden. Die Diskussionen im Sprechzimmer sind nicht nur eine Folge der digitalen Informationsfülle. «Das Arzt-Patienten-Verhältnis hat sich verändert. Den Halbgott in Weiss gibt es nicht mehr, und das ist gut so», betont Stoffel. Er lässt durchschimmern, dass nicht alle seine Kollegen erfreut sind über kritische Kranke, die mit eigenem Wissen dem Doktor Paroli bieten. «Diese Herausforderung müssen wir annehmen», steht für ihn fest. Er fügt an: «Es gibt auch Therapien, die dank der neuen Medien besser und schneller erklärt werden können.» Ein neueres Phänomen sind Apps, Programme, die das Smartphone zum medizinischen Hilfsmittel machen. Erstaunlich, was das Kommunikationsgerät alles kann: Es misst Puls, Hör- und Sehvermögen, Atemfrequenz, oder es kann Schlafphasen aufzeichnen (aufgrund der Bewegungen der schlafenden Person). Hautprobleme werden aufgrund eines

Emanzipierte Patienten und Cyberchonder «Gesundheit im Social-Media-Zeitalter» heisst eine repräsentative Befragung, welche die Swisscom in Auftrag gegeben hat und deren Resultate 2011 präsentiert wurden. 84 Prozent geben an, vor oder nach einem Arztbesuch im Internet nach entsprechenden Informationen gesucht zu haben. Die jüngeren Befragten taten dies schon vor der Konsultation, die älteren eher «Laien können die Informationen aus dem Internet nicht gewichdanach. «Das Problem ist die Flut der Informaten und erkennen nicht, wie gross die Chance ist, dass das, was tion. Laien können die Informationen nicht gesie da lesen, auf sie zutrifft.» wichten und erkennen nicht, wie gross die Chance ist, dass das, was sie da lesen, auf sie Handy-Fotos beurteilt. Noch vielseitiger wird das Telefon mit kleinen Erzutrifft. Und sie stossen vor allem auf Berichte über Komplikationen.» weiterungen, sogenannten Kits. Dann ermittelt das Gerät den Blutdruck, Stoffel erzählt vom Fall eines Leistenbruchpatienten, der nächtelang im den Blutzuckergehalt, die Sauerstoffsättigung oder den Alkoholgehalt Internet nach Informationen suchte und schliesslich so verunsichert des Bluts. Es überprüft Urin auf Anzeichen eines Nierenschadens, hilft war, dass er den vereinbarten Operationstermin absagte. (Und sich ein Diabetikern, die richtige Menge Insulin zu bestimmen und erstellt Statispaar Tage später dann doch operieren liess.) tiken, die automatisch dem Arzt übermittelt werden können. Ja sogar Auch Ragnar Guggenbühl, Hausarzt in einer Praxisgemeinschaft, als Ultraschall-Monitor taugt das Smartphone, der mobile Ultraschallschätzt es, mit Patienten zu arbeiten, die sich selber informiert haben. Scanner kostet aber einige Tausend Dollar. (Das Handy steuert lediglich «Problematisch wird es bei Angstpatienten», schränkt er ein. Diese geSURPRISE 318/14

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werden auch bei uns immer mehr zum Thema und Erfahrungen von euden Bildschirm bei.) Ein kleiner Smartphone-kompatibler MRI-Scanner ropäischen Partnerbehörden bestätigen dieses Bild.», schliesst Jaggi. (also zur Magnetresonanzinspektion) ist in Entwicklung. Die Bilder und Urs Stoffel hofft, dass es bald ein Qualitätslabel gibt, ähnlich dem erMesswerte richtig zu interpretieren, ist dann wieder eine andere Sache. wähnten HON-Label. Die deutsche «Initiative Präventionspartner» tut Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde Food and Drug Adminidies auf der Website www.healthon.de. Zu mehr als 200 Apps finden stration (FDA) hat vor wenigen Monaten bekannt gegeben, medizinisich dort Testberichte. Zum Vergleich: Das ebenfalls deutsche «aktionssche Apps zu überprüfen, welche das Smartphone zu einem medizinischen Gerät machen. Im Fokus stehen jene, welche einen Menschen in Gefahr bringen Dem Gesetz nach muss eine Medizin-App entweder gesundheitkönnen, sollte das Programm oder das Gerät lich völlig unbedenklich sein oder ein Prüfverfahren durchlaufen. einmal nicht richtig funktionieren. Anders geEine Garantie, dass das auf alle Apps zutrifft, gibt es nicht. sagt: So hilfreich, ja lebensrettend medizinische Apps sein können, so gefährlich sind sie, forum gesundheitsinformationssystem» schätzt, dass 200 000 Gesundwenn man sich auf sie verlässt, sie aber ausfallen – was bei elektroniheits-Apps im Umlauf sind. Dennoch finden sich keine Berichte gravieschen Geräten und Computerprogrammen ja hin und wieder vorkommt. render Zwischenfälle, die auf fehlerhafte Apps oder schlechte OnlineDie FDA erklärt, dass solche Anwendungen den gleichen SicherheitsRatgeber zurückzuführen sind. standards genügen müssen wie herkömmliche Apparate. Eine andere Frage drängt sich auf: Müsste es nicht im Interesse der Auf bloomberg.com wird von einem Herzspezialisten berichtet, der, Krankenkassen und der Leistungserbringer liegen, dass sich die Versiwährend er im Flugzeug auf dem Internet surfte, die Herzrhythmusstöcherten mit Internet und Smartphone selber helfen? Die Helsana meldet: rungen eines seiner Patienten übermittelt erhielt. Umgehend schickte er «Wir stehen solchen Selbstdiagnosen tendenziell skeptisch gegenüber. diesem eine Nachricht, er solle seine Medikamentendosis erhöhen, um Ohne entsprechende medizinische Ausbildung medizinische Daten zu seine Herzfrequenz zu normalisieren. «Hätte ich im Flugzeug keinen Zuinterpretieren, halten wir für ein Risiko.» Ute Dehn Christen von der CSS gang zum Internet gehabt, hätte mein Patient lange keine Antwort von erklärt: «Die Qualitätskontrolle von Apps ist entscheidend. Besonders mir erhalten», wird der Kardiologe zitiert. Das Gleiche gilt für den Fall, wichtig ist, dass Messgeräte, die von Ärzten an Patienten abgegeben dass die Herzrhythmus-App nicht richtig funktioniert, der Patient keiwerden, vorgängig geprüft werden.» Die CSS bietet selber eine App an, nen Netzempfang oder einen leeren Akku hat. die von Fachpersonen verfasste Gesundheits- und Medikamenteninformationen sowie Präventions- und Hausmitteltipps enthält. Qualitätssicherung in der Hand der Hersteller Die Schweiz ist in der Qualitätssicherung von Medizinprodukten in Billige Online-Gesundheitsversorgung? das EU-System eingebunden. Für Apps heisst das: Der Hersteller selber Zum Thema Kosteneinsparung hat Urs Stoffel eine dezidierte Meiteilt sein Produkt in eine von vier Gefährdungsklassen ein. Sieht er es nung: Internet- und Smartphone-Angebote gehören für ihn in die gleiauf der niedrigsten Stufe, dann macht er eine Meldung an die zuständiche Kategorie wie die Tele-Medizin (medizinische Auskunft im Callge Behörde und bringt das Produkt «eigenverantwortlich in Verkehr», Center) oder die Diagnose in der Apotheke durch einen online zugewie Lukas Jaggi von Swissmedic erklärt. schalteten Arzt: «Dies sind alles ‹Sowohl als auch›-Angebote und nicht In die verschiedenen Gefährdungsklassen eingestuft werden in erster ‹Anstatt›-Optionen. Tatsächlich gehen die Leute nämlich zuerst in die Linie Gegenstände oder Geräte, die mit dem Körper in Berührung komApotheke, rufen dann ein medizinisches Call Center an und wenig spämen oder sogar in ihn eindringen (zum Beispiel Spritzen). Der Grad der ter gehen sie schliesslich doch zum Arzt. Das macht die Medizin sicher Gefährdung richtet sich nach den möglichen Risiken für den Menschen. nicht günstiger – im Gegenteil.» Im Vergleich zu Operationswerkzeugen oder einem Röntgenapparat erEines ist klar, und das zeigt auch die Zurückhaltung der Krankenscheint eine Smartphone-App als ungefährlich, was sie aber nicht in jekassen: Fehldiagnosen sind teuer, etwa wenn ein Blinddarm platzt, weil dem Fall ist. eine Blinddarmentzündung nicht rechtzeitig erkannt wurde, oder sich Dem Gesetz nach muss eine Medizin-App entweder gesundheitlich eine Erkältung zur Lungenentzündung auswächst. Bezeichnend ist, was völlig unbedenklich sein oder ein Prüfverfahren durchlaufen. Eine Gaalle seriösen Online- und Smartphone-Angebote verbindet: Es ist der rantie, dass das auf alle angebotenen Apps zutrifft, gibt es nicht. InterHinweis, dass sie den Arztbesuch nicht ersetzen können. essant ist, dass keine der für diesen Artikel betrachteten Apps das CE■ Zeichen trägt. Dieses Gütesiegel kennzeichnet jene Produkte (nicht nur medizinische), die ein «Konformitätsbewertungsverfahren» nach EUNormen erfolgreich durchlaufen haben – bei Smartphone-Programmen ein seltener Fall. Tauchen Probleme mit einer App auf, dann wird Swissmedic aktiv: «Wir prüfen Hinweise von Ärzten oder Patienten, dass ein Produkt nicht konform ist oder sein könnte, und leiten entsprechende Massnahmen in die Wege», erklärt Jaggi. Dies kann bis zu einem Vertriebsverbot oder Rückzug eines Produktes in der Schweiz führen, was allerdings noch nie der Fall war. 2012 gab es noch keine Meldungen, 2013 lagen sie laut Jaggi bereits im tiefen zweistelligen Bereich. «Apps

