Weisse Elite Wie der Kulturbetrieb Migranten an den Rand drängt Alles Weicheier? Lehrlinge sind besser als ihr Ruf
«Brauche Bohrer, biete Schwedischkenntnisse»: Der moderne Mensch tauscht
Nr. 324 | 2. bis 15. Mai 2014 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.
Ist gut. Kaufen! Die neuen Surprise-Taschen sind da! Gemeinsam mit dem Secondhand-Shop «Zweifach» aus Basel haben wir neue und schicke Surprise-Tasche entworfen! Die Taschen werden umweltfreundlich aus nicht mehr gebrauchten Lastwagenplachen genäht und mit Autogurten versehen. Sie sind geräumig und verfügen innen über ein grosses Zwischenfach. Erhältlich sind sie in den Farben Rot, Blau, Grün, Orange und Schwarz. Zweifach ist ein Betrieb der Eingliederungsstätte Baselland und bietet jungen und erwachsenen Menschen mit einer Behinderung die Möglichkeit, im beruflichen Alltag Fuss zu fassen. Tun Sie sich, Zweifach und auch Surprise etwas Gutes und bestellen Sie noch heute ihre Tasche in ihrer Lieblingsfarbe! Surprise City-Taschen (24,5 x 35,5 cm); CHF 45.– (exkl. Versandkosten) schwarz orange grün blau rot
Der Surprise-Schriftzug soll folgende Farbe haben schwarz weiss silber
Vorname, Name
Telefon
Strasse
PLZ, Ort
Datum, Unterschrift
Anzahl Taschen
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*gemäss Basic 2008-2. Seite bitteMACH heraustrennen und schicken oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch
Nehmen Sie an einem «Sozialen Stadtrundgang» teil! Erleben Sie Basel aus einer neuen Perspektive! Tour 1: Konfliktzone Bahnhof – vom Piss-Pass zur Wärmestube. Dienstag, 13. Mai 2014 um 9 Uhr. Tour 2: Kleinbasel – vom Notschlafplatz zur Kleiderkammer. Mittwoch, 7. Mai 2014 um 9 Uhr. Tour 3: Kleinbasel – von der Sozialhilfe zur Selbsthilfe. Dienstag, 13. Mai 2014 um 9.30 Uhr. Anmeldungen unter rundgang@vereinsurprise.ch oder 061 564 90 40. Weitere Infos unter www.vereinsurprise.ch/stadtrundgang
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Titelbild: Keystone
Die Welt verändert sich, das ist soweit nichts Neues. Es gibt aber welche, die darauf reagieren sollten, und es nicht tun. Zum Beispiel die grossen Theaterbühnen. Da spielt es nämlich immer noch eine Rolle, ob man «Bio-Deutscher» oder ein «Mensch mit Migrationshintergrund aus einem nicht westeuropäischen Land» ist. Es sind Wortungetüme, die da geschaffen worden sind und die Ungleichheit in Sprache fassen. In Deutschland läuft eine Debatte im Theaterbereich, die den gesamten deutschsprachigen Raum betrifft. Und zwar ist es so: Im Stadttheater spielt kein Schauspieler Hamlet, dessen Eltern aus dem Kongo oder aus Vietnam stammen, da kann er noch so deutscher Muttersprache sein. Er sieht einfach nicht nach Shakespeare, Goethe, Schiller aus und könnte damit das Publikum irritieren. So kommt es, dass er eine Bühnen- und Fernsehkarriere als Zuhälter, Strassenfeger und Terrorist DIANA FREI vor sich hat. Denn da muss man dem Publikum nichts erklären. Rollen werden nun REDAKTORIN einmal nach Typ besetzt. Etwas seltsam ist es aber doch, dass es zwar keinen afrikanischen Hamlet gibt, sich umgekehrt aber niemand wundert, wenn sich ein weisser Europäer einfach schwarz bepinselt, um Othello zu spielen. Die Bühne sollte aber nicht zuletzt die Gesellschaft abbilden, unsere Welt thematisieren. Darauf weisen nun Leute wie der türkischstämmige Kulturschaffende Tuncay Acar oder Schauspieler wie Murali Perumal («Herkunft: subtropisches Paradies», steht auf seiner Homepage) hin. Wir haben sie nach ihrer Meinung gefragt und hoffen, dass auch Perumal in ein paar Jahren einen deutschen Rechtsanwalt spielen darf. Und niemand darob irritiert ist. Die Welt verändert sich, nur merken es nicht immer alle. Wenn der Junior seine Lehre abbricht, hat er versagt, finden immer noch viele Erwachsene. So hätte man das früher schliesslich auch beurteilt. Vor einigen Monaten verbreiteten die Medien, es gäbe viele Lehrabbrüche: 30 Prozent der Verträge würden aufgelöst. Man ist konsterniert, hat aber schnell seine Erklärungen parat. Auch wir. Die Lehrlinge werden ausgenutzt von ihren Lehrmeistern, sagte ein Redaktionskollege. Die Lehrlinge sind faule Säcke und haben zu hohe Ansprüche, sagte – zugegebenermassen – ich. Aber ganz so einfach ist es nicht. Denn der wirtschaftliche Druck wächst und die Biografien passen sich an. Lehrstellen fliegen heute den wenigsten zu, und es wird Flexibilität verlangt. Dafür legt man sich mit 16 Jahren auch nicht mehr auf eine Entscheidung fest, die bis ans Lebensende gelten soll. In einer sich wandelnden Welt darf man sich zugestehen, auch sich selber zu verändern. Wir wünschen allen – ob Bio-Schweizer oder mit Migrationshintergrund – gute Lektüre. Herzlich Diana Frei
Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 Ihre Meinung! Wir sind gespannt auf Ihre Kritik, Ihr Lob oder Ihre Anmerkungen. Schreiben Sie uns! Auf leserbriefe@vereinsurprise.ch oder an Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion trifft eine Auswahl und behält sich vor, Briefe zu kürzen. Oder diskutieren Sie mit uns auf www.facebook.com/vereinsurprise SURPRISE 324/14
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BILD: ZVG
Editorial Zuhälter und Terroristen
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10 Kulturdebatte Schwarz-Weiss-Denken BILD: KEYSTONE
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Inhalt Editorial Nur Bio-Deutsche auf der Bühne Die Sozialzahl Frauen schuften länger Aufgelesen Männerstrich Zugerichtet Unnötige Alimente Leserbriefe Freude am Humor Starverkäufer Urs Habegger Porträt Er haucht Holz Leben ein Poesie Worte eines Asylsuchenden Fremd für Deutschsprachige Annika, der doofe Part Auawirleben Stadtforscher Kultur Romantisches Auswandern Ausgehtipps Die Behinderten greifen an Verkäuferporträt International Im guten Anzug Projekt SurPlus Eine Chance für alle! In eigener Sache Impressum INSP Surprise Strassensport Die Saison ist eröffnet
Wenn jemand Schauspieler wird, träumt er vielleicht davon, einmal die grossen Klassiker zu spielen. Auch wenn seine Eltern aus Sri Lanka oder dem Kongo stammen. Bis ihm gesagt wird, dass er zu fremdländisch aussehe und man ihn deshalb als Hamlet oder Romeo nicht besetzen wolle. Dafür umso lieber als Strassenfeger, Zuhälter oder Terroristen. Dabei geht es nicht nur um Typecasting, sondern um unbewussten Rassismus. Das sagen Kulturschaffende mit ausländischen Wurzeln, die in Deutschland eine heftige Debatte angestossen haben.
14 Ausbildung Für immer Koch? BILD: ROLAND SOLDI
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Noch vor 30 Jahren lernte man einen Beruf mit der Vorstellung, dass er für’s ganze Leben sei. Heute ist das eine Illusion. Der schnelllebige Arbeitsmarkt schafft Konkurrenzdruck und Ängste, nicht rechtzeitig eine Lehrstelle zu finden. Und den Zwang, sich ständig weiterzuentwickeln. Die Flexibilität eröffnet neue Möglichkeiten, schafft aber auch Verunsicherung. Schlecht daran ist: Heute werden Lehren öfter abgebrochen als noch vor 30 Jahren. Das Gute daran: Es ist kein Unglück mehr.
17 Shareconomy Moderner Tauschhandel
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BILD: LUC-FRANÇOIS GEORGI
Dass auf Facebook gerne geteilt wird, wissen wir. Auf Online-Tauschbörsen wird aber auch immer mehr getauscht, und zwar real. Da heisst es: Tomatensetzlinge gegen eine Tour ins Allgäu, Photoshop-Kurs gegen Honig aus der Provence und Schwedischkenntnisse gegen Bibel-Kurzfassungen. Unsere Autorin – keine begnadete Heimwerkerin – hat einen Bohrer gesucht. Sie hat ihn gefunden. Und dabei festgestellt: Die Tauschindustrie ist auch nicht besser als die Konsumgesellschaft.
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In diesem Jahr fiel der Equal Pay Day, der «Tag der gleichen Bezahlung», in der Schweiz auf de n 7. März. In Spanien wurde er schon am 21. Februar bega ngen, in Schweden wird er erst am 16. April stattfinden. De r Equal Pay Day ist allerdings kein intern ationaler Feiertag. We il es nichts zu feiern gibt: Der Equa l Pay Day gibt vielm ehr an, wie viele Tage Frauen über Sil vester hinaus noch arbeiten müssten, um gleich viel Einko mmen im Durchsch nitt zu erzielen wie ihre männlichen Ko llegen in einem Jah r. In der Schweiz sind es dieses Jahr 66 Tage, was einer Lo hndifferenz zwischen den Geschlec htern von rund 20 Pro zent entspricht. Errechnet wird dieser Tag vom internation ale n Frauennetzwerk «Business and Professional Women» (B PW ). Nicht der ganze Lo hnunterschied ist als Lohndiskriminierung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu interpretieren, rund 60 Prozent de r Differenz sind auf erk lärbare Faktoren zurückzuführen. Do ch 40 Prozent könn en auch mit dem grössten Interpretati onsaufwand nicht me hr wegdiskutiert werden. Die erklärbaren Fakto ren haben viel mit de n immer noch unterschiedlichen Ve rläufen der Biografie n von Frauen und Männern zu tun. Fra uen weisen aus fam iliären Gründen längere Unterbrüch e in ihrem Erwerbs leben auf, arbeiten häufiger Teilzeit un d darum oft in typ ischen Tieflohnbranchen, haben da mit im Durchschnit t ein niedrigeres Dienstalter und we niger Berufserfahrun g. Zudem sind die Löhne von weiteren Merkmalen wie Ausb ildungsniveau, berufliche Stellung un d Anforderungsnive au abhängig. Auch hier weisen Frauen im Vergleich zu den Mä nnern noch immer ein weniger vo rteilhaftes Berufsprof il auf, selbst wenn
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sogar der nivellieren. Und halten im sic ratete Frauen er ne Rolle: Verhei ei lt ie sp Männer. d te an te lst Zivi hn als verheira Lo er ig en w t en gut beSchnitt 31 Proz oft in weniger reinsteigerinnen de ie FrauW s ge al di d le Sie sin verdienen Vergleich dazu Im . tig dige tä le s bs al Jo n zahlte ozent weniger tt «nur» 9,5 Pr ni ch hs rc Du en im ältMänner. Anteile im Verh skriminierenden di n re n ba vo är n kl ke er Die un schwan n Lohndifferenz he ic ttl ni ge ch hs se rc os nders gr nis zur du stark. Eine beso hr se e r ch de an in Br h findet sic Branche zu diskriminierung hn Lo e im en d og un ez l schlechtsb im Detailhande strie, aber auch r Frauen de ng gu ili chemischen Indu te gere Benach rin ge ne Ei h. ic auch in der FiBildungsbere zialbereich, aber So d un its he ist im Gesund he festzustellen. icherungsbranc gesamten Lohn nanz- und Vers riminierung am sk di hn Lo d r un de n 1998 Der Anteil ann ist zwische hen Frau und M isc zw d en. Wenn ie ch nk rs su te ge un 37,6 Prozent f au t en oz Pr Tempo weiter 2010 von 41,1 e im gleichen ck slü ng lu el st ch icher Lohn sich diese Glei gsgrundsatz «gle h der Verfassun sic ird n! w t, be ss ha ie schl en erfüllt beit» in 140 Jahr Ar e tig Druck er w en ch ch ei an für gl en und Br auf Unternehm , es rung ist ie in ne ei rim s Da re Lohndisk ese unerklärba di ss icht re da s n, da be ch auszuü n wird. Do her ausgegliche sc ira ht zw ec kt hl ar sc m nach Ge m Arbeits eichheit auf de Gl h he ic sic hl n äc en ts w nicht. Ta nn geben, wird es erst da au Fr s d da un d n un an , gleichen schen M Geschlechter an er id be Fa e uf im lä ch ns allem au die Lebe n, sondern vor be le bs er er w eb Er itg im be Ar nicht nur änner und ihre er stehen die M milienleben. Hi in der Pflicht. FE L@ FE L (C .K NO EP CA RL O KN ÖP BI LD : WOM M
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Aufgelesen News aus den 90 Strassenmagazinen, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.
Farbe als Problem München. Soll es mehr Flächen für legales Sprayen geben? Diese Frage wird derzeit in München debattiert – und damit auch die Exklusivität des öffentlichen Raumes. Der grüne Münchner Fraktionschef Florian Roth findet es spannend, «wenn junge Künstler die Stadtentwicklung mitgestalten». Kriminalhauptmeister Florian Kopczyk von der «Koordinierungsgruppe Graffiti» siehts nüchterner: Es sei günstiger, eine Wand besprayen zu lassen, als die Flächen alle paar Jahre reinigen zu lassen.
Billiges Gewurstel Hamburg. Acht Euro Stundenlohn, keine Deutschkenntnisse erforderlich, Wohnung wird gestellt: Dieses Angebot einer norddeutschen Wurstfabrik liessen sich zahlreiche Osteuropäer nicht entgehen. Nachdem sie den auf Deutsch verfassten Arbeitsvertrag unterzeichnet hatten, sah es dann anders aus: Der Lohn war viel tiefer, die schäbige Unterkunft sehr teuer. Man merke: Angst vor der Ostzuwanderung müssen vor allem die Ostzuwanderer selbst haben.
Bulgaren auf dem Strich Dortmund. Auch in der grössten Stadt des Ruhrpotts suchen junge Osteuropäer ihr Glück – und landen auf Dortmunds Männerstrich. Noch vor einem Jahr stammte ein Drittel der männlichen Prostituierten aus Rumänien, mittlerweile sind es zu 90 Prozent Bulgaren. Die meisten sind zwischen 18 und 25 und heterosexuell. Vermieter und andere Dienstleister machen mit ihnen gutes Geld. «Hätte ich Arbeit, würde ich was anderes machen», sagen fast alle. Immerhin gibt es auf dem Männerstrich keine Zuhälterei.
