Zum Sterben schön Wieso auf dem Friedhof keine Grabesstille herrscht Alain Bersets Mann für die AHV: Jürg Brechbühl im Gespräch
«Als ich in die Psychi kam, war ich 15»: Erna Eugster wurde 1967 administrativ versorgt
Nr. 343 | 6. bis 19. Februar 2015 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.
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Anzahl Taschen
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Titelbild: Bea Huwiler
Editorial Drei Stationen im Leben BILD: ZVG
In diesem Heft nehmen wir Sie mit auf eine Reise durch das Leben, und wir machen halt an drei Stationen. Zuerst beim Sterben. Denn der Tod hat viel mit dem Leben zu tun. Das wurde jedenfalls auf dem Spaziergang über den Friedhof Sihlfeld in Zürich klar, den unser Autor Adrian Soller unternahm. Eine Kinderkrippe war dort, und daneben standen Kunstinstallationen. Kurz: Es wurde sichtbar, dass bei Nachbar Tod im Verlauf der letzten Jahre auch das Leben eingezogen ist. Lesen Sie ab Seite 10, wie diese Veränderungen unseren neuen Umgang mit dem Trauern widerspiegeln. Die zweite Station sind die zerstörten Jugendjahre von Erna Eugster. Die ehemals sogenannt administrativ Versorgte hat ihre Lebensgeschichte als Buch herausgege- DIANA FREI ben, ab S. 18 lesen Sie einen Auszug daraus. Es beschreibt eine Jugend, die Jahre REDAKTORIN der Qual und Flucht waren. Erna Eugster hat es später geschafft, an weiteren Stationen des Lebens nicht mehr vorbeifahren zu müssen. Sie hat haltgemacht, geheiratet, ein normales Leben geführt. Aber die falsche Weichenstellung in ihren ersten Jahren bleibt bestehen. Heute kämpft sie auf politischer Ebene dafür, dass den Generationen nach ihr nicht mehr Ähnliches passieren kann. Fast scheint es, Jürg Brechbühl wolle sich nicht um die nachkommenden Generationen kümmern, wenn er sagt: «Ich finde es legitim, dass wir heute eine Reform machen, die jene Probleme löst, die sich heute abzeichnen – und das Weitere einer nächsten Generation überlassen.» Aber der Leiter des Bundesamts für Sozialversicherungen, der die Rentenreform von Bundesrat Alain Berset umsetzt, ist keineswegs unvernünftig. Wieso man die AHV schrittweise den Veränderungen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse anpassen muss, erklärt er im Interview. Im Gespräch geht es auch um die Frage, ob man das Rentenalter erhöhen soll. Und darum, ob die Unternehmen die älteren Leute auch beschäftigen würden. Die Antwort ist: Leider nein – mit grösster Wahrscheinlichkeit. Mein Redaktionskollege Amir Ali wollte im Gespräch mit Brechbühl aber nicht nur reine Theorie wälzen und hat deshalb jemanden mitgenommen, der weiss, wie das Leben eines ausgesteuerten Senioren aussieht: Surprise-Stadtführer Markus Christen, der mit Mitte 50 seinen Job verlor, redete mit. Brechbühl wie Christen sind SP-Mitglieder. Es waren zwei ungleiche Genossen, die zusammen am Tisch sassen, aber sie haben sich auf Augenhöhe unterhalten. Aber lesen Sie selbst: ab S. 14. Herzlich Diana Frei
Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 oder vereinsurprise.ch/spenden-surprise Ihre Meinung! Wir sind gespannt auf Ihre Kritik, Ihr Lob oder Ihre Anmerkungen. Schreiben Sie uns! Auf leserbriefe@strassenmagazin.ch oder an Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, 4051 Basel. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion trifft eine Auswahl und behält sich vor, Briefe zu kürzen. Oder diskutieren Sie mit uns auf www.facebook.com/vereinsurprise SURPRISE 343/15
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10 Friedhof Kunst statt Trauerfeier Der Friedhof ist der neue Place to be. Diesen Eindruck bekommt man jedenfalls, wenn man sich ansieht, was hier ausser Begräbnissen noch alles stattfindet: Es werden Architekturprojekte vorgestellt und Kunstaktionen umgesetzt, und es stellt sich die Frage: Warum macht Sterben neuerdings so munter? Auch die Autorin und Filmemacherin Mitra Devi beschäftigt sich gerne mit dem Morbiden. Sie hat in ihrem Film «Gothic» die Gothic-Szene porträtiert und gezeigt: Wer die Todessehnsucht zelebriert, ist kaum ein Mensch mit unheimlichen Abgründen. Sondern einer, der tiefgründige Gespräche führen kann.
BILD: BEA HUWILER
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Inhalt Editorial Einsteigen, bitte Basteln für eine bessere Welt Die Solidaritätsmaske Aufgelesen Salzige Lösung Zugerichtet Im Dilemma Leserbriefe «Zersch nur gschockt gsi» Starverkäufer Gebremaryam Teklemaryam Porträt Schlaflos wegen Tibet Wörter von Pörtner Das Nanny-Prinzip Father J. Misty Nackt auf einem Baum Kultur Claudia Cardinale kommt Ausgehtipps Im digitalen Regen Verkäuferporträt Ab nach Berlin Projekt SurPlus Eine Chance für alle! In eigener Sache Impressum INSP
14 Rentenreform Zwei ungleiche Genossen Der AHV fehlen bis in 15 Jahren 8,3 Milliarden Franken. Dieses Loch will Innenminister Alain Berset mit der Rentenreform 2020 stopfen. Sein wichtigster Mann in diesem Mammutprojekt ist Jürg Brechbühl, Direktor des Bundesamtes für Sozialversicherungen. Er setzt unter anderem darauf, dass immer mehr Menschen freiwillig länger arbeiten. Dass dies einfacher klingt, als es ist, weiss Markus Christen aus eigener Erfahrung: Der Surprise-Stadtführer ist wie Brechbühl SP-Mitglied und hat mit Mitte 50 den Job verloren. Surprise hat die Genossen zum Gespräch getroffen.
BILD: ANNETTE BOUTELLIER
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BILD: ANNETTE BOUTELLIER
18 Administrativ versorgt Auf die Schläge folgten Spritzen
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Die heute 62-jährige Erna Eugster wurde als Kind von der Mutter geschlagen und vom Vater ignoriert. Dann wurde sie, ohne je rechtskräftig verurteilt zu werden, in Schweizer Heimen, Anstalten und Kliniken «administrativ versorgt» und auch dort physisch und psychisch misshandelt. Nun hat sie ein Buch mit dem Titel «Dreckloch» geschrieben, so wurde sie als Kind von der Mutter oft genannt. Wir drucken einen Auszug aus ihren Erinnerungen.
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1. Schneiden Sie den Hannes aus, kopieren ihn gross (plus 50 Prozent) und kleben ihn auf ein Stück dünnen Karton. 2. Schneiden Sie ihm die Augen aus und machen Sie je ein Loch in seine Ohren. 3. Knüpfen Sie ein Stück Gummiband an den Ohren fest.
Basteln für eine bessere Welt Wir sind Hannes Der Teufel steckt oft im Detail. Oder dort, wo wir ihn nicht vermuten. Jedenfalls: Ist Ihnen auch aufgefallen, wie ungehemmt sich die Gratisblätter auf Hannes Reichelt stürzten, nachdem er sich erdreistet hatte, an unserer Abfahrt, an unserem Lauberhorn unsere Schweizer von der Spitze zu verdrängen? «Ausgerechnet ein Österreicher?» Wir sagen: Wehret den Anfängen! Mit unserer Hannes-Maske setzen Sie während der WM in jeder Pistenbeiz von Adelboden bis Zermatt ein wirksames Zeichen gegen die Österreicherfeindlichkeit. SURPRISE 343/15
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Aufgelesen News aus den 90 Strassenmagazinen, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.
Plus 22 Milliarden Kiel. Mit der angeblichen Einwanderung in den Sozialstaat wird nicht nur in der Schweiz Stimmung gegen Migrantinnen und Migranten gemacht. In Deutschland räumt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung mit dem Vorurteil auf: Ein Plus von über 22 Milliarden Euro verbuchten die deutschen Sozialwerke demnach dank der 6,6 Millionen Ausländer im Land. Laut einer anderen Umfrage von Bertelsmann waren im selben Jahr zwei Drittel der Deutschen der Ansicht, Zuwanderer seien eine Last für den Staat.
Minus 125 Millionen Dortmund. Solange die Schweizerische Nationalbank SNB den Euro auf 1.20 Franken hielt, waren Kredite in Schweizer Franken billig – weshalb auch 31 Städte und Gemeinden im deutschen Ruhrgebiet in diesem sicheren Hafen investierten. Als die SNB Mitte Januar die Kursuntergrenze aufhob, verloren mehrere Kommunen im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen auf einen Schlag zig Millionen an Steuergeldern. Die Schulden der Stadt Essen etwa erhöhten sich um 125 Millionen Euro.
Salz-Kartoffeln London. Niederländische Bauern ackern derzeit an einer neuen Kartoffelsorte, die sie mit verdünntem Salzwasser aus küstennahen Sümpfen bewässern können. Die Knolle könnte die Nahrungsmittelproduktion revolutionieren. Denn die weltweiten Süsswasserbestände schwinden, und rund 50 Prozent des globalen Ackerlandes sind vom Salzwasser bedroht. Die neue niederländische Technologie, die dereinst nicht nur Kartoffeln spriessen lassen könnte, bringt jetzt Millionen Hektaren Land zurück ins Spiel – nota bene ganz ohne Gentechnologie.
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Zugerichtet Schwere Freiheit Eine kleine Zwischenlese aus aktuellem Anlass. Der Schock nach den Anschlägen auf das Satireblatt Charlie Hebdo war gross, die Betroffenheit grenzenlos. Charlie wurde zum Symbol für die freie Meinungsäusserung, unter deren Banner sich die Welt für einen kurzen Moment versammelte. Das Recht, sagen zu können, was man denkt, ohne verfolgt zu werden, ist ein universelles Anliegen. Eine amerikanische Infografik zeigte auf, wo die meisten «Je suis Charlie»-Tweets abgesetzt wurden. Nebst Spitzenwerten in Zentralund Südeuropa, Israel und der nördlichen US-Ostküste leuchten auf der Karte auch Tibet, Mexiko und die indonesische Hauptinsel Java besonders hell auf. Auch die Hauptstädte von Saudi-Arabien und Turkmenistan, nicht gerade als Horte der Freiheit bekannt, waren Hotspots der Solidarität. Auf den Gedanken, dass die Redefreiheit zu gerechteren Gesellschaften führt, kommt man offensichtlich auch, ohne Voltaire gelesen zu haben. Ein Tweet lang ist alles klar. Inzwischen zeigt sich die Freiheit wieder als vielschichtiges Konzept, und der eine grosse Universalcharlie wird zu vielen verschiedenen Charlies. In westlich geprägten Demokratien gilt die Freiheit der Meinungsäusserung als ein elementarer Pfeiler des Rechtsstaats. Damit einher gehen weitere Freiheiten: der Information, der Medien, der Kunst. Doch so sehr wir uns im Westen damit brüsten, völlige Meinungsfreiheit kennt kein hiesiges Rechtssystem. Auch Demokratien schränken diese Freiheiten ein – etwa mit Amtsgeheimnissen, Persönlichkeitsrechten oder Rassismusverboten. Gerade die Rassismus-Straf-
norm vermag gut zu illustrieren, wie unterschiedlich die Standpunkte sein können. Im Fall Dog˘ u Perinçek streitet sich die Schweiz schon länger mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Die Schweizer Justiz verurteilte den türkischen Politiker zu einer Geldstrafe, weil er den Völkermord an Armeniern als «internationale Lüge» bezeichnet hatte. Ende 2013 kippten die Strassburger Richter das Urteil mit der Begründung, dass das Recht auf freie Meinungsäusserung verletzt wurde. Die Staaten müssten eine offene Debatte über die Geschichte zulassen und Minderheitenmeinungen schützen, so das Gericht. Es herrscht also nicht mal zwischen Lausanne und Strassburg – unter 334 Kilometer voneinander entfernten Rechtsgelehrten – ein Konsens darüber, was denn jetzt eine Meinung ist und ab wann sie zum Rassismus wird. Selbst wenn Begriffseinigkeit gegeben wäre, hätte man bei der Gewichtung der betroffenen Rechtsgüter immer noch Differenzen. Was soll höher gewertet werden: der Schutz von Minderheitsmeinungen oder doch jener von Minderheiten vor rassistischer Diskriminierung? Der EGMR ist sich auch nicht sicher. Die Berufung der Schweiz wurde zugelassen, weil der Fall «eine schwerwiegende Frage zur Menschenrechtskonvention aufwirft». Das ist auch, was nach Paris bleibt: schwerwiegende Fragen. Oder im Jus-Slang: Grundrechtskollisionen. Doch vielleicht muss ein System, das unbeantwortbare Fragen stellt, keine Antworten finden, sondern neue Fragen. Und dazu, so ahnt man dieser Tage mehr als auch schon, ist nichts weniger als eine neue Aufklärung nötig, besser noch eine Erleuchtung. YVONNE KUNZ (YVONNE.KUNZ@GMAIL.COM) ILLUSTRATION: PRISKA WENGER (PRISKAWENGER@GMX.CH) SURPRISE 343/15
Sozialer Stadtrundgang «Dini Gschicht het mi zrugg uf e Bode brocht» Eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern aus dem Gymnasium Liestal hat im Dezember an einem Sozialen Stadtrundgang mit Surprise-Stadtführer Rolf Mauti teilgenommen. In Briefen haben ihm die Jugendlichen im Alter von 15 bis 19 Jahren mitgeteilt, welche Gedanken und Gefühle er bei ihnen ausgelöst hat, dabei sind teils sehr persönliche Texte entstanden. Wir haben eine Auswahl zusammengestellt. «Ich finde, es sollte mehr Schlafmöglichkeiten für diese Menschen geben» Sie haben meine Sicht über die Armut in der Stadt Basel verändert. Ich wusste vorher fast nichts über dieses Thema. Was mich zum Beispiel sehr schockiert hat, waren die wenigen Schlafmöglichkeiten für die Menschen, die unter der Armutsgrenze leben müssen. Das hat mich sehr zum Nachdenken gebracht, denn ich finde, es sollte mehr Orte geben, an denen diese Menschen übernachten dürfen. Trotzdem hat es mich sehr positiv überrascht, dass es viele Möglichkeiten gibt wie zum Beispiel die Aktion «Tischlein deck dich», das Soup & Chill, das Tagesheim usw. «In dinere Situation hätt ich kei Hoffnig me ka» Wo du uns dini Gschicht verzellt hesch, bin ich zerscht nur gschockt gsi. Au wo du uns d’Lebensbedingige vo de Mensche, wo uf dr Stroos lääbe zeigt hesch, han i s Muul nüm zue becho. Es het mir so leid do. Ich ha nume denkt, wie unfair s Läbe für manchi Mensche si cha. Wenn ich in dinere Situation gsi wär, hätt ich kei Hoffnig me ka. ‘s Läbe würd mir absurd schine. Ich wüsst nid, ob ich witergmacht hät. Denn wenn me nüt me het, für das me kämpfe muess … Rolf, ich bewundere dich sehr. Du hesch es gschafft, wieder ufz’stoh und z läbe. Du hesch dr Muet ka, d Kraft vilicht nit immer und dr Atrieb, aber du hesch es trotzdem gmacht, du hesch nit so welle bliebe und hesch alles drfür gmacht zum s ändere. Du hesch am Afang vo dr Füerig gseit: «Ich möchte Ihr Denken heute ein wenig verändern.» Das hesch du, mir isch so einiges klar worde und dafür will ich dir wirklich danke. Dini Gschicht het mi wieder e biz zrugg uf e Bode brocht und zum denke agregt. S Läbe isch mängisch absurd, unfair und schwer, aber me darf nie ufgeh.