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Integration Bewegte Väter Osman Abdulkadir und Sabri Aliu diskutieren mit anderen Vätern aus Somalia und dem Kosovo, was zu tun ist, wenn der Sohn nicht von Spielkonsole wegzukriegen ist oder die Tochter betrunken nach Hause kommt. Das Angebot der Stadt Zürich, in dem Migrantenväter ihre Rolle reflektieren, ist ein grosser Erfolg. VON YVONNE KUNZ

In der Schweiz soll nur bleiben dürfen, «wer sich wirklich integrieren kann und will», heisst es kurz und bündig in der Masseneinwanderungsinitiative. Die Forderung nach Integration ist schnell erhoben, doch der Weg eines Migranten in die Mitte der neuen Gesellschaft ist keine Einbahnstrasse und bedeutet meist viele kleine Schritte der Annäherung. Mangelnden Willen, die Kluft zwischen alter und neuer Heimat zuzuschütten, kann man etwa dem Somalier Osman Abdulkadir nicht vorwerfen. Doch seine Schilderungen deuten auf eine lange mentale Reise hin. Er migrierte nicht einfach von einem Land ins andere, sondern aus einer einflussreichen Grossfamilie in Mogadischu in ein Dasein als bedeutungslose Einzelmaske mit Kleinfamilie in Zürich. Sein Universitätsabschluss in Wirtschaft ist hier wertlos, statt einer interessanten Position im internationalen Handel gabs Hilfsjobs in der Küche. Niemals würde er sich darüber beklagen. Im Gespräch lässt er höchstens anklingen, dass es schwierig war. «Ich musste einen Schnitt machen, begreifen, dass ich meine Heimat verloren hatte.» Die Ankunft in der Schweiz sieht er heute als Wiedergeburt. «Die Schweiz war sehr gut für mich. Die Leute sind ruhig, auch gegenüber Asylanten, sie akzeptieren und verstehen.» SURPRISE 318/14

Die eigene Migrationsgeschichte zu reflektieren ist Teil der Schulung, die die 14 Moderatoren des transkulturellen Präventionsangebots «Väter-Forum» der Stadt Zürich durchlaufen. Dabei werden Väter mit Migrationshintergrund von der Suchtpräventionsstelle zu Moderatoren in Gesundheitsförderung und Prävention aus- und weitergebildet. Diese wiederum gründen eigene Gruppen von vier bis zehn Vätern, in denen sie zu verschiedenen Themen – von Kiffen über Sackgeld bis zu Handyrechnungen – in der jeweiligen Muttersprache diskutieren. Nach einer erfolgreichen Pilotphase wurde das Angebot im letzten September in die laufende Arbeit integriert. Co-Projektleiter René Kostka war vom Zulauf überrascht: «Ich hätte niemals gedacht, dass wir in so kurzer Zeit über 400 Väter erreichen würden.» Das weitgehend positive Medienecho schreibt er vor allem den Moderatoren zu. «Die Suchtpräventionsstelle konzipiert zwar das Programm, sie vermittelt Know-how und leitet sie in Moderationsmethoden an – aber die Arbeit machen die Väter selbst.» (Siehe auch das Interview im Anschluss.) Sabri Aliu ist einer, der geradezu zur Integration anfeuert, immerfort, auf der Strasse, im Café, in seiner Wohnsiedlung in Schwamendingen: «Macht mit! Es tut gut! Wir können voneinander lernen!» Der Kosovare ist wohl das, was man eine Stütze der Gesellschaft nennt: Er ist im Sportverein aktiv, bei der Stiftung «Wohnungen für kinderreiche Fami-

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lien» engagiert und seit vielen Jahren im Organisationskomitee des Schwamendinger Kreisfestes. Und er ist einer der 14 Väter-Forum-Moderatoren. Sein Ziel ist, möglichst viele andere Väter zum Mitmachen zu motivieren. «Es ist interessant, man lernt viel! Alleine ist man schwach, zusammen sind wir stark!» Es beschäftigt ihn, dass es allgemein an Kontakt zwischen den Menschen mangle, besonders in der Stadt. Er empfiehlt, in einem Verein mitzumachen. Denn vieles finde man besser über persönliche Kontakte, ob Job, Babysitter oder einfach auch einen Gesprächspartner – «Allein zu Hause vor dem Fernseher zu sitzen ist doch kein Leben, das macht den Menschen krank.»

schiede. «In Somalia kommandiert der Vater, hier kommandiert die Mutter», sagt Abdulkadir lachend. Dann ernsthaft: «Ich vermittle den Vätern, wie viele Vorteile es hat, wenn die Frauen Mitspracherecht haben, wenn sie arbeiten dürfen, Auto fahren können. Und bisher sind alle zum Schluss gekommen, dass die Schweizer Kultur hier besser ist.» Von den Gepflogenheiten in seiner Heimat grenzt er sich inzwischen kritisch ab: «Hier muss man an der Beziehung arbeiten, man kann nicht einfach eine andere Frau heiraten. Man muss also auch dankbar sein und der Frau mit den Kindern helfen.» Die Väter empfänden diese neue Rolle, das Vatersein in der Schweiz, durchaus positiv. Oft braucht es aber Zeit, sich in der neuen Rolle zurechtzufinden – und ein gutes Gefühl dafür, wie man diese Väter erreicht. Eines von Sabri Alius Rezepten ist seine entwaffnende Offenheit, etwa im Umgang mit dem eigenen Trauma. Er war schon 36, als er in die Schweiz kam, nie hatte er damit gerechnet, seine Heimat verlassen zu müssen, alles im Krieg zu verlieren. Er war Soldat und kam 1999 schwer verletzt in

Grenzen setzen In seinem Umfeld beobachte er oft eine grosse Unbedarftheit, sagt Aliu. «Die denken: Die Kinder sind in der Schule, also müssen wir nichts machen.» Oder dass gerade Väter den Tatsachen nicht in die Augen schauen wollen, glauben, dass ihre Kinder ganz sicher nicht rauchen oder trinken. «Ich bereite die Leute darauf vor, dass es anders kommen kann, dass vielleicht «Im Umgang mit meinen Kindern habe ich gemerkt, dass ich sogar die Tochter betrunken nach Hause sehr lange Respekt mit Angst verwechselt habe.» kommt.» Er bläut den Vätern ein: «Nicht erschrecken! Nicht mit Gewalt reagieren!» In der Gruppe werden dann konkrete Handlungsanleitungen besprochen: In eidie Schweiz, mit seiner Frau und den fünf Kindern. «Und mit meiner nem solchen Fall soll man das Kind aufs Zimmer schicken und die Sache traurigen Geschichte, die mich immer begleiten wird.» Die Bomben, die am nächsten Tag besprechen. Aliu empfiehlt: «Einfach locker bleiben.» Kollegen, die er verloren hat – und die Ankunft in einem fremden Land, Auch Osman Abdulkadir leitet eine Väter-Gruppe. Die letzte Übung ohne Sprachkenntnisse, ohne Beschäftigung. «Ohne Arbeit ist der betraf den Umgang mit digitalen Medien. Einer der inzwischen 40 Väter Mensch ohne Wert. Ich war am Boden.» Elf Jahre ging er an Stöcken. – er nennt sie respektvoll «Gäste» –, die der Somalier betreut, war nahe «Aber ich wollte nicht sitzen bleiben, ich habe gekämpft.» Die Lektion, der Verzweiflung, weil er seine Kinder, sieben und neun Jahre alt, nicht die er dabei gelernt hat, gibt er nun im Väter-Forum weiter: «Unter den von der Spielkonsole wegbekam. Anderen ging es genauso. «Wir erarMenschen zu sein, tut gut. Sich zu öffnen, hilft. Wenn sich in der Grupbeiteten praktische Ansätze, die die Väter ausprobieren konnten. Wir pe jeder Einzelne öffnet und nicht um jeden Preis stark sein will, schafft sagten: 30 Minuten gamen ist ok. Aber dann gibt es Essen und nachher das ein Wirgefühl, das beflügelt.» wird draussen gespielt.» Dabei werden am konkreten Fall grundsätzliche Erziehungsfragen erläutert: Grenzen setzen, Werte vermitteln, einNeue, alte Wurzeln schränken statt verbieten. All dies sind für die Migranten Schritte hin zu Der bärenstarke Sabri Aliu und der distinguierte Osman Abdulkadir einer viel aktiveren Vaterrolle. In vielen Herkunftsländern ist Haushalt sind gestandene Männer und Familienväter, beide sind noch immer mit und Kindererziehung reine Frauensache, wohl einer der grössten Unterderselben Frau verheiratet, mit der sie gekommen waren. Und all ihre Kinder machen ihren Weg: als Pflegeassistentinnen, Logistiker, Mechaniker, Verkäuferinnen, einer geht bald an die Universität. Beide haben aussergewöhnliche Integrationsleistungen vollbracht und sind dabei zu Respektspersonen geworden. Das war nicht immer so. «Im Umgang mit meinen Kindern habe ich gemerkt, dass ich sehr lange Respekt mit Angst verwechselt habe. Und Angst ist in gewissem Sinne das Gegenteil von Respekt,» sagt Abdulkadir. Vor Alius unbeugsamem Optimismus ist sowieso kein Problem sicher. «Was ich in meiner Arbeit als Moderator vor allem gelernt habe: Schlechte Menschen und schlechte Väter gibt es sehr, sehr selten. Wenn man miteinander kommuniziert und einander unterstützt, wird man stark.» Beide Männer sind inzwischen in der Schweiz stärker verwurzelt als in ihrem Geburtsland – und trotzdem leben sie auch danach, was ihnen ihre Vorväter mitgaben. «Meine drei Kinder erziehe ich so, wie es mein Vater bei mir tat: Er verlangte, dass wir einander helfen», sagt etwa Abdulkadir. Und Aliu erinnert sich oft an einen Rat seines Grossvaters: «Egal, wo du lebst: Versuche ein Haus zu bauen!» Er meinte damit nicht eines aus Holz oder Stein, sondern eines aus Gemeinschaft und Freundschaft. ■ Über 400 Teilnehmer aus vier Kontinenten Mutter der Idee des Väter-Forums sind die «Femmes-Tische», ein schweizweites Angebot von Gesprächsrunden für Frauen mit Migrationshintergrund zu Themen wie Erziehung und Lebensalltag. Das Väter-Forum ist das erste derartige Angebot in der Schweiz für Männer. Es wurde im Juli 2010 gestartet, bis heute nutzten es über 400 Männer. Aktuell gibt es Gruppen auf Albanisch, Bosnisch/Kroatisch/Serbisch, Spanisch, Somalisch und Tamilisch. (fer)

