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Passt nicht Wer die falschen Papiere hat, dem hilft nur Geld Der Präsident lebt im Zelt: Afrikanische Migranten und ihre Parallelwirtschaft

Das Engadin im Südtirol: Warum die Schweiz als Filmkulisse ein Schattendasein fristet

Nr. 338 | 21. November bis 4. Dezember 2014 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.


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Titelbild: WOMM

Es ist, zumindest aus Menschenperspektive, eine lange Zeit: Vor 25 Jahren fiel die Mauer. Die Mauer. Das wurde jetzt im grossen Stil gefeiert, Hunderttausende waren wieder am Brandenburger Tor, einträchtig diesmal statt aufgebracht wie damals schauten sie zu, wie sich die aus Luftballons nachgebildete Mauer entlang des einstigen Grenzverlaufes buchstäblich in Luft auflöste. Und am Fernsehen bei Günther Jauch schwelgte man in einer durchaus interessanten Sendung noch einmal in der Stimmung vom Sieg der Freiheit über das Freiluftgefängnis DDR. Vor 25 Jahren, 1989, hiess das Wort des Jahres: Reisefreiheit. Es war das, was die Menschen in der DDR wollten, aber nicht bekamen – bis der deutschdemokratische Unrechtsstaat zerbröckelte. AMIR ALI REDAKTOR Rei·se·frei·heit, kein Plural, sagt das Wörterbuch. Dabei bräuchte es heutzutage die Mehrzahl. Reisefreiheiten, unsere und ihre nämlich. Oder frei nach Georg Kreisler: Meine Reisefreiheit: Ja! Deine Reisefreiheit: Nein! Ob jemand überhaupt reisen kann, und wenn ja wie frei, hängt im Wesentlichen von zwei Faktoren ab: von seinen Papieren und von seinem Bankkonto. Wir sprechen hier nota bene nicht von Flüchtlingen, die eine neue Heimat suchen. Sondern von Menschen, die ein Visum beantragen, um zum Beispiel Freunde oder Familie zu besuchen. Seit die Mauer damals gefallen ist, wurden viele neue Mauern, Wälle und Zäune hochgezogen. Reisen darf, wer Mehrwert schafft: Geschäftsreisende, Touristen, Reiche mit Geldkoffern. Warum eigentlich ist es selbstverständlich, dass afrikanische Politiker und arabische Geschäftsleute an der Zürcher Bahnhofstrasse einkaufen und sich Villen am Genfersee zulegen, während ihre Untertanen keine Chance auf ein Visum haben? Die Schweizer Bürgerin Petra zum Beispiel hätte 30 000 Franken auf ihrem Bankkonto nachweisen müssen, damit der angolanische Vater ihrer Tochter hätte zu Besuch kommen können (Titelgeschichte ab Seite 10). Da wurde also der Mauerfall gefeiert, und die Ironie der Geschichte sass wie ein fetter Elefant mit im Raum: Während an Berlins einstiger Todeszone Luftballons in den Himmel stiegen, rüstet Europa seine Grenzen hoch mit Zäunen und Polizeioperationen, aber auch mit unsichtbaren Mauern aus Paragrafen. Um sie zu überwinden, muss man einen Mehrwert bringen – oder ganz einfach Geld haben. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre, Amir Ali

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 Ihre Meinung! Wir sind gespannt auf Ihre Kritik, Ihr Lob oder Ihre Anmerkungen. Schreiben Sie uns! Auf leserbriefe@vereinsurprise.ch oder an Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, 4051 Basel. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion trifft eine Auswahl und behält sich vor, Briefe zu kürzen. Oder diskutieren Sie mit uns auf www.facebook.com/vereinsurprise SURPRISE 338/14

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BILD: WOMM

Editorial Der fette Elefant


05 06 08 08 09 09 22 23 28 29 30

Inhalt Editorial Meine Freiheit, deine Freiheit Die Sozialzahl Aspirin alleine hilft nicht Porträt Kein Polteri Aufgelesen Leere Flaschen füllen Mägen Zugerichtet Spritzfahrt mit Schlagring Hausmitteilung Singen, Fussball – und gute Texte Starverkäufer Hadush Abaju Fremd für Deutschsprachige Absurd ist das neue Plausibel Ausstellung Die nackte Wahrheit Verkäuferporträt Hans Rhyner Projekt SurPlus Eine Chance für alle! In eigener Sache Impressum INSP

10 Migration Falscher Pass BILD: ISTOCKPHOTO

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Wer den falschen Pass hat, um in der Schweiz zu leben, der braucht – einen falschen Pass. Das ist heute nicht anders als während des Holocaust, als Dokumentenfälscher Tausende Menschenleben retteten. Heute ist die Situation weniger dramatisch, aber für die Betroffenen nicht minder einschneidend. Ob angolanischer Kindsvater oder chinesischer Schwarzarbeiter: Um die Schweiz stehen unsichtbare Mauern, an denen weder der Wunsch nach einem besseren Leben noch die Liebe und die Familie etwas ändern.

14 Wirtschaft Marktplatz der Elenden BILD: DANIEL ETTER

Zeit ist Geld – auch dort, wo es an allem fehlt. Die jungen Afrikaner auf dem Berg Gourougou bei Melilla haben monate- oder jahrelange Reisen durch die Sahara hinter sich und warten auf eine Gelegenheit, den hochgerüsteten Grenzzaun zur spanischen Exklave zu stürmen. Doch das kann dauern – und kostet. Auf dem Berg hat sich eine Parallelwelt entwickelt mit Sozialisten und Kapitalisten, Präsidenten und Untertanen, Armen und Reichen.

18 Film Die Heimat als Kulisse

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BILD: ZVG

So viel Schweiz war schon lange nicht mehr in einem Film von Weltformat: Bei «Sils Maria» mit Juliette Binoche, der demnächst anläuft, drückt die helvetische Aura bis in den Titel durch. Gedreht wurde zwar tatsächlich im Engadiner Kurort – aber teilweise auch im Südtirol. Was ist dort besser? Dass sich die Crew um Regisseur Olivier Assayas diese zusätzliche Mühe machte, hat mit der Schweizer Kulturpolitik zu tun.

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Selbst wahrg enommener Gesundheits Anteil Person zustand nach en ab 25 Jahr Bildungsstan en in Prozen d t 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 gut bis sehr

gut

obligatorisch

e Schule

Quelle: BFS,

Zahlen aus de

m Jahr 2012

Die Sozialzahl Wie geht’s? Hausärztinnen und Hausärzte müs sen gut zuhören können. Gespräche mit Patientinnen und Patienten werden oft mit der Frage nach der Befindlichke it eröffnet: «Wie geht’s Ihnen?» Dabei geht es nicht primär darum, schon konkrete Auskünfte über Magenschmerzen, Kop fweh oder andere Gebrechlichkeiten zu erfahren. Vielmeh r möchten die Ärztinnen und Ärzte wissen, wie sich die Men schen ganz allgemein so fühlen. Denn das subjektive Gesundh eitsempfinden ist eines der besten Indikatoren für den med izinisch feststellbaren Gesundheitszustand. Wer sagt, er sei gesu nd, ist es in aller Regel auch. Und wer sich angeschlagen fühlt, hat tatsächlich gesundheitliche Probleme. Sich gesund fühlen heisst allerding s viel mehr, als keine körperlichen oder psychischen Eins chränkungen zu haben. Das subjektive Gesundheitsgefühl kann auch als Spiegelbild der sozialen Lebenslage interpretiert werden. Wer sich gesund fühlt, hat keine Alltagssorgen , die ihn ernsthaft plagen. Wer aber Angst vor einem Stellenve rlust hat, nicht mehr weiss, wie er die Rechnungen am Mon atsende bezahlen soll, wer in familiären Spannungen lebt und für sich keine Perspektive sieht und ohne Zuversicht ist, der fühlt sich rasch einmal auch schlecht und krank. Es kann darum nicht erstaunen, dass der subjektive Gesundheitszustand und der Bildungs stand (als Indikator für Einkommen und soziale Position) in einer engen Beziehung zueinander stehen. Menschen, die eine Fachhochschule oder

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mittelmässig Sekundarstuf

e II

schlecht bis sehr schlecht

Tertiärstufe

en besser da t haben, stehen im Leb eine Universität besuch nschen, h deutlich gesünder als Me und fühlen sich darum auc und mit labschluss erreicht haben die nur einen Grundschu sehr gen kla se Die kämpfen haben. vielen Widrigkeiten zu sehr ar sog r ode ht s es ihnen schlec viel häufiger darüber, das schlecht gehe. liegen s Gesundheitsempfinden Soziale Lage und subjektive zeigt en rzt usä usärztinnen und Ha also nahe beieinander. Ha aller in e lag steckte prekäre Lebens sich so die sonst oft ver dizime e ein terweise müsste darum Deutlichkeit. Konsequen en. treb ans h soziale Verbesserungen nische Behandlung auc ng, hnu Wo droht oder der Verlust der Wem die Arbeitslosigkeit Da n. olfe htablette alleine nicht geh dem ist mit einer Kopfwe dsun Ge menarbeit zwischen dem rum ist eine engere Zusam . nde Stu der das Gebot heits- und Sozialbereich Gemeinn? Im Idealfall gäbe es sse hei das Was könnte tungsstelle sich auch eine Sozialbera schaftspraxen, in denen innen und h ist es, dass Hausärzt befindet. Eher realistisc titutionen tzwerk von sozialen Ins Hausärzte mit einem Ne an diese ten ien Pat , ammenarbeiten und Organisationen zus Managee Cas es h ein gemeinsam weitervermitteln und sic ert werörd gef in n eine soziale Mediz ment entwickelt. So kan – zum t geh aus mbekämpfung hin den, die über die Sympto Wohle der Patienten. KN OE PFE L@ VE REI CA RLO KN ÖP FEL (C. BIL D: WO MM

NS UR PRI SE. CH )

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Porträt Im Gegenwind SVP-Politiker Beat Feurer wohnt mit Tamilen und fällt auch sonst aus dem Rahmen seiner Partei. Mit dem Versprechen, die rekordhohe Sozialhilfequote zu senken, wurde er vor zwei Jahren in die Bieler Stadtregierung gewählt – seither folgt ein Krampf auf den anderen. VON BEAT MATTER (TEXT) UND ROLAND SOLDI (BILD)

dern – seit über 20 Jahren bei Feurer. Zu den Kindern habe er ein väterliches Verhältnis, sagt er. Wie kommt man als Fluchthelfer zur SVP? Feurer lacht, er kennt die Frage. Die Partei vertrete seine Vorstellung von freiheitlicher Politik, betont er. Wirtschaft, Zuwanderung, hier ist er auf Linie. In der Asylpolitik hat er eigene Überzeugungen, und zwar «nicht trotz, sondern wegen meiner Erfahrungen im Asylbereich», sagt er. Feurers Ansatz: Statt Asylbewerber mit Verfahren und Restriktionen zu quälen, sollen Ziele mit ihnen vereinbart werden – etwa eine Sprache zu lernen. Wer diese nicht erfüllt, muss gehen. Dass dies nicht kompatibel wäre mit der Europäischen Menschenrechtskonvention, weiss Feurer. Feurer lebt offen homosexuell. 2010 brachte er viele aus seiner Partei gegen sich auf, als er den Verein «Gay SVP» mitgründete, den er bis heute präsidiert. Die Junge SVP Wallis liess verlauten, «Gay SVP» sei ein

In seinem Büro hängt ein Foto an der Wand. Es zeigt eine Strasse in Los Angeles: Schwarze Nacht, düstere Gestalten stehen herum. Auf dem Trottoir liegen Menschen zwischen Müllhaufen. «So soll es in Biel nie aussehen», sagt Beat Feurer, Bieler SVP-Gemeinderat und Vorsteher des Departements Soziales und Sicherheit. Feurers Büro liegt im 13. Stock eines Verwaltungshochhauses mitten in Biel. Von hier aus überblickt er die Stadt. Ob er deren Probleme überblickt, darüber gehen die Meinungen auseinander. Denn seit Feurers Amtsantritt vor zwei Jahren folgt ein Krampf dem nächsten. Die jüngste Eskalation: Nach monatelangem wüstem Konflikt mit einer Chefbeamtin kam Ende Oktober ein Untersuchungsbericht zum Schluss, dass in Feurers Departement «gravierende Führungsmängel auf Stufe der Direktionsleitung eine sachgerechte Im Gespräch wählt er die Worte mit Bedacht, oft legt er kurz den Kopf Arbeit massiv erschweren». Die Chefbeamtin wurde entlassen, Feurers engster Mitarbeiter in die Hände, bevor er antwortet. Ein Polteri ist er nicht. versetzt. Feurer selbst wurde zur strategischen Führung seiner Direktion eine «gemeinderätliche Delegation» aus zwei Krebsgeschwür. Bis heute untersagt die SVP-Schweiz dem Verein die Gemeinderatskollegen zur Seite gestellt – zwei Aufpasser also. Verwendung des SVP-Logos. «Weil es sich um keine offizielle Sektion Derweil stapeln sich die Probleme im Bieler Sozialwesen immer höder SVP handelt», heisst es im Parteisekretariat. her. Jüngsten Zahlen zufolge beträgt die Sozialhilfequote in Biel fast 12 Nach der Gründung wurde Feurer im Westschweizer Fernsehen geProzent. Bald jeder achte Einwohner bezieht Sozialhilfe. Die Ursachen fragt, ob er nun das schwule Schaf der SVP sei. Feurer lachte und sagte, sind bekannt: Der industrielastige Bieler Arbeitsmarkt zieht Menschen wer sich vor Schafen fürchte, sei ein Hasenfuss. Die Souveränität war ohne weiterführende Ausbildung an. Die Mieten sind tief, der Auslängespielt: «Ich war erschüttert. Es ging nicht darum, ob ich etwas Richtideranteil hoch, deren Integration mangelhaft. ges oder etwas Falsches sagte. Sondern darum, ob ich als Mensch richStellt man sich den Mann vor, der all die Probleme schultert und im tig oder falsch bin», sagt er. garstigen Gegenwind aus der Stadt trägt, sieht man keinen Beat Feurer. Die Bieler glaubten an ihn. Im Herbst 2012 wählten sie ihn, der bis Denn Feurer wirkt wohl sportlich, aber keineswegs unzerbrechlich. Um dahin weder Parlaments- noch Regierungserfahrung hatte, in die Bieler Kaffee zu machen, braucht er einen Tipp seiner Sekretärin. Auf seinem Exekutive. Als erstes SVP-Mitglied überhaupt. Im Wahlkampf hatte er Schreibtisch stehen drei leere Bifidus-Joghurtbecher. Im Gespräch wählt auf die Probleme im Sozialwesen gesetzt, war mit Flyern auf der Straser die Worte mit Bedacht, oft legt er kurz den Kopf in die Hände, bevor se gestanden. Das zog. Seine Sexualität hingegen war kein Thema. er antwortet. Ein Polteri ist er nicht. Feurer ist seither einer von schweizweit gut 200 SVP-Gemeindeexe1960 in Biel geboren, wuchs Feurer in einer «normalen Schweizer Arkutivmitgliedern, die sich um das Ressort Soziales kümmern. Er gehört beiterfamilie» auf, wie er sagt. Die Wohnung in einer Genossenschaftszur Speerspitze jener Partei, die sich den Kampf gegen den «ausufernsiedlung, die Eltern Gewerkschafter. Feurer machte eine KV-Lehre. Früh den Sozialstaat» ins Parteiprogramm geschrieben hat. Hat Feurer also in fand er zum Glauben, er engagierte sich in einer Freikirche und im Asylseiner ersten Legislaturhälfte die Sozialhilfe-Hochburg Biel auf den Kopf bereich. In den Achtzigerjahren leitete er eine Asylunterkunft. Das Sogestellt? Nein. Einmal im Amt, musste er einräumen, dass es keine ziale war ihm wichtig, sei es heute noch, sagt er. Gleichzeitig habe sich Wundermittel gebe. Zwar röntgt derzeit ein Wirtschaftsprüfer in seinem sein Kopf stets von bürgerlichen Positionen angesprochen gefühlt, die Auftrag das Bieler Sozialamt. Die Ergebnisse stehen noch aus. Die SoziFreiheit des Individuums sei für ihn immer zentral gewesen. Über die alinspektorin, die Anfang Jahr ihren Dienst aufnahm, hat wenig zutage Jahre ist von der EVP über die FDP zur SVP gewandert. gebracht. Das bisherige Fazit: Man könne nicht bestätigen, dass SozialAnfang der Neunzigerjahre reiste Feurer nach Sri Lanka. Er wollte hilfemissbrauch ein besonderes Problem sei. sich von der Situation der Tamilen vor Ort ein Bild machen – und fand Ein Coup ist ausgeblieben. Feurer, angetreten mit dem Versprechen, Freunde. Er begleitete einen tamilischen Mann bei der Flucht nach Indie Bieler Sozialhilfequote zu senken, muss unspektakuläre Kleinarbeit dien und erlebte, wie Bomben niedergingen. Der Freund stellte einen leisten. Vieles ist kantonal geregelt. Feurer hat wenig Spielraum, seit der Asylantrag in der Schweiz, erfolgreich. Gemeinsam reisten sie nach Biel, jüngsten Untersuchung noch weniger. Gebetsmühlenartig wiederholt er Feurer quartierte ihn bei sich ein. Später kam eine Tamilin nach, heute deshalb, er brauche Zeit, um die Bieler Probleme zu lösen. Nicht Moist das tamilische Paar eingebürgert und lebt – mittlerweile mit drei Kinnate. Jahre. Es fragt sich nur, ob er die bekommen wird. ■