«Jede dieser Personen könnte Bücher füllen mit Geschichten» Es war für mich selber sehr eindrücklich zu sehen, wo diese Menschen – sie sind ja auch ein sehr wichtiger Teil der Gesellschaft – sich aufhalten können. Ich möchte selber mal im sozialen Bereich arbeiten, und wenn ich mit Freunden unterwegs bin, fällt mir immer auf, dass es bei den Sitzgelegenheiten vor dem Bahnhof SBB diese Art von betroffenen Leuten hat. Ich gehe immer an diesem Ort vorbei, mir fallen die Leute dort immer auf, aber ein, zwei Gedankengänge später habe ich sie schon wieder aus dem Kopf. Dabei könnte jede dieser Personen Bücher füllen mit Geschichten. Ich bin daher froh, dass ich nun ein kleines bisschen, wenn auch sehr oberflächlich, in diese Thematik durch dich einsteigen und sehen konnte, wie man ein solches Leben führen kann. Ich werde nun, wenn ich wieder in Basel an dieser Stelle vorbeigehe, viel bewusster an diese Menschen denken. «Ich fühle mich etwas unwohl, wenn ich einem Obdachlosen begegne» Als Erstes möchte ich mich für die spannende und lehrreiche Führung bedanken. Du hast damit meine Meinung zu einigen Dingen verändert. Ich muss Dir ganz ehrlich sagen, dass ich mich etwas unwohl fühle, wenn ich einem Obdachlosen begegne. Nun weiss ich aber, dass dieses Schicksal jeden treffen kann und dass man oft gar nichts dafür kann. Die Leute, die solch ein Schicksal erleiden, unterscheiden sich darin, wie sie mit der Situation umgehen. Ich bin froh, die Institutionen kennengelernt zu haben, die ihnen helfen, wieder mit beiden Füssen im Leben zu stehen. Für die Zukunft nehme ich mir vor, nicht alle Obdachlose in den gleichen Topf zu werfen, sondern ihr Schicksal zu hinterfragen.
Nominieren Sie Ihren Starverkäufer! Schreiben Sie uns mit einer kurzen Begründung, welche/n Verkäufer/in Sie an dieser Stelle sehen möchten: Verein Surprise, Redaktion Spalentorweg 20, 4051 Basel F +41 (0)61 564 90 99 redaktion@vereinsurprise.ch
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BILD: ZVG
Mehr über den Sozialen Stadtrundgang: www.vereinsurprise.ch/stadtrundgang
Starverkäufer Gebremaryam Teklemaryam Roland Petschen aus Thun schreibt: «Da steht er jeden Samstag beim Coop City in Thun, warm eingepackt, die Mütze weit über die Ohren gezogen und die Hände in warme Handschuhe gesteckt. Immer hat er ein herzliches Lachen, eine warme Begrüssung und einige Brocken Deutsch bereit: ‹Danke, danke schön, vielen Dank!› Gebremaryam Teklemaryam ist ein sympathischer und liebenswerter Surprise-Verkäufer und deshalb ein Star für mich!»
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Porträt Mit Vollgas für Tibet Für seine Arbeit im Vorstand des «Vereins Tibeter Jugend für Europa» hat Lobsang Sara, 24, fast alles aufgegeben, was ihm lieb war: Sport, Musik, Ausgang, Jugendarbeit. Den Entscheid bereut er keine Minute. VON FLORIAN BLUMER (TEXT) UND ANDREA GANZ (BILD)
dort mit 17 Jahren einer der Jüngsten war, nahm er schnell eine fordernde Rolle ein, stellte «nervige Fragen», wie er sagt. Letztes Jahr, mit 23, wurde er für den Vorstand angefragt. Schon zwei Jahre zuvor war die Frage in der Luft gelegen, er hatte aber noch nicht den Eindruck, dass er bereit sei für diese Aufgabe. Er sagte sich jedoch, dass der richtige Moment wohl nie kommen werde, also willigte er ein. Seither ist Lobsang Sara im Vorstand für die Bereiche Fundraising und Design zuständig, gleichzeitig engagiert er sich wie alle anderen im Vorstand in allen Bereichen. Das heisst: Soziales, Vernetzung, tibetische Kultur, nationale und internationale Aktionen und Kampagnen auf der politischen Ebene. Und einmal in der Woche ist das VTJE-Büro Anlaufstelle für neu angekommene Tibeterinnen und Tibeter. Auch dort hilft Lobsang mit, wenn es ihn braucht – wie kürzlich, als er eigentlich nur Unterlagen im Büro holen und wieder einmal einen Abend mit seinen WG-Mitbewoh-
Über eines ist sich Lobsang Sara sicher: «Wenn Tibet eines Tages frei sein wird, werde ich zurückgehen.» Zurück heisst in seinem Fall zurück ins Land, aus dem seine Eltern geflüchtet sind. Lobsang selbst – er lässt sich mit dem Vornamen ansprechen – ist in der Schweiz geboren, in Linthal in der hintersten Ecke von «Glaris», wie er in seinem Glarner Dialekt sagt. In Tibet war er bisher nur einmal, als Kind. Er vertrug die Höhe nicht, nach einer Woche reiste seine Mutter mit ihm wieder ab. Das Einzige, woran er sich noch erinnern kann, ist die «städtische und kalte Atmosphäre» im seit den Fünfzigerjahren von China besetzten Lhasa. Seit Frühling letzten Jahres setzt sich der 24-Jährige mit vollem Einsatz für die Sache der Tibeter ein. «Vier bis fünf Stunden schlafe ich momentan im Schnitt pro Nacht», sagt Lobsang, als er im Personalrestaurant der Credit Suisse Üetlihof in Zürich, hellwach, über sich und den Verein erzählt. Der «Ich möchte niemanden verurteilen – aber für mich selbst ist die Verein, das ist der «Verein Tibeter Jugend in Vorstellung bizarr, als Tourist nach Tibet zu reisen.» Europa» (VTJE), mit rund 420 Mitgliedern vor allem in der Schweiz, für den er seit einem Dreivierteljahr im Vorstand sitzt. Vieles hat er für diese zweijährige nerinnen verbringen wollte. Und dann doch wieder bis elf Uhr abends Amtszeit aufgegeben: Zuvor spielte er Fussball und Basketball, war als im Büro hängen blieb, weil eine ältere Frau Unterstützung im AsylverJuniorentrainer tätig, arbeitete als Barkeeper, legte als HipHop-DJ auf fahren brauchte. Solche Momente würden ihm jedoch viel Energie geund ging auch gerne mal ausgiebig feiern. ben, sagt Lobsang, genauso wie die Zusammenarbeit mit den anderen Weil ihm die Pendlerei zu viel wurde, gab er auch sein Engagement ehrenamtlichen Vorstandsmitgliedern. in der Jugendarbeit Glarus auf, nach Abschluss seines Praktikums in eiWieder nach Tibet zu reisen, ist für ihn aktuell kein Thema. «Ich nem Heim für verhaltensauffällige Kinder zog er von Luzern nach Zümöchte niemanden verurteilen, der das tut, jeder hat seine eigenen rich um, wo der VTJE seinen Sitz hat. Als KV-Absolvent mit nachgeholGründe, die ich auch nachvollziehen kann – aber für mich selbst ist die ter Berufsmatura und Arbeitserfahrung in der Finanzbuchhaltung fand Vorstellung bizarr, als Tourist dorthin zu gehen, während meine Landser einen Job bei der Credit Suisse Üetlihof am Rand von Zürich – prakleute so leiden.» Lobsang reist aber immer wieder nach Nepal, wo ein tischerweise in Fussdistanz zum VTJE-Büro. Teil seiner Familie lebt. Im Herbst 2014 besuchte er dort ein Waisenhaus, «Ich kann der Tibeter sein, der ich will, die Landsleute in der Heimat wo ihn eines der Kinder besonders berührte, als es sagte, eines Tages können das nicht», sagt Lobsang, der eigentlich von Geburt an Schweiwerde es in Lhasa die tibetische Nationalhymne singen. Sehr inspiriezer ist. Das Schweizersein wurde ihm hier jedoch nicht einfach gerend sei für ihn auch, wenn er sehe, wie sich Tibeter in Tibet einsetzen, macht. Schon am ersten Schultag wurde er «Schlitzauge» gerufen und zum Beispiel der Mann in einem Youtube-Film, der mit der – verbotemusste Schläge einstecken. Später, während der Lehre, waren es «Junnen – Tibetflagge an einer Polizeistation vorbeispaziert, im Wissen, dass ge mit rechtem Gedankengut», die ihn regelmässig anpöbelten und ihm er dafür im Knast landen und dort geschlagen werde und Schlimmeres. zu verstehen gaben, er gehöre nicht hierher. Lobsang versuchte es zu ig«Da finde ich, dass es das Mindeste ist, dass ich meine freie Zeit für unnorieren, schluckte es hinunter – bis ihm eines Tages der Kragen platzser Tibet opfere.» te und er sich zu wehren begann. «Alles halb so wild», sagt er heute. Wie so viele Exil-Tibeter freut sich auch Lobsang ganz besonders auf «Diejenigen, die mich in der Anfangszeit in der Schule prügelten, wurden Besuch des Dalai Lama Anfang Februar in Basel. Er stehe auch voll den danach meine besten Kollegen. Und auch über die Geschichte mit und ganz zum gewaltfreien Weg, den das Oberhaupt der Tibeterinnen den Rechten während der Lehrzeit kann ich mittlerweile lachen.» und Tibeter seit dem Einmarsch der chinesischen Truppen und seiner Doch die Anfeindungen waren mit ein Anlass, warum Lobsang als Flucht aus Tibet 1959 verfolgt. «Vielleicht dauert es noch zehn, vielTeenager anfing, sich «die Identitätsfrage zu stellen». Er habe begonnen, leicht 100, vielleicht noch 1000 Jahre, bis Tibet frei sein wird», sagt Lobsich als Tibeter zu fühlen, sagt er, und er wollte dies auch nach aussen sang. Ob er selber den Tag noch erleben wird, spiele für ihn keine Rolzeigen: «In vielen Diskussionen nahm ich bewusst die Position des Mile. «Wichtig ist, dass die Tibeter bereit sein werden, wenn er kommt, granten ein.» Heute meint er dazu: «Ich fand damals meinen Platz und dass es dann überhaupt noch Tibeter geben wird, die ihre Kultur kenkam dadurch zu meiner heutigen inneren Ruhe.» In dieser Zeit fing er nen und leben.» Dafür wird Lobsang gerne noch den einen oder andeauch an, sich in der Sektion Glarus des VTJE zu engagieren. Obwohl er ren freien Abend opfern. ■
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BILD: KEYSTONE, CHRISTIAN BEUTLER
Friedhof Ein Kuss zwischen Gräbern Der Friedhof Sihlfeld in Zürich ist längst mehr als ein Bestattungsort. Die Grünfläche ist auch Spielplatz, Spazierweg – und immer mehr Veranstaltungsort. Christine Süssmann, Leiterin Kultur und Kommunikation des Friedhof Forums begrüsst einen offenen Umgang mit dem Tod. VON ADRIAN SOLLER
Bevor das Mädchen wegrennt, um sich hinter einem Brunnen zu verstecken, packt sie ihn am Jackenärmel, zieht ihn zu sich und drückt ihm einen Kuss auf die Wange. Lautes Gelächter bricht aus. Mit einer Geste, die theatralischer kaum sein könnte, wischt sich der Junge nicht vorhandenen Speichel von der Wange. Dann ertönt ein Trauerlied. Es ist Donnerstagnachmittag, Friedhof Sihlfeld in Zürich. 100, vielleicht 150 Meter entfernt vom Jungen mit den Engelslocken singt eine Trauergemeinde: «Weiche keinen Fingerbreit von Gottes Wegen ab». Während hier der rund vierjährige Bub zur Spielgruppenleiterin rennt, schnäuzt dort eine ältere Dame am offenen Grab in ihr Taschentuch. Weder sie noch die anderen Trauergäste haben etwas mitbekommen vom vielleicht ersten Kuss der beiden Spielgruppenkinder. Die Spielgruppenleiterinnen gehen mit ihren Schützlingen ab und an auf dem Friedhof spazieren. Und da sind sie längst nicht die Einzigen.
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«Für die Quartierbevölkerung ist der Friedhof zu einem Erholungsort geworden», erklärt Christine Süssmann. Hier würden nicht nur die Toten ruhen – sondern auch die Lebenden flanieren. Für die Leiterin Kultur und Kommunikation des Zürcher Friedhof Forums ist klar: «Zürichs Friedhöfe sind wichtige Grünoasen.» Das Friedhof Forum organisiert Kultur-Veranstaltungen und Ausstellungen zu Themen wie Tod, Trauer und Bestattung. An solchen Anlässen betonen Expertinnen und Experten immer wieder den Wert des Friedhofs Sihlfeld als Naherholungsraum. Der Zentralfriedhof ist mit seiner Fläche von 28,8 Hektaren die grösste zusammenhängende Grünfläche der Stadt Zürich. Doch wie viel Freizeit darf auf einem Friedhof eigentlich sein? Süssmann stellt klar: «Friedhöfe sind in erster Linie Bestattungsanlagen.» Die 55-Jährige will aus dem Friedhof keinen Freizeitpark machen. Auch schätzt Süssmann den Friedhof Sihlfeld als Kulturgut. Die Stadt pflege die historische Ausstrahlung der Friedhöfe. Und dennoch: Der Friedhof ist als Parkanlage immer wichtiger geworden – und hat gleichSURPRISE 343/15
zeitig als Trauerort an Bedeutung verloren. «Die Trauerkultur hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert», erklärt Süssmann. Eine Umfrage in Deutschland habe gezeigt, dass nur noch wenige Menschen ein Grab zum Trauern brauchen. Die Trauerarbeit findet heute meist nicht mehr in der Öffentlichkeit statt, Trauer ist etwas Privates geworden. Und das wiederum beeinflusst das Leben auf dem Friedhof.
tungen in den Achtzigern noch keinen Platz gehabt, so gibt es heute viele leere Grünflächen. «Die Anzahl der Gräber ist in Zürich in den vergangenen dreissig Jahren von 80 000 auf 50 000 gesunken», erklärt Süssmann. Verstarben im Jahr 1983 in Zürich noch 4540 Menschen, so waren es im Jahr 2013 gerade mal noch 3465 Menschen. Die Stadt wird jünger – und die alten Menschen leben länger. Neben der erhöhten Lebenserwartung sorgt aber auch der Wandel in der Bestattungskultur für mehr Platz auf dem Friedhof. «Schon seit den Achtzigern», so Süssmann, «nehmen die Bestattungen in Gemeinschaftsgräbern zu.» Auch die Kremation sei ein anhaltender Trend. Auf einem Wagen stapeln sich Blumen. Der Friedhofsgärtner steckt sein iPhone in die Seitentasche seiner Arbeitshose und schaut der abziehenden Trauergemeinde hinterher. Erst als auch die Frau die Grabstelle verlassen hat, geht er hinüber zu seinem Kollegen. Kurz darauf lassen die beiden den Sarg in die Tiefe gleiten. Die Trauergemeinde zieht derweil vorbei am farbigen Schilderwald, der Teil der Kunstausstellung ist. Die Trauernden schenken den bunten Tafeln ebenso wenig Beachtung wie anderen Kunst-Installationen, sie sehen weder den Erdaufwurf neben einem offenen Grab noch die Skulptur aus 32 Grabsteinen. Ganz anders die Kinder. Im Vorbeigehen fahren sie mit den Händen über den kalten Stein.
