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Die Öko-Lüge Wir ernst meinen wir es mit dem Umweltschutz? Bewegte Geschichten: Südafrikanische Tänzer in der Schweiz

Tragisches Geheimnis: Viele Armenier wissen nichts von ihrer Herkunft

Nr. 348 | 24. April bis 7. Mai 2015 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.


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Eine Tasse Solidarität! Machen Sie mit: Zwei bezahlen, eine spendieren. Café Surprise gibt es hier: In Basel Café-Bar Aktienmühle, Gärtnerstrasse 46 Café-Bar Elisabethen, Elisabethenstrasse 10 Café Restaurant Haltestelle, Gempenstrasse 5 Post Bar, St. Johanns-Vorstadt 80 Trattoria Bar da Sonny, Vogesenstrasse 96 In Bern Restaurant Genossenschaft Brasserie Lorraine, Quartiergasse 17 Café Kairo, Dammweg 43 Café Tscharni, Waldmannstrasse 17a Luna Llena Gelateria Restaurant Bar, Scheibenstrasse 39 In Thun Joli Mont, Bälliz 60 In Zürich Café Zähringer, Zähringerplatz 11

Weitere Informationen: www.vereinsurprise.ch/cafesurprise Ein Projekt des Verein Surprise.


Titelbild: Elena Madrid

In meiner Kindheit waren Kleber in Mode, die man dort anbrachte, wo man sich Sparsamkeit und Umweltbewusstsein antrainieren sollte. «Heb Sorg zum Wasser» stand da drauf, und sie klebten neben dem Wasserhahn und am WC-Deckel, vergilbt und wellig von der Feuchtigkeit. Meine Eltern waren Teenager während des Zweiten Weltkriegs, und meine Mutter hat oft erzählt, wie sie in den Kriegsjahren Eier von den eigenen Hühnern zusammenlasen. Dieselbe Mutter sollte in den Achtzigern dann noch manche Dose Ravioli öffnen und die Vanillecrème mit Dr. Oetker statt mit eigenen Eiern zubereiten, aber trotzdem: Die Anlage zum Sparen – und damit, ohne grosse Absicht, zur Nachhaltigkeit – war da. Das hat dazu geführt, dass ich noch heute Zahnpasta- und Handcrèmetuben aufschneide, um auch das letzte Milligramm noch herauszukratzen. Das ist peinlich DIANA FREI REDAKTORIN im Jahr 2015, weil Sparsamkeit ohne den Zweiten Weltkrieg nach Geiz aussieht. Es ist aber die Grosszügigkeit, die sympathisch macht. Und gerade die grosszügige Geste ist im neuen Umweltbewusstsein wichtiger als Sparen und Verzicht. So gibt man sich gerne als Connaisseur zu erkennen, der weiss, wo der Käse noch in Handarbeit hergestellt wird – und man kann ihn sich auch leisten. Man zeigt sich weltgewandt, indem man um die globalen Zusammenhänge weiss. Man stellt seinen Sinn für Qualität unter Beweis, indem man nachhaltig lebt. Es schleichen sich kleine Selbsttäuschungen ein, weil der Lifestyle als Leitplanke genauso wichtig ist wie die Umwelt: Man kauft saisonales Gemüse, während man weiterhin Flugreisen macht. Wieso diese kleinen Schummeleien durchaus ihre Auswirkungen haben, lesen Sie in unserer Titelgeschichte ab Seite 10. Es gibt auch Schummeleien, die nichts Grosszügiges, sondern etwas Verzweifeltes an sich haben: Im Film «Life in Progress» hat die Schweizer Regisseurin Irene Loebell das Leben einer südafrikanischen Tanztruppe aus einem Township festgehalten. Sie hielt drauf, wo die Handlung dramatisch wurde. Und die Protagonisten sahen beim fertigen Film lieber weg, wenn er ihnen allzu wahrhaftig wurde. Die Tänzerinnen und Tänzer haben sich ihr Leben in Armut offensichtlich mithilfe kleiner Lebenslügen eingerichtet. Lesen Sie ab Seite 18, was meine Kollegin Sara Winter Sayilir erfahren hat, als sie die Gruppe auf ihrem Besuch in Basel begleitete. Und wir haben noch mehr Lügen im Heft: «Es ist wahr, wir sind Armenier. Aber sag es niemandem!», sagt der Grossvater zu seinem neunjährigen Enkel, der Türke zu sein glaubte und durch Zufall von seiner wahren Herkunft erfuhr. Manche türkische Armenier sind 100 Jahre nach dem Genozid in einer Unwahrheit gefangen, die einst das Überleben möglich gemacht hat und heute eine Identitätsfindung fast verunmöglicht. Mehr erfahren Sie ab Seite 13. Herzlich Diana Frei

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 oder vereinsurprise.ch/spenden-surprise Ihre Meinung! Wir sind gespannt auf Ihre Kritik, Ihr Lob oder Ihre Anmerkungen. Schreiben Sie uns! Auf leserbriefe@strassenmagazin.ch oder an Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, 4051 Basel. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion trifft eine Auswahl und behält sich vor, Briefe zu kürzen. Oder diskutieren Sie mit uns auf www.facebook.com/vereinsurprise SURPRISE 348/15

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BILD: ZVG

Editorial Schummeln und Lügen


06 06 07 07 08 22 23 24 26 28 29 30

10 Ökologie Wir Heuchler BILD: ELENA MADRID

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Inhalt Editorial Geiz und Grosszügigkeit Die Sozialzahl Hausaufgaben für die Wirtschaft Aufgelesen Käfer als Drohnen Zugerichtet Töfflibuebe Leserbriefe Jesus im Urin Starverkäufer Oliver Guntli Porträt Kind der Sowjetunion Fremd für Deutschsprachige Stress mit dem Gruss Film Weiblichkeit versus Wertvorstellungen Kultur Tim Burton macht grosse Augen Ausgehtipps Die Zukunft denken Verkäuferporträt Nach dem Familienleben Projekt SurPlus Eine Chance für alle! In eigener Sache Impressum INSP

Wir schreiben uns gerne auf die Fahnen, besonders umweltfreundlich zu leben. Wir essen wenig Fleisch, gehen mit dem Velo statt mit dem Auto zur Arbeit und trennen das PET vom Glas. Was aber nützt’s? Wir haben drei Durchschnittsbürger in unterschiedlichen Lebenssituationen ihr eigenes Umweltverhalten einschätzen lassen. Und einen Umweltexperten gefragt, wo wir uns am häufigsten selbst belügen.

13 Armenien Ins Licht treten BILD: ANDY SPYRA

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Am 24. April jährte sich der Völkermord an den Armeniern zum 100. Mal. Es gab damals auch Überlebende: Armenier, die von kurdischen oder türkischen Familien versteckt wurden. Heute erfahren die Nachkommen allmählich die Wahrheit über ihre Herkunft. Für sie beginnt ein schmerzhafter Weg der Identitätsfindung. Eine Reportage.

BILD: DOMINIK PLÜSS

18 Township Auf der Suche nach Fortschritt

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Einen Monat touren die Protagonisten des Dokumentarfilms «Life in Progress» aus dem Township Katlehong in Südafrika mit der Regisseurin Irene Loebell durch die Schweiz und geben Tanzworkshops. Wir haben die Gruppe bei ihrem Besuch in Basel getroffen und mit ihnen über die intensiven Dreharbeiten und geplatzte Wunschträume gesprochen.

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Bildungsstan d der weiblic hen Wohnbev Angaben in Pr ölkerung im ozent erwerbsfähige n Alter (2013) 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 25 bis 34 Jahr e 35 bis 44 Jahr e obligatorische Schule Sekundarstuf e II (Berufsaus bildung) Sekundarstuf e II (Allgemeinb ildung) Quelle : BFS, Schweiz erische Arbeit skräfteerhebu ng

Die Sozialzahl Bildung ist weiblich e provoDas knappe Ja zur Masseneinwanderungsinitiativ en imisch einhe des ng Nutzu zur te zierte eine intensive Debat möch n mman ider-A Schne srat Bunde Arbeitskräftepotenzials. bsErwer ältere um tun, mehr ve te mit einer Fachkräfte-Initiati erhöhte Betätige im Arbeitsmarkt zu halten und Frauen eine schäftigung zu ermöglichen. BeteiliFrauen sind in der Schweiz häufig erwerbstätig. Die Verlen ationa intern im gung der Frauen am Arbeitsmarkt ist Vietief. oft ist d gleich sehr hoch. Aber der Beschäftigungsgra hat Das g. bstäti le Frauen sind nicht mal zu 50 Prozent erwer die der in tun, viel mit der innerfamiliären Arbeitsteilung zu . leiden g Frauen in den Familien unter einer Mehrfachbelastun Blick der wie Dies soll sich nun ändern; mit guten Gründen, zeigt. iz Schwe der in n Fraue der d gsstan auf den Bildun iedenen Alversch der d gsstan Bildun den man Vergleicht schiede. Ein tersgruppen, so zeigen sich erstaunliche Unter nie über Viertel der Frauen zwischen 55 und 64 Jahren kamen Hälfdie Knapp s. hinau luss absch Schul einen obligatorischen Stuein en konnt nt Proze 13 nur lehre, te absolvierte eine Berufs Eine en. mach chule Hochs oder dium an einer Universität Drittel der Generation später sieht dies ganz anders aus. Ein Hocheinen heute weist Frauen zwischen 25 und 34 Jahren der nach haben nt Proze schulabschluss aus. Nur noch zehn Daht. gemac ldung Ausbi obligatorischen Schule keine weitere Geschlecht mit unterscheidet sich das Bildungsprofil nach universimit n kaum mehr. Inzwischen ist der Anteil der Fraue er. Die Männ der tärer Ausbildung sogar leicht höher als jener zu geso gen Politik ist also gut beraten, die Rahmenbedingun n. könne en stalten, dass Frauen ihren Beschäftigungsgrad erhöh