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Aufgelesen News aus den 90 Strassenmagazinen, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Daneben Hannover. Leere Flaschen füllen in Deutschland Mägen. Allein in Hannover bessern rund 1000 Menschen ihr Einkommen mit dem Einsammeln von Pfandflaschen auf. Rund 172 Millionen Euro landen in ganz Deutschland jährlich in Form von Leergut im Abfall. Die Aktion «Pfand gehört daneben» fordert: Leer getrunkene Flaschen sollen neben den Mülleimer gestellt werden. «So muss keiner im Müll wühlen», sagen die Initianten. Eine Geste, die zeigen soll: Ich bemerke den Pfandsammler und respektiere ihn. Die Facebook-Seite der Aktion hat bereits über 37 000 Fans.

Vermählt London. Neun Jahre sind die beiden The Big Issue-Verkäufer Lavinia und Daniel aus Cardiff ein Paar – und wollten nun heiraten. Das Problem: kein Geld. Dann begann das Märchen: Das lokale Brautmodegeschäft spendete ein Satinkleid, ein Blumenladen stellte den Brautstrauss, und die Vertriebsleiterin von The Big Issue kümmerte sich um die Torte. «Ich fühle mich wie Cinderella», sagte Lavinia auf dem Standesamt, nur wenige Schritte von ihrem Verkaufsplatz entfernt.

Durchschnittlich Kiel. Für Informationen über den «ganz normalen Milliardär» verweisen unsere Kollegen von der Strassenzeitung Hempels auf eine Studie der UBS. Der durchschnittliche Angehörige dieser gesellschaftlichen Randgruppe ist demnach männlich, verheiratet, 63 Jahre alt und hat nach dem Studium in der Finanzbranche gearbeitet. In der Freizeit fährt er Ski, spielt Golf oder interessiert sich für Kunst. 2,4 Milliarden besitzt der durchschnittliche Milliardär. Weltweit gibt es 2325 Milliardäre, in Europa sind es 775. 86 von ihnen leben in der Schweiz.

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Zugerichtet Testfahrt mit Promille Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine Frau, und es ist viel Wahrheit in dem Ausspruch, dass ein Mann nicht erfolgreicher sein kann, als die Frau ihn sein lässt. Nach seinem Beruf gefragt, gibt Herr Fabio B.* (56) gelernter Maurer an, aber damit verdiene er «keine Kohle». Er sei arbeits- und mittellos, lässt er den Richter wissen. Wohingegen seine Frau ein Unternehmen führt, das auf Herrn B.s erlernten Tätigkeiten im Baugewerbe basiert, und sie nimmt dabei so viel ein, dass sie Herrn B. aushalten kann, ohne dass der in ihrer Firma einen Finger krumm machen muss. Auch auf die Unterstützung des Staates verzichtet Herr B. dankend, was ihn zwar ehrt, beim Richter jedoch Zweifel weckt, ob es sich denn mit den Einkünften so verhält wie geschildert. Denn schliesslich wird die Höhe des Tagessatzes einer eventuellen Geldstrafe nach der Höhe des Einkommens festgesetzt, und jemand ohne Einkommen kann den niedrigsten Satz erwarten. Eine Geldstrafe will Herr B. aber sowieso nicht zahlen, nicht mal eventuell, er wasche seine Hände in Unschuld, teilt er mit. Er sei Auto gefahren, gut, er besitze keinen Führerausweis, auch richtig, aber er sei ja nicht durch die Stadt gebrettert, sondern er habe ganz gemächlich eine Runde auf einem eingezäunten Grundstück in der Gewerbezone gedreht, und das sei ein Privatgelände, das stünde so auf dem Schild davor, sagt er und: «Auf einem Privatgrundstück brauch ich kein Billet.» Er habe das Gelände für eine Testfahrt genutzt. «Der Wagen war sechsmal in der Werkstatt, verstehen Sie, sechsmal!, ständig war etwas nicht in Ordnung, ich

musste das prüfen.» – «Mit zweikommavier Promille im Blut, nachts um halb eins, was soll denn das für ein Test sein?» Der Richter zweifelt erneut. Nun stellt sich natürlich die Frage, wie das Auto von der Strasse auf das Privatgrundstück gelangt ist. Und da kommt wieder die Ehefrau ins Spiel, die habe das Auto auf der Strasse chauffiert, sagt der Mann: «Ich habe es erst hinter dem Tor übernommen.» Die bessere Hälfte ist nicht vorgeladen, sie muss auch in der Nacht der Testfahrt unsichtbar gewesen sein, die beiden Polizisten, die damals gerade eine Kontrollrunde gedreht hatten, wollen keine Frau bemerkt haben. Nun ist Herr B. also auch noch beim Lügen ertappt worden, das ist zwar nicht strafbar – ein Angeklagter (im Unterschied zum Zeugen) darf lügen, dass sich die Balken biegen –, es wirft aber kein gutes Licht auf den Mann. Ebensowenig wie der Schlagring, den er bei sich hatte. «Der ist doch aus Alu und hat keine Zacken», beschwichtigt Herr B. Andererseits trägt er das harmlose Ding sicherheitshalber immer bei sich, wenn er in den Ausgang geht. Aber ein Schlagring, ob mit oder ohne Zacken, ist verboten, so sind es der Dinge drei, die in der Anklage zusammenkommen: Fahren ohne Führerausweis, Fahren im angetrunkenen Zustand, unerlaubter Waffenbesitz. Bei Gericht ist Herr B. bisher nicht in Erscheinung getreten, zu Schaden kam niemand, das wird anerkannt, der Richter rügt aber Herrn B.s Uneinsichtigkeit. Zur Strafe soll er 90 Tagessätze zahlen, à 20 Franken. Zusätzlich wird der Schlagring eingezogen. Das Billet kann man ihm nicht entziehen. «Hab noch nie eins gemacht», prahlt er. * persönliche Angaben geändert ISABELLA SEEMANN (ISEE@GMX.CH) ILLUSTRATION: PRISKA WENGER (PRISKAWENGER@GMX.CH) SURPRISE 338/14


Hausmitteilung Kaufen – lesen – schenken!

Nominieren Sie Ihren Starverkäufer! Schreiben Sie uns mit einer kurzen Begründung, welche/n Verkäufer/in Sie an dieser Stelle sehen möchten: Verein Surprise, Redaktion Spalentorweg 20, 4051 Basel F +41 (0)61 564 90 99 redaktion@vereinsurprise.ch

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BILD: DOMINIK PLÜSS

der Medien», herausgegeben vom Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich, stellt bei den Schweizer Medien eine Erosion der Qualität fest. Immer weniger werde über relevante Themen aus Politik, Wirtschaft und Kultur berichtet, und die Ereignisse seien zunehmend schlecht eingebettet. Medientitel, die in der Studie als «qualitätsniedrig» eingestuft werden, erreichten 2013 bereits 66 Prozent der Bevölkerung. Auch die Werbung wandert zu diesen «qualitätsniedrigen» Medien, sprich Gratiszeitungen. Wir gratulieren Ihnen – Sie halten ein qualitativ hochstehendes Magazin in der Hand. Die Surprise-Redaktion recherchiert gewissenhaft und hartnäckig und beleuchtet kritisch aktuelle und gesellschaftlich relevante Themen. Da Surprise auch dem internationalen Netzwerk von Strassenzeitungen INSP angehört, haben wir einen direkten Zugang zu Berichten, die Geschehnisse auf der ganzen Welt aus einer Perspektive «von unten» beleuchten. Wer also qualitativ gute Texte lesen will, kauft – wie Sie – das Surprise Strassenmagazin. Was Sie sonst noch tun können? Machen Sie Werbung für Surprise: Verschenken Sie eine Ausgabe, nicht nur zu Weihnachten! So ga-

rantieren Sie unseren Verkaufenden neue Kundschaft – und der Schweiz gut informierte Bürgerinnen und Bürger. Herzlich Paola Gallo, Geschäftsleiterin Verein Surprise

BILD: ZVG

Surprise? Ah ja, die Arbeitslosenzeitung. Bei dieser Aussage fange ich jeweils an zu erklären, dass Surprise schon lange keine Arbeitslosenzeitung mehr ist. Surprise ist mehr als ein Strassenmagazin: Seit über zehn Jahren bieten wir über 200 Sportinteressierten die Möglichkeit, an den Turnieren der Surprise Strassensport Liga teilzunehmen. Mit regelmässigen Trainings und Coachkursen lernen sie, wieder Teil eines Teams zu sein. Seit fünf Jahren betreiben wir ausserdem den Surprise Strassenchor. Hier treffen sich sozial benachteiligte Personen und teilen bei den wöchentlichen Proben ihre Freude am Singen. Und seit Neustem führen wir die Sozialen Stadtrundgänge in Basel und in Zürich durch. An diesen Führungen teilen Armutsbetroffene ihre Erfahrungen mit den Teilnehmern, die dort vor Ort erleben, was es heisst, in der reichen Schweiz arm zu sein. Was die Besucherinnen und Besucher eines Sozialen Stadtrundganges in den Medien über angebliche Sozialschmarotzer und die sogenannte Sozialindustrie gelesen haben, können sie dann an der Realität überprüfen und feststellen, dass diese ganz anders aussieht. Das bringt uns zum Qualitätsjournalismus. Das kürzlich erschienene «Jahrbuch Qualität

Starverkäufer Hadush Abaju Sandra Wyss aus Obergösgen nominiert Hadush Abaju aus Luzern als Starverkäufer: «Ich war auf Besuch in der schönen Stadt Luzern, und mein Weg führte mich durch die Bahnhofunterführung. Von Weitem strahlte mich Hadush an. Sein feines Wesen, seine Diskretion bezüglich Verkauf des Surprise Strassenmagazins und seine feinfühlige Art beeindruckten mich. Der Wortwechsel mit Hadush bereicherte meinen Tag. Dafür möchte ich ihm danken. Ich wünsche ihm viele wertvolle Begegnungen mit wunderbaren Menschen.»

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Migration Leben mit dem falschen Pass Manche leben hier mit einem falschen Pass, manche haben den falschen Pass, um hierher zu kommen. Wir ziehen Grenzen, an denen weder Kinder noch die Liebe etwas ändern können, sondern nur das Geld. VON CHRISTOF MOSER

Edita* aus Albanien, die alle paar Jahre ihr Erspartes für neue Papiere hinblättern muss. Yazhen aus China, der zwei Monatslöhne für seinen gefälschten Pass bezahlt hat. Petra aus Zürich, die den angolanischen Vater ihrer Tochter heiraten müsste, damit er in der Schweiz zu Besuch kommen kann. Und Nina, ebenfalls aus Zürich, die sich bei der Pflege ihres todkranken Vaters von ihrem ägyptischen Cousin helfen lassen wollte und an den Migrationsbehörden scheiterte. Vier Fälle, die alle dieselbe Geschichte erzählen. Die Geschichte von unsichtbaren Mauern um die Schweiz und Europa, die sich – egal ob legal oder illegal – nur mit einem Mittel überwinden lassen: mit Geld. Es gab Zeiten, als in Europa Reisepässe über Leben und Tod entschieden haben. Adolfo Kaminsky war Teil der Résistance gegen die Nazi-Besetzung in Frankreich. Seine Lebensgeschichte, von seiner Tochter Sarah im Buch «Adolfo Kaminsky – ein Fälscherleben» aufgezeichnet, erzählt davon, wie er und vier weitere Fälscher in einer winzigen Dachmansarde in Paris rund um die Uhr Papiere fälschten. Damit retteten sie Tausenden Menschen das Leben. «Es ist ein Leben ausserhalb des Gesetzes, aus einem einfachen Grund: um Menschenleben zu retten. Aus Notwendigkeit», sagte Kaminsky 2011 in einem 3Sat-Beitrag. Und: «Ich hatte immer das Gefühl: Wenn ich eine Stunde schlafe, kostet das dreissig Kinder das Leben.» Kaminsky, heute 89 Jahre alt, unterstützte später auch den algerischen Krieg um Unabhängigkeit und Dissidenten, die Südafrikas Apartheid, Griechenlands Militärjunta und Spaniens und Portugals Diktaturen

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bekämpften. Als seine grösste Herausforderung bezeichnete der Meisterfälscher übrigens den Schweizer Pass. Zuerst konnte Kaminsky den ultraleichten Karton – fest und zugleich sehr biegsam – nicht herstellen. Bis er einen nächtlichen Einfall hatte, wie er eine vergleichbare Haptik erreichen konnte. Zum Verbrechen verurteilt Im Gegensatz zu Kaminsky, der für seine Dienste nie Geld verlangte, sind die Schranken der Migration heute die Grundlage für ein Milliardengeschäft der organisierten Kriminalität geworden. Menschenhandel und -schmuggel sind – noch vor Waffen- und Drogengeschäften – der lukrativste Zweig der weltweiten Schattenwirtschaft. Edita wird bald wieder mehrere Tausend Franken ihres hart erarbeiteten Geldes ausgeben, um nicht ohne Papiere dazustehen und ihre ohnehin schon prekäre Existenz in der Schweiz zu verlieren. 1997 brach in Albanien nach einem Kreditbetrug, bei dem Tausende ihr gesamtes Vermögen verloren, der sogenannte Lotterieaufstand aus. 2000 Menschen starben, am Ende stürzte die Regierung. Edita, damals 26 und ausgebildete Krankenschwester, entschloss sich mit ihrem Mann zur Flucht. 3000 Dollar legten sie für zwei Schengen-Visa auf den Tisch eines korrupten albanischen Beamten. Als die beiden in der Schweiz ankamen, stellten sie ein Asylgesuch. Es wurde abgelehnt. «Für die Aufenthaltsbewilligung reichte unser Wunsch nach einem besseren Leben natürlich nicht», sagt Edita in gebrochenem Deutsch und durchaus verständnisvoll. Nach Albanien wollten sie aber keinesfalls zurückkehren. Das albanische Ehepaar erfährt von einem griechischen Konsulatsbeamten, SURPRISE 338/14