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Zugerichtet Mit der Nase am Boden «Das wird eher nicht aufregend», warnt der Gerichtsweibel beim Smalltalk in der Lobby, bevor die Verhandlung über einen Fall von Vernachlässigung von Unterhaltspflichten beginnt. Spröde Materie, pingelige Fahndung nach Zahlen und Daten. Zum Vorschein kommen dann aber doch jene kleinen Dramen, wie sie sich zwischen Menschen abspielen, denen die Liebe abhandengekommen ist. Dem Angeklagten Beat M.*, 53-jährig, eine teddyhafte Erscheinung, als wäre er nie zum Manne gereift, wollte partout nicht einleuchten, weshalb er seiner geschiedenen Frau und den beiden Töchtern, die er nur noch sporadisch sieht, monatlich Tausende von Franken überweisen sollte: Er entzog sich der Unterhaltszahlungen. Warum, will der Richter wissen. «Wegen der Heizung», sagt Beat M., der wieder verheiratet, wieder Vater von nunmehr dreijährigen Zwillingen ist. Die Auftragslage sei alles andere als rosig, holt der Gärtnermeister zur Rechtfertigung aus, da stieg mitten im Winter die Heizung des Einfamilienhauses aus. Beat M. kaufte eine neue. Und dann ging noch die Waschmaschine kaputt, so ging das immer weiter. Er sagt «man», wenn er von sich spricht. Als wollte er sich distanzieren von den Vorgängen, über die er keine Kontrolle hat. Einmal annullierte man ihm einen Grossauftrag. Schulden drückten auch noch, plus Alimentenschulden in der Höhe von 90 000 Franken. So oft er auch den Rücken krumm mache, er komme nicht hoch. Er schufte und schufte, aber er bleibe mit der Nase am Boden, trägt er larmoyant vor. Der Richter wirft
dem erfolglosen Gärtner vor, er hätte eine Anstellung als Facility Manager oder dergleichen suchen können, was seiner Ausbildung entspricht; damit hätte er ein regelmässiges und höheres Einkommen erlangen können. Aber wozu sich sein eigenes Leben ruinieren, um der «Alten» und den «undankbaren Gofen» monatlich Tausende von Franken zu überweisen, wo die Ex doch jetzt einen neuen Mann habe, einen Banker gar, und man wisse ja, wie viel die verdienen, sagt Beat M. bockig. Okay, es sei zwar nur eine Wochenendbeziehung auf Distanz, aber zugunsten seines eigenen Portemonnaies schlussfolgert Beat M., dass es sich bei dieser Liebesgeschichte um eine eheähnliche Beziehung handeln müsse, weshalb er weder der Ex noch den Töchtern Alimente schulde. Diese Einschätzung ist – dies gleich vorweggenommen – völliger Humbug. Weshalb Beat M. als Inhaber einer Gartenbaufirma früher über ein Einkommen von 9000 Franken monatlich verfügte und dieses nach der Scheidung plötzlich auf 2800 runtersackte, kann er auch nicht überzeugend erklären. Aber er habe Kontakt zur Schuldnerberatung aufgenommen, das heisst, seine Ehefrau hat es für ihn getan. Sie will auch beim Bürokram helfen. Er selber hat jetzt fünfzehn Stunden am Tag zu tun. Er ist Subunternehmer bei einem grossen Unternehmen geworden, das Parkanlagen pflegt. Da gibt’s im Frühling viel zu tun. Der Richter sagt: «Vielleicht bekommen Sie den Kopf doch noch hoch, Herr M.» und verurteilt ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 130 Franken und einer Busse von 1000 Franken. * persönliche Angaben geändert ISABELLA SEEMANN (ISEE@GMX.CH) ILLUSTRATION: PRISKA WENGER (PRISKAWENGER@GMX.CH) SURPRISE 324/14
Leserbriefe Einsicht ins ernste Geschäft Einsicht in das ernste Geschäft Der Artikel «Jetzt mal im Ernst» von Christof Moser ist ein Meisterwerk. Obwohl ich von der Ausbildung her nicht befugt bin mitzureden und zu urteilen, habe ich das Bedürfnis, den Autor zu loben. Bemerkenswert ist, dass er seine umfangreichen Recherchen Ihrem Strassenmagazin zur Verfügung stellt und auch uns Käufer und Leser gleich viel bietet wie NZZ-Folio-Abonnenten. Beim Wort «Satire» fallen einem sofort ein Haufen Synonyme ein, die aber doch andere Werte definieren: Glosse, Ironie, Zynismus, Witz, Humor, Biss, Schalk und Spott. Auch Blödeln kann eine verwässerte Form von Satire sein, die man ja mit guten Freunden viel anwendet. Auch die Basler Schnitzelbänke können verschiedenen Kategorien angehören. Die vielen belegten Informationen, die uns Christof Moser lieferte, sind hochinteressant. Die finanzielle Lage der Schweizer Humoristen und deren Zubringer und die Verträge mit Radio und Fernsehen schaffen Einsicht in das ernste Geschäft. Dass sich aber auch das Publikum oft solch kritische Fragen stellt wie der Autor, ist Tatsache. Das Fingerspitzengefühl kann man nicht erlernen! Margrit Moritzi, St. Gallen
Surprise allgemein Verkaufende sollten Inhalt kennen Seit ganz vielen Jahren bin ich ein regelmässiger Käufer und Leser von Surprise. Die Idee hinter diesem Projekt unterstütze ich aus Überzeugung, umso mehr als Ihr Magazin professionell aufgemacht ist, einen ausgezeichneten journalistischen Stil pflegt und in seiner Mehrzahl interessante Beiträge enthält. Aus beruflichen Gründen lese ich in jedem Heft Ihre Rubrik «Zugerichtet». Und beim Erwerb des Hefts auf der Strasse freue ich mich stets über einen Schwatz mit dem Verkäufer oder
Nominieren Sie Ihren Starverkäufer! Schreiben Sie uns mit einer kurzen Begründung, welche/n Verkäufer/in Sie an dieser Stelle sehen möchten: Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 (0)61 564 90 99, redaktion@vereinsurprise.ch
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der Verkäuferin. Bei dieser Unterhaltung stelle ich allerdings mit durchschlagender Regelmässigkeit fest, dass die Person, die mir Surprise verkaufen will, keine Ahnung vom Inhalt des aktuellen Hefts hat. Und zuweilen erhalte ich gar den Eindruck, es interessiere mein Gegenüber nicht einmal. Schade! Denn beim Verkauf von Surprise geht es meines Wissens neben einer sinnvollen Beschäftigung immer auch um den Versuch, den Verkaufenden Trainingsmöglichkeiten im Hinblick auf den ersten Arbeitsmarkt zu bieten. Wer Surprise verkauft, sollte deshalb den Inhalt des jeweiligen Hefts doch zumindest im Groben kennen, ohne es den Zeitungsverkäufern aus grauen Vorzeiten gleichtun zu müssen, die den Passanten lauthals die Schlagzeilen der jeweiligen Ausgabe zuriefen. Benedikt Landolt, St. Gallen
Anmerkung der Geschäftsleitung Leserinnen und Leser erzählen uns oft von ihren unvergesslichen Begegnungen mit «ihren» Surprise-Verkäufern. Manchmal bekommen wir aber auch Rückmeldungen wie die obige, dass jemand kaum deutsch spreche oder den Heftinhalt nicht kenne. Dies ist tatsächlich möglich. Surprise-Verkäuferinnen und -Verkäufer sind Obdachlose, Working Poor, Asylsuchende, IV- oder Sozialhilfebezüger. Surprise verkauft, wer in finanzieller Not ist und sein Leben trotzdem selbständig führen und soziale Kontakte pflegen will, die ihm abhandengekommen sind. Es sind Leute, die in der Regel im ersten Arbeitsmarkt keine Chance (mehr) haben – gerade wegen ihren Eigenheiten, ihrer Lebensgeschichte, ihren Problemen, die sie und ihr Leben prägen. Surprise führt zwar individuelle Verkaufsschulungen durch und die Verkaufenden geben auch untereinander ihre Tipps weiter. Da wir aber eine niederschwellige Arbeitsmöglichkeit bieten, ist der Surprise-Verkauf bewusst nur an minimale Anforderungen geknüpft. Paola Gallo, Geschäftsführerin Verein Surprise
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Nr. 322: Nicht lustig! Satire – Jetzt mal im Ernst
Starverkäufer Urs Habegger Surprise-Leserin Regula Petri aus Lenzburg schreibt: «Für mich ist Urs Habegger der Starverkäufer des Monats: Mit seiner Sonnenblume am Einkaufwagen und seiner freundlichen Art ist er ein Lichtblick in der Bahnhofsunterführung in Rapperswil.»
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Porträt Der Stuhl aus dem Kopfkino Adrian Wicki ist ein stiller Querdenker. Der Zimmermann aus dem Rheintal macht Möbel, die Geschichten erzählen und die Altes mit Neuem verbinden – die besten Ideen kommen ihm kurz vor dem Einschlafen, wenn in seinem Kopf ein wahres «Möbel-Hollywood» läuft. VON MANUELA DONATI (TEXT) UND ROLAND SOLDI (BILD)
möglich für seine eigenen Projekte freizuschaufeln. Gleichzeitig zog er der Liebe wegen aus dem Rheintal nach Zürich. Eine Befreiung und Inspiration zugleich, denn er wohnt nun mit seiner Freundin mitten im pulsierenden Zürich: «Der Kreis 4 ist ein sehr kreatives Umfeld. Man wird nicht komisch angeschaut, wenn man einen Stuhl macht, der anders ist.» Inspiration findet Adrian Wicki nicht nur in der näheren Wohnumgebung und auf Reisen im Ausland, sondern auch an Orten, die andere wohl glatt übersehen würden. Das kann ein Brett sein, auf dem man deutlich die Rillen einer Motorsäge sieht. Oder ein gewöhnliches Gartentor, das ganz aus Holz ist – ohne Schrauben und mit einem hölzernen Scharnier. Die besten Ideen kommen ihm aber vor dem Einschlafen. «Es ist fast wie im Kino», sagt er. «Verschiedene Formen und Umrisse schwirren in meinem Kopf herum.» Deshalb liegt das Skizzenbuch immer griffbereit auf dem Nachttisch. In diesem entwickeln sich Möbel mit einer gradlinigen und reduzierten Formsprache, die schlicht und elegant sind. Umgesetzt werden sie mit einheimischen Hölzern, am liebsten arbeitet der Rheintaler mit Eiche und Fichte. Kombiniert mit Eisen, Stahl oder Glas verliert das Holz das «Heimelige». Einzig der «Rhyholztisch» fällt aus dem Rahmen: Für diesen verwendet Adrian Wicki Schwemmholz aus dem Rhein, das er auf langen Spaziergängen findet. Das Schwemmholz ordnet er zu einer Art Nest an und legt eine Glasplatte
Nein, man würde Adrian Wicki kaum einen Mann der vielen Worte nennen. In seinem Kopf aber, da sprudelt es nur so von Ideen für neue Möbel. Und wenn er von diesen und seinem eigenen Möbellabel «klotzholz» erzählen kann, dann sprudeln auch die Worte. Der Weg zu den selbstdesignten und -hergestellten Tischen, Betten, Gestellen und Stühlen begann ganz klassisch: «Im Rheintal macht man halt eher eine Lehre» – gemäss diesem inoffiziellen Gesetz und im Wissen, dass weder seine Noten noch das Budget der Eltern ein Unistudium zuliessen, wurde Adrian Wicki Zimmermann. Die Arbeit mit Holz, die körperliche Tätigkeit und das Draussensein gefallen ihm. Zwischen 20 und 25 nutzte er ausserdem die Gelegenheit, die Wintermonate auf Reisen anstatt auf dem Bau zu verbringen. So fuhr er mit dem Zug durch Skandinavien oder entdeckte zusammen mit seinem Bruder Indien. 2005 nahm er sich ein ganzes Jahr eine Auszeit, fuhr mit dem Velo durch das ehemalige Jugoslawien bis hinunter nach Griechenland. Verbesserte sein Englisch in Dublin. Flog auf die Philippinen, wo er wie Robinson Crusoe allein auf einer Insel überleben wollte. Adrian Wicki versteht sich gut mit seinen Chefs und den Kollegen. Dennoch, inmitten der eher konservativ eingestellten Handwerker fällt er auf. «Ich bin mit meinen Ideen und meiner Einstellung manchmal schon angeeckt», erinnert sich der 32-Jährige und lacht beim Gedanken an einen von ihm «Was soll denn das sein? Ein Schlitten?», quittierte ein Kollege kreierten Salontisch, den ein Kollege mit dem seine Kreation eines Salontischs. Satz «Was soll denn das sein? Ein Schlitten?» quittierte. Und so überrascht es auch nicht, dass er bei einem Stuhl weniger an einen typischen Wirtshausstuhl mit drüber – fertig ist der Stubentisch, der Altes mit Neuem verbindet und Herz in der Mitte denkt, als ein schmales, schlichtes Modell im Kopf hat. gleichzeitig eine Geschichte erzählt, von wildem Wasser und dem Weg, Situationen wie diese waren es, die ihn mit dem Gedanken an eigene den das Holz darin gemacht hat. Möbel spielen liessen. Alles entscheidender Auslöser war schliesslich Die Geschichte von «klotzholz» hingegen hat erst angefangen: In eiein Tisch. Ein solcher fehlte Adrian Wicki nämlich noch in seiner Wohnem ehemaligen Schweinestall in Dübendorf hat sich Adrian Wicki ein nung. Es lag also auf der Hand, diesen gleich selbst herzustellen. GeAtelier mit Showroom eingerichtet. Vier Tage braucht er durchschnittsagt, getan. «So was möchte ich öfter machen», dachte er sich, als der lich, bis ein Stück fertig ist. Der Weg zu den Kunden ist oft ein längeTisch fertig war – sein eigenes Möbellabel «klotzholz» war geboren. «Ich rer – die Selbständigkeit ist nicht immer einfach. Noch arbeitet er überlegte mir dauernd, was schön aussehen könnte und wie ich es zuhauptsächlich auf Auftrag und verkauft die eigenen Designs auf Messen. sammenbauen würde.» Seine Ideen nahmen immer mehr Form an. Erstes Ziel des 32-Jährigen ist es nun, seinen Kundenstamm weiter ausZuerst arbeitete er weiter als Zimmermann und stellte in seiner Freizeit zubauen. Erst wenn das erreicht ist, kann er seinen zweiten, grossen eigene Tische, Stühle, Schränke und Betten her. Prototypen probierte er Traum angehen: ein Haus selbst bauen oder ein bestehendes Haus nach zuerst in seiner eigenen Wohnung aus – «es bietet sich ja an, in den eieigenen Vorstellungen umbauen. «Darin wohnen müsste ich aber nicht genen Möbeln zu wohnen», schmunzelt er. Regelmässig legte er etwas unbedingt», winkt er ab. «Sonst würde ich am Wochenende nur die ganvon seinem Lohn auf die Seite, mit 25 den Schritt schon im Hinterkopf, ze Zeit weiter werken.» Wie das Haus aussehen wird, hat Adrian Wicki den er 2011, vier Jahre später, tun wird: Adrian Wicki liess sich nur noch in seinem Kopfkino aber bestimmt schon gesehen. ■ temporär als Zimmermann anstellen und versuchte, so viel Zeit wie
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Kulturdebatte Auf der Migranten-Safari Der Vorwurf ist hässlich: Rassismus. Und das auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Das Schweizer Radio und Fernsehen SRF wurde wegen Blackfacing angezeigt, und auch in Deutschland hat sich in den vergangenen Monaten eine scharfe Debatte im Kulturbetrieb entwickelt. Wird Theater nur für Weisse gemacht?