Shoppingcenter auf dem Friedhofsgelände An Herbsttagen wie heute duften die Zypressen besonders gut. Ein junger Vater schiebt einen Kinderwagen vor sich hin, zwei Kinder trotten ihrer Mutter hinterher, dann jedenfalls, wenn sie nicht gerade mit einem Stecken Linien in den Kies ziehen – und der Lockenkopf aus der Spielgruppe versteckt sich hinter einem Baum. Er imitiert ein Raubtier, wahrscheinlich einen Löwen, vielleicht auch einen Tiger, den Kuss jedenfalls, den scheint er vergessen zu haben. Eine der beiden Begleiterinnen ermahnt die Kinder, etwas stiller zu sein. Die andere erklärt ihnen, dass sie bald wieder los müssten. Bei der Abdankung lässt die Dame in Schwarz derweil ihr Taschentuch in der Manteltasche verschwinden. Auf dem Friedhof gibt es immer weniger Trauernde – und immer mehr Freizeitgäste. Was bedeutet das für den Friedhof von morgen? Solche Fragen greift das Friedhof Forum immer wieder auf. Das städtische Forum schafft einen Raum für Debatten. Dass die junge Institution Unterirdische Totenstadt dabei auch mal Tabus bricht, ist selbstredend. Am meisten provoziert Der steinerne Torbogen, die historischen Gräber, die alte Friedhofshabe wohl ein Bauplakat. Es kündigte den Bau von Wohnhäusern und mauer: Die Friedhofsarchitektur aus dem 19. Jahrhundert ist noch gut eines Shoppingcenters auf dem Friedhofsgelände an – und erschreckte erhalten. Doch ist, was schön aussieht, auch funktional? Vor einigen etliche Passantinnen und Passanten. Immer wieder musste Süssmann Monaten gelangte Benoît Jacques, ein Architekturstudent der EPFL Lauaufklären: Es kämen keine Bagger, das Bauplakat sei Teil des Kunstsanne, ans Friedhof Forum und präsentierte einen utopischen Entwurf projektes «Keine Ahnung». Die Ausstellung «Keine Ahnung» realisierte zum Friedhof Sihlfeld. In seiner Vision führen Treppen ins dunkle Erddas Friedhof Forum in Zusammenarbeit mit Studentinnen und Studenten der F+F Schule für Kunst und Design sowie des Lehrstuhls für Architektur und Kunst Ein Plakat kündigte den Bau von Wohnhäusern und eines Shoppingcender ETH Zürich. Verschiedene Kunstinstallatioters auf dem Friedhofsgelände an – und erschreckte etliche Passantinnen kreisen um Themen wie Tod, Transformanen und Passanten. Dabei handelte es sich bloss um ein Kunstprojekt. tionsprozesse und Recycling sowie um das Erinnern, das Vergessen und das Danach. Ein reich hinab. In Jacques’ unterirdischer Bestattungsanlage soll es verTeil der Installationen befindet sich auf dem Friedhofsgelände, einen schiedene Räume geben, Aufenthaltsräume für die Trauernden beispielsErdaufwurf beispielsweise gibt es dort oder auch Papierkokons, die in weise. Verbunden mit dem oberirdischen Park soll diese Totenstadt den Bäumen hängen. Der andere Teil der Objekte befindet sich im Gedurch Oberlichter sein. Die Schächte sollen nicht nur für das Licht in bäude des Friedhof Forums. Auf einer Jukebox kann der Besucher dort den unterirdischen Räumen sorgen, sie sollen im Park auch das InteresTitel aus fast siebzig Jahren Unterhaltungsmusik auswählen. Alle drese der Menschen wecken. Auch schlägt der Architekturstudent vor, die hen sich um Themen wie Sterben, Tod oder Friedhof. Dass aber gerade Mauern im Bereich der freien Friedhofsflächen einzureissen – den Friedjenes fiktive Bauplakat auf dem Friedhofsgelände so hohe Wellen hof zu öffnen. Diese Ideen 1:1 umzusetzen, war nie geplant. Vielmehr schlug, wundert Süssmann nicht. Denn: Die Friedhofsnutzung ist ein sollen seine Utopien ein Gedankenanstoss sein. Süssmann findet es besonders sensibles Thema. spannend, sich mit modernen Ansätzen der Friedhofsnutzung auseinAn der Abdankungsfeier hat eine Frau gerade eben einen Kranz anderzusetzen. Doch allen modernen Ansätzen zum Trotz: Onlineniedergelegt. Ein letztes Gebet noch, ein letztes Mal werden Fahnen geFriedhöfen beispielsweise steht Süssmann skeptisch gegenüber. Es gibt schwenkt, dann zieht die Menschenmasse weiter, bewegt sich langsam immer mehr Anbieter, die Gedenkseiten im Internet aufschalten. Diese in Richtung Haupteingang. Gesprochen wird selten, hie und da weint jeSeiten sollen als Trauerort fungieren, als Ort, wo die «Community» digimand. Am Grab wird es seltsam still. Nur eine Frau bleibt stehen, löst tale Gedenkkerzen installieren oder Gedenkzeilen «posten» kann. Süsssich langsam aus der Masse heraus. In ihrer rechten Hand hält sie Romann präferiert ein «sinnliches Grab». «Früher gab es», erklärt die sen. Sie leuchten rot vor ihrem schwarzen Kleid. Zögerlich berührt sie Kunsthistorikerin, «Aufbahrungen zuhause und Trauerzüge durch die den Sarg, fährt mit einer Hand über das Holz und legt die Blumen nieDörfer.» Sterben und Tod seien früheren Generationen noch vertrauter der. Dann tritt sie einen Schritt zurück und bleibt stehen. Bevor auch sie gewesen. Der Tod im Internet ist ihr zu abstrakt. Auch will Süssmann schliesslich geht, blickt sie noch kurz hoch, gen Himmel. nach dem Tod nicht im weltweiten Netz hängen bleiben. «Aber das ist «Menschen in einem aktiven Trauerfall brauchen Respekt und Ruhe», vielleicht auch eine Generationenfrage», fügt sie hinzu. sagt Süssmann. So hätten sich weder das Bauplakat noch die anderen Auf dem Friedhof nicken einige Senioren den Kindern wohlwollend zu. Kunstobjekte in unmittelbarer Nähe von neu belegten Gräbern befunDie meisten Trauergäste verlassen den Friedhof. Zwei Frauen setzen sich den. Süssmann stellt klar: «Qualitäten wie Leere oder Stille machen den auf das Bänkli bei der Toilette und beginnen zu reden. Wahrscheinlich Friedhof wertvoll. Die Friedhofsanlage unterscheidet sich von anderen sprechen sie über die Beerdigung, wahrscheinlich über den Tod, vielGrünflächen.» Für Süssmann ist aber auch klar: Der Friedhof kann auch leicht aber auch nur über die Höhe der Swisscom-Rechnung. Der Junge Kultur-, Freizeit- und Trauerort gleichermassen sein. Genügend Platz für mit den Engelslocken beschleunigt seine Schritte. Beim Verlassen des ein solches Nebeneinander sei heute vorhanden. Denn der GräberbeFriedhofs schliesst er zu seiner neuen Freundin auf. stand sinkt seit Jahren. Habe es auf dem Friedhof Sihlfeld für Veranstal■ SURPRISE 343/15
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Interview «Der Tod kann auf wunderschöne Weise berühren» In ihrem letzten Dokumentarfilm «Gothic» beschäftigte sich Mitra Devi mit der Gothic-Szene – und damit mit Friedhöfen, mit dem Sterben. Für die Filmerin, Krimiautorin und Malerin wurde klar: Das Leben ist dem Tod sehr nah. VON ADRIAN SOLLER (INTERVIEW) UND CHRISTIAN MAROGG (BILD)
Mitra Devi in Ihrem Dokumentarfilm «Gothic» porträtieren Sie Schweizer Anhänger der Gothic-Bewegung. Doch was ist diese Gothic-Szene überhaupt? Eine Musikszene? Die Bewegung mit dem Wort Musikszene zu umschreiben, geht etwas zu wenig weit. Aber Musik ist ein sehr wichtiger Teil der Bewegung. Die Gothic-Kultur entstand in den Achtzigern aus der Punk- und New-Wave-Szene heraus und vereint heute verschiedenste Musikrichtungen. Von mittelalterlichen und keltischen Klängen über Punk- und Goth-Rock bis hin zu Heavy- und Dark-Metal ist das Musikspektrum der Szene breit. Für viele Szenegänger ist die Gothic-Kultur aber mehr als eine Musikszene, sie ist ein Lebensstil, eine Lebenseinstellung.
Gerade in der Schweiz haben wir einen relativ modernen Umgang mit dem Tod. «Palliative Care» wie Sterbehilfe sind fortschrittlich. Gerade das ist wohl typisch schweizerisch. Wir wollen handeln, Lösungen suchen – und versuchen so unserem eigenen Ohnmachtsgefühl zu entkommen. Nicht dass ich das nur schlecht fände. Ich bin selbst Mitglied der Sterbehilfeorganisation «Exit». Mit einer tiefen Auseinandersetzung mit dem Tod muss das aber nicht unbedingt etwas zu tun haben. Waren Sie schon einmal mit Ihrem eigenen Tod konfrontiert? Ja, schon öfter. Eine extreme Situation erlebte ich auf meinem ersten Interrail-Trip durch Europa. Ich war sechzehn Jahre alt. In einem Schliessfach im Bahnhof von Bologna hatte ich meinen Rucksack verstaut. Fast wäre ich in den Bus zum Bahnhof eingestiegen, um das Ge-
«Goths» gelten als todessehnsüchtig, als sui«Ja, ich glaube an ein Leben nach dem Tod. Gäbe es nur ein einziges zidal. Gibt es in der Szene viele depressive Leben, hätten die einen alles – und die anderen nichts. Das fände ich Menschen? unfair.» Verletzte Seelen fühlen sich in der Gothic-Bewegung gut aufgehoben, sie werden nicht auspäckstück wieder abzuholen. In letzter Sekunde habe ich mich dann gestossen. Aber längst nicht alle Goths sind verletzte Seelen. Was sie umentschieden, weil ich kein Geld fürs Busbillet hatte. Dies hat mir viel eher charakterisiert, ist eine tiefe, ehrliche Diskussionskultur. Fragt das Leben gerettet. Wäre ich nicht zu Fuss zum Bahnhof gegangen, dich ein Szenegänger, wie es dir geht, will er das wirklich wissen. wäre ich umgekommen. An jenem Tag starben rund achtzig Menschen auf dem Bahnhofsgelände durch einen Bombenanschlag. Und das nur Sie haben mit «Gothic» und «Vier Frauen und der Tod» zwei Filme wenige Minuten, bevor ich dort eintraf. Überall lagen tote Körper. mit Bezug zum Sterben gemacht, Sie schreiben Krimis und schwarzhumorige Kurzgeschichten. Was fasziniert Sie am Tod? Glauben Sie an ein Leben nach dem Tod? Der Tod fasziniert mich schon sehr lange, faszinierte mich vielleicht Ich träume häufig vom Sterben. Mit dem geträumten Tod endet mein schon immer. Zu viel Harmonie misstraue ich. Oft überdeckt sie, was Traum aber selten, oft geht er weiter. Ja, ich glaube an ein Leben nach wirklich ist. Andererseits finde ich es wichtig, über den Tod zu spredem Tod. Die Reinkarnation wäre tröstlich für mich. Alles andere wäre chen. Zwar spielt der Tod in den täglichen News eine Rolle, aber uns so gegen mein Gerechtigkeitsempfinden. Gäbe es nur ein einziges Leben, richtig mit ihm auseinandersetzen wollen wir nicht. hätten die einen alles – und die anderen nichts. Das fände ich unfair. Aber wer weiss, vielleicht ist Leben halt wirklich so, vielleicht ist es willDer eigene Tod ist nach Sigmund Freud etwas Unvorstellbares. Wiekürlich, vielleicht ist es unfair. Ich jedenfalls bleibe neugierig auf das, so sollen wir uns trotzdem tiefer mit ihm beschäftigen? was kommt – oder eben nicht kommt. Beansprucht jemand die eine Auch wenn wir uns die Unendlichkeit des Universums nicht vorstellen Wahrheit für sich, kann ich das nicht verstehen. können, finde ich es spannend, sich damit zu beschäftigen. Wer den Tod nicht nur als negatives Ereignis anschaut, den kann er auf eine tieDemnach halten Sie von Religionen nicht sehr viel? fe, wunderschöne Weise berühren. Genauso wie uns die Kreativität, die Wenn jemand in der Religion seine Antwort findet, ist das für mich okay. Kunst oder die Liebe berühren können, kann es auch der Tod. Wer sich Aber Menschen, die anderen ebendiese Antwort aufdrängen wollen, mit dem Tod beschäftigt, beschäftigt sich mit dem Leben. Mit dem Sinn empfinde ich als anmassend. Mir persönlich sagt Spiritualität mehr zu des Lebens setzen sich leider viele erst auseinander, wenn sie im Sterals Religion. Viele Religionen – gerade auch das Christentum – arbeiten ben liegen. mit Angst. Angst ist sogar wohl einer der Gründe, wieso Religionen überhaupt erst entstanden sind. Denn der Glaube mildert die Angst – jeHeisst leben lernen also sterben lernen? ne Urangst vor dem eigenen Tod. Ja, auf jeden Fall. Ich denke, der Tod konfrontiert einen mit der Essenz ■ des Lebens. «Kurz vor dem Tod klopft das Leben nochmals an», hat mir mal eine Sterbebegleiterin in einem Interview gesagt. Und bei einer langjährigen Freundin habe ich das ganz ähnlich erlebt. Kurz bevor sie Mitra Devi lebt als Krimiautorin, bildende Künstlerin und Dokumennach langer Krankheit verstarb – sie war nur noch Haut und Knochen –, tarfilmerin in Zürich. Sie hat 14 Bücher veröffentlicht, unter anderem wollte sie unbedingt noch farbige Hosen. So kauften wir ihr Hosen in aldie bekannte Reihe mit Privatdetektivin Nora Tabani. 2013 wurde ihr len Farben, orange, gelbe, blaue, rote und grüne. Anziehen konnte sie Roman «Der Blutsfeind» mit dem Zürcher Krimipreis ausgezeichnet. sie jedoch nie mehr. Oft höre ich, wie nah am Leben der Tod doch sei. www.mitradevi.ch Aber umgekehrt stimmt es auch: Das Leben ist dem Tod ebenso nah. Mitra Devi: «Gothic», DVD erhältlich bei www.cede.ch SURPRISE 343/15
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Rentenreform «Ich bin Jurist, nicht Prophet» Zwei Sozialdemokraten um die 60, zwei unterschiedliche Perspektiven: Jürg Brechbühl ist als Direktor des Bundesamtes für Sozialversicherungen Alain Bersets Mann für die Rentenreform 2020. Surprise-Stadtführer Markus Christen verlor mit Mitte 50 den Job. Ein Gespräch über die Zukunft der Leistungsgesellschaft und die Rolle der Senioren.
VON AMIR ALI (INTERVIEW) UND ANNETTE BOUTELLIER (BILDER)
Jürg Brechbühl: Die Unternehmen sind an älteren Arbeitskräften interessiert, wenn diese ganz besondere Qualifikationen haben, Junge einarbeiten oder ein Projekt abschliessen sollen. Aber in einer Umfrage, die unser Bundesamt durchgeführt hat, sagen 70 Prozent der Arbeitgeber: Wir sind nicht interessiert an einer Erhöhung des Rentenalters, wir haben keine Alterspolitik und wollen diese Leute nicht anstellen. Markus Christen: Wir Älteren sind durch die hohen Lohnnebenkosten zu teuer. Jürg Brechbühl: Dem wirken wir mit der Reform entgegen. Neu sollen die BVG-Beiträge zwischen 45 und 65 nicht mehr erhöht werden, den Sprung nach 55 soll es nicht mehr geben. Aber die Kosten sind nicht der Hauptgrund, sondern die fehlende Alterspolitik.