BILD: ISTOCKPHOTO

ständlich ist. Mit einem EU- oder Schweizer Pass ist jedes Land auf dem der falsche Pässe verkauft. Diesem bezahlen sie noch einmal je 2000 Globus zugänglich, ein Visum in den seltensten Fällen mehr als ein adDollar, den Rest ihres Ersparten. So sind Edita und ihr Mann zumindest ministrativer Aufwand. Im Notfall werden wir sogar mit einer Identiauf dem Papier EU-Bürger geworden und damit aufenthaltsberechtigt in tätskarte von Spanien nach Marokko gelassen, während in der Gegender Schweiz. richtung Menschen an den europäischen Sperrzäunen oder auf dem Heute arbeitet Edita als Putzfrau, ihr Mann als Hilfskraft bei einer Mittelmeer sterben (lesen Sie dazu auch die Reportage auf Seite 14). Baufirma. Sie würde gerne auf ihrem gelernten Beruf als KrankenDer britische Historiker Peter Gatrell hat ausgerechnet, dass sich seit schwester arbeiten, aber dazu fehlen ihr Diplome, die auf den gleichen dem Ende des Zweiten Weltkriegs 175 Millionen Menschen eine neue falschen Namen ausgestellt sind wie ihr Pass. Die Angst vor dem Auffliegen durchdringt das gesamte Leben. «Es ist, als würde man keine Luft bekommen», sagt «Für die Schweiz sind wir Kriminelle. Deshalb sind wir gezwungen, Edita. Und alles, was sie und ihr Mann an Geld mit kriminellen Netzwerken zusammenzuarbeiten, um hier leben zu beiseitelegen, werden sie wieder ausgeben, können», sagt die Albanerin Edita. wenn sie demnächst ihre Pässe verlängern müssen. Ein falscher Pass muss immer wieder Heimat suchen mussten. Allein 140 000 sind dieses Jahr über das Mittelneu gefälscht werden, ihn offiziell auf dem Amt zu verlängern ist zu rismeer nach Europa gekommen. Die meisten von ihnen stammen aus kant. «Für die Schweiz sind wir Kriminelle. Deshalb sind wir gezwunSyrien und dem Irak sowie Staaten südlich der Sahara: aus dem Sudan, gen, mit kriminellen Netzwerken zusammenzuarbeiten, um hier leben aus Eritrea, Mali oder Somalia. zu können», sagt Edita. «Dabei wollen wir niemandem schaden, nieEs sind Länder, in denen wir Kriege führten, in die wir Waffen liefern, manden ausnutzen, sondern einfach nur arbeiten.» Wenn Edita nachts den einen, den anderen, allen. Selbst bei Kriegsflüchtlingen aus Syrien aufwacht, dann schweissgebadet aus dem Alptraum, ihr Lügengebilde bröckelt heute der gesellschaftliche Konsens, der ihnen ein Recht auf könnte enttarnt worden sein. «Wir würden alles verlieren, auch unsere Asyl garantiert. Von den sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen gar nicht AHV-Renten.» erst zu reden. Warum gestehen wir eigentlich Kriegsflüchtlingen, die mit unseren Waffen bedroht werden, grössere Hilfsabsichten zu als somaliDer Konsens bröckelt schen Fischern, die ihre Existenzgrundlage verloren haben, weil unsere Der Pass entscheidet über Lebensperspektiven. Das vergessen wir, Fischindustrie die somalische Küste leergefischt hat? die Privilegierten, oft sehr schnell, weil Reisefreiheit für uns selbstverSURPRISE 338/14

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Für den Traum eines Europa ohne Grenzen, den die Wirtschaft mit ihrem Hunger nach billigen Arbeitskräften möglich gemacht hat, bezahlen diejenigen, die nicht Teil dieses Traums werden dürfen, einen hohen Preis. Sie werden ausgesperrt, abgewehrt, weggedrängt, ertrinken vor Lampedusa, kommen an europäischen Grenzzäunen um, werden aufgegriffen, abgewiesen, abgeschoben. Entweder sie sterben oder leben im Schatten der Illegalität. Schicksal der Massen Bis ins 19. Jahrhundert waren Auswanderer und Einwanderer ganz selbstverständlich Arbeitsmigranten – das, was man heute despektierlich «Wirtschaftsflüchtlinge» nennt. Die ersten, die in der europäischen Geschichte als Flüchtlinge wahrgenommen und abgelehnt wurden – als an Leib und Leben bedrohte Migranten also –, waren ab 1880 Ostjuden. Auf der Flucht vor Pogromen in Russland emigrierten sie nach Westeuropa, wo sie von den einheimischen Westjuden als minderwertig angesehen wurden. Auf den Stereotypen, die aus dieser innerjüdischen Auseinandersetzung hervorgingen, bauten die Nazi-Ideologen später ihr Konstrukt von der Minderwertigkeit aller Juden auf. Aber bereits nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, als das österreichisch-ungarische, das osmanische und das russische Reich dahingefegt worden waren und an ihre Stelle die Nationalstaaten traten, wurde Migration zum Schicksal der Massen. Seither tobt in Europa ein Wettbewerb der Regierungen um immer noch strengere, noch verworrenere und willkürlichere Regelwerke, in ihrem Kern geprägt vom nationalstaatlichen Denken der Zwanzigerjahre, um die Migration zu steuern, wenn nicht gar: zu stoppen. Europa, die Wiege der Aufklärung, die Bühne der liberalen Revolutionen, der Menschenrechte, wird dichtgemacht. Mit zweifelhaftem Erfolg. Ähnlich wie beim Krieg gegen die Drogen wächst das illegale Geschäft, je härter die Behörden dagegenhalten. Der unauffällige Chinese Yazhen besitzt einen bordeauxfarbenen EU«Wenn sie mich erwischen, werde ich nach China zurückgeschickt», Pass, ausgestellt im Jahr 2007, und lebt in der sagt Schwarzarbeiter Yazhen. «Dabei bin ich nur illegal hier, weil es grauen Zwischenwelt der Schwarzarbeiter: Er einfach nicht anders geht.» ist nicht geduldet, aber auch nicht unerwünscht. Laut seinem Pass kommt er aus Mamachen», sagt der knapp 30-Jährige. «Ich bin nur illegal hier, weil es eincao, tatsächlich aber aus Fujian, einer Provinz im Südosten Chinas. Er fach nicht anders geht.» spricht kein einziges Wort Portugiesisch, er war noch nie in Portugal, auch noch nie in Macao. Die Angaben in seinem Pass gehören zu einem 50 000 Euro pro Person Menschen, der in China lebt. Und Yazhen lebt dessen Leben in Europa. Ungefähr 1000 chinesische Schwarzarbeiter arbeiten wie Yazhen in Einem Reporter von swissinfo.ch hat er erzählt, wie er in die Schweiz der Schweiz, wie die Koordinationsstelle Menschenhandel und Mengekommen ist: 2009 mit einem Touristenvisum via Ungarn in Europa schenschmuggel (KSMM) der Schweizerischen Bundespolizei schätzt. eingereist, dort erfahren, dass es in der Schweiz Arbeit gibt, als Tourist Mit gross angelegten Razzien werden immer wieder Schleppernetzwermit einem Schengen-Visum in Bern gelandet. ke ausgehoben. Anfang 2013 fand eine landesweite Polizeiaktion gegen Als das Visum auslief, brauchte Yazhen neue Dokumente. Unter den einen Menschenhändlerring statt, der Menschen aus China illegal in die chinesischen Schwarzarbeitern kursieren Telefonnummern, die für solSchweiz schleuste. 349 Verdächtigte wurden angehalten und überprüft, che Probleme hilfreich sind. Nach einigen Anrufen und 3000 Franken 57 Personen festgenommen. In Spanien und Frankreich sind zuvor Gebühr hält er drei Monate später einen nagelneuen Pass in den Schlepperringe ausgehoben worden, die bis zu 50 000 Euro pro Person Händen, auf dem in goldenen Buchstaben steht: «União Europeia – verlangten, um Chinesen nach Europa zu schleusen. Portugal». Reden wir Europäer von Freiheit, meinen wir unsere Freiheit. UnseChinesen mit einem portugiesischen Pass sind unauffällig, Macao ist re Werte. Unsere Massstäbe. Und vergessen die Unfreiheit der anderen. eine frühere portugiesische Kolonie. Yazhen arbeitet seither schwarz in Eine Ungerechtigkeit, die auch für uns je länger je mehr zum Gefängnis der Schweiz, ohne Arbeitsvertrag und ohne Sozialversicherungen. 70 wird. Die Unfreiheit der anderen frisst sich in unsere Freiheit, vergiftet Franken bekommt er für einen Acht-Stunden-Tag in einem chinesischen sie, macht sie brüchig, löst sie auf. Die Anti-Terrorgesetze nach 9/11 waRestaurant in der Region Bern. Im Monat sind das 1500 Franken. 300 ren der Auftakt zum globalen Sicherheitsstaat, an der EU-Aussengrenze Franken davon zahlt er für die kleine Wohnung, die er sich mit einem wird Kriegstechnologie gegen Migranten eingesetzt. Sollten wir jemals anderen chinesischen Schwarzarbeiter teilt. Yazhen findet sein Salär in wirklich an die Werte geglaubt haben, die wir so gerne als unsere ureiOrdnung, er kennt Chinesen in der Schweiz, die gar kein Geld verdiegensten bezeichnen, dann verraten wir sie gerade im grossen Stil. nen für ihre Arbeit. Eine Belastung ist für Yazhen die ständige Furcht vor Die Grenzen, die wir ziehen, sind weder durch Freundschaft noch der Polizei. «Wenn sie mich erwischen, werde ich nach China zurückdurch Liebe zu überwinden. Auch gemeinsame Kinder helfen Menschen geschickt. Dabei will ich doch nur Geld verdienen und keine Probleme

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dies- und jenseits der Grenzwälle und Gesetzesbollwerke nicht. Die Welt ist eingeteilt, geordnet in Innen und Aussen, in Schengen und Nicht-Schengen, in positive Drittstaaten (ohne Visum) und negative Drittstaaten (mit Visum). Bloss: Die Unordnung im Leben der Menschen hält sich nicht daran. Der Mensch, das Migrationsrisiko Petra, 35, Lehrerin aus Zürich, hat vor vier Jahren in Südafrika den Vater ihrer heute 14 Monate alten Tochter kennengelernt. Daniel stammt ursprünglich aus Angola, hat eine Aufenthaltsbewilligung für Südafrika und einen Job dort. Seine Tochter in der Schweiz kann Daniel nicht besuchen, die Schweizer Botschaft in Südafrika hat das Visumsgesuch abgelehnt. Als zu gross schätzen die Behörden die Gefahr ein, dass er die Schweiz nicht wieder verlässt. 30 000 Franken müssten Petra oder Daniel auf dem Konto haben, um seinen Aufenthalt in der Schweiz abzusichern. Petra lebt als alleinerziehende Mutter von den monatlich 2800 Franken Kleinkinderbetreuungsbeiträgen, nur mit Arbeitslosengeld käme sie derzeit auf die monatlich 4000 Franken Einkommen, die für einen Besuch des ausländischen Vaters vorgeschrieben sind. «Wenn ich beim RAV angemeldet sei, sagte man mir, könne ich es vergessen», erzählt Petra. Was bleibt an Optionen? «Nur noch das Heiraten. Das wollte ich aber nie als Mittel zum Zweck.» Auch wenn es um Leben und Tod geht, bleibt die bürokratische Maschinerie unerbittlich – und der Mensch grundsätzlich verdächtig. Nina, 33, Angestellte aus Zürich mit Wurzeln in Ägypten, in der Schweiz geboren, aufgewachsen und mit Schweizer Pass, erzählt eine ähnliche und doch ganz andere Geschichte. Sie versuchte, ein Visum für ihren Cousin aus Kairo zu bekommen. «Mein Vater war schwer krank, und ich war mit der Unterstützung an seinem Spitalbett hier in der Schweiz allein

überfordert», sagt sie. Nina schickte der Botschaft wie verlangt eine schriftliche Einladung an den Cousin mit der Zusicherung, diesen nach Ablauf des Visums wieder an den Flughafen zu bringen. Sie schickte ausserdem drei Lohnabrechnungen, als Beweis dafür, dass sie für allfällige Kosten aufkommen kann, die aus dem Besuch entstehen. Sie bestätigte schriftlich, dass sie alle Versicherungskosten übernimmt. Und sie legte eine Bestätigung des Spitals über den gesundheitlichen Zustand ihres Vaters bei, der zu dieser Zeit künstlich beatmet wurde und nicht bei Bewusstsein war. Doch das Visumgesuch, für das sie 150 Franken bezahlt hatte, wurde abgelehnt. Die Begründung: nicht vertrauenswürdige Dokumente. «Vor Wut hätte ich den Migrationsbehörden gerne die Spitalfotos meines Vaters geschickt und gefragt, ob wenigstens diese 39 Kilo Restmensch vertrauenswürdig genug sind», sagt sie. Geschichten, die das Leben schreibt – Menschen, die zu Risiken werden, sobald sie in Form eines Visumsantrages auf dem Pult eines Beamten landen. Der Visakodex der EU, an den über das Schengen-Abkommen auch die Schweiz gebunden ist, enthält laut einer Sprecherin des Bundesamts für Migration «eine nicht erschöpfende Liste von Belegen», die vom Antragsteller verlangt werden können. Und je nach «sozioökonomischer Situation» im Herkunftsland werden noch mehr Papiere, Unterlagen, Belege verlangt, um «eventuelle Migrationsrisiken» abzuschätzen. «In Einzelfällen», die für ihre Integrität und Zuverlässigkeit bekannt seien, könnten die Behörden von der «Vorlage eines oder mehrerer der jeweils aufgeführten Belege» absehen. Sprich: ein Auge zudrücken. In «berechtigten Fällen» könne das Amt jedoch zusätzliche Unterlagen anfordern, führt die BFM-Sprecherin weiter aus. Einen treffenderen Ausdruck für Willkür muss man erst finden. ■ * Namen geändert

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Meist reicht es nur f端r Reis und Zucker: Improvisierter Marktstand auf Gourougou.

Wirtschaft Im Land der Habenichtse Selbst hier oben gibt es Arm und Reich: Hunderte Afrikaner warten auf einem Berg bei der spanischen Exklave Melilla in Marokko auf eine g端nstige Gelegenheit, die Festung Europa zu erst端rmen. Entstanden ist eine Parallelwelt der Mangelwirtschaft, in der sich einige komfortabel eingerichtet haben.