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Integration «Respekt war das brennendste Thema» René Kostka ist Psychologe und Projektleiter Familie & Freizeit bei der Suchtpräventionsstelle der Stadt Zürich. Angehenden Moderatoren bringt er erstmal bei: Auch Schweizer Väter sind nicht perfekt.

Die Gesprächsthemen des Väter-Forum sind zwar in die Suchtproblematik eingebettet, doch geht es auch um gesellschaftliche Anliegen im breiteren Sinne. Wie bestimmen Sie die Themen? René Kostka: Das Thema, mit dem wir beginnen ist: Vatersein in der Schweiz im Vergleich zum Vatersein in der Ursprungskultur. Viele Migranten haben überhöhte Vorstellungen davon, wie Schweizer Väter sind. Wir versuchen, diesen Druck wegzunehmen, indem wir sagen: Es gibt hier sicher viele gut informierte Väter. Aber man kann auch nicht pauschal sagen, dass alle Schweizer Väter total kompetent sind und ihre Vaterrolle nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen führen. Für die Migrantenväter geht es auch darum, sich zu besinnen, welche Ressourcen man aus der eigenen Kultur mitbringt. Mein Co-Leiter Martin Küng und ich bringen die «klassischen» Suchtpräventionsthemen wie den Umgang mit Alkohol, Tabak oder Cannabis ein, sonst erfolgt die Themenwahl aber partizipativ. Wir veranstalten jedes Jahr eine Runde, bei der wir und auch die Moderatoren selbst Vorschläge machen. In der allerersten Runde stellte sich heraus, dass aus Moderatorensicht Respekt das brennendste Thema war. Das geht schon relativ tief. Sie haben sicher viele Männer, die aus patriarchial geprägten Kulturen kommen … Richtig. Was sie als Kinder erlebt haben, ist, dass der Vater auf den Tisch klopft und sagt, wie es läuft. Und jetzt kommen sie in die Schweiz und sehen, hier läuft es partnerschaftlicher, hier wird diskutiert, die Dinge werden «ausgekäst». Was sind die grössten Unterschiede zwischen dem westlichen Vaterbild und demjenigen, das die Männer mitbringen? Insgesamt gibt es mehr Ähnlichkeiten als Unterschiede. Auf menschlicher Ebene haben SURPRISE 318/14

alle Väter Freude, wenn ein Kind da ist. Alle machen sich Sorgen, wollen das Kind ernähren und beschützen. Ein Unterschied ist, dass die Migranten sagen: Ich will, dass meine Kinder es besser haben werden als ich. Ich vermute, dass viele Schweizer Väter sagen würden: Ich hoffe, dass mein Kind es wenigstens gleich gut haben wird wie ich.

BILDER: ZVG

INTERVIEW VON YVONNE KUNZ

Welche Entwicklungen beobachten Sie bei den Moderatoren? Die meisten sind viel selbstsicherer geworden. Erst einmal rein sprachlich, und damit meine ich nicht nur die Deutschkenntnisse. Am Anfang mussten wir Projektleiter sehr darauf achten, dass wir verständlich bleiben, nicht mit zu viel Fachterminologie kommen. Jetzt können wir mit den Moderatoren bald fachsimpeln. Wichtig für sie ist die Erkenntnis: Man muss nicht von Anfang an alles wissen. Es geht nicht nur um Fachwissen, sondern ebenso um menschliche Kompetenzen und im

«Es geht nicht nur um Fachwissen, sondern ebenso um menschliche Kompetenzen und im Endeffekt auch schlicht um die Liebe zu den Kindern.» Endeffekt auch schlicht um die Liebe zu den Kindern. Stossen Sie mit Ihren Ansätzen nicht auch auf Widerstände? Was wir vermitteln, widerspricht vielem, was zum Beispiel die Werbung behauptet. Man wird heute zur Abhängigkeit erzogen. Rundherum wird suggeriert, nur der Konsum von diesem oder jenem Produkt macht dich glücklich. Da sind wir auch antizyklisch, das gefällt mir: Wir stellen uns den Botschaften, mit denen wir alle bombardiert werden, entgegen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel verkündete vor einiger Zeit: Multikulti ist gescheitert. Was wäre – ausgehend von Ihren Erkenntnissen aus dem

Väter-Forum – Ihre Anleitung für ein erfolgreiche multikulturelle Gesellschaft? Das Ziel soll nicht ein Einheitsbrei sein. Es geht auch um die Besinnung auf wertvolle Dinge aus der eigenen Kultur. Es ist ok, anders zu sein. Gleichzeitig sollten wir uns auch fragen: Was haben wir gemeinsam? Was muss ich darüber lernen, wie es hier, in meiner neuen Heimat, läuft? Zentral ist auch die Bereitschaft, von den eigenen Kindern zu lernen. Das kann sehr hilfreich sein, denn Kinder sind meist schon ganz anders integriert. Und wir sollten allgemein lernen, einander zuzuhören: Das bereitet den Boden für ein gutes Miteinander. Wir sagen unseren Moderatoren auch: Sprich so, dass die anderen Väter es lieben, dir zuzuhören, und höre so zu, dass sie es lieben, dir etwas zu erzählen. ■

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Verkäuferwoche «Sei nicht so streng mit dir selbst» Hiroaki Sugiura, 42, verkauft The Big Issue Japan in Osaka. Ein Sozialarbeiter hat mal zu mir gesagt: «Du bist kein Marathon-Läufer, sondern ein Sprinter.» Ich neige dazu, unbedingt arbeiten zu wollen. Weil ich aber mein ganzes Leben lang immer wieder krank war, konnte ich nie für längere Zeit am Stück arbeiten. Als ich 19 Jahre alt war, ist die Firma meines Vaters bankrott gegangen, daraufhin ist meine ganze Familie von Kobe nach Osaka gezogen. Nur ich bin geblieben und habe angefangen, in einem der bei uns sehr populären Pachinko-Spielsalons zu arbeiten und zu wohnen. Die Arbeit war sehr anstrengend. Ich hatte kaum Freitage und musste oft von neun Uhr morgens bis Mitternacht durcharbeiten. Ich war so überarbeitet, dass ich eine Erschöpfungsdepression erlitt. Seither bin ich in Behandlung und nehme Medikamente. Eines Tages erzählte mir eine Kundin, auch sie habe psychische Probleme. Ich sagte zu ihr: «Du bist nicht faul oder so. Du

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musst einsehen, dass es eine Krankheit ist und aufhören, so streng mit dir selbst zu sein.» Meine Bemerkung rührte sie zu Tränen. Heute kann ich sagen, dass ich froh bin um meine depressive Episode. Denn nun kann ich besser verstehen, was es heisst zu leiden. Jeden Tag, wenn ich zu meinem Verkaufs-

standort komme, sorge ich erstmal dafür, dass die Umgebung sauber ist. Ich finde, ein Verkäufer sollte das tun. Ich glaube, dass ich wieder ein normales Leben führen kann. Hoffentlich wird meine Familie irgendwann erkennen, dass ich hier ehrliche Arbeit leiste und erlauben, dass ich sie wiedersehe.» ■

Anlässlich der internationalen Verkäuferwoche vom 3. bis 9. Februar sollen unsere Verkaufenden mit verschiedenen Aktionen in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt werden. In verschiedenen Städten auf der ganzen Welt wird der Unternehmergeist der Verkäufer gewürdigt und die Wahrnehmung von Armut und Obdachlosigkeit hinterfragt. Rund 14 000 Verkaufende stehen in 41 Ländern Tag für Tag auf der Strasse und bringen 122 verschiedene Strassenzeitungen und –magazine an insgesamt rund sechs Millionen Leserinnen und Leser. Für Surprise werden im Rahmen der Aktionswoche Verkäuferinnen und Verkäufer am Donnerstag, 6. Februar ab 17.30 Uhr beim Münsterbergbrunnen in der Freien Strasse mit einer Aktion auf sich aufmerksam machen. www.street-papers.org SURPRISE 318/14


«Geh dein eigenes Tempo» Johnny Larssen, 37, verkauft Megafon in Bergen, Norwegen. «Mein Alltag drehte sich früher nur um Drogen und Gewalt. Das Leben eines Kriminellen ist anstrengend. Heute ist mein Leben vollkommen anders. Mit dem Geld, das ich verdiene, bezahle ich Bussen von früher ab. Da hat sich einiges angesammelt. Ich habe viele Gesetze gebrochen, aber ich habe nie jemanden umgebracht.» Es ist schwer zu glauben, dass Johnny einmal der meistgefürchtete Mann der Stadt war. Ja, er ist ein grosser und lauter Kerl, aber er wirkt überhaupt nicht einschüchternd. «Ich habe gelernt, anderen Leuten zuzuhören», sagt Johnny. «Ich habe sogar angefangen zu meditieren. Ich glaube, das hat mich das in letzter Zeit vor einigen Schwierigkeiten bewahrt.» Es ist zwar harte Arbeit, aber gleichzeitig auch entspannend», sagt Johnny über seinen Job bei Megafon. «Ich arbeite lange, aber der Verdienst ist nicht schlecht. Und das bedeutet auch eine höhere Lebensqualität. Jetzt habe ich sogar Zeit und Energie, anderen zu helfen; zum Beispiel putze ich das Haus meiner Mutter. Die kleinen Dinge im Leben sind die wichtigsten.»