Eines der wichtigsten Projekte der Schweizer Sozialpolitik kommt in die heisse Phase: In den kommenden Wochen und Monaten beginnen die parlamentarischen Beratungen zur Rentenreform 2020. Im Rampenlicht steht dabei Bundesrat Alain Berset, der die Reform politisch verantwortet. Massgeblich geplant wurde die Reform jedoch von Jürg Brechbühl, den Berset kurz nach seiner Wahl in die Landesregierung zum Direktor des Bundesamtes für Sozialversicherungen BSV gemacht hat. Berset und Brechbühl sind zwei Sozialdemokraten mit einer schwierigen Mission: Sie müssen die Schweizer Altersvorsorge den sich abzeichnenden demografischen Entwicklungen anpassen – und zwar möglichst ohne Leistungen abzubauen. Schliesslich sollen Pensionierte mit Was genau heisst das? ihrer AHV und der Zweiten Säule laut Bundesverfassung den gewohnten Jürg Brechbühl: Ein Älterer kann nicht immer wie ein Junger. Er weiss Lebensstandard halten können. zwar, wie der Hase läuft, hat aber oft nicht mehr genug Energie, um dem Die Fakten sprechen gegen uns alle: Weil wir immer älter werden und Hasen nachzurennen. Hier sind Teilzeitstellen gefordert, Kombinationen länger über die Pensionierung hinaus leben, zeichnet sich bis 2030 bei der AHV ein Defizit von 8,3 Milliarden Franken ab. Sieben Milliarden davon wollen Berset und Markus Christen: «Wie würden Sie darauf reagieren, wenn Ihnen jemand Brechbühl durch Mehreinnahmen wettmamit 62 sagen würde: Du musst dich jetzt pensionieren lassen?» chen. Neben einer vorübergehenden Erhöhung der Mehrwertsteuer soll das Rentenalter von Rente und Arbeit. Wenn unsere Vorschläge durchkommen, wird der Frauen auf 65 angehoben werden. Und ganz allgemein will die Renman sich neu teilpensionieren lassen können. Und wenn diese Mögtenreform 2020 die Bedingungen für ältere Arbeitnehmer so verbessern, lichkeiten erst einmal bestehen, dann kann ein Umdenken stattfinden. dass sie freiwillig länger im Arbeitsmarkt bleiben. Dann kann es sein, dass wir in Zukunft völlig andere ArbeitszeitmodelSurprise-Stadtführer Markus Christen wurde zehn Jahre vor der Penle für Ältere haben werden. sionierung arbeitslos. Der gelernte Schriftsetzer hatte lange Zeit als Markus Christen: Wenn ich Ihnen so zuhöre, muss ich mich fragen, ob Chauffeur gearbeitet, bis er mit Mitte 50 am Steuer einen Schlafapnoedie Arbeitgeber nicht erkannt haben, dass hier ein riesiges Potenzial an Anfall hatte und seinen Berufsfahrer-Ausweis abgab. Wie viele ältere Erfahrung und Können vorhanden ist. Arbeitslose hat er den Weg zurück nicht gefunden. Wir haben ihn mit BSV-Direktor Brechbühl zum Realitätscheck zusammengebracht. Sehen Sie eine Tendenz, dass sich die Haltung der Unternehmen ändert? Markus, die Rentenreform, die Herr Brechbühl mitverantwortet, Jürg Brechbühl: Ich bin Jurist, nicht Prophet. Ich blicke eher zurück als setzt darauf, dass immer mehr Leute freiwillig immer länger arvorwärts. Ich schaue, was im Gesetz festgeschrieben wurde, und setze beiten. Du bist letztes Jahr 60 geworden. Was denkst du darüber? das um. Die Diskussion über das Rentenalter wird viel entspannter geMarkus Christen: Ich weiss aus eigener Erfahrung und aus meinem führt werden können, wenn die Unternehmen sagen: Wir brauchen die Umfeld: Wer mit 45 oder älter aus dem Arbeitsmarkt fällt und nicht topälteren Arbeitnehmer – und sie dann auch tatsächlich beschäftigen. qualifiziert ist, der kommt kaum mehr rein. SURPRISE 343/15
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Jürg Brechbühl: Um dem Bund Kompetenzen in der Sozialhilfe zu Markus Christen: Mir macht die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt übertragen, bräuchte es eine Verfassungsänderung. Alle Vorstösse in Sorgen. Es werden zum Beispiel immer weniger IV-Renten gesprochen. diese Richtung sind bisher gescheitert. Auch die Kantone hatten kein Und man soll sich immer später pensionieren lassen. Immer mehr LeuInteresse daran, diese Kompetenz abzutreten. Das BSV macht aktuell im te sollen immer länger arbeiten. Gerade für Niedrigqualifizierte nimmt Auftrag des Parlaments eine Auslegeordnung zur Sozialhilfe, und da die Arbeit aber nicht unbedingt zu. Wegen der Automatisierung wird es werden auch allfällige Ungleichheiten analysiert. Ich bin gespannt, was Jobs wie die Migros-Kassierin nicht mehr lange geben. Es gibt immer weniger Stellen für immer mehr Menschen. Jürg Brechbühl: Das stimmt so nicht, die BeJürg Brechbühl: «Die Arbeitgeber sind nicht interessiert an einer Erhövölkerungsentwicklung läuft umgekehrt. Frühung des Rentenalters, sie wollen diese Leute nicht anstellen.» her hatten wir die klassische Pyramide oder einen Tannenbaum: Unten ein breiter Sockel aus das Parlament daraus machen wird. Klar ist aber: Für die Vereinheitlijungen Erwerbstätigen, die die Renten der wenigen Alten an der Spitze chung bräuchte es am Ende eine Mehrheit von Volk und Ständen. finanzieren. Dieser Tannenbaum wird immer mehr zum Steinpilz, der unten dünner und oben dicker ist. Die geburtenstarken Jahrgänge der Zurück zur Rentenreform: Ihr Ziel ist, dass die Älteren länger im 1950er- und 1960er-Jahre, die Babyboomer, stehen kurz vor der PenArbeitsmarkt bleiben. Hilft Ihnen hier die Annahme der Massension. Es gibt eine massive Pensionierungswelle, bis 2029 der stärkste aleinwanderungsinitiative? ler Jahrgänge, der 1964er, 65 Jahre alt wird. Wir werden also genau das Jürg Brechbühl: Im Gegenteil. Unsere Finanzperspektiven für die AHV gegenteilige Problem haben: Immer weniger Erwerbstätige, die unsere gehen davon aus, dass jährlich 40 000 Menschen mehr in die Schweiz Altersvorsorge finanzieren. ein- als auswandern. Dieser positive Migrationssaldo ist für die Finanzierung der AHV ganz zentral. Wenn 10 000 Menschen weniger komMarkus Christen: Das heisst, meine Sorgen um den Arbeitsmarkt men, müsste zur zusätzlichen Finanzierung der AHV die Mehrwertsind unbegründet? steuer um ein halbes Prozent erhöht werden. Der AHV ist es letztlich Jürg Brechbühl: Sie sprechen natürlich einen wichtigen Punkt an. Die egal, ob die Arbeitskräfte aus dem Ausland kommen oder in der Situation für Niedrigqualifizierte wird sicherlich schwieriger werden. Da Schweiz aktiviert werden. will zum Beispiel die Fachkräfteinitiative des Bundesrates andere Anreize setzen. Die laufende Weiterbildung der Arbeitnehmer ist heute unAber auch Leute mit mittleren und überdurchschnittlich hohen verzichtbar. Einmal eine Lehre machen und fertig, das ist vorbei. Einkommen werden immer älter und beziehen immer länger RenMarkus Christen: Ich wurde mit Mitte 50 arbeitslos, und nach zwei ten. Laut einer Berechnung des Schweizer Fernsehens entlasten Jahren auf dem RAV wurde ich in die Sozialhilfe ausgesteuert. Heute bin nur Spitzenverdiener die AHV wirklich. ich wieder über dem Existenzminimum. Aber auf dem Sozialamt war es Jürg Brechbühl: Ich kenne diese Rechnung nicht. Aber schauen Sie sich schon ein Thema, dass sie dich mit 62 in die AHV schicken wollen. Das doch um: Wenn Sie in Zürich mit dem Tram fahren, dann sehen Sie hat natürlich eine Kürzung der Rente zur Folge, ergo braucht man dann hochdeutsch sprechende Menschen am Paradeplatz aussteigen und in Ergänzungsleistungen. die UBS oder die Credit Suisse zur Arbeit gehen. Das ist nicht mehr die Einwanderung der Siebzigerjahre, als eher schlecht Qualifizierte kamen, Markus Christen: Wie würden Sie darauf reagieren, wenn Ihnen die einmal mehr von der AHV bekommen werden, als sie selber einbejemand mit 62 sagen würde: Du musst dich jetzt pensionieren zahlt haben. Das ist es, was das Personenfreizügigkeitsabkommen so lassen? wichtig macht: Die Qualität der Einwanderung hat sich massiv verbesJürg Brechbühl: Niemand sollte in Rente geschickt werden. Das muss sert und die Arbeitnehmenden, die aus den EU-Staaten kommen, beein freier Entscheid sein. Wenn die Sozialhilfe jemanden in Rente zahlen Solidaritätsbeiträge an die AHV. schickt, ist es für die öffentliche Hand ein Nullsummenspiel, aber die finanzielle Last lässt sich damit auf andere Gemeinwesen verlagern. An Apropos Gutverdiener: In der Zweiten Säule gibt es faktisch eine die Sozialhilfe bezahlt der Bund nichts, bei den Ergänzungsleistungen Umverteilung von unten nach oben, weil Reiche statistisch geseübernimmt er jedoch fünf Achtel. Solche Lastenverschiebungen finde hen eine höhere Lebenserwartung haben. Das heisst, sie bezieich generell suboptimal. Und das sollte nicht auf dem Rücken der Renthen auch länger die Pensionskassenrente. Provokativ gefragt: ner ausgetragen werden. Könnte man im nicht im Gegenzug Millionären die AHV streichen? Damit wäre die Finanzierung auch gesichert. Das Verschieben von finanziellen Lasten ist im Sozialwesen gang Jürg Brechbühl: (lacht) Ich glaube, diese Idee käme nicht einmal überund gäbe. Die Leute wandern nach zwei Jahren Arbeitslosenverall schlecht an. Hans-Peter Tschudi, der in den Sechziger- und Siebzisicherung in die IV oder die Sozialhilfe und von dort in die AHV. gerjahren Bundesrat war, sagte einmal: Der Millionär braucht die AHV Müsste die Sozialhilfe nicht endlich auf Bundesebene geregelt nicht, aber die AHV ist auf den Millionär angewiesen. Das finde ich ein werden? sehr schönes Zitat. Die Schweiz ist das einzige Land in Europa, in dem Jürg Brechbühl: Das würde die Leistungsunterschiede zwischen den man auf das gesamte Einkommen Rentenbeiträge zahlt. Diese ErrunKantonen und unter den Gemeinden aufheben. Aber es wäre keine Gagenschaft ist so viel wert, dass wir getrost den Millionären auch ihre rantie dafür, dass die Leistungen dann überall auf dem heutigen Niveau 2500 Franken Altersrente zahlen können. Damit fahren wir auf jeden zu liegen kämen. Fall besser, als wenn wir sagen: keine AHV für Reiche. Das hätte an der Markus Christen: Die Unterschiede sind enorm. Wenn man in der Stadt Urne sicher nicht die besseren Chancen als ein Rentenalter 67. Basel zum Beispiel wieder aus der Sozialhilfe raus ist, muss man bezogene Leistungen zurückzahlen, sobald man 60 000 Franken Einkommen Die bürgerliche Fundamentalkritik an Ihrer Reform lautet, ohne hat. Nur schon in der Gemeinde Oberwil in Baselland hingegen muss Erhöhung des Rentenalters sei die Altersvorsorge langfristig man erst Geld zurückzahlen, wenn man zum Beispiel eine Erbschaft nicht zu sichern. Ist das nicht seltsam, dass ausgerechnet die Armacht. Und in Aargauer Gemeinden muss man bereits zurückzahlen, beitgeber ältere Angestellte nicht beschäftigen wollen? sobald man übers Existenzminimum kommt. Das könnte man mit einem Bundesgesetz doch gerechter regeln.
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Surprise-Stadtführer Christen (l.) und BSV-Direktor Brechbühl beim Gespräch in Bern.
Jürg Brechbühl: Das ist in der Tat eine interMarkus Christen: «Wenn ich Ihnen so zuhöre, frage ich mich: Haben die essante Diskrepanz zwischen den UnternehArbeitgeber nicht erkannt, dass die Älteren ein riesiges Potenzial an Ermen in unserer Befragung und den Arbeitgefahrung und Können darstellen?» berverbänden, die im politischen Diskurs nach einer Erhöhung des Rentenalters rufen. Allereine Reform zu machen, mit der die AHV bis 2035 gesichert ist. Und für dings fordern sie ja nicht, dass dies von heute auf morgen umgesetzt die Zeit danach rechtzeitig neue Massnahmen aufzugleisen. wird. Sie rechnen damit, dass sich der Arbeitsmarkt aufgrund der demografischen Entwicklung dereinst so präsentiert, dass ein Rentenalter Böse Zungen könnten sagen: Die Erhöhung des Rentenalters 67 dann kein Problem mehr wäre. überlässt Bundesrat Berset seinem Nachfolger. Jürg Brechbühl: (überlegt) Das wären sehr böse Zungen. Sowohl der Das klingt doch vernünftig. Wieso zielt die Reform 2020 nicht auf Bundesrat als auch das Parlament sind bisher mit dem Versuch, das Renein Rentenalter 67 ab? tenalter 65 für Frauen einzuführen, am Volk gescheitert. Also könnten Jürg Brechbühl: Wenn wir in eine Volksabstimmung gehen und den böse Zungen auch sagen: Der Stimmbürger sagt Ja zu jenen AnpassunLeuten sagen: Wir erhöhen das Rentenalter auf 67, und die nötigen Argen, die er als nötig betrachtet. Ob eine Erhöhung des Rentenalters auf beitsplätze wird es dann schon geben – wie überzeugend wirkt das? Die 67 in 20 Jahren nötig sein wird, weiss im Moment noch niemand. Die Frage des Rentenalters ist höchst sensibel. Solange der Arbeitsmarkt keiLebenserwartung wird zwar steigen, aber wir wissen nicht, wie sich die ne positivere Botschaft an Ältere aussendet, löst das Angst aus. Und wer Wirtschaft entwickelt. Ich finde es legitim, dass wir heute eine Reform Angst hat, der sagt Nein. machen, die jene Probleme löst, die sich heute abzeichnen – und das Weitere einer nächsten Generation überlassen. Wenn wir ehrlich sind, ist Ihre Rentenreform 2020 keine Reform, ■ sondern eine Überbrückung bis zur nächsten Reform. Die wird bereits 2030 nötig, wie Sie selbst gesagt haben. Jürg Brechbühl: Die AHV gibt es seit 1948, und jede bisherige Reform war eine Überbrückung bis zur nächsten. Das ist ja gerade die Stärke: Man versucht stets schrittweise, das System den veränderten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen anzupassen. Was weiss ich denn, wie die Welt in 30 Jahren aussieht? Mit grosser Wahrscheinlichkeit ganz anders, als ich mir das heute vorstelle. Also ist es nichts als ehrlich, SURPRISE 343/15
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Administrativ Versorgung Prinzip Züchtigung Statt Liebe gab’s in der Kindheit von Erna Eugster Beschimpfungen und Schläge. Mit 15 Jahren wurde sie von zu Hause weggebracht – in Heimen und Anstalten setzte sich ihre Leidensgeschichte fort. Ihre Autobiografie, aus der wir einen Auszug abdrucken, beleuchtet auch ein dunkles Kapitel der Schweizer Geschichte, als man Jugendliche mit Schwierigkeiten mittels Wegsperren und Züchtigung auf den rechten Weg bringen wollte. nicht recht wach. Arme und Beine konnte ich kaum mehr bewegen. Ernas Vater schlug seine Tochter nur einmal. Es war, als sie ihn mit Wenn ich mich gegen die Spritzen wehrte, banden sie mich mit Gurten einem Einkaufsnetz neckte, das sie um seine Beine schlug und auch nicht an meine Bettstatt. damit aufhörte, als er sie anschrie. «Es war die einzige Form von BeachRuedi, der Klinikdirektor, wollte nicht, dass ich über Ostern abhaue. tung, die ich jemals von ihm erhielt», schreibt sie. Also spritzten sie mich erneut hinunter. Ich regte mich fürchterlich auf Ihre Mutter schlug sie täglich. «Mit Prügel stand ich auf, mit Prügel und wurde deshalb nicht müde. Gegen Abend erhielt ich eine zweite ging ich ins Bett», schreibt Eugster, und weiter: «Gründe dafür gab es imPortion, aber auch diese wirkte vorerst nicht. Erst als ich mich schlafen mer, oft brauchte es auch keine. ‹Schau nicht so blöd drein›, sagte sie zum legte, schlief ich auch effektiv ein. Irgendwann erwachte ich und hatte Beispiel aus dem Nichts heraus – und zack, schon kassierte ich wieder eine Tachykardie, also einen sehr hohen Puls. ein paar Ohrfeigen.» Dazu wurde sie von der Mutter an den Haaren geMehrmals riss ich aus. Als Strafe kam ich dann in das Haus Nummer rissen, mit Schlägen und Fusstritten traktiert. Und zur physischen kam sieben. Dort waren die Langzeitpatienten – sehr, sehr kranke Leute, viedie verbale Gewalt: Schon als kleines Mädchen wurde sie von ihrer Mutle Alte. Zum Beispiel eine Frau, die sich Oberst Romanoff nannte, oder ter «Saumensch», «Lumpenhure» und «Dreckloch» gerufen. Meieli, das Stimmen hörte. Den ganzen Tag lang klopfte sie mit dem Trotzdem sagt Erna Eugster: «Meine Eltern wollte ich damals nicht Knödel ihres Mittelfingers an die Türe, sodass am Gelenk ihres Fingers verlassen. Es geht sehr lange, bis sich ein Kind von seinen Eltern lossagt. ein richtiger Buckel entstand. Immer wieder fragte sie, ob für sie ein Eine Mutter kann dich jeden Tag halb tot schlagen, aber als Kind bist du Päcklein gekommen sei. Und wenn die Antwort war: «Nein, Meieli» – jeden Tag bereit, mit der gleichen Mutter neu zu beginnen.» dann ging sie auf einen los. Doch obwohl sie es mit aller Macht zu vertuschen versuchte, fiel in der Schule auf, dass bei Erna zuhause etwas nicht stimmte. Sie wurde zur Pfarrersfamilie ge«Die einzige Abwechslung bestand darin, dass ab und zu eine Patientin bracht, was aber nicht funktionierte, Erna wollkomplett ausflippte. Das hatte dann aber auch immer etwas Beklemte keine Ersatzfamilie. So kam sie zu einem anmendes und machte häufig Angst.» deren Pfarrer, von wo sie eines Tages von einem Fräulein H. von der Fürsorge abgeholt und nach Ich war damals ja noch ein Schulkind und ich wusste, dass es nicht Bern gefahren wurde, ohne dass sie sich noch von jemandem in ihrem richtig war, mich dorthin zu tun. Nicht dass ich dachte, ich sei gut und Dorf im Kanton Solothurn verabschieden konnte – worunter sie noch landie andern schlecht – aber man muss sich einmal vorstellen, was so etge litt. was für die Entwicklung eines jungen Menschen bedeutet. Für mich Erna wurde in den Heimgarten gebracht, eine «Beobachtungsstation hiess es: Es war gar keine Entwicklung möglich. für junge Frauen». Schon bald haute sie ein erstes Mal ab, kehrte aber beManchmal kann ich heute noch nicht schlafen deswegen, stehe ich reits am Morgen des nächsten Tages zurück, weil sie nicht wusste, wohin nachts auf und drehe meine Runden wie ein Tiger im Käfig. Das kommt sie sonst gehen sollte. In dieser Zeit, mit 15, trank sie auch zum ersten von der damaligen Erfahrung, und das habe ich bis heute nicht weggeMal Alkohol und rauchte ihre erste Zigarette. Bei beidem konnte sie nicht bracht. masshalten. Sie entdeckte schnell, wie ihr der Alkohol half zu vergessen Von der Psychi aus ging ich auch zur Schule ins Dorf hinauf. Irgendund ihre Gefühle vor sich und der Aussenwelt zurückzuhalten. Wenige wann fand jemand heraus, woher ich kam, von da an machten sie sich Monate nach der Einweisung ins Heim brachte man sie zum ersten Mal lustig über mich. Den einen oder andern nahm ich dann an den Ohren – in eine psychiatrische Anstalt. und zur Schule ging ich nicht mehr. Schwester Vreni war eine der Pflegenden. Eine junge Frau mit schwarzem Haar und schönen Beinen. Sie Münsingen trug noch eine Haube. Sie war ohne Gnade und hatte mich auf dem KieAls ich in die Psychi kam, war ich in der achten Klasse, also 15-jähker. Wenn ich nicht recht tat, gab sie mir eine Spritze. Aber es gab auch rig. In der Psychiatrischen Klinik Münsingen durchlief ich verschiedene nette Leute unter dem Personal, Pflegerin M. zum Beispiel, ein Mädchen Abteilungen. Die einzelnen Häuser waren nummeriert, ich wurde in die vom Lande. Manchmal, wenn ich auf der Kurve war, ging ich zu ihren Nummern zwei und fünf gesteckt, aber auch die Nummer sieben, die geEltern. Sie wohnten in Oberwil bei Büren und ich durfte bei ihnen überschlossene «Idioten-Abteilung», wie man sie nannte, lernte ich kennen. nachten. In der Nummer fünf arbeitete ein Dachdecker, also ein Psychiater, der Übrigens: Ich war mehrmals in der Psychi in Münsingen. Auch 1977. mich immer fragte: «Wie geht es?» Einmal sagte ich ihm, jetzt müsse Da wies ich mich selber ein. Ich ging hin und sagte: «Ich möchte gerne dann wirklich bald einmal etwas gehen, die Frage, wie es mir gehe, reihierbleiben. Sonst bringe ich meine Mutter um.» che mir nicht mehr. Aber wenn ich reklamierte, spritzte man mich mit Psychiatrische Klinik Münsingen. Ausser Albträumen hatte ich keine 100 Milligramm Largactil hinunter. Danach schlief ich jeweils, mehrere Träume, keine Perspektiven, nicht einmal den Hauch einer Idee, was aus Stunden lang. Und wenn es bei mir langsam dämmerte, wurde ich gar
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Erna Eugster 1979, als 26-Jährige, ein Jahr nach dem Austritt aus der Psychiatrischen Klinik Münsingen (oben).