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VON DANIEL ETTER (TEXT UND BILDER)

Im Reich des Präsidenten der Elfenbeinküste dämmert es. Er heisst Timite Ben Kadjal, nennt sich aber Muhammed Ali oder My Black. Das hat er auf die Innenseite seines linken Handgelenks tätowiert, also bleiben wir dabei – My Black. Er ist der wohlhabendste Einwohner seines Reiches. Seine Residenz hat er am höchsten Ort seines Landes gewählt, von wo er seine Untertanen überblicken kann. Es ist kein Palast, sondern ein Zelt, es steht auf dem Berg Gourougou, zusammengeflickt aus Zweigen, Plastikplanen und alten, dreckigen Decken, die seine Vorgänger zurückgelassen haben. Im Wald versteckt leben hier Hunderte, manchmal Tausende Männer und ein paar vereinzelte Frauen, die darauf hoffen, es nach Europa zu schaffen. Es sind keine zwei Kilometer Luftlinie bis zur spanischen Exklave Melilla. Der Bergrücken windet sich dorthin hinab, bis seine Ausläufer an den Grenzzaun stossen, der Marokko von Spanien trennt, Afrika von Europa. Oft warten sie hier Wochen, Monate, manchmal Jahre. Die meisten Menschen kommen aus Mali, der Elfenbeinküste oder Kamerun, daneben ist fast jedes afrikanische Land südlich der Sahara vertreten. Die Flüchtlinge haben das Areal des Zeltlagers nach den Nationen, aus denen sie stammen, aufgeteilt, sie haben Grenzen gezogen, die Parzellen nach ihren Heimatländern benannt und so einen Mikrokosmos afrikanischer Nationen entstehen lassen. Die Einwohner dieser Länder haben Präsidenten benannt und treiben Handel. Sie eröffnen Geschäfte oder leben von Erspartem. Und selbst in dieser Mangelwirtschaft gibt es Arm und Reich.

und, wenn ihm danach ist, ein grünes Handtuch auf dem Kopf. Deseigne ist ein ruhiger Mensch, 29 Jahre alt. Er hat in seiner Heimat Mali Englisch studiert. Arbeit konnte er nicht finden. So sass er in Bamako jeden Tag mit seinen Freunden Tee trinkend unter einem Baum. «Wir haben uns darüber unterhalten, wie scheisse das Leben ist.» Jeden Tag die gleiche Routine. Es war ihm zu wenig, er hat Träume. «Ein junger Mann will arbeiten», sagt er. Er will Geld verdienen, eine Frau finden, die er liebt. Heiraten. Vor drei Jahren hat er sich von Mali in Richtung Europa aufgemacht. Mit 600 Franken kam er vor elf Monaten hier im Zeltdorf an. Das sollte reichen, ihn nach Europa zu bringen, dachte er. Es kostet nicht viel, das Leben hier, vielleicht vier, fünf Franken für Essen pro Tag, daneben ein wenig für Telefongespräche und Zigaretten. Doch nach sechs, sieben Monaten ist ihm das Geld ausgegangen. Er hat nie geplant, so lange hier zu bleiben. Wer nicht zahlen kann, schleppt Wasser Während Deseigne auf der Suche nach Essen ist, sitzt My Black in seinem Zelt in der Elfenbeinküste und unterhält sich mit seinen Beratern. Seine Entourage besteht aus 15 Mann: Ordnungshüter, Späher, Laufburschen. «Wir haben ein volles Programm», sagt My Black – morgens stehen Regierungsgeschäfte an. Er war Unteroffizier in der Armee der Elfenbeinküste, jetzt arbeitet er Strategien gegen die Grenzschützer vor Melilla aus. Die wichtigste Frage ist, wie sie am einfachsten über den Zaun klettern können. Er hat seine Späher losgeschickt, um Abschnitte im Zaun zu finden, wo die Maschen noch weit genug sind, um Halt zum Klettern zu bieten. Erfolglos. Deshalb sucht er nach anderen Möglichkeiten. Vor seinem Zelt trainieren Männer für den nächsten Ansturm. Sie haben Haken aus Armierungseisen gebogen und sie an einem Plastikseil befestigt. Einer schwingt das Seil in einen Baum, die Haken verfangen sich im Geäst. Die Männer versuchen hochzuklettern. Der erste schafft es. Seine Mitstreiter jubeln. Zurück an seinem Stammlagerfeuer im Zeltland Mali gibt Deseigne dem Koch die Tüte mit den verdorbenen Lebensmitteln. Er bereitet daraus Mittagessen für Deseignes Gruppe zu, für knapp 20 Mann. Die Gruppen sind das organisatorische Gerüst der kommunalen Wirtschaft der malischen Gemeinschaft. Deren Mitglieder teilen sich Zelte und Feu-

Der Präsident lebt komfortabel Es sind stürmische Tage im Juli. Unterhalb von My Blacks Zelt sitzen seine Untertanen um Lagerfeuer, kochen Tee, spielen Dame. Aus Angst vor der marokkanischen Polizei, die fast jeden Morgen gegen fünf Uhr durch das Lager stürmt, stehen sie vor Sonnenaufgang auf. Momentan herrscht My Black über mehr als hundert Männer und eine Frau. Sie haben ihn zum Präsidenten erkoren, damit er ihnen über diesen Zaun hilft: sieben Meter hoch, in Richtung Marokko geneigt, die Maschen zu eng, als dass Finger oder Füsse Halt finden können. Dann kommt noch ein Zaun. Und noch einer. Allein schafft es niemand, darum stürmen sie die Grenze zu Hunderten. Die Grenzschützer können nicht alle aufhalten. Deshalb brauchen Kost und Logis kosten im Zeltland Guinea 40 Rappen am Tag. Dort sie Männer wie My Black, die Entscheidungen gibt es einen Buchhalter, der notiert, wer was gezahlt und wer was für sie treffen, die sie zusammenhalten, die sie ausgegeben hat. führen. «Wir haben sie gewählt, damit sie den Krieg unter uns beenden», sagt einer, der sich erstellen, sie kaufen gemeinsam ein und essen zusammen. Jeder steuert Deseigne nennt. So sind auch hier verschiedene Schichten entstanden. seinen Teil bei. Wer Geld hat, zahlt 30 bis 35 Rappen pro Mahlzeit. DaGeld hat zwar kaum einer, die sozialen Unterschiede zeigen sich darin, von kaufen sie an einem der Dutzenden improvisierten Lebensmittelwer saubere Kleidung trägt und wer schmutzig herumlaufen muss. Wer stände im Lager, was Deseigne nicht aus dem Müll fischen kann: regelmässig isst und wer um Mahlzeiten betteln muss. Wer arbeiten manchmal Sardinen, doch meist reicht das Geld nur für Reis und Zucker muss und wer sich in seinem Zelt ausruhen kann. für den Tee, alles portionenweise abgepackt. Wer nicht zahlen kann, Die Sonne geht über dem Mittelmeer auf. Ihre Strahlen brechen schleppt Wasser aus der drei Kilometer entfernten Quelle oder kocht für durch die Bäume, zeichnen sich in einem Gemisch aus Qualm von den die Gemeinschaft. Lagerfeuern und aufgewirbeltem Staub ab. Wie jeden Tag macht sich Fussein, der Präsident Malis, greift nur selten in die Alltagswirtschaft Deseigne aus der Zeltnation Mali zum Markt in der nah gelegenen Haseiner Gemeinschaft ein. Die Malier haben sich dezentral organisiert. In fenstadt Beni Ansar auf. Er läuft über den steinigen Bergrücken in Richkleineren Gemeinschaften ist das anders: In den Zeltländern Nigeria tung der Ausläufer der Stadt. Bevor er die Hauptstrasse erreicht, biegt er oder Guinea, deren Bevölkerung momentan bei unter 30 Personen liegt, in eine Seitengasse ab. Deseigne hat Angst, von der marokkanischen Pokontrollieren die Präsidenten das Wirtschaften direkt. Sie verlangen täglizei festgenommen zu werden. Er schleicht sich zu den Mülltonnen des liche Gebühren für Essen und Schlafplatz – in Guinea 40 Rappen pro Marktes, wo er nach Essbarem sucht. Heute findet er ein paar verdorTag. Dort gibt es einen Buchhalter, der notiert, wer was gezahlt und wer bene Tomaten, Zwiebeln und Paprika – eine halbe Plastiktüte voll. was ausgegeben hat. Eigentlich heisst er Abou Bakr, aber er nennt sich Deseigne, weil er Neben dem Lagerfeuer, an einen Baum gelehnt, sitzt Gaoussou, der viel Wert auf gutes Auftreten legt – wie ein Designer eben. Auf Bildern Zigarettenhändler. Deseigne bittet ihn um eine American Legend. Gavon früher posiert er in weissen Hemden, mit Sonnenbrille und einer oussou gibt sie ihm gratis. Normalerweise kauft er sie in Beni Ansar ein goldenen Uhr. Im Zeltlager trägt er jeden Tag dieselbe Kleidung: schwarund verkauft sie hier mit Aufschlag weiter. Für die Packung Marlboro ze Leggings, darüber eine schwarze Sporthose, eine schwarze Jacke SURPRISE 338/14

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Körperpflege muss sein: Ein malischer Migrant beim Coiffeur.

nichts, warum sollten wir fasten?», fragt Deseigne. Aber der Ramadan nimmt er 2.20 Franken, gekauft hat er sie für 1.35. American Legend hat einen grossen Vorteil für sie: Die Polizei war seit beinahe einer Wokosten 95 Rappen pro Packung – derselbe Packungspreis wie in Beni Anche nicht mehr hier. Zuvor hat sie die Zeltlager täglich gestürmt, hat sar. Doch weil sie billig sind und viel gefragt, kann er sie stangenweise Wertsachen gestohlen und Zelte niedergebrannt. Das macht das Wirtkaufen, so sinkt sein Einkaufspreis auf 50 Rappen. Niemand hier könne Waren mit grossem Aufschlag weiterverkaufen, sagt Deseigne. «Wir kennen die Preise.» Es fliesst mehr Geld aus den Zeltlagern ab, als zurückkommt. Die Sie bezahlen Gaoussou für das Risiko, das er Transitwirtschaft funktioniert nur, weil Neuankömmlinge frisches auf sich nimmt, wenn er das Lager verlässt, Geld mitbringen. um in der Stadt einzukaufen. Es droht Verhaftung durch die marokkanische Polizei, die die schaften schwer. Niemand kann grössere Geschäfte aufbauen, niemand Flüchtlinge ein paar Hundert Kilometer entfernt in den Städten Rabat, investiert weit über den nächsten Tag hinaus. Fès oder Oujda freilässt. Von dort finden sie ihren Weg meist zurück Ein Ivorer kommt am Lagerfeuer der Gruppe vorbei, verlangt nach zum Berg Gourougou, doch das kostet Zeit und Geld. Deseignes Telefon. Er gibt es dem Mann widerwillig. Der Ivorer ruft eiDrei, manchmal vier Packungen American Legend verkauft Gaousnen Freund an, der es vor ein paar Wochen nach Melilla geschafft hat. sou am Tag. Ausserdem ein paar einzelne Marlboro. Von dem Erlös hat Seitdem lebt er dort in einem Auffanglager. In den nächsten Tagen geht er sich Nadel und Faden gekauft, um Schuhe zu reparieren, die bei den seine Reise weiter. Er will zu einem Onkel, der im Norden Spaniens unzähligen Versuchen, über Zaun und Stacheldraht nach Europa zu wohnt. Vorher soll er seinem Freund auf dem Berg Gourougou noch sein klettern, verschleissen. 1.70 Franken nimmt er pro Paar. So kommt er gesamtes Geld und seine Wertsachen überlassen: 25 Franken und eine auf gut 3.50 Franken Einnahmen am Tag. Sparen kann er davon nichts. SIM-Karte. Er muss nicht nur sich selbst versorgen, sondern auch seine Gruppe. Ein Marokkaner, den sie Picollo nennen, arbeitet als Bote für die Unten, am Rande des Versammlungsplatzes von Mali, hat ein Freund Flüchtlinge. Bewohner Nadors, der marokkanischen Provinz um Melilvon Deseigne ein Geschäft eröffnet. Er verkauft einzelne Schuhe, die la, können ohne Visum in die spanische Exklave einreisen. Gegen eine irgendwie zusammenpassen: ein rechter Fussballschuh von Adidas und Gebühr transportiert Picollo Sendungen vom Auffanglager zum Berg ein linker von Puma, ein blauer rechter und ein weisser linker von Nike. Gourougou, meist Geld. Dem Marokkaner könne man nicht trauen, Der Händler sammelt die Schuhe am Zaun ein. Sie stammen von Mänwendet Deseigne ein. Nach kurzer Diskussion einigen sich die Männer nern, die sie dort verloren haben. 95 Rappen verlangt er für das Paar. darauf, dass sie auf einen der Journalisten warten, die alle paar Wochen Es sind die Wochen des Ramadans, die Tage sind lang, es ist heiss. von Melilla hierherkommen, oder auf den Sozialarbeiter, der ihnen MeAlle Malier hier sind Muslime, aber sie haben ihre religiösen Pflichten dizin bringt. dem Leben von der Hand in den Mund untergeordnet. «Wir haben