VON CARINA BRAUN
ten, aber keinen Hamlet und keinen Fritz oder Peter. Das Theater, sagen sie, sei von einer weissen Elite für eine weisse Elite gemacht. Und greife immer wieder zu Klischees und unbewusstem Rassismus. Auch Samuel Schwarz sieht das so. Der Regisseur hat das Schweizer Radio und Fernsehen SRF im Januar wegen Blackfacing angezeigt: Die Schauspielerin Birgit Steinegger hatte sich für einen Sketch das Gesicht angemalt und eine zweifelhafte Parodie der US-Talkmasterin Oprah Winfrey gegeben. Dass Weisse offenbar problemlos Schwarze spielen können, Dunkelhäutigen aber klassische «weisse» Rollen verwehrt werden, ist einer der Vorwürfe. Vor allem aber erinnert der Griff zur Farbe an amerikanische Unterhaltungs-Shows im 19. Jahrhundert – Blackfacing war ein beliebtes Mittel, den naiven Sklaven darzustellen. Samuel Schwarz sieht ein ganz grundlegendes Problem an den deutschsprachigen Bühnen. «Kulturschaffende und Komiker sehen sich vom Vorwurf des Rassismus zu leicht befreit, weil sie ja oft linksliberal sind und sich
Angefangen hat es ganz harmlos im Oktober des vergangenen Jahres. Und eigentlich hatten sie es ja nur gut gemeint, die Münchner Kammerspiele, als sie per Rundmail nach Darstellern für ein Stadtteilprojekt suchten. Das Projekt «Niemandsland» sollte, so die Grundidee, Besucher mit Migranten zusammenbringen. Hierfür gesucht: Menschen «mit Migrationshintergrund», die «Theaterzuschauer durch ein migrantisch geprägtes Viertel» führen. Seither reissen die Diskussionen nicht ab. Ein Protest hat sich entwickelt, mit dem keiner gerechnet hätte, der aber, meinen viele, längst überfällig war. Es gärt gewaltig im Kulturbetrieb. Der Vorwurf: Rassismus, Diskriminierung, Ausgrenzung. Ausgerechnet am Theater. Der Erste, der sich ärgerte, war Tuncay Acar. Acar, Sohn türkischer Gastarbeiter und in Deutschland geboren, ist tief in der Münchner Kulturszene verwurzelt und mag den Begriff «Migrationshintergrund» allein schon nicht leiden. Das Theater sei von einer weissen Elite für eine weisse Elite «Klingt wie Zylinderkopfdichtung», sagt er. Ein gemacht – und greife zu unbewusstem Rassismus. Wortungetüm, das in all seiner drückenden Korrektheit eben immer wieder auch «Unterdavon distanzieren», sagt er. In der Realität sehe es anders aus: «Da greischied» heisst. Und nun also diese «Migranten-Safari», für die der Stanfen viele auf rassistische Traditionen zurück, egal, ob bewusst oder undardbürger sich einmal durch die Welt dieser unbekannten Fremden bewusst.» führen lassen sollte. Auf seinem Blog regte Acar sich in markigen WorWortschöpfungen wie «Bio-Deutsche» oder «Menschen mit Migraten auf: Er finde es «so dermassen peinlich, immer nur aus der bequetionshintergrund aus nicht westeuropäischen Ländern» zeigen, wie men Rolle des neugierigen Voyeurs auf das vermeintlich ‹Fremdartige› schwierig und sensibel das Thema ist. Einmal entfacht, berührt die Diszu blicken», schrieb er. «Das ist auch euer Viertel, verdammt! Guckt es kussion inzwischen auch andere Bereiche. Ist das Theater überhaupt zu euch halt an. Ist doch auch euer Land, eure Stadt, eure Geschichte!» elitär? Was ist mit Menschen mit Behinderung, Menschen mit geringem Acar hat einen Nerv getroffen. Die Resonanz war gross, plötzlich Einkommen, Menschen ohne Zugang zu Bildung? Auf der Bühne meldeten sich auch andere zu Wort. Immer wieder gibt es seither Gescheint die gesellschaftliche Realität noch nicht angekommen zu sein. sprächsrunden und Debatten. Schauspieler berichten, ihrer Hautfarbe In der finanziellen Krise ums Burgtheater in Wien sehen viele ein warwegen abgelehnt worden zu sein. Sie sind schon lange hier, viele hier nendes Zeichen. Das klassische Theater stirbt aus, prophezeien sie – geboren, Deutsch ist ihre Muttersprache. In die Gesellschaft sind sie wenn es sich nicht ändert. längst integriert. Nur auf der Bühne spielen sie noch immer ständig dieselbe Rolle: die des Migranten. Sie spielen Diener, Putzfrauen, TerrorisSURPRISE 324/14
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BILD: PATRICK RANZ
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MÜNCHNER KAMMERSPIELE
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Kulturdebatte Wir haben Beteiligte und Betroffene nach ihrem Standpunkt gefragt.
Herr Acar, worüber haben Sie sich so geärgert? Ich habe eine Rundmail bekommen von den Münchner Kammerspielen: Man suchte Laiendarsteller mit sogenanntem Migrationshintergrund, die Besuchern ihr Viertel zeigen sollten. Da habe ich mich gefragt, warum das jetzt plötzlich «mein» Viertel sein soll. Das ist doch unseres! Diese Zweiteilung der Gesellschaft stört mich. Hier die westeuropäischen Kulturinteressierten, die sich auf ein hohes Ross setzen und sagen: Wir sind die Hochkultur, wir lassen uns jetzt mal durch diese fremde Welt führen. Und da die Migranten, die nichts mit dem Theater zu tun haben sollen. Dabei sollte für deren Blick doch auch Platz sein. Wir zahlen doch auch Steuern. Und wir haben nicht nur das Recht auf Arbeitslosenhilfe, sondern auch auf Kultur. Es geht uns nicht darum, solche Stadtteilprojekte oder ein bestimmtes Theater schlecht zu machen. Aber wir müssen uns auch mal andere Dinge trauen und uns umschauen, was es da für verschiedene Menschen gibt in unserem Land, welche Religionen, Ethnien, welche Geschichten. Da gibt es weit mehr als Schiller, Hamlet, das Standardprogramm. Die selbsternannte Kulturelite ist blind, weil sie ganze Gruppen der Gesellschaft unterschätzt.
Frau Lochte, verstehen Sie die Aufregung? Ich verstehe die Debatte, und ich begrüsse sie. Egal wie der Anlass war: Dass nun so viel ausgelöst wurde, zeigt, dass es Diskussionsbedarf gibt. Die Frage ist ja, ob es genug Diversität im Theater gibt, um der Realität gerecht zu werden. Und da ist schon einiges passiert, und da kann auch noch viel mehr passieren. Wir versuchen seit Jahren, Menschen aus verschiedenen Ländern bei uns zu versammeln, wir bringen andere Sprachen auf die Bühne und Schauspieler verschiedenster Herkunft. In jedem Fall muss sich das Theater weiter öffnen, es kann noch viel selbstverständlicher werden. Aber es ist auch ein Prozess. Wir haben z. B. mit Cigdem Teke eine türkischstämmige Schauspielerin im Ensemble, und wir haben sie allein deshalb engagiert, weil sie gut ist. Oder: In einer unserer internationalen Koproduktionen spielt Starlette Mathata, eine Schauspielerin aus Kinshasa, eine finnische Oberkellnerin in einem Stück, in dem fünf verschiedene Sprachen gesprochen werden. Vieles ist schon in Bewegung. Julia Lochte ist Chefdramaturgin bei den Münchner Kammerspielen. Zuvor hat sie acht Jahre lang am Theater Basel gearbeitet.
Herr Perumal, für welche Rollen werden Sie besetzt? Ich habe mit Klischee-Rollen angefangen: Rosenverkäufer, Taxifahrer, Terrorist. Inzwischen bin ich auch mal ein Herbert, ohne dass das erklärt werden muss. Aber noch immer müssen Schauspieler aufgrund ihrer Herkunft oft den Bösewicht geben. Das schürt Vorurteile bei den Zuschauern – der Muslim an sich ist für sie dann ein Terrorist. Für Leute wie mich ist es schwerer, an normale Rollen zu kommen. Den Satz «Sie sind zu speziell» habe ich oft gehört. Wir müssten die gleichen Chancen bekommen und sollten nicht abgelehnt werden, nur weil wir gefleckt, gepünktelt, gestreift aussehen oder ausländische Namen tragen. Weisse Schauspieler können alles spielen, die können sich auch anmalen, um den Othello zu machen. Warum können wir dann keine Deutschen spielen? Die Intendanten glauben, dass das Publikum ein Problem damit hätte, mich als Rechtsanwalt zu sehen. Ich habe Freunde unterschiedlichster Herkunft, die in Banken oder Versicherungen arbeiten. Im Fernsehen und Theater sieht man die nicht. Es müsste selbstverständlich sein, dass jemand wie ich in dieser Gesellschaft lebt, ohne dass er was mit Yoga oder Ayurveda zu tun hat. Nicht jeder Türke hat einen Dönerladen.
Tuncay Acar wurde als Sohn türkischer Gastarbeiter
Murali Perumal ist im Film mal Inder, mal Deutscher.
in Deutschland geboren. Er ist Veranstalter in der Kul-
Eine seiner ersten Rollen auf der Bühne: Diener.
turszene Münchens.
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Frau Sharifi, was läuft falsch an deutschsprachigen Bühnen? Das Problem ist, dass in den Häusern und im Publikum fast nur Menschen aus der Mittelschicht sitzen. Das Theater wird öffentlich gefördert, aber nur ein kleiner Ausschnitt aus der Gesellschaft nimmt diesen Ort für sich in Anspruch. Diese Leute haben keinen Einblick in das Leben der Menschen, die eine andere Herkunft oder eine Behinderung haben, die arm sind oder denen der Zugang zu Bildung verwehrt wird. Das ist auch eine Generationenfrage. Das Kinder- und Jugendtheater etwa setzt sich häufig über herkömmliche Vorstellungen hinweg. Es ist konfrontiert mit Schulklassen, die Diversität leben, mit Kindern ausländischer Eltern oder aus prekären Verhältnissen. Für junge Leute sind verschiedene Blickwinkel selbstverständlich. Das Erwachsenentheater ist in vieler Hinsicht elitär: in der Sprache, in der Kleidung, in den Normen. Und es unterschätzt sein Publikum. Wir haben seit über 60 Jahren Migration und ein Stadium erreicht, wo das kein Thema mehr sein sollte. Wir sprechen über Menschen, die meist hier geboren sind, die ihren Lebensmittelpunkt hier haben. Was befürchten die Theatermacher denn, was passiert, wenn die auf die Bühne kommen? Dass das Publikum schreiend wegrennt?
Jennifer Mulinde-Schmid ist in Kenia geboren und in
Die Kulturwissenschaftlerin Azadeh Sharifi kam aus
der Schweiz aufgewachsen. Unter anderem trat sie im
dem Iran nach Deutschland. Ihr Forschungsschwer-
Quatsch Comedy Club als «Schwarze Heidi» auf.
punkt ist postmigrantisches Theater.
BILD: ZVG
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BILD: ANDREAS RIEDEL
Frau Mulinde-Schmid, ist Ihre Hautfarbe ein Nachteil im Beruf? Für mich ist es eher ein Vorteil, weil es hier nur wenige schwarze Schauspieler gibt. Ich spiele Rollen für Schwarze und andere Rollen. Aber anfangs war ich tatsächlich immer die Prostituierte, die Adoptierte oder der Flüchtling. Erst am Theater hat man mir überhaupt bewusst gemacht, dass ich anders bin. Im Berner Oberland, wo ich aufgewachsen bin, war meine Hautfarbe nie ein Thema. Aber an den Schauspielschulen hiess es: Geh nach Amerika, hier bist du falsch. Als ich meine erste Rolle in Zürich gespielt habe, wäre ich gern geblieben. Aber sie haben mir gesagt: Wie sollen wir das dem Publikum erklären, dass du dunkelhäutig bist? Man glaubt noch immer, etwas erklären zu müssen, was man längst nicht mehr erklären muss. Inzwischen spiele ich an einem Jugendtheater, und für unsere Zuschauer ist es ganz normal, dass Schwarze und Asiaten auf der Bühne stehen. Ich verstehe aber auch, dass man beim Casting ein gewisses Bild im Kopf hat. Wenn man mir sagt: Da passt eine Schwarze nicht rein – dann ist das eben so. Eine meiner Freundinnen hat rote Haare, die musste anfangs auch immer Hexen spielen. Man darf da keine Trübsal blasen. Wenn die Leute merken, dass man gut spielt, bekommt man auch andere Rollen.