Als Johnny bei Megafon anfing, vermied er jeden Augenkontakt. Heute glaubt er, dass der Job ihm geholfen hat, auf andere Menschen zugehen zu können. «Wenn man als Verkäufer auf der Strasse arbeitet, muss man den Menschen in die Augen schauen, zusammen lachen und sich für andere interessieren. Vor ein paar Jahren konnte ich das noch überhaupt nicht.» Vor Kurzem erst hat sich Johnny einen Scooter gekauft, um die Magazine auch ausserhalb des Stadtzentrums verkaufen zu können. Jetzt versucht er, ein bisschen Reserven für schlechte Zeiten anzulegen. «Ich habe mein Leben komplett geändert. Es hat zwar ewig gedauert, aber jetzt geht es definitiv in die richtige Richtung. Es gibt mehr Möglichkeiten auf der Welt, als man sich je vorstellen könnte, und du kannst alles erreichen – solange du es in deinem eigenen Tempo angehst.» Besonders hilfreich für seine Entwicklung findet Johnny Begegnungen, die er beim Heftverkauf erlebt: «Einmal gab mir ein Mann ein paar Münzen und sagte mir, dass er sich das

Magazin nicht leisten könne und sich dafür schäme. Aber er gab mir alles, was er hatte, und das bedeutet viel mehr, als wenn die Leute nur aus Mitgefühl Geld geben. Er glaubte an mich, und das hat mir einen Grund gegeben, an mich selbst zu glauben.» ■

«Dräng dich nicht auf» Erdzan Sadik, 19, verkauft Lice v Lice in Skopje, Mazedonien. «Das Wichtigste ist, zu lächeln und den Leuten in die Augen zu sehen. Ich spreche laut und deutlich mit ihnen. Heute fällt mir das leichter als zu Beginn, aber ich bin ja auch kein Anfänger mehr», sagt Erdzan Sadik, ein 19-jähriger Junge aus dem Stadtteil Suto Orizari, der gerne Roma-Musik hört. Er ist klein und schmächtig, klug, unaufdringlich und lächelt viel. Erdzan ist der erfolgreichste Verkäufer des Magazins. Er sagt, er habe gleich zu Beginn gemerkt, wie er auf andere Menschen zugehen muss. Das ist der Grund, warum er mehr Zeitungen verkauft als seine Kollegen. «Zunächst war es mir ein bisschen peinlich, auf der Strasse Hefte zu verkaufen. Deswegen habe ich die Passanten immer nur mit leiser Stimme angesprochen. Dadurch haben sie mich nicht gehört und sind einfach weitergegangen. Ich habe gemerkt, dass ich so nicht weit komme. Jetzt aber weiss ich, dass das, was ich tue, eine gute und anständige Arbeit ist. Ich habe viel Kraft in Lice v Lice gesteckt, damit das Magazin und ich Erfolg haben konnten», sagt ErdSURPRISE 318/14

zan feierlich, so als würde er über seinen Traumjob sprechen. Erdzan erzählt, dass er bereits von Weitem erkennen könne, ob jemand Interesse am Magazin hat. «Es ist ziemlich offensichtlich, wer helfen will. Ich weiss, dass es nichts bringt, mich den Leuten aufzudrängen – nicht jeder hat die Zeit, stehen zu bleiben und mir zuzuhören», sagt er. Erdzan möchte, dass auch andere von seiner erfolgreichen Taktik profitieren können. Darum gibt er seinen Kollegen immer wieder Tipps. Vor Kurzem sind neue Verkäufer zum Magazin gestossen. Erdzan hat ihnen seine Hilfe angeboten, bevor sie ihn danach fragten: «Ich werde die ersten Male mit euch mitkommen, dann wird es einfacher für euch sein.» Angespornt von Erdzans Erfolg sind jetzt auch sein kleiner Bruder Armando und sein Vater Teil des Strassenverkäufer-Teams. «Als sie gesehen haben, dass ich das Haus sauber verlasse und genauso sauber zurückkomme, und dass ich weder müde noch aufgeregt bin, wenn ich heimkomme, und sogar noch Geld

übrig habe, wollten auch sie diesen Job machen», erzählt er. «Willst du mich noch etwas fragen? Falls nicht – ich möchte heute noch mindestens 20 Hefte verkaufen», sagt Erdzan und verabschiedet sich. Wie immer mit einem Lächeln. ■

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BILD: ZVG

Fremd für Deutschsprachige Integration und Ausrüstung Wer sich in der Schweiz integrieren will, braucht zunächst mal eins: die richtige Ausrüstung. Das habe ich, oder hat vielmehr mein Portemonnaie, über die Feiertage deutlich zu spüren bekommen. So löste die Aussicht auf eine Woche Skiferien mit Freunden bei den anderen Vorfreude aus, bei mir notorisch Mangelausgerüsteter jedoch Beschaffungsnot. Da ich das Ausleihen satt hatte, beschloss ich zu kaufen. Lange genug war ich dankbar lächelnd und bedürftig danebengestanden, während eine humanitäre Horde Freundinnen samt ihren Müttern eine Ausrüstung für mich zusammensuchte. Damit ich ein, zwei Tage lang komisch die Piste runterwackeln konnte. «Hast du denn Handschuhe? Nein? Ich glaub, da müss-

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te irgendwo noch ein altes Paar vom Bapi im Estrich sein. Sie sind etwas zu gross, aber wenn du sie gut zuziehst am Handgelenk, sollte es gehen, gäll?» Nein, nicht Bapis Handschuhe, nicht dieses Jahr! So begann mein Beschaffungsmarathon: Ricardokonto einrichten, nach passenden Skiern suchen (Wie lang müssen die eigentlich sein? PRW? SRW? Hä?!), diese bei marianne46 im tiefsten Aargau abholen, einen Samstag lang (Vorweihnachtszeit!) durch Läden hetzen, Skischuhe anprobieren, darin rumwippen, seltsame und also teure Knochen an den Füssen diagnostiziert bekommen und schliesslich mit den zweitteuersten Schuhen unter dem Arm das Geschäft verlassen. Danach war ich finanziell so ausgedörrt, dass ich doch wieder bei einer Freundin vor der Tür stand. Ob sie eine Skihose für mich hätte? Und möglicherweise eine Jacke? Dann, ähm, auch Handschuhe vielleicht …? Die Jacke roch stark nach Zigarettenrauch und die Hose war zu eng, so dass der Reissverschluss nicht ganz zuging. Doch damit konnte ich leben, jedenfalls bevor ich die Piste betrat. Nachdem ich noch schnell ein Paar Skisocken, eine wärmere Mütze und Sonnencrème gekauft hatte, war es soweit. Ziemlich cool sah das dann wohl aus, wie ich mit meiner Crew zum Skilift stapfte, den Blick gen Horizont gerichtet. Und solange wir stapften, war ich nicht zu unterscheiden von den anderen. Ich wurde mutig und fuhr mit bis

ganz nach oben; rote Piste. Die Aussicht war spektakulär: gewaltige, erhabene Natur. Umso bizarrer nahm sich der Strom der Hochgondler und Runterrutscher aus. Ich musste an Chilbibahnen denken und an meine Mutter, die sich immer wundert über die verspielte Freizeitkultur der westlichen Erwachsenen. Ich schmunzelte versöhnlich zu den Rutschfreudigen rüber, blickte nochmals zum Horizont und stiess mich lässig ab mit meinen neuen Stöcken. Ich bin versucht, die Geschichte hier enden zu lassen, mit dem Bild, wie ich in den Strom der elegant gleitenden Sportlerinnen eintauche und mich als immer kleiner werdender Punkt darin verliere. Doch die Wahrheit ist: wackeln, torkeln, Sturz. Die Schweizer flitzten an mir vorbei, erst die grossen, dann die kleinen und kleinsten. Erstaunlich, dass mich keiner von denen aufspiesste. Der Strom teilte sich einfach und floss um mich herum, eine Insel der Ungeschicklichkeit. Ich rappelte mich hoch, klopfte den Schnee ab und zog den Reissverschluss zu – soweit es eben ging. Meine Ausrüstung verhöhnte mich und meine sportliche Integration in topmodernen Leuchtbuchstaben: Atomic! Race! Raptor! SHPRESA JASHARI (SHPRESAJASHARI@HOTMAIL.COM) ILLUSTRATION: RAHEL NICOLE EISENRING (RAHELEISENRING.CH) SURPRISE 318/14


Theater «In der Innerschweiz hat man öfters tolle Visionen» Nachdem der Bau der Musiktheater-Plattform Salle Modulable in weite Ferne gerückt ist, hat man in Luzern jetzt das Projekt «Theater Werk» ausgeheckt. Und will damit nichts weniger, als die Theaterlandschaft der Innerschweiz umkrempeln.