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beinküste unterstützen. «Einer kann eine ganze Familie retten», sagt er. Deseigne musste sich sein Geld auf der Durchreise in Algerien erarSeine Ideen, wie es auf der anderen Seite des Zaunes sein wird, sind vabeiten. Seine Familie sei arm, könne ihn nicht unterstützen. Aber selbst ge. «Ich kann mir nicht vorstellen, wie es dort ist», sagt er. «Ich denke wenn sie Freunde oder Angehörige haben, die ihnen Geld schicken wolnur daran, wie ich da hinkommen kann.» Warum er aus der Elfenbeinlen, kommen sie hier oben nur schwer daran. In Beni Ansar gibt es eiküste geflohen ist, was in der Armee passiert ist, will er nicht sagen. ne Filiale von Western Union, aber um dort Geld abzuholen, braucht Darüber zu reden könnte ihm später Probleme bereiten. Vielleicht will man einen gültigen Ausweis. Den haben wenige. Ausserdem liegt die Fier ein Mysterium um seine Person aufbauen, vielleicht stimmt es tatliale direkt neben dem bewachten Grenzübergang. Der Weg dorthin sächlich. würde fast unweigerlich in einer marokkanischen Zelle enden. Zwischen den Zelten schläft eine Gruppe Malier auf einer PlastikplaWer es über die Grenze schafft, verliert sein Amt ne, ihre Rucksäcke neben sich. Sie sind über Algerien nach Marokko geEuropa ist nur eine Zwischenstation für My Black. Er will in die USA. reist, erst vor ein paar Stunden angekommen. Jetzt warten sie auf den Er ist 30 Jahre alt, spricht kaum ein Wort Englisch. Er hat allein vier JahPräsidenten Malis, der sie in die Gruppe aufnimmt, ihnen einen Platz re gebraucht, um von der Elfenbeinküste bis hierher zu kommen. Seine zuteilt. Die Transitwirtschaft ist auf Neuankömmlinge wie sie angewieHaare habe er in der Zeit nicht mehr geschnitten. Acht Zentimeter sind sen. Es fliesst mehr Geld von hier ab, als zurückkommt – das Überleben seine Dreadlocks inzwischen lang. «Die Frisur der Habenichtse», sagt eihier funktioniert nur, weil Neuankömmlinge frisches Geld mitbringen. ner aus seiner Entourage. Je besser der Zaun gesichert ist, je länger die Flüchtlinge bleiben, desto Kurz bevor der Markt in Beni Ansar am Abend schliesst, macht sich knapper wird das Geld. Deseigne wieder dorthin auf. Er verlässt Mali, überquert die Grenze Am Nachmittag sitzt Deseignes Gruppe wie so oft am Lagerfeuer. Das nach Kamerun und dann die nach Marokko. Dort kommt er am KräLeben hier bedeutet vor allem warten. Um irgendwann auf das Kommerladen vorbei, von dem sie ihren Strom beziehen. In der Gasse neben mando der Präsidenten den Zaun zu stürmen, in der Hoffnung, zu denjenigen zu gehören, die es nach Melilla schaffen. Zu denjenigen, die von den Schlagstöcken Die sozialen Unterschiede zeigen sich darin, wer saubere Kleidung der marokkanischen Grenzschützer verschont trägt und wer schmutzig herumlaufen muss. Wer regelmässig isst bleiben. Zu denjenigen, die die spanische und wer um Mahlzeiten betteln muss. Wer arbeiten muss und wer Polizei nicht sofort durch die Türen im Zaun sich in seinem Zelt ausruhen kann. abschiebt. Ohne Verfahren, gegen geltendes Recht zurück zu den prügelnden Polizisten auf dem Laden warten Dutzende Männer, bis ihre Mobiltelefone geladen der marokkanischen Seite. Am Morgen sitzen sie dann in den Strassen sind. Der Händler verlangt 20 Rappen pro Akkuladung. Er profitiert von Beni Ansars, die Gescheiterten, die Geschlagenen, die Zurückgebliebedem illegalen Lager auf dem Berg. So wie die Händler auf dem Markt, nen. Platzwunden am Kopf, die Gesichter angeschwollen, die Hände die Ware, die sie nicht mehr bei der lokalen Kundschaft loswerden, an blutig. die Männer aus Gourougou verkaufen: ein Kilo stinkender Fisch für 95 Rappen. Malis Präsident teilt alles mit seinem Volk Die Sonne versinkt hinter dem Berg im Westen. Der Zaun um MelilPlötzlich erheben sich alle Malier von ihren Feuerstellen und gehen la sieht mit seinen Scheinwerfern aus wie ein Lichterband. Oben in seiin Richtung des Versammlungsplatzes. Fussein, ihr Präsident, hat Geld nem Zelt liegt My Black, hört Musik mit seinem iPod und surft mit seisammeln lassen. 30 Rappen von jedem, der zahlen kann. Seine Männer nem Smartphone im Netz. Er kann es sich erlauben. Um das tägliche haben damit Datteln und Milch gekauft, die sie an seine Untertanen verWirtschaften muss er sich nicht sorgen. Das übernehmen seine Unterteilen. Dutzende Malier drängen sich auf dem Platz. «Es gibt hier kein tanen für ihn. Sie versorgen ihn mit Essen, Kleidern zum Wechseln, ZiÜberleben ohne Wohlfahrt», sagt Deseigne. Wer kein Geld hat, wird von garetten. Er zahlt sie mit der Hoffnung, dass er der Richtige ist, um sie der Gemeinschaft versorgt. Das gilt allerdings nicht für alle Nationen auf nach Europa zu bringen. Damit hat er sich hier oben eingerichtet, so gut dem Berg. Mali hat ein sozialistisches Wirtschaftsmodell mit flachen es geht. Hierarchien. Andere Nationen sind kapitalistischer, hierarchischer orgaMy Black wird seine Macht verlieren, sobald er es auf die andere Seinisiert. Van Damme, der Präsident Kameruns, verlangt eine Registriete schafft. Wenn die Präsidenten weitergezogen sind, wählen die Zurungsgebühr von Neuankömmlingen, die von den Männer «Ghetto Fee» rückgebliebenen neue Führer. Seniorität zählt, Erfahrung und Charisma. genannt wird und bis zu 45 Franken beträgt. Wer nicht zahlt, wird nicht «Wir suchen nach einem grossartigen Menschen», sagt Deseigne. Er in die Gemeinschaft aufgenommen. Auch My Black ist kein Wohltäter. selbst habe keine Ambitionen. «Zu viele politische Spielchen. Alle reden Bis auf Malis Anführer Fussein trägt keiner der Präsidenten schmutzige, hinter dem Rücken über einen.» Trotzdem fragt man sich, wie gross My abgenutzte Klamotten. My Black wechselt ständig seine Kleidung. Aber Blacks Motivation ist, das Leben als Präsident der Migranten gegen eiseine Gemeinschaft ist offen für Menschen, die kein Geld haben. Er verne ungewisse Zukunft in Europa einzutauschen. Es ist mehr als zwei langt keine Registrierungsgebühr, dafür lässt er sich sein Amt mit PriviMonate her, dass er zum Sturm auf die Grenze aufgerufen hat. «Dies ist legien bezahlen. unser Zuhause», sagt er. «Es geht Schritt für Schritt voran.» My Blacks Regierungsprogramm ist für heute zu Ende. Seine NachDeseigne bereitet Tee für seine Gruppe zu, giesst ihn in hohem Bomittage seien dafür da, über das gute Leben nachzudenken, sagt er. Mit gen in ein dreckiges Glas. Der Tee schäumt auf. Er reicht das Glas an seinem engsten Berater liegt er in seinem Zelt und schickt seinen Laufseinen Nachbarn am Lagerfeuer weiter, lässt ihn trinken, füllt das Glas burschen Zigaretten holen. Er heisst Djonce, aber My Black nennt ihn wieder auf und reicht es dem Nächsten. «Eines Tages verlassen wir Gou«So Close», weil er stets zur Stelle ist. Djonce kehrt zurück, setzt sich an rougou», sagt Deseigne und schiebt ein «Ja» hinterher als Versicherung, den Eingang des Zeltes und fängt an, Joints für die Männer zu drehen. dass es so kommen werde. Hinter dem Zaun, so glaubt er, werden dann My Black kifft ständig. «Wir haben hier so viele Probleme», sagt er – alle seine Wünsche wahr. Eine Frau, die ihn liebt, Arbeit, Geld. die Drogen helfen, sie zu vergessen. Ein Luxus, den sich nur die wenigsHeute Abend aber sitzt er hier und unterhält sich mit seinen Freunten hier leisten können. My Black kann sich nicht lange auf ein Geden darüber, wie scheisse das Leben ist. spräch konzentrieren. «I lose my mind», sagt er und unterbricht die ■ Unterhaltung. Sobald er in Europa ist, will er mit dem Kiffen aufhören und einen richtigen Job finden. Er will seine Angehörigen in der ElfenDieser Text ist erstmals im Magazin brandeins erschienen. SURPRISE 338/14

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Film Wie das Engadin ins Südtirol kommt Es kommt nicht oft vor, dass ein internationaler Film nicht nur viel Schweiz zeigt, sondern auch noch «Sils Maria» heisst. Die Produktion mit Juliette Binoche und Kristen Stewart in den Hauptrollen ist für das Engadin ein Glücksfall. Sonst aber hat die Schweiz trotz der schönen Landschaften als Drehort einen Schattenplatz. VON DIANA FREI

Es gibt diese Szene, als Juliette Binoche als ganz leicht angejahrte Schauspielerin Maria Enders mit «Twilight»-Kristen-Stewart als Assistentin Valentine am Zmorgetisch eines Chalets sitzt und den Text für ein Theaterstück einübt, und vor ihnen stehen Hero-Confi, Bio-Milch aus dem Coop, Schweizer Butter und ein Liter Ramseier-Orangensaft. In der französisch-schweizerisch-deutschen Koproduktion «Sils Maria» spazieren Binoche und Stewart zudem zwischen Engadiner Gräsern und Fels-

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brocken hindurch, sie fahren ein Auto mit Zürcher Nummernschild, an der Strasse sieht man die Esso-Tankstelle im Hintergrund. Auch hat es etwas Eindrückliches, wenn Juliette Binoche zum Maloja-Pass hinüberzeigt und ihren Blick über den Silsersee schweifen lässt. In Olivier Assayas’ «Sils Maria», der im Dezember in die Kinos kommt, steckt eine Menge Schweiz. Dass Gegenden und Städte, die schon als Filmkulisse gedient haben, ihren eigenen Reiz ausüben, ist offensichtlich. Immerhin haben sich Reiseveranstalter wie «filmtourismus.de» auf Reisen entlang von Drehorten SURPRISE 338/14


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Juliette Binoche auf Nietzsches Spuren spezialisiert, und so bereisen viele Touristen die Welt gerne in der Nach dem ersten Kontakt wurde ein Termin für eine RekognoszieGewissheit, dass überall, wo sie hinkommen, auch schon ein Star gerung vor Ort abgemacht, und Dietrich lief zusammen mit Regisseur Oliwandelt ist. Ein Film wie «Sils Maria» muss der Traum jedes Tourisvier Assayas, Regieassistenz und Kameramann die Natur ab, die nahe musdirektors und der ansässigen Hotellerie sein, zumal der Ortsname liegenden Täler und Berge, auf der Suche nach genau dem Blick ins Tal, idealerweise auch noch titelgebend ist. Auch ist das traditionsreiche den die Crew vor Augen hatte. Im Hotel wurde angeschaut, was im Grand Hotel Waldhaus im Film vertreten: Hier logieren die ProtagoniDrehbuch vorgesehen war – Assayas kannte die Location, er hatte schon sten und hören Händel im Salon. zweimal im Hause Dietrich Ferien gemacht. «Das war sicher mit ein Gemeindepräsident Christian Meuli sagt, Felix Dietrich vom Hotel Grund dafür, dass er überhaupt Sils Maria in Erwägung gezogen hat», Waldhaus habe sich als eine Art Götti vor Ort um das Filmprojekt gesagt Dietrich. Und es war ausschlaggebend, dass er überhaupt das Drehkümmert. Gute zwei Wochen im September 2013 hat das Team in Sils Maria gedreht und nochmals ein paar Tage im Winter danach. Felix Dietrich ist der Senior Der Schweizer Koproduzent von «Sils Maria» fragte das Hotel Waldhaus Chef des Hotels, seine Söhne leiten seit vierals Drehort an. Er kannte das Haus, 1997 hat er hier bereits Claude einhalb Jahren den Betrieb, und er ist zustänChabrols «Rien ne va plus» realisiert. dig «für die Kultur und die Aussenbeziehungen». Der Schweizer Koproduzent des Films buch schreiben konnte. Denn der Schauplatz ist eng verhängt mit Handkam mit seiner Anfrage auf das Waldhaus zu. Er kannte das Haus, 1997 lung und Grundmotiv, dem Werden und Vergehen, der Jugend und dem hat Jean-Louis Porchet von CAB Productions hier bereits Claude ChaAlter. Assayas sah die Thematik verdichtet in den Engadiner Wolken, er brols «Rien ne va plus» realisiert. «Da wir sehr gute Erfahrungen mit ihm hat ein landschaftliches Bild dafür gefunden, was in den Figuren vorgemacht haben und das Team sich an die Abmachungen gehalten hat, geht. Die schönen Berge sind nicht nur Dekoration. Nichts ist Zufall an konnten wir uns überlegen, auch bei diesem Projekt mitzumachen.» Feden Blicken ins Tal, und die Natur ist, wenn nicht Handlungsträger, so lix Dietrich klingt freundlich und zuvorkommend, aber keineswegs so, doch Motor der Gedanken und Gefühle. als ob er sofort zusagen würde, wenn bei ihm ein Film gedreht werden Im Zentrum steht ein Theaterstück mit dem Titel «Die Malojaschlansoll. «Wichtig ist die Tatsache, dass wir in erster Linie ein Hotel sind», ge», das die Binoche-Figur Maria Enders in jungen Jahren berühmt sagt er am Telefon, während er im Auto von einer Tagung zurückfährt. machte – in der Rolle der verführerischen Sigrid, die die ältere Helena «Wenn wir das Gefühl haben, das Hotel werde plötzlich eher zum um den Finger wickelt. Vergangenheit und Gegenwart beginnen sich Filmstudio, dann ist es ein Problem. Vor allem, wenn es in der Saison nun, da das Stück wiederaufgeführt werden soll, zu vermischen. Ein passiert. Und wir hatten ja nebst der Filmcrew, die etwa 30 bis 35 Leute aufstrebender Regisseur will die Schauspielerin wieder auf der Bühne waren, noch 120 bis 150 individuelle Gäste.» SURPRISE 338/14

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produktion und im Fotobereich verdient, hat Bollywood-Produktionen haben – jetzt allerdings in der Rolle der reiferen Helena. Ein Perspektibetreut oder italienische Komödien, nun ist Bollywood in den letzten venwechsel steht also an, der Maria Enders nicht nur Spass macht. Und Jahren stark eingebrochen. Die Inder hätten dem Schweizer Tourismus als sie tatsächlich aus dem Projekt aussteigen will, merkt sie, dass sie insgesamt einen dreistelligen Millionenbetrag in die Kassen gespült, zur Geisel ihrer eigenen Vergangenheit geworden ist, weil sie den Stück«aber irgendwann hat man auch die Schweiz aus allen grünen Winkeln vertrag nicht mehr kündigen kann: Sie ist zur Konfrontation mit ihrem gesehen», sagt er. Das letzte grosse Projekt, das er betreute, war Anfang damaligen und jetzigen Ich gezwungen. Die Wiederkunft des VergangeJahr die Le-Carré-Verfilmung «Our Kind of Traitor» mit Ethan Hawke. nen, ein Kreislauf, in dem alles zurückkommt – da ist es kein Zufall, dass die beiden Protagonistinnen auf Nietzsches Pfaden wandeln. In den 1880er-Jahren Der Concierge mit dem Schweizer Akzent, der mit Kristen Stewart verbrachte er den Sommer achtmal in Sils und redet, ist kein Schauspieler, sondern der Original-Concierge vom beschäftigte sich hier intensiv mit der Idee der Hotel Waldhaus. ewigen Wiederkunft des Gleichen: ein zyklisches Zeitverständnis, das in den Plot von «Sils Allerdings wurde er dafür direkt über seine eigene Produktionswebsite Maria» eingeflossen ist. Ausserdem ist die Malojaschlange (wie das zenangefragt: «Als Film Location Schweiz konnte ich ja nicht wirklich betrale Theaterstück heisst) hier verortet, ein meteorologisches Phänohilflich sein.» Zwei Tage wurde mit einer Crew aus England und Frankmen, bei dem sich ein Wolkengebilde ins Tal ergiesst und dabei wie eireich in Bern gedreht, am Originalschauplatz, den John Le Carré vor Aune Schlange aussieht, die zwischen den Bergen hindurchkriecht. gen hatte. Es gibt trotz allem internationale Dreharbeiten, die in der Sils Maria musste es also sein. Schweiz stattfinden, die aber über private Serviceproduktionen abgewickelt werden. Im Sommer wurde in Walenstadt und im Berner OberBis zu 1,5 Millionen Euro aus dem Südtirol land etwa 30 Tage lang für das Remake von «Point Break» gefilmt. 3,5 Es gibt allerdings Drehorte im Film, die Engadin zu sein vorgeben, Millionen Euro seien dadurch gesamthaft in der Schweiz liegengeblieaber Südtirol sind. Als sich Maria und Valentine zum Textlernen in ein ben – für Hotels, Helikopterflüge, Catering, Automieten und Crew, sagt Chalet zurückziehen, das im Fextal sein sollte, sind wir nach der ersten der für den Schweiz-Dreh zuständige Line Producer. Kurve der Autofahrt in Wahrheit im Südtirol. Auch Teile der SpazierFilm Location Switzerland wurde ursprünglich von einer privaten gänge fanden nicht bei Sils Maria, sondern im Südtiroler Grödnertal Produktionsfirma aufgebaut und dann von Cinésuisse, dem Dachverstatt, ebenso die Autofahrt auf der Bergstrasse. Es ist kein Zufall, dass band der schweizerischen Film- und Audiovisionsbranche, übernomes ausgerechnet das Südtirol ist – einmal abgesehen davon, dass es dort men. Zusammen mit Tourismusverbänden versuchte man, Film Location auch Berge gibt. Switzerland aufzubauen, aber kaum jemand wollte Geld investieren. Die Region positioniert sich seit Jahren als Drehort, indem sie für ProAndere Länder oder Regionen haben Film Commissions. Das sind meist duktionen, die ganz oder teilweise hier gedreht werden, standortgebunöffentlich finanzierte Organisationen, die Dienstleistungen wie die Sudene Förderung anbietet. «Das Förderbudget kann bis zu 50 Prozent der che nach geeigneten Locations und Hilfe im Kontakt mit den Behörden kalkulierten Gesamtherstellungskosten betragen, in Ausnahmefällen soanbieten. Ziel ist, die Filmwirtschaft in einem bestimmten Gebiet zu förgar bis zu 80 Prozent. Die Höchstfördersumme beträgt pro Projekt 1,5 dern. Es profitieren nicht nur der Tourismus und die lokale Wirtschaft, Millionen Euro», heisst es auf der Homepage der Business Location Südsondern auch Filmtechniker, Kameraleute, Beleuchter genauso wie die tirol. Hinzu kommen je nachdem Steuererleichterungen – auch «Sils Magesamte Postproduktion oder Tonstudios. ria» konnte davon profitieren. «The Swiss film commission» steht auch auf der Homepage von Film Die meisten europäischen Länder kennen ein solches FörderungssysLocation Switzerland. Es war einmal so gemeint. Unterdessen ist der tem seit Jahren: Deutschland, Österreich, Frankreich oder Luxemburg. Online-Auftritt nur noch das Dokument eines gescheiterten Versuchs. Es verwundert nicht, dass Produktionen zunehmend im Ausland realiTraumhafte Landschaften allein nützen wenig, wenn die Bedingungen siert werden, zumal die Schweiz eine Hochpreisinsel ist. Zehn Drehtage nicht ähnlich attraktiv sind. Das Lobbying fehle hierzulande, klagt Rolang wurde das Engadin im Südtirol aufgenommen. ger Neuburger, und man hört durch das Telefon, dass da einer nicht Immerhin wurden die spezifischen Landschaften tatsächlich in Sils mehr daran glaubt, dass sich sein Engagement lohnt. Er spüre keine Maria gedreht. Auch kommt das Cinema Scala vor, das wirklich in St. Unterstützung auf höherer Ebene. Moritz steht, und das Casino von St. Moritz Bad beim Hotel Kempinski. Auf höherer Ebene aber – also beim Bund – kann man den Traum von Und der Concierge mit dem Schweizer Akzent, der Kristen Stewart den Südtiroler Verhältnissen auch nicht wahr machen. Das Bundesamt freundlich darauf aufmerksam macht, dass man am folgenden Morgen für Kultur BAK, Sektion Film, betreibt Filmförderung und kümmert sich die Malojaschlange gut sehe, ist kein Schauspieler, sondern der Originalum die Filmkultur. «Die Grundlage ist das Filmgesetz, und das FilmgeWaldhaus-Concierge. Aber auch das Waldhaus Sils hat natürlich gekossetz sieht in der Förderung vor, dass man einen Schweizer Koprodutet: die Bereitschaft der Hotelmitarbeiter, die Verpflegung, die Zimmer. zenten braucht», sagt Ivo Kummer, Filmchef beim Bund. Also kein Geld «Das waren allerdings nicht die Ansätze auf dem normalen Markt. Wir für Bollywood und andere internationale Produktionen ohne Schweizer haben miteinander einen Preis ausgehandelt, der ein bisschen mehr als Beteiligung. Das BAK kann weder Hotelübernachtungen für Filmcrews die Selbstkosten gedeckt hat. Es war für beide Seiten eine Win-winbezahlen noch Flüge finanzieren. Es bietet auch keine SteuererleichteSituation», sagt Senior Chef Felix Dietrich. rungen an, wie das andere Länder tun, um ausländische Produktionen anzulocken. «Die Steuerhoheit ist bei den Kantonen geregelt und liegt Schweizer Notfallprogramm nicht in der Bundespolitik», sagt Ivo Kummer. «Damit können wir nicht Davon kann Roger Neuburger von Film Location Switzerland nur operieren.» träumen. Er ist derjenige, der sich auf die Presseanfrage per Kontaktformular meldet, und es stellt sich schnell heraus: Er ist ohnehin der Mehr Weltoffenheit für sechs Millionen Franken einzige, der die mehr oder weniger verwaiste Homepage noch aufrechtDie Schweiz, ein Jammertal trotz den optischen Reizen von Viererhält: «Film Location Switzerland ist infrage gestellt, weil wir kein waldstättersee und Berner Oberland? Ganz im Gegenteil, findet offenbar Budget haben. Ich mache nur noch das Notfallprogramm», sagt er. «Ich Bundesrat Alain Berset: Der «Diskurs in der Enge» und die Polarisierung vermittle Bewilligungen und bearbeite Fragen aus dem Ausland, die onzwischen Weltoffenheit und Schweizer Provinzialität sei zu Ende, verline hereinkommen.» Neuburger, der sein Geld mit einer eigenen Service-