Herr Schwarz, was war an dem SRFSketch rassistisch? In diesem Sketch wurde eine Frau gezeigt, die an Oprah Winfrey erinnern sollte – eine weisse Komikerin, schwarz angemalt, grunzend und dumm. Das ist die Wiederaufnahme des Blackfacing und der Zugriff auf eine rassistische Tradition, die wir nicht tolerieren wollen. Dabei ist ja gerade Oprah Winfrey eine erfolgreiche, selbstbestimmte Frau. Und es wäre eine wunderbare Gelegenheit gewesen, eine schwarze Schauspielerin zu engagieren, die dann eben endlich mal keine Putzfrau spielt. Stattdessen greift man zu einem plumpen, unbewussten Rassismus, gegen den wir mit unserer Anzeige ein Zeichen setzen wollten. Im Grunde ist es aber ein allgemeines Problem am deutschsprachigen Fernsehen und Theater: Hier wird der Geist stets vom Körper getrennt, die Regie und Dramaturgie von den ausführenden Personen. Noch immer steckt da die Idee eines Nationaltheaters dahinter. Die Regie zieht die staatliche Weisung durch und passt auf, dass die Schauspieler nichts tun, was die Normen nicht zulassen würden. Deshalb gibt es kaum emanzipierte Schauspieler – und das ebnet den Boden für Sexismen und Rassismen. Samuel Schwarz dreht Filme und inszeniert Stücke auf deutschen und Schweizer Bühnen. Im Januar hat er das SRF wegen Blackfacing angezeigt.
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Die Kochlehrlinge im Zürcher Restaurant Reithalle sind zufrieden mit ihrer Berufswahl. (Themenbild)
Ausbildung Lehrlinge im Handyzeitalter Die Zahl der Lehrabbrüche sei alarmierend, berichteten Medien unlängst. Ganz so schlimm ist es nicht. Aber Erwartungen und Arbeitsmoral haben sich verändert.
VON MONIKA ZECH (TEXT) UND ROLAND SOLDI (BILD)
In ein paar Wochen ist es wieder soweit: Für viele Jugendliche in der Schweiz ist die obligatorische Schulzeit vorbei, sie stehen vor dem Eintritt in die Arbeitswelt. Nicht alle von ihnen haben eine Lehrstelle. Manche haben sich bereits entschieden, ein zehntes Schuljahr anzuhängen, andere hoffen, in letzter Minute doch einen Ausbildungsplatz zu ergattern. Einigen unter ihnen ist inzwischen egal, für welchen Beruf – Hauptsache, sie finden eine Anschlusslösung und werden nicht
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arbeitslos. Das kann schiefgehen. Jedes Jahr brechen Jugendliche die begonnene Lehre ab, und gemäss den Aussagen aller Beteiligten – von Lehrmeistern über Jugendliche bis zu den Fachleuten aus der Berufsberatung – ist der häufigste Grund die falsche Berufswahl. Daraus folgen ungenügende Leistungen, in der Schule ebenso wie bei der Arbeit. «Die Motivation, sich reinzuhängen, fehlt», sagt Arthur Wälti, Geschäftsführer des Restaurants Schlüssel in Reinach BL und Vorstandsmitglied des Branchenverbands GastroBaselland. Seit 23 Jahren bildet er Köche aus. Auch er hat schon Lehrabbrüche erlebt, wenn auch wenige, SURPRISE 324/14
wie er sagt. «Ich habe relativ lange Geduld.» Solange ihm der Jugendliche das Gefühl gibt, dass er wirklich an dem Beruf interessiert ist, «dass er Potenzial hat». Manche würden den Beruf jedoch mit völlig falschen Vorstellungen antreten. «Sie sehen diese Kochsendungen im Fernsehen. Die Zutaten sind alle vorbereitet, man plaudert und lacht miteinander, da ist null Stress, und die Menüs werden einfach so hingezaubert.» Nein, so sieht der Alltag in der Gastronomiebranche nicht aus, da wird unter hohem Zeitdruck gearbeitet und, um rentabel geschäften zu können, oft mit einem knappen Personalbestand. Hinzu kommen die unregelmässigen Arbeitszeiten.
falschen Berufswahl verleitet. «Viele haben heute generell einen zu kleinen Schulrucksack, um den Anforderungen in der Arbeitswelt zu genügen», meint Leimgruber. Gekoppelt mit diversen individuellen Problemen, die manche Jugendliche sonst noch mit sich herumschleppen, führe das schnell einmal zu Unzufriedenheit – sowohl beim Jugendlichen selbst als auch beim Arbeitgeber. «Kommt hinzu, dass im Handyzeitalter Verbindlichkeit, nicht nur von Jugendlichen, nicht mehr so wichtig genommen wird. Man lebt nach dem Motto: Ein bisschen zu spät oder gar nicht kommen, was soll’s?» Aus all diesen Gründen seien unter den Jugendlichen, die sich an die Beratungsstelle wenden – sowohl Lehrabbrecher als auch Schulabgänger – «viele Beziehungslernende». Solche, bei denen praktische Unterstützung bei der Berufswahl und Lehrstellensuche nicht genügt, sondern die zudem lernen müssen, was Verlässlichkeit, Eigenverantwortung und Selbständigkeit heisst und dabei auf eine individuelle Begleitung angewiesen sind. «Wir konfrontieren sie mit ihren Verhaltensweisen, die zu den Schwierigkeiten geführt haben, und versuchen ihr Bemühen zu unterstützen, diese zu ändern.» Die Beratungsstelle sei denn auch kein «Nest, wo die Jugendlichen verhätschelt werden», sagt Leimgruber. Das bringe sie nicht weiter.
Arbeitswille hat abgenommen Laut Medienberichten vom letzten Dezember ist denn auch diese Branche ebenso wie die Coiffeur- und die Baubranche besonders häufig von Lehrabbrüchen betroffen. Es war die Rede von bis zu 50 Prozent in der Gastronomie, auf alle Branchen verteilt durchschnittlich 30 Prozent. Diese Zahl sei eindeutig zu hoch, sagt jedoch Richard Decurtins, Leiter Nachwuchsmarketing bei GastroSuisse: «Das wäre ja verheerend.» In handwerklich-betrieblichen Berufen sei die Abbruchrate generell höher als bei kaufmännischen, aber in dieser Zahl enthalten seien sämtliche «Auf dem Bau fühlte ich mich fremd» Vertragsauflösungen. Viele der Jugendlichen machten jedoch in einem Simon, Livio, Nicolas und Patrick, die in Wirklichkeit anders heissen, anderen Betrieb weiter (siehe auch Interview Seite 16). Wirklich aussahaben soeben das zwölfwöchige Berufstraining bei «wie weiter?» absolgekräftig, sagt Decurtins, sei die Antwort auf diese Frage: «Wie viele beviert. Alle vier Jugendlichen haben ihre Lehre abgebrochen. Livio und ginnen mit der Lehre, wie viele schliessen sie ab?» Und dann komme Patrick haben wegen zu schlechter Noten in der Schule die Kündigung man auf etwa elf Prozent. 2005 hätten beispielsweise insgesamt 2138 Juerhalten, Simon und Nicolas haben selber und bereits in der Probezeit gendliche in der Schweiz die Lehre als Koch begonnen und 1908 von ihaufgehört – weil sie gemerkt hätten, dass es der falsche Beruf sei. Beide nen hätten drei Jahre später die Prüfung absolviert. hatten die Lehrstelle nicht aus Überzeugung angetreten, sondern weil Und weshalb kommt es zu den offenbar recht häufigen Betriebssie sie kurz vor Schulabschluss «halt grad bekommen haben». Statt Lewechseln? «Meistens wegen zwischenmenschlicher Probleme», sagt bensmitteltechniker zu werden, will Simon nun eine Lehre in der ITDecurtins. Arthur Wälti vom Restaurant Schlüssel wiederum sagt es so: Branche machen. «Das, was ich eigentlich schon immer wollte.» Und «Es gibt Betriebe, die sollten gar keine Lehrlinge ausbilden». Aber der auch Nicolas glaubt jetzt zu wissen, dass ihm ein Gesundheitsberuf besDruck von Wirtschaft und Politik, möglichst viele Ausbildungsplätze zu ser zusagen würde als Elektroinstallateur. «Auf dem Bau fühlte ich mich schaffen, sei eben gross. «Da schaut man dann gerne weg, wenn ein total fremd, das ist nicht meine Welt.» Für Patrick hingegen war die KünUnternehmen häufig Lehrabbrüche zu verzeichnen hat.» Auch Richard Decurtins räumt ein: «Bei über 4000 gastgewerblichen Ausbildungsbetrieben in der Der Druck von Wirtschaft und Politik, möglichst viele AusbildungsSchweiz gibt es sicher ein paar schwarze plätze zu schaffen, ist gross, sagt Ausbilder Wälti: «Da schaut man Schafe, die Lehrlinge als billige Arbeitskräfte ausnutzen.» Aber man arbeite stetig an der gerne weg, wenn ein Unternehmen häufig Lehrabbrüche zu verAusbildungsverbesserung, ein Instrument dazeichnen hat.» für habe man jetzt beispielsweise mit dem Label Qualigastro im Kanton Bern geschaffen. Da digung ein Schock, denn Chemie- und Pharmatechniker hätte ihm gearbeite der Verband eng mit dem Amt für Berufsbildung zusammen. fallen. Die Firma habe ihn allerdings auch ziemlich alleingelassen, als Trotzdem gelte es zu bedenken: «Es gibt Betriebe, vor allem kleine, da seine Noten schlechter wurden. «Und ich konnte die Theorie zu wenig muss jeder anpacken, um die Arbeit bewältigen zu können». Und wenn mit der Praxis verbinden.» Er habe sich nun umentschieden, für eine die Chemie zwischen den Menschen stimme, wenn der Umgang mitLehre im kaufmännischen Bereich. Anders Livio: Er hofft auf eine zweieinander von gegenseitigem Respekt geprägt sei, dann mache auch der te Chance. Er will weiterhin Logistiker werden, und «mir ist jetzt klar, Lehrling mit. Da sieht Arthur Wälti allerdings ein generelles Hindernis: dass ich die Schule ernster nehmen muss». Er habe sich zu wenig Mü«Der Arbeitswille der Jugendlichen hat gegenüber früher abgenomhe gegeben, anderes im Kopf gehabt als das Lernen. Alle vier sind noch men.» Sie seien nicht mehr, wie früher, von Haus aus gewohnt zu arauf der Suche nach einer entsprechenden Lehrstelle, und sie hoffen, beiten. «Oder sich durchzubeissen, wenn etwas mal nicht gerade so diesmal die richtige zu finden. Sich überstürzt für die erstbeste Möggeht, wie man es sich vorgestellt hat», sagt Wälti. Die Jungen könnten lichkeit entscheiden, sagen alle, würden sie nicht mehr. nichts dafür, meint er, das hätten sie von den Erwachsenen: «Auch die ■ geben schnell auf, wenn nicht alles wunschgemäss läuft.» Dazu komme, dass den Kindern alles abgenommen und ständig gesagt werde, wie toll sie seien. «Wenn sie schlechte Noten heimbringen, sind die Lehrer schuld – schuld sind immer die anderen.» «Zu spät kommen, was soll’s?» Walter Leimgruber, Leiter der Jugendberatungsstelle für die berufliche Integration «wie weiter?» des Kantons Baselland, ortet hier ebenfalls ein Problem. Auch er stellt fest, dass unter anderem Selbstüberschätzung, «die häufig von den Eltern alimentiert ist», Jugendliche zu einer SURPRISE 324/14
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Ausbildung «Ein Lehrabbruch ist kein Unglück mehr» Jürg Schneider erklärt die Ursachen der Lehrabbrüche und erzählt, was vor dreissig Jahren anders war. Er ist Leiter Betriebliche Ausbildung Berufsbildung und Berufsberatung des Kantons Baselland.
Herr Schneider, gemäss Medienberichten wurden im Jahr 2012 rund 30 Prozent der Lehrverträge aufgelöst. Warum diese hohe Zahl? Zunächst: Trau niemals einer Statistik, die du nicht selber gefälscht hast. Diese 30 Prozent kann ich mir nur erklären, wenn alle Vertragsauflösungen auf die Neueintritte im ersten Lehrjahr gezählt wurden und man zudem nicht berücksichtigt hat, dass viele dieser Lehrabbrüche keine wirklichen Abbrüche sind. Denn oft führen die Jugendlichen ihre Ausbildung auf einem anderen Niveau oder die gleiche Lehre in einem anderen Betrieb weiter. Nimmt man die Gesamtlehrverhältnisse, kommt man auf gut zehn Prozent aller Abbrüche. Diese Zahl ist die letzten Jahre ziemlich konstant, im Vergleich zu vor 30 Jahren aber bedeutend höher. Gibt es eine Erklärung dafür? Das ist auf die gesamtgesellschaftliche Entwicklung zurückzuführen. Als ich Anfang der Siebzigerjahre selber Lehrling war, galt die Regel: Man macht eine Lehre, Punkt. Sofern man nicht ins Gymnasium ging. Und: kein Gymnasium, kein Studium. Heute ist das schweizerische Berufsbildungssystem viel durchlässiger geworden. Dank dem neuen Bildungsgesetz von 2004 gibt es keine Sackgasse mehr, selbst für schwache SchulabgängerInnen nicht. So wurde die bisherige Anlehre ohne verbindlichen Abschluss durch die Eidgenössische Attestlehre (EBA) ersetzt. Dieser Abschluss bedeutet Anschluss, mit diesem Abschluss kann jemand weitergehen: Berufslehre mit eidgenössischem Fachzeugnis, Berufsmatur, Fachhochschule, Uni – alles ist möglich. Rund 40 Personen in den beiden Basel treten jährlich über den Weg der Berufslehre in die Uni ein. Und was meinen Sie mit der «gesamtgesellschaftlichen Entwicklung»? Man ging früher davon aus, dass man einen Beruf fürs Leben lernt. Diese Vorstellung war eine unheimliche Belastung. Heute verlangt die Wirtschaft Flexibilität, und so ist alles fle-
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xibler geworden. So sagt sich mancher Jugendliche, der mit seinem gewählten Beruf unzufrieden ist: Wieso soll ich durchhalten, wenn es andere Möglichkeiten gibt? Ein Lehrabbruch ist kein Unglück mehr, nicht mehr Schreckensszenario. Zudem ist alles in unserer Gesellschaft unverbindlicher geworden, man hält sich möglichst vieles offen. Das sehen die Jugendlichen bei den Erwachsenen und denken, wieso soll das nicht für uns gelten? Müssen sich die Jugendlichen heute zu früh mit der Berufswahl auseinandersetzen? Nein. Die Berufswahl kann nicht früh genug einsetzen, sie wird schon in der siebten und achten Klasse vertieft thematisiert, und ich finde dies gut so. Jugendliche kriegen im heutigen Internetzeitalter sowieso alles viel früher mit. Es gibt auch Lehrkräfte, die Ende der Primarschule Berufe thematisieren. So erhalten schon die Kinder Einblick in die Arbeitswelt. Sind die heutigen Jugendlichen zu faul, zu verwöhnt, wie man oft – auch von Lehrmeistern – hört? Es mag sein, dass einige Betriebe schlechte Erfahrungen gemacht haben. Selbstverständlich ist die Erziehung heute eine andere als früher, nicht mehr so autoritär. Zudem haben sich die Wertvorstellungen gewandelt. Da gibt es sicher Jugendliche, die es nicht so genau nehmen mit der Pünktlichkeit oder mit Absenzen. Wir stellen fest, dass viele Betriebe keine Zeit oder Lust haben, nachzuerziehen, sich wegen Zuspätkommens und Blaumachens lange rumzuärgern. Auch da zeigt sich der Trend zur erwähnten Unverbindlichkeit. Die Bereitschaft, Fachkenntnisse zu vermitteln, ist grundsätzlich hoch, diejenige zur Nacherziehung tief. Macht es sich die Arbeitgeberseite zu einfach? Das würde ich so nicht sagen. Der wirtschaftliche Druck hat enorm zugenommen. Wer sich auf dem Markt behaupten will, hat zwei Möglichkeiten: entweder über den Preis oder über die Qualität. Die Schweizer Wirtschaft kann eigentlich nur auf die Qualität set-
BILD: ZVG
INTERVIEW VON MONIKA ZECH
zen. Und da steht sie im Vergleich zum Ausland super da. Vor allem wegen der Berufslehre. Die Berufslehre hat denn auch immer noch einen sehr hohen Stellenwert bei den Jugendlichen, dieser hat seit der flexibel gestalteten Ausbildung sogar zugenommen, sicher nicht abgenommen. Der Berufsstolz ist gross. Aber offenbar nicht in allen Branchen. Gemäss Statistik kommt es beispielsweise in der Gastronomie häufiger zu Lehrabbrüchen als im kaufmännischen Bereich. Auch haben es einige Berufsstände schwerer als andere, Lehrlinge zu finden. Je niederschwelliger der Einstieg, desto häufiger sind Lehrabbrüche. Zum einen hat der Jugendliche die Wahl nicht getroffen, weil es sein Berufswunsch war, sondern weil er keine andere Möglichkeit sah oder hatte. Zum anderen hat der Betrieb dann wahrscheinlich eben auch einen Lehrling, dem es an Motivation fehlt. Und ja, letztlich haben manche Berufe ein Imageproblem – bei Jugendlichen, aber auch bei Erwachsenen. Bei Familien mit Migrationshintergrund ist das Ansehen eines handwerklichen Berufs manchmal schwierig zu vermitteln. Sie kennen die Berufslehre nicht. In ihrer Heimat nimmt einer, der sich beispielsweise mit Malen das Geld verdienen will, einfach einen Pinsel zur Hand. Der Malerberuf hat deshalb für sie kein Prestige, für sie bedeutet Aufstieg höhere Schulbildung oder mindestens ein Büroberuf. ■ SURPRISE 324/14
Shareconomy Tausch dich glücklich Im Netz wird schon lange alles geteilt: Bilder, Filme, Musik. Nun hat die Tausch-Philosophie auch Einzug in den Alltag gefunden. Benutzen statt Besitzen, lautet die Devise. Aber macht Tauschen wirklich glücklich, wie «Shareconomy»-Enthusiasten behaupten? Ein Selbstversuch.