Die klassische Musik führt in Luzern ein Herrenleben, das Theater schon fast ein Nischendasein, und alle anderen Player müssen schauen, wo sie bleiben. Das ist überspitzt formuliert, aber in etwa die Lage. Entstanden ist diese nicht zuletzt durch den Bau des Kultur- und Kongresszentrums Luzern (KKL) von 1998, das die Blicke auf sich zieht und die Konkurrenz in den Schatten stellt. Knappe zehn Jahre später träumte man in der Innerschweiz von noch Grösserem, der sogenannten Salle Modulable – einem wandelbaren Kulturort für Theater, Musiktheater, Konzerte und Workshops. Damals stellte der im luzernischen Meggen wohnende deutsche Milliardär und Mäzen Christof Engelhorn 120 Millionen Franken für die neuartige Musiktheater-Plattform nach den Vorstellungen des französischen Komponisten Pierre Boulez in Aussicht. Doch Engelhorn verstarb 2010, und die in einem Trust auf den Bermudas gelagerten Gelder wurden nie ausbezahlt. Zwar streitet man sich noch vor Gericht um die Millionen, doch die Vision Salle Modulable hat wohl kaum noch Chancen auf Realisierung. Was Platz für neue Ideen schuf. Im vergangenen Jahr präsentierte die Projektgruppe «Neue Theater Infrastruktur», an der sich Stadt, Kanton, aber auch das KKL oder das alternative Kulturhaus Südpol beteiligen, eine neue Vision: das «Theater Werk Luzern». Laut Zwischenbericht soll dieses dereinst das Schaffen des Luzerner Theaters, des (klassischen) Lucerne Festivals und das der Freien Szene integrieren. Klingt ebenso ambitioniert wie gewagt. Nicht zuletzt, weil höchst unterschiedliche und vor allem unterschiedlich starke Partner zusammenspannen wollen. Der Handlungsbedarf sei für alle Beteiligten offensichtlich, betont Stephanie Witschi, Projektleiterin «Theater Werk Luzern». Und spricht damit nicht zuletzt auf die unbefriedigende Situation des rund 175 Jahre alten Luzerner Theaters an. Das Gebäude habe mit der Entwicklung des Theaterschaffens nicht Schritt halten können, sagt auch Peter Klemm, Technischer Direktor des Luzerner Theaters. «Nicht nur das Gebäude des Luzerner Theaters, sondern die ganze Theaterlandschaft Luzern leidet unter strukturellen Schwächen und hat insbesondere keinen Entwicklungsspielraum», so Witschi. «Unter den gegebenen Bedingungen bieten die Theaterschaffenden jedoch ein beeindruckendes Angebot.» Worüber man zumindest in Bezug auf das Luzerner Theater geteilter Meinung sein kann. Seit dem Abgang von Direktorin Barbara Mundel 2004 hat dieses deutlich an Kraft und Renommee verloren. Umso besser, wenn jetzt endlich wieder Aufbruchstimmung herrscht. Die Vision «Theater Werk Luzern» sei «ein hoffnungsvoller Ansatz», sagt Ursula Hildebrand, Präsidentin von ACT Zentralschweiz, dem BerufsSURPRISE 318/14

BILD: GABRIEL AMMON/AURA

VON MICHAEL GASSER

Luzern hat die Kappelbrücke, aber noch keinen Ort für Kultur.

verband der Freien Theaterschaffenden, «die Knacknuss ist die Konkretisierung.» Zumal Stadt und Kanton Luzern finanziell nicht gerade auf Rosen gebettet sind. Was sich schon daran zeigt, dass die Ausgaben für das Theaterschaffen trotz «Theater Werk» nicht erhöht werden sollen. Geplant ist allerdings eine Neugewichtung: Die Freie Szene soll mit mehr Mitteln alimentiert werden. Was laut Hildebrand absolut überlebenswichtig ist. «Gibt es keine zusätzlichen Gelder, wird es in Luzern in 20 Jahren auch keine Freie Theaterszene mehr geben.» Stimmen, die sich gegen die Vision «Theater Werk» aussprechen, sind derzeit kaum zu vernehmen. Vielleicht auch, weil derart vieles noch unklar ist. Momentan existieren vor allem Ideen. Wie die, im Südpol ein Produktionszentrum für die Freie Szene zu schaffen. Oder wie jene, einen ganz neuen Theatersaal für grosse Eigen- und Gastproduktionen für Oper, Schauspiel, Musiktheater oder Tanz zu bauen. Möglichst in der Nähe des KKL. «Die Konkretisierung der Vision ‹Theater Werk› ist ergebnisoffen», sagt Stephanie Witschi. «Ich bin aber überzeugt, dass die Luzerner Theaterlandschaft bis 2020 zukunftsfähig aufgestellt sein wird.» Ausgearbeitet sein soll das Konzept bis Ende des kommenden Jahres. Bis dahin darf und muss man sicher gespannt bleiben. Und vielleicht auch ein wenig skeptisch. Wie meinte doch Ursula Hildebrand? «In der Innerschweiz hat man öfters tolle Visionen, krebst dann aber häufig wieder zurück.» ■ www.kultur.lu.ch

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BILD: ZVG

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Kultur

Schlimmer als bei Hänsel und Gretel: Gefangen zwischen Büchern.

Charmante Strassenmischung aus Kurt Weill und Manu Chao.

Buch Spiegel der Angst

Musik Rolliges Mauzen

Haruki Murakami erzählt in «Die unheimliche Bibliothek» ein dunkles Gleichnis vom Gefangensein in den eigenen Ängsten.

Ennet dem Gotthard liegt des Schweizers Ferienparadies. Musikalisch scheint die Sonnenstube mit Exponenten wie Gotthard aber die Hölle Helvetiens. Wären da nicht The Pussywarmers.

VON CHRISTOPHER ZIMMER VON OLIVIER JOLIAT

Eigentlich möchte der Junge nur zwei Bücher in der Bibliothek zurückgeben. Doch dann führt ihn der Bibliothekar, der von brutaler Strenge ist, durch ein Labyrinth bis in ein Verlies, in dem der Junge eingesperrt wird. Dort soll er drei dicke Bücher über das Steuereintreiben im Osmanischen Reich auswendig lernen, damit ihm der Alte das Gehirn aussaugen kann, wenn es mit Wissen fett gemästet ist. Die Lage ist aussichtslos, und dass der Gefangene von einem Schafsmann und einem wunderschönen Mädchen, das sprechen kann, obwohl es stumm ist, mit leckeren Köstlichkeiten versorgt wird, macht sie kaum erträglicher. Aber warum das alles? Und warum ist der Junge dem Alten trotz des unguten Gefühls überhaupt gefolgt? Warum spricht und handelt er ganz anders, als er es eigentlich will? Und warum fragt ihn der Schafsmann, ob er wirklich hier sei, um Bücher zu lesen? Ist das alles ein Albtraum, aus dem er sich nur in die Lektüre flüchten kann, in das Tagebuch des Steuereintreibers Ibn Ahmad Hashul, in dessen vergangenem Alltag er versinkt wie in ein zweites Leben? Haruki Murakami erzählt in «Die unheimliche Bibliothek» eine düstere Geschichte, aus deren märchenhafter Gestalt sich nur allmählich der reale Hintergrund herausschält. Dann, wenn man erfährt, dass der Junge als kleines Kind von einem grossen schwarzen Hund gebissen wurde, und dass sein Kopf seitdem ein bisschen anders funktioniert. Und dass seine Mutter, vielleicht seit diesem Vorfall, bei jeder Kleinigkeit das Schlimmste befürchtet. So wird das Geschehen zu einem dunklen Spiegel der kindlichen Ängste und das Labyrinth, in dem der Junge gefangen ist, zum Netz, das sein eigenes Trauma um ihn spinnt. Zwar kann der Junge am Schluss entkommen, aber das Ende der Erzählung, die von den wunderschönen Illustrationen Kat Menschiks kongenial begleitet wird, bietet keine Auflösung und schon gar keine Erlösung. Doch immerhin so etwas wie eine traumatisch tröstliche Selbsterkenntnis. Das macht dieses Buch zu einem lesenswerten Kleinod, so leuchtend wie die Ausweglosigkeit bei Kafka oder die schillernde Düsternis eines Edgar Allan Poe. Haruki Murakami: Die unheimliche Bibliothek. Mit Illustrationen von Kat Menschik. Dumont 2013. 23.90 CHF