Mit ihrem 1975 geborenen Sohn Thomas, den sie auf Druck 1977 zur Adoption freigab (unten).
mir werden könnte. Den ganzen Tag tigerte ich in den Korridoren umher und überlegte, wie es wohl möglich wäre, aus der geschlossenen Anstalt ein weiteres Mal abzuhauen, das war das einzig Kreative den lieben langen Tag lang. Sonst gab es keine Beschäftigung. In den schlaflosen Nächten wartete ich auf den Morgen und dann auf das Mittagessen, um dann den noch trostloseren Nachmittag in Angriff zu nehmen. Mit den meisten Patientinnen konnte ich mich wegen ihrer Krankheit nicht unterhalten. Vielleicht mal mit einer depressiven Frau, wenn sie mal nicht ganz so tief unten war. Die einzige Abwechslung bestand darin, dass ab und zu eine Patientin komplett ausflippte. Das hatte dann aber auch immer etwas Beklemmendes und machte häufig Angst. Nein, ich möchte diese Menschen nicht abwerten, aber wie sollte ich mich in einer solchen Umgebung, in einer solchen Atmosphäre entwickeln können? Ich hatte keine Idee, wie ich dieser Ohnmacht entfliehen könnte, und niemand von diesen Ärzten oder behördlichen Organen half mir, mich als junge Frau zu entwickeln. Wenn ich nicht in einem grossen Schlafraum nächtigte, weil sie mich wieder mal ruhig spritzten, hatte ich eine Einzelzelle. Im grossen Schlafsaal kam alles zusammen: jedes Alter, Verwirrte, Geistesgestörte oder solche, die an Arterienverkalkung erkrankt waren; ich war als noch schulpflichtiges Mädchen mit Abstand die Jüngste. Meine Gedanken kreisten immer um dasselbe: Wie entkomme ich dieser Trostlosigkeit? Ich lernte nicht, auf meinen eigenen Füssen zu stehen. Das Einzige, was ich konnte, war immer und überall davonzulaufen. (…) Ich habe mich wiederholt für eine gewisse Zeit abgesetzt, um dann freiwillig wieder in die jeweilige Institution zurückzukehren, wenn mir die Freiheit draussen zu anstrengend wurde. Sei es, weil ich hungrig oder weil das Wetter ein paar Tage lang zu mies war. Kalchrain Am 16. Dezember 1969 überführten mich zwei Polizisten in die Arbeitserziehungsanstalt Kalchrain in Hüttwilen, Kanton Thurgau. Das ist ein ehemaliges Kloster, entsprechend gross war der Vorplatz. Die Anstalt heisst heute «Massnahmenzentrum für junge Erwachsene». (…) Durch lange Klostergänge wurde ich von zwei Frauen und einem Mann – die Insassinnen nannten ihn «Bär» – in die obere Etage gebracht, ich kam auf die Frauenabteilung. Auf dem Weg dorthin begannen mein Begleiter und die zwei Begleiterinnen, mich an den Haaren zu zerren, zu schlagen und in den Hintern zu treten. Die Korridore kamen mir sehr lang vor. Grosse, schwere Türen wurden auf- und wieder zugeschlossen. Hinten rechts gab’s einen Betschopf, also einen Andachtsraum, geradeaus war der Waschraum mit den langen Waschbecken aus Chromstahl, in jedem Schlafraum standen vier Betten. Rund 100 Männer und maximal 20 Frauen waren damals in Kalchrain eingesperrt. Bald kam es zu einer ersten Begegnung mit Verwalter R. «Eugster», sagte er zu mir, «hier funktioniert es anders, abhauen kannst du gleich vergessen.» Als ich mit «in Ordnung» antwortete, bekam ich von seinen SURPRISE 343/15
Wärtern Schläge. Sie schlugen mich ins Gesicht, traten mich mit den Füssen, trampten auf mir herum. Wahrscheinlich hatte R. meinem Kopf angesehen, dass ich nicht im Sinn hatte, hier länger zu verweilen. Wie früher zuhause wurde ich jetzt also auch hier geschlagen, an den Haaren gezerrt und übel beschimpft. Die Enttäuschung darüber, dass sich für mich nichts geändert oder gar verbessert hatte, war sehr gross. Dies tat mir weh, ich war sehr verletzt und wütend, fühlte mich gedemütigt. (…) Für Vergehen verschiedenster Art gab es verschiedene Strafen, so wurde die ohnehin kleine Wochenration an Zigaretten gekürzt. Bei schlimmeren Dingen wie Fluchtversuchen gab’s Arrest, damit machte ich schon in der ersten Woche Bekanntschaft. Nach dem Frühstück, wir waren gerade mit Stricken beschäftigt, fing die Diensthabende einen Streit mit einer Mitinsassin an. Ich weiss nicht mehr, was der Anlass da-
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zu war, aber er schien mir schon damals zu gering für einen Streit. Dieser gipfelte darin, dass die Wärterin das Mädchen an den Haaren nahm und dessen Kopf auf den Tisch runterknallte, worauf ich sofort aufstand und die Wärterin dazu aufforderte, damit unverzüglich aufzuhören. Sie dachte nicht daran, ich schrie: «Aufhören, sonst knallt’s!» Und wenn ich so etwas sage, dann meine ich es. Sie zwang mich, was ich gesagt hatte, gleich umzusetzen. Ich sprang hin, zerrte sie vom Mädchen weg, packte ihre Hände und klatschte sie über ihrem Kopf an die Wand. In solchen Momenten spürte ich mich nicht mehr. Ich gab ihr zu verstehen, dass der Spass vorbei sei, ansonsten ich durchdrehen würde. Sie schrie wie am Spiess, dann kam sofort Hilfe angerannt, die sie aus der misslichen Lage befreite. Ich wurde weggezerrt, verprügelt und nach oben in die Arrestzelle im Dachstock verlegt. Man teilte mir mit, dass ich dort schmoren würde bis zum Jüngsten Tag. Es begann für mich eine zermürbende Zeit. Die Zelle war klein, und erst am Abend konnte man sich auf eine Matratze legen und mit einer Wolldecke zudecken. Beides wurde am Morgen gleich wieder aus der Zelle entfernt. Während des Tages sass man auf dem nackten Boden. Man konnte sich kaum ablenken, 24 Stunden waren lang. Ich sang und fluchte, erzählte mir selber Geschichten. Zeitweise glaubte ich, gleich durchzudrehen. In einer Ecke stand eine WC-Schüssel. Wollten sie dich zusätzlich schikanieren, stellten sie die warme Luft, also die Heizung ab. Dann wurde es bitter kalt. Am Morgen gab’s Kaffee und Brot, am Mittag Suppe und Brot, und am Abend wiederum Kaffee und Brot. Und da ich keiauf der Abteilung war. Nach dem Abendessen holte die diensthabende nen Kaffee trank, bis ich dreissig war, war die Suppe damals die einzige Wärterin sie ab, um sie in die Verwaltung zu bringen. Flüssigkeit, die ich zu mir nahm. Das war unser Moment. Wir brachen die Türe zur Klosterkirche auf. Bevor man aus der Arrestzelle rauskam, «wieder in den ArbeitsproEin Mitinsasse hatte kurz zuvor die Eisenstange entfernt, die sie innen zess integriert wurde», wie es so schön hiess, musste man sich jeweils verriegelt hatten. Vier von uns zwölf Mädchen rannten auf die Türe los. entschuldigen. Ich fand aber nicht, dass ich mich entschuldigen musste, Diese machte keinen Wank. Joe und ich versuchten es anschliessend. ich hatte sie ja gewarnt. Diese Idioten! (…) Wir nahmen Anlauf, und mit unserer ganzen angestauten Wut hoben Einmal wurde ich dem Hauspsychiater vorgestellt. Ich könne ihm erwir diese Türe aus den Angeln. Es gab einen Riesenknall, es war wie zählen, wo der Schuh drückt, sagte er, und das tat ich dann auch. Uneine kleine Explosion. Plötzlich standen wir in der Kirche, die gerade reter anderem klagte ich über die Tage im Arrest und wie es dazu kam. Als noviert wurde. Ein Fenster war mit Brettern verschlossen. Dieses öffnedie Zeit um war, glaubte ich einen Verbündeten zu haben, dem ich alles erzählen könnte. Weit gefehlt: Er erzählte der Anstaltsleitung alles brühwarm – und das, ob«Ausser Albträumen hatte ich keine Träume, keine Perspektiven, nicht schon er unter Schweigepflicht stand! Als Foleinmal den Hauch einer Idee, was aus mir werden könnte.» ge davon holten sie mich später und schlugen mich einmal mehr zusammen. Die Zigarettenten wir. Wir standen auf dem Fensterbrett im ersten Stock, barfuss, und ration wurde gestrichen, und sie hatten mich noch mehr auf dem Kiewir mussten in eine Veloeinfahrt hinunterspringen. Viele hatten Angst, ker. In meiner Verzweiflung schrieb ich meiner Fürsorgerin einen Brief. wollten nicht, einige blieben unten liegen, ich musste darüberspringen. Die einzigen Briefe, die verschlossen weggeschickt werden konnten, waÜber die Hauptstrasse flüchteten wir in den nahen Wald. Erst später ren eben diejenigen an amtliche Personen und Ämter. So schrieb ich ihr merkten wir, dass zwei der Mädchen das Bein gebrochen hatten. Alle den ganzen Kummer, verschloss das Couvert und gab dieses zum Wegwaren aufgeboten, um uns zu suchen: Polizisten mit Hunden, Bauern senden einer Angestellten. Der Tag war noch nicht zu Ende, da holten mit Traktoren, Wärter und ihre Angehörigen. Es war September, es wursie mich wieder ab und wieder setzte es Hiebe und Schläge ab, sie hielde früh dunkel und kalt, barfuss warteten wir auf einer Wiese, und es ten sich nicht an die Gesetze, die uns die Möglichkeit geben sollten, uns herrschte grosse Aufregung. Mitten in der Nacht trennten sich vier Mädan Ämter zu wenden. Es war sehr frustrierend, denn es gab keine Auschen von unserer Zwölfergruppe. Die Verletzten blieben zurück und sicht auf Hilfe. wurden wenig später aufgegriffen. Joe und ich durchquerten einen Fluss. Irgendwann kamen wir in die Wohnung eines Bekannten von ihr. Dort Der Ausbruch blieben wir zwei oder drei Tage. Ich hatte nachts Albträume, realisierte, Eines Tages erschien eine neue Wärterin, Z. Sie hatte kurze Haare dass wir beim Sprung auch den Rücken hätten brechen können. (…) und trug eine massive Hornbrille im Gesicht. Sie folterte uns, indem sie Joe wurde sehr krank. Es war ein Blick-Reporter, der einen Arzt komuns im Waschraum nackt stehen und frieren liess. Sie schaute uns auch men liess und diesen dann auch bezahlte. Am fünften Tag waren wir in durchdringend an, wie wir da so standen und warteten – sehr sadisZürich. Mit dem Tram fuhren wir Richtung Triemli, Joe stieg aus, und tisch. Solche Bilder werde ich bis heute nicht mehr los. (…) ich sah gerade noch, wie sie verhaftet wurde. Ich ging ins Altersheim, Auch in Kalchrain dachte ich von Anfang an an Ausbruch. Eines Tawo die kleine Margrit inzwischen arbeitete. Sie war regulär entlassen ges war es so weit. Sie wollten eine von uns Frauen zwangssterilisieren. worden. Und sie verpetzte mich. Die Polizei holte mich ab und brachte Da sagte ich zu meinen Mitinsassinnen: «Heute nach dem Abendessen mich auf den Posten in Hüttwilen. Ich bettelte, dass ich da die Nacht gehen wir.» Solche Dinge entschied ich nach Bauchgefühl. Eine von uns verbringen dürfe, um durchatmen zu können. Doch noch in derselben Frauen, E., war zum Putzen in der Verwaltung eingeteilt. Sie pflegte die Nacht, sehr spät, kam ich zurück in den Bau. Die Enttäuschung über die andern zu verpetzen, deshalb sprachen wir nie über Flucht, wenn sie
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Erna Eugster mit ihrem Enkel im August 2012 (links).