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VON MANUELA DONATI (TEXT) UND LUC-FRANÇOIS GEORGI (BILDER)
komme ich durch «Tauschen am Fluss» ans Ziel. Ursula Marx kann mir Kurt Schwegler vermitteln, der die Haken professionell und schnell in meine Wand bohrt. Und ich muss den Tausch-Enthusiasten recht geben: Dank meiner Tausch-Bekanntschaft habe ich das Geld gespart, das ein neuer Bohrer gekostet hätte, und weil kein weiteres Gerät unterbenutzt in meinem Schrank herumliegt, war die ganze Aktion auch umweltschonend. Ausserdem habe ich dank «PumpiPumpe» und «Tauschen am Fluss» neue Bekanntschaften gemacht. Tauschgesellschaft versus Marktwirtschaft: eins zu null fürs Tauschen, lautet mein erstes Fazit. Es ist eine Generationenfrage, einmal mehr. Die heute 50- bis 60-Jährigen sind die erste Generation, in der es eine breite Masse zum Wohlstand gebracht hat. Ein übervoller Kühlschrank und eine Ansammlung aller möglichen Gegenstände für alle möglichen Gelegenheiten bedeuten für sie Sicherheit und Luxus gleichermassen. Ihre Kinder hingegen kennen keine Konsumängste, im Gegenteil. Ihre Prämisse: Weniger ist mehr. Denn ganz nach der Logik, dass eine Generation sich immer genau gegen das wehrt, was sich die Generation vor ihr mühsam erarbeitet hat, wollen viele Mittzwanziger heute weder Sicherheit noch Besitz. So reisen etwa digitale Bohemiens nur mit ihren Laptops und wenigem
Ich besitze keinen Bohrer. Aber zwei Design-Garderobenhaken – farbig und in Form von Tierköpfen. Sie sind genau das, was ich brauche. In meinem Flur fehlt nämlich eine anständige Garderobe. Bisher habe ich mich immer darauf verlassen, dass ein Mann in meinem Umfeld – Vater, Freund, WG-Mitbewohner – eine grosse Werkzeugkiste besitzt, mit all dem darin, was ich zwar nicht bedienen kann, aber vielleicht einmal benötige. Nun beschliesse ich, das Problem «Haken in die Wand» ganz nach dem Motto «Selbst ist die Frau» zu lösen. Ich frage in meinem Freundeskreis herum. Doch erstaunlicherweise gehört ein Bohrer bei meinen – wohlgemerkt nicht ausschliesslich weiblichen – Freunden nicht zur Grundausstattung. Ich überlege kurz, mir einen Bohrer zu kaufen. Doch der Preis schreckt mich ab, ausserdem will ich nicht noch ein weiteres Elektrogerät, das im Schrank verstaubt. Also muss das Internet her. Im Netz der unbegrenzten Möglichkeiten muss schliesslich ein Bohrer zu finden sein. Nach einigen Klicks stosse ich auf «PumpiPumpe». Die Organisatoren setzen sich gemäss eigenen Worten ein für einen «bewussten Umgang mit Konsumgütern und mehr soziale Interaktion in der Nachbarschaft». Deswegen haben die drei Initianten ein System Viele Mittzwanziger wollen heute weder Sicherheit noch Besitz. entwickelt, mit dem seit 2012 mittels Kleber an So reisen digitale Bohemiens nur mit ihren Laptops durch die Briefkästen kommuniziert werden kann, welWelt und entsagen dem Horten von materiellen Dingen. che Gegenstände in einem Haushalt ausgeliehen werden können. Begeistert bestelle ich Hab und Gut – dieses selbstverständlich in trendy Designertaschen verSticker und zeige meinen Nachbarn, was ich zu bieten habe: Mixer, Gupackt – durch die Welt und entsagen dem Horten von materiellen Dingelhupfform, Wok und Ping-Pong-Schläger. Zwei Wochen lang passiert gen. Was sie brauchen, wird im Netz beschafft, egal ob es sich dabei um nichts, dann spricht mich eine Nachbarin im Treppenhaus auf die «lusUnterhaltung, einen Schlafplatz, einen neuen Partner oder ein Küchentigen Bildli» an. Sie will sich zwar nichts von mir ausleihen, lädt mich gerät handelt. Mit nur einem Klick kommt man an das Objekt der aber zum Kaffee ein. Wir wohnen schon zwei Jahre im selben Block, Begierde – und das meistens auch noch, ohne Geld auszugeben. aber erst jetzt lerne ich meine Nachbarin über ein paar beiläufige Worte hinaus kennen – das zwar ohne Tauschgeschäft, aber dank «PumpiBesuch aus der Slowakei Pumpe». Der Tauschprozess funktioniert nach einem klar bedürfnisorientierImmer noch auf Bohrersuche, stosse ich ein paar Klicks später auf ten und demnach ökonomischen Prinzip: Ich will etwas – wenn auch «Tauschen am Fluss». Im Zürcher Gemeindezentrum Wipkingen kann nicht für immer, sondern nur für eine gewisse Zeit. Genau damit passt an sogenannten Tauschtreffs alles Mögliche angeboten und getauscht der Tauschhandel bestens in unsere Zeit, die geprägt ist von Unverwerden. Also auf nach Wipkingen. Bei meinem Besuch zeigt sich: Das bindlichkeit. Alles ist temporär: Beziehungen, Wohnungen, Jobs. Denn Angebot ist tatsächlich breit. Eine Frau möchte Schachteln nach Hamangehäufter Besitz macht unflexibel und bedeutet Stillstand. Doch abburg transportiert haben und bietet im Gegenzug Tomatensetzlinge an. gesehen von dieser grossen Freiheit: Macht «Shareconomy», wie die Jemand anderes braucht Unterstützung bei Photoshop und kann dafür Tauschindustrie auch genannt wird, wirklich so glücklich, wie ihre Beals Guide durch das Allgäu gebucht werden. Auch Bibel-Kurzfassungen, fürworter plädieren? Ist es tatsächlich billiger, umweltschonender und Honig aus der Provence und Kartenlegen werden feilgehalten. Mein Anfördert es den sozialen Austausch? gebot – Schwedischkenntnisse – scheint gemäss dem ersten Feedback Beim Thema Tauschgesellschaft gibt es kein Vorbeikommen an der rund 30 Anwesenden nicht so der Renner zu sein. «Couchsurfing». Die Plattform wurde 2003 mit der Absicht gegründet, Mitgliedern auf der ganzen Welt kostenlos eine ÜbernachtungsmöglichKurt kann bohren keit anzubieten und brachte die Tausch-Industrie mit ins Rollen. Schon «Tauschen funktioniert nicht wie das Einkaufen in einem Warenhaus im Sommer vor einem Jahr hatte ich mich bei «Couchsurfing» angemeloder bei eBay», tröstet mich die «Tauschen am Fluss»-Organisatorin Urdet. Mir gefällt die Idee, Gäste zu beherbergen und ihnen meine Stadt sula Marx. Es brauche Zeit, und oft entstehe der Austausch nur durch zu zeigen. Ausserdem spielte ich schon lange mit dem Gedanken, alleieinen persönlichen Kontakt. Man braucht also Geduld – etwas, das in ne zu verreisen. «Couchsurfing» bietet eine ideale Gelegenheit, neue unserer durchorganisierten Gesellschaft die wenigsten haben. Doch laut Kontakte zu knüpfen und nicht alleine in der Hotellobby sitzen zu müsMarx lohnt sich das Warten: «Es entsteht ein persönliches Erlebnis, der sen. Mein erster Besuch ist Nina, Künstlerin aus der Slowakei. Wir trinTausch ist viel mehr als eine Stunde Fensterputzen.» Auch wenn ich ken zusammen ein Glas Wein auf meinem Balkon und sie erzählt mir in mich mit meinen Schwedischkenntnissen wie eine Ladenhüterin fühle,
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Tauschen macht glücklich: Kurts Bohrer (siehe Seite 17) bringt die Garderobenhaken unserer Autorin in die Wand.