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Sils Maria muss es sein: Regisseur Assayas schickt Maria Enders (Juliette Binoche) und Valentine (Kristen Stewart) in die Schweizer Berge.

kündete ein optimistischer Kulturminister je«Es ist seit Jahren der Fall, dass das Ausland mehr oder weniger bedenfalls letzten Januar an den Solothurner stimmt, was in der Schweiz für Spielfilme gemacht werden», sagt Ivo Filmtagen. (Allerdings wurde ein paar Wochen Kummer, Filmchef beim Bund. später klar, dass die Schweiz ab sofort von der EU-Filmförderung ausgeschlossen bleibt, da Hätte Olivier Assayas das Hotel Waldhaus nicht schon gekannt und nach der Zustimmung zur Einwanderungsinitiative die EU nicht über eihätte der Schweizer Koproduzent nicht schon früher mit Felix Dietrich ne Erneuerung des Media-Abkommens diskutieren will. Dies wird Kozusammengearbeitet, hätte er vielleicht gleich den ganzen Film im Südproduktionen und der Weltoffenheit eher abträglich sein.) Alain Berset tirol gedreht. Wenn es in der Schweiz zu schwierig oder zu teuer gekündigte einen «Swiss Filmlocation Fund» an. Ziel sei es, finanzielle Anworden wäre, wäre man jedenfalls noch stärker ausgewichen, bestätigt reize zu setzen, um zu verhindern, dass die Herstellung von Schweizer der Unit Manager Switzerland von «Sils Maria». Der Senior Chef des Filmen und Koproduktionen zunehmend ins Ausland abwandere. Grand Hotels freut sich natürlich, dass es nicht so kam, aber er gibt sich Unterdessen hat dieser «Swiss Filmlocation Fund» den Namen «Film unaufgeregt. Im ganzen Gespräch hat er kein einziges Mal Juliette Standort Schweiz – FiSS» und bezeichnet die Sache damit treffender. GeBinoche gesagt, auch nicht Kristen Stewart und nicht einmal Olivier plant ist eine direkte, standortabhängige Filmförderung, mit denen man Assayas, nur den Schweizer Produzenten hat er beim Namen genannt. internationale Dreharbeiten (immer mit Schweizer Beteiligung) ins Er weiss, was Diskretion ist, und so wird es im Waldhaus kein Fauteuil Land holen will. «Es ist seit Jahren der Fall, dass das Ausland mehr oder geben, an dem steht: «Hier sass Juliette Binoche», und es wird keine weniger bestimmt, was in der Schweiz für Spielfilme gemacht werden», Guided Tour «Mit Nietzsche und Kristen Stewart durchs Fextal» angebosagt Ivo Kummer. «Es geht um Budgets, die man aus der Schweiz alleiten. Dietrich hat im Frühling und Sommer ein paar «Stammgästene nicht stemmen kann. Daher muss man immer wieder im Ausland Events» durchgeführt: Er hat in Brüssel, Paris und Lausanne je ein Kino Koproduzenten suchen. Wir versuchen nun den Schweizer Film zu stärgemietet, seine Stammgäste vor Ort zu einem Apéro eingeladen und ihken, indem wir Anreize schaffen, um auch internationale Koproduktionen den Film als Vorpremière gezeigt. Auch PR ist eben eine Frage des nen mit Schweizer Beteiligung ins Land zu holen.» In Zukunft sollen Stils. Felix Dietrich macht scheinbar kein grosses Aufhebens, aber eine jährlich sechs Millionen mehr in die Filmherstellung investiert werden, Wirkung wird «Sils Maria» trotzdem haben – als Standortmarketing, aber darüber entscheidet schliesslich das Parlament. Frühestens Mitte oder wie der Senior Chef sagt: «Als Stärkung einer Marke.» 2016 könnte «FiSS» zum Tragen kommen. Vorstellbar ist, dass etwa 20 ■ Prozent des Geldes, das hierzulande ausgegeben wird, zurückerstattet werden. Das klingt nicht nach viel im Vergleich mit dem Südtirol, aber Olivier Assayas: «Sils Maria» (Original «Clouds of Sils Maria»), FR/CH 2014, 123 Min., es sei «Cash», hält Kummer fest, «und das ist wertvoller als Vergünstimit Juliette Binoche, Kristen Stewart, Chloë Grace Moretz u. a. Der Film läuft ab gungen». 18. Dezember in den Deutschschweizer Kinos. SURPRISE 338/14

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Fremd für Deutschsprachige Im Kaufhausrestaurant Wir leben in einer Zeit des Aufbruchs, in der mit neuen Kategorisierungsmöglichkeiten für Ausländerinnen experimentiert und tatsächlich Erstaunliches aus dem Hut gezaubert wird: Ausländer, und zwar solche im In- und Ausland, als ökologisches Risiko. Bleiben sie auf der anderen Seite der Grenze, ist das gut für die Umwelt. Noch besser ist, sie werden gar nicht geboren, heisst es, freilich in milderem Ton, seitens der migrationspolitischen Trickkünstler. Schlägst du die Zeitung auf in diesen Tagen, so muss auf Seite zwei irgendein Zürcher Muslim der Schweiz zum siebzehnten Mal schwören, dass er alle bösen Muslime der Welt verurteilt und diese nicht persönlich kennt. Während ein Zürcher Clown auf Seite drei dasselbe tut, in Bezug auf böse Clowns: Leute erschrecken

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und verprügeln, das sei ganz und gar nicht im Sinne des Clownseins. Ein irrer Zirkus. Absurdes wird für plausibel erklärt, während Naheliegendes konstanter Erläuterung bedarf. Da braucht man doch ab und zu etwas Bodenständiges! Bei mir ist dies der Besuch eines der Kaufhausrestaurants der Stadt. Dort kann ich mich am gutbürgerlichen Multikulturalismus meiner Mitzürcher wärmen und bei einer mässig schmackhaften Crèmeschnitte und einem passablen Milchkaffee durch die Gespräche meiner Tischnachbarn zappen. An diesem Tag gehe ich so gegen vier hin, eine Zeit, wo der Laden den Senioren gehört. An den Tisch links neben mir setzt sich, mit einiger Umständlichkeit, ein etwa neunzigjähriger Mann. Gebeugt in der Haltung, aber elegant in seinem graubraunen Dreiteiler, wird er sofort von der Kassiererin bemerkt. Sie kommt zu ihm rüber, fragt, wie es ihm gehe. Für den Mann, offensichtlich ein Stammkunde, gilt keine Selbstbedienung. Die junge Frau nimmt scherzend seine Bestellung entgegen, einmal Nussgipfel und Kafi Crème. Als sie mit dem Tablett zurückkommt und das Geld einzieht, das er sorgsam zu einem Münztürmchen aufgebaut hat, bekommt sie dazu ein Kompliment und nicht ein-, sondern gleich zweimal Trinkgeld. Als sie wieder hinter der Kasse steht, kommt ein Lob des Nebenmannes meines Tischnachbarn dazu, ausser Hörweite für sie. Dass dieser ein eher grobschlächtiger Zeitge-

nosse ist, der sich die letzten Haare im Uhrzeigersinn über den kantigen Schädel gekämmt hat, passt leider nur zu gut zu dem, was er gleich sagt: Ja ja, das sind Gute, diese Kleinen da, tifig und fleissig. Die Frau an der Kasse sieht thailändisch aus. Offenbar eine gute Sorte Ausländer. Doch in diesem Fall gelten wohl mildernde Umstände. Der Mann stammt aus vorökorassistischer Zeit, der meint das nicht so. Plötzlich verfallen zwei Frauen zu meiner Rechten in einen Streit, eine vielleicht Achtzigjährige, die sich auf ihren Rollator stützt, und eine in den Fünfzigern mit bosnischem Akzent. Die Ältere hat das Tablett auf den Rollator gestellt und besteht darauf, vermittels dieser Einrichtung Kaffee und Kuchen für beide zu holen. Der Jüngeren ist es nicht recht, dass die Dame, eine Zufallsbekanntschaft, sich solche Umstände macht. Doch schliesslich lenkt sie lachend ein mit den Worten: Sie sind eine Lustige, wenn ich das so sagen darf. Ich freue mich ob des bodenständigen Multikulturalismus meiner Stadt und geniesse den letzten Schluck vom passablen Kaffee.

SHPRESA JASHARI (SHPRESAJASHARI@HOTMAIL.COM) ILLUSTRATION: RAHEL NICOLE EISENRING (RAHELEISENRING.CH) SURPRISE 338/14


Gustave Courbet Des Paschas unislamische Kunst Er war der erste Kunstsammler der islamischen Welt: Der Osmane Halil S¸erif Pascha liebte das ausschweifende Leben, kämpfte für die Modernisierung und hatte eine Schwäche für erotische Gemälde. Das Skandalträchtigste ist noch bis Januar 2015 in der Fondation Beyeler in Riehen zu sehen.

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«Das Leben ist seltsam: Die Frauen haben mich betrogen, das Glücksspiel hat mich ruiniert, die Kunst aber hat mir das grosse Geld gebracht.» Dies waren die Worte, die Halil S¸erif Pascha 1868 zu seinem Auktionär sagte, just nachdem dieser dessen aufsehenerregende Gemäldesammlung unter den Hammer gebracht hatte. Er war der erste Sammler westlicher Kunst in der islamischen Welt: in Ägypten geboren, in Paris ausgebildet, Botschafter in Athen, Paris und Sankt Petersburg. Halil Pascha hatte eine steile Karriere in der osmanischen Diplomatie hingelegt. Seine Leidenschaft allerdings galt der Stadt an der Seine, dem Glücksspiel, den Frauen und der Kunst. Deswegen verliess er 1861 auch seinen Botschafterposten im Zarenreich und widmete sich im Paris der Zweiten Republik ganz dem schönen Leben. Als wegen Spielschulden der finanzielle Ruin drohte, musste er verkaufen und nach Istanbul zurückkehren. Für die Rückkehr in den Diplomatendienst stellte die Hohe Pforte jedoch eine Bedingung: keine Aktbilder mitbringen. Dabei hatte Halil Pascha gerade für diese eher unislamischen Werke eine Schwäche, auch wenn seine rund 900 Gemälde umfassende Sammlung nicht nur aus erotischer Kunst bestand. Nicht in der öffentlichen Auktion zu finden war allerdings das spannendste, weil skandalträchtigste Kunstwerk in Halil S¸erif Paschas Händen: Gustave Courbets «Der Ursprung der Welt» von 1866, das aktuell in einer Ausstellung der Fondation Beyeler in Riehen zu sehen ist. Die neutralistische Darstellung eines weiblichen Torsos, auf dem Rücken liegend, den Blick des Betrachters direkt in die geöffnete, von Schamhaaren gerahmte Vagina lenkend, war nicht nur wegen der Motiv- und Ausschnittwahl, sondern auch wegen ihrer ungeschönten Darstellung ein Skandal. «Dieses Bild war eindeutig für die private Sphäre bestimmt», sagt der Kurator der Ausstellung, Ulf Küster, «das konnte man damals nicht öffentlich zeigen.» Womöglich hatte es der in der Pariser Société wohlbekannte Sammler Halil Pascha bei seinem Künstlerfreund Courbet in Auftrag gegeben. «Es existiert zwar kein Auftragsdokument», sagt Küster. Sicher sei jedoch, dass Halil Pascha den Maler um eine Kopie eines Bildes von Venus und Psyche namens «Le Reveil» gebeten hatte. Statt einer Kopie habe Courbet ihm jedoch «eine Fortsetzung» angefertigt, erzählt Küster: So sei dann das Bild «Le Sommeil» entstanden, zwei ineinander verknotete Frauen nach dem Liebesakt. «Wahrscheinlich ist ‹Der Ursprung der Welt› im selben Kontext entstanden», so der Kurator. Der Künstler und der Sammler: Beide hatten Spass an Enthüllungen, am Aufrüttelnden. So hing «Der Ursprung der Welt» bei Halil Pascha im Ankleidezimmer, verborgen hinter einem grünen Vorhang. Dieser Vorhang wurde nur für ausgesuchte Gäste zur Seite gezogen und aufgedeckt, was sich dahinter verbarg: der Bruch mit allen Konventionen. Die

BILD: GUSTAVE COURBET: L’ORIGINE DU MONDE, 1866. ÖL AUF LEINWAND, 46×55 CM, MUSÉE D’ORSAY, PARIS, BPK/RMN/HERVÉ LEWANDOWSKI

VON SARA WINTER SAYILIR

Für diesen Anblick musste Halil Pascha jeweils den Schleier lüpfen.