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45 bis 54 Jahr e

55 bis 64 Jahr e Tertiärstufe (h öhere Berufsbi ldung) Tertiärstufe (H ochschule)

Das Schlüsselwort zur besseren Nutzu ng der inzwischen bestens qualifizierten Frauen ist «Vereinb ark eit». Die Vereinbarkeit von Beruf un d Familie soll weite r verbessert werden. Das mag gut und löb lich sein. Drei «Abe r» sind allerdings an zubringen. Das erste Aber bezieht sich au f die Begrenzung de Vereinbarkeit von Be r ruf und Familie. De nn Karriere ist in die ser Polarität nicht vorgesehen. Aufstieg smöglichkeiten trotz Teilzeitarbeit wären hier das entscheidend e Moment. Hier hat die Wirtschaft ihre Hausaufgaben noch längst nicht gemach Das wird mit dem zw t. eiten Aber deutlich, das den mangelhaften Einbezug der Mä nner beklagt. Es sch eint, als wäre die Ve einbarkeit von Beru rf und Familie nur ein Problem der Frauen. Moderne Beziehung en suchen zwar na ch Möglichkeiten, be zahlte und unbezahlt e Arbeit, Beruf, Karri ere und Familie für beide Eltern zu ve reinbaren. Doch so lange die Männer den Vereinbarkeitsp in länen nicht mitgeda cht werden, werde diese kaum die gewü n nschte Wirkung err eichen. Ausser – un damit sind wir beim d dritten Aber – die «Vereinbarkeitsfalle schnappt zu. Das he » isst: Wenn die öffen tlic he Hand die Vereinbarkeit von Beru f und Familie mit na mhaften Mitteln erleichtert, steigt die Erwartung, dass die Fra uen auch tatsächlich ihren Beschäft igungsgrad steigern . Die Gefahr beste dass die Spielanlag ht, e bald einmal vom freiwilligem Entsche den-Können zum Mi ittun-Müssen kippt – ohne dass ernsthaft über die bestehend e Mehrfachbelastu ng nachgedacht un der Haushalts- und d Familienarbeit der Frauen mehr materielle Wertschätzun g entgegengebracht worden wäre. CA RL O KN ÖP FE L (C .KN OE PF EL@ VE RE IN SU RP RIS E.C BIL D: SO PH IE AM H) MA NN , WO MM

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Aufgelesen News aus den 90 Strassenmagazinen, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Wege aus der Armutsfalle Hamburg. Die Armen werden ärmer, die Reichen reicher. Das ermittelte eine Studie der deutschen Bertelsmann-Stiftung. Demnach mussten die Beschäftigten im unteren Fünftel der Lohnpyramide seit Mitte der Neunzigerjahre ein Schrumpfen ihres Reallohns hinnehmen, während die oberen 20 Prozent heute noch besser verdienen. Dazu kommt, dass Kinder aus armen Familien schon bei der Einschulung motorisch und sprachlich im Rückstand sind. Die Stiftung fordert deshalb mehr erschwingliche Plätze in Betreuungseinrichtungen.

Futuristische Rettungskäfer London. Wissenschaftlern aus Singapur und Kalifornien ist es gelungen, afrikanische Rosenkäfer mit einem Miniaturcomputer und einem Funksender für Rettungseinsätze auszustatten. Mittels Bienenwachs werden die kleinen Geräte am Rücken der Tiere befestigt, von wo sie mittels spezieller Signale den Seh- und Flugapparat des Käfers kontrollieren. So können die Insekten als lebende Rettungsdrohnen beispielsweise bei der Suche nach Verschütteten eingesetzt werden.

50 Euro im Monat Kiel. Auch zwei Jahre nach der Katastrophe in der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesh arbeiten Angestellte der asiatischen Textilindustrie im Schnitt 14 Stunden pro Tag und verdienen damit höchstens 50 Euro im Monat. Laut der «Clean Clothes Campaign» entfällt nur 1 Prozent des Verkaufspreises auf Arbeitslöhne. Schon eine Steigerung des Preises um 17 Cent böte die Möglichkeit, die Arbeitseinkommen in den Billiglohnländern zu verdoppeln.

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Zugerichtet Grundlos ausgerastet Alle drei, das Opfer und die zwei Täter, hatten Glück, wenn man von Glück überhaupt reden kann: Das Opfer, ein 58-jähriger Zeitungsausträger, kam mit einem Schrecken, aber heil davon; hätte er sich nicht «so besonnen» verhalten, wie der Staatsanwalt festhielt, hätte er womöglich mit seiner Gesundheit oder gar mit dem Leben bezahlt. Dann sässen die zwei Kollegen, Luca,* 26 und Tim,* 25, auch nicht wegen Drohung auf der Anklagebank des Bezirksgerichts, sondern wegen schwerer Körperverletzung oder gar Tötung. Die beiden jungen Männer aus der Zürcher Agglomeration, Freunde seit der Schulzeit, waren im Sommer vor zwei Jahren zusammen im Ausgang unterwegs. Zuerst besuchten sie ein Pub, anschliessend eine Disco. Es sollte ein lustiger Abend werden. Bier und Vodka Red Bull flossen in Strömen. 1,7 Promille hatte der eine, 1,8 Promille der andere im Blut, als sie sich frühmorgens auf den Weg zur S-Bahn machten. Der jüngere der beiden hatte ein Taschenmesser in der Jacke. «Das habe ich, um im Wald Pilze glatt abzuschneiden, auch wenn das komisch klingt.» Aber dann zog er es mitten in Oerlikon raus und stach unvermittelt in den Vorderreifen eines stehenden, aber laut knatternden Töfflis. Der Reifen war futsch. Das Moped gehörte dem Zeitungsausträger. Es war vier Uhr dreissig morgens, seine Schicht begann. Er rief den beiden hinterher, was das soll. «Das hätte ich vielleicht lassen sollen», rutscht es ihm vor den Publikumsrängen im Gerichtssaal heraus. Als sei er selbst schuld daran, dass die beiden auf einmal auf ihn zustürmten und ihn packten. Sie zerrten ihn auf die

andere Strassenseite, knallten ihn gegen den Zaun. Der ältere der beiden riss ihn zu Boden und hielt ihn mit beiden Knien unten, während sein Komplize mit der Klinge vor seinem Gesicht herumfuchtelte und immer wieder drohte, ihn «aufzuschlitzen». Nach der Schilderung des Opfers dauerte sein Martyrium an die zehn Minuten. Immer wieder fragte der Jüngere, ob er nun wisse, was Todesangst sei. Ja, das weiss er, und wird es so schnell nicht vergessen. Wenn er am Tatort vorbeifährt, ist die Erinnerung wieder da. Nachts wacht er davon auf. «Ich muss öfter an diese Geschichte denken, als mir lieb ist», sagt er während der Verhandlungspause. Er leidet unter Nervosität und Schlafstörungen. Die beiden Freunde waren angetrunken, doch sie waren trotz des Pegels bei Bewusstsein – aber wie von Sinnen. Eine Erklärung haben sie nicht, und das ist das Verstörende. Als die beiden den Zeitungsausträger um Verzeihung bitten, gewährt er sie, ohne Umschweife. Die beiden Freunde haben zusammen Geld gespart und ihm 2000 Franken Schmerzensgeld bezahlt, die materiellen Schäden beglichen. Reue treibt sie, aber auch die Angst, sich ihre ganze Zukunft «mit einem Abend versaut» zu haben. 18 Monate auf Bewährung werden es schliesslich. Die beiden sind nicht vorbestraft und haben eine feste Arbeit. Der Richter hält den Angeklagten zugute, dass sie reinen Tisch machen wollen. Das sei nicht üblich und spreche für sie. Dies sei «ein Beispiel», belehrt der Richter, «was Alkohol aus unbescholtenen Bürgern machen kann». * persönliche Angaben geändert. ISABELLA SEEMANN (ISEE@GMX.CH) ILLUSTRATION: PRISKA WENGER (PRISKAWENGER@GMX.CH) SURPRISE 348/15