sich dank Tauschnetzwerken wie «PumpiPumpe» und «Tauschen am holprigem Englisch von ihren Installationen. Dann legt sie sich auf mein Fluss» ein «Bewusstsein für die sinnvolle Nutzung von Konsumgütern» Sofa, und noch vor mir ist sie am nächsten Morgen aus dem Haus und einstellt, wie «PumpiPumpe»-Initiantin Lisa Ochsenbein festhält, umso verschwunden. Ihr Besuch ist unkompliziert verlaufen und war angenehm, aber eine Freundschaft fürs Leben ist daraus nicht geworden. Und nach SightseeingNico hat gerade Streit mit seiner Freundin – pikanterweise weil Tipps hat sie mich auch nicht gefragt, dabei diese ihm vorwirft, immer nur weibliche Couchsurfer einzulahätte ich ihr gerne mein Lieblingscafé gezeigt. den. Peinlich berührt fliehe ich in die Bar um die Ecke. Etwas ernüchtert entschliesse ich mich, selbst eine Couch zu suchen. Ich will eine Freundin besser. Allerdings ist es um einiges einfacher, schnell die Karte zu besuchen, die ausserhalb von München wohnt. Viel zu umständlich, jezücken und für etwas zu bezahlen. Bei einem Tausch lässt man sich auf des Mal den Bus zu ihrem Dorf zu nehmen, deshalb will ich mich für Unbekanntes ein. Wer weiss, wie akkurat der bohrwillige Tauschpartner zwei Nächte auf Nicos Sofa einquartieren. Er wohnt mitten im Szeneist und ob er nicht vielleicht lieber von seinem Haustier erzählen möchViertel Schwabing und hat gemäss «Couchsurfing» schon viele «Surfer» te, als die Garderobe an die Wand zu bringen. beherbergt. Ob jemand einen Bohrer kauft oder ertauscht und im Hotel oder gratis auf einem fremden Sofa übernachtet, bleibt jedem selbst überlassen. Betrunken auf dem Doppelsofa Doch dass klassische Freundschaftsdienste wie Kisten schleppen oder Leider geht auch dieses Experiment ein bisschen in die Hose. Nico Hilfe bei technischen Fragen plötzlich eine Art Marktwert erhalten, ist hat nämlich gerade Streit mit seiner Freundin – pikanterweise weil dieeine traurige Entwicklung – neue soziale Kontakte hin oder her. Diese se ihm vorwirft, immer nur weibliche Couchsurfer einzuladen und mit Entwicklung beweist einmal mehr: Nutzenmaximierung ist das oberste diesen dann bedeutend mehr Zeit zu verbringen als mit ihr. Peinlich beGebot in allen Bereichen unserer Gesellschaft. Dabei zeigt sich der wahrührt fliehe ich in die Bar um die Ecke. Als sich aber in der Nacht ein re marktwirtschaftliche Charakter der vermeintlich so ressourcenschobetrunkener Kumpel von Nico durchaus nicht davon abhalten lässt, nenenden und alternativen Tauschindustrie. Und zu aller Überraschung ben mir auf dem Doppelsofa (immerhin) zu schnarchen, nehme ich am unterscheidet er sich nicht im Geringsten von der Konsumindustrie. Nur nächsten Morgen Reissaus. Klar, ein Hotelbett muss man bezahlen. Dadass es nicht mehr um Haben, sondern um Kriegen geht. für aber nicht mit ungebetenen Gästen teilen. In meinem «Couchsur■ fing»-Fall geht der Punkt klar an die Marktwirtschaft. Und nun – tauschen oder kaufen? Eine eindeutige Antwort gibt es wohl nicht. Dass es bestimmt billiger und meistens auch umweltschowww.tauschenamfluss.ch nender ist, Gegenstände nur zu nutzen, liegt auf der Hand. Und wenn www.pumpipumpe.ch SURPRISE 324/14
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Poesie Gott und die Henne Ein Poet auf der Flucht: Der Autor dieser Zeilen hat seine Heimat Iran verlassen und sucht Asyl in der Schweiz. VON MORTEZA FARAHMAND (GEDICHTE) UND TOM HÄNSEL (ILLUSTRATION)
Hier kann man die Sterne sehen Hier kann man die Sterne sehen Hier weint kein Kind Hier lachen auch Frauen Hier ist nicht Iran Hier geht das Lächeln zum Himmel Bald würden wir es herausfinden, Platane und ich Sie weiss, wo der Wind eingeschlafen ist Sie weiss, wo das Wasser sich auf den Weg macht Sie weiss, wie die Jauche verschwindet Sie kennt sich mit Wunden gut aus Sie sah vor tausenden Jahren, wie eine Libelle in meinem Mutterland ausstirbt Während Spatzen keinen Hunger haben Das ist nah Wir erheben ein Blatt, von dem die Geschichte uns anschaut Wo der Dichter sich wieder vom Tod erholen kann Ich sterbe Tag für Tag Hier sind Mönchsgeier meine Bestimmung Hier blühen Friedhöfe Hier zeichnen Kinder die Erinnerungen der Toten Hier sind wir alle tot geboren Hier ist Iran Glaubst du nicht Frag mich mal
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Als ich noch ein Kind war Als ich noch ein Kind war Kam auf einmal der Winter Und ging nicht mehr Mein Auge kann sich gut daran erinnern Als in meinen Ohren arabisch getuschelt wurde
Das Beil Ich lachte stundenlang über die Interpretation, dass die Henne nach dem Trinken Gott dankt Oder über die Rechtgläubigen, die den stehenden Zustand der Äste als Gebet betrachten Das wundert mich nicht
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Morteza Farahmand, geboren 1982, wuchs in Teheran auf. Seit vier Jahren lebt er als Asylsuchender in der Region Basel. Er interessierte sich bereits jung für Politik und Poesie. Mit 17 wurde er an einer regimekritischen Demonstration erstmals verhaftet. Nach den Protesten der «Grünen Bewegung» im Jahr 2009 sass er erneut für Monate im Gefängnis, bis er während eines Hafturlaubs fliehen konnte. Über die Türkei gelangte Farahmand nach Athen, wo er ein Asylgesuch stellen wollte. «Doch der Richter lachte mich aus», sagt er. Nach einer Odyssee durch mehrere Länder landete er im Mai 2010 in der Schweiz. Vom Staat erhält Farahmand seit Ende 2013 lediglich neun Franken Nothilfe pro Tag. Sein erstes Asylgesuch in der Schweiz wurde abgelehnt, derzeit arbeitet er an einem Antrag auf Wiedererwägung. Dazu setzt er, wie schon beim ersten Gesuch, auch auf seine Gedichte und Geschichten: «Sie sollen helfen, dass die Behörden meine Situation verstehen.» Mithilfe einer Bezugsperson in der Schweiz übersetzte er sie auf Deutsch. In seinem literarischen Werk verarbeitet Farahmand die Situation in seiner Heimat. «Das religiöse Regime hat ein absolutes Denkverbot verordnet», sagt er, der sich selbst als konfessionslos bezeichnet. Viele seiner Verse handeln von der Religion. Von den Geistlichen, die Neugeborene auf Arabisch segnen, der Sprache des Korans. Oder von der verbreiteten Ansicht, ein Huhn strecke nach dem Trinken seinen Kopf in die Höhe, um Allah zu danken. Selbst die Bäume beten im Iran mit ihren Ästen Allah an. (ami)
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BILD: ZVG
Fremd für Deutschsprachige Pippi Kurzstrumpf Shakespeare hat mal gesagt: «Wenn du den Eindruck hast, dass das Leben Theater ist, dann such dir eine Rolle aus, die dir so richtig Spass macht.» Doch so leicht und spielerisch das klingt, so schwierig ist die Umsetzung. Die Rollensuche beginnt nicht bei null, landen wir doch bei der Geburt in einem bestimmten Körper, einer Familie, einem Staat. So hätte manch eine von uns vielleicht Spass an der Rolle des Firmenbosses, kriegt aber die der Immigrantin, die sein Büro putzt. Wir können ja nicht alle die Hauptrolle spielen. Und dies gilt, wie mir jüngst beim Pippi-Langstrumpf-Spielen demonstriert wurde, bereits im Kinderspiel. Wir waren zu dritt, die vierjährige Blerta, ihr zwei Jahre älterer Bruder Dritan und ich, die Babysitterin. Gerade die
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richtige Anzahl Darsteller, um Pippi und ihre beiden Freunde Tommi und Annika zu spielen. Schnell wurde klar, dass die Rollenverteilung nicht konfliktfrei ablaufen würde. Der Aufruhr brach los, als Dritan, anders als von Blerta vorgesehen, nicht die Rolle des Tommi, sondern lieber die der Pippi spielen wollte. Blerta aber hatte schlagende Argumente vorzubringen, die für sie als Pippi sprachen: Erstens sei sie ein Mädchen, genau wie Pippi und zweitens habe sie überhaupt erst die Idee zum Spiel gehabt! Dritan hielt dem entgegen, ihm als Ältestem stehe es zu, als Erster zu wählen. Zwar widersprach ich an der Stelle, war ich doch in dieser Kategorie nicht zu schlagen von meinen Mitspielenden. Ich merkte jedoch bald, dass ich als Erwachsene nicht die selben Rechte genoss wie die beiden – und wurde mit der Rolle der Annika abgespeist. Als ich meinte, jede der Figuren sei ja cool auf ihre Art und Weise, schüttelten sie entschieden die Köpfe. Zumindest in einer Sache waren sie sich einig: Annika ist auf jeden Fall die «Dööfste» von allen. Nachdem also die Rangordnung der Rollen und meine niedrige Position darin geklärt waren, führten sie ihren Kampf um die beiden Spitzenplätze fort. Schon nach kurzer Zeit hatte Dritan Blertas erstes Argument erfolgreich entkräftet: «Auch ein Junge kann Pippi sein, gäll Shpresa?». Im Handumdrehen verlieh mir Dritan meine angestammten Erwachsenenrechte wieder und spielte geschickt meine
längst durchschaute Geschlechtergleichheitsideologie zu seinem Vorteil aus. Doch das hiess noch nicht, dass Blerta ihm die Pippi-Rolle überlassen würde. Beide blieben stur, und als der Streit ins Brachiale umzuschlagen drohte, schritt ich mit einer, wie ich fand, tollen Idee ein: Warum nicht einfach beide Pippi spielten? Dritan könnte ja Pippi Kurzstrumpf sein, Pippis Cousine, die lange Zeit mit ihrem Piratenschiff auf Reisen gewesen und nun endlich wieder zuhause eingefahren sei! Er war begeistert, fing sofort an, den Schrank nach bunten Socken zu durchsuchen und schlug grosszügig vor, ich könne ja auch gleich eine Pippi sein, eine dritte Cousine von irgendwoher. Doch Blerta freute sich gar nicht über den Lauf, den die Sache genommen hatte. Sie pochte wütend auf den Ernst des Spiels und deklarierte aus vollem Hals: «Es kann nur eine Pippi geben!» Also, wir können nicht alle die Hauptrolle spielen. Nur schon deshalb, weil wir sonst den Auserwählten mit den kräftigen Stimmbändern den ganzen Spass an ihrer Rolle verderben.
SHPRESA JASHARI (SHPRESAJASHARI@HOTMAIL.COM) ILLUSTRATION: RAHEL NICOLE EISENRING (RAHELEISENRING.CH) SURPRISE 324/14
Auawirleben Bern als Feldexperiment In Bern soll während des Theaterfestivals «Auawirleben» alles infrage gestellt werden, und zwar dank den Sozionauten. Die sind dazu da, Grenzen zu überschreiten und mit Konventionen zu brechen. Nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Alltag.
Spätestens seit den Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden ist klar, dass fast alle Spuren, die irgendwo hinterlassen werden – sei es im virtuellen Datenspeicher, sei es im eigenen Haushalt – aufgezeichnet und gesammelt werden. Die Privatsphäre ist angegriffen, denn sie scheint von öffentlichem Interesse zu sein. «Von öffentlichem Interesse» lautet auch das diesjährige Motto des zeitgenössischen Theatertreffens Auawirleben, das bereits zum 32. Mal in Bern ausgetragen wird. Ziemlich früh kristallisierte sich der Themenkomplex im Spannungsfeld zwischen Privatheit und Öffentlichkeit heraus, sagt Nicolette Kretz, die gemeinsam mit Beatrix Bühler für das Festivalprogramm verantwortlich zeichnet. «Sobald wir vier bis fünf Produktionen beisammen haben, schauen wir, was diese gemeinsam haben, welche Querverbindungen es gibt, und überhaupt: was für ein Thema in der Theaterwelt gerade virulent ist.» Denn hoffentlich sei dies auch ein Thema, das in der Gesellschaft gerade virulent sei. 14 Produktionen sind am Auawirleben zu sehen. Meist sind es eingeladene, internationale Produktionen, doch finden sich auch Koproduktionen im überaus reichhaltigen Programm. Eine solche Koproduktion ist die «SoSA», was für «Social Space Agency » steht. Hinter diesem Projekt stecken der Finne Pekko Koskinen und die Berner Gruppen das schaubüro und Tobak Lithium, die sich vor einem Jahr im Rahmen eines Auawirleben-Workshops kennenlernten. Nun haben sich die fünf Künstlerinnen und Künstler zum Ziel gesetzt, den sozialen Raum neu zu erforschen, Konventionen und starre Verhaltenskonzepte zu hinterfragen und zu verändern – mit eigenen Aktionen, aber auch mit «Crash-Kursen», die auch andere zu sogenannten Sozionauten und Sozionautinnen ausbilden sollen. So heissen die spielerischen Grenzüberschreiter, die Feldexperimente und Aktionen durchführen. Als mögliches Beispiel nennt Tobak-Lithium-Mitglied Miko Hucko das Konzept des Bestellens in einem Restaurant. «Man könnte Wörter, die Stimmungen wiedergeben, auf einen Zettel schreiben, und diesen der Servicefachkraft aushändigen. Diese würde dann anhand der Begriffe auf dem Zettel ein Gericht für mich auswählen.» Damit werde eine vertraute Konvention verfeinert: «Denn man wählt ja im Restaurant das Menü nach seiner Stimmung aus. Und es geht auch darum, dass man der Servicefachkraft vertraut», so die 26-jährige Hucko, die mit ihren «SoSA»-Gefährten für drei Wochen in der Stadt Bern als Sozionautin hausen wird. Während des zwölftägigen Theatertreffens finden täglich Rekapitulations- und Planungssitzungen statt, die allen Interessierten offenstehen. Ziel sei es, möglichst viele Neumitglieder zu gewinnen, damit die SURPRISE 324/14
BILD: PEKKO KOSKINEN
VON BENEDIKT SARTORIUS
Hinterlässt Spuren in der Stadt Bern: das Wappen der «Social Space Agency».
Grundidee des spielerischen Veränderns auch nach dem Abzug der «SoSA» weiterlebt. Nicolette Kretz schätzt am interaktiven Theater der «Social Space Agency», dass sie einen offenen Ansatz pflegt: «Partizipative Theateransätze sind immer dann schwierig, wenn man merkt, dass der Performance-Mensch ein klares Ziel vor Augen hat. Und das ist hier überhaupt nicht so.» Neben den Feldexperimenten, die allesamt kostenlos sind – darunter auch Stadttouren durch «mögliche Berns» –, werden von der «SoSA» auch Preise verliehen: Der «Pioneer Award» geht an die «sozionautischsten Köpfe, Räume und Orte» Berns. Es sind Orte und Personen, die besonders gut darin sind, Grenzen zu überschreiten. So steht etwa die Videoapotheke Dr. Strangelove auf der «Forschungsliste» – ein Lokal, in dem man sich nicht sicher sei, was es eigentlich darstelle, und das mit den Normen und Konventionen breche. Ebenfalls auf der Liste: Der Berner Surprise-Verkäufer Kumar, weil er immer wieder neue Techniken ausprobiert, um die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden auf sich zu lenken. Dabei hat er überhaupt keine Angst, mit sozialen Konventionen zu brechen: Im Pendlerstrom fällt er sofort auf – auch dank dem YBFussballfanschal und einer Präsenz, die im öffentlichen Raum selten ist.
«Auawirleben» – Zeitgenössisches Theatertreffen Bern: Mi, 7. bis So, 18. Mai, verschiedene Spielorte in Bern. www.auawirleben.ch
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BILD: ZVG BILD: ZVG
Kultur
Ein Buch schwebt über der Fantasielandschaft.
Der eine wandert, der andere migriert. Aber es gibt Parallelen.
Buch Wundertüte
Festival Romantik versus Realität
«If I Were A Book» entführt uns mit so schlichten wie schönen Sätzen und Bildern in die magische Welt der Bücher.
Regisseurin Ursina Greuel hat das romantische Bild des Wanderers mit Geschichten von Asylsuchenden verknüpft. Zu hören und sehen im Musiktheater «Nach Lampedusa», das am Basler Festival «reinhören» gastiert.