An einem Gedenkanlass für die Opfer administrativer Versorgung 1013 im Berner Kulturcasino mit Bundesrätin Simonetta Sommaruga – Erna Eugster konnte mit den gut gemeinten Worten im prunkvollen Saal nichts anfangen (rechts).
Kollegin, die mich verpetzt hatte, war gren«Im Zug nach Bern reichte mir einer der Schroter die Hand und gratuzenlos. Und ich wusste, dass jetzt wieder das lierte mir zu meinem Ausbruch. Auch die Polizei wusste schon lange um «Leben B» beginnen würde. die Missstände in der Anstalt.» Im Büro des Verwalters gab’s auf den Ranzen, seine Frau war dabei und schaute zu. Wärterin W. riss mich an den Haaren. Ich kam wieder in die Arrestzelzurück, sie litt in der Folge unter starken gesundheitlichen Problemen. In le – und lange nicht mehr raus. Sie stellten mir die warme Luft ab, wähdieser Zeit beschliesst sie, zusammen mit dem Berner Journalisten Darend draussen Schnee lag. Es gab keine Schonung mehr, beidseitig niel Lüthi ein Buch über das Erlebte zu verfassen. Wie sie im Gespräch nicht. Am 25. September verlangte Kalchrain meine unverzügliche Ummit der freien Journalistin und Surprise-Autorin Isabel Mosimann sagplatzierung. Hindelbank, unbestimmte Zeit, lautete der Beschluss. «Sate, ging es ihr dabei nicht nur um die Verarbeitung ihrer eigenen Verge deinem Berufskollegen dort, dass ich ihn totschlagen werde», sagte gangenheit, sondern darum, dass die Schweiz die Geschichte der admiich zu Direktor R. nistrativ Versorgten – alleine in Bern sind es 2700 Betroffene – ebenso Im Zug nach Bern reichte mir einer der Schroter die Hand und grawie die der Verding- und Heimkinder, der Opfer von Zwangssterilisatiotulierte mir zu meinem Ausbruch. Auch die Polizei wusste schon lange nen, Zwangsadoptionen und Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassum die Missstände in der Anstalt. nahmen aufarbeitet. Dies nicht in erster Linie wegen den DirektbetrofAm 30. September 1970 kam ich erneut ins Amthaus Bern. Dort befenen, sondern vor allem, damit sich die Geschichte nicht wiederholt. suchte mich Doktor S. von der Jugendanwaltschaft Burgdorf. Ich war ja Die offizielle Entschuldigung von Seiten des Bundesrats sei ein Anfang, noch nicht 18, und er wollte mich zu einer Unterschrift zwingen, mit der es müssten aber alle Beteiligten, von den Gemeinden über die Heime bis ich mein Einverständnis für eine Verlegung nach Hindelbank gegeben zur Kirche und zum Bauernverband das angerichtete Unheil anerkenhätte. «Diese Unterschrift kannst du dir unter die Vorhaut schieben», nen. Dazu müssten die Betroffenen finanziell entschädigt werden – sagte ich, «mir gefällt es hier.» Vom Hörensagen wusste ich, wie grässwie ihr blieb es vielen verwehrt, in ihrer Jugend einen Berufsabschluss lich das Frauengefängnis Hindelbank sein musste. zu machen. (fer) ■ Nach einem Herzanfall kam ich einmal mehr ins Inselspital, wo ich in einem Gitterbett eingesperrt war. Mit dem dortigen Arzt, einem verErna Eugster lebt heute mit ihrem Mann in Bern. nünftigen Menschen, machte ich einen Deal: «Nehmen Sie bitte die Gitter weg und ich verspreche Ihnen, dass ich nicht türme, ich gehe nur kurz in die Stadt und komme rechtzeitig wieder zurück.» Gesagt, getan. Ich hatte da meine ganz eigene Ethik. Wenn ich mein Ehrenwort gab, Bücher zu gewinnen dann hielt ich mich daran. Wir verlosen drei Exemplare des Buchs Danach kam ich nicht, wie angedroht, nach Hindelbank. Sondern ich «Dreckloch. Heim, Anstalt, Klinik – adminiskam frei. Fräulein F., eine ältere, sehr verständige Fürsorgerin, hatte sich rativ versorgt» von Erna Eugster, Edition für mich stark gemacht. Xanthippe 2014. Schicken Sie bis zum 5. Februar ein Mail mit Am 6. Januar 1978, mit 26 Jahren, tritt Erna Eugster aus der Psychidem Betreff «Wettbewerb Erna Eugster» an atrischen Klinik Münsingen aus, es ist das Ende ihrer Heim- und redaktion@strassenmagazin.ch Anstaltsaufenthalte. Noch heute leidet sie unter den Folgen der MissAm Donnerstag, 5. März, 19.30 Uhr, findet handlungen in ihrer Kindheit und Jugend. Der Besuch einer Ausstellung im Buchladen «Einfach lesen» in Bern ein Geüber Verdingkinder 2011 brachte Erinnerungen an ihre Vergangenheit sprächsabend mit Erna Eugster statt. SURPRISE 343/15
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BILD: GUIDO SÜESS
Wörter von Pörtner Fremd betreut Die Fremdbetreuung von Kindern ist ein immer wieder emotional diskutiertes Thema. Dabei geht es stets um Kinderkrippen. Eine andere Form der Fremdbetreuung hingegen wird höchst selten erwähnt: die Nannys. Wer sich schon wunderte, warum die jungen lateinamerikanischen Frauen auf dem Spielplatz drei blonde Kinder haben, hat irgendwann einmal gemerkt, dass es sich bei diesen Frauen um Nannys handelt. Früher hiessen Nannys Kindermädchen und waren vor allem in der Oberschicht verbreitet, wo man allzu engen Kontakt mit dem Nachwuchs für schädlich hielt und ihn darum auf ein Minimum beschränkte. Die Kindermädchen oder Gouvernanten waren gebildet, blieben oft lange im gleichen Haushalt und waren beinahe so etwas wie Familienmitglieder. Diese Tradition besteht immer noch, und es gibt gutbezahlte Nannys aus Eng-
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land oder China, die die Kleinen auf ihre Rolle als zukünftige Weltenlenker vorbereiten. Wer Spielplätze besucht, trifft eine andere Art von Nannys. Wenn man mit ihnen ins Gespräch kommt, erfährt man, dass sie oft unter prekären Bedingungen leben. Viele sind schwarz angestellt und bekommen pro Monat weniger, als das Moncler-Jäckchen des Kindes gekostet hat. Sie schlafen im Kinderzimmer und essen, was am Tisch übrig bleibt. Kündigungsschutz gibt es keinen, manchmal sind sie von einem Tag auf den anderen verschwunden, das Kind taucht mit einer neuen Nanny auf. Sie sind günstiger als ein nicht-subventionierter Krippenplatz, ab zwei Kindern rechnet sich diese Form der Fremdbetreuung besonders. Während Kinderkrippen eine fast nicht zu bewältigende Reihe von Auflagen erfüllen müssen, sind diese Nannys vollkommen unkontrolliert, weil es sie offiziell gar nicht gibt. Sie werden auch von jenen Eltern angestellt, die betonen, dass es für sie überhaupt kein Problem ist, Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen und die Fremdbetreuung, also Krippen, darum ablehnen oder gar für schädlich halten. Die Nanny übernimmt die Betreuung, das Kochen und Waschen, die Eltern widmen ihren Kindern ein paar Stunden Quality Time, das muss genügen. Die Kinder wachsen von wechselnden Nannys betreut auf, und ab dem Alter von etwa vier Jahren wissen sie dann
auch, dass die Nanny eine Angestellte ist, und behandeln sie entsprechend. Zu sagen hat sie ihnen wenig bis gar nichts. Diese Kinder zeichnen sich häufig dadurch aus, dass sie möglichst viel Spielgerät als ihr Eigentum bezeichnen und anderen deren Benutzung verbieten. Nicht dass sie selber damit spielen wollen, das Verbieten und Befehlen ist ihr liebstes Spiel. Die Welt ist von früh an in Gleichgestellte und Untergebene eingeteilt, man ist streng materialistisch und vollkommen frei von Empathie. Das ist für das eigene Vorankommen wahrscheinlich ein Vorteil – ob es dem Vorankommen der Gesellschaft dient, ist eine andere Frage. Die Auswirkungen der Fremdbetreuung durch Nannys sind kaum erforscht, während Krippenkinder bestens durchleuchtet sind. Bei Diskussionen über Fremdbetreuung, bei denen die Nannys nicht erwähnt werden, geht es nicht um Familienwerte oder ums Kinderwohl, sondern um die Kosten.
STEPHAN PÖRTNER (STPOERTNER@LYCOS.COM) ILLUSTRATION: SARAH WEISHAUPT (SAVVE@VTXMAIL.CH) SURPRISE 343/15
Father John Misty Ein Blitz und der kosmische Witz BILD: MUSIKVERTRIEB
Früher passte Joshua Tillman ganz ins Klischee des traurig-tiefsinnigen Troubadours. Aber die Muse küsste ihn erst, als er sich in die schrille Kunstfigur Father John Misty verwandelte. VON HANSPETER KÜNZLER
Gross gewachsen, wildes Haar, Bart, eindringlicher Blick – auf den ersten Blick passt Joshua Tillman perfekt ins Bild eines singenden Songschreibers, der in fein zisellierten Molltönen über den Sinn des Lebens sinniert. Dass dieser Mantel indes nicht so recht passt, bekamen die amerikanischen TV-Zuschauer zu spüren, als Tillman in der «Verkleidung» von Father John Misty als singender Gast in der Talkshow von David Letterman auftrat. Derweil hinten das Orchester mit gehobenen Bögen auf seinen Einsatz wartete, setzte er mit Pokermiene zur ersten Zeile seines neuesten Liedes an: «How many people rise and say/My brain is so awfully glad to be here for yet another mindless day …» («Wie viele Leute stehen auf und sagen: Mein Gehirn ist so wahnsinnig erfreut darüber, hier zu sein für einen weiteren geistlosen Tag …»). Nach der Hälfte des Liedes stieg er hinter seinem Flügel hervor, kletterte bedächtig aufs Instrument hinauf, legte sich hin und sang den Refrain: «Just a little bored in the USA». Das Lied, bei dessen Titel – eben: «Bored in the USA» – man sogleich an Bruce Springsteen («Born in the USA») oder The Clash («Bored with the USA») denkt, ist eine bitterböse Satire auf den Konsumwahn. «Es geht um den zum Scheitern verurteilten Versuch in weiten Teilen der westlichen Welt, die Beschäftigung mit unserem Leben in ein Konsumerlebnis zu verwandeln», sagt Tillman, als wir uns einige Wochen nach der Sendung zum Gespräch in einer Londoner Bar treffen. «Als Gegenmittel zum Gefühl, dass einem im Leben etwas fehle, stürzt man sich in den Konsum und verinnerlicht seine Entscheidungen als Konsument in der Hoffnung, auf diese Weise eine Art konstantes Vergnügen herstellen zu können. Ähnlich verhalten wir uns oft auch in unseren engsten Beziehungen.» Um unser Verhalten in Beziehungen dreht sich das ganze neue Album von Joshua Tillman, sein zweites unter dem Pseudonym Father John Misty. Es heisst «I Love You, Honeybear». Als Ausgangspunkt nimmt er hier seine Beziehung zu seiner Ehefrau Emma, steigert dabei aber alle Aspekte – besonders seinen Grössenwahn als eine Art allmächtiger Casanova – ins Absurde. Vor allem aber verpackt er die schillernden, oft sehr lustigen und vexierbildhaften Texte in ein buntes musikalisches Gewand, das vom üppigen orchestralen Pop (das Titelstück) über verzerrte Elektro-Balladen («True Affection») und ironiegetränkten Country-Rock («Nothing Good Ever Happens at the Goddamn Thirsty Crow») bis hin zum beschwingten Glam-Rock («The Ideal Husband») reicht. Joshua Tillman wuchs in einer tief religiösen Familie in einem Vorort von Washington DC auf. «Ich rede nicht gern darüber», sagt er. «Nur so viel: Ich fühlte mich verdammt. Ich war sehr nervös, fast manisch.» Gefördert vom Berufsgenossen Damien Jurado, fand er in der Musik seine Befreiung. Aber bei den sechs, sieben Alben, die er als archetypischer Troubadour unter dem Namen J. Tillman veröffentlichte, habe er sich etwas vorgemacht: «Meine Musik war im Narzissmus begründet. Ich hatte wenig Selbstbewusstsein, nur einen Ozean von Selbstmitleid.» Um dem frustrierenden Dasein eines Singer/Songwriters zu entweichen, der SURPRISE 343/15
«Meine Musik ist im Narzissmus begründet», erkannte Joshua Tillman. Und wurde zu Father John Misty.
seinen Lebensunterhalt auf dem Bau verdienen musste, verdingte sich Tillman als Schlagzeuger bei den Fleet Foxes, die mit ihren vielstimmigen Harmoniegesängen gerade die Welt eroberten. Es war einfach ein Job und dennoch auch ein Schritt Richtung Metamorphose zum «Father John Misty». Es sei wie eine Erleuchtung gewesen: «Manchmal gelingt es mir, klar zu formulieren, was mir damals geschah, manchmal nicht. Was ich auf jeden Fall mit völliger Klarheit sagen kann, ist dies: Ich sass nackt auf einem Baum.» Ob er sich dabei plötzlich etwas lächerlich vorgekommen sei, frage ich. «Ja, genau – absolut, so war’s. Wie ein Blitz ereilte mich einen Moment lang die Einsicht, dass ich den kosmischen Witz verstanden hatte. Das erlöste mich von all den Dünkeln, die mich vorher glauben liessen, dass ich Musik machen müsste. Ich erkannte, dass ich spielen durfte.» Wenig später schrieb er den Roman, der dem ersten Father-John-Misty-Album «Fear Fun» beigelegt ist. «Dort liess ich die Zügel laufen, und es begann eine Selbst-Mythologisierung, in welcher mehr Ehrlichkeit und Erkenntnis steckte als in allem, was ich vorher getan hatte. Und auf einmal klangen auch meine Lieder ganz anders.» ■ Father John Misty: «I Love You, Honeybear» (Bella Union/MV)
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BILD: CINÉMATHÈQUE SUISSE
BILD: ZVG
Kultur
Hier herrscht ja fast Partystimmung.
Diese Frau will nicht nur herumsitzen: Cardinale in «C’era una volta il West».
Buch Best-of-Bestattungen
Kino Prostituierte und Prinzessin
«Begräbnisse zum Totlachen» listet schräge und makaber-komische Rituale rund um die letzte Ruhestätte auf.
Das Stadtkino Basel feiert Claudia Cardinale mit einer Hommage. Im Februar schaut die 76-jährige Diva gar höchstpersönlich vorbei.
VON CHRISTOPHER ZIMMER
VON MICHAEL GASSER
«Sie werden sterben.» Mit dieser unverblümten Feststellung beginnt die amerikanische Autorin Kathy Benjamin, die für populäre Humor-Websites schreibt, ihr makabres Kompendium über ein düsteres Thema. Denn dem Hinscheiden folgt die Notwendigkeit, den Körper zu entsorgen, egal wie. Wobei es vielen eben nicht egal ist, und damit fängt es erst richtig an, wenn’s doch grade aufgehört hat. Schliesslich gibt es zu den üblichen, eher langweiligen 08/15-Bestattungen ja Alternativen. Der Fantasie und Verschrobenheit sind da keine Grenzen gesetzt. Und so versammelt die Autorin rund 100 «schräge, unheimliche und teilweise eklige Formen». Dabei nimmt sie kein Blatt vor den Mund, ihr Stil ist reichlich salopp, zuweilen kalauernd, alles andere als politisch korrekt, mit dem erklärten Ziel, das Thema einmal von der unterhaltsamen Seite anzugehen. Zugegeben, das Resultat ist nichts für frisch Trauernde, aber auf eine schräge Art eben doch amüsant. Da tummeln sich Grabräuber aus Leidenschaft und Leichenschmaus-Schmarotzer neben geprellten Erben und Klageweibern. Wir lesen von Familienfotos mit Verblichenen, von Selbstmumifizierung und Begräbnis-Kannibalismus, von postmortalen Eheschliessungen (gibt’s selbst in Frankreich) und Bestattungs-Stripperinnen (Taiwan) bis hin zu Song-Favoriten am Grab – da liegen Queen an der Spitze, etwa mit «The Show Must Go On» oder «Another One Bites the Dust». Und natürlich gibt’s jede Menge Superlative, wie die grössten, lustigsten oder luxuriösesten Friedhöfe, die schnellsten Leichenwagen, die kleinsten und grössten Grabsteine oder die ausgefallensten Inschriften. Generell gilt, es gibt nichts, was es nicht gibt: Öko-Särge, virtuelle Begräbnisse im Internet, Asche in Silvesterraketen oder als Diamant, Energiegewinnung durch Kremation, XXL-Särge für Fettleibige, Begräbnisse als Streaming mit On-Demand-Option oder E-Tombs mit Bluetooth. Dieses Lexikon der Exit-Exesse ist vielleicht nicht jedermanns Geschmack, wobei … wer will bei diesem Thema schon auf den Geschmack kommen.