Verhüllung war Teil der Inszenierung des Werks – auch der spätere Besitzer des «Ursprungs», der französische Psychoanalytiker und Psychiater Jacques Lacan, zelebrierte nur allzu gern dessen Enthüllung mit seinen Gästen. Halil Pascha und Gustave Courbet – sie müssen sich sympathisch gewesen sein: der rebellische Künstler, der im Gegensatz zu den herrschenden Malereikonventionen «nur die nackte Wahrheit malen» wollte, und Halil S¸erif Pascha, der westlich geprägte «Dandy» mit einem ausgesprochenen Hang zur Kunst. Beide waren überzeugte Republikaner, Halil Pascha unterstützte die Jungtürken, beide provozierten gern. In seinem Buch «Die Freiheitsfalle» vergleicht Springer-Chef Mathias Döpfner Halil Pascha wohl wegen seines politischen Weitblicks und seiner Leidenschaft für eine besondere Art westlichen Lebensstils mit einem anderen Granden der osmanisch-türkischen Geschichte: mit Atatürk. ■ «Gustave Courbet», Fondation Beyeler, Riehen/Basel, noch bis zum So, 18. Januar. Siehe online auch das Gespräch «Art, Scandal and the Breaking of Taboos» vom Oktober 2014 mit Tracey Emin, Elisabeth Bronfen, Norman Rosenthal und Andreas Beyer, Gesprächsleitung Finn Canonica.

www.fondationbeyeler.ch

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BILD: COURTESY COMPUTER CHESS LLC

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Kultur

Wie die Lemminge: Sechs Männer stolpern in den Krieg.

Schach ist nicht bloss ein Sport. Sondern eine Haltung.

Buch Verhängnisvoller Kreislauf

DVD Am Anfang war der Schachcomputer

Der britische Kinderbuchautor David McKee erzählt in einer zeitlosen Geschichte davon, wie Krieg entsteht.

«Computer Chess» von Andrew Bujalski führt uns in eine Zeit zurück, als nerdy uncool war. Nerds waren wirklich leicht soziopathisch und beschäftigten sich mit Computerprogrammierung.

VON CHRISTOPHER ZIMMER VON THOMAS OEHLER

Wer kennt nicht den kunterbunten, stets fröhlichen Patchwork-Elefanten Elmar? Diese liebenswerte, von Paul Klee inspirierte Figur ist sicher der grösste Erfolg des britischen Illustrators und Kinderbuchautors David McKee. 1969 erstmals erschienen, sind die zahlreichen ElmarGeschichten längst zu vielfach übersetzten Longsellern geworden. Doch auch andere Werke dieses vielseitigen Autors werden heute noch gedruckt. Unter anderem das Bilderbuch «Six Men», das sich einem sehr ernsten und leider auch immer aktuellen Thema widmet: dem Krieg. 1972 zum ersten Mal veröffentlicht, wurde es 2011 vom Nord Süd Verlag erst auf Englisch wiederaufgelegt und ist nun auf Deutsch erschienen. McKee erzählt darin die Geschichte von sechs Männern, die durch die Welt reisen, um einen Ort zu finden, «wo sie in Frieden leben und arbeiten könnten». Dort lassen sie sich nieder, haben Erfolg, werden reich – und mit dem Reichtum, um den sie fürchten, beginnt das Unheil. Sie stellen sechs Soldaten an, und damit diese nicht nur faul und fett werden, beginnen sie im Auftrag der sechs Männer einen Hof nach dem anderen zu erobern, zu rauben und zu morden. Schliesslich ist es eine ganze Armee, der bald eine andere Armee gegenübersteht. Und ein einziges Missverständnis führt zum Unvermeidlichen, zum Krieg. Am Schluss bleiben auf beiden Seiten nur noch sechs Überlebende, die aufbrechen, um einen Ort zu finden, «wo sie in Frieden leben und arbeiten könnten». Doch was zu Beginn so hoffnungsvoll klang, schmeckt nun umso bitterer, weil es den verhängnisvollen Kreislauf ahnen lässt, der in die nächste Runde geht. So düster das Thema ist, so wunderbar ist das Buch gestaltet, mit Schwarz-Weiss-Illustrationen, die zugleich schlicht und kunstvoll sind und mal an Kinderzeichnungen, mal an die Ornamente des Book of Kells (das Paradebeispiel frühchristlicher Buchmalerei) erinnern. Und vor allem ist es ein gelungener Versuch, das unbegreifliche und zugleich so banale Phänomen Krieg für Kinder und Erwachsene verständlich zu machen. So ist die Lektüre sowohl ein Gewinn als auch ein Genuss.

Irgendwann in den frühen Achtzigern treffen sich solche Nerds zu einem Wettbewerb der besonderen Art: Sie lassen Schachcomputer gegeneinander antreten. Sie selber sitzen während den Spielen nur daneben und geben die Züge der Gegner per Tastatur ein (noch sind sie nicht im Zeitalter, in dem die Computer direkt miteinander kommunizieren können). So werden sie zu passiven Beobachtern der Aktion ihrer eigenen Maschinen. Pikanterweise muss sich der Computerschach-Concours den Veranstaltungsraum des Hotels, in dem das Ganze stattfindet, mit einer Selbstfindungs-Gruppe teilen. Verkopfte Algorithmen-Reihen treffen hier auf kopfloses Gschpürschmi, wobei die eher aufs Technische konzentrierte Schach-Community mit einer geballten Ladung sexueller Aufgeschlossenheit konfrontiert wird. Bujalskis Film ist absurd, entfremdend und urkomisch. Die Bilder sind im Grau-in-Grau-Ton alter VHS-Aufnahmen gehalten. Die Hotel-Szenerie ist bieder und so trocken, dass man schon als Zuschauer meint, sich kratzen zu müssen. Katzen treiben sich immer wieder in Massen in den Hotelzimmern herum, und man weiss nicht, ob sie echt sind oder nur der neurotischen Einbildung eines Wettbewerbsteilnehmers entspringen. Unbeholfen ist der Umgang der Programmierer mit den Mitmenschen. Nur über die Rechner scheint Kommunikation möglich. Aber man erahnt im nerdigen Umfeld trotzdem schon einen visionären Traum neuer Gesellschaften und weiss, dass hier die Vorarbeit zur heutigen computerisierten Welt mit Social Media und Big Data geleistet wird. Das gibt dem Film etwas Unbehagliches. Als dann einer der Computer sich zu verselbständigen scheint, stellen sich definitiv spannende wie beängstigende Fragen nach der Persönlichkeit künstlicher Intelligenz auf der einen und nach der menschlichen Abhängigkeit von Maschinen und Materie auf der anderen Seite. Form und Inhalt sind in «Computer Chess» wunderbar abgestimmt. Der Film bedient Retro-Freaks ebenso wie er in unser aller Zukunft weist. 2013 wurde er dafür am Sundance Film Festival ausgezeichnet.

David McKee: Sechs Männer. Nord Süd 2014. 20.90 CHF

Andrew Bujalski: «Computer Chess», USA 2013, 92 Min., sw/Farbe, mit Patrick Riester, Myles Paige, James Curry u. a. Mit freundlicher Unterstützung von Les Videos, Zürich: www.les-videos.ch

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Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.

Japan trifft Afrika trifft Europa: Hummus alias Herbstpüree. 01

PS: Immotreuhand GmbH, Zürich

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ApothekenConsulting, Wohlen

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Balzli & Fahrer GmbH Filmproduktion, Bern

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Anyweb AG, Zürich

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Arbeitssicherheit Zehnder GmbH, Ottenbach

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Balcart AG, Therwil

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Maya-Recordings, Oberstammheim

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Coop Genossenschaft, Basel

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Fischer & Partner Immobilien AG, Otelfingen

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Fast4meter, Bern

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Axpo Holding, Baden

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Stoll Immobilien Treuhand, Winterthur

Der ursprüngliche Antrieb für diese Kolumne ist es, dazu anzuregen, selber zu kochen und sich mit den vielfältigen Möglichkeiten von einfachen Lebensmitteln auseinanderzusetzen. Diese Ausgabe von Piatto forte will allerdings zusätzlich dazu auffordern, am 30. November seine Meinung kundzutun, abzustimmen und ein Zeichen gegen Abschottung und für eine offene Gesellschaft zu setzen. Zur Einstimmung vermischen wir einfach ein typisches Gericht von dort mit einem typischen Gericht von hier und stellen fest, dass die Kombination von Fremdem mit Einheimischem besonders reizvoll ist. Aus Kichererbsen, einem wichtigen Grundnahrungsmittel in Nordafrika, und aus Kürbis, einem Gemüse, welches sich in hiesigen Breitengraden wohl fühlt, machen wir ein herbstliches Hummus. Oder wem das zu arabisch tönt: ein Herbstpüree. Dazu legen wir 250 Gramm getrocknete Kichererbsen über Nacht in Wasser ein und kochen sie anschliessend gemäss den Angaben auf der Packung. In der Zwischenzeit schälen wir den Kürbis und schneiden ihn in dünne Schnitze. Grundsätzlich gilt: Je kleiner die Kürbisse sind und je dichter in der Farbe, desto aromatischer ist ihr Fruchtfleisch. Ich habe beim Ausprobieren dieses Rezeptes zum Beispiel mit einem Hokkaidokürbis – einer japanischen Sorte, die auch bei uns bestens gedeiht – gute Erfahrungen gemacht. Die Schnitze – gerüstet maximal ein Kilo – mit etwas spanischem, italienischem oder griechischem Olivenöl beträufeln und für ca. 50 bis 60 Minuten in den 160 Grad heissen Ofen schieben. Sobald die Kichererbsen gar sind und der Kürbis weich und süss ist, zusammen in der Küchenmaschine, im Blender oder mit dem Stabmixer pürieren. Noch mehr herbstlich-süsse Fruchtigkeit bekommt das Hummus, wenn Sie 1 dl einheimischen Birnendicksaft – also Birnel – darunter ziehen. Olivenöl hinzufügen, bis das Humus die gewünschte Konsistenz und Sämigkeit bekommt – je nach Feuchtigkeit des Kürbisses nochmals 1 bis 1,5 dl. Mit Salz und Pfeffer oder etwas spanischem Piment d’espellete abschmecken und mit fein gehacktem Rosmarin dekorieren. Mit Erbsen aus dem Norden Afrikas, einem Kürbis aus Japan und Zutaten aus halb Europa erhalten Sie ein Hummus, das hervorragend zu ganz schweizerischen Gschwellte passt.

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Kaiser Software GmbH, Bern

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mcschindler.com, Online-PR-Beratung, Zürich

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archemusia Musikschule, Basel

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BEVBE Ingenieurbüro, Bonstetten

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Klinik Sonnenhalde AG, Riehen

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Lions Club, Zürich Seefeld

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Schweizerisches Tropen- und Public Health-

Bezugsquellen und Rezepte: www.piattoforte.ch/surprise

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Piatto forte Herbstliche Mischehe Kochen heisst essen. Und Essen führt im besten Fall Menschen zusammen. Deshalb kochen wir diesmal gegen die Angst – gegen Fremdenangst. VON TOM WIEDERKEHR

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Institut, Basel 20

VXL Gestaltung und Werbung AG, Binningen

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Scherrer & Partner GmbH, Basel

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Gemeinnütziger Frauenverein Nidau

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Velo-Oase Erwin Bestgen, Baar

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Bruno Jakob Organisations-Beratung, Pfäffikon SZ

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Balz Amrein Architektur, Zürich

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

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Ausgehtipps

Hier wird Kunst gefeiert statt betrachtet.

Die Geschichte ist weg, das Theater ist da.

Zürich Schräges zum Fest Nicht ganz so früh wie die Weihnachtsguetzli in der Migros, aber doch früh genug, um sich in festliche Stimmung zu bringen: Auch dieses Jahr gibt die Theatergruppe Schräge Vögel ein Weihnachtsstück zum Besten. Auf der Bühne stehen Menschen, die trotz schwieriger Lebensumstände den Humor nicht verloren haben – unter ihnen auch der eine oder andere Surprise-Stadtführer. Gleich zu Beginn des Stücks merkt die Truppe, dass ihnen die Geschichte abhandengekommen ist – und wie bekommt man die jetzt zurück? Im Gegensatz zu den Guetzli im Supermarkt kostet der Eintritt nichts, und anschliessend gibt’s Glühwein und Zeit zum Plaudern. (ami)

Bern Künstler zum Anfassen Kunst als wildes Gewimmel von Laufsteg-Acts, Art-à-porter-Modenschau, Auktion, Live-VideoDokumentation mit gleichzeitiger Projektion, Essen, Konzerten und Disco: Der Artsouk versammelt in einem zweitätigen Kunstevent die Werke von 40 Kunstschaffenden. Sehr niederschwellig, betonen die Veranstalter, und trotzdem kein Amateur-Ramsch. Nur vom Ausstellungsraum als heiliger Halle hält man wenig: Kunst als Fest stattdessen – als Bazar, Kunstmarkt, Forum, Begegnungsort und Messe mit, so die Veranstalter, «grossem Künstler-zumAnfassen-Potenzial». (dif)

Zwischen Vernunft und Magie: Satu Blanc.

Basel Zeitreise

Art-à-Porter Show mit Costa Pineapples, ab 23 Uhr

Wir schreiben das Jahr 1787. In der Zeit der Spätaufklärung macht sich auch in Basel neben dem Diktat der Vernunft der Glaube an Magie und Geheimwissenschaften breit. Auf ihrer theatralen Zeitreise nimmt die Historikerin und Schauspielerin Satu Blanc die Strömungen der Zeit auf und verknüpft sie mit der persönlichen Geschichte Serafinas. Die trifft eine schicksalshafte Entscheidung, als sie merkt, dass sie zwischen den Gesellschaftsschichten steht. (dif)

Konzert «The Come n’ Go» und «The Jackets» und

«Gräfin Cagliostro. Eine Seidenbandaffäre», Mi, 12., und

danach DJ Bone.

Do, 13. Nov., dann jeweils Di bis Do, 25. bis 27. Nov.,

«Artsouk 14»: Gruppenausstellung kuratiert von Kat Aellen, Dachstock Reitschule Bern, Vernissage: Do, 4. Dez., 17 bis 22 Uhr, Fr, 5. Dez., 17 bis 20 Uhr Ausstellung, danach Auktion bis ca. 23 Uhr, 21.30 Uhr

«Oh Wunder», Fr, 28. November, 20 Uhr und Sa,

2. bis 4. Dez., 9. bis 11. Dez., jeweils 19 Uhr, Theater

29. November, 18 Uhr, Johanneum, Ämtlerstrasse 45,

Lo Studiolo, St. Galler-Ring 160, Basel. Anmeldung

Zürich. www.schraegi-voegel.ch

erforderlich unter 061 261 47 50 oder satu@gmx.ch Weitere Spieldaten ab Januar unter www.satublanc.ch

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Auf dem WG-Sofa: Junge Autoren lesen vor.

Basel Literatur daheim Vorsicht, bunt! An der X-mas-Vernissage werden auch neue Werke gezeigt.