Ihr Name hilft der Band aus Lugano definitiv wenig, um das Kultur-Renommée des spröden Rentner-Ressorts zu retten. Doch selbst feministische Miezen mauzten rollig, hatten sie die charmante Strassenmischung aus Kurt Weill und Manu Chao einmal gehört. Einer Frau passte die Musik gar derart gut, dass sie die fünf Musiker die letzten Jahre auf Tour begleitete und mit ihrer Stimme bereicherte. Und Réka Csiszer hat ihnen dabei ohrenscheinlich den Kopf verdreht. Denn statt kauzigem Cajun spielen The Pussywarmers auf ihrem neuen Album schwärmerisch psychedelischen Pop. «I Saw Them Leaving» klingt, als hätte Réka die Jungs vom Musizieren an der Strassenecke in das betörende Ambiente eines von Hippies geführten Variétés geholt. «Wir waren müde von den Blasinstrumenten und suchten nach neuen Sounds», erklärt Sänger und Gitarrist Fabio Pozzorini den Klangwandel ihres dritten Albums. Statt Blech und Geschepper gibts nun viel Wabber-Orgel, sanft schunkelnde Beats sowie angesäuselt schummrigen Singsang und Pozzorini spielt elektrische Gitarre. Sein Banjo ist im Single-Song «Something You Call Love» zwar noch zu hören, doch legen sich im Verlauf des beschwingten Schwelgers entrückte Stimmen und als weiteres Bandnovum eine verzerrte Twang-Gitarre darüber. The Pussywarmers setzen auf eine diffus einlullende Wall of Sound, beim Schmonzetten-Duett «There Are Always Two Answers» gar mit Rückwärts-Cymbals und Spukfilm-Örgeli – Lee Hazelwood selig hätte seine Freude daran. An die frühen Beach Boys erinnert dagegen der süffige Soft-Surf mit Chörli von «Young Men Living». Der Song fliesst eingängiger, wie auch die anderen Nummern, wendet man die LP – «I Saw Them Leaving» erscheint nur auf Vinyl mit Download-Code. Pauschal gesagt, lässt die ASeite den Kopf schwindlig drehen, während die B-Seite den ganzen Körper beschwingt. Live wird dann eh alles neu gemischt. Pozzorini: «Da Réka in Berlin lebt, wir Jungs jedoch in Zürich oder Lugano und kaum immer alle kommen können, proben wir oft beim Soundcheck, wie wir am Abend spielen.» So sind ihre Konzerte garantiert exklusive Shows. Und wer die Band gesehen hat, weiss, dass ihre Shows von diesem Jam-Charme leben. The Pussywarmers & Réka: «I Saw Them Leaving» (Wild Honey Records/Irascible)

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BILD: VON WOMM GEMACHT VOR ORT

Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.

Ein Buttergebäck zur Fastenzeit?!

Piatto forte Dekadente Fastenzeit In Basel gibt es sie zurzeit in jeder Bäckerei: die «Faschtewaije». Und immer öfter trifft man sie auch fernab des Rheinknies an. Aber was hat ein Buttergebäck mit Fasten zu tun? VON TOM WIEDERKEHR

Fastenwähe – wieso dieses Hefeteiggebäck so heisst, ist völlig unklar. Denn erstens hat es mit einem belegten Kuchen offensichtlich wenig gemein. Zudem findet sich die erste Erwähnung dieses typischen Basler Gebäcks erstmals in Akten des Klosters St. Clara aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, in einer Zeit also, als Basel längst reformiert war und kein Basler in der Vorosterzeit an das Fasten dachte. Zwar schrieb die Ordnung der Zunft zu Brotbecken vor, dass die Fastenwähen nur in der Zeit zwischen dem Montag nach der Herrenfastnacht und Ostersonntag gebacken werden durften, was der katholischen Fastenzeit entspricht. Allerdings würde kaum ein Katholik ein Gebäck mit Milch, Butter und Malz, opulent gewürzt mit Kümmel, als Fastenmahlzeit bezeichnen. Zumal heute die Fastenwähen gern mit Käse oder Fleisch gefüllt als üppiges Sandwich genossen werden. Der Bezug zur katholischen Tradition liegt womöglich in der Form, denn die erinnert an eine Brezel, ein typisches Fastengebäck aus dem süddeutschen Raum. So ungewiss die Geschichte und Namensgebung ist, so klar ist das Rezept. Aus 400 g Weissmehl, jeweils einem Teelöffel Salz und Malzpulver, 25 g frischer Hefe und wenig lauwarmem Wasser einen Vorteig machen. Sobald der aufgegangen ist, 2,5 dl lauwarme Milch und 150 g zerlassenen Angge – wie die Basler zur Butter sagen – dazugeben und alles zu einem Teig kneten. Nach einer guten Stunde im Kühlschrank aus dem Teig 15 kleine, ca 1,5 cm dicke und leicht ovale Teiglaibe formen und auf dem Blech nochmals eine Stunde kühl stellen. Dann mit dem eigens dafür gemachten Fastenwähen-Eisen ausstechen oder mit einem Messer die typischen vier Schnitte in den Teig schneiden. Leicht auseinander ziehen, mit der Flüssigkeit aus zwei Eigelben und ein paar Tropfen Rahm bestreichen und mit reichlich Kümmel bestreuen. Eine Viertelstunde im 200 Grad heissen Ofen goldgelb backen und am gleichen Tag geniessen. Und da die Basler auch nach Ostern nicht komplett auf diese Spezialität verzichten wollen, haben sie kurzerhand noch die Sunnereedli erfunden. Die kleine Version der Fastenwähe, knusprig gebacken, mundet Bebbis während des ganzen Jahres als Apéro-Gebäck.

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Hotel Basel, Basel

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Homegate AG, Zürich

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Balcart AG, Therwil

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Arbeitssicherheit Zehnder GmbH, Ottenbach

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applied acoustics GmbH, Gelterkinden

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Privat-Pflege, Hedi Hauswirth, Oetwil am See

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Hofstetter Holding AG, Bern

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Bachema AG, Schlieren

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fast4meter Bern, Storytelling & Moderation

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Fischer & Partner Immobilien AG, Otelfingen

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Oechslin Architektur GmbH, Zollikerberg

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Kaiser Software GmbH, Bern

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Thommen ASIC-Design, Zürich

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mcschindler.com, PR-Beratung, Redaktion, Corporate Publishing, Zürich

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Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich

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VXL Gestaltung und Werbung AG, Binningen

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Proitera GmbH, Basel

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advocacy ag, communication and consulting, Basel

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BEVBE Ingenieurbüro, Bonstetten

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Margareta Peters Gastronomie, Zürich

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Gemeinnütziger Frauenverein, Nidau

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Schweizer Tropeninstitut, Basel

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VeloNummern.ch

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Scherrer & Partner GmbH, Basel

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Applied Acoustics GmbH, Gelterkinden

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

Bezugsquellen und Rezepte: http://piattoforte.ch/surprise 318/14 SURPRISE 318/14

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Schamane aus Bayern: Dr. Will.

Scherzingen/Zürich Voodoo-Blues Der Beat rumpelt, eine rostige Gitarre scheppert, und dann belfert ein durchgeknallter Prediger los. So könnte man die Songs von Tom Waits beschreiben – oder jene von Dr. Will. Der bayrische Exzentriker entdeckte in den Neunzigern auf einer Reise nach New Orleans seltsame Bräuche und gefährlich verführerische Klänge, und seither inszeniert er seine Musik als groovenden Voodoo-Blues. Neben Tom Waits stehen für die lödelnden Rhythmen und saftigen Melodien Captain Beefhart, Dr. John und Screamin’ Jay Hawkins Pate, doch eigentlich sind Vergleiche mittlerweile obsolet, denn Dr. Will ist schlicht einer der schrägsten Bluesmänner von Europa und ein wahnsinnig unterhaltsamer Show-Schamane obendrauf. (ash) Sa, 8. Februar, 21 Uhr, Bäckerstübeli, Scherzingen; So, 9. Februar, 19.19 Uhr, El Lokal, Zürich.

BILD: ISTOCKPHOTO

BILD: ANTIKENMUSEUM BASEL UND SAMMLUNG LUDWIG

BILD: DEAN BENNICI

Ausgehtipps

Wann ist ein Mann komplett?

Ausprobieren was gefällt an der Musikschule.

Basel Knaben und Krieger

Basel Instrumente erleben

Die Frage klingt antiquiert, weil als Refrain in Grönemeyers Hit «Männer» doch schon 30 Jahre alt, das Thema hingegen ist brandaktuell. Nach dem Kunstmuseum in Bern fragt nun auch in Basel eine Ausstellung: Wann ist ein Mann ein Mann? Die Verunsicherung darüber scheint gross zu sein, in Männerkursen, Männergruppen und Männerzeitungen wird eifrig darüber debattiert, auch in Zeitungen und Fernsehen flammt das Thema immer wieder auf. Tatsächlich existiert bis heute keine allgemeingültige Definition, was es alles braucht zum richtigen Mann. Ist es, dass man immer weiss, was man will, dass einem alles ein bisschen leichter fällt? Ist es die Muskelkraft, der Bierkonsum, die Potenz? Das Sixpack, die glattrasierte oder doch die behaarte Brust? Die Fähigkeit zum rückwärts Einparkieren, die Unfähigkeit, über Gefühle zu sprechen? Oder schlicht Abwesenheit der weiblichen und Vorhandensein der männlichen Geschlechtsorgane? Die heutige Zeit bietet wenig Orientierung, da nehmen wir doch gerne die Einladung von Antikenmuseum und Skulpturhalle an und forschen im Athen des 4. bis 6. Jahrhunderts vor Christus. Es lässt sich der antike Weg vom Jungen zum Mann studieren, wir begegnen alten Männern und ihren Lustknaben, Männern in religiösen Zeremonien, beim Trinkgelage und im Krieg – ergänzt mit direkten Bezügen zur Gegenwart. (fer)

Es muss nicht immer Blockflöte sein! Am Instrumenten-Nachmittag der Musikschule Basel können Kinder und Erwachsene alle Instrumente, die unterrichtet werden, kennenlernen. Bedeutet: anfassen, ausprobieren, lauschen. Für Fragen und Gespräche stehen die MusikLehrkräfte gerne zur Verfügung. Begleitend finden Kurzkonzerte von Schülerinnen und Schülern in verschiedenen Räumen und Sälen statt. (mek) Instrumenten-Nachmittag der Musikschule Basel: Sa, 8. Februar ab 14 Uhr, Musikschule Basel. www.musikschule-basel.ch

Anzeige:

«Wann ist man ein Mann?», Sonderausstellung, noch bis zum 30. März, Antikenmuseum und Skulpturhalle Basel.