Leserbriefe «Eine faule Tomate wäre angemessen gewesen» Charlie und Konsorten? Nein danke Emil ist einfach Klasse! Wer von uns hat ihn nicht ins Herz geschlossen? Wer von uns durfte nicht schon herzhaft lachen dank ihm? Und aus dem Interview erfahre ich, dass Emil charakterlich integer und in einem besonderen Punkt vorbildlich ist: Er hat sich Grenzen gesetzt. Unter anderem macht er keine Nummern über Religion – «Da kannst du Leute ganz einfach verletzen …» Ganz anders viele Satiriker und Künstler. Sie handeln nach dem Grundsatz «Satire darf alles», «Kunst darf alles». Dem widerspreche ich vehement! Das grauenhafte Geschehen am 8. Januar in Paris hatte mir, ja uns allen, die Sprache verschlagen! Zu den Taten dieser mordgierigen Fehlgeleiteten möchte ich nichts sagen. In unserer Gesellschaft verabscheuen (fast) alle diesen Terror. Doch meine Reaktion ist nicht «Ich bin Charlie». Wenn «Charlie», dann «Chaplin», denn dessen Humor ist poetisch, positiv, einfach wundervoll. Satire und Kunst im Allgemeinen darf nicht alles. Menschen verletzen, kränken, ihnen Heiliges in den Dreck ziehen, Tabus brechen fast nur als Selbstzweck, das kann es nicht sein. Das ist nicht Kunst, sondern Ausdruck von Selbstüberschätzung und Respektlosigkeit. Die sogenannte «künstlerische» Freiheit hat ihre Grenze an der Würde und Überzeugung anderer Menschen und anderer Kulturen. Wenn der Messias als gekreuzigtes Schwein dargestellt wird oder ein Kruzifix – also auch eine Figur des gekreuzigten Jesus – in Urin gestellt und fotografiert wird, dann ist diese Grenze überschritten. Vor Jahren hatte ich einmal bei so einem Vorkommnis unter Freunden gewitzelt: «Die sollten so etwas mal in Bezug auf den Islam machen, dann werden sie sehr bald in die Luft gesprengt.» Makaber und tragisch ist das nun wahr geworden. Solche «Künstler» haben keinen Applaus verdient. Eine Bombe ist auch falsch. Doch eine faule Tomate wäre schon angemessen, um gegen ihre Arroganz zu protestieren. Wir brauchen nicht überhebliche, menschenverachtende, sondern positive Kunst. Emil ist ein Beispiel für positiven Humor. Persönlich lie-

Nominieren Sie Ihren Starverkäufer! Schreiben Sie uns mit einer kurzen Begründung, welche/n Verkäufer/in Sie an dieser Stelle sehen möchten: Verein Surprise, Redaktion Spalentorweg 20, 4051 Basel F +41 (0)61 564 90 99 redaktion@vereinsurprise.ch

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be ich Geschichten von Ephraim Kishon! Wie der etwas, das falsch oder komisch läuft, also einen «Missstand», aufs Korn nehmen und ad absurdum führen kann! Genial! Solch positiven Humor meine ich. Georg E. Radecke, Winterthur

«Die Lady und der lange Marsch», über die vor hundert Jahren geborene US-amerikanische Jazzsängerin Billie Holiday und ihren Protestsong «Strange Fruit» Eine neue Perspektive auf den antirassistischen Popsong Benedikt Sartorius fächert aus einer neuen Perspektive den antirassistischen Protestsong auf. Dankbar bin ich für den Aspekt der Klage und Trauer von Billie Holiday sowie den Hinweis auf die zeitgenössische Black Music. Einmal mehr fand ich in Surprise einen hochkarätigen Artikel. Isabelle Wanner, Baden

«Ein Pazifist unter Kriegern», Porträt von Armin Köhli, der sich als Mitarbeiter der NGO Geneva Call in Kriegsgebieten für Zivilisten einsetzt «Ich bewundere Armin Köhlis Wille und Mut» Das Porträt von Armin Köhli habe ich mit grossem Interesse gelesen, lebe ich doch selbst seit über 40 Jahren in Tunesien! Wie sehr bewundere ich diesen Armin Köhli, seinen Elan, Arabisch zu lernen, seine Idee, ganz verschiedene Protagonisten im Nahen Osten auf das Völkerrecht aufmerksam zu machen, seinen ungeheurern Willen und – seinen Mut. In Ihrem Artikel haben Sie nicht die vielen Gefahren angesprochen, die Herr Köhli auf sich nimmt, die vielen Risiken … Vielen Dank für dieses Porträt, überhaupt ist diese Surprise-Nummer besonders vielseitig und interessant. Marianne Triki-Eigenheer, per Mail

BILD: ZVG

Surprise Nr. 346 «Das Kabarett war mein Rettungsanker», Interview mit Emil Steinberger

Starverkäufer Oliver Guntli Doris Brunner aus Ostermundigen schreibt: «Der junge Verkäufer Oliver Guntli verdient ein grosses Lob. Er ist immer zuvorkommend und hat ein sanftes Lächeln auf dem Gesicht. Er bietet mit viel Geduld vor der Migros Marktgasse in Bern seine Hefte an: Oft wird lange keines gekauft, die Leute hasten vorbei. Ich finde, er ist sehr mutig und hält sich tapfer!»

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Porträt Plötzlich Popstar Zarina Tadjibaeva ist in der Sowjetrepublik Tadschikistan aufgewachsen, seit sieben Jahren lebt sie in der Schweiz. Als Übersetzerin fürs Migrationsamt wird sie immer wieder beschimpft – ihr Ventil ist die Bühne. VON STEFAN MICHEL (TEXT) UND ALEXANDRA WEY (BILD)

chender ausgeschafft wird. «Da werde ich auch mal beschimpft: Wie kannst du bloss für die arbeiten!» Reagieren darf sie nicht. Selten bittet sie um die Erlaubnis, zu sagen: «Ich mache nur meinen Job.» Zarina arbeitet auch für das Ambulatorium für Folter- und Kriegsopfer, für Frauenhäuser und Spitäler. Die Distanz, die sie jederzeit wahren muss, ist ihr Schutz. «Wenn ich nach Befragungen von Asylsuchenden in Bern nach Hause fahre, fällt das von mir ab. Trotzdem verfolgen mich besonders schwierige Fälle manchmal tagelang, am intensivsten, wenn Kinder involviert sind.» Gespräche mit Psychologen und Berufskollegen helfen ihr, die Eindrücke zu verarbeiten, wenn sie selber nicht mehr herausfindet. So fröhlich impulsiv, wie sie erzählt, kann man sie sich nur schwer grübelnd und zweifelnd vorstellen. «Für mich ist es eine grosse Ehre, in so intimen Momenten dabei zu sein, etwa wenn ein Mann Tränen zulässt, dessen Kultur das eigentlich verbietet», beschreibt sie ihre Motivation für ihre schwierige Arbeit. Ihr eigentliches Ventil ist die Bühne. Kaum hatte Zarina 2012 an der Schauspielschule Zürich ihr Diplom erhalten, begann sie am Konservatorium mit Unterricht in klassischem Gesang. Zwei Jahre später war sie bereits Solistin im Chor der Nationen. Sie war mit einem Solo-Programm traditioneller Lieder aus Zentralasien auf Tournee und stand im Opernhaus in einer Sprechrolle auf der Bühne. Was sie schon als Jugendliche wollte, holte sie nun im Eiltempo nach. «In der Kunst lebe ich die Emotionen aus, die ich beim Dolmetschen zurückhalten muss», erklärt sie.

«Zarina», stellt sie sich vor, ein fröhliches Lächeln im Gesicht. Sie habe gerade tadschikische Kekse gebacken, zum persischen Neujahrsfest, das am 21. März gefeiert wird. Was ist ihre Heimat? Zarina Tadjibaeva zögert keine Sekunde mit ihrer Antwort: Tadschikistan. Obwohl sie inzwischen mehr als die Hälfte ihres Lebens in Deutschland und der Schweiz verbracht hat. Und obwohl sie ihre Heimat im Unfrieden verliess. Später im Gespräch präzisiert sie: «Ich bin ein Kind der Sowjetrepublik Tadschikistan.» Der Sowjetunion, wie sie sie als Kind kannte, trauert sie nach: «Für uns Kinder war sie wundervoll. Wir gingen zur Schule, zum Tanz- oder Musikunterricht, alles gratis. Dann zerfiel die UdSSR, und plötzlich war alles nur noch Geld und Kapitalismus.» In Tadschikistan brach ein Bürgerkrieg aus, verschiedene Gruppierungen kämpften um die Macht im Staat, der sich im September 1991 unabhängig erklärt hatte. Zarina wuchs in der Hauptstadt Duschanbe auf, als Kind einer liberal denkenden Familie, in der alle studiert hatten. «In der Stadt, die eben noch wunderschön, grün und ruhig war, wurde nun gekämpft und vergewaltigt.» Zarina wollte aber noch aus einem anderen Grund weg: «Ich fühlte mich wie eine Ausserirdische.» Sie trug Jeans, fuhr Fahrrad, ging mit einem roten Hut durch die Stadt – lauter Dinge, die ein tadschikisches Mädchen nicht tue. «Ich war ein Rebell, weisste», schiebt sie in ihrem jugendlichen deutschen Slang hinterher. Eigentlich wollte sie nach Moskau auswan«Für uns Kinder war die UdSSR wundervoll. Als sie zerfiel, war dern. Aber dann ergab sich die Möglichkeit, in plötzlich alles nur noch Geld und Kapitalismus.» Deutschland ein Praktikum zu machen. Zarina hatte bereits drei Jahre Elektrotechnik studiert. Wie das Übersetzen sei auch die Musik eine Brücke nach Hause, in Schauspiel oder Gesang hätten sie mehr interessiert, aber angesichts der die Heimat, die es nicht mehr gibt. «Ich fühle mich mit allen Menschen unsicheren Zukunft ihrer Heimat schien ihr der Beruf ihres Vaters die verbunden. Wir sind uns alle viel näher, als wir glauben», ist sie überbessere Perspektive. zeugt. Dazu passt das jüngste Abenteuer im Leben von Zarina TadjiIn Deutschland jedoch gab sie ihr Ingenieurstudium auf. Sie hatte baeva: Für die Schweiz bewarb sie sich für den Eurovision Song Contest eine bessere Idee: dolmetschen. Zwei Jahre zuvor, als Au-pair in Osna(ESC). Eine Freundin hatte den Song komponiert, am Text arbeitete sie brück, hatte sie innerhalb zweier Monate Deutsch gelernt. Und kaum selber mit. Bekannte ermöglichten die Studioaufnahmen und den hatte sie angefangen, Übersetzung zu studieren, dolmetschte sie auch Videodreh. «Wir haben das alles in einer Woche gemacht. Es hat Spass schon für Ämter und Organisationen. Russisch, Tadschikisch und Persisch waren gefragte Sprachen Mitte der Neunzigerjahre, als immer gemacht, war aber auch wahnsinnig anstrengend. Zuhause hab ich gemehr Flüchtlinge aus Zentralasien, Afghanistan und Iran nach Deutschheult, weil ich dachte, es sei komplett in die Hose gegangen.» Inzwiland kamen. Also arbeitete die rebellische junge Frau aus Tadschikistan schen, mit ein paar Monaten Abstand, finde sie den Song «richtig geil». für die deutschen Migrationsbehörden, für Gerichte und die Polizei. Das Für das Finale in Wien qualifizierten sie sich zwar nicht, aber in TadStudium vernachlässigte sie. Als vereidigte Dolmetscherin bewies sie schikistan wurde Zarina über Nacht zum Popstar. «Ich habe Geschichte Tag für Tag, dass sie ihren Job beherrschte. Im Studentenwohnheim geschrieben», sagt sie schmunzelnd. «Sämtliche Medien berichteten lernte sie ihren Mann kennen. Mit 22 Jahren bekam sie ihr erstes Kind über mich, weil vorher noch nie jemand aus meinem Land am ESC mitund mit 24 ihr zweites. «Neben Arbeit und Familie noch zu studieren, gemacht hat.» Sie habe versucht zu erklären, dass sie sich nur bewordas war zu viel», sagt sie heute. ben habe und noch nicht dabei sei. «Aber das war denen egal. Die fanÜbersetzen tut sie immer noch, dies sei ihre Brücke zur Heimat. Vor den es toll, dass ich mich getraut hatte.» sieben Jahren zog sie mit ihrem zweiten Mann und ihren Kindern in die «Natürlich würde ich am liebsten nur noch singen und schauspieSchweiz. Ihre Arbeit verbindet sie mit den Sprachen und den Menschen lern», gibt sie unumwunden zu. «Aber das Dolmetschen liebe ich nach in Zentralasien. Als amtliche Übersetzerin muss sie jedoch jegliche Emwie vor. Und was ich dabei erlebt habe, würde ich gerne in einem Thepathie und Gefühle unterdrücken. Dabei bekommt sie schlimme Geaterstück verarbeiten, in dem ich selber mitspiele. Leider fehlt mir die schichten zu hören, erlebt Extremsituationen, etwa wenn ein AsylsuGeduld fürs Schreiben.» ■