Zürich Sprayerweihnachten

Auf dem Sofa von Mirjam, Conrad und Monika rumlümmeln und junger Schweizer Literatur lauschen? Kein Problem. Das Literaturhaus Basel lädt Autorinnen und Autoren, die bereits ein Buch in einem Publikumsverlag veröffentlicht haben, in Basler WG-Wohnzimmer ein. Zusammen mit den Gastgebern werden noch bis im Frühjahr sechs Lesungen gestaltet – unter anderem mit den Autoren Matto Kämpf und Werner Rohner. (mek) Sofa-Lesungen, nächste Veranstaltungen: Matto Kämpf, «Kanton Afrika. Eine

Underground ist der neue Mainstream, und Street Artists sind spätestens seit Banksy weit über die Szene hinaus bekannt und beliebt. Das Zürcher Brüderpaar One Truth sprayte im Auftrag der UBS, macht Bühnenbilder für Baschi und gestaltet für Google. Gerade sind sie zurück von einer Europatournee, gesponsert von Volvo. Die Bilanz: Drei Länder, sechs Städte, 34 Tage, 115 Liter Farbe, 846 Spraydosen, 4376 Kilometer – und der Dokumentarfilm «Sherpa Style» über ihr Schaffen, ihre Persönlichkeiten und ihre Vergangenheit. Der feiert Premiere an der X-masVernissage im Atelier des Duos. (ami)

Erbauungsschrift», So, 7. Dezember, 19 Uhr, bei Cornelia und Oliver an der Schanzenstrasse 22, 4. Stock, Basel. Und: Werner Rohner, «Das Ende der Schonzeit», So, 15. Februar, 19 Uhr, bei Mirjam, Conrad und Monika an der Schönaustrasse 30, Basel. www.literaturhaus-Basel.ch

«Sherpa Style», Premiere Fr, 5. Dezember, 19 Uhr, weitere Vorstellungen Sa, 6. Dezember, 16 Uhr und So, 7. Dezember, 14 Uhr, Bändlistrasse 29, Zürich.

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Verkäuferporträt «Es braucht einen Türöffner» Hans Rhyner, 59, hat früher öfter mal eine Ausgabe von Surprise gekauft. Heute verkauft er das Magazin in Zürich-Seebach. Und weiss aus seiner Berufserfahrung: Im Kontakt mit den Kunden zählen die ersten Sekunden.

«Ich hatte ein sehr bewegtes Leben. Heute, mit fast 60, habe ich wenigstens nicht das Gefühl, etwas nachholen zu müssen. Ich bin erst seit Kurzem bei Surprise. Im April dieses Jahres habe ich mit dem Verkaufen begonnen. Mein Verkaufsplatz ist vor der Migros in Zürich-Seebach. Ich habe auch schon am Bellevue und in Baden ausgeholfen. Dort läuft es viel besser, man verkauft mehr Hefte in kürzerer Zeit. Hier im Aussenquartier ist es etwas harziger, und es braucht viel Geduld. Aber mittlerweile kenne ich die Leute, und sie kennen mich. Ich war gerade eine Woche im Spital, die Hüfte. Jetzt fragen mich die Leute vor der Migros, wo ich denn gewesen sei. Im Kontakt mit Menschen zählen die ersten paar Sekunden – nicht nur, aber vor allem dann, wenn man etwas verkaufen will. Das weiss ich aus Erfahrung. Zehn Jahre lang war ich im Aussendienst für die legendäre Firma Just tätig. Ich ging von Tür zu Tür und verkaufte Naturkosmetik: Seifen, Shampoos, Fusscreme. Mein Gebiet waren die Gemeinden um den Zürcher Flughafen, Rümlang, Kloten, Wallisellen, Glattbrugg. Und als Kontrast dazu das Zürichbergquartier, wo eher die Wohlhabenden leben. Ein Nebeneffekt dieser Arbeit war, dass ich direkt in die Leben der Menschen hineingesehen habe. Und ich muss sagen: Heute sind sie hektischer und misstrauischer. Die Just-Produkte waren sehr begehrt, aber teuer. Da braucht es einen Türöffner, ich verschenkte immer eine Tube Crème oder einen Lavendel-Duftspray. So etwas wirkt Wunder, es ist eine langfristige Investition in die Kundenbeziehung. Heute nehme ich immer einen Stapel Gratiszeitungen mit zu meinem Standplatz, denn dort gibt es keine Zeitungsbox. Ich biete den Leuten ein 20 Minuten an, auch wenn sie mir kein Surprise abkaufen – das wird sehr geschätzt. Anderen, die zum Beispiel an Krücken gehen, mache ich das Einkaufswägeli bereit und trage ihnen anschliessend die Taschen über die Strasse zur Bushaltestelle. Und wenn Mütter mit ihren Kindern zum Einkaufen kommen, schenke ich den Kleinen einen Kaugummi. Für mich ist dieser zwischenmenschliche Kontakt sehr wichtig. Ursprünglich bin ich Schlosser. Ich machte die Lehre bei der Therma AG in Schwanden im Glarnerland, die damals Kochherde und andere Küchengeräte herstellte. Kurz nachdem ich 1975 die Lehre abschloss, wurde die Therma mit der Electrolux fusioniert. Die Industrie war schon damals in der Krise, und ich bekam keine Festanstellung nach der Lehre. Ich versuchte es noch kurz als Skilehrer in Elm, gleichzeitig trank ich immer mehr und fing mit Glücksspielen an. Das vertrug sich nicht. Ich ging nach Zürich, wo es genug Arbeit gab und damals in den Siebzigern natürlich auch das Feiern nicht zu kurz kam. Ich habe in beiden Bereichen alles ausprobiert. Beim Feiern habe ich nichts ausgelassen, und die Jobs wechselte ich für ein paar Jahre wie andere Leute die Unterhosen. Heute muss ich sagen: Natürlich soll man die Feste feiern, wie sie fallen. Aber ich hätte vielleicht auch mal einen Schlussstrich ziehen müssen. Zuletzt arbeitete ich zehn Jahre bei Coop in der Filiale St. Annahof in Zürich als Lagerist. Ich machte den Wareneingang, disponierte und ging bei Auslieferungen von Kühlschränken und Betten mit. Irgendwann bekam ich Ärger mit meinem Chef, das Ganze endete mit meiner fristlo-

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BILD: AMI

AUFGEZEICHNET VON AMIR ALI

sen Entlassung. Vor Gericht habe ich dann zwar gegen Coop gewonnen, und sie mussten mir vier Monatslöhne nachzahlen. Aber angestellt haben sie mich danach natürlich nicht mehr. Ich war dann auf dem RAV, hatte etwas Zwischenverdienst im Paketversand bei der Post – und jetzt verkaufe ich eben seit einem halben Jahr Surprise. Bald steht der nächste Termin mit dem RAV an. Die Dame kümmert sich um mich und möchte mich für die fünf Jahre bis zu meiner Pensionierung natürlich noch irgendwo unterbringen. Das wäre nicht schlecht, andererseits möchte ich meinen Verkaufsplatz hier in Seebach nicht verlieren. Als ich noch angestellt war, habe ich das Heft selbst oft gekauft, zum Beispiel bei der Verkäuferin vor der Migros Limmatplatz. Daher kannte ich es bereits und fand es auch immer eine gute Sache. Dass ich jetzt selbst Surprise-Verkäufer bin, daran bin ich selber schuld. Klar, ich wurde einige Male in meinem Leben ungerecht behandelt – aber das ändert jetzt auch nichts daran.» ■ SURPRISE 338/14


SurPlus – eine Chance für alle! Werden Sie Gotte oder Götti bei SurPlus Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten. Menschen, die kaum Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt wieder Struktur und mehr Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Das verdient Respekt und Unterstützung. Das Spezialprogramm SurPlus ist ein niederschwelliges Begleitprogramm für ausgewählte Surprise-Verkaufende, die regelmässig das Strassenmagazin

verkaufen und hauptsächlich vom Heftverkauf leben. Diese Verkaufenden erhalten nur geringe soziale Ergänzungsleistungen und werden im Programm SurPlus gezielt vom Verein Surprise unterstützt: Sie sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit, Nahverkehrsabonnement) und werden bei Problemen im oft schwierigen Alltag begleitet. Mit einer Patenschaft leisten Sie einen wesentlichen Beitrag für die soziale Absicherung der Verkaufenden und ermöglichen ihnen, sich aus eigener Kraft einen Verdienst zu erarbeiten. Vielen Dank für Ihr Engagement!

Elsa Fasil Bern

Kostana Barbul St. Gallen

René Senn Zürich

Marlis Dietiker Olten

Negasi Garahassie Winterthur

Josiane Graner Basel

Wolfgang Kreibich Basel

Tatjana Georgievska Basel

Bob Ekoevi Koulekpato, Basel

Anja Uehlinger Baden

Ralf Rohr Zürich

Emsuda Loffredo-Cular Basel

Fatima Keranovic Basel

Ja, ich werde Gotte/Götti und unterstütze das SurPlus-Programm von Surprise! 1 Jahr: 6000 Franken

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1 Monat: 500 Franken

338/14 Talon bitte senden oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, 4051 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch, PC-Konto 12-551455-3 SURPRISE 338/14

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Surprise ist: Hilfe zur Selbsthilfe Surprise hilft seit 1997 Menschen in sozialen Schwierigkeiten. Mit Programmen in den Bereichen Beschäftigung, Sport und Kultur fördert Surprise die soziale Selbständigkeit. Surprise hilft bei der Integration in den Arbeitsmarkt, bei der Klärung der Wohnsituation, bei den ersten Schritten raus aus der Schuldenfalle und entlastet so die Schweizer Sozialwerke.

Ich möchte Surprise abonnieren! 24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.) Gönner-Abo für CHF 260.–

Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht von Armut und sozialer Benachteiligung betroffenen Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit für ihre Anliegen. Surprise beteiligt sich am Wandel der Gesellschaft und bezieht Stellung für soziale Gerechtigkeit. Strassenmagazin und Strassenverkauf Surprise gibt das vierzehntäglich erscheinende Strassenmagazin Surprise heraus. Dieses wird von einer professionellen Redaktion produziert, die auf ein Netz von qualifizierten Berufsjournalistinnen, Fotografen und Illustratorinnen zählen kann. Das Magazin wird fast ausschliesslich auf der Strasse verkauft. Rund dreihundert Menschen in der deutschen Schweiz, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten damit eine Tagesstruktur, verdienen eigenes Geld und gewinnen neues Selbstvertrauen.

Sport und Kultur Surprise fördert die Integration auch mit Sport. In der Surprise Strassenfussball-Liga trainieren und spielen Teams aus der ganzen deutschen Schweiz regelmässig Fussball und kämpfen um den Schweizermeister-Titel sowie um die Teilnahme an den Weltmeisterschaften für sozial benachteiligte Menschen. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Chor. Gemeinsames Singen und öffentliche Auftritte ermöglichen Kontakte, Glücksmomente und Erfolgserlebnisse für Menschen, denen der gesellschaftliche Anschluss sonst erschwert ist. Finanzierung, Organisation und internationale Vernetzung Surprise ist unabhängig und erhält keine staatlichen Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle anderen Angebote wie die Betreuung der Verkaufenden, die Sportund Kulturprogramme ist Surprise auf Spenden, auf Sponsoren und Zuwendungen von Stiftungen angewiesen. Surprise ist eine nicht gewinnorientierte soziale Institution. Die Geschäfte werden vom Verein Surprise geführt. Surprise ist führendes Mitglied des Internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP) mit Sitz in Glasgow, Schottland. Derzeit gehören dem Verband über 100 Strassenzeitungen in 40 Ländern an.

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Herausgeber Verein Surprise, Spalentorweg 20, 4051 Basel www.vereinsurprise.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Do T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 info@vereinsurprise.ch Geschäftsführung Paola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (stv. GL) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@vereinsurprise.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Amir Ali (ami), Florian Blumer (fer, Heftverantwortlicher), Diana Frei (dif), Mena Kost (mek) redaktion@vereinsurprise.ch leserbriefe@vereinsurprise.ch Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Rahel Nicole Eisenring, Shpresa Jashari, Carlo Knöpfel, Melanie Kobler (Grafik), Yvonne Kunz, Stephan Pörtner, Isabella Seemann, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Tom Wiederkehr, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Daniel Etter, Thomas Oehler, Beat Matter, Christof Moser, Roland Soldi, Sara Winter Sayilir Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 20 800, Abonnemente CHF 189, 24 Ex./Jahr Marketing, Fundraising T +41 61 564 90 50 Svenja von Gierke

Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83 Thomas Ebinger, Anette Metzner, Spalentorweg 20, 4051 Basel, basel@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Zürich T +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12 Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, zuerich@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02 Andrea Blaser, Alfred Maurer, Bruno Schäfer, Pappelweg 21, 3013 Bern, bern@vereinsurprise.ch Strassenchor T +41 61 564 90 40, F +41 61 564 90 99 Paloma Selma, p.selma@vereinsurprise.ch Strassensport T +41 61 564 90 10 Lavinia Biert (Leitung), l.biert@vereinsurprise.ch, Olivier Joliat (Medien), David Möller (Sportcoach) www.strassensport.ch Vereinspräsident Peter Aebersold

Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird von der Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt. Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen.


Nehmen Sie an einem «Sozialen Stadtrundgang» teil! Erleben Sie Basel aus einer neuen Perspektive! Tour 1: Konfliktzone Bahnhof – vom Piss-Pass zur Wärmestube. Samstag, 13. Dezember um 9 Uhr. Tour 2: Kleinbasel – vom Notschlafplatz zur Kleiderkammer. Samstag, 20. Dezember um 9 Uhr. Tour 3: Kleinbasel – von der Sozialhilfe zur Selbsthilfe. Samstag, 27. Dezember um 9.30 Uhr. Anmeldungen unter rundgang@vereinsurprise.ch oder 061 564 90 40. Weitere Infos unter www.vereinsurprise.ch/stadtrundgang SURPRISE 338/14

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Gutes tun Sinnvoll schenken Surprise bietet armutsbetroffenen Menschen Hilfe zur Selbsthilfe. Mit Geschenken von Surprise unterstützen Sie die Arbeit des Vereins.

Gibt andere Perspektiven: ein sozialer Stadtrundgang Die Surprise-Stadtführer erzählen persönliche Geschichten aus ihrem Alltag als Obdachlose und Armutsbetroffene in ihrer Stadt. Verschenken Sie einen anderen Blick auf Basel oder Zürich. Gibt warm: eine Surprise-Tasche oder eine Surprise-Mütze Eine Mütze für gute Köpfe und eine Tasche voller Sinn – schenken Sie Mehrwert von Surprise. Unsere Mützen und Taschen gibt es in diversen Farben. Gibt Einblicke: ein Surprise-Jahresabo Das Surprise Strassenmagazin liefern wir gerne alle zwei Wochen in den Briefkasten. Auch im Abo unterstützen Sie unsere Arbeit. JA, ich möchte sinnvoll schenken und bestelle ☐ Gruppe bis 20 Personen CHF 250 ☐ Gruppe bis 20 Personen CHF 300

Sozialer Stadtrundgang

Basel: ☐ pro Person CHF 15, Anzahl Zürich: ☐ pro Person CHF 30, Anzahl

Surprise-Tasche CHF 45

Taschenfarbe: ☐ schwarz ☐ orange ☐ grün ☐ blau ☐ rot Farbe Surprise-Schriftzug: ☐ schwarz ☐ weiss ☐ silber

Surprise-Mütze CHF 30

☐ rot

Surprise-Jahresabo

☐ 24 Ausgaben zum Preis von CHF 189 (Inland)/CHF 229 (Europa) ☐ Gönner-Abo CHF 260

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Telefon/E-Mail

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Datum, Unterschrift Talon einsenden an: Verein Surprise, Spalentorweg 20, 4051 Basel oder per Mail an info@vereinsurprise.ch Weitere Informationen zu allen Angeboten unter www.vereinsurprise.ch. Hier können Sie auch online bestellen.


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