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BILD: ZVG

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So tönt Schlaf im Bild – hören kann mans am Sonohr.

Moonboots, barfuss, Bärenfell – die Anarchisten von Mt. Zion.

Bern Hören statt sehen

Auf Tour Krachende Klangskulpturen

Der grüne Tod in Winterthur: In der beschaulichen Stadt an der Töss hat der Schrecken Einzug gehalten – eine Folge davon, dass mächtige Kräfte seit Jahrhunderten das Animalische im Menschen bezwingen wollen? Die Anfänge des Dialekt-Raps in der Schweiz: Black Tiger und Skelt plaudern aus der Beatbox. Draussen Demonstrationen gegen Ausbeutung, drinnen Goldgräberstimmung? – ein Bericht aus der Generalversammlung von Xstrata, des grössten Minen- und Rohstoffkonzerns der Welt mit Sitz in der Schweiz. Und wie würde es klingen, wenn wir uns beim Schlafen zuhören könnten? Ohren auf und Augen zu: Am Hörspiel-Festival Sonohr (mit Jury- und Publikumspreisen) können Sie sich etwas erzählen lassen, von Reportagen und Features über Hörspiele bis zu experimentellen Geschichten. (fer)

Besonders einprägsam ist der Bandname Thee Silver Mt. Zion Memorial Orchestra ja nicht. Aber früher war er noch länger, da folgte nämlich noch & Tra-La-La Band. Zudem spielen die Kanadier auch keine knappen Songs, sondern bauen ausufernde Klangskulpturen, wie das in ihrem Genre, dem Post-Rock, so üblich ist. Anders als verwandte Bands wie Godspeed! You Black Emperor setzen Silver Mt. Zion auch Gesang ein. Nicht nur dank der Vocals ist die Gruppe um Efrim Menuck auch für Menschen mit eher konventionellem Musikgeschmack zugänglich, denn neben krachenden Gitarrenwänden gibt es immer wieder ruhige Pianopassagen und schwellende bis schwindelerregende Geigeneinsätze. Konzeptionell fühlt sich Menuck der Anarchie verbunden, und wenn man seinen euphorisierenden Experimentalrock einmal live erlebt, findet man diesen Ansatz nie mehr ganz verkehrt. (ash)

Sonohr Hörfestival, Fr, 14. bis So, 16. Februar, Kino Kunstmuseum und Stadtgalerie Progr Bern. www.sonohr.ch

Do, 13. Februar, 21 Uhr, Grabenhalle, St. Gallen; Fr, 14. Februar, 20.30 Uhr, Rote Fabrik, Zürich; Sa, 15. Februar, 20.30, Reitschule, Bern.

BILD: JUDITH SCHLOSSER

Zürich Und noch einmal anders Nick Payne gehört zu den jungen britischen Theaterautoren, die mit Preisen überhäuft werden. Sein erstes Stück wurde vorletztes Jahr in New York mit keinem Geringeren als Jake Gyllenhaal (Brokeback Mountain, The Day After Tomorrow) aufgeführt. Jetzt inszeniert an der Winkelwiese der Chef persönlich das neuste Stück. In «Konstellationen» nimmt Payne die Quantenphysik und eine Beziehungsgeschichte, dreht beides ineinander und stellt sich dann vor: Es gäbe eine unendliche Anzahl von Paralleluniversen, die sich bei jeder Entscheidung weiter verzweigten. Solche Dinge passieren aber hoffentlich nur Quantenphysikern, und so ist die Protagonistin Marianne selber denn auch prompt eine. Ihr Liebster, Roland, dagegen ist Imker. Die Quantenphysik wird zum dramaturgischen Konzept, und so wird die Beziehungsgeschichte immer wieder neu erzählt, in möglichen Varianten. Klingt ein bisschen nach Max Frisch, aber bei dem kam die Biografie als Spiel daher statt als Wissenschaft. Um die Frage nach dem freien Willen des Menschen geht es aber bei beiden irgendwo. (dif) «Konstellationen», Fr., 31. Januar, Mi, 5. und Sa, 8. Februar 20.30 Uhr, So, 9. Februar 17 Uhr, Di, 11. und Mi, 12. Februar 20.30 Uhr, So, 16. Februar 17 Uhr, 19. bis 22. Februar 20.30 Uhr, So, 23. Februar 17 Uhr, Theater Winkelwiese, Zürich. www.winkelwiese.ch SURPRISE 318/14

Quantenphysikerin und Imker: Beziehung in Variationen.

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Es war im Frühling vor sechs Jahren, als Kurt Brügger das erste Mal bei Surprise auftauchte. Ein umgänglicher Mann, dem anzumerken war, dass er schwere Zeiten hinter sich hatte. «Ich geniesse es sehr, morgens an einen Ort zu kommen, wo ich freundlich begrüsst werde. Ausserdem ists schon sehr lange her, dass mich mal einer gefragt hat: Hey Kurt, wie gehts dir?», sagte er in einem Porträt, das im Juli 2008 in unserem Magazin erschien. Viel wussten wir damals noch nicht über unseren neuen Kollegen. Er hatte in der Solothurner Gemeinde Bolken gelebt und beim Verein Perspektive, einem Programm für benachteiligte Menschen, als Taglöhner gearbeitet. Zu Surprise brachte ihn ein Schicksalsschlag: Anfang 2008 war das Haus, in dem er wohnte, komplett abgebrannt. Kurt konnte sich retten, sein ganzes Hab und Gut aber fiel den Flammen zum Opfer: Pass, Fotoalben und selbst das Gebiss – alles weg. Kurt zog nach Basel zu seinem Vater, der seit Kurzem Witwer war. Ein ehemaliger Vorarbeiter bei Perspektive, der zur selben Zeit zu Surprise stiess, gab ihm den Tipp, es hier zu versuchen. Kurt blühte schnell auf und entwickelte sich zu einem wichtigen Angestellten. Auf der Strasse wurde er mit Charme und Beret zu einem bekannten Heftverkäufer, im Büro half er bei der Heftausgabe, organisierte Archiv und Abfallentsorgung und scheute sich dabei nicht, Redaktoren, die ihre Energydrink-Dosen nachlässig entsorgten, freundlich zu mahnen, das nächste Mal doch bitte die dafür vorgesehenen Behälter zu benutzen. Mit der Zeit erzählte er uns auch aus seinem Leben. Aufgewachsen war er als Einzelkind in Birsfelden. Der Vater arbeitete als Rangiermeister bei der SBB, die Mutter führte ein Hotel, viel Zeit für den Buben hatten beide nicht. Nach der Schule hätte er gerne eine Lehre als Zimmermann gemacht, doch die Eltern bestanden auf einer Kochlehre. Kurt arbeitete nach dem Abschluss bloss ein Jahr auf seinem Beruf, dann verdiente er gutes Geld als Akkord-Dachdecker, bis der Rücken nicht mehr mitmachte. Danach lebte er drei Jahre in Südamerika. Auf einer Insel im Titicacasee kochte er eine Zeitlang für Touristen, doch als seine Mutter krank wurde, kehrte er heim. Zurück in der Schweiz lernte er seine künftige Frau kennen, mit der er drei Kinder zeugte. Nach zehn Jahren zerbrach die Beziehung, was Kurt nicht verkraften konnte. Auf der Suche nach Betäubung für den Trennungsschmerz kam er in Kontakt mit Heroin. «Ich war schon über 40, als ich mit diesem Seich anfing und ich merkte schnell, dass es auch nichts half», erzählte er uns. Seine Abhängigkeit begleitete Kurt fortan. Als er bei Surprise einen Chancenarbeitsplatz antrat, war er noch immer auf Methadon. Das hinderte ihn aber nicht daran, überall mit anzupacken und mit seiner leutseligen Art zu einem Aushängeschild für Surprise zu werden. Wenn wir Verkäufer suchten für eine kurze Umfrage oder ein spezielles Titelbild fürs Magazin war Kurt immer gerne mit dabei. Im Jubiläumsheft zur 200. Ausgabe war er der Held eines Fotoromans unter dem Titel «Ein Fall für Kurt». Wir waren stundenlang unterwegs, um an verschiedenen Schauplätzen Fotos zu schiessen und Kurt verbreitete auch dann noch gute Laune, als alle anderen Beteiligten schon längst über kalte Füsse jammerten. Kurt fand wieder den Tritt. Es schien, als hätte er sein Leben in den Griff bekommen. Doch dann verstarb 2011 sein Vater. Dieser Verlust traf

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BILD: ALFRED MAURER

Nachruf Erinnerungen an Kurt Brügger (1953 – 2013)