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Ökologie Klima der Selbstüberschätzung Ein 36-jähriger Single, eine Mutter von zwei erwachsenen Kindern und ein Teenager schätzen ihr Umweltverhalten ein. Dabei zeigt sich: Alle drei halten sich für vorbildlicher, als sie sind. Belügen wir uns selbst?

VON ADRIAN SOLLER (TEXT) UND ELENA MADRID (ILLUSTRATION)

Das letzte Angstbarometer aus dem Jahr 2013 – eine Studie des Forschungsinstitutes gfs – identifizierte den Klimawandel als grösste Sorge der Schweizerinnen und Schweizer. «Die stärkste Bedrohung geht aus Sicht der Schweizer Bevölkerung wie bereits in den letzten fünf Jahren von der Umweltproblematik aus. Betrachtet man die einzelnen Angstindikatoren, so stehen wie bereits in den vorhergehenden fünf Jahren die Luft- und Wasserverschmutzung und der damit einhergehende Klimawandel an erster Stelle», ist hier nachzulesen. Geht es allerdings um die Wurst, sieht es anders aus: Weniger Fleisch zu essen, ist für Herr und Frau Schweizer keine Option. Das zeigt eine weitere Studie: die aktuellste Univox-Umwelt-Umfrage aus dem Jahr 2013. Die Umfrage, die ebenfalls vom Forschungsinstitut gfs durchgeführt wird, versteht sich als Langzeitbeobachtung unserer Gesellschaft. Sie zeigt: Zwar ist die «Bereitschaft für umweltgerechtes Handeln» weiterhin sehr hoch, aber zwischen 2012 und 2013 hat das Bewusstsein für das eigene Umweltverhalten unter Schweizerinnen und Schweizern markant abgenommen. Die Erklärung der Studienleiter: «Weil die Schweiz 2013 nicht von grossen Umweltkatastrophen betroffen war, gelangten Umweltthemen kaum ins Bewusstsein der Schweizer Bevölkerung, was sich in der Selbsteinschätzung des eigenen Umweltbewusstseins und als Folge davon des eigenen umweltfreundlichen Verhaltens niederschlägt.» Wir machen den Test: Eine Mutter von zwei erwachsenen Kindern, ein 36-jähriger Single und ein 17-jähriger Teenager schätzen ihr Umweltverhalten ein, und zwar in den Bereichen Mobilität, Ernährung, Wohnen und Energie und Konsum. Diese Selbsteinschätzungen lassen wir von Christoph Meili, Umwelt- und Ökobilanzexperte beim WWF, bewerten. Zusätzlich lassen wir die Befragten den Fragebogen ausfüllen, mit dem der WWF den individuellen Ressourcenbedarf und das vorhandene Angebot der Erde zueinander in Relation setzt. Mit Fragen zu den persönlichen Lebensgewohnheiten gibt der «Footprint-Rechner» Aufschluss über das individuelle Umweltverhalten. Wir wollten wissen: Wo schätzen die Befragten ihr Umweltverhalten falsch ein? Und inwiefern liegen sie mit ihren Annahmen darüber richtig, was für die Umweltbelastung relevant ist?

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Finanz- und Businesscontroller (36): «Ich schütze Delfine» Die Selbsteinschätzung «Ich mache mir eher wenig Gedanken über die Umwelt. Und zwar weil ich der Meinung bin, dass ich sie alles in allem nicht zu sehr belaste. Schlimmer als der Durchschnittsschweizer bin ich kaum. Ökologisch vorbildlich ist sicherlich, dass ich zu Fuss zur Arbeit gehe. Ich besitze kein Auto und greife sehr selten auf Carsharing-Angebote zurück. Auch kaufe ich nur neue Kleider, wenn ich diese wirklich benötige. Und: Ich wohne in einer Minergie-Wohnung. Darauf darf ich wohl stolz sein. Schlecht ist vermutlich, dass ich meinen Fernseher immer auf «Standby» stelle. Und im Winter bade ich ziemlich oft. Das ist mir einfach wichtig. Für durchschnittlich halte ich meinen Fleischkonsum. Ich esse rund vier- bis sechsmal Fleisch pro Woche, und da finde ich nicht, dass ich mein Verhalten wesentlich anzupassen bräuchte. Ich achte bereits jetzt darauf, dass ich nur selten Thunfisch oder Steaks aus Amerika esse. So belaste ich die Umwelt nicht durch unnötigen Fleischimport, und ich schütze Delfine. Produkte mit Bio-Gütesiegeln oder ähnlichem kaufe ich praktisch nie. Meiner Einschätzung nach machen dies aber die wenigsten Schweizerinnen und Schweizer. Auch sehe ich bei diesen Labeln nicht zwingend einen Zusammenhang mit der Vermeidung von Umweltbelastungen. Die Experteneinschätzung Der WWF-Test hat beim Finanz- und Businesscontroller einen Fussabdruck von «3.1» ergeben. Das heisst: Der 36-Jährige verbraucht jährlich rund dreimal mehr an Ressourcen, als die Erde anteilsmässig bereithalten würde. Der Befragte schätzt sein eigenes Umweltverhalten zwar etwas zu gut ein, aber doch einigermassen realistisch. Denn es ist dem Test nach tatsächlich durchschnittlich. So liegt der ökologische Fussabdruck in der Schweiz im Mittel bei etwa «3». Selbst wer hierzulande ökologisch vorbildlich lebt, produziert fast zwangsläufig weit mehr Schadstoffe, als die Erde pro Kopf absorbieren kann – und zwar allein aufgrund des vergleichsweise hohen Lebensstandards und somit hohen Konsums. In Bezug auf diese Tatsache überschätzt sich der BeSURPRISE 348/15


fragte krass. Er hält sein Verhalten und somit jenes der Durchschnittsschweizer insgesamt nämlich für klimafreundlich. In der Befragung schätzt der 36-Jährige seinen ökologischen Fussabdruck auf «1» – was heissen würde, dass er genau so viele Ressourcen verbrauchen würde, wie die Erde vollständig regenerieren könnte. Im Alltagsverhalten des Controllers sieht der Experte aber auch viel Positives: Besonders gut sei, dass der 36-Jährige das Auto sehr wenig benutze, viel mit dem Velo und zu Fuss unterwegs sei – und in einem Minergiehaus wohne. Verbesserungspotenzial hingegen sieht Meili beim Konsumverhalten des Singles. Denn: Produkte mit Umweltschutz-Gütesiegel kauft der Befragte kaum ein. Der Controller hält die Produkte für zu teuer – und sieht in ihrem Kauf allenfalls gesundheitliche, kaum aber ökologische Vorteile. Ganz anderer Meinung ist da Meili. Der Experte sieht im Kauf von Label-Produkten durchaus einen Nutzen für die Umwelt: Das im Jahr 1997 von der Marine Stewardship Council (MSC) gegründete Label wirkt sich positiv auf die Fischbestände aus. Hinsichtlich der Fischzucht setzt der WWF auf ASC-Standards. Nebst Kriterien für die Haltung der Tiere legt das Gütesiegel auch Kriterien zur Herkunft des Fischfutters fest. Klar: Bei den meisten Labels gäbe es auch Kritikpunkte, aber Label-Nahrungsmittel sind allemal nachhaltiger produziert als herkömmliche Produkte. Den teilweise markant höheren Preis der Produkte lässt Meili als Argument gegen den Kauf nicht gelten. Denn: Heute machen die Ausgaben für Nahrung im Mittel nur noch rund sieben Prozent der Haushaltsausgaben aus. Vor 60 Jahren lag dieser Anteil hierzulande noch bei rund 30 Prozent. Selbst wer die teureren Labelprodukte kauft, gibt heute verhältnismässig wenig Geld aus für Nahrung. Auch beim Fleischkonsum des 36-Jährigen sieht Meili Verbesserungspotenzial. Wenn der Befragte vier bis sechs Mal Fleisch isst pro SURPRISE 348/15