VON CHRISTOPHER ZIMMER
Alles an diesem Buch ist eine Wundertüte. Etwa, dass es kurz nach Erscheinen bereits als Zweitauflage angekündigt werden musste, weil die erste Auflage in Windeseile verkauft war. Oder dass es ein aussergewöhnliches Gemeinschaftswerk von Vater und Sohn ist, bei dem sowohl der Text (in einfachem Englisch) von José Jorge als auch die Bilder von André Letria für sich allein bestehen können, weil sie, so kurz und schlicht sie sind, weite Fantasielandschaften öffnen. Und auch Erinnerungsräume, an eigene Erlebnisse und Wünsche, an Träume, die sich schon damals, in der Kindheit, von keinen Grenzen aufhalten liessen und das auch noch heute nicht zulassen. Das fängt ganz unscheinbar an: Da liegt ein Buch auf einer Bank, und ein Mann, der vorbeigeht, sieht es und … schon folgt ein Wunder auf das nächste, wird das Buch Seite für Seite mit Leben erfüllt, entfalten sich Möglichkeiten wie Abenteuer, wie Gedichte, aber auch wie leise Revolten. Da wird das Buch zum Zelt für heimliche Lesestunden im Schein einer Taschenlampe und zum magischen Objekt, das alles sein kann: ein wildes Tier und der beste Freund, eine Treppe, die ins Bodenlose oder ins Endlose führt, oder ein Tresor, der alle Geheimnisse birgt und alle Schätze verheisst. Und wundertütenhaft poetisch ist es dort, wo das Buch zum Wolkenkratzer in der Stadt der Wörter wird, zum Papierdrachen am Himmel, zu einem duftenden Strauss an einem endlosen und unvergleichlichen Tag oder voller Gedichte, die die Nacht erhellen. Aber das Buch kann auch anders, kann aufbegehren: gegen die Ignoranz, gegen das Lesen als Pflicht, gegen Gewalt. Nicht laut, sondern leise, nicht mit Waffen, sondern mit Bildern, die es schenkt und in uns öffnet. Und da ist sie, die vielleicht schönste Wundertüte: Denn es ist eigentlich nicht das Buch, sondern wir sind es, die wünschen, all das zu sein, wenn wir ein Buch wären. Und wie durch ein Wunder fallen alle Grenzen, und wir werden zum Buch und das Buch zu uns, und gemeinsam gehen wir von Wunder zu Wunder – so wie es in der Kindheit war und wie es auch heute noch jederzeit möglich ist. José Jorge Letria (Text), André Letria (Illustrationen): If I Were A Book. Chronicle Books 2014. 19.90 CHF
VON MICHAEL GASSER
Gegen eine Kunsteisbahn auf dem Basler Münsterplatz gab es heftigen Widerstand, nicht aber gegen einen temporären Musikpavillon. Der Verein Pro Münsterplatz zeigte sich umsichtig, lobte prophylaktisch die «Schönheit des denkmalgeschützten Ensembles» und veranstaltet nun mehrstündige Musikperformances auf dem Platz – unter dem Obertitel «reinhören». Zu sehen gibt es etwa eine auf den Event zugeschnittene Adaption von «Nach Lampedusa – Wandererfantasien», einem Musiktheater von Regisseurin und Schauspielerin Ursina Greuel, Sänger Daniel Hellman und Pianist Samuel Fried. Das Stück spiele sowohl mit Schuberts Klavierstück als auch mit dem romantischen Bild des Wanderers, der unterwegs ist und sich überall als Fremder fühlt, sagt Greuel: «Über die Liedtexte stellt sich eine Verbindung zur harten Realität von Asylsuchenden her.» Kernpunkt von «Nach Lampedusa» sei das Erzählen von Geschichten, zumal auch Asylsuchende gut, sprich glaubwürdig, erzählen müssen, wie die Baslerin betont. «Von der Glaubwürdigkeit ihrer Geschichten hängt der Entscheid ab, ob ihr Asylgesuch angenommen wird.» Zur Vorbereitung haben Greuel und Hellman Akten gewälzt und Interviews mit Betroffenen geführt. Einiges aus dem Gelesenen und Gehörten ist ins Stück eingeflossen, natürlich anonymisiert. «Mir ist klar, dass nicht alles, was Asylsuchende angeben, der Wahrheit entspricht», sagt die 42-Jährige. «Zum Beispiel wissen viele etwa nicht, wann sie geboren sind, und geben halt mal irgendein Datum an.» So entstehen Ungereimtheiten, die gegen sie verwendet werden können: «Befrager und Befragte sprechen nicht dieselbe Sprache, und das auf mehreren Ebenen.» «Nach Lampedusa» will die Menschen hinter den Aktennotizen zeigen und zu guter Letzt auch auf konkrete Handlungsmöglichkeiten hinweisen: Mit den Mitteln des Musiktheaters will man Begegnungen mit Asylsuchenden – die im Alltag von der Bevölkerung abgeschottet werden – ermöglichen. «reinhören»: So, 11. bis Do, 22. Mai, Münsterplatz Basel. www.reinhoeren.ch «Nach Lampedusa»: Do, 8., Sa, 10., So, 11. Mai, Neues Theater am Bahnhof, Dornach. www.matterhorn.li
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BILD: ISTOCKPHOTO
Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.
Karamell, Zitronensaft, Erdbeeren: Der Spargel lässt sich gut paaren.
Piatto forte Elfenbein für den Gaumen Spargel, Bärlauch, Erdbeeren: So langsam wird es auch in der Küche Frühling. VON TOM WIEDERKEHR
Obwohl der Spargel eines der beliebtesten Saisongemüse ist, wissen wir nicht, woher er stammt. Gegessen haben ihn offenbar schon die alten Ägypter, aber wie er dorthin kam und von dort zu uns, bleibt unklar. Zumal der Spargel am besten in Gegenden gedeiht, wo der Boden im Winter gefriert. Verzichten wir also dieses Mal auf kulturgeschichtliche Hintergründe und widmen uns gleich dem Kauf und der Zubereitung: Die Farbe des Spargels hängt davon ab, wie viel Licht die Pflanze abbekommt – ganz weisser Spargel wird in seinem dunklen Erdwall gestochen, bevor die Spitze ihn durchbricht. Der in Frankreich beliebteste mit lila-grünlichen Köpfen wird geerntet, wenn der Kopf bereits herausragt. Der Spargel ist ein sensibles Gemüse und mag eigentlich keine langen Transportwege. Zügeln Sie also Ihre Lust am besten so lange, bis es den Spargel aus unserer Gegend gibt, und achten Sie beim Kauf darauf, dass er keine zu trockene und verholzte Schnittstelle hat. In den meisten Fällen wird der Spargel im Salzwasser gekocht. Das ist zwar die einfachste Version, aber nicht die, welche das Aroma des Spargels am besten zur Geltung bringt. Wichtig ist in jedem Fall, dass beim Schälen des Spargels nicht gespart wird: Rüsten Sie lieber ein bisschen mehr ab, als dann beim Essen den ganzen Spargel weglegen zu müssen, weil er wegen der Schale fasrig und zäh ist. Mindestens ein paar Minuten darf der Spargel, nachdem er im Wasser knapp al dente gegart wurde, auch in etwas Butter oder Olivenöl in der Bratpfanne angebräunt und karamelisiert werden. Sobald die Spargeln etwas Farbe angenommen haben, runden wir das Aroma mit ein paar Spritzern Zitronensaft ab und legen sie auf einen vorgewärmten Teller. In derselben Bratpfanne werden jetzt noch ein paar Pinienkerne geröstet und über die Spargeln verteilt. Und zum Schluss – immer noch in derselben Pfanne – lassen wir mit einem Stück Butter und einem Esslöffel Zucker zwei Handvoll gerüstete und je nach Grösse halbierte oder geviertelte Erdbeeren anziehen, die wir anschliessend über die Spargeln verteilen. Etwas fein geschnittenes Grün von der Frühlingszwiebel oder von jungen Bärlauchblättern darüber streuen und mit etwas grob gemahlenem Pfeffer abrunden. Mehr Frühling in einem Gericht geht fast nicht.
01
Balz Amrein Architektur, Zürich
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Supercomputing Systems AG, Zürich
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Kultur-Werkstatt – dem Leben Gestalt geben, Wil SG
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Schluep Degen Rechtsanwälte, Bern
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Anyweb AG, Zürich
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A. Reusser Bau GmbH, Recherswil
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Verlag Intakt Records, Zürich
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Hotel Basel, Basel
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Homegate AG, Zürich
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Balcart AG, Therwil
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Arbeitssicherheit Zehnder GmbH, Ottenbach
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applied acoustics GmbH, Gelterkinden
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Privat-Pflege, Hedi Hauswirth, Oetwil am See
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Hofstetter Holding AG, Bern
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Bachema AG, Schlieren
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fast4meter Bern, Storytelling & Moderation
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Fischer & Partner Immobilien AG, Otelfingen
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Oechslin Architektur GmbH, Zollikerberg
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Kaiser Software GmbH, Bern
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Thommen ASIC-Design, Zürich
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mcschindler.com, PR-Beratung, Redaktion, Corporate Publishing, Zürich
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Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich
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VXL Gestaltung und Werbung AG, Binningen
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Proitera GmbH, Basel
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advocacy ag, communication and consulting, Basel
Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.
Bezugsquellen und Rezepte: http://piattoforte.ch/surprise 324/14 SURPRISE 324/14
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Verformte Satzbilder: Wolfgang Weingart.
Zürich Buchstabenrevolutionär Man stellt immer wieder fest: Alles kann radikal neu gedacht, jeder Bereich menschlichen Daseins neu gestaltet werden. Man spricht dann gerne von einer Revolution. So auch bei Wolfgang Weingart, der als Enfant terrible der modernen Schweizer Typografie gilt und international Designgeschichte geschrieben hat. Mitte der Sechzigerjahre brach er die etablierten Regeln in der Welt der gedruckten Schrift und befreite die Buchstaben aus dem Korsett des rechten Winkels. Weingart verformte und ordnete Satzbilder neu. In den Siebzigern nahm er mit Collagen aus Rasterfilmen das digitale Sampling der Postmoderne vorweg. Weingarts Experimentierfreude in der Verbindung von Analogem und Digitalem ist heute wieder hoch im Kurs. Wie das aussieht, zeigt die erstmalige Ausstellung seines Lebenswerk in der Schweiz, die in Zusammenarbeit mit Weingart entstanden ist. (ami)
BILD: ZVG
BILD: ZVG BILD: MUSEUM FÜR GESTALTUNG ZÜRICH, GRAFIKSAMMLUNG
Ausgehtipps
Legt im Frauenraum auf: Mira aus Berlin.
Bern im Blick: Anita Gerets «Residential Satisfaction».
Bern Grenztanz
Bärau bei Langnau Zum letzten Mal
Wer sich gerne der modernen elektronischen Musik hingibt, der weiss aus Erfahrung: So richtig gut ist es oft dort, wo es nicht so richtig hetero ist. Wie auch immer dieser mögliche Zusammenhang zustande kommen mag: Die anstehende «interstellare Reise des Dragship Draglactica durch das Pluriversum» ist durch und durch vielversprechend. An Bord sind die Gendernautinnen: Dandy, Tunte, Drag Queen, Butch, Cyber Punk, Macho, Diva, Bitch, Drag King und alle Queers. Gemeinsam erforschen sie die Grenzen der Geschlechterwelten und feiern deren Überwindung in eine vielschichtige Zukunft. Der Treibstoff für diese Expedition stammt von der Berliner Drag Queen Mira (Bar 25). Dazu gibt es Drag- und Burlesque-Performances. Dass an Bord ein strikter Dresscode gilt, versteht sich von selbst. (ami) Geplantes Nichtstun, Sa, 17. Mai, 22 Uhr, Frauenraum
In aller Ruhe blickt die Kuh am Stadtrand von Bern auf die menschlichen Behausungen: Das Bild heisst «Residential Satisfaction», ist im Buch «bern sehen 2» abgebildet – und hat Malerin Anita Geret für ihre Kuh-Bilder berühmt gemacht. 1944 in Rorschach geboren, zog es Geret in den Siebzigerjahren nach Berlin, wo sie sich von Geist und Umfeld der Berliner Realisten inspirieren liess. Bis heute – unterdessen lebt Geret auf dem Längenberg bei Bern, in direkter Nachbarschaft zu den Kühen dort – recherchiert, skizziert und fotografiert sie für jedes ihrer Bilder. Auf den Höfen in der Umgebung sieht sie Arbeiten verschwinden, die bisher von Eltern und Grosseltern übernommen wurden. Ihre aktuelle Bildserie «Wenn eh s nümme mach macht’s niemer meh» gibt Gelegenheit, etwas wiederzuerkennen, zum ersten Mal zu sehen – oder auch zum letzten Mal. (mek)
Reitschule Bern. www.frauenraum.ch
«Wenn eh s nümme mach macht’s niemer meh» von
Dragship Draglactica, u.a. mit DJs Mira, Habakuk und
Anita Geret, noch bis Ende Mai zu sehen in der Tagesklinik in Bärau bei Langnau. Eine Anmeldung per Email ist erforderlich: anitager@bluewin.ch
Anzeigen:
«Weingart Typografie», noch bis zum 28. September, Museum für Gestaltung, Zürich. www.museum-gestaltung.ch
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PROLITTERIS ZÜRICH BILD: ROSEMARIE TROCKEL, TRIPLE BOB 2, 2012
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BILD: ZVG
Fiese Marsmännchen kommen auf die Erde.
Zürich Ausserirdisch gut «Mars attacks!» war einmal ein Film von Tim Burton, jetzt ist es Theater. Genauer: Eine Koproduktion des Berliner Puppentheaters Helmi und des Zürcher Behindertentheaters Hora, das international Erfolg hat, weil die Ensemble-Mitglieder das Behindertsein so normal finden wie andere das Gipfeli am Sonntagmorgen und richtig gute Stücke auf die Bühne bringen. Und sie verrücken unsere Welt in ihren Stücken derart, dass sie endlich wieder Spass macht. Jetzt also mit fiesen Marsmännchen, die die Erdbewohner quälen, foltern und vernichten. (dif) «Mars attacks!», Mo, 5. Mai, Mi, 7. bis So, 11. Mai, jeweils 20 Uhr, Fabriktheater Rote Fabrik, Zürich; Mi, 14. und Do, 15. Mai, 20 Uhr, Tojo Reithalle, Bern. www.hora.ch
Anzeige:
In Aargau sieht man Walser nicht nur doppelt. Sondern in noch mehr Facetten.