Bis heute hat Claudia Cardinale in über 150 Filmen mitgewirkt. Alleine im letzten Jahr fügte sie ihrer Filmografie drei neue Werke hinzu. Und: Nebst Sophia Loren und Gina Lollobrigida gilt sie seit den Sechzigerjahren als eine der grosse Diven des italienischen Kinos. «Claudia Cardinale verfügt über eine unglaubliche Ausstrahlung. Es ist eine Kombination aus absoluter Präsenz, Fragilität und Sinnlichkeit», erklärt die Direktorin des Stadtkinos Basel, Nicole Reinhard. Kommt hinzu, dass sich die als mediterrane Schönheit gefeierte Schauspielerin unter so bedeutenden Regisseuren wie Luchino Visconti, Federico Fellini oder Werner Herzog beweisen konnte. Mehr als genug gute Gründe für das Stadtkino, sich eingehender mit dem Œuvre der 76-Jährigen zu beschäftigen. «Eine Retrospektive hätte den uns möglichen Rahmen gesprengt», erklärt Reinhard die Tatsache, dass sich das Haus auf «die schönsten Rollen der ersten Leinwanddekade» Cardinales beschränkt. Zu sehen ist sie etwa in Klassikern wie «Il Gattopardo», «The Pink Panther» oder «8½ (Otto e mezzo)», aber auch in vergleichsweise unbekannten Frühwerken wie «La ragazza con la valigia». Dass Cardinale höchstpersönlich für einen – vom Filmwissenschaftler Till Brockmann moderierten – Abend in Basel vorbeischaut, ist guten Kontakten, einem überzeugenden Brief, alten Fotos und nicht zuletzt glücklicher Fügung zu verdanken, glaubt Reinhard. Gegenüber dem deutschen Tagesspiegel beklagte sich Cardinale im vergangenen September darüber, dass das Filmemachen heute kein Abenteuer, sondern nur noch Geschäft sei. «Früher gab es für Frauen grossartige Rollen, heute sind wir bloss einer von vielen Spezialeffekten.» Dennoch denkt sie nicht ans Aufhören. Zu sehr hasse sie das Herumsitzen und zu sehr liebe sie die Schauspielerei. «Ich geniesse es, vor der Kamera so viele verschiedene Leben durchleben zu können: von der Prostituierten bis zur Prinzessin.» Und genau diese darstellerische Wandelbarkeit steht auch im Mittelpunkt der Hommage des Stadtkinos.
Kathy Benjamin: Begräbnisse zum Totlachen. Die durchgeknalltesten
findet am Freitag, 20. Februar um 19 Uhr statt. www.stadtkino.ch
«Claudia Cardinale – Die Heilige und die Hure»: Filmreihe im Stadtkino Basel, bis 28. Februar. Der von Till Brockmann moderierte Abend mit Claudia Cardinale
Bestattungen aller Zeiten. Tropen Verlag 2014. 27.90 CHF
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© MUSEUM RIETBERG BILD:
Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.
Mit 17 schon vom Beruf der Teezeremonienmeisterin geträumt: Soyu Mukai.
Teezeremonie Ein Schluck auf den Valentinstag Am Valentinstag können Paare bei einer traditionellen japanischen Teezeremonie im Zürcher Museum Rietberg ihre Beziehung stilvoll feiern. VON MONIKA BETTSCHEN
Das Teezimmer «Isshin-an» in der Remise des Zürcher Museums Rietberg ist erfüllt von Stille und einer zeitlosen Schlichtheit. Es umfängt seine Ankömmlinge wie ein schützender Kokon. Behagliche Wärme aus der Feuerstelle und der mit Tatamimatten ausgelegte Boden verstärken dieses Gefühl von Geborgenheit. In diesem 2006 fertiggestellten authentischen Kleinod empfängt Teezeremonienmeisterin Soyu Mukai ihre Gäste und weiht sie in die Geheimnisse der japanischen Teekultur ein. Cha-Do, der Weg des Tees, wie die Teezeremonie korrekt heisst, hat ihre Wurzeln im Zen-Buddhismus. Im 16. Jahrhundert entwickelte der Teemeister Sen Rikyû die Zubereitung des Matcha-Tees zu einer eigenen Kunstform weiter. Die Grundlagen bilden die vier Prinzipien Wa (Harmonie), Kei (Achtung und Ehrerbietung), Sei (Reinheit) und Jaku (Ruhe und Friede). Hinter jedem Bewegungsablauf eines Teemeisters steckt ein jahrelanges Studium. «Meine Ausbildung hat 17 Jahre gedauert. Schon als junges Mädchen träumte ich davon, diesen Beruf ausüben zu dürfen, doch die Ausbildung zum Meister ist frühestens ab dem dreissigsten Lebensjahr möglich, da man erst dann über die nötige geistige Reife verfügt», erzählt Soyu Mukai, die heute selber unterrichtet. Am Wochenende des Valentinstags bietet Mukai jeweils sechs Paaren pro Zeremonie unter dem Aspekt der Liebe ein spezielles Ritual. «Am 14. Februar möchte ich mit meinen Gästen die Liebe feiern. Während 90 Minuten wird der Fokus auf die Einzigartigkeit ihrer Beziehungen gerichtet. Die Essenz und die Prinzipien der Zeremonie werden sie in ihren Alltag als Paar mitnehmen», beschreibt Mukai. Neben dem Valentinstag bietet die Teemeisterin im Museum an jedem ersten und dritten Sonntag pro Monat eine klassische Teezeremonie an. «Um sich ganz dieser Atmosphäre öffnen zu können, werden Schuhe und persönliche Gegenstände vor der Zeremonie in einem Vorraum zurückgelassen, auch das Handy», sagt Mukai. Die Teemeisterin ist jedes Mal fasziniert von der Verwandlung, die sich während einer Zeremonie in ihren Gästen vollzieht. «Es ist eine Gelöstheit auf den Gesichtern ablesbar, das erfüllt mich mit Freude.»
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Ko Schule für Shiatsu GmbH, Zürich
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Schweizerisches Tropen- und Public HealthInstitut, Basel
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Lions Club Zürich-Seefeld, Zürich
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Klinik Sonnenhalde AG, Riehen
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Privat-Pflege und Betreuung, Oetwil am See
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Praxis Colibri-Murten, Murten
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Schumann & Partner AG
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Bruno Jakob Organisations-Beratung, Pfäffikon
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VXL Gestaltung und Werbung AG, Binningen
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Hofstetter Holding AG, Bern
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Projectway GmbH, Köniz
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OfficeWest AG, Baden
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Scherrer & Partner GmbH, Basel
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ArchitekturPlus, Zürich
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Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich
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FC Basel 1883 U19 Team UEFA Youth League
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Homegate AG, Zürich
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GELD & SO MADLEN BLÖSCH, Basel
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LS Real GmbH, Zürich
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Echtzeit Verlag, Basel
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HERVORRAGEND.ch, Kaufdorf
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Inter-Translations SA, Bern
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Schluep Degen Rechtsanwälte, Bern
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Hürzeler AG Regensdorf, klimaneutrale
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Druckerei, Regensdorf
Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.
Angebot für Paare: Japanische Teezeremonie zum Valentinstag, Museum Rietberg, Gablerstrasse 15, Zürich. Anmeldungen unter: www.rietberg.ch/de-ch/events/2015/2/teezeremonie-valentinstag-142-(1).aspx SURPRISE 343/15
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© LUKAS BEYELER
Ausgehtipps
«You betta cry»: Trifft die Sache vermutlich.
Zürich Beyoncé nachtanzen Es gibt Leute, die hoppeln im Gleichschritt mit den anderen über die Tanzfläche, um einfach dazuzugehören. Andere tanzen Tag für Tag nach jemandes Pfeife, und ganz viele versuchen, sich mithilfe von Online-Tutorials eine Beyoncé-Choreografie anzueignen. Alexandra Bachzetsis’ Produktion «From A to B via C» folgt dem Verlauf von solchen Instruktionsschritten, die unserem Wunsch nachkommen, auch dazuzugehören. Zu kommunizieren. Unsere eigene Identität einzubringen. Bachzetsis Arbeiten bewegen sich an den Grenzen von Tanz, Theater und bildender Kunst: Diego Velázquez’ berühmte Interpretation der «Venus vor dem Spiegel» sowie dessen fotografische Bearbeitung durch Helmut Newton markieren als Bild der Vollkommenheit das Zentrum der Performance. Etwas schriller als Velázquez ist «You betta cry» von Nils Amadeus Lange und Teresa Vittucci. Beide kommen aus der Performance-Ecke, und über Lange steht im Pressetext: «Nils Amadeus Lange (*1989, Köln) lebt in Zürich und arbeitet als Künstler und Pornostar und ist Sektengründer.» Könnte abgefahren werden, aber erfahren tun wir bislang nur dies: «Sie werden vielleicht 3 Opfer erkennen. Da ist etwas, an das Sie sich gut erinnern. Ist das ein Zitat? Ist das etwa nur die Vorbereitung eines Tanzes, der die Welt veränderte? Oh mein Gott! Sie ist nackt, stimmt’s?» Und vieles mehr an den Swiss Contemporary Dance Days, auch Gepflegtes und Lyrisches nach einem Streichsextett von Arnold Schönberg. (dif) Swiss Contemporary Dance Days 2015, Do, 19. bis So, 22. Feb., verschiedene Spielstätten in Zürich, Festivalzentrum Gessnerallee, Stall 6. swissdancedays.ch
Der «Atlas des migrants» vermisst das Drama.
Was war zuerst: Rechtspopulismus oder Migration?
Zürich Lampedusa am See
Zürich Zukunft statt Herkunft
Geschichten, Begegnungen, Erlebnisse, Migrationsströme, Kulturen des Mittelmeeres: Auf diesen kleinsten Nenner bringen die Gründerinnen und Organisatoren des «LampedusaInFestival» ihren Anlass. Der findet seit 2009 jährlich auf der kleinen Insel vor Sizilien statt, die eine Hauptrolle im grossen Drama der Migration von Süden nach Norden spielt. Als Satellit davon führen die Autonome Schule, der Verein Connact und die Rote Fabrik das Lampedusa Festival in Zürich durch. Während vier Tagen macht es Teile von «LampedusaInFestival» dem Zürcher Publikum zugänglich und stellt dem Mainstream-Diskurs über Migration die Vielfalt künstlerischen Ausdrucks entgegen. Es versteht sich als Stätte des Austauschs und bringt Lampedusa als Ort zu uns, der beispielhaft diesen historischen Moment verkörpert, in dem wir uns die Frage nach dem Zusammenleben über die Grenzen von Identitäten und kulturellen Traditionen hinweg stellen müssen. Im Zentrum des ursprünglichen Festivals auf Lampedusa steht ein Filmwettbewerb, und Filme gibt es auch in Zürich zu sehen, etwa die Dokumentationen «Les Messagers» und «The Land Between», die die Migration über die spanische Exklave Melilla thematisieren. Daneben finden Diskussionen, Workshops, Ausstellungen und eine Theateraufführung statt. Zu sehen sind zum Beispiel Karten aus dem «Atlas des migrants en Europe», der Grenzschutzanlagen und Haftzentren in und um Europa dokumentiert. Und auch das Positive hat Platz: Ein Aktivist der Autonomen Schule plant seine Rückkehr nach Senegal und erzählt, wie er in seiner Heimat mit einem ökologischen Fischzuchtprojekt Arbeitsplätze schaffen will. Davor diskutieren Migranten und Aktivisten die Möglichkeiten und Grenzen migrantischer Selbstorganisation auf den Gemüseplantagen im apulischen San Severo. Alle Veranstaltungen sind gratis, es wird eine Kollekte durchgeführt. (ami)
Das gute alte Jahr 2014 haben wir im allgemeinen Konsens zum Annus horribilis abgestempelt. 2015 kann also nur besser werden, so die öffentlich geäusserte kollektive Hoffnung. Oder etwa nicht? Klar ist: Mit weniger Baustellen wird die Menschheit auch heuer nicht konfrontiert sein. Und um die wichtigsten zu verstehen, eignet sich die kleine, aber äusserst feine Vortragsreihe, welche die Wochenzeitung WOZ und die Autonome Schule Zürich auf die Beine gestellt haben und die noch bis Ende März läuft. Am 12. Februar etwa unterhalten sich der Historiker Damir Skenderovic und WOZ-Redaktor Kaspar Surber zum Thema «Migration und Rechtspopulismus im 21. Jahrhundert». Sie stellen eine «Entrechtung der Menschen ohne Schweizer Pass» fest und gehen auf dieser Grundlage den neusten Transformationen von Rechtspopulismus und Migrationspolitik nach. Dabei werfen sie auch die Frage auf, ob sie ursächlich miteinander zu tun haben: Verhindert der Rechtspopulismus eine migrantische Gesellschaft oder ist er vielmehr Ausdruck davon, dass diese gerade am Entstehen ist? (ami) «Migration und Rechtspopulismus im 21. Jahrhundert», Do, 12. Feb., 20 Uhr, Autonome Schule Zürich, Bachmattstrasse 59, Zürich. Weitere Veranstaltungen: dieweltamdonnerstag.tumblr.com
Lampedusa Festival, Do, 12. bis So, 15. Februar, Clubraum, Rote Fabrik, Zürich. rotefabrik.ch bildung-fuer-alle.ch
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BILD: ZVG
© HEK (RYOJI IKEDA) BILD: FRANZ WAMHOF
Das HeK lässt Sie im digitalen Regen stehen.
Bei Tom und Pia hängt der Segen schief.
Basel Binäre Kunst
Bern Theater bei Tom und Pia
Das digitale Zeitalter hat ja an sich schon etwas recht Hypnotisches, wenn man sich Daten und binäre Codes ansieht: Man muss nur an die grünen Datenkolonnen denken, die im Film «The Matrix» über die Leinwand fliessen – an den «Digital Rain». Ryoji Ikeda, einer der führenden Künstler und Komponisten im Bereich der elektronischen Kunst und Musik, beschäftigt sich in seinen Werken mit den Grundbausteinen der Informationsgesellschaft. Die Datenflut wird bei ihm zu audiovisuellen Installationen. Das unsichtbare Netzwerk, das unsere Welt bestimmt, wird auf diese Art anschaulich und körperlich erfahrbar. Bei Ikeda kann man in Datenströmen baden gehen und in den Fluss elektronischer Impulse eintauchen. Für Informatiker muss das ein Gefühl sein wie Dagobert Duck im Taler-Bad, aber auch für den durchschnittlichen Besucher ist es interessant, abstrakte Rechenprozesse als Kunst zu erleben. (dif)
Früher, als alles besser war, waren auch in der Theaterwelt die Rollen klar verteilt: Als Zuschauer kaufte man ein Billett, bekam den Platz angewiesen und wartete, bis der Vorhang hochging und auf der Bühne die Schauspieler erschienen. Heute sitzt man einmal mit auf der Bühne, dann verfolgt man die Schauspieler über Strassen und Brücken, dann wieder sitzt man mit ihnen im Linienbus. Letztere zwei Erfahrungen waren dem Schlachthaus Theater zu verdanken und das mit dem Verdanken ist nicht etwa ironisch gemeint: So ist man unmittelbar dran am Geschehen, auf Tuchfühlung mit den Schauspielern und läuft dazu auch keine Gefahr, auf einem weichen Plüschsessel im dunklen Saal wegzunicken. Das Stück «Draussen die Stadt», eine Luzerner Produktion, wird nun dort aufgeführt, wo sich die Schauspieler normalerweise vor und nach dem Stück aufhalten, nämlich in den Theaterwohnungen des Schlachthauses, oberhalb des Theatersaals. Dort befindet man sich in der guten Stube von Pia und Tom, einem Paar, in deren glückliche Beziehung sich plötzlich die Angst eingeschlichen hat. Wenn Sie sich dabei als Voyeur vorkommen werden, ist das vielleicht nicht einmal ganz verkehrt. Aber bitte: Sie sind explizit dazu eingeladen. (fer)
«Ryoji Ikeda», noch bis 29. März, Haus der elektronischen Künste Basel HeK, Freilager-Platz 9 (Dreispitz), Münchenstein/Basel, geöffnet Mi, Fr, Sa, So 12 bis 18 h, Do 12 bis 20 Uhr, Happy Hour: Mi bis Fr 12 bis 13 Uhr freier Eintritt in die Ausstellung, öffentliche Führungen: Do 19 Uhr und So 15 Uhr. www.hek.ch
«Draussen die Stadt» Ein Kammerspiel von Patric Gehrig und Dominik Busch.