Woche, liegt er damit zwar ungefähr im Landesdurchschnitt: Herr und Frau Schweizer essen wöchentlich je ein Kilo Fleisch. Aber für ein Kilo Fleisch brauche es rund zehn Kilo Futtermittel, gibt Christoph Meili zu bedenken. Für die Fleischproduktion mästen wir jährlich 65 Milliarden Nutztiere weltweit – fast zehnmal mehr, als es Menschen gibt. Und die Fleischproduktion ist sehr CO2-intensiv. Ein Kilogramm Rindfleisch generiert in etwa so viel Treibhausgase wie eine Autofahrt von 200 Kilometern. Manche Forscher gehen sogar davon aus, dass rund die Hälfte der Treibhausgase auf das Konto der Nutztierhaltung geht. Fleisch ist somit Klimasünder Nummer eins – auch wenn es aus der Schweiz kommt.

Biomedizinische Analytikerin (62): «Ich lege meine Ersparnisse ökologisch an» Die Selbsteinschätzung «Umweltschutz ist mir wichtig. Und ja, ich finde, ich lebe grundsätzlich umweltfreundlich: Für weitere Strecken benutze ich öffentliche Verkehrsmittel, und den Abfall trenne ich konsequent. Ich heize mit Erdgas und achte darauf, dass die Zimmertemperatur 21 Grad Celsius nicht übersteigt. Gemüse kaufe ich saisongerecht ein, auch werfe ich kaum Lebensmittel weg. Und ich lege meine Ersparnisse ökologisch an. Klar ‹sündige› ich auch: Ich fahre mit dem Auto zur Arbeit, kaufe gerne mal Kleider, greife hin und wieder zu Convenience-Food mit viel Verpackung und – zugegeben – ich verbrauche relativ viel Strom. Allerdings scheitert es bei diesen Umweltsünden oft auch an Alternativen: Ökologisch und fair produzierte Kleidung, die schön aussieht, gibt es kaum. Und Fertigprodukte kaufe ich bloss aus Zeitgründen. Was ich immer wieder höre, ist, dass mein Kaffeekonsum umweltbelastend sei. Ich trinke drei,

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vier Tassen pro Tag und liege damit vermutlich etwas über dem Schweizer Durchschnitt. Aber ich wüsste nicht, warum ich weniger Kaffee trinken sollte, einen Nachteil für die Ökologie sehe ich hier eigentlich nicht. Ich fliege auch nur höchstens alle zwei Jahre in den Urlaub. Damit liege ich wohl deutlich unter den jährlichen Flugstunden von Herr und Frau Schweizer, daher glaube ich nicht, dass ich meine Flugreisen reduzieren müsste. Alles in allem verhalte ich mich wahrscheinlich etwa so umweltfreundlich wie der Schweizer Durchschnitt. Vielleicht etwas besser noch.» Die Experteneinschätzung Der WWF-Test hat bei der Mutter von zwei erwachsenen Kinder einen Fussabdruck von «2.6» ergeben. Das heisst: Die Thurgauerin verbraucht jährlich rund zweieinhalb Mal mehr an Ressourcen, als ihr die Erde anteilsmässig zugestehen könnte. Mit diesem Wert lebt die Befragte durchaus etwas nachhaltiger als der Schweizer Durchschnitt. Die 62Jährige schätzt sich somit grundsätzlich realistisch ein. Laut Christoph Meili fällt positiv ins Gewicht, dass die Laborantin ihre Ersparnisse ökologisch anlegt, weitgehend mit saisonalem Gemüse kocht und kaum Lebensmittelabfälle produziert. Die wohl grösste Umweltsünde sieht der Umweltexperte bei der Befragten in ihrer Wohnsituation. Die Frau lebt mit ihrem Lebenspartner in einem Einfamilienhaus. Die beiden haben, seit ihre Kinder ausgezogen sind, für sich alleine rund 200 m2 Wohnfläche zur Verfügung. Und damit verbrauchen sie etwa doppelt so viel Platz wie der Durchschnitt der in der Schweiz lebenden Personen. Meili schlägt ihr vor, weniger Räume zu heizen und allenfalls Zimmer zu vermieten. Am meisten verschätzt sich die Befragte hinsichtlich ihrer Flugreisen: Rechnet man die Angaben, die sie auf dem Fragebogen gemacht hat, auf ein Jahr hinunter, kommt man im Mittel auf fünf bis acht Flugstunden. Laut Experte Christoph Meili liegt sie damit bereits über dem Schweizer Durchschnitt. Und: Der Kaffeekonsum der Koffeinliebhaberin wirkt sich durchaus nachteilig auf die Umwelt aus. Der Kaffeeanbau belastet die Umwelt. Neben dem Anbau und der Zubereitung ist vor allem der Transport der Kaffeebohnen problematisch, die weiten Wege schlagen in der CO2-Bilanz negativ zu Buche. Eine Tasse Kaffee ist für etwa 60 Gramm CO2 verantwortlich. Deshalb gilt auch beim Kaffeekauf: auf Umwelt-Label achten. Bei Kaffeesystemen mit nicht-recycelbaren Kapseln kommt hinzu, dass Abfall produziert wird, der sich durch den Verzicht ganz vermeiden liesse.

Informatiker-Lehrling (17): «Im Gegensatz zu Erwachsenen benutze ich nur Zug und Velo» Die Selbsteinschätzung «Meinen Müll werfe ich in den Abfalleimer. Deshalb: Ja, grundsätzlich halte ich mich für umweltbewusst. Umweltschutz ist mir wichtig. Gerade in Sachen Abfallentsorgung verhalte ich mich umweltbewusster als viele meiner Freunde. Und sowieso: Im Gegensatz zu vielen Erwachsenen benutze ich nur den Zug und das Fahrrad, bin da also vorbildlich. Vielleicht ist es auch gut, dass ich meine Wäsche nicht heiss wasche. Wenn ich allerdings unterwegs etwas trinke, dann entsorge ich die Glasflaschen nicht fachgerecht. Und beim Kleiderkauf achte ich nicht auf ökologische Produktion. Das sind wohl meine beiden grössten regelmässigen Umweltsünden. Alles in allem aber halte ich mein Verhalten für umweltfreundlicher als das des Schweizer Durchschnitts. Schlechter schneide ich wahrscheinlich bei meinen Essgewohnheiten ab, weil ich nicht darauf achte, ob Gemüse saisonal ist oder nicht. Allerdings kaufe ich das meist ja auch nicht selber ein, das macht meine Mutter – und die kauft manchmal schon saisonales Gemüse. Auch kauft sie oft Esswaren mit Bio-Gütesiegeln, wahrscheinlich sind das etwa drei von vier Produkten.»