Aarau Unser liebster Spaziergänger Robert Walser ist spaziert, hat in lustiger Mikroschrift gekritzelt und Bücher wie «Jakob von Gunten» oder «Der Gehülfe» geschrieben. Und, kurliger Kauz der er war, hat er jede Menge Kunstschaffender inspiriert. Man staunt, wer sich alles mit ihm auseinandergesetzt hat: Thomas Hirschhorn, Rosemarie Trockel, Thomas Schütte und viele mehr. Das Aargauer Kunsthaus hat sie nun alle versammelt und zeigt Zeichnungen, Malerei, Videoarbeiten, Installationen und Skulpturen, in die die verquere Inspirationsquelle Walser eingeflossen ist. Walser ist im ausgehenden 20. Jahrhundert eine Schlüsselfigur der Moderne geworden, aber zeit seines Lebens war er ein Einzelgänger und hätte sich wohl gewundert, wer da zu seinen Ehren so alles auftauchen würde: Bruno Ganz zum Beispiel liest am 4. Juni Liebesgeschichten von Robert Walser, und wir sind uns sicher, dass ganz viele weibliche Ü60 auftauchen werden, die den harten Kern von Bruno Ganz’ Fangemeinde bilden. Am 2. Juli verkündet Thomas Hirschhorn – dem breiteren Publikum bekannt, seit er in Paris ein Blocher-Bild bepinkeln liess – programmatisch: «Sei ein Aussenseiter! Sei ein Held! Sei ‹Robert Walser›!» Das gefällt uns, denn auch wir haben eine Schwäche für Walser, und die Aussenseiter mögen wir sowieso. (dif) «Ohne Achtsamkeit beachte ich alles. Robert Walser und die bildende Kunst», Sa, 10. Mai bis So, 27. Juli, Aargauer Kunsthaus, Aarau www.aargauerkunsthaus.ch
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Verkäuferporträt International «Viele angebotene Jobs sind moderne Sklaverei» Robert Smith verkauft die Strassenzeitung Real Change in einem gehobenen Viertel eines Vororts von Seattle. Erst hatte er Angst, man würde ihm als Schwarzem die Polizei auf den Hals hetzen. Dann erkannte er, dass eher seine gepflegte Erscheinung ein Problem ist. VON MIKE WOLD (TEXT UND BILD)
Vor einigen Jahren kam Robert Smith nach Kirkland, einem Vorort von Seattle an der US-amerikanischen Westküste, um dort die Strassenzeitung Real Change zu verkaufen. Als Stereotyp des «big black guy», des «grossen, massigen Schwarzen», wie er selbst sagt, sei er besorgt gewesen: «Das ist ein Viertel für die Upper Class. Dort gibt es nicht viele Schwarze. Ich hatte Angst, dass man mir die Polizei auf den Hals hetzen würde.» Nachdem er die Zeitung ein paar Tage lang verkauft hatte, fingen die Leute an, nach Ken zu fragen, dem Verkäufer, der für gewöhnlich an diesem Verkaufsplatz war. «Ich dachte mir, dass Ken bestimmt ein Weisser sei», erinnert sich Robert. In der zweiten Woche tauchte ein schlanker Schwarzer auf. Das war Ken, der zwischen Seattle und Oregon hin und her pendelte. Von da an verkauften Robert und Ken ihre Zeitungen manchmal direkt gegenüber. Robert erzählte Ken, dass die Leute nach ihm gefragt hätten. «Er hatte in diesem Viertel eine gute Basis für mich geschaffen. Die Leute dachten sich einfach: Ken ist ein cooler Typ. Also finden wir dich auch cool.» Trotzdem wahrten einige Leute am Anfang noch Distanz. «Dann fingen sie plötzlich an, mit mir zu reden. Sie dachten, dass ich einer der ihren bin, dass ich ihre finanziellen Möglichkeiten hätte! Ich kann aber nicht in teuren Geschäften einkaufen. Ich habe noch nicht einmal ein Auto.» Robert selbst ist sich der sozialen Barriere zwischen ihm und seinen Kunden sehr wohl bewusst. «Viele von ihnen verstehen nicht, dass ich nicht diese Zeitung verkaufen würde, wenn ich ihre Möglichkeiten gehabt hätte.» In den vergangenen neun Jahren ist Robert immer wieder auf der Strasse gelandet. Er wuchs in Las Vegas auf, wo er zum ersten Mal obdachlos wurde. Seine Mutter ist gestorben und sein Vater, ein Vietnamveteran, sitzt gerade eine Haftstrafe ab. Vor vier Jahren zog Robert nach Seattle, hatte aber Schwierigkeiten, einen anständigen Job zu finden. «Viele der Jobs, die angeboten werden, sind nur moderne Sklaverei», sagt er. «Die Leute haben zwei oder drei Jobs und verdienen acht oder neun Dollar pro Stunde. Damit kann keiner überleben.» Als Robert sah, wie viele psychisch kranke Menschen um ihn herum auf der Strasse lebten, merkte er, dass er eigentlich relativ viel Glück gehabt hatte: «Diese Menschen können sich keinem Arbeits- oder familiären Umfeld anpassen.» Die Obdachlosigkeit mache einem bewusst, «was schon die kleinen Dinge wert sind, wie sich einfach nur zu waschen, die Zähne zu putzen oder zu duschen. Wenn man kein Zuhause hat, werden einem all diese Dinge weggenommen.» Robert betont, dass die Behörden und Politiker, die sich Sorgen um die Kriminalitätsrate machen, die Ursachen des Problems nicht anpacken würden: «Wenn ein Mensch verzweifelt ist, dann geschehen Verbrechen.»
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Manchmal, wenn er einen seiner Kunden eine Zeit lang nicht sieht, macht sich Robert Sorgen, ob dieser aufgehört hat, bei ihm zu kaufen – weil er kein Blatt vor den Mund nimmt oder weil er nicht heruntergekommen genug aussieht, wie Robert vermutet. «Manchmal sollte ich lieber schweigen. Ich bin ein sehr ehrlicher Mensch, und viele Leute wollen die Wahrheit nicht hören, sie wollen nicht wissen, worum es eigentlich geht. Der Punkt ist doch, jenen zu helfen, die im Leben nicht viel Glück hatten.» Man gehe ja auch nicht in die Kirche, um den Prediger zu hören – sondern Gottes Wort. «Also kauft einfach die Zeitung!» ■ www.street-papers.org/Real Change – USA SURPRISE 324/14
SurPlus – eine Chance für alle! Werden Sie Gotte oder Götti bei SurPlus Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten. Menschen, die kaum Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt wieder Struktur und mehr Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Das verdient Respekt und Unterstützung. Das Spezialprogramm SurPlus ist ein niederschwelliges Begleitprogramm für ausgewählte Surprise-Verkaufende, die regelmässig das Strassenmagazin
verkaufen und hauptsächlich vom Heftverkauf leben. Diese Verkaufenden erhalten nur geringe soziale Ergänzungsleistungen und werden im Programm SurPlus gezielt vom Verein Surprise unterstützt: Sie sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit, Nahverkehrsabonnement) und werden bei Problemen im oft schwierigen Alltag begleitet. Mit einer Patenschaft leisten Sie einen wesentlichen Beitrag für die soziale Absicherung der Verkaufenden und ermöglichen ihnen, sich aus eigener Kraft einen Verdienst zu erarbeiten. Vielen Dank für Ihr Engagement!
Elsa Fasil Bern
Kostana Barbul St. Gallen
René Senn Zürich
Marlis Dietiker Olten
Negasi Garahassie Winterthur
Josiane Graner Basel
Wolfgang Kreibich Basel
Tatjana Georgievska Basel
Bob Ekoevi Koulekpato, Basel
Anja Uehlinger Baden
Ralf Rohr Zürich
Emsuda Loffredo-Cular Basel
Fatima Keranovic Basel
Ja, ich werde Gotte/Götti und unterstütze das SurPlus-Programm von Surprise! 1 Jahr: 6000 Franken
1/2 Jahr: 3000 Franken
1/4 Jahr: 1500 Franken
Vorname, Name
Telefon
Strasse
PLZ, Ort
Datum, Unterschrift
1 Monat: 500 Franken
324/14 Talon bitte senden oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, Postfach, 4003 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch, PC-Konto 12-551455-3 SURPRISE 324/14
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Surprise ist: Hilfe zur Selbsthilfe Surprise hilft seit 1997 Menschen in sozialen Schwierigkeiten. Mit Programmen in den Bereichen Beschäftigung, Sport und Kultur fördert Surprise die soziale Selbständigkeit. Surprise hilft bei der Integration in den Arbeitsmarkt, bei der Klärung der Wohnsituation, bei den ersten Schritten raus aus der Schuldenfalle und entlastet so die Schweizer Sozialwerke.
Ich möchte Surprise abonnieren! 24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.) Gönner-Abo für CHF 260.–
Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht von Armut und sozialer Benachteiligung betroffenen Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit für ihre Anliegen. Surprise beteiligt sich am Wandel der Gesellschaft und bezieht Stellung für soziale Gerechtigkeit. Strassenmagazin und Strassenverkauf Surprise gibt das vierzehntäglich erscheinende Strassenmagazin Surprise heraus. Dieses wird von einer professionellen Redaktion produziert, die auf ein Netz von qualifizierten Berufsjournalistinnen, Fotografen und Illustratorinnen zählen kann. Das Magazin wird fast ausschliesslich auf der Strasse verkauft. Rund dreihundert Menschen in der deutschen Schweiz, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten damit eine Tagesstruktur, verdienen eigenes Geld und gewinnen neues Selbstvertrauen.
Sport und Kultur Surprise fördert die Integration auch mit Sport. In der Surprise Strassenfussball-Liga trainieren und spielen Teams aus der ganzen deutschen Schweiz regelmässig Fussball und kämpfen um den Schweizermeister-Titel sowie um die Teilnahme an den Weltmeisterschaften für sozial benachteiligte Menschen. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Chor. Gemeinsames Singen und öffentliche Auftritte ermöglichen Kontakte, Glücksmomente und Erfolgserlebnisse für Menschen, denen der gesellschaftliche Anschluss sonst erschwert ist. Finanzierung, Organisation und internationale Vernetzung Surprise ist unabhängig und erhält keine staatlichen Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle anderen Angebote wie die Betreuung der Verkaufenden, die Sportund Kulturprogramme ist Surprise auf Spenden, auf Sponsoren und Zuwendungen von Stiftungen angewiesen. Surprise ist eine nicht gewinnorientierte soziale Institution. Die Geschäfte werden vom Verein Surprise geführt. Surprise ist führendes Mitglied des Internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP) mit Sitz in Glasgow, Schottland. Derzeit gehören dem Verband über 100 Strassenzeitungen in 40 Ländern an.
Geschenkabonnement für: Vorname, Name
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Herausgeber Verein Surprise, Postfach, 4003 Basel www.vereinsurprise.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Do T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 info@vereinsurprise.ch Geschäftsführung Paola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (stv. GL) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@vereinsurprise.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Amir Ali (ami), Florian Blumer (fer), Diana Frei (dif, Heftverantwortliche), Mena Kost (mek) redaktion@vereinsurprise.ch, leserbriefe@vereinsurprise.ch Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Rahel Nicole Eisenring, Shpresa Jashari, Carlo Knöpfel, Melanie Kobler (Grafik), Yvonne Kunz, Stephan Pörtner, Milena Schärer, Isabella Seemann, Priska Wenger, Tom Wiederkehr, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Carina Braun, Manuela Donati, Morteza Farahmand, Andrea Ganz, Michael Gasser, Luc-François Georgi, Tom Hänsel, Adrian Soller, Mike Wold, Monika Zech Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 18 350, Abonnemente CHF 189, 24 Ex./Jahr Marketing, Fundraising T +41 61 564 90 50 Christian von Allmen
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SURPRISE 324/14
Surprise Da läuft was Surprise Strassensport Doppelturnier im weltgrössten Street Soccer Dome
In der Basler Markthalle wurde am zweiten April-Wochenende bester Strassenfussball statt leckerem Essen feilgeboten. Das imposante 60Meter-Durchmesser-Gewölbe sorgte als massiver Schallreflektor für Hexenkessel-Ambiente zum Auftakt der 12. Saison von Surprise Strassensport, der Fussballiga für sozial Benachteiligte. Eingeweiht wurde der wohl weltweit grösste Street Soccer Dome aber von den 16 Teams des Benefiz-Turniers. Den Anpfiff machte die WahlBaslerin Permi Jhooti, nach deren Lebensgeschichte der Kino-Schlager «Bend It Like Beckham» gedreht wurde. Danach schnürte Jhooti auch die Fussballschuhe. Der monetäre Einsatz der Benefiz-Teams leistete einen wichtigen Beitrag an die sonntägliche Saisoneröffnung von Surprise Strassensport. So konnte die Rekordzahl von 19 Teams um den ersten Turniersieg der Strassensport-Liga 2014 spielen. Im A setzten sich die AFG Boys Basel im Final knapp gegen Haudenäbe Schwyz durch. Über einen Doppelsieg konnten sich gar die CSA Teamplayers aus Aarau freuen. Sie holten neben dem Turniersieg im B auch die Fairplay-Trophäe und bewiesen damit, dass man auch ohne Fouls und «Dreckeleien» erfolgreich Fussball spielen kann. (ojo)
BILDER: OTHMAR JAEGGI UND SURPRISE STRASSENSPORT
Im eindrucksvollen Ambiente der alten Markthalle in Basel feierte Surprise Strassensport einen fulminanten Saisonauftakt.
Pfeifen mit Nachhall: Die holländischen Gast-Schiedsrichter (Foto: Paul) sorgten für korrekte Spiele und gute Stimmung.
Benefiz Samstag 1. Team Erdgas, 2. FüBi, 3. Rolfs Wudelplüsch Surprise Strassenliga Sonntag Fairplay-Trophy: CSA Teamplayers Aarau Liga A: 1. AFG Boys Basel 2. Haudenäbe Schwyz 3. Schahin Planet 13 Basel
Liga B: 1. CSA Teamplayers Aarau 2. Schwarzwaldbrasilianer Lörrach 3. Asphalt Piraten Liestal
Tabellen und Fotos unter: www.facebook.com/SurpriseStrassensport
Inniger Zweikampf zwischen den Schwarzwaldbrasilianern (in weiss) und den Barracudas (in grün).
Die AFG Boys Basel starten mit einem Turniersieg in die neue Saison.
Doppelsieg: Die CSA Teamplayers feiern mit Schiedsrichtern und den Unterstützern vom Lions Club St. Alban die Fairplay Trophy und den Sieg im B.
SURPRISE 324/14
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«Wer kann schon von sich behaupten, eine Gassenküche oder Notschlafstelle jemals von innen gesehen zu haben? Der ‹Soziale Stadtrundgang› erweitert unseren Horizont und zeigt uns auf, dass Armut jeden treffen kann.» Patrick Rohr, Kommunikationsberater und Buchautor
Null Sterne. Keine Punkte. Nix Glamour. Der erste «Soziale Stadtrundgang» in Zürich. Surprise-Verkaufende wollen aus der Sicht von Armutsbetroffenen, Obdachlosen und Ausgesteuerten durch die Stadt führen. Sie möchten aus ihrem Alltag erzählen und Orte zeigen, an denen man sonst vorüber geht – oder lieber wegschaut. Gemeinsam haben sie eine Mission: Sie wollen Vorurteile abbauen. Weitere Informationen zum Projekt finden Sie unter: www.vereinsurprise.ch/stadtrundgang Mit Ihrer Spende ermöglichen Sie einen etwas anderen Blick auf Zürich. Unterstützen Sie den Aufbau des Projekts «Sozialer Stadtrundgang» in Zürich: www.surprise.sosense.org
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