Auf Tour Daneben lächeln mit Tucholsky
Do, 12. bis Sa, 14. Feb., 20.30 Uhr; Sa, 15. Feb., 19 Uhr; Di, 17. Feb., 20.30 Uhr, Schlachthaustheater Bern. www.schlachthaus.ch
BILD: SARAH WEISHAUPT
Kurt Tucholsky wurde letzten Monat gerne zitiert. «Was darf die Satire? Alles», soll er gesagt haben, und das passte natürlich gut zum Motto «Je suis Charlie». Der Satiriker Tucholsky hat aber in Gedichten durchaus auch Differenzierteres zum Thema von sich gegeben, und das klingt dann zum Beispiel so: «Man kann von oben lächeln, man kann von unten lächeln, man kann daneben lächeln». Dies ist auch eine Zeile aus den Liedern, die die Jazzsängerin Sonja Indin zusammen mit der klassischen Pianistin Isora Castilla und der Schauspielerin Beren Tuna zu Ehren des vor 125 Jahren geborenen und vor 80 gestorbenen Autors auf die Bühne bringen. Die pointenreichen und teils bissigen Texte handeln von Zweisamkeit, Einsamkeit und dem Mysterium der Liebe. Das Trio tritt mit dem Anspruch an, die Zuschauerin und den Zuhörer in die Goldenen Zwanzigerjahre zu entführen. Und das Beste daran: Illustriert wird der Abend mit eigens dazu angefertigten Werken unserer «Wörter von Pörtner»-Illustratorin Sarah Weishaupt. (fer) «Augen in der Grossstadt», literarischer Chansonabend zum 125. Geburtstag von Kurt Tucholsky. Fr, 6. Feb., 19.30 Uhr, BauArt Basel: So, 8.2., 20 Uhr, Ono Bern: Sa, 14. Feb., 20.30 Uhr, Palino Baden: Sa, 28.2., 21 Uhr, Bärenbuchsi Münchenbuchsee. Weitere Daten siehe www.sonjaindin.ch SURPRISE 343/15
Mit Tucholsky zurück in der 20er.
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Verkäuferporträt «Nie hätte ich gedacht, dass mir so etwas geschenkt würde» Früher verkaufte Oliver Guntli (36) den Strassenfeger in Berlin, seit letztem Sommer ist er Surprise-Verkäufer in der Berner Marktgasse. Die Grosszügigkeit eines Kunden ermöglicht ihm, sich schon bald einen lange gehegten Wunsch zu erfüllen.
«Ich habe letzten Sommer angefangen, Surprise zu verkaufen, weil ich einfach ständig zu wenig Geld hatte. Vorher habe ich gebettelt, um über die Runden zu kommen. Dazu ging ich meistens an den Bahnhof und sah dort immer wieder Surprise-Verkäufer. Eines Tages dachte ich, das wäre vielleicht etwas für mich, schliesslich habe ich in Berlin, wo ich mal ein halbes Jahr gelebt habe, auch schon die Strassenzeitung Strassenfeger verkauft. Ende August habe ich mich beim Vertriebsbüro in Bern gemeldet und dann innert kurzer Zeit zehn Gratis-Starthefte, den Verkäuferpass und einen Standplatz erhalten. Seither bin ich eigentlich jeden Werktag vor der grossen Migros an der Marktgasse am Verkaufen. Auch wenn es manchmal harzig läuft und lange niemand ein Heft will, mache ich diese Arbeit gern. Mir gefällt der Kontakt zu den Menschen, und jedes gute Wort, das ich höre, ist mir wichtig und tut mir wohl. Die Gespräche mit den Kunden halte ich trotzdem lieber kurz, denn in der Zeit, in der ich schwatze, verkaufe ich ja keine Hefte. Einem Beitrag über mich zum Thema Träume im Surprise-Weihnachtsheft und der Grosszügigkeit eines Kunden habe ich es zu verdanken, dass ich mir Ende März einen lang gehegten Wunsch erfüllen kann: Ich werde mit meinem Freund Dani ein verlängertes Wochenende in Berlin verbringen. Ich wollte schon lange wieder mal dorthin und Dani die Stadt zeigen. Seit wir gebucht haben und ich weiss, dass es klappt, freue ich mich wahnsinnig darauf! Nie hätte ich geglaubt, dass mir so etwas geschenkt würde, als ich vor knapp einem halben Jahr bei Surprise angefangen habe. Um auch etwas für andere zu tun, setze ich mich in Bern für die Verbreitung des ‹Café Surprise› ein. Zum Beispiel im Café Kairo, im Luna Llena oder in der Brasserie Lorraine gibt es das schon. Da kann ein Gast, der einen Kaffee trinkt, noch einen zweiten bezahlen, und der wird danach auf eine Liste geschrieben. Wenn dann jemand in die Beiz kommt, der sehr knapp bei Kasse ist, kann er fragen, ob ein spendierter Kaffee zu haben sei. Wenn ja, wird der Kaffee wieder von der Liste gestrichen. Weil ich es eine wirklich gute Sache finde, versuche ich auch weitere Lokale von Café Surprise zu überzeugen. Mein Freund und ich unterstützen, soweit es mit unserem Geld möglich ist, am liebsten das Kleingewerbe. Eine gesunde Ernährung ist uns beiden sehr wichtig, deshalb kaufen wir gerne hochwertige Lebensmittel, am liebsten beim Metzger, in der Bäckerei oder am Samstag auf dem Markt in Biel, wo wir wohnen. Mein Verdienst erlaubt mir zum Glück jetzt vermehrt solche Einkäufe. Die Stadt Biel ist für Dani und mich eigentlich nur der Ort, wo wir wohnen, weil es günstig ist. Am besten gefallen würde es uns in Bern. Dann müsste ich auch nicht mehr jedes Mal nach Bern pendeln für den Heftverkauf – in Biel wollte ich eben auf keinen Fall verkaufen, weil ich nicht Französisch spreche. Wir halten nun in der Region Bern Ausschau nach einer Drei- oder Vierzimmerwohnung, die wir uns leisten können
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BILD: ALFRED MAURER
AUFGEZEICHNET VON ISABEL MOSIMANN
und wo wir Foxi, unseren neunjährigen Labrador/Rhodesian-Ridgeback-Mischling, problemlos mitnehmen können. Er ist ein ganz lieber und ruhiger Hund. Als es wärmer war, habe ich ihn auch schon an meinen Verkaufsstandort in der Marktgasse mitgenommen. In die Grossstadt Berlin wird Foxi nicht mitkommen, da bleibt er ein paar Tage bei unseren Nachbarn. Aber falls wir uns wieder einmal Ferien leisten können, würden wir gerne zu dritt, also mit Hund, verreisen. Eine Woche oder zehn Tage irgendwo in Frankreich, mit nicht zu viel Betrieb für Dani und nicht total abgelegen für mich, das wäre auch mal schön.» ■ SURPRISE 343/15
SurPlus – eine Chance für alle! Werden Sie Gotte oder Götti bei SurPlus Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten. Menschen, die kaum Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt wieder Struktur und mehr Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Das verdient Respekt und Unterstützung. Das Spezialprogramm SurPlus ist ein niederschwelliges Begleitprogramm für ausgewählte Surprise-Verkaufende, die regelmässig das Strassenmagazin
verkaufen und hauptsächlich vom Heftverkauf leben. Diese Verkaufenden erhalten nur geringe soziale Ergänzungsleistungen und werden im Programm SurPlus gezielt vom Verein Surprise unterstützt: Sie sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit, Nahverkehrsabonnement) und werden bei Problemen im oft schwierigen Alltag begleitet. Mit einer Patenschaft leisten Sie einen wesentlichen Beitrag für die soziale Absicherung der Verkaufenden und ermöglichen ihnen, sich aus eigener Kraft einen Verdienst zu erarbeiten. Vielen Dank für Ihr Engagement!
Elsa Fasil Bern
Kostana Barbul St. Gallen
Ralf Rohr Zürich
Marlis Dietiker Olten
Negasi Garahassie Winterthur
Josiane Graner Basel
Wolfgang Kreibich Basel
Tatjana Georgievska Basel
Emsuda Loffredo-Cular Basel
Anja Uehlinger Baden
Fatma Meier Basel
Haimanot Ghebremichael Bern
Ja, ich werde Gotte/Götti und unterstütze das SurPlus-Programm von Surprise! 1 Jahr: 6000 Franken
1/2 Jahr: 3000 Franken
1/4 Jahr: 1500 Franken
Vorname, Name
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1 Monat: 500 Franken
343/15 Talon bitte senden oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, 4051 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch, PC-Konto 12-551455-3 SURPRISE 343/15
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Surprise ist: Hilfe zur Selbsthilfe Surprise hilft seit 1997 Menschen in sozialen Schwierigkeiten. Mit Programmen in den Bereichen Beschäftigung, Sport und Kultur fördert Surprise die soziale Selbständigkeit. Surprise hilft bei der Integration in den Arbeitsmarkt, bei der Klärung der Wohnsituation, bei den ersten Schritten raus aus der Schuldenfalle und entlastet so die Schweizer Sozialwerke.
Ich möchte Surprise abonnieren! 24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.) Gönner-Abo für CHF 260.–
Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht von Armut und sozialer Benachteiligung betroffenen Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit für ihre Anliegen. Surprise beteiligt sich am Wandel der Gesellschaft und bezieht Stellung für soziale Gerechtigkeit. Strassenmagazin und Strassenverkauf Surprise gibt das vierzehntäglich erscheinende Strassenmagazin Surprise heraus. Dieses wird von einer professionellen Redaktion produziert, die auf ein Netz von qualifizierten Berufsjournalistinnen, Fotografen und Illustratorinnen zählen kann. Das Magazin wird fast ausschliesslich auf der Strasse verkauft. Rund dreihundert Menschen in der deutschen Schweiz, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten damit eine Tagesstruktur, verdienen eigenes Geld und gewinnen neues Selbstvertrauen.
Sport und Kultur Surprise fördert die Integration auch mit Sport. In der Surprise Strassenfussball-Liga trainieren und spielen Teams aus der ganzen deutschen Schweiz regelmässig Fussball und kämpfen um den Schweizermeister-Titel sowie um die Teilnahme an den Weltmeisterschaften für sozial benachteiligte Menschen. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Chor. Gemeinsames Singen und öffentliche Auftritte ermöglichen Kontakte, Glücksmomente und Erfolgserlebnisse für Menschen, denen der gesellschaftliche Anschluss sonst erschwert ist. Finanzierung, Organisation und internationale Vernetzung Surprise ist unabhängig und erhält keine staatlichen Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle anderen Angebote wie die Betreuung der Verkaufenden, die Sportund Kulturprogramme ist Surprise auf Spenden, auf Sponsoren und Zuwendungen von Stiftungen angewiesen. Surprise ist eine nicht gewinnorientierte soziale Institution. Die Geschäfte werden vom Verein Surprise geführt. Surprise ist führendes Mitglied des Internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP) mit Sitz in Glasgow, Schottland. Derzeit gehören dem Verband über 100 Strassenzeitungen in 40 Ländern an.
Geschenkabonnement für: Vorname, Name
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Herausgeber Verein Surprise, Spalentorweg 20, 4051 Basel www.vereinsurprise.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Do T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 info@vereinsurprise.ch Geschäftsführung Paola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (stv. GL) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@vereinsurprise.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Amir Ali (ami), Florian Blumer (fer), Diana Frei (dif, Heftverantwortliche), Mena Kost (mek) redaktion@strassenmagazin.ch leserbriefe@strassenmagazin.ch Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Rahel Nicole Eisenring, Shpresa Jashari, Olivier Joliat, Carlo Knöpfel, Melanie Kobler (Grafik), Yvonne Kunz, Stephan Pörtner, Isabella Seemann, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Tom Wiederkehr, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Monika Bettschen, Annette Boutellier, Andrea Ganz, Michael Gasser, Bea Huwiler, Hanspeter Künzler, Christian Marogg, Isabel Mosimann, Adrian Soller Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 19 550 Ex., Abonnemente CHF 189, 24 Ex./Jahr Marketing, Fundraising T +41 61 564 90 50 Svenja von Gierke
Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83 Thomas Ebinger, Anette Metzner, Spalentorweg 20, 4051 Basel, basel@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Zürich T +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12 Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, zuerich@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02 Andrea Blaser, Alfred Maurer, Bruno Schäfer, Pappelweg 21, 3013 Bern, bern@vereinsurprise.ch Strassenchor T +41 61 564 90 40, F +41 61 564 90 99 Paloma Selma, p.selma@vereinsurprise.ch Strassensport T +41 61 564 90 10 Lavinia Besuchet (Leitung), l.besuchet@vereinsurprise.ch, David Möller (Sportcoach) www.strassensport.ch Vereinspräsident Peter Aebersold
Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird von der Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt. Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen. SURPRISE 343/15
Surprise Mehr als ein Magazin SurPlus Surprise-Verkauf mit sozialer Absicherung ändert: René erhält eine bescheidene AHVRente und wird deshalb aus dem SurPlus-Programm aussteigen. Trotzdem wird er weiterhin jeden Tag am Bahnhof Enge oder am Bahnhof Wiedikon Surprise-Hefte verkaufen. Bob möchte seinen SurPlus-Platz lieber einem anderen Verkaufenden überlassen, der dringender auf einen Zusatzverdienst angewiesen ist. Auch Bob verkauft das Magazin weiter am Marktplatz in Basel und freut sich über die vielen Gespräche mit seiner Stammkundschaft – und die Besuche der Kinder und Schüler in der Mittagspause. Bob und René bleiben wichtige Aushängeschilder von Surprise und werden von unseren Vertriebsmitarbeitenden in Basel und Zürich in ihrem neuen Abschnitt begleitet.
Neu unterstützen wir im SurPlusProgramm: Haimanot Ghebremichael Haimanot verkauft bereits seit 2009 Surprise, ihr Verkaufsplatz ist die Welle beim Bahnhof in Bern. Mit grosser Motivation und vielen Bemühungen schaffte sie es – trotz F-Ausweis –, eine Arbeitsstelle zu finden. Sie arbeitet seit über einem halben Jahr in der Küche eines äthiopischen Restaurants. Durch den Lohn und den Zusatzverdienst beim Strassenverkauf konnte sie sich von der Sozialhilfe lösen. Haimanot ist sehr willensstark und freut sich auf die Teilnahme am Surplus-Programm.
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Seit vielen Jahren blicken Sie beim Inserat des SurPlus-Programms auf Seite 29 in die gleichen vertrauten Gesichter: Es sind alles langjährige Surprise-Verkaufende, die sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst erarbeiten. All diese Verkaufenden sind Aushängeschilder von Surprise, denn sie leben hauptsächlich vom Heftverkauf und stehen bei Wind und Wetter auf der Strasse. Als Teilnehmende im SurPlus-Programm erhalten sie Ferien- und Krankheitsentschädigungen sowie ein Abonnement für die öffentlichen Verkehrsmittel. Nun gibt es drei Wechsel. Für unsere beiden Verkäufer René Senn aus Zürich und Bob Ekoevi Koulekpato aus Basel hat sich die persönliche Situation ver-
Nicht mehr dabei: René Senn
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Nehmen Sie an einem «Sozialen Stadtrundgang» teil! Erleben Sie Basel aus einer neuen Perspektive! Tour 1: Konfliktzone Bahnhof – vom Piss-Pass zur Wärmestube. Dienstag, 17. Februar und 10. März um 9 Uhr. Tour 2: Kleinbasel – vom Notschlafplatz zur Kleiderkammer. Samstag, 14. und 21. März um 9 Uhr. Tour 3: Kleinbasel – von der Sozialhilfe zur Selbsthilfe. Samstag, 7. Februar und Dienstag 3. März um 9.30 Uhr.
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