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Die Experteneinschätzung Vom Gemüse und Obst, das der Durchschnittsschweizer verzehrt, stammt rund die Hälfte aus saisongerechtem Anbau. Besser fände Meili allerdings, wenn es Dreiviertel wären. Noch nachhaltiger wäre natürlich, nur auf saisonales Gemüse zu setzen. Das ginge aber mit grossem Verzicht einher: Ein städtischer Konsument muss auf das vorhandene Angebot zurückgreifen können. Möchte der 17-Jährige sein Umweltverhalten verbessern, er könnte tatsächlich fast nur bei den Lebensmitteln ansetzen. Denn der Lehrling achtet kaum auf die Herkunft seiner Esswaren. Ansonsten lebt er mit seinem ökologischen Fussabdruck von «2.4» deutlich umweltfreundlicher als der Schweizer Durchschnitt. Der Jugendliche isst viele Bio-Nahrungsmittel, fährt nie Auto oder Motorrad, wäscht seine Wäsche meist bei 30 Grad, Recycling ist ihm wichtig – und er wohnt noch bei den Eltern. Vor allem positiv rechnet sich, dass der Lehrling noch nicht viel Geld zur Verfügung hat: Mit seinen Konsumausgaben von rund 600 Franken monatlich gibt er deutlich weniger aus als der Schweizer Durchschnitt. Eine in der Schweiz lebende Person gibt im Monat rund 1000 Franken aus: für Ferien, Hobby, Haustiere sowie für Restaurant-, Bar- oder Discobesuche – für Konsum also, der grundsätzlich oft CO2-intensiv ist. Das grösste Potenzial, den CO2-Ausstoss zu reduzieren, vermutet Christoph Meili bei der Familie des Befragten aber an einem anderen Ort: Laut Fragebogen hat die Familie eine Elektroheizung. Der Experte rät, sie zu ersetzen und Ökostrom zu beziehen. Fazit: Konsumverhalten hat grossen Einfluss Unsere Gespräche haben bestätigt, was auch die erwähnte UnivoxStudie ergeben hat: Wir machen uns durchaus Sorgen um den Zustand unserer Umwelt, gleichzeitig ist die Bereitschaft, etwas dafür zu tun, schwankend. Und sie hängt von äusseren Ereignissen ab. Natürlich braucht es auch bessere politische Rahmenbedingungen und wirtschaftliche Anreizsysteme, sonst schaffen wir die Energiewende nicht. Aber: 72 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verursacht der private Konsum. Zu dieser Erkenntnis gelangt jedenfalls Edgar Hertwich, Professor an der norwegischen technisch-naturwissenschaftlichen Universität in Trondheim, in einer wissenschaftlichen Publikation aus dem Jahr 2009, dem «Carbon Footprint of Nations». «Bürgerinnen und Bürger haben oft den Eindruck, dass sie als Einzelpersonen wenig zum Klimaschutz beitragen können», wird Hertwich auf dem Klimablog der ETH Zürich zitiert. «Unsere Auswertung zeigt aber klar auf, dass gerade ihr Konsumverhalten einen grossen Einfluss auf die weltweiten Treibhausgasemissionen hat.» Und bereits 2010 hat ein Bericht der US-amerikanischen Umweltinstitutes «Worldwatch» ergeben: Die reichsten 500 Millionen Menschen – das sind nur sieben Prozent der Weltbevölkerung – sind aufgrund ihres Konsumverhaltens für die Hälfte der ausgestossenen Treibhausgase verantwortlich. Trotzdem warten wir offenbar auf die Wirtschaft und die Politik. Wir warten auf unseren Nachbarn – und der wartet auf uns. Und wir glauben oft allzu schnell, dass es reicht, PET und Alu zu trennen – während wir weiterhin zwei- oder dreimal im Jahr in die Ferien fliegen. ■

Der WWF-Footprint-Rechner ist ein einfaches Online-Tool für eine erste Einschätzung des eigenen Umweltverhaltens: www.wwf.ch/de/aktiv/besser_leben/footprint

Auch die erwähnten Studien sind online zu finden: Angstbarometer: http://gfs-zh.ch/angstbarometer Univox: http://gfs-zh.ch/univox SURPRISE 348/15


Armenien Aus dem Dunkel

S端sl端 Adanur ist die Enkelin eines Armeniers, der den V旦lkermord 端berlebte, weil er von einer kurdischen Familie versteckt und als Muslim aufgezogen wurde. SURPRISE 348/15

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Viele Armenier haben den Völkermord vor 100 Jahren überlebt – versteckt von kurdischen oder türkischen Familien. Ihre Nachkommen haben oft erst Jahrzehnte später von ihrer Herkunft erfahren. Damit begann die Suche nach der eigenen Identität.

VON CHRISTIAN H. MEIER (TEXT) UND ANDY SPYRA (BILDER)

Unstrittig ist, dass die armenische Kultur in der heutigen Türkei praktisch ausgelöscht wurde; lediglich in Istanbul leben noch mehrere zehntausend Armenier, eine verschreckte Gemeinschaft, die vor allem versucht, nicht aufzufallen. Der türkischstämmige deutsche Filmemacher Fatih Akin hat einen Spielfilm gedreht über 1915, «The Cut». Auch dort werden die Armenier brutal aus dem Land getrieben, über die Hälfte des Films spielt ausserhalb von Anatolien.

Als er neun Jahre alt war, bekam Armen die Backpfeife seines Lebens. Die Ohrfeige, die ihm ein kurdischer Schäfer verabreichte, hat Vieles verändert. Zum Beispiel seinen Namen: Damals hiess er noch Necmettin, übersetzt «Stern des Glaubens» – ein verbreiteter türkischer Name. Heute, rund 40 Jahre später, nennt er sich Armen. Und das führt auch schon zum Kern des Problems: Denn Armen ist ein archetypischer Dankbar für die Ohrfeige armenischer Name. Und Armen, der Träger dieses Namens, der NeunAber ihre Geschichte in der Türkei hat nicht einfach so aufgehört, jährige, der Geohrfeigte, weiss heute, dass er beides zugleich ist: Türke nicht alle Armenier sind spurlos verschwunden. Und manchmal ist alund Armenier. les, was es braucht, um das ans Licht zu bringen, eine Ohrfeige. «Wir Die Geschichte, die mit der Ohrfeige zusammenhängt und die Armen waren auf dem Weg zur Schule, ich und ein kurdischer und ein armeniAktas einen ganzen Abend lang in einem Strassencafé erzählt, während scher Freund», beginnt Armen Aktas die Geschichte, die sich 1975 zudie Spätsommerhitze nur widerwillig aus den Gassen der ostanatolitrug. «Auf einem Feldweg trafen wir auf zwei kurdische Schäfer, beide schen Kleinstadt weicht, reicht genau 100 Jahre zurück. Viele Geetwa 20; die begannen mit uns zu streiten.» Armen – damals noch Necschichten, die die Menschen hier erzählen, reichen genau 100 Jahre zumettin – weigerte sich, ihnen seine Schulhefte und Stifte auszuhändigen rück. Das ist kein Zufall: Jetzt im April jährt sich zum hundertsten Mal – «da fing einer der beiden Schäfer an, mich zu verprügeln». Als sein Kaein Ereignis, das die politische, soziale und kulturelle Geografie der heumerad fragte, wer die Kinder überhaupt seien, antwortete er: «Der ist tigen Türkei zutiefst geprägt hat: der Völkermord an den Armeniern. Eineinhalb Millionen Menschen – vielleicht auch weniger oder mehr, die Schätzungen «Der ist Kurde, und die beiden da» – der kurdische Schäfer deutete auf gehen weit auseinander – sollen damals grauArmen und den dritten Freund – «sind Armenier.» enhaft ums Leben gekommen sein; auf Deportationsmärsche geschickt, ausgeraubt und Kurde, und die beiden da» – der Schäfer deutete auf Armen und den dritermordet auf Befehl der Führung des strauchelnden Osmanischen ten Freund – «sind Armenier.» Reichs. Die christlichen Armenier, seit Jahrhunderten ansässig in AnaDer kurdische Schäfer lebt noch. Aktas sieht ihn manchmal auf den tolien, wurden zu Feinden erklärt, angeblich im Bündnis stehend mit Strassen von Mus, der Stadt im kurdischen Osten der Türkei, wo er lebt dem russischen Gegner im Ersten Weltkrieg. und wo diese Geschichte spielt. Er sagt, er sei dem Mann für die OhrTatsächlich existierte eine armenische Nationalbewegung – so wie feige heute dankbar: «Denn durch ihn habe ich von meiner armenischen auch die Völker des Balkans in den Jahrzehnten zuvor für die UnabIdentität erfahren.» hängigkeit von den Osmanen gekämpft hatten –, und auch viele Türken Armen Aktas ist ein massiger, breitschultriger Mann mit dichtem starben durch die Hände von Armeniern. Der Zorn Istanbuls traf jedoch Schnurrbart; wenn der heute 48-Jährige schwer auf dem Holztisch lehnt unterschiedslos alle, Männer wie Frauen und Kinder. Die Armenier spreund erzählt, fällt es nicht leicht, sich den Jungen vorzustellen, der von chen heute vom «ersten Genozid des 20. Jahrhunderts», sie haben die einem Älteren verdroschen wurde. Damals jedoch lief der neunjährige Ereignisse zum dunklen Kristallisationspunkt ihrer nationalen Identität Necmettin zu seinem Grossvater. Der bestätigte, was der Schäfer gesagt gemacht. Die Türkei hingegen bestreitet den Völkermord nach wie vor. hatte: «Es ist wahr, wir sind Armenier. Aber sag es niemandem!» Da, erDie Beziehungen zwischen den Nachbarländern sind aus diesem Grund zählt Aktas, habe er geantwortet: «Aber Grossvater, du versuchst, das zu stark belastet, die gemeinsame Grenze ist geschlossen.

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Armen Demircian (Zweiter von links) zusammen mit seinen drei Brüdern und seinem Neffen Ciya (Zweiter von rechts). Auch Ciya interessiert sich für die armenische Familiengeschichte. Armens Brüdern dagegen bedeutet ihre armenische Herkunft wenig. «Seine Konversion ist kein Problem. Aber für uns bleibt er Abdulrahim», sagt einer über ihn.

Der Taubenschlag des Familienhauses von Armen Demircian in der Kleinstadt Lice, etwa eine Autostunde nordöstlich von Diyarbakir. SURPRISE 348/15

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verheimlichen, dabei wissen sogar die Schäfer aus dem nächsten Dorf, dass wir Armenier sind.» Hocherfreut über das Interesse ausländischer Reporter Auch Armens Volksschullehrer, stellte sich heraus, wusste um die Herkunft seines Schülers. «Schön, dass du das nun auch weisst», war sein lapidarer Kommentar, als der Junge ihm eröffnete, was ihm auf dem Herzen lag. Der Lehrer – ein Sozialist, der später ermordet wurde – sagte dem kleinen Necmettin auch, er solle sich nicht um das kümmern, was die anderen Lehrer den Kindern über die vermeintlichen Schandtaten der Armenier erzählten: «Das sind alles Lügen. Wenn ein Volk seine Heimat verlässt, muss es das Opfer gewesen sein.» Täter, Opfer – diese Kategorien sind in der Türkei mitunter auf merkwürdige Weise auf den Kopf gestellt. In Ig˘dır, einer drögen Provinzstadt an der Grenze zu Armenien, gibt es ein hoch aufragendes Mahnmal und ein Museum, die an die «Verbrechen der Armenier an den Türken» erinnern sollen. Und man trifft in der Türkei auch auf Leute wie Irfan Ermis. Der 59-Jährige ist einer der Gründer der «Internationalen Organisation für die Bekämpfung der unwahren armenischen Behauptungen». Das «International» steht im Namen, weil es – neben zahlreichen Zweigstellen in der Türkei – auch Vertretungen in «Russland, Aserbaidschan, Ungarn, Belgien und den Niederlanden» gebe, wie er stolz aufzählt. Ermis¸ ist hocherfreut über das Interesse der ausländischen Reporter an den Aktivitäten der Vereinigung. Der verheiratete Vater von vier Töchtern, Beamter im Ruhestand, ehemaliger Karatelehrer und heutiger Hobbypublizist, bemüht sich, diplomatisch zu wirken: «Wir sind doch alle Menschen», hat er zu seinem Mantra erkoren. Zwischendurch streut er dann Sätze ein wie: «Die Armenier sind gut in Propaganda.» –

«Wenn wir wirklich eineinhalb Millionen umgebracht haben, wo sind dann all die Knochen?» – «Sie wollen der Welt die Türken als Mörder präsentieren.» Sein Anliegen ist es, «der Welt zu zeigen, dass 1915 keine einseitige Angelegenheit war». Detailliert kann Ermis über Massaker armenischer Freischärler an türkischen Dörflern berichten. Sein Weltbild zimmert er sich aus allem zusammen, was gerade passt: Das Osmanische Reich sei immer tolerant gegenüber Andersgläubigen gewesen – «denken Sie doch nur an die aus Spanien geflohenen Juden 1492, die hier aufgenommen wurden». Die Armenier hingegen trügen bis heute Hass auf die Türken in ihren Herzen. Damit es eine Versöhnung geben kann, müssten sie sich zudem erst aus Bergkarabach zurückziehen, der seit 20 Jahren armenisch besetzten Enklave in Aserbaidschan, einem Verbündeten der Türkei. Flucht in einer abenteuerlichen Nacht Vermutlich würde der Ultranationalist Irfan Ermis als Einzelfall bezeichnen, was der kleine Necmettin von seinem Grossvater erfuhr – was aber den Berichten vieler Armenier ähnelt, die den Völkermord überlebt haben. «Die komplette Geschichte meines Grossvaters zu erzählen, würde einen Monat dauern», sagt Armen Aktas, «aber ich werde versuchen, es kurz zu machen.» Es dauert dennoch einen ganzen Abend. Die dramatische Geschichte, die Armen erzählt, ist verschlungen, immer wieder tauchen andere Schauplätze, neue Onkel und Tanten darin auf. Im Mittelpunkt: der Grossvater, der als Heranwachsender die Schule des berühmten, später zerstörten Klosters Surb Karabet in der Nähe von Mus besuchte, bis im Frühsommer 1915 die Nachrichten von den ersten Massakern eintrafen. Die Familie floh in die Berge. Dort sah der Grossvater mit an, wie seine

In einem ärmlichen türkischen Dorf stehen die Überreste einer massiven armenischen Kirche. Die Familie, die gleich daneben wohnt, kennt davon nur Geschichten aus zweiter Hand, weil die Armenier schon lange weg waren, als sie hierhergezogen ist.

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wenn mir das hier einige Schwierigkeiten eingebracht hat». Die allerMutter und weitere Familienmitglieder von Milizionären umgebracht meisten der vielleicht Hunderttausenden islamisierter Armenier behalwurden. Er selbst entkam mit Schussverletzungen, machte sich auf die ten diesen Teil der Familiengeschichte aber lieber für sich. Sie fürchten Suche nach seinem Vater, der an einer Brücke Zwangsarbeit verrichten soziale Ausgrenzung. musste, wurde dabei verhaftet, konnte in einer abenteuerlichen Nacht fliehen und irrte zwischen der Stadt Mus und seinem Heimatdorf umVerwandte in New York, Istanbul und den Niederlanden her – ständig in Gefahr, entdeckt zu werden. Später fand er seinen VaManche von ihnen kennen ihre eigene Geschichte auch gar nicht ter; auch der wurde jedoch vor den Augen des Teenagers umgebracht, ganz genau. Wo beispielsweise bei Armen Aktas eine überbordende Deerschlagen mit einer Axt. tailfülle von Familienerinnerungen herrscht, klafft bei anderen ein mehr Schliesslich versteckte Armens Grossvater sich auf dem Hof einer oder weniger grosses schwarzes Loch. So ging es Abdulrahim Zoraslan, Bekannten seiner nunmehr toten Eltern, in dem Verschlag, in dem das Brot gebacken wird. Als die Frau ihn dort fand, nahm sie ihn ins Haus und in ihre FamiWo bei den einen eine überbordende Detailfülle von Familienerinnerunlie auf, mit den Worten: «Sag nie irgendjegen herrscht, klafft bei anderen ein schwarzes Loch. Seit mehr als acht mandem, dass du Armenier bist. Sprich imJahren ist Armen Demircian auf der Suche: nach Geschichten, nach mer nur Kurdisch.» So überlebte er. Ironie der Verwandten, nach Erinnerungen. Geschichte: Seine spätere Frau war ebenfalls eine Armenierin, die in einer kurdischen Fadessen jetziger, armenischer Name Armen Demircian lautet. Seit acht milie den Völkermord überlebt hatte. Der Grossvater starb 1994. Armen Jahren nennt er sich so. Seit mehr als acht Jahren aber ist er auf der SuAktas sagt: «Ich verbrachte viel Zeit mit ihm, selbst nachdem ich geche: nach Geschichten, nach Verwandten, nach Erinnerungen. heiratet hatte, weil ich all die Geschichten erfahren wollte.» Armen Demircian lebt in Diyarbakir, der inoffiziellen «kurdischen Kann man diesen Geschichten in jedem Detail Glauben schenken? Hauptstadt» der Türkei. Er ist ein schmaler Mann, eine unauffällige, leiMündliche Überlieferung ist nicht ehern – sie kann sich im Laufe der se Figur, hat zugleich aber etwas Rastloses an sich. Sehr passend erZeit verformen, unterschiedliche Nuancen und Schattierungen annehscheint es, dass der heute 54-Jährige fast die Hälfte seines Lebens für die men, von anderen Erzählungen überlagert werden. Es sind jedoch zu Gemeindeverwaltung als Fahrer gearbeitet hat: ein geregeltes Arbeitsleviele derartige Berichte, als dass man sie als frei erfunden abtun könnben und zugleich immer unterwegs, nie zur Ruhe kommend. te. Sie zeigen: Viele Armenier haben den Völkermord in der Türkei überAuch sein Vater war Armenier: Er wurde 1915 von einem kurdischen lebt – versteckt oder aufgenommen von türkischen oder kurdischen FaStamm aufgenommen, da war er fünf. Die beiden Brüder und die Eltern milien. Dies kann, wie im Fall von Armen Aktas’ Grosseltern, freiwillig waren bei der Kleinstadt Lice ums Leben gekommen. Viel mehr ist nicht geschehen sein, aber auch durch Zwang: Manche Kinder wurden ihren bekannt, denn als Demircian 1981 seine armenische Herkunft entdecktodgeweihten Eltern regelrecht geraubt. Nicht zufällig haben vor allem te, konnte er seinen Vater nicht mehr fragen. Er hatte erst bei dessen Beviele armenische Mädchen so überlebt – als Zwangsbräute. gräbnis davon erfahren. «Erzählt habe ich das in 25 Jahren als Fahrer niemandem», sagt er. Warum hat die Grossmutter keine Verwandten? Aber offenbar hat es etwas in ihm ausgelöst. Armen Demircian zählt In der Türkei nennt man diese Überlebenden – und zum Teil auch ihheute zu den wenigen in Diyarbakir – einst ein bedeutendes Zentrum re Nachkommen – «islamisierte» oder «versteckte Armenier». Über das armenischer Kultur in Anatolien –, die offen zu ihrer armenischen HerThema wurde lange Zeit nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen. Bis kunft stehen. Ausserdem scheint er fast besessen davon, mehr herausim Jahr 2004 ein Buch erschien: «Anneannem», zu Deutsch: «Meine zufinden. Auf dem Standesamt sah er Unterlagen ein und entdeckte, Grossmutter». Darin schildert die Menschenrechtsanwältin Fethiye Çedass der türkische Staat sehr genau Buch darüber führte, welche Staatstin, wie sie Ende der Siebzigerjahre von der wahren Identität ihrer bürger armenischstämmig waren. Er machte Verwandte ausfindig in Grossmutter erfuhr: Auch diese war eigentlich Armenierin, sie wurde New York, Istanbul und den Niederlanden und begann, Armenisch zu als Kind während eines Todesmarschs von einem türkischen Gendarlernen. Er arbeitete in der kürzlich restaurierten Sankt-Giragos-Kathemen «mitgenommen» und als dessen Tochter aufgezogen. Erst in hohem drale von Diyarbakir und führte armenische Besucher aus der Diaspora Alter eröffnete sie dies im Privaten ihrer Enkelin – Armenier zu sein, galt herum. «Ich bin Armenier und Kurde zugleich», sagt Demircian, «aber immer noch als etwas Anrüchiges. jetzt möchte ich als Armenier leben.» Ihr Buch habe «das Schweigen gebrochen», erzählt die heute 64-jähAngst vor negativen Konsequenzen habe er nicht, sagt Demircian, rige Çetin. Zahlreiche Menschen mit ähnlichen Biografien hätten sich auch wenn seine Familie seine Entwicklung nicht unbedingt gutheisse, bei ihr gemeldet. Und immer mehr junge Türken würden nun beginnen, wie er stoisch lächelnd erklärt. Seine Frau sei immerhin gläubige Musihre eigenen Familiengeschichten zu erforschen, nach dem Motto: Auch limin. Was sie von seiner Idee hält, länger nach Armenien zu gehen und meine Grossmutter hat keine Verwandten – warum wohl? Fethiye Çetin, sich taufen zu lassen? Demircian lacht kurz auf, zieht die Augenbrauen die als Anwältin auch den 2007 ermordeten armenisch-türkischen Puhoch und macht eine Geste, die besagt: Die wird mir die Kehle durchblizisten Hrant Dink vertreten hatte, ist der Meinung, dies tue der Geschneiden. sellschaft gut: «Wir sind mit der Ideologie aufgewachsen, dass wir ein – ■ türkisches – Volk seien. Wenn sich nun herausstellt, dass die eine in Wahrheit Assyrerin ist und der andere Armenier, ist das nicht mehr haltbar. Die Ideologie löst sich auf.» So weit ist die Gesellschaft aber noch nicht. Das Tabu um die Armenier ist nach wie vor gross in der Türkei, einem Land, das sich lange Zeit Dieser Text erschien erstmals in der Zeitschrift Leica Fotografie International. einen exklusiven Nationalismus auf Kosten der nichttürkischen Minderheiten leistete und in dem «Armenier» bis heute als Schimpfwort gilt Auf dem Weg zu weiteren Recherchen zum 100. Jahrestag des armeni– noch im Sommer 2014 spielte der heutige Staatspräsident Recep Tayyschen Genozids wurde Fotograf Andy Spyra Ende März am Flughafen ip Erdog˘an in einer Wahlkampfrede darauf an. Armen Aktas sagt, er Istanbul durch türkische Sicherheitskräfte verhaftet und trotz der Interselbst habe seit seiner Kindheit – seit der folgenreichen Ohrfeige – offen vention der deutschen Behörden am nächsten Tag nach Deutschland zudarüber gesprochen, dass seine Vorfahren Armenier waren, «selbst rückgeschickt. (Anm. d. Redaktion) SURPRISE 348/15

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Township Von wegen «Progress» Eine gutsituierte Schweizerin dreht einen Dokumentarfilm über arme Tänzer in einem südafrikanischen Township. Kann das gut gehen? Irene Loebell hat es mit «Life in Progress» versucht und ihre Protagonisten für Workshops in die Schweiz geholt.

VON SARA WINTER SAYILIR (TEXT) UND DOMINIK PLÜSS (BILDER)

Im Film «Life in Progress» taucht Thandiwe nur am Rande auf. Als Irene Loebell 2008 mit den Dreharbeiten begann, war Thandiwe noch nicht bei Taxido, erst 2010 stiess sie dazu. Und trotzdem findet sie den Film «sehr aufwühlend». Er zeige sehr direkt, wie sie lebten und dass sich seit Beginn der Dreharbeiten vor mehr als sechs Jahren kaum etwas verbessert habe. Immer noch wohnen die Menschen in Katlehong in Wellblechhütten und Holzbaracken, und auch jene, die eines der sogenannten «Matchbox-Houses» bewohnen, klein wie Streichholzschachteln, haben in der Regel kein eigenes Badezimmer. Zwar sorgen inzwischen Flutlichter für mehr Sicherheit des Nachts, Strassen wurden geteert, Restaurants, Einkaufszentren und Schulen gebaut. Und der eine oder andere kann sich einen Anbau leisten. Trotzdem liegt der Lebensstandard in Katlehong immer noch weit unter dem der armen Viertel Johannesburgs. Von wegen «Progress». Sie fühle sich schlecht dabei, sagt Thandiwe und lässt offen, ob sie den Film oder ihr Leben meint. Viele ihrer Kollegen hätten die Dreharbeiten als störend empfunden, sagt sie noch. «Fragen Sie mal Venter!», schlägt sie vor und zeigt auf einen der tanzenden Jungs. Doch da beginnt der Workshop. «Wir beginnen mit einem ordentlichen Aufwärmen», ruft der 28-jährige Teboho Moloi fröhlich und beginnt kraftvoll auf der Stelle zu joggen, wobei er die Knie weit hochzieht. Seine Energie ist so mitreissend, dass selbst die grosse Masse Pubertierender bald gesammelt mitjoggt. Selbst einige Lehrer machen mit.

Von der Sonne am knallblauen Märzhimmel draussen bekommt der Raum nichts ab. Die Aula des Baselbieter Gymnasiums Münchenstein ist dunkel. In einer Viertelstunde werden rund 160 Schülerinnen und Schüler den Raum stürmen und sich gegenseitig die Luft zum Atmen streitig machen. Die 25-jährige Zephe Thandiwe Zwane von der südafrikanischen Tanzgruppe Taxido sitzt auf dem Bühnenrand und lässt den Raum auf sich wirken. Hinter ihr wird grad der Flügel beiseite geschoben. «Seit 2005 tanze ich», sagt die rundliche Schwarze mit den braunen Havanna-Twist-Zöpfchen, die sie gerade noch einmal einzeln nachdreht. «Es ist das erste Mal, dass wir solche Workshops geben», erzählt die junge Frau, die seit einigen Jahren von ihrer Kunst leben kann. Ihr Ehemann Jerry Zwane sitzt etwa einen Meter von uns entfernt ebenfalls am Bühnenrand. Er ist der Leiter der Tanzgruppe. Der stämmige 42Jährige mit der weissen Adidas-Jacke guckt kritisch auf seine drei Tänzer Teboho Moloi, Venter Teele Rashaba und Tshidiso Mokoena, die sich in der Mitte der Aula zu lauten Minimal-House-Sounds warmtanzen. Immer sind sie synchron, und doch wirkt ihr Tanz nicht durchchoreografiert. Es scheint, als fühlten sie zufällig dasselbe. Mit schnellen, präzisen und doch lockeren Bewegungen messen die jungen Männer den Raum aus, ohne dass es sie Kraft oder Konzentration zu kosten scheint. Einen Monat lang touren die fünf Taxido-Mitglieder mit der Regisseurin Irene Loebell auf Promotion-Tournee für den Dokumentarfilm «Life in Progress» «Ich dachte, der Film würde mein Leben verändern, und realisiere durch die Schweiz. Sie sind die Protagonisten nun, dass dies ein Wunschtraum war.» des Films, der seit Anfang März in den Kinos läuft. Der Titel ist ein Wortspiel: Das englische Wort «Progress» für «Fortschritt» ist eine Übersetzung des Sotho-Worts Teboho, genannt «Murder», ist der Pantsula-Meister bei Taxido. Pantsu«Katlehong»; so heisst das Township am Rande von Johannesburg, in la, das ist der Strassentanz der Townships. In den Fünfziger- und Sechdem die Tänzer leben und wo «Life in Progress» entstand. Knapp 20 zigerjahren im Gangstermillieu und als Ausdruck einer eigenen TownWorkshops und zahlreiche öffentliche Filmvorführungen mit anschliesshipkultur entstanden, ist es heute zu einem populären Jugendtanz mit sender Diskussion in der ganzen Deutschschweiz sind angesetzt. eigenem Kleidungsstil und regionalen Unterschieden geworden. Bei Taxido kümmert sich Teboho um die Musik, arrangiert und kreiert die TänLeben in Streichholzschachteln ze. Auf der Bühne erklärt er den Münchensteinern, worum es bei PantDie Hälfte der Zeit in der Schweiz ist schon rum, die Gruppe wirkt etsula geht. «Wir erzählen Geschichten: Strassengeschichten», sagt er. was erschöpft. Trotzdem ist Tänzerin Thandiwe von den Begegnungen «Und der Tänzer dieses Pantsula hier ist zu spät dran», Teboho rennt mit den Schweizer Jugendlichen begeistert: «Wir hätten nicht gedacht, wieder auf der Stelle. «Wir haben keine festen Haltestellen, wir machen dass die Kids hier die Bewegungen so schnell erlernen.» In Südafrika so, um das Taxi nach Johannesburg anzuhalten.» Er streckt seinen Zeiwürden sie zwar hier und da mal auftreten, aber Workshops wie diese gefinger am ausgestreckten Arm in die Luft. In Johannnesburg gehe der fänden dort nicht statt. «We don’t mix, you know», wir vermischen uns Tänzer dann spazieren, Teboho beschreibt mit beschwingtem Schritt einicht, sagt Thandiwe und setzt hinzu, dass die Lebensräume von nen Kreis auf der Bühne. «Als Nächstes fährt der Pantsula-Typ nach PreSchwarzen und Weissen auch 20 Jahre nach dem Ende der Apartheid toria, da gehen die Pantsula-Tänzer ganz anders», sagt Teboho und grossenteils getrennt seien. In Katlehong leben rund 400 000 Menschen, schüttelt die Hände vor der