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Riecht nicht Ein Leben ohne Geruchssinn Auf die Strasse gestellt: Kunden verkaufen Surprise

Joghurtbecher und Gartenschläuche: Warum Plastik-Recycling schwierig ist

Nr. 344 | 20. Februar bis 5. März 2015 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.


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Titelbild: Rahel Nicole Eisenring

Editorial Der Duft des Geldes BILD: ZVG

Ob Geld stinkt oder nicht, weiss unsere Autorin Nicole Quint nicht. Sie weiss auch nichts über den Duft von heissem Kaffee oder über den Gestank einer Jauchegrube. Nicole Quint riecht nichts. Ihr Leiden hat eine medizinische Bezeichnung: Anosmie. Irgendwann im Kindesalter wurde ihr bewusst, dass es sich um einen Mangel handelt, und seither hat sie ihn zu überspielen versucht. Damit ist sie zur Meisterin der Täuschung avanciert. Nun hat sie uns einen Text über ihre Unzulänglichkeit geschrieben, und er ist zugleich ein Lehrstück darüber geworden, wie der Mensch perfekt zu sein sucht: Lesen Sie selbst und tauchen Sie ein in eine Welt, in der nichts stinkt, aber auch nichts duftet: ab Seite 10. Auch Schnee rieche, steht in der Titelgeschichte. Genauso wie frische Luft, kann DIANA FREI man anfügen. Trotzdem folgen wir dem Duft des Geldes, wenn es um den Um- REDAKTORIN weltschutz geht. Die Schweizer sehen sich zwar gerne als Recycling-Weltmeister, in Sachen Plastik-Recycling sind sie aber weit davon entfernt. Die EU bezeichnet 30 Prozent als schlechte Wiederverwertungsquote beim Plastik, die Schweiz steht bei gerade mal zehn Prozent. Es stellt sich die Frage, ob das Geld die treibende Kraft hinter dem Recycling ist und nicht in erster Linie der Gedanke an die Umwelt. Antworten lesen Sie ab Seite 14. Ähnlich verhält es sich mit der Energiesteuer, über die wir am 8. März abstimmen: Was für die Umwelt gut wäre, ist es leider nicht fürs Portemonnaie. Das trifft die wenig begüterten Menschen am härtesten. Surprise-Verkäufer Max und seine Frau zum Beispiel leben von 3700 Franken im Monat. Die Heizkosten sind in ihrem Budget ein hoher Posten. Was würde an finanziellen Belastungen auf sie zukommen, wenn eine Energiesteuer eingeführt würde? Wir haben ihr Budget vom Umweltnaturwissenschaftler Beat Jans durchrechnen lassen. Und festgestellt: Verbranntes Heizöl und Benzinabgase mögen stinken, die Umweltverschmutzung uns allen auch, aber Geld stinkt nicht immer. Jedenfalls nicht, wenn man zu wenig davon hat. Neu im Team begrüssen wir Sara Winter Sayilir. Sie ist über die Orientalistik zum Journalismus gekommen und schreibt seit zehn Jahren für unterschiedliche Medien wie zenith, eurotopics.net oder die WoZ. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit. Und Ihnen wünschen wir eine sinnliche und erwärmende Lektüre. Herzlich Diana Frei

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 oder vereinsurprise.ch/spenden-surprise Wettbewerb Buch Erna Eugster bis 5. März! In der letzten Nummer (343) ist uns ein Fehler unterlaufen: Die Wettbewerbsfrist für eines von drei Büchern von Erna Eugster über ihr Leben als administrativ Versorgte (Artikel mit Auszügen daraus siehe www.vereinsurprise.ch/magazin/archiv-2015) läuft bis zum 5. März und nicht bis zum 5. Februar. Um an der Verlosung teilzunehmen, schreiben Sie uns ein Mail mit dem Betreff «Wettbewerb Erna Eugster» auf redaktion@strassenmagazin.ch. Viel Glück! SURPRISE 344/15

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10 Geruchssinn Leben bei geschlossenen Fenstern Wer nicht weiss, wie ein Blumenstrauss riecht, der weiss auch nicht, wie er selbst riecht. Die Journalistin und Autorin Nicole Quint wurde ohne Geruchssinn geboren. Sie erzählt von ihrer Kindheit, als sie glaubte, Riechen sei eine Art Zaubertrick, und sie beschreibt ihre Teenagerzeit, als sie sich aus der Not heraus zur «Riechpantomimin» entwickelte. Ein Text darüber, was es heisst, die Welt nicht riechen zu können.

14 Recycling Keine Weltmeister Während wir Schweizer im Alu- und Glasrecycling Bestmarken erreichen, hinken wir beim Thema Kunststoff hinterher. Zwar kann man die PE-Milchflaschen inzwischen in der Migros und im Coop zurückgeben und PET-Flaschen fachgerecht entsorgen. Der ganz normale Plastiksack landet aber nach wie vor im Abfall. Ein Erfolgsmodell wie der Gelbe Sack in Deutschland ist bisher nicht in Sicht – unter anderem, weil es sich finanziell nicht rechnet.

BILD: KEYSTONE, KNUT NIEHUS

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Inhalt Editorial Stinkt Geld? Die Sozialzahl Wo der Champagner fliesst Aufgelesen Undemokratische Welt Zugerichtet Von Dirndln und Bieren Kommentar Versteckte Umverteilung Wir trauern Res Ammann Porträt Feuer und Flamme für neue Aromen Rollentausch Leute wie du und ich verkaufen Surprise Fremd für Deutschsprachige Die Welt steht kopf Fumetto Kriegsgetümmel mit Jacques Tardi Kultur Pop-Brut von Milk and Wodka Ausgehtipps Trikot-Höschen Nachruf Wolfgang Kreibich Projekt SurPlus Eine Chance für alle! In eigener Sache Impressum INSP Mehr als ein Magazin Basler Regierungsräte auf Stadtrundgang

BILD: RAHEL NICOLE EISENRING

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BILD: WOMM

17 Energie Wenn das Sparen zu viel kostet

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Die Mehrwertsteuer abschaffen und stattdessen Heizöl, Treibstoffe und Atomstrom besteuern: Ohne Zweifel würde eine Annahme der Initiative der Grünliberalen, über die am 8. März abgestimmt wird, nukleare und fossile Energiequellen rasch verdrängen. Ebenso klar ist aber: Wer wenig verdient, hat kaum Spielraum, seinen Energieverbrauch zu drosseln. Unsere Haushaltsrechnung am Beispiel eines Surprise-Verkäufers zeigt: Sparen muss man sich erst leisten können.

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Konzentration der Vermögensmasse au f die hohen kantona Anteil Top 1% len Vermögen Uri Aargau Graubünden St. Gallen Bern Luzern Zürich Schweiz Baselland Genf Basel-Stadt Nidwalden 0

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Quelle: Eidgenössische

Die Sozialzahl Die Feudalisierung der Schw

eiz

Der französische Soziologe Pierre Bourdieu wies schon früh darauf hin: Die gesellscha ftliche Position einer Person manifestiert sich nicht nur dur ch ihr ökonomisches Vermögen, sondern zeigt sich auch in ihren kulturellen Einflussmöglichkeiten und in ihren soz ialen Beziehungen. Diese drei Formen des Kapitals kumulie ren sich in einer gesellschaftlichen Macht, die er als symboli sches Kapital bezeichnete. Je ungleicher diese verschieden en Kapitalien unter den Men schen verteilt sind, desto grö sser wird der Einfluss der wen igen Vermögenden auf das Ges chehen in einem Land. Dies lässt sich exemplarisch für die Schweiz zeigen. Dass die Einkommen in der Sch weiz ungleich verteilt sind, ist allgemein bekannt. Doch noch sehr viel ungleicher sind die Vermögen zwischen den Hau shalten aufgeteilt. Eine Auswertung der Steuerdaten des Kantons Zürich für das Jah r 2003 offenbarte, dass drei Steu erpflichtige so viel Vermögen besassen wie die «ärmsten» 56 Prozent. Dabei gaben 27 Prozent der Steuerpflichtigen an, überhaupt kein Nettovermögen zu besitzen. Es ist davon aus zugehen, dass sich diese Ver hältnisse seither weiter akzentu iert haben. Inzwischen zeigen nämlich gesamtschweizerische Daten für das Jahr 2010, dass die reic hsten fünf Prozent insgesamt 62 Prozent aller Privatvermö gen auf sich vereinen, währen d die anderen 95 Prozent der Steu erpflichtigen die restlichen 38 Prozent unter sich aufteilen, wobei wiederum rund 26 Pro zent über gar kein Vermögen verfügen.

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Steuerverwaltung,Ve

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tik 2010.

Ein Blick auf die kantonalen Date n macht zudem dass sich die Ve deutlich, rmögensverteilu ng au ch regional sehr schiedlich präsen untertiert. So beträgt der Anteil der ei Reichsten am ge n Prozent samten steuerpfli chtigen Vermög ton Nidwalden, en im KanBasel-Stadt und in Schwyz deutlich Prozent, währe über 50 nd er in Uri un d in Schaffhause Viertel der Verm n knapp ein ögen umfasst. Di e räumliche Ko der Vermögende nzentration n in bestimmte n Kantonen hat ve wenig mit der rmutlich natürlichen Schö nheit der Land viel mit den wirt schaft, aber schaftlichen und steuerlichen Rahm gungen zu tun. enbedinDiese grossen ök onomischen Ve rmögen üben ei vierenden Einflu nen grass auf die wirtsc haftliche Entwick weil wichtige In lu ng aus, vestitionsentsche ide in den Un und bei der öffe te rn ehmen ntlichen Infrastr uktur durch die Kapitalkonzentra zu ne hm ende tion in den Händ en immer wenig liegen. Doch da er Ak te ure mit nicht genu g. Diese Vermög auch in kulture en werden lles und soziales Kapital umgemün nen kaufen sich zt. Die eiFussballvereine und lassen Mus die anderen erw ee n bauen, erben Zeitungen und halten sich teien. So entsteh ga nze Part gesellschaftlich e Macht, die mit gang zunehmen je de m Erbd stärker an feud ale Verhältnisse gangen geglaubt längst verer Zeiten gemah nt. Kein Wunde Initiative zur Ei r also, ist der nführung einer na tionalen Erbsch über die im kom aftssteuer, menden Jahr ab gestimmt wird, mächtiger Wider schon heute stand erwachsen . CA RL O KN ÖP FE L (C .K NO EP FE L@ VE RE IN SU RP RI SE .C H) BI LD : RA HE L KO HL ER , WOM M

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Aufgelesen News aus den 90 Strassenmagazinen, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Keine Mafia Stuttgart. Immer mehr deutsche Gemeinden wollen gegen «osteuropäische Bettlerbanden» vorgehen und das seit 1974 legale Betteln wieder strafbar machen. Dies trifft vor allem jene von Armut betroffenen Roma aus Südosteuropa, die in ihrer Heimat unter Diskriminierung, Arbeitslosigkeit und schlechter sozialer Absicherung leiden. Sie nehmen mit der Reise nach Deutschland hohe Kosten und Demütigungen auf sich, um mit Betteln ihren Familien ein bescheidenes Leben auf legale Weise zu sichern.

Keine Randerscheinung Dortmund. Mehr als die Hälfte der Deutschen hegen Misstrauen und Vorurteile gegenüber Roma und Flüchtlingen. Die Studie «Deutsche Zustände» der Uni Bielefeld zeigt: Undemokratische Tendenzen sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Knapp 30 Prozent sind als «chauvinistisch» und 5,6 Prozent als «rechtsradikal» einzustufen. Doch der Staat fokussiert auf die extremen fünf Prozent am Rand, statt sich um jene zu sorgen, die sich leise aus der Solidargemeinschaft zurückziehen. Die Quittung dafür ist Pegida.

Kein Hunger Wien. Laut Schätzungen der Ernährungsorganisation der UNO wandert ein Drittel aller Lebensmittel weltweit direkt in den Müll. In ärmeren Ländern liegt dies vor allem an fehlenden Lager- und Transportmöglichkeiten. Im reicheren Teil der Welt wird ein beachtlicher Teil einfach in den Müll geschmissen. Weltweit werden heute Nahrungsmittel für insgesamt rund zehn Milliarden Menschen produziert. Bei einer Weltbevölkerung von derzeit 7,2 Milliarden Menschen sollte eigentlich kein Mensch Hunger leiden müssen.

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Zugerichtet Bier in Massen Die Richterin hat graue Haare und viel Erfahrung, aber wie es an einem Volksfest zugeht, das weiss sie nicht. «Wie im Kindergarten?», fragt sie. «Haut man zu, wenn man angeguckt wird?» Eines weiss sie allerdings vom Kulturfernsehen: Am Oktoberfest ist es bayerischer Brauch, das Bier in Massen, also aus Masskrügen zu trinken. Für viele ist es jedoch ebenso üblich, den Alkohol auch in Massen zu konsumieren. Der Angeklagte, Pietro M.*, 27, ein tätowiertes Mannsbild, Polier von Beruf, soll dem Geschädigten Yannick, 23, Student, die Faust ins Gesicht geschlagen haben, weil ersterer sich von letzterem beobachtet fühlte und dies in ihm alkoholbedingt Aggressionen ausgelöst habe. Die Sache ist schneller passiert als erzählt. Vor anderthalb Jahren, im Oktober natürlich, sei er so gegen 19 Uhr auf der «Wiesn» im Zürcher Hauptbahnhof angekommen, erzählt Pietro. Begleitet wurde er von einem Freund. Drei Mass Bier habe jeder von ihnen getrunken, also drei Liter, ehe sie noch ein paar «Kurze» ex kippten. Eine Gruppe von Studentinnen in Dirndln und Studenten in Tracht, darunter das Opfer, hatte sich an ihren Tisch gesetzt, und es sei zu ersten Blickkontakten gekommen. Immer wieder habe man sich «gegenseitig gemustert», so der Angeklagte. Dabei sei es aber nicht geblieben, schilderte das Opfer. Mittlerweile habe der Angeklagte sich auf recht penetrante Weise mit den weiblichen Gästen am Tisch anfreunden wollen. Den Damen war das lästig. Es folgten Wortgefechte. Einig waren sich alle Beteiligten darin, dass sich die Situation im Laufe des Abends immer weiter hochge-

schaukelt habe. Als sie gegen halb zwölf Uhr das Zelt verlassen mussten, hätten sie sich gegenseitig beschimpft, sagten das Opfer und der Angeklagte übereinstimmend aus. Auf dem Bahnhofquai habe der Polier plötzlich ausgeholt und dem Studenten mit der Faust ins Gesicht geschlagen und ihn dann gegen das Ufergeländer gedrückt, um noch mit Kniekicks seine Weichteile zu bearbeiten. Vier Mann bekamen den Betrunkenen schliesslich in den Griff. Das Opfer zog sich eine angebrochene Nase zu. An den Faustschlag könne er sich «wirklich nicht erinnern, auch wenn es sich blöd anhört», merkt der Angeklagte an. Trotzdem zeigt er sich reumütig: «Es tut mir leid, dass ich ihn geschlagen habe.» Er sei kein aggressiver Mensch und könne sich nicht erklären, wie es zu solch einer Reaktion gekommen sei. «Ich habe noch nie jemanden geschlagen, das entspricht nicht meiner normalen Verhaltensweise», beteuert er. «Ich kann noch nicht mal eine Spinne totschlagen. Fragen Sie meine Freundin.» Alles sei «blöd gelaufen an dem Abend». Ein Gutachten attestierte dem Täter einen beträchtlichen Blutalkoholspiegel von 1,8 Promille. Die Richterin bezeichnet das Geschehene als «Beispiel, was Alkohol mit Menschen anrichten kann». Wie sie den Angeklagten kennengelernt habe, wäre so etwas nüchtern nie geschehen. Immerhin habe Herr Pietro Verantwortung für sein Handeln übernommen. «Das ist uns hier wichtig», betont sie. Eine bedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 30 Franken und eine Busse von 1500 Franken lautet das Urteil. «Sie haben eine Person aus nichtigen Gründen attackiert und in Ihrem Handeln jedes Mass verloren.» ISABELLA SEEMANN (ISEE@GMX.CH) ILLUSTRATION: PRISKA WENGER (PRISKAWENGER@GMX.CH) SURPRISE 344/15