Kurt schwer. «Jetzt bin ich ganz allein», sagte er kurz nach der Beerdigung seines Vaters. Auch sein Gedanken zum Jahreswechsel offenbarten Abgründe: «Man kann sicher viel Gutes tun um diese Zeit. Mir wäre aber lieber, wir würden das ganze Jahr hindurch ein bisschen zueinander schauen.» Zu sich selber schaute Kurt in der Folge zu wenig. Ihm fehlte die Kraft, gegen den Sog des schwarzen Lochs zu kämpfen, das sich vor ihm aufgetan hatte. Die Sucht gewann wieder Gewalt über ihn und der aufgestellte Arbeitskollege verwandelte sich in eine geduckte Gestalt, die immer öfter überhaupt nicht mehr im Büro auftauchte. Nach vielen Gesprächen, Entschuldigungen und Vereinbarungen ging es einfach nicht mehr und Kurt musste seinen Chancenarbeitsplatz aufgeben. Als Verkäufer blieb er trotzdem ein Teil von Surprise und wir unterstützten ihn weiterhin bei der Bewältigung seines Alltags. Ende September letzten Jahres wurde Kurt 60. Bei einem Besuch im Büro sprach er auf der Raucherterrasse davon, dass er gern wieder nach Südamerika gehen möchte, «dort sind die Menschen nicht so kalt». Es klang nicht nach Aufbruchstimmung, sondern traurig und resigniert. Im November brach der Kontakt ab, niemand wusste, wo Kurt war. Schliesslich schalteten wir die Polizei ein, damit nach ihm gesucht würde. Was manche insgeheim befürchteten, wurde Tatsache, als seine Tochter ins Surprise-Büro kam und sagte: «Papi ist gestorben.» (ash) ■ SURPRISE 318/14


SurPlus – eine Chance für alle! Werden Sie Gotte oder Götti bei SurPlus Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten. Menschen, die kaum Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt wieder Struktur und mehr Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Das verdient Respekt und Unterstützung. Das Spezialprogramm SurPlus ist ein niederschwelliges Begleitprogramm für ausgewählte Surprise-Verkaufende, die regelmässig das Strassenmagazin

verkaufen und hauptsächlich vom Heftverkauf leben. Diese Verkaufenden erhalten nur geringe soziale Ergänzungsleistungen und werden im Programm SurPlus gezielt vom Verein Surprise unterstützt: Sie sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit, Nahverkehrsabonnement) und werden bei Problemen im oft schwierigen Alltag begleitet. Mit einer Patenschaft leisten Sie einen wesentlichen Beitrag für die soziale Absicherung der Verkaufenden und ermöglichen ihnen, sich aus eigener Kraft einen Verdienst zu erarbeiten. Vielen Dank für Ihr Engagement!

Elsa Fasil Bern

Kostana Barbul St. Gallen

René Senn Zürich

Marlis Dietiker Olten

Negasi Garahassie Winterthur

Josiane Graner Basel

Wolfgang Kreibich Basel

Tatjana Georgievska Basel

Bob Ekoevi Koulekpato, Basel

Anja Uehlinger Baden

Ralf Rohr Zürich

Emsuda Loffredo-Cular Basel

Fatima Keranovic Basel

Ja, ich werde Gotte/Götti und unterstütze das SurPlus-Programm von Surprise! 1 Jahr: 6000 Franken

1/2 Jahr: 3000 Franken

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318/14 Talon bitte senden oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch, PC-Konto 12-551455-3 SURPRISE 318/14

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Surprise ist: Hilfe zur Selbsthilfe Surprise hilft seit 1997 Menschen in sozialen Schwierigkeiten. Mit Programmen in den Bereichen Beschäftigung, Sport und Kultur fördert Surprise die soziale Selbständigkeit. Surprise hilft bei der Integration in den Arbeitsmarkt, bei der Klärung der Wohnsituation, bei den ersten Schritten raus aus der Schuldenfalle und entlastet so die Schweizer Sozialwerke.

Ich möchte Surprise abonnieren! 24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.) Gönner-Abo für CHF 260.–

Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht von Armut und sozialer Benachteiligung betroffenen Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit für ihre Anliegen. Surprise beteiligt sich am Wandel der Gesellschaft und bezieht Stellung für soziale Gerechtigkeit. Strassenmagazin und Strassenverkauf Surprise gibt das vierzehntäglich erscheinende Strassenmagazin Surprise heraus. Dieses wird von einer professionellen Redaktion produziert, die auf ein Netz von qualifizierten Berufsjournalistinnen, Fotografen und Illustratorinnen zählen kann. Das Magazin wird fast ausschliesslich auf der Strasse verkauft. Rund dreihundert Menschen in der deutschen Schweiz, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten damit eine Tagesstruktur, verdienen eigenes Geld und gewinnen neues Selbstvertrauen.

Sport und Kultur Surprise fördert die Integration auch mit Sport. In der Surprise Strassenfussball-Liga trainieren und spielen Teams aus der ganzen deutschen Schweiz regelmässig Fussball und kämpfen um den Schweizermeister-Titel sowie um die Teilnahme an den Weltmeisterschaften für sozial benachteiligte Menschen. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Chor. Gemeinsames Singen und öffentliche Auftritte ermöglichen Kontakte, Glücksmomente und Erfolgserlebnisse für Menschen, denen der gesellschaftliche Anschluss sonst erschwert ist. Finanzierung, Organisation und internationale Vernetzung Surprise ist unabhängig und erhält keine staatlichen Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle anderen Angebote wie die Betreuung der Verkaufenden, die Sportund Kulturprogramme ist Surprise auf Spenden, auf Sponsoren und Zuwendungen von Stiftungen angewiesen. Surprise ist eine nicht gewinnorientierte soziale Institution. Die Geschäfte werden vom Verein Surprise geführt. Surprise ist führendes Mitglied des Internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP) mit Sitz in Glasgow, Schottland. Derzeit gehören dem Verband über 100 Strassenzeitungen in 40 Ländern an.

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Herausgeber Verein Surprise, Postfach, 4003 Basel www.vereinsurprise.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Do T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 info@vereinsurprise.ch Geschäftsführung Paola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (stv. GL) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@vereinsurprise.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Reto Aschwanden, Florian Blumer, Diana Frei (Nummernverantwortliche), Mena Kost redaktion@vereinsurprise.ch, leserbriefe@vereinsurprise.ch Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Rahel Nicole Eisenring, Shpresa Jashari, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Stephan Pörtner, Milena Schärer, Isabella Seemann, Priska Wenger, Tom Wiederkehr, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Annette Boutellier, Andrea Ganz, Michael Gasser, Olivier Joliat, Yvonne Kunz, Stefan Michel, Patric Sandri Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 17 000, Abonnemente CHF 189, 24 Ex./Jahr Marketing, Fundraising T +41 61 564 90 50 Christian von Allmen

Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83 Thomas Ebinger, Anette Metzner, Spalentorweg 20, 4051 Basel, basel@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Zürich T +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12 Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, zuerich@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02 Andrea Blaser, Alfred Maurer, Bruno Schäfer, Pappelweg 21, 3 Bern, bern@vereinsurprise.ch Strassenchor T +41 61 564 90 40, F +41 61 564 90 99 Paloma Selma, p.selma@vereinsurprise.ch Strassensport T +41 61 564 90 10 Lavinia Biert (Leitung), Olivier Joliat (Medien), David Möller (Sportcoach) l.biert@vereinsurprise.ch, www.strassensport.ch Vereinspräsident Peter Aebersold Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird von der Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt. Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen.

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Schön und gut. Ab sofort sind die trendigen Surprise-Caps und Surprise-Mützen mit eleganter Kopfwerbung wieder erhältlich. Beide Produkte in Einheitsgrösse. Jetzt Zugreifen!

Surprise-Cap CHF 16.– beige

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Ist gut. Kaufen! Die neuen Surprise-Taschen sind da! Gemeinsam mit dem Secondhand-Shop «Zweifach» aus Basel haben wir neue und schicke Surprise-Tasche entworfen! Die Taschen werden umweltfreundlich aus nicht mehr gebrauchten Lastwagenplachen genäht und mit Autogurten versehen. Sie sind geräumig und verfügen innen über ein grosses Zwischenfach. Erhältlich sind sie in den Farben Rot, Blau, Grün, Orange und Schwarz.

Zweifach ist ein Betrieb der Eingliederungsstätte Baselland und bietet jungen und erwachsenen Menschen mit einer Behinderung die Möglichkeit, im beruflichen Alltag Fuss zu fassen. Tun Sie sich, Zweifach und auch Surprise etwas Gutes und bestellen Sie noch heute ihre Tasche in ihrer Lieblingsfarbe! Surprise City-Taschen (24,5 x 35,5 cm); CHF 45.– (exkl. Versandkosten) schwarz orange grün blau rot

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«Eine ganz wunderbare und grossartige Idee. Nur weil man in der Schweiz nicht so offensichtlich über Menschen stolpert, die aus welchen Gründen auch immer im Turbokapitalismus nicht mitrennen können, heisst es nicht, dass es sie nicht gibt. Aufmerksamkeit schaffen. Toll.» Sibylle Berg, Schriftstellerin und Dramatikerin

Null Sterne. Keine Punkte. Nix Glamour. Der erste «Soziale Stadtrundgang» in Zürich. Surprise-Verkaufende führen aus der Sicht von Armutsbetroffenen, Obdachlosen und Ausgesteuerten durch die Stadt. Sie erzählen aus ihrem Alltag und zeigen Orte, an denen man sonst vorüber geht – oder lieber wegschaut. Gemeinsam haben sie eine Mission: Sie wollen Vorurteile abbauen. Weitere Informationen zum Projekt finden Sie unter: www.vereinsurprise.ch/stadtrundgang Ermöglichen Sie einen etwas anderen Blick auf Zürich und unterstützen Sie den «Sozialen Stadtrundgang» mit Ihrer Spende auf: www.surprise.sosense.org

Verein Surprise, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, T +41 61 564 90 90, www.vereinsurprise.ch, www.strassensport.ch


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