Kommentar Auf dem armen Auge blind Die Initiativen, die in gut zwei Wochen vors Volk kommen, wollen das Klima retten und Familien entlasten. Beide Vorlagen würden Menschen mit tiefem Einkommen benachteiligen – und werfen ein Schlaglicht auf unsere Politiker. VON AMIR ALI

BILD: CORINNE FUTTERLIEB

Die Initiative «Energie- statt Mehrwertsteuer» der Grünliberalen will die Mehrwertsteuer abschaffen und stattdessen fossile Energie und Atomstrom besteuern. Klingt grossartig, auch aus Sicht der finanziell Schwächsten: Denn die heutige Mehrwertsteuer ist unsozial, weil der Millionär und der Working Poor auf jedes Mödeli Butter und jede Rolle Toilettenpapier gleich viel Mehrwertsteuer entrichten. Beim Working Poor macht es sogar den grösseren Teil des Budgets aus. Die GLP-Initiative hat aber zwei Haken. Erstens: Ein kleines Einkommen reicht meist nur für eine Wohnung in einem unsanierten Gebäude mit miserabler Energiebilanz. Mit undichten Fenstern und einer alten Ölheizung wird das Energiesparen schwierig. Reiche hingegen können sich ein Minergiehaus mit Wärmepumpe leisten. Welches Loch die Energiesteuer in ein knappes Budget zu reissen vermag, zeigt der auf Seite 17 beschriebene Fall eines Surprise-Verkäufers. Die Initiative der Grünliberalen, man muss es so sagen, droht Menschen in die Armut zu stürzen, die sich jetzt noch auf eigenen Beinen halten können können. Der zweite Haken: Die heutige Mehrwertsteuer spült gegen 23 Milliarden Franken in die Kassen des Bundes. Die Energiesteuer hingegen, mit der die GLP-Initiative die Mehrwertsteuer ersetzen will, soll in erster Linie den Verbrauch schmutziger Energieträger drosseln. Die Logik: Je teurer Heizöl und Benzin, desto weniger davon verbrauchen wir. Und desto höher muss wiederum die Steuer angesetzt werden, um die 23 Milliarden Staatseinnahmen weiterhin zu gewährleisten. Die wichtigste Geldquelle des Staates legt sich folglich selbst trocken. Die Mehrwertsteuer macht rund ein Drittel der gesamten Bundeseinnahmen aus. Sie fliesst in den Gotthardbasistunnel genauso wie in die AHV. Man muss kein Hellseher sein, um vorherzusagen: Stellt man einen grossen Teil des Bundesbudgets auf solch wacklige Füsse, wird gespart werden müssen. Die Abschaffung der Mehrwertsteuer ist verlo-

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ckend. Die Preise würden sinken, wovon wir alle profitieren würden. Der Energiesteuer und ihren Folgen aber wären vor allem die Armen ausgeliefert. So geht Umverteilung von unten nach oben. Auch die zweite eidgenössische Vorlage vom 8. März birgt verstecktes Umverteilungspotenzial. «Kinder- und Ausbildungszulagen sind steuerfrei»: Diesen Satz will die CVP mit ihrer Familieninitiative in die Bundesverfassung schreiben und damit das Kinderhaben finanziell entlasten. Klingt gut, aber auch hier wird am Ende Geld von unten nach oben verschoben. Die Hälfte der Schweizer Haushalte mit Kindern zahlt bereits heute keine direkte Bundessteuer. Und bei den Kantons- und Gemeindesteuern würden wegen der Progression ausgerechnet die höchsten Einkommen am meisten vom Abzug der Kinderzulagen profitieren. Die Löcher hingegen, die das Vorhaben bei einer Annahme in die Staatskasse reissen würde – 760 Millionen bei den Kantonen, 200 Millionen beim Bund – bekämen vor allem jene zu spüren, die auf staatliche Leistungen angewiesen sind. Steuerausfälle führen zu Sparprogrammen beim Staat – und die treffen immer die Schwachen. Die Schweiz braucht eine Steuer auf schmutzige Energieträger. Und Familien zu unterstützen ist mit Sicherheit nicht falsch. Aber es darf nicht auf Kosten derer geschehen, die finanziell am Limit sind. Man muss den jeweiligen Initianten dabei keine Absicht unterstellen. Dass sie ihre Vorhaben auf diese Weise ausgestaltet haben, zeigt aber: Schweizer Politiker sind auf dem armen Auge blind. ■

Wir trauern Andreas «Res» Ammann (22. September 1955 – 5. Februar 2015) Bestürzt und tief traurig müssen wir Ihnen mitteilen, dass vor wenigen Tagen der in Bern stadtbekannte Surprise-Verkäufer Andreas «Res» Ammann verstorben ist. In der nächsten Ausgabe werden wir ihn mit einem ausführlichen Nachruf würdigen.

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Porträt Pfadfinder des guten Geschmacks Seit er vor zwölf Jahren als Redaktor bei der Weltwoche gekündigt hat, widmet sich Dominik Flammer voll und ganz seiner Leidenschaft: dem Essen. Sechs Monate im Jahr ist er als Food Scout in den Alpen unterwegs und entdeckt dort jeden Monat zehn bis 15 neue Lebensmittel. VON ISABELLA SEEMANN (TEXT) UND SOPHIE STIEGER (BILD)

Stunde gekommen, seinen Lebensplan zu verwirklichen und sich als freier Journalist selbständig zu machen. Sein Sprung in die Freiheit liegt mittlerweile zwölf Jahre zurück. Die eine oder andere schlaflose Nacht habe er ihm bereitet, gibt er zu, doch bereut habe er ihn noch keine Sekunde. Von Anfang an wusste er: «Ohne kleinunternehmerisches Denken funktioniert es nicht.» Ein zentraler Satz für Dominik Flammer. Seine Essenz, sein Motto, sein Selbstverständnis. Es sagt viel aus über den Mann, dass er diesen Satz nicht hinausposaunt, sondern einbettet in einen viel leiseren: «Der Erfolg ist das Ergebnis von Glück, aber auch von meiner Leidenschaft, von der ich mich stets leiten liess.» Er meint damit die Leidenschaft für das Schreiben, das Recherchieren, klar, vor allem aber diejenige fürs Essen. Das gilt auch heute noch. Bereits plant er eine zweite Fernseh-Staffel über «Das kulinarische Erbe der Alpen». Sie beruht auf seinem gleichnamigen, zwei Kilo schweren Buch, das in Wort und Bild die Ernährungsgeschichte der Alpenländer zeigt und seit Erscheinen mehr als 10 000 Mal verkauft wurde. Es folgten ergänzend ein Rezeptbuch zusammen mit Spitzenköchen und kürz-

«Ich mag die einfache Küche», stellt der Kulinarikforscher vorneweg klar. Was für ihn ein Festessen sei, war die Frage, und er fährt fort: «An Weihnachten zum Beispiel gab’s Kalbszunge mit Kapern, ein traditionelles Festtagsessen, das bis in die Sechzigerjahre des letzten Jahrhunderts so verbreitet war wie heuer das Fondue Chinoise.» Ob einfach oder doch etwas aufwendiger: Dominik Flammer weiss zu jedem Gericht eine Geschichte zu erzählen. Die Kalbszunge entspricht zudem seinem Motto «From Nose to Tail». Sprich: «Die Höflichkeit gegenüber dem Tier gebietet, dass wir es vom Kopf bis zum Schwanzende verspeisen – statt nur die Filetstücke, und den Rest zu Katzenfutter verarbeiten zu lassen.» Oder in ein Sprichwort gefasst: «Wer die Leber nicht ehrt, ist das Filet nicht wert.» Traditionelle Festtagsessen ergänzt er mit seinen Entdeckungen der letzten Monate. Zum Beispiel Birnenmehl: «Das ist ein traditionelles Süssmittel aus getrockneten und gemahlenen Dörrbirnen einer alten Birnensorte, das verwende ich für Friandises.» Eine Entdeckung, die auch Köchen eine Freu«Die Höflichkeit gegenüber dem Tier gebietet, dass wir es vom Kopf de bereitet und die Flammer mit diesen uneibis zum Schwanzende verspeisen.» gennützig teilt. «Spitzenköche sind auf neue Aromen angewiesen, ja geradezu süchtig danach.» Die Rückbesinnung auf das Terroir – also die Wiederentdeckung lich die «Enzyklopädie des kulinarischen Erbes». Schon sein erstes Buch und Pflege regionaler Produkte –, die die gegenwärtige Spitzengastro«Schweizer Käse – Ursprünge, traditionelle Sorten und neue Kreationen» nomie prägen, seien «neue Statussymbole des geniessenden Menwurde ein Bestseller, der zahlreiche Preise abräumte. Seine Bücher sind schen», der für sich nur das Beste will: einzigartige Produkte mit einem Ernährungsgeschichte ohne grossmütterlichen Retro-Mief, ohne völkiGeschmack, der in Erinnerung bleibt. schen Traditionalismus, überhaupt ohne ideologischen Überbau. Die Was damit gemeint ist, könne jeder selber ausprobieren, ohne sich in vielen «ohne» lassen Platz für anderes. Für Besseres. Für Menschen. Für Unkosten zu stürzen. «Probier einfach mal ein frisches Roggenbrot mit ihre Ideen, und was sie daraus machen. Auf einmal ist ErnährungsgeAlpbutter und vergleiche es mit industriellem Frischbackbrot mit Marschichte spannend, mitten im Leben. garine. Oder beiss in ein Stück Alpkäse und dann in ein mit Wachs umDie Tätigkeit als Buchautor machte ihn zum Experten für Ernähmanteltes Käslein vom Fliessband.» Sofort ist der 48-Jährige bei einem rungsgeschichte. Er sagt: «Ich gebe mittlerweile mehr Interviews, als ich Du, das weder arrogante Distanzlosigkeit noch gespielte Lässigkeit ausselber Leute interviewe.» Sein historisches Wissen erarbeitet er sich, indrückt, sondern seine Bereitschaft, auf andere zuzugehen, ohne Missdem er Archive durchstöbert, alte Bücher liest und Zeitzeugen erzählen trauen. Seit sieben Jahren erkundet Dominik Flammer, was der Alpenlässt. «Alte Menschen sind eine unerschöpfliche Quelle von Wissen», bogen von der Provence bis Slowenien kulinarisch alles hergibt, und da schwärmt Flammer. Er ist derjenige, der dieses Wissen weitervermittelt: kommt viel Hochwertiges aus teils sehr hohen Lagen zusammen. «Ich Im ganzen deutschsprachigen Raum wird er für Vorträge gebucht, von finde ständig neue Produkte, zehn, 15 pro Monat», sagt er. «Wir stehen Profizirkeln, Weiterbildungsinstituten und auch von Altersheimen. Er erst am Anfang.» Flammer bezeichnet sich als Food Scout, als Aufspüsprudelt über beim Erzählen, redet ohne Punkt und Komma, in horrenrer von Lebensmitteln, immer auf der Suche nach verborgenen Kulinadem Tempo. rikschätzen. Rund sechs Monate im Jahr ist er unterwegs. Er kommt Zum Schreiben zieht er sich meist zurück in seinen Zweitwohnsitz in weit herum und stellt sich jedem Essen. Auch vor seiner Haustüre hält Vitznau am Vierwaldstättersee. Am liebsten aber hält er sich in der Küer Ausschau. Sein Büro liegt an der Zürcher Langstrasse im Kreis 5, inche auf, mindestens zwei Stunden pro Tag verbringt er mit Kochen, das mitten von Thailäden, tamilischen Minisupermärkten und orientaliist für ihn Experiment und Meditation. «Ich probiere immer Neues aus, schen Kleinbasaren. da ich ständig neue Produkte entdecke.» Gérard Depardieu würde er gerBevor sich Flammer wissenschaftlich dem Essen widmete, studierte ne einmal zum Essen einladen, sagt Flammer. Tatsächlich ist er dem er Betriebswirtschaft und arbeitete als Wirtschaftsredaktor bei der Weltfranzösischen Schauspieler nicht unähnlich, mit seiner Opulenz, den woche. Am Tag, als Roger Köppel kam, reichte Dominik Flammer die wilden, langen Haaren und dem nicht erlöschenden Feu sacré. Sein CreKündigung ein. Die Ernennung des neuen Weltwoche-Chefredaktors do zum Schluss: «Du bist nur gut, wenn du Dinge machst, für die du Leiwar nicht Beweggrund, aber sehr wohl Anschubhilfe: Flammer sah die denschaft hast.» ■ SURPRISE 344/15

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Geruchssinn Die Unvollendete Wie funktioniert ein Leben ohne Riechen? Die Autorin Nicole Quint ist ohne Geruchssinn geboren. Ihr fehlt weit mehr, als nicht zu wissen, wie ein Veilchen riecht. VON NICOLE QUINT (TEXT) UND RAHEL NICOLE EISENRING (ILLUSTRATIONEN)

Die perfekte Pantomime für den Ausdruck olfaktorischer Verzückung geht so: Mit geschlossenen Augen den Kopf in Richtung Duftquelle neigen, sich mit der Hand Riechstoffmoleküle in die Nase fächeln und einige Male tief einatmen, lächeln und die Augen langsam wieder öffnen. Aber Achtung! Mit allzu grossem Überschwang in der schwärmenden Stimme und theatralischem Augenrollen rutscht man schnell in die Parodie ab. Die Gerüche von frisch gepuderten Babypopos, von nassem Laub, Chanel No. 5, Tabakrauch, Kaffee und Katzenurin kenne ich nicht. Wie ich selber rieche, weiss ich auch nicht, aber die Pantomime für die wichtigsten Duft-Situationen des Alltags habe ich drauf. Ich bin ein Riech-Imitator. Angewidertes Naserümpfen, weinerliches Abwenden, das Weiten der Nasenlöcher beim geniesserischen Riechen – alles im Repertoire.

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Gelernt habe ich am Modell, und die erste Lektion erhielt ich im Alter von fünf Jahren von meiner Mutter. Sie hatte einen Strauss Flieder geschenkt bekommen und ihre Nase mitten in die Blumen gesteckt – einfach so. Mit fünf konnte ich noch über die Merkwürdigkeiten des Lebens staunen. Mutter hätte ebenso gut einen Stapel Toastbrot auf ihrem Kopf balancieren können. Verstanden hätte ich auch das nicht, einen Sinn aber nicht grundsätzlich angezweifelt. Erst recht nicht, nachdem ich später auch andere Frauen beim Nase-in-Blumen-Ritual beobachtet hatte. Offenbar bestand ein gesellschaftlicher Konsens über den richtigen Umgang mit Pflanzengebinden, und ich nahm ihn in mein Regelwerk der Dinge auf, die man tun musste, ohne dass es dafür einen einleuchtenden Grund gab: Messer rechts, Gabel links halten zum Beispiel, auch die unsympathischen Nachbarn grüssen, sich Wassernebel unter die Achseln oder hinter die Ohren sprühen und eben, die Nase gegen Blumensträusse pressen. So waren die Sitten eben. Mein kulturanthropologischer Befund wurde unhaltbar, als meine Mutter sich eines Tages SURPRISE 344/15


unterscheiden zu wollen. Ich musste verheimlichen, dass ich das Leenttäuscht von Rosen abwandte: «Die riechen ja gar nicht.» Sie konnte ben nicht verstand. Imitation war nun kein Spiel mehr, sondern also feststellen, ob Blumen etwas tun und nannte das «riechen». Was bewusste Täuschung. Weil reine Beobachtung dazu nicht mehr ausmusste ich machen, um das auch zu können, und was war Riechen reichte, wandelte sich das Lernen am Modell zu einer Mischung aus überhaupt? Der Weg zur Lösung führte durch das Schlafzimmer meiner Oma. Dort stand ein mit Flüssigkeit gefüllter Glasflakon samt satinbezogener Ballonpumpe. Ich bin die Frau, die im Bus neben Ihnen sitzen bleibt, wenn es nach Ich drückte oft und lang auf die Pumpe, weil dem Tennistraining nicht mehr zum Duschen gereicht hat. die hübschen Sprühwölkchen sich so schnell verflüchtigten. Ich hielt mich für clever, weil Schauspiel- und Fremdsprachenunterricht. Wie andere Vokabeln übich daran dachte, den Flakon am Wasserhahn wieder aufzufüllen, und ten, so lernte ich Reaktionen auf etwas, das für mich nicht existiert, von war überrascht, als meine Oma mich trotzdem ertappte. Sie schimpfte, dem ich aber annehmen muss, dass es da ist. Eine anstrengende Überweil das ganze Schlafzimmer nach 4711 stank. So lernte ich, dass es eisetzungsleistung, die immer nur den sichtbaren Akt der Geruchswahrnen verräterischen Unterschied zwischen Kölnisch Wasser und Leinehmung erfassen kann. tungswasser gab – den Geruch. Die Empfindungen, die Gerüche auslösen, bleiben mir fremd. Deshalb ist gutes Zuhören für einen Riech-Imitator entscheidend. Nur so Der Zaubertrick der Erwachsenen kommt er an das nötige Vokabular: blumig, ranzig, aufdringlich, süssGeruch – das war der Grund, sein Gesicht in einen Blumenstrauss lich, beissend, fruchtig, ätherisch, harzig, erdig. Den Impuls, mir die Nazu graben und sich Wasser hinter die Ohren zu sprühen, und alle se zuzuhalten, kann ich nicht nachahmen, aber ich kann mit hoher ausser mir konnten den Geruch wahrnehmen. Riechen. War das ein Treffsicherheit einem Objekt den richtigen Duftnamen zuordnen. Unser Zaubertrick, den nur Erwachsene beherrschten? Würde sich auch bei Wortschatz für Gerüche erschöpft sich allerdings schnell. Darin offenmir während des Älterwerdens ein Schalter umlegen und meine Nase bart sich die Verneinung ihrer Darstellbarkeit, was es mir jedoch sehr öffnen? Musste man das Riechen lernen, und wer brachte es einem einfach macht, mit einigen wenigen Begriffen zu hantieren. Das wichdann bei? Es gab keinen Moment der plötzlichen Erkenntnis. Die Eintigste Wort für mich bleibt ohnehin «undefinierbar». Perfekt, um nicht sicht, niemals riechen zu können, sickerte langsam ein. Kein Schock, stumm bleiben, aber sich auch nicht festlegen zu müssen. Fragt mich jekein Trauma, es war eine leise Kapitulation. Alle können was, was ich mand: «Wie findest du dieses Parfüm?», blicke ich skeptisch, behaupte, nicht kann. Das wirklich Schlimme daran war das Endgültige. Ich bin da sei noch eine Nuance, undefinierbar aber störend, und frage zurück: schadhaft, imperfekt, nicht korrigierbar. Damit kam der Makel in mei«Riechst du das nicht?» Gewagt? Tatsächlich ist der Alltag eines Geruchsne Welt. Aus dem Kinderwunsch, die Erwachsenen nachzuahmen, pantomimen nicht allzu herausfordernd. Wegducken, sich hinter andewurde die Zwanghaftigkeit des Teenagers, sich nicht von den anderen SURPRISE 344/15

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ren verstecken, Kochabende mit entfernten Bekannten vermeiden, sich nie in Gespräche über Weinaromen verwickeln lassen. Mit ein bisschen Übung keine schwierige Aufgabe.

zerkreis, der mich darauf hinweist, wenn mein T-Shirt müffelt. Weil es ohne solche Hilfe nicht geht, muss selbst der professionellste Geruchspantomime andere irgendwann in sein Geheimnis einweihen. Meine Familie hat mein Unvermögen nie bemerkt und es mir auch lange nicht glauben wollen. «Gesund und alles dran», hatten sie sich nach meiner Geburt gefreut und nicht sehen können, dass der Geruchssinn nicht mitgeliefert worden war. Ihr Baby war unvollendet, aber unauffällig. Dass man mir den Zustand des Fehlens nicht ansieht, erleichtert den Alltag, erschwert aber Offenbarungen. Günstige Gelegenheiten, die eigene Geruchssinnlosigkeit zu gestehen, sind ohnehin selten. Und was soll man dann bloss sagen? Guten Tag, ich hab’ nicht alle Sinne bei-

Grösstmögliche olfaktorische Unauffälligkeit Wer nicht riecht, kann trotzdem stinken. Diese Gewissheit wog schlimmer als der fehlende Geruchssinn, denn die wirklich peinigenden Momente liegen in der Ungewissheit: Ist mein Körpergeruch für andere angenehm, nur erträglich oder nicht auszuhalten? Der Einsatz von Deos und Parfüms zur Tarnung eines zweifelhaften Eigengeruchs ist eine riskante Sache und immer abhängig von der richtigen Dosis. Möchte ich die Menschen lieber durch Schweiss oder durch den Geruch von Chemielabor oder MoSogar Schnee hat einen Geruch. Bei dieser Vorstellung habe ich schusochse vergraulen? Was wäre das kleinere zum ersten Mal über meine kaputte Nase geweint. Übel? Ich kann es nicht beurteilen und möchte es mit Marcus Tullius Cicero, dem berühmtessammen? Am peinlichsten sind unfreiwillige Outings. Wenn ich, das ten Redner Roms, halten, der fand: «Die Frau riecht am besten, die nach Stadtkind, ohne Zögern einen brünstigen Ziegenbock streichle, ist das gar nichts riecht.» Also ist mein Ziel die grösstmögliche olfaktorische Entsetzen in den Gesichtern der Umstehenden so gross, als hätte ich geUnauffälligkeit, und die erreiche ich durch penible Reinlichkeit, parrade Maden und Gekröse als Snack gereicht. Aufmerksame Beobachter fümfreie Deos und den Verzicht auf Polyesterpullis. Auf diese Weise sollerkennen mich indes auch jenseits solcher Fettnäpfchen leicht. Ich bin te mein persönlicher Olf immer bei 0,5 liegen. die Frau, die im Bus neben Ihnen sitzen bleibt, wenn es nach dem TenOlf ist vermutlich die unbekannteste aller Masseinheiten. Sie gibt die nistraining nicht mehr zum Duschen und nach dem Tzatziki nicht mehr Verunreinigung an, die ein Mensch mit normal arbeitenden Schweisszum Zähneputzen gereicht hat. Ich serviere Ihnen ranzige Milch und drüsen bei sitzender Tätigkeit, täglich wechselnder Unterwäsche und wundere mich noch über die diesige Luft in meiner Küche, während die 0,7 Duschen pro Tag erzeugt, nämlich 1 Olf. Zum Vergleich: Nach dem qualmende Pfanne meine Nachbarschaft schon längst in AlarmbereitSport kommt der Athlet auf 30 Olf, und die Ausdünstungen eines starschaft versetzt hat. Als Entschuldigung für solche Zwischenfälle reiche ken Rauchers liegen bei 25 Olf. Ok, aber gibt es gesetzlich vorgeschrieich manchmal «Anosmie» als Erklärung herüber, das ist die Bezeichbene Olf-Grenzwerte, und wie viel Olf erträgt ein Mensch? Ich werde nung für das völlige Fehlen der Riechwahrnehmung. Angeborene Anoskeinen Selbstversuch wagen und verlasse mich auf meinen Unterstüt-

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mie ist selten. Meist geht das Riechvermögen erst durch eine Krankheit verloren. Die Betroffenen müssen dann einen Sinn beerdigen und Abschied nehmen von ihrem bisherigen, vollständigen Leben. Ich habe keinen Verlust erlitten. Ich kann nichts vermissen, trotzdem entbehre ich etwas. Verstanden habe ich diese Entbehrung erst durch den Film «Harold und Maude». Die kauzige Maude hatte eine Duftmaschine konstruiert und folgende Gerüche zur Auswahl: alte Bücher, feuchtes Gras, mexikanischer Bauernhof und Schneetreiben auf der 42. Strasse. Sogar Schnee hat einen Geruch. Bei dieser Vorstellung habe ich zum ersten Mal über meine kaputte Nase geweint, über mein Leben bei geschlossenen Fenstern. Wie riecht die Welt? Die wirkliche Welt. Ich weiss: Was ich wahrnehme, ist nicht alles. Es gibt noch mehr, viel mehr. Menschen sollen über eine Billion verschiedener Riechstoffmischungen unterscheiden können. Eine Billion? Die Geruchswelt hat Weltraumdimensionen, und für mich blinkt nicht einmal eine Sternschuppe. Weil ich unvollständig bin, ist es auch mein Bild vom Leben. Fehlende Brücke in die Vergangenheit Wer nicht riecht, der ist ausgeschlossen, von mehr als den Düften. Er spaziert duftlos, liebt duftlos, arbeitet duftlos, tanzt duftlos und kocht auch duftlos. Würden Gerüche als Auslöser für Appetit bei mir funktionieren, wäre ich vielleicht keine Vegetarierin und hätte nicht schon als Kind im Fleisch immer nur den Tierkadaver gesehen. Weil Gerüche mir auch keine Brücke in die Vergangenheit bauen können, setzt sich mein Leben nicht aus Apfelkuchenduft in Omas Küche, feuchter Zeltplane beim ersten Camping und muffigem Kinderversteck auf dem Dachboden zusammen. Es sind allein Geräusche und Worte, die meinen Erinnerungsbildern ein Gerüst geben. Die emotionale Kraft der Düfte soll aber stärker sein als Klang. Also noch ein Bereich, in dem ich anderen MenSURPRISE 344/15

schen gegenüber im Nachteil bin. Nicht riechen, nicht gut schmecken, sich schlechter erinnern. Als wäre das nicht schon genug, muss die Liebe auch noch durch die Nase gehen. Kann die Lebensplanung glücken, wenn einem eine wichtige Entscheidungsbasis fehlt, die chemosensorischen Signale potenzieller Partner? Ich beruhige mich mit einem Blick auf die Scheidungsstatistik. Auch wer ganz bei Sinnen ist, erschnüffelt sich nicht immer lebenslanges Glück. Hilfe beim Arzt habe ich nie gesucht. Es gibt kein Heilmittel für meine Nase. Das Loch in meiner Wahrnehmung lässt sich nicht schliessen, aber im Umgang mit meiner Unfähigkeit bin ich mittlerweile routiniert. Weil ich den Akt des Riechens als Kind aber in der Rubrik «sinnfreie Sitten und Gebräuche» gespeichert habe, nistet eine lebenslängliche Skepsis in mir, mit der ich menschliches Verhalten prinzipiell infrage stelle. Gegen Lockstoffe bin ich immun und besonders wachsam gegen Bauernfänger, Ausreden, Schwindel, Aufschneiderei, Manipulation und Lügen. Ich selbst mag andere auch nicht mehr hinters Licht führen und gebe den Geruchspantomimen nur noch, wenn es sich nicht vermeiden lässt, weil nicht immer Zeit für umfangreiche Erklärungen bleibt. Ausführlich müssen sie aber immer ausfallen, damit die Leute begreifen, dass sie jemanden vor sich haben, der noch nie riechen konnte – noch nie. Mitleid ist die häufigste Reaktion, aber ich habe schnellen Trost parat: Stellen Sie sich einfach vor, mein Leben sei eine Gitarre mit nur fünf Saiten und ich der Keith Richards unter den Anosmikern. Der RollingStones-Gitarrist liess die sechste Saite irgendwann einfach weg und wurde mit seinem ganz eigenen Spiel zu einem der besten Rhythmusgitarristen der Rockmusik. Wer weiss, vielleicht steht mir noch eine grosse Karriere bevor. ■

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Recycling Im Land der Vorsichtigen Die Schweiz, bekannt für mustergültige Sammeldisziplin bei Alu und Altglas, hinkt beim Thema Kunststoff-Recycling hinterher. Warum nur?

VON MANUELA ZELLER

auf die Wiederverwertung von Alu und Glas. Beim Sammeln und Trennen von Kunststoff bleiben wir bisher offenbar hinter unserem nördlichen Nachbarn zurück. Allerdings sei das deutsche System nicht so vorbildlich, wie es auf den ersten Blick scheine, erklärt der stellvertretende Leiter der Abfallbewirtschaftung im Bundesamt für Umwelt (BAFU), Michael Hügi. Denn die Sortierung sei immer noch viel zu teuer und die effektive Verwertungsquote in Deutschland gar nicht so viel besser. «Da gibt es keine grossen Unterschiede zu unserem System, ausser bei den Kosten», so Hügi.

Kunststoff ist ein langlebiges Material. Oft sogar zu langlebig. Der Joghurtbecher könnte einfach so im Kühlschrank stehen bleiben, er würde seine Funktion wohl auch in dreissig Jahren noch einwandfrei erfüllen. Das Joghurt hingegen ist dazu bestimmt, in der nächsten Zvieripause ausgelöffelt zu werden. Wohin aber mit dem Becher? Würden wir ihn zusammen mit den Küchenabfällen kompostieren, würde es je nach Sorte rund 400 bis 600 Jahre dauern, bis er abgebaut ist. Wird der Becher verbrannt, setzt er zwar nutzbare Energie frei, belastet die Umwelt Steuerbefreiungen für Recyclingbetriebe dafür mit CO2. Doch obwohl moderne Kehrichtverbrennungsanlagen Das sieht das deutsche Umweltbundesamt (UBA) anders. Richtig sei, die Hitze aus den Verbrennungsöfen sinnvoll nutzen – Turbinen produdass es sich bei den erwähnten knapp 60 Prozent nur um Verpackungszieren Strom, und mit der Abwärme werden im Winter Häuser beheizt müll handle, sagt Franziska Krüger, Mitarbeiterin des UBA in Dessau– wäre es ökologischer, das Plastik zu recyceln. Das Sammeln, Waschen, Rosslau, alle anderen Kunststoffabfälle würden nicht systematisch rezySortieren und Einschmelzen ist weniger energieaufwendig, als Rohöl zu kliert. «Natürlich ist das Recycling der Pfandflaschen auch ein Grund, fördern, zu neuem Kunststoff zu verarbeiten und hierher zu transporwieso die Quote so hoch ist», gibt Krüger zu. Auch Kunststoffabfälle, die tieren. Dazu kommt, dass die fossilen Rohstoffe immer knapper werden zu minderwertigen Holz- und Betonersatzprodukten weiterverarbeitet und schon ihre Förderung ökologisch bedenklich ist. werden, würden dazugezählt. Unterm Strich werden in Deutschland Allerdings lässt sich Kunststoff nicht so einfach wiederverwerten wie laut einer Studie zu Produktion, Verarbeitung und Verwertung von etwa Glas. Es gibt nicht den einen Kunststoff, es gibt zahlreiche KunstKunststoffen, die 2013 von PlasticsEurope in Auftrag gegeben wurde, 57 stoffsorten. Polyethylen (PE), Polypropylen (PP) und Polyvinylchlorid (PVC) sind die häufigsten. Je nach Verwendung muss das Material stabil sein, weich oder Das deutsche System sei nicht so vorbildlich, wie es auf den ersdehnbar. Deshalb kann man Gummibärlitüte, ten Blick scheine, erklärt der stellvertretende Leiter der AbfallJoghurtbecher und Gartenschlauch auch nicht bewirtschaftung im Bundesamt für Umwelt. einfach zusammenschmeissen und daraus wieder hochwertiges Material gewinnen. Erst Prozent aller Kunststoffabfälle aus Haushalt, Gewerbe und Industrie muss sortiert werden. Das ist aufwendig und teuer. Und am Ende bleibt verbrannt. Keine glänzende Quote. In der Schweiz liegt die Verbrenimmer noch ein Rest übrig, der nicht weiterverarbeitet werden kann und nungsquote laut BAFU gemäss Zahlen von 2011 allerdings bei knappen nur noch zum Holz- oder Betonersatz taugt. 90 Prozent. Ein Unterschied, der – wenn auch wegen der unterschiedKunststoff zu recyceln ist also schwierig – aber nicht unmöglich. In lich erhobenen Daten etwas schwer zu vergleichen – nicht ganz unerDeutschland kommen Plastikverpackungen nicht in den Kehricht, sonheblich scheint. Wie sieht es in Deutschland mit den Kosten aus? Die dern landen zusammen mit Aluverpackungen in der sogenannten Gelseien schwer zu eruieren, so UBA-Mitarbeiterin Krüger, jedenfalls werben Tonne. Ausserdem sind viele PET-Einwegflaschen mit Pfand versede das Kunststoff-Recycling nicht aus Steuergeldern finanziert, auch hen und können direkt in den Laden zurückgebracht werden. 2012 kam wenn die Recyclingbetriebe von Steuerbefreiungen profitierten. Die eiDeutschland damit insgesamt auf eine Recycling-Quote von knapp 60 gentlichen Kosten trügen die Hersteller, die sie wiederum auf die ProProzent. In der Schweiz lag die Quote im selben Jahr nur bei 50 Prozent. duktpreise abwälzten. Zwar behauptet die Schweizer Fremdenverkehrsagentur Schweiz Tourismus, wir seien Weltmeister im Recycling, dies bezieht sich jedoch nur

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Kunststoff als Kunst-Stoff: «Transluzente Objekte im polarisierten Licht» heisst diese kreative Foto-Arbeit.

problematisch. Erst die Erfindung des Kunststoffs und der EinwegverpaDeutlich wird: Beim Recycling geht es ums Geld. Laut Schweizer Umckung setzte dem schweizerischen «Abfallidyll» ein Ende. Nach dem weltschutzgesetz (USG 30,d) kann der Bundesrat nur dann vorschreiZweiten Weltkrieg vervielfachte sich die Kehrichtmenge, mit der Konben, «dass bestimmte Abfälle verwertet werden müssen, wenn dies wirtschaftlich tragbar ist und die Umwelt weniger belastet als eine andere Entsorgung und Aline Trede, Nationalrätin der Grünen: «Wer sagt denn, dass eine die Herstellung neuer Produkte». Wann aber Senkung der CO2-Emissionen nichts kosten darf?» ist etwas wirtschaftlich tragbar? «Wenn die Finanzierung für ein schweizweit flächendeckendes Sammel-, Transport- und Verwertungssystem gesichert ist, es eisum- und Wegwerfgesellschaft kam die Überforderung. Noch bis 1964 nen Abnehmermarkt für das Rezyklat gibt und sich die Verwertung auch versenkte die Schweizer Armee Munition im Thunersee, und bis in die ökologisch lohnt», sagt Michael Hügi vom BAFU. Derzeit wird die VerAchtzigerjahre gab es zahlreiche «wilde» Mülldeponien. Erst 1971 kam wertung von PET, Alu und Glas in der Schweiz über eine Gebühr finandie erste wirksame gesetzliche Grundlage. Die schiere Grösse der Abziert, die wir beim Kauf gleich mitbezahlen. Ein ähnliches System für fallberge war ein erster Impuls fürs Recycling: Die Müllmenge musste Kunststoff einzuführen, wäre mit hohem administrativem Aufwand ververkleinert werden. Ein zusätzlicher Faktor waren die hohen Rohstoffbunden. preise. So wurde beispielsweise die Altglas-Sammlung von der Glasindustrie eingeführt. Diese kam in Bedrängnis, als die Preise für neues Das Ende des Abfallidylls Glas nicht mehr tragbar waren. Günstigerer Rohstoff musste her. Die ErFür die grüne Nationalrätin Aline Trede darf der Verwaltungsauffolgsmodelle Alu-, Glas- und PET-Recycling wurden dementsprechend wand jedoch kein Argument gegen Kunststoffrecycling sein. «Ich hätte weder vom Staat erzwungen noch waren sie das Resultat ökologischer auch nichts gegen eine befristete Subventionierung», sagt Trede und Weitsicht. Vielmehr trieben Sachzwänge und wirtschaftliche Interessen fragt: «Wer sagt denn, dass eine Senkung der CO2-Emissionen nichts die Abfallverwertung voran. kosten darf?» Subventioniertes Recycling wäre in der Schweiz allerdings BAFU setzt auf Privatwirtschaft ein Novum, wie ein Blick in die Geschichte der hiesigen AbfallbeseiAuf eine entsprechende Entwicklung hofft das Bundesamt für Umtigung zeigt. Noch vor 100 Jahren war dies in der Schweiz gar kein welt auch bei den noch nicht rezyklierten Kunststoffen. BAFU-MitarbeiThema. Die Güter waren teuer und Gebrauchsgegenstände hatten eine ter Hügi ist überzeugt, dass das Bedürfnis, Kunststoffe zu recyceln, in längere Lebensdauer. Aufgrund materieller Knappheit wurde wiederZukunft wachsen wird. Steigende Kunststoffpreise und die Sorge um verwendet, was noch irgendwas taugte. Holz- und Papierabfälle landeErdöl-Vorräte und CO2-Emissionen deuten bereits darauf hin. «Wir sind ten im Heizofen. Küchenabfälle wurden verfüttert, Glas und Metallteile im Freien deponiert. Nicht optimal, aber durch die geringe Menge unzuversichtlich, dass sich das von selbst positiv einpendeln wird», so HüSURPRISE 344/15

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gi. Bis dahin beobachtet das BAFU wohlwollend die privatwirtschaftlichen Recyclinginitiativen (siehe Kasten). Erst wenn sich die freiwilligen Massnahmen bewährten, könne eine Branchenvereinbarung getroffen und dann auf dem Verordnungsweg eine Sammelpflicht eingeführt werden. Die Vorgehensweise des Bundes stösst bei einem der grössten Kunststoff-Recycling-Betriebe der Schweiz, der InnoRecycling AG aus Eschlikon, auf positive Resonanz. Gemeinsam mit der Schwesterfirma InnoPlastics schmilzt InnoRecycling Kunststoff zu Regranulat ein und verkauft dieses an die Hersteller von Kunststoffprodukten. Das Unternehmen hat kein Interesse daran, dass der Bund eine Sammelpflicht durchsetzt, selbst wenn dadurch die Recyclingindustrie gefördert würde. «Es käme zu Marktverzerrungen», erklärt Markus Tonner, Geschäftsführer von InnoRecycling. Er ist davon überzeugt, dass Kunststoff-Recycling landesweit gewinnbringend funktionieren wird. Staatliche Fördergelder würden nur falsche Anreize schaffen. Umweltschutz kommt zu kurz Es reisst sich also niemand um eine staatlich verordnete Kunststoffsammelpflicht. Nicht die Industrie, nicht der Bund und auch nicht die Gemeinden, welche – da ist sich Markus Tonner sicher – froh sind, wenn sie ihre Kehrichtverbrennungsanlagen auslasten können. Auf der Strecke bleibt dabei der Umweltschutz. Um hier etwas zu bewegen, wäre mehr Einsatz nötig. Sicher würden dabei auch Fehler gemacht. Wäre das schlimm? Mit dem deutschen System werden immerhin Jahr für Jahr mehr als zwei Millionen Tonnen Kunststoff rezykliert. Mehrere Hunderttausend Tonnen CO2-Emissionen werden dadurch verhindert, mehrere Hunderttausend Tonnen Erdöl eingespart. Dabei entstehen zukunftsträchtige Technologien, Know-how wird erarbeitet. Während die Schweiz das Geschehen beobachtet und analysiert. ■

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Was in der Schweiz gesammelt wird Zwar gibt es in der Schweiz noch keine landesweite Lösung, Kunststoffe werden aber bereits heute gesammelt. Die zwei wichtigsten Projekte diesbezüglich sind die PE-Hohlkörper-Sammlungen von Migros und Coop sowie der Kunststoffsammelsack. Seit etwa einem Jahr werden in allen Migros-Filialen PE-Flaschen wie beispielsweise Shampoo- oder Waschmittelflaschen kostenfrei zurückgenommen. Dabei nutzt die Migros die Leerfahrten ihrer LKWs, um den Kunststoff zentral zu sammeln und dann weiterzuverkaufen. Obwohl bestehende logistische Infrastruktur genutzt wird, erwirtschaftet die Migros damit keinen Gewinn. Abhängig vom Wiederverkaufspreis funktioniere das System im besten Fall kostendeckend, sagt Mediensprecherin Christine Gaillet. Im Jahr 2013 konnten so 1200 Tonnen Plastikflaschen zurückgenommen werden. Ein Tropfen auf den heissen Stein: Jährlich fallen in der Schweiz rund 780 000 Tonnen Kunststoffabfälle an. Auch Coop wird bis Ende April 2015 ein entsprechendes Rücknahmeangebot eröffnen. Das Konzept Kunststoffsammelsack wurde von einem Ostschweizer Logistik-Unternehmen entwickelt. Die Kunststoffsammelsäcke müssen gekauft werden, sind aber günstiger als Kehrichtsäcke. Gesammelt werden alle haushaltsüblichen Kunststoffabfälle ausser PET, Styropor und PVC (beispielsweise Gartenschläuche). Der volle Sack wird in Entsorgungshöfen abgegeben. Der Inhalt wird zur Hälfte eingeschmolzen und zur Hälfte verbrannt. Bisher ist in 60 Gemeinden ein Kunststoffsammelsack erhältlich. SURPRISE 344/15


Energie Diese Steuer heizt den Armen ein Surprise-Verkäufer Max und seine Frau leben von 3700 Franken im Monat. Wir haben SPNationalrat und Energieexperte Beat Jans gebeten, an ihrem konkreten Fall zu zeigen, wie ihnen die Energiesteuer schaden würde, über die am 8. März abgestimmt wird.

VON BEAT JANS*

Wohnzimmer nie über 21 Grad warm wird. So lässt sich dank individueller Heizkostenabrechnung etwas Geld sparen. «Weil die Isolation so schlecht ist, nützt das aber nicht gerade viel», erklärt Max. Er hat das Gefühl, dass er durch die dünnen Böden die Wohnung über ihm mitheizt. Seine jährliche Abrechnung für Heizkosten und Warmwasser macht ihm zu schaffen: Letztes Jahr betrug sie 1183 Franken. Eine allfällige Annahme der Volksinitiative «Energie- statt Mehrwertsteuer» würde fossile Energieträger wie Heizöl und Benzin für uns alle teurer machen – auch für Max und Lisa. Die Initiative der Grünliberalen (GLP), über die wir am 8. März abstimmen, würde in spätestens fünf

Ich habe mit Max im Restaurant abgemacht. Als ich endlich komme, sitzt er nicht drin. Er wartet vor der Tür. So muss er keine Rechnung bezahlen, falls ich ihn sitzen lasse. Ein spontaner Kaffee im Restaurant passt nicht in sein Budget, jeder Franken zählt. Wir treffen uns, damit mir Max seine Finanzen offenlegt. Wir wollen an seinem konkreten Fall ausrechnen, wie sich die Volksinitiative «Energie- statt Mehrwertsteuer» auf Menschen auswirken wird, die mit sehr wenig Geld auskommen müssen. Im Magazin sollen zwar seine Haushaltszahlen erscheinen, seine Identität aber geschützt bleiben. Deshalb verwenden wir hier das Pseudonym Max. Er Max hat das Gefühl, dass er durch die dünnen Böden die Wohnung über und seine Frau Lisa, die in Wirklichkeit ebenihm mitheizt. Seine Abrechnung für Heizkosten und Warmwasser betrug falls anders heisst, wohnen im Kleinbasel. Ihr letztes Jahr 1183 Franken. Haushaltsbudget liegt 200 Franken über dem sozialamtlichen Existenzminimum. Lisa hat eine 70-Prozent-Stelle. Max, der mit 55 arbeitslos wurde, ist mittlerweile Jahren in Kraft treten. Dann würden Max’ und Lisas Kosten für Heizung ausgesteuert, bezieht aber keine Sozialhilfe. Um das Budget aufzubesund Warmwasser auf mindestens 2400 Franken ansteigen. Und dann sern, verkauft er das Surprise-Strassenmagazin. Mit diesem Zustupf Jahr für Jahr mehr kosten. Für Max ist klar: Das kann er nicht verkrafkommt das Paar auf ein gemeinsames Einkommen von 3700 Franken ten. pro Monat. 1000 Franken kosten die Versicherungen inklusive Krankenkassen. Prämienverbilligungen erhält er nicht, solange er sein bescheiSteuer- und energiepolitische Spirale denes Vermögen nicht aufgebraucht hat. Das wird aber bald der Fall Die Volksinitiative will zwei Fliegen auf einen Streich erledigen: Die sein. unbeliebte und aufwendige Mehrwertsteuer soll abgeschafft und die Weitere 1700 Franken gehen an die Miete. Die DreieinhalbzimmerKonkurrenzfähigkeit von erneuerbaren Energiequellen soll mithilfe eiWohnung wurde in den Sechzigerjahren gebaut, die Bausubstanz ist ner Energiesteuer verbessert werden. Die Verknüpfung dieser Anliegen mangelhaft, nur die Fenster wurden einmal saniert. Im Winter zieht es macht die Initiative unberechenbar. Denn die Mehrwertsteuer ist die kalt durch die Wohnungstüre. Die zentrale Ölheizung läuft dann auf derzeit wichtigste Einnahmequelle des Staates. Sie spült jedes Jahr 23 Hochtouren. Max reguliert zwar seine Heizkörper, damit auch das Milliarden in die Bundeskasse und finanziert so über ein Drittel der SURPRISE 344/15

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Staatseinnahmen. Rund zwei Milliarden davon fliessen in die AHV, je eine Milliarde werden für die IV und für Prämienverbilligungen bei den Krankenkassen verwendet. Das sind riesige Summen. Wer sie vollumfänglich durch Steuern auf Öl, Gas und Atomstrom ersetzen will, muss diese sehr hoch ansetzen. Wieviel teurer fossile Energie und Atomstrom dadurch würden, geht aus dem Initiativtext nicht klar hervor. Die GLP spricht von einer Erhöhung der Heizenergiekosten um 106 Prozent. Der Bundesrat hingegen spricht von einer Heizölpreiserhöhung von 3.30 Franken. Das wäre rund dreimal mehr, als die Initianten angeben. Auch beim Benzinpreis gehen die Schätzungen weit auseinander. Der Bundesrat sagt eine Erhöhung um drei Franken pro Liter voraus, die Grünliberalen sprechen von 1.30 Franken. Klar ist nur: Unter dem Strich müssen exakt 23 Milliarden Franken zum Bund fliessen, um die Einnahmen der Mehrwertsteuer zu ersetzen. Und genau so sieht es auch der Initiativtext vor. Die Idee hat einen grossen Haken: Erreicht die Steuer ihr Ziel, den Verbrauch von schmutziger Energie unattraktiv zu machen, dann schafft sich die Haupteinnahmequelle des Bundes selbst ab. Da teurere

Produkte weniger nachgefragt werden, wird ein so hoher Preisanstieg den Konsum an fossilen Brennstoffen und Atomstrom rasch bremsen. Damit dem Bund die 23 Milliarden nicht wegbrechen, muss die Steuer in den Folgejahren entsprechend erhöht werden, womit die Nachfrage weiter sinkt und die Steuer wiederum hochtreibt. In dieser steuer- und energiepolitischen Spirale ist kein Ende in Sicht. Mittelfristig spielt es deshalb keine Rolle, ob die Initianten oder der Bundesrat mit ihren Schätzungen richtig liegen. Die Kosten werden immer ansteigen und sind nach oben offen. Die Erfahrung lässt zweifeln Menschen wie Max haben das Nachsehen. Denn sie können fast nichts dagegen tun. Bei einer Ölpreiserhöhung um drei Franken steigen Max’ Ausgaben allein wegen der Heizung monatlich um satte 330 Franken oder von heute knapp 100 Franken auf fast 430 Franken. Dabei hat er noch Glück. Ein Auto kann sich Max heute schon nicht leisten, er müsste im Gegensatz zu den meisten Schweizern also auch weiterhin keine Benzinsteuer bezahlen. Auch bei der Elektrizität kommt er ungeschoren davon. Und was ist mit den Einsparungen? Die Mehrwertsteuer, die auf fast alle Produkte und Dienstleistungen erhoben wird, entfiele mit Inkrafttreten des Gesetzes. Eine Abschaffung der Mehrwertsteuer schlägt für alle zu Buche, in dieser Frage sind sich Bundesrat und Initianten einig. Die Mehrwertsteuer belastet Haushalte mit einem Einkommen unter 4700 Franken mit durchschnittlich rund 4,8 Prozent. Max und Lisa würden beim Einkaufen theoretisch also 153 Franken im Monat einsparen. Die Erfahrung aus der Praxis aber lässt zweifeln: Als das Parlament per Anfang 2010 die Mehrwertsteuer für die Hotellerie senkte, fielen die Preise kaum. Die Hotels nutzen die Chance, um ihre meist schlechten Betriebsgewinne aufzubessern. Dasselbe ist auch zu erwarten, wenn die Mehrwertsteuer durch eine Energiesteuer abgelöst würde. Auf den Rechnungen wäre dann zwar keine Mehrwertsteuer mehr, aber die Preise an sich wären höher. Die Händler könnten diese ganz einfach mit den viel höheren Energiekosten rechtfertigen. Auf dem Energiemarkt wäre eine Energiesteuer freilich sehr wirksam. Sie würde nukleare und fossile Energiequellen rasch verdrängen. Bei solchen Preisen wird, wer immer kann, auf alternative Energien umsteigen. Nur: Je sauberer der Schweizer Energieverbrauch dadurch würde, desto mehr Mühe hätte der Bund, die Milliarden für AHV, IV und andere staatliche Leistungen einzunehmen. Dass eine nachhaltige Energiewende über die Staatskasse funktionieren kann, wird von fast allen Experten und Politikern jeglicher Couleur angezweifelt. Ausser den Urhebern aus der GLP unterstützen nur die Grünen das Begehren – und auch sie sind gespalten. Es gibt Alternativen Dabei gäbe es durchaus Alternativen. Unter Umweltökonomen gilt der Sparbonus, auch bekannt als Lenkungsabgabe, als Königsweg. Dabei fliessen die Energieabgaben nicht aufs Steueramt, sondern direkt an die Menschen und die Wirtschaft zurück. Max und Lisa kennen das. Sie bekommen wie alle Einwohner Basels jedes Jahr je 70 Franken aus dem Basler Stromsparfonds. Das ist ein bisschen mehr, als sie dort einzahlen. Letztes Jahr kostete sie der Strom 693 Franken. 19 Prozent davon flossen in den Stromsparfonds. Für Max und Lisa hat sich das unter dem Strich ausgezahlt. Das ist typisch. Sparboni sind nicht nur ökologisch den Ökosteuern überlegen. Sie sind darüber hinaus auch nachhaltig und sozial gerecht. Wenn die Abgaben gleichmässig zurückverteilt werden, gibt es Haushalte, die unter dem Strich sogar profitieren – angenommen, der Bundesrat würde die Energiekosten der Schweiz, wie von der Initiative vorgesehen, um 23 Milliarden Franken erhöhen. Es sind die Energiesparer, die tiefen Einkommen und die grossen Haushalte. Aber anstatt im Gegenzug die Mehrwertsteuer abzuschaffen oder die Staatskasse zu füllen, würde der Bundesrat den ganzen Betrag zu zwei Dritteln an die

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Wirtschaft und zu einem Drittel gleichmässig an alle Einwohner verteilen (siehe Grafik). Für Max und Lisa gäbe das Ende Jahr einen Bonus von über 500 Franken. Je höher die Energieabgaben, desto höher der Bonus. Das wäre eine Energiewende, mit der auch Arme gut leben könnten. ■ * Beat Jans ist Umweltnaturwissenschaftler, Nationalrat, Verwaltungsrat der Industriellen Werke Basel und Vorstandsmitglied des Vereins Surprise.

Simulation: Der Sparbonus in CHF 1200 1000 983 800 788 600 400 200 197 0 513

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unter 4700

4700 – 6799

– 200 – 400 – 600

6800 – 9099

9100 – 12 499

über 12 500

Einkommen

Jährliche Kosten für verschiedene Einkommensklassen bei einer Energiepreiserhöhung um 70 Prozent, falls die Beiträge an Bevölkerung ( 1⁄3 ) und Wirtschaft ( 2⁄3 ) zurückverteilt werden. Quelle: Bundesamt für Statistik, Berechnung: Beat Jans

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Hans Peter Meier (links) führt Daniel Willi in den Surprise-Verkauf ein.

Rollentausch «Die Zeit geht extrem langsam vorbei» Im Rahmen der Internationalen Verkäuferwoche haben wir unsere Leserinnen und Leser mit je sechs Heften auf die Strasse gestellt: Wer wollte, durfte an einem Donnerstag selber die Erfahrung machen, als SurpriseVerkäufer im Getümmel zu stehen. Wir haben drei Stellvertreter-Verkaufende nach ihren Eindrücken gefragt. VON DIANA FREI (AUFGEZEICHNET) UND ROLAND SOLDI (BILDER)

Daniel Willi – der ETH-Doktorand stand von 9.30 bis 11.30 Uhr für Hans Peter Meier am Zürcher Bellevue. «Mir war nicht bewusst, dass ich ganz allein Surprise verkaufen würde. Ich dachte, ich dürfte einfach einen Verkäufer begleiten. Ich fühlte mich zunächst hilflos und musste mich recht überwinden. Ich habe dann aber Hans Peters Tipps angewandt: Grüezi sagen, in die Augen schauen. Dabei habe ich doch einen gewissen Ehrgeiz entwickelt. Ich weiss nicht, ob die Leute gemerkt haben, dass ich an sich kein Surprise-Verkäufer bin. Nur eine Dame hat gemeint: Sie sind nicht so der Typ, der normalerweise Surprise verkauft. Ich habe ihr dann geantwortet, jeder könne in eine solche Lage geraten. Sonst hatte ich aber nur reine Verkaufsgespräche. Ich hatte den Eindruck, es sei den meisten Leuten eher unangenehm, mich auf den Umstand anzusprechen, dass ich Surprise verkaufe. Ich habe in knapp zwei Stunden alle sechs Hefte verkauft. Das sind an sich 16.20 Franken Einnahmen, aber zwei Leute

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haben ein bisschen aufgerundet, und jemand hat mir einfach so zwei Franken in die Hand gedrückt. Das erste Heft ging sehr schnell weg. Das hat viel zur Motivation beigetragen. Es ist ein schmaler Grat zwischen passivem Dastehen und freundlichem Zugehen auf die Leute, ohne aufdringlich zu sein. Hier das richtige Gleichgewicht zu finden, fand ich nicht einfach. Ich habe versucht, auf ein paar junge Leute zuzugehen, aber das war schwierig, weil viele von ihnen Ohrstöpsel trugen oder am Handy waren. Einige waren etwas perplex oder überfordert, als ich sie ansprach. Oder sie sind zuerst vorbeigelaufen und nach einer halben Minute wieder zurückgekommen. Offenbar braucht man manchmal eine kurze Bedenkzeit, um sich zu entscheiden, wie man auf eine bestimmte Situation reagieren soll. Ich wollte bei dieser Aktion mitmachen, weil jeder seine Arbeit verlieren und durchs soziale Netz fallen kann. Spannend fand ich, dass die meisten Leute einen grossen Bogen um einen machen. Das habe ich zwar verstanden, aber es ist an sich schade. Genau das ist es, was ich als Erfahrung mitnehme: Es kostet ja nichts, freundlich Grüezi zu sagen.» SURPRISE 344/15


Markus Thaler (rechts) mit Raphael Aberer bei der Zürcher Sihlpost.

Raphael Aberer – der Event-Manager stand von 10.30 bis 12 Uhr für Markus Thaler am Zürcher Bahnhof, Ausgang Sihlpost. «Markus hat mir Tipps gegeben, und dann stand ich plötzlich allein da, habe gelächelt und Blickkontakt gesucht. Nach einer Viertelstunde habe ich das erste Heft verkauft. Danach begann ich mich zu freuen und habe Selbstvertrauen entwickelt. Ich hatte das Gefühl, das überträgt sich auch auf die Leute. Ich habe mir dann überlegt, wieso die Leute ausgerechnet jetzt bei mir ein Heft kaufen sollen, also habe ich ihnen gesagt: Heute ist der letzte Tag, an dem das Heft erhältlich ist. Die meisten haben mir freundlich zugelächelt und gemeint: Schon gut. Spannend war, dass ich innerhalb von 20 Minuten vier Hefte verkaufte. Vorher lief nichts, und nachher auch nichts. Es gab keinen ersichtlichen Rhythmus für mich, man verkauft zum Beispiel nicht regelmässig ein Heft pro Stunde. Die letzten beiden Exemplare wurde ich nicht mehr los. Als die Verkaufsphase vorbei war, rutschte wieder das Dastehen in den Fokus, die Kälte. Wenn eine halbe Stunden lang nichts passiert, geht die Zeit extrem langsam vorbei. Mit der Zeit schweift man ab und kommt in seine eigenen Gedanken hinein. Ich habe bei dieser Aktion mitgemacht, weil ich mir schon oft überlegt habe, wie man zum Surprise-Verkäufer wird. Gerade in meiner Generation bei uns in der Schweiz, ist das für viele nicht vorstellbar. Wir haben keine Angst, arbeitslos zu werden. In meinem Umfeld kenne ich niemanden, der Probleme hätte, einen Job zu finden. Wenn man keine abgeschlossene Lehre hat, sieht das Leben aber schon mal anders aus. Man kann über die Armut in der Schweiz theoretische Diskussionen führen, aber sehr viele Schweizer verstehen nicht wirklich, wovon sie dabei reden. Am meisten Eindruck gemacht hat mir, mit Markus über seine Situation zu sprechen. Von Schicksalsschlägen zu hören, von Geschichten zu erfahren, die einen aus der Bahn werfen können.» SURPRISE 344/15

Diana Brasey verkaufte ihre Hefte im Zürcher Hauptbahnhof.

Diana Brasey – die Grafikerin stand von 12.15 bis 14 Uhr für Ewald Furrer im Hauptbahnhof Zürich. «Als ich auf dem Vertriebsbüro von Surprise ankam, um meine Hefte zu holen, war gerade eine Schulklasse da, die von der Surprise-Stadtführung kam. Ich erlebte, wie die Surprise-Verkäufer allen etwas zu trinken anboten und sich ehrlich dafür interessierten, was die jungen Leute für Eindrücke mit nach Hause nahmen. Die Verkäufer, die dort waren, empfand ich als sehr offen und lebenslustig, und ich hatte den Eindruck, die machen ihren Job gerne. Dann gab mir Ewald meine Hefte und legte die Bahnhofsordnung dazu, weil ich auf SBB-Boden verkaufen ging. Da darf man nur Grüezi sagen, die Leute aber nicht weiter ansprechen, und muss an der vorgesehenen Stelle stehenbleiben. Das fand ich recht einschränkend. Auf öffentlichem Grund hätte man wenigstens noch die Möglichkeit zu fragen: «Kennen Sie Surprise?» Ich war aber zur Passivität gezwungen. Ich habe erst nach einer vollen Stunde mein erstes Heft verkaufen können. 80 Prozent der Leute schauen automatisch weg. Das fand ich ziemlich frustrierend. Suchst du Augenkontakt, schauen sie, was du in der Hand hast, und dann blicken sie sofort weg. Am stärksten empfand ich das bei den Leuten, die meiner Einschätzung nach vermögend sind. Mir schien es, als wollten sie sich nicht einmal ansatzweise mit schwierigen Lebenssituationen auseinandersetzen. Der Mittelstand und die einkommensschwächere Schicht wirkten auf mich ein bisschen offener. Ich habe mit Ewald darüber geredet, und er meinte, er habe unterdessen seine Stammkundschaft. Das mache es einfacher für ihn. Wenn ich selber ein Heft kaufe, will ich den Verkaufenden damit zeigen: Ich sehe dich, ich nehme dich war. Es wäre mein Wunsch, dass die Leute sich mehr dafür interessieren würden, was ausserhalb ihrer eigenen Wohlfühl-Oase passiert.» ■

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Fremd für Deutschsprachige Star Wars Wer glaubte, es gebe nur einen Planeten, der menschliches Leben beherbergt, könnte seit dem 7. Januar eines Besseren belehrt worden sein. Insbesondere regelmässige Medienkonsumenten dürften in Verwirrung geraten, bekommen sie doch Erstaunliches zu lesen. Da heisst es etwa, durch die sogenannt «freie» oder auch «westliche» Welt gehe ein «Riss» und die «Kontinentalplatten unserer Freiheitsordnung» verschöben sich. Jesses! – oder Ähnliches denken wir Weltbürgerinnen da, zu Recht alarmiert. Doch ich halte Sie an, jetzt nicht in Panik zu verfallen: Halten Sie die Augen offen bei der Verrichtung Ihrer Tagesgeschäfte, denn es liegen bisher kaum Anhaltspunkte darüber vor, wo dieser Riss genau verläuft. Bewegen Sie sich mit Vorsicht und gehen Sie LANGSAM UND RUHIG (!) um den Riss he-

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rum, sollten Sie auf ihn stossen – Sie könnten sonst in diesen hineinfallen! Auch über den genauen Verbleib der obengenannten Kontinentalplatten besteht eine Reihe offener Fragen, weshalb Sie jederzeit aufpassen sollten, nicht durch einen unachtsamen Schritt zwischen ebendiese Platten zu geraten und buchstäblich zermalmt zu werden. All das mag die hartgesottenen User unter uns noch ungerührt lassen, doch dann lesen wir weiter – und uns schwant Übles: UNS gibt es ab sofort nicht mehr, nun wird aufgeteilt. Da ist die Rede von einer «Frontlinie», an der «unsere» westliche Welt die «christlich-abendländischen Werte» gegen eine zweite, als «islamisch» bezeichnete Welt verteidige … Totale Verwirrung in der Leserschaft: Werden nun alle muslimischen Leser evakuiert und auf einen Islamplaneten geschossen, damit die erste, nunmehr einzig freie Welt sich gegen diese verteidigen kann?! Ein Blick auf historische Schlagzeilen zeigt aber, dass Weltspaltungen keineswegs selten sind. Einst war ein «Kalter Krieg» in aller Munde, der die Welt nicht wie heute halbierte, sondern gleich dreiteilte. Der Einfachheit halber wurde dabei durchnummeriert: 1., 2., 3. Welt. In der 1. Welt lebten wie heute die guten Menschen – wie viele Hollywood-Filme schön zeigen. Die 2. Welt war böse und gefährlich, was man unter anderem an ihrer alarmierenden Flaggenfarbe (Blutrot !) erkannte. In der 3. und letzten Welt tummelte sich alles, was nicht ein-

deutig in Gut und Böse gliederbar war und sich daher als Kriegsspielplatz für die Mächte der 1. und 2. Welt eignete. Eine andere Gliederung orientierte sich am «Entwicklungsgefälle»: Die arme 3. Welt; die überlegene 1. Welt; und die 2., eigentliche Zwischenwelt, die sich ehrlich Mühe gab, wie die 1. zu sein und darum eine eigene Welt verdiente. Nach dem Kalten Krieg wechselten die Himmelsrichtungen: Der Westen ist jetzt im Norden und der Osten im Süden. Der gilt als ungefährlich, sind doch seine Hauptmerkmale die Schwäche und das Betteln um die Hilfe des Nordens, zu dem – nein: dem grosse Teile des Südens früher gehörten. Wer à jour ist, wird längst an die «globalisiserte» Welt denken. Für diese ist charakteristisch, dass es davon nur eine gibt, ihre Bevölkerung aber quer durch alle Himmelsrichtungen vernetzt ist. Einen Schnitt durch diese zu machen, dürfte schwierig sein, denken Sie? Allerdings. Nun, da unsere Welt zerteilt werden soll, bin ich kaum die Einzige, die sich fragt: Was passiert mit mir? Lande ich bei meinen Eltern auf dem Muslimenstern oder bei der Mehrheit meiner Freunde auf dem abendländischen? SHPRESA JASHARI (SHPRESAJASHARI@HOTMAIL.COM) ILLUSTRATION: RAHEL NICOLE EISENRING (RAHELEISENRING.CH) SURPRISE 344/15


Fumetto Realist mit Sinn fürs Makabere Es ist eine kleine Sensation in der Comic-Welt: Dem Liebhaber-Festival Fumetto ist es gelungen, den so breit verehrten wie öffentlichkeitsscheuen Künstler Jacques Tardi zu einer erstmaligen Werkschau und mehreren Auftritten in Luzern zu bewegen.

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Tardis Sicht auf den Krieg ist die des einfachen Soldaten. Es ist Anfang des Jahres 1915, für den fiktiven Ich-Erzähler des Comics «Putain de Guerre» (in der deutschen Übersetzung «Elender Krieg») bedeutet das den Beginn des unvorstellbaren Horrors im Schützengraben. «Inmitten dieses Infernos hätte ich sie liebend gerne alle gesehen, diese Schlauköpfe: Joffre, den Präsidenten, den Kaiser, die Minister, die Pfaffen, alle Generäle und meine Mutter, weil sie mich zur Welt gebracht hatte!» Soeben ist im Schützengraben des Frontsoldaten das Geschoss einer deutschen Kanone explodiert. Im Vordergrund zerreisst es einen Kameraden, Männer, Körperteile und Eingeweide fliegen durch die Luft, es ist die Hölle auf Erden. «Eine weitere Überraschung dieses Kriegs und eine der wunderbarsten ist die herausragende Rolle, die die Poesie darin spielt», zitiert Tardi auf der vorhergehenden Seite des beschriebenen Bilds den Schriftsteller Paul Bourget. In seinen historischen Comics schont der Pariser Comiczeichner niemanden: die Leser nicht und schon gar nicht die verantwortlichen Autoritäten und Kriegsverherrlicher. Doch auch der einfache Soldat wird bei Tardi nicht heroisch verklärt, sondern als Mensch gezeichnet, der einen nüchternen bis lakonischen Blick auf das Geschehen wirft und halt das tut, was die anderen auch tun: auf den «Fritz» schiessen, der ihm «ans Leder will». Tardis Verdienst ist es, die Realität des Krieges sichtbar zu machen – in Bildern, die als Fotos kaum zu ertragen wären, und mit Comicfiguren, welche die dazu nötige Distanz schaffen, ohne das Geschehen zu verniedlichen. Jacques Tardi ist der unbestrittene Star des diesjährigen Fumetto. Seit drei Jahren bereits versucht die künstlerische Leiterin Jana Jakoubek, den öffentlichkeitsscheuen Künstler nach Luzern zu holen. Bei Anfragen dieser Art pflegt er sich auf den Standpunkt zu stellen: Was ich zu sagen habe, findet sich in meinen Büchern. Am Fumetto 2015 wird nun Tardis allererste Werkschau zu sehen sein. Dazu wird der Autor gleich mehrere Tage am Festival präsent sein. Wie Jakoubek das gelang? «Berufsgeheimnis», sagt die ehemalige Journalistin, geheimnisvoll lächelnd, und fügt dann doch hinzu: «Hartnäckigkeit». Jakoubek mutmasst, Tardi habe wohl geschätzt, dass das Fumetto ein nicht-kommerzielles Festival ist. Die künstlerische Leiterin des Fumetto macht keinen Hehl daraus, dass ihr Weibeln um den weltweit verehrten Künstler auch mit ihrer persönlichen Faszination für dessen Werk zu tun hat. Jakoubek schwärmt von der «besonderen Kraft», die von Tardis Werken ausgeht, von seiner filmischen Art des Erzählens und von der Akribie, mit welcher der Künstler die Umgebung seiner Geschichten recherchiert und mit grosser historischer Genauigkeit darstellt – letzteres das Resultat einer jahrelangen Zusammenarbeit mit dem Historiker Jean-Pierre Verney, der zu «Pu-

© TARDI CASTERMAN

VON FLORIAN BLUMER

Putain de Guerre: Wer sich dem Gemetzel entziehen will, wird erschossen.

tain de Guerre» eine reich bebilderte Zusammenfassung des Kriegsverlaufs beisteuerte. Mehrere Werke Tardis zum Ersten Weltkrieg sind trotz oder wohl eher wegen der Tatsache entstanden, dass sein traumatisiert aus dem Krieg zurückgekehrter Grossvater nie über das Erlebte sprach. In Luzern werden Originale aus diesen Bänden zu sehen sein, dazu auch solche aus der neuesten Reihe über die Zeit seines Vaters im deutschen Kriegsgefangenenlager Stalag II B, aus seinen zahlriechen Krimis sowie aus «Les Aventures Extraordinaires d’Adèle Blanc-Sec» – mit den fantastischen Geschichten der unerschrockenen Dame hatte Tardi als junger Comicautor seinen Durchbruch. Allen Geschichten gemein ist, dass sie vor historischer Kulisse spielen. Wie seine Frau Dominique Grange, Sängerin und Protagonistin der Protestbewegung des Mai 1968, ist Tardi überzeugter Pazifist. Den Krieg zeigen, wie er ist, das ist offensichtlich die zentrale Motivation für den oft brutalen Realismus in seinen Werken. Jakoubek betont aber, dass Tardi durchaus einen Sinn fürs Makabere hat. So fliegt bei «Adèle» auch mal eine abgetrennte Hand durchs Bild, die einem zum Leben erweckten Flugsaurier aus dem Schnabel gefallen ist. Das Menschliche steht bei Tardis Geschichten immer im Vordergrund. Doch ob im Krieg oder im Krimi: Wenn Blut fliesst, dann fliesst es eben. Auch bei Tardi. ■

Fumetto, Internationales Comix-Festival Luzern, Sa, 7. bis So, 15. März. Am Fr, 13. März multimediales Spektakel «Putain de Guerre» mit Tardi und Dominique Grange, am So, 15. März Podiumsdiskussion mit Tardi. www.fumetto.ch

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© MO DIENER BILD: ZVG

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Kultur

Der Plattenteller lässt das Musikgedächtnis rotieren.

Kunst aus dem Kofferraum – der ja auch eine Art Archiv ist.

Buch Amour fou und Bilderrätsel

Ausstellung Die Kunst des Ordnens

Mit der Comix-Sammlung «Kennst du das Lied?» lädt das Künstlerduo Milk and Wodka zu einem nostalgisch-musikalischen Ratespiel ein.

Einen Monat lang gewähren Kunstschaffende in der Stadtgalerie Bern Einblicke in die Arbeitsweise mit eigenen Archiven. VON MONIKA BETTSCHEN

VON CHRISTOPHER ZIMMER

Beim diesjährigen Comix-Festival Fumetto widmet sich eine der Begleitausstellungen anhand von Konzertplakaten, Covers und Originalen von 19 stilprägenden Schweizer Gestaltern der Amour fou von Rockmusik und Grafik ab Beginn der Sechzigerjahre. Das Künstlerkollektiv Milk and Wodka des in Basel lebenden gebürtigen Schaffhausers Remo Keller und des Zürchers Roman Maeder würde bestens in diese Riege Gleichgesinnter passen, denn wenn eines die beiden auszeichnet, dann sicher auch die Nähe zu aller Musik, die rockt. Speziell bei Keller aka San Remo, der in den Achtzigern mit Flyern und Plakaten für die eigene Punkband begann und auch heute noch als Bassist von Denner Clan deren Erscheinungsbild gestaltet. Die Geburtsstunde von Milk and Wodka schlug 1999, als sich Keller und Maeder in Zürich kennenlernten. Seitdem hat das Duo nicht nur zehn Comic Books mit an die 300 nationalen und internationalen Künstlern publiziert, sondern auch eine Vielzahl von Siebdruckkarten, Postern und Minicomix. Angesiedelt ist ihr bunter Mix aus tanzenden Skeletten, schrillen Figuren, scharfen Kontrasten und klaren Linien irgendwo zwischen Pop Art und Art Brut, von den Künstlern selbst auch schon folgerichtig als Pop-Brut oder Bast Art bezeichnet – eine verspielte und tabulose Kunst mit Biss. Eine lupenreine Ausgeburt ihrer eigenen Amour fou zur Musik ist ihr Disco Quiz, das seit 2012 unter dem Titel «Kennst du das Lied?» in der Schweizer Musikzeitschrift Loop erscheint. Wobei Quiz wörtlich zu nehmen ist, sind diese Ein-Bild-Comix doch waschechte Bilderrätsel, bei denen es gilt, Titel von Klassikern kreuz und quer durch die Musikgeschichte zu erraten, von AC/DC über Elvis und Züri West bis zu Harry Belafonte, Céline Dion, die Stones oder The Clash – ein wahrhaft buntes Potpourri. Die bisher 30 Schwarz-Weiss-Grafiken dieser Serie sind nun als Sammlung erschienen und nicht nur ein optisches Vergnügen, sondern vor allem auch ein perfektes Mitbringsel zu Partys oder Jubelfesten aller Art und ein nostalgischer Rätselspass für jeden Musik-Aficionado. Milk + Wodka: Kennst du das Lied? Disco Quiz. Edition Taberna Kritika 2015.

Während der Öffentlichkeit eher die konkrete Entstehung von Kunst ein Begriff ist, gibt es einen Teil der künstlerischen Arbeit, von dem nur wenig nach aussen dringt, der für die Entwicklung zahlreicher Projekte aber von grosser Bedeutung ist: der Einbezug eines eigenen Archivs in den schöpferischen Prozess. Kunstschaffenden stellt sich früher oder später die Frage, wie sie ihre entstandenen Werke am besten aufbewahren und gleichzeitig zugänglich erhalten sollen. Ein gut strukturiertes Archiv, mit den passenden Daten ergänzt, bietet einem Künstler die Möglichkeit, einen neuen Blick auf die Gesamtheit seines bisherigen Schaffens zu werfen und Entwicklungen darin zu erkennen. Die vom Verein OVRA Archives organisierte Ausstellung «KunstArchivKunst» in der Stadtgalerie Bern widmet sich diesem Thema mit einem breiten Programm. Die Zürcherin Mo Diener zum Beispiel wird vor Ort Videokunst und Performance miteinander verflechten, wobei die Videos selber zum Archiv werden – und immer neue Wendungen möglich machen. Vom 2011 verstorbenen Berner Künstler Norbert Klassen wird ein sehr persönliches Archiv ausgestellt: Klassen sammelte Kaffeeuntersetzer. Die Flüchtigkeit unzähliger genossener Tassen summiert sich dabei zu einem berührenden Ganzen. Ziel des Vereins OVRA ist die Förderung, Vermittlung und Vernetzung von Künstlerinnen und Künstlern durch die Archivierung ihres Werkes. In einem Inforaum geben Experten und Institutionen über die Erstellung von Online-Datenbanken oder Nachlassplanungen Auskunft. «Gerade die Nachlassplanung ist ein interessanter Punkt, denn ein Archiv soll auch Aussenstehenden einen Überblick und eine neutrale Einschätzung des Gesamtwerkes ermöglichen», sagt Renée Magaña, Präsidentin des Vereins OVRA Archives. «Es kommt vor, dass Museen von den Hinterbliebenen eines Künstlers angefragt werden, ob diese nicht die Werke aufnehmen und sortieren könnten. Dafür fehlt es aber an Manpower und Platz», so Magaña. Ein Podiumsgespräch am 25. März in der Kunsthalle Bern wird die Frage vertiefen, inwiefern ein Archiv dabei helfen kann, ein Gesamtwerk richtig einzuschätzen. «KunstArchivKunst», Do, 5. März bis Sa, 4. April, Stadtgalerie Bern, Waisenhausplatz 30, Bern, www.ovra-archives.com

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BILD: ISTOCKPHOTO

Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.

Vom Hamburger-Bun sind Nehmerqualitäten gefordert.

Piatto forte Drunter und Drüber Was ist ein Sandwich ohne Fleisch? Nichts als Brot. Ein Sandwich ohne Brot? Nichts als Fleisch.

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mcschindler.com GmbH, Zürich

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fast4meter, Storytelling, Bern

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Maya-Recordings, Oberstammheim

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Bachema AG, Schlieren

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Kaiser Software GmbH, Bern

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Ko Schule für Shiatsu GmbH, Zürich

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Schweizerisches Tropen- und Public HealthInstitut, Basel

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Lions Club Zürich-Seefeld, Zürich

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Klinik Sonnenhalde AG, Riehen

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Privat-Pflege und Betreuung, Oetwil am See

Mani Matter erkannte das Wesen des Sandwiches, und mit dem Hamburger ist es nicht anders. Kümmern wir uns also um die beiden Hauptfiguren dieses Klassikers – das Fleisch und das Brot eben. Die Eigenschaften des Brötchens können nicht hoch genug geschätzt werden: Es darf weder zu weich noch zu hart sein und den Burger geschmacklich nicht dominieren. Zudem sind gewisse Nehmerqualitäten gefordert: Die Saucen dürfen das Bun nicht zu schnell durchweichen, und ein kleiner Röstschock auf dem Grill muss ebenso verkraftet werden. Zwei Deziliter lauwarmes Wasser, drei Esslöffel warme Milch, zwei Teelöffel Zucker und einen Hefewürfel in einer Schüssel vermischen. Etwa 15 Minuten stehen lassen und in der Zwischenzeit in einer grossen Schüssel 500 Gramm Mehl mit knapp zwei Teelöffeln Salz vermischen. 80 Gramm weiche Butter zufügen und mit den Fingern kneten, bis sich kleine Krumen gebildet haben. Die Hefe-Wasser-Mischung und ein verquirltes Ei mit einem Kochlöffel untermischen, bis die Masse klumpt. Nun beginnt der Fitness-Teil: Den Teig zehn Minuten fest kneten, bis er seidig glänzt. Den Teig dann etwa eine Stunde an einem warmen Ort gehen lassen. Aus dem Teig dann acht Brötchen formen und auf einem mit Backpapier belegten Blech verteilen und nochmals eine Stunde gehen lassen. Den Ofen auf 200°C vorheizen, eine Schüssel Wasser auf den Boden des Ofens stellen. Das zweite Ei mit einem Esslöffel Wasser vermischen, die Teiglinge damit bestreichen und mit Sesam oder Mohn bestreuen. Die Burger-Buns etwa 15 Minuten backen, bis sie goldbraun sind. Auskühlen lassen. Bei der Fleischfüllung können Sie mehr Fantasie walten lassen als beim Brötchen. Für vier Hamburger vermischen Sie rund 800 Gramm Rindshackfleisch, zwei Scheiben in wenig Milch aufgelöstes Toastbrot oder ähnlich viel Paniermehl und ein Ei zum Binden sowie eine fein geraffelte Zwiebel. Würzen können Sie nach Lust und Laune. Wichtig ist, dass das Hackfleisch-Patty luftig und weich ist, bevor Sie es idealerweise auf dem Holzgrill braten. Danach bestreichen Sie die kurz angetoasteten Buns mit den Saucen, die wir in der letzten Piatto-forte-Kolumne zubereitet haben (Heft 342), und ergänzen den Burger: Salatblätter, Zwiebelringe, gebratener Speck und eine Scheibe reifer Cheddar sind die klassischen Zutaten.

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Praxis Colibri-Murten, Murten

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Schumann & Partner AG

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Bruno Jakob Organisations-Beratung, Pfäffikon

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VXL Gestaltung und Werbung AG, Binningen

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Hofstetter Holding AG, Bern

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Projectway GmbH, Köniz

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OfficeWest AG, Baden

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Scherrer & Partner GmbH, Basel

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ArchitekturPlus, Zürich

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Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich

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FC Basel 1883 U19 Team UEFA Youth League

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Homegate AG, Zürich

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GELD & SO MADLEN BLÖSCH, Basel

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LS Real GmbH, Zürich

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Echtzeit Verlag, Basel

Bezugsquellen und Rezepte: www.piattoforte.ch/surprise

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VON TOM WIEDERKEHR

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Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

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BILD: SAMMLUNGEN, ARCHÄOLOGIE UND MUSEUM BASELLAND

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Ausgehtipps

Riesiger Fundus: Zeitdokument aus dem Sozialarchiv.

Zürich Recht brisant

Eskimokind Minik, Mitbringsel aus Grönland.

Damals, als reizvoll noch nicht cool sein musste.

Zürich Ein Eskimo in New York

Liestal Einblick ins Unterhemd

Es gab einmal eine Zeit, und die liegt gerade mal hundert Jahre zurück, als es Europäer und US-Amerikaner völlig okay fanden, «Exoten», also Inder, Afrikaner und andere Ureinwohner, in ihren Zoos zu bestaunen. Ganz in diesem Sinn und Geist brachte der New Yorker Arktisforscher Robert Peary 1897 nebst einem grossen Meteoriten auch fünf Eskimos von seiner Grönlandexpedition mit. Im Donnerstagskino des Völkerkundemuseums der Uni Zürich ist die Geschichte des kleinen Minik zu sehen, der als Kind auf Pearys Schiff in die USA verschleppt wurde (damit Sie jetzt keine Leserbriefe schreiben: Das Völkerkundemuseum, und die müssen’s ja wissen, betont, dass sich die Polareskimos im Norden Grönlands selber Eskimos nennen). Der Vater und seine anderen drei Verwandten starben innert weniger Monate an Krankheiten, die sie in ihrer Heimat nicht kannten. Minik war der Einzige, der überlebte. Er wurde zum Liebling der Presse und lernte die Freuden der Zivilisation durchaus zu schätzen. Bleiben wollte er trotzdem nicht. (fer)

Es gab einmal eine Zeit, in der alles, was man drunter trug, chic wurde. Da prangten die adretten Damen in ihren Bikinis, ihrer Unterwäsche mit Häkelspitzen und ihren Seidennachthemden auf Werbeplakaten und schauten in spitzen BHs und erhobenen Hauptes in die Welt hinaus. Es war die Zeit, in der die Hausfrauen wussten: Hanro muss es sein. Kleider aus dehnbaren Trikot-Stoffen waren damals revolutionär und das Liestaler Textilunternehmen begründete mit ihnen seine über hundertjährige Firmengeschichte. Das gesamte Hanro-Archiv ging als Geschenk an den Kanton Basel-Landschaft, das Museum.BL gibt nun einen Einblick in die Sammlung – und die besteht bei Weitem nicht nur aus ein paar Häkelunterhosen und bestickten Miedern: Rund 20 000 Kleidungsstücke umfasst der Fundus, dazu Werbematerialien, Plakate und Firmenaktien. Ein kulturhistorischer Schatz. (dif)

Der Schweiz müsse man die Menschenrechte nicht vorschreiben, meinen die einen und wollen – wie zum Beispiel Bundesrat Ueli Maurer – die Europäische Menschenrechtskonvention kündigen. Für die anderen sind die Menschenrechte eine universell gültige Errungenschaft, die geschützt gehört. Eine Partei geht im Depositarstaat der Genfer Konventionen auf Kollisionskurs mit den Menschenrechten, Geheimdienste hören flächendeckend ihre Bürger ab, in geheimen Gefängnissen in ganz Europa wird im Namen der Freiheit gefoltert – in solchen Zeiten hat diese Auseinandersetzung höchste Brisanz. Das Schweizerische Sozialarchiv besitzt die grösste Sammlung von Dokumenten zur Diskussion um die Menschenrechte in der Schweiz. Im Rahmen einer rund einstündigen Präsentation wird dieses einzigartige Material gezeigt. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung nicht nötig. (ami) «Menschen haben Rechte», Mi, 4. März, 18 bis 19 Uhr. www.sozialarchiv.ch

Anzeige:

«Bewahre! Hanro», noch bis zum 26. Mai, Museum.BL, Amtshausgasse 7, Liestal. www.museum.bl.ch

«Minik», Film von Axel Engstfeld, Grönland/ Deutschland 2006, deutsch. Do, 5. März, 19 Uhr, Völkerkundemuseum der Uni Zürich, Pelikanstrasse 40, Zürich.

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BILD: ZVG

Neoliberale Vögel haben im Packeis schlechte Überlebenschancen.

Verhasste einzige Heimat: Kiezkönig Arabboy.

Bern Überleben mit viel Punk

Aarau Keine Chance

In Zeiten des neoliberalen Individualismus will die Theaterformation EberhardGalati im Tojo Theater der Reitschule «das Verdikt des Misslingens wieder zu einer solidarischen Angelegenheit» machen. Als Grundlage dazu dient ihr die Geschichte der Antarktis-Expedition von Sir Ernest Shakleton im Jahr 1914, der weniger Glück beschieden war als der Arktisfahrt, die im nebenstehenden Ausgehtipp zum Film «Minik» beschrieben ist. Denn die «Endurance» stellte sich als nicht sehr ausdauernd heraus: Das Schiff blieb im Packeis stecken und wurde vom Eis erdrückt. Shakleton und seine Männer mussten ums nackte Überleben kämpfen – Solidarität sicherte schliesslich das Leben aller. EberhardGalati sind sich nicht so sicher, ob das 2015 auch noch so laufen würde. Also machten sie ihr Stück zu einem Experiment, in dem sich Zuschauer und Performer gemeinsam aus dem Packeis befreien müssen, mit offenem Ausgang. «Viel Punk und Solidarität» empfehlen sie, um vom kollektiven Scheitern auf den Weg des gemeinsamen Erfolgs zu kommen. Klingt gut, der Tatbeweis muss aber noch erbracht werden. Also, wer noch einen Tropfen Solidarität übrig hat: auf ins Tojo Theater! Ihr werdet gebraucht. (fer)

Jeder halbwegs informierte Zeitgenosse weiss: Es ist ein Riesentheater mit diesen Migranten. Blieben alle, wo sie herkommen, müsste man sich keine lästigen Fragen nach Integration und Identität stellen. Genau das tut aber das Secondo Theaterfestival, und zwar mit Stücken von, über und für Migrationsbetroffene – also uns alle. Etwa mit «Arabboy» aus Berlin-Neukölln, das seit fünf Jahren für Furore sorgt. Die Welt des libanesisch-kurdisch-palästinensischen Secondos Rashid wird bestimmt vom Gesetz der Strasse, er schwingt sich in einem Rausch von Drogen, Macht und Gewalt zum Kiezkönig auf. Nach dem obligaten Absturz wartet er auf seine Abschiebung aus dem verhassten Deutschland, das dennoch die einzige Heimat ist, die er je gekannt hat. Auf subtilere Weise behandelt die Basler Produktion «Söhne» eine ähnliche Thematik: Da kreuzen sich die urbanen Lebensgeschichten von fünf Männern an einem Imbissstand. Was sie vereint, ist Migration – vom Dorf in die Stadt, von Land zu Land, erzwungen oder gewählt. Ihre Geschichten sind schwer, doch ihre Selbstbehauptung ist wie ein Zuhause. Was passiert, wenn das Kulturgut von Nachfahren von Schweizer Auswanderern aus Chile zurück in die ursprüngliche Heimat kommt, zeigt eine VideoDoku-Performance der Cie trop cher to share – und reflektiert dabei die Bedeutung von Heimat in einer globalisierten Welt. Und zum Lachen bringen will das Duo I Pelati delicati, bestehend aus einem Secondo aus Zürich-Höngg und einem Primo aus Süditalien, ganz nach dem Motto: «Wir haben keine Chance, also nutzen wir sie!» (ami)

«Hoping for the best but expecting the worst» – eine szenische Prophylaxe von EberhardGalati. Do, 19. bis Sa, 21. März, jeweils 20.30 Uhr, Tojo Theater in der Reitschule Bern. www.tojo.ch

Secondo Theaterfestival, Mi, 11. bis So, 15. März, Theater Tuchlaube, Aarau. Vor und nach den Aufführungen in Aarau ist das Festival auf Tournee in St. Gallen, Biel, Basel und Zürich. www.secondofestival.ch

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Nachruf Erinnerungen an Wolfgang Kreibich

Sein «Süüpriise! Süüpriise!» in tiefem, sonorem Basston durchdrang den ganzen Bahnhof. Wolfgang war ein leidenschaftlicher Surprise-Verkäufer. Und einer, der sein Business verstand: Akribisch führte er Buch über den Absatz, seine Pausenzeiten richtete er nach den statistischen Erkenntnissen. Mit grossem, beblumtem Strohhut oder lichterbehangenem Riesenzylinder präsentierte er jeweils weit sichtbar die neueste Ausgabe des Strassenmagazins. Es war ein herber Schlag für ihn, als die SBB das Ausrufen im Bahnhof verboten, seine Verkäufe brachen ein. Aber Wolfgang war keiner, der sich leicht unterkriegen liess. Wie er auf seinen Stadtführungen stolz erzählte, trickste er die Autoritäten aus, indem er sich beim Eingang in die neutrale Zone zwischen SBB-Grund und Allmend stellte – und umso inbrünstiger «Süüpriise! Süüpriise!» in die Schalterhalle rief. Ob in der Rolle als Ausrufer, als Strassenchorsänger, als sozialer Stadtführer oder als Schauspieler im Surprise-Theaterstück im Rahmen des Basler Festivals «wildwuchs»: Wolfgang identifizierte sich voll und ganz mit Surprise und wusste dabei seine Mitstreiter mitzureissen und sein Publikum zu begeistern. «Er wollte die Leute berühren – er hat es immer geschafft. Seinem Charme konnte sich niemand entziehen, weder Männer noch Frauen», sagt die stellvertretende Geschäftsleiterin von Surprise, Sybille Roter, die gemeinsam mit ihm und zwei anderen Stadtführern den Sozialen Stadtrundgang aufgebaut hat. Es war ein Tag im März 2007, als Wolfgang bei Surprise anklopfte, nicht lange nach seiner Ankunft in Basel. Die Liebe, erzählte er, sei es gewesen, die ihn aus dem heimatlichen Essen in Deutschland fortgetrieben habe. Die genauen Beweggründe waren nie zu erfahren. Denn so begnadet er als Geschichtenerzähler war, so ungern sprach er über seine Vergangenheit. Seine Eltern, so viel erzählte er, seien aus ihrer Heimat vertriebene Sudetendeutsche gewesen. Und sicher ist, dass die Erfahrung der Ausgrenzung sein Leben prägte. «Ich habe immer gegen die Ausgrenzung gekämpft», sagte er gegenüber Sybille Roter nach dem Besuch des Holocaust-Mahnmals in Berlin. Der Besuch der Gedenkstätte anlässlich einer Weiterbildungsreise der Stadtführer hatte ihn tief bewegt. Neben der ansteckend fröhlichen kannte Wolfgang auch eine dunkle Seite. Immer wieder fiel er in schwere Depressionen, so auch im Jahr 2009. Damals erlitt er dazu seinen ersten Herzinfarkt. Trotz mehreren Operationen trug er körperliche Folgeschäden davon – er hatte lange versucht, die Schmerzen zu unterdrücken und zu verbergen, bis er sich doch noch ins Spital bringen liess. Wolfgang kämpfte sich auch aus dem Depressionstief wieder heraus. Nach mehreren Jahren begeisterten Engagements in all seinen Jobs und Projekten und der Krönung seines Liebesglücks mit einer bewegenden Hochzeit kam die Depression im Mai letzten Jahres mit voller Wucht zurück. Wolfgang zog sich nach Tecknau zurück, in den hintersten Zipfel

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BILD: KATHRIN SCHULTHESS

(18. März 1959 – 2. Februar 2015)

des Baselbiets. Surprise-Mitarbeitende besuchten ihn immer wieder und bekräftigten, dass die Tür weiterhin offen stand für ihn. Er bedankte sich jeweils für die Besuche, an eine Rückkehr war aber lange nicht zu denken. Dann, Anfang dieses Jahres, sah er wieder Licht am Ende des Tunnels. Am letzten Januarwochenende holte er sich Hefte am Bahnhof Basel und stellte sich danach in Gelterkinden auf die Strasse, um seine Arbeit wieder aufzunehmen. Auch seinen Wiedereinstieg bei den Stadtrundgängen plante er. Mit der Besserung des seelischen Zustands war ihm aber auch bewusst geworden, dass sein Körper stark unter seinem ungesunden Ess- und Trinkverhalten gelitten hatte, er meldete sich deshalb für eine ärztliche Untersuchung an. Doch es war schon zu spät. Am Montag, dem 2. Februar erlitt er einen Herzstillstand und brach zusammen. Die Reanimierungsversuche der Rettungssanitäter blieben erfolglos. Wolfgang Kreibich starb im Alter von 55 Jahren, bei seiner Arbeit auf der Strasse in Gelterkinden. Wolfgang wird uns fehlen, als Verkäufer, als Stadtführer, als Chorsänger – und in erster Linie als Mensch. (fer) ■ SURPRISE 344/15


SurPlus – eine Chance für alle! Werden Sie Gotte oder Götti bei SurPlus Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten. Menschen, die kaum Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt wieder Struktur und mehr Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Das verdient Respekt und Unterstützung. Das Spezialprogramm SurPlus ist ein niederschwelliges Begleitprogramm für ausgewählte Surprise-Verkaufende, die regelmässig das Strassenmagazin

verkaufen und hauptsächlich vom Heftverkauf leben. Diese Verkaufenden erhalten nur geringe soziale Ergänzungsleistungen und werden im Programm SurPlus gezielt vom Verein Surprise unterstützt: Sie sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit, Nahverkehrsabonnement) und werden bei Problemen im oft schwierigen Alltag begleitet. Mit einer Patenschaft leisten Sie einen wesentlichen Beitrag für die soziale Absicherung der Verkaufenden und ermöglichen ihnen, sich aus eigener Kraft einen Verdienst zu erarbeiten. Vielen Dank für Ihr Engagement!

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Surprise ist: Hilfe zur Selbsthilfe Surprise hilft seit 1997 Menschen in sozialen Schwierigkeiten. Mit Programmen in den Bereichen Beschäftigung, Sport und Kultur fördert Surprise die soziale Selbständigkeit. Surprise hilft bei der Integration in den Arbeitsmarkt, bei der Klärung der Wohnsituation, bei den ersten Schritten raus aus der Schuldenfalle und entlastet so die Schweizer Sozialwerke.

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Herausgeber Verein Surprise, Spalentorweg 20, 4051 Basel www.vereinsurprise.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Do T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 info@vereinsurprise.ch Geschäftsführung Paola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (stv. GL) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@vereinsurprise.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Amir Ali (ami), Florian Blumer (fer), Diana Frei (dif, Heftverantwortliche), Mena Kost (mek) redaktion@strassenmagazin.ch leserbriefe@strassenmagazin.ch Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Rahel Nicole Eisenring, Shpresa Jashari, Olivier Joliat, Carlo Knöpfel, Melanie Kobler (Grafik), Yvonne Kunz, Stephan Pörtner, Isabella Seemann, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Tom Wiederkehr, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Monika Bettschen, Rahel Nicole Eisenring, Beat Jans, Dominik Plüss, Nicole Quint, Kathrin Schulthess, Isabella Seemann, Roland Soldi, Sophie Stieger, Manuela Zeller Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 19 600 Ex., Abonnemente CHF 189, 24 Ex./Jahr Marketing, Fundraising T +41 61 564 90 50 Svenja von Gierke

Sport und Kultur Surprise fördert die Integration auch mit Sport. In der Surprise Strassenfussball-Liga trainieren und spielen Teams aus der ganzen deutschen Schweiz regelmässig Fussball und kämpfen um den Schweizermeister-Titel sowie um die Teilnahme an den Weltmeisterschaften für sozial benachteiligte Menschen. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Chor. Gemeinsames Singen und öffentliche Auftritte ermöglichen Kontakte, Glücksmomente und Erfolgserlebnisse für Menschen, denen der gesellschaftliche Anschluss sonst erschwert ist. Finanzierung, Organisation und internationale Vernetzung Surprise ist unabhängig und erhält keine staatlichen Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle anderen Angebote wie die Betreuung der Verkaufenden, die Sportund Kulturprogramme ist Surprise auf Spenden, auf Sponsoren und Zuwendungen von Stiftungen angewiesen. Surprise ist eine nicht gewinnorientierte soziale Institution. Die Geschäfte werden vom Verein Surprise geführt. Surprise ist führendes Mitglied des Internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP) mit Sitz in Glasgow, Schottland. Derzeit gehören dem Verband über 100 Strassenzeitungen in 40 Ländern an. Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83 Thomas Ebinger, Anette Metzner, Spalentorweg 20, 4051 Basel, basel@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Zürich T +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12 Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, zuerich@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02 Andrea Blaser, Alfred Maurer, Bruno Schäfer, Pappelweg 21, 3013 Bern, bern@vereinsurprise.ch Strassenchor T +41 61 564 90 40, F +41 61 564 90 99 Paloma Selma, p.selma@vereinsurprise.ch Strassensport T +41 61 564 90 10 Lavinia Besuchet (Leitung), l.besuchet@vereinsurprise.ch, David Möller (Sportcoach) www.strassensport.ch Vereinspräsident Peter Aebersold

Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird von der Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt. Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen.

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BILDER: DOMINIK PLÜSS

Surprise Mehr als ein Magazin

Stadtführer Rolf Mauti führt den Grossen Rat durch den Basler Hauptbahnhof.

Sozialer Stadtrundgang Politiker auf der Strasse Regierungsrat Christoph Brutschin – Vorsteher des Departementes für Wirtschaft, Soziales und Umwelt des Kanton BaselStadts – und eine Gruppe Basler Parlamentarier ging beim Sozialen Stadtrundgang auf Tuchfühlung mit Armutsbetroffenen. Anlässlich der «Vendor Week» (Verkäuferwoche) des Internationalen Netzwerks der Strassenzeitungen INSP Anfang Februar lud Surprise die Mitglieder des Basler Grossen Rats auf einen Sozialen Stadtrundgang ein. Politiker sind Entscheidungsträger auch in sozialen Fragen. Daher ist es wichtig, dass sie hinter die Kulissen der alltäglichen sozialen Realitäten sehen. Rund 20 Parlamentarierinnen und Parlamentarier nahmen teil, darunter eine grosse Gruppe aus der Grossratskommission für Gesundheit und Soziales. Die Stadtführer Rolf Mauti und Markus Christen vermittelten den Teilnehmern einen Eindruck der Lebensbedingungen rund um die Konfliktzone Bahnhof. Mit dabei war auch Grossrat Joël Thüring (SVP), der besonders vom geschützten Arbeitsplatz «Jobshop» beeindruckt war. «Dieses Projekt sollten wir weiter ausbauen», meinte Thüring und ergänzte: «Vielleicht liessen sich hier sogar gewisse Arbeiten der Verwaltung auslagern, davon könnten beide Seiten profitieren.» Nicht überzeugt hat ihn die Situation am Bahnhof SBB, wobei er sich durchaus bewusst sei, dass es hier ein Dilemma gebe. «Natürlich möchten sich alle gern dort treffen, wo viel los ist», so Thüring. «Allerdings sind die grossen Gruppen von Randständigen schon eine Zumutung für Touristen und Pendler.» Beatriz Greuter (SP), Präsidentin der Gesundheits- und Sozialkommission des Grossen Rats, sagt: «Der Stadtrundgang in der Kälte hat gezeigt, wie wichtig es ist, dass Menschen ohne Zuhause ein warmes Plätzchen bekommen.» Was die Situation am Bahnhof angeht, so meint Greuter, man könne Menschen, die einem persönlich nicht passen, nicht in die Peripherie hinausdrängen, auch sie gehörten ins Stadtzentrum. (win)

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Aufmerksame Zuhörer: Joël Thüring (links) und Christoph Brutschin

Stadtführer Markus Christen weist auch auf Details hin.

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Macht stark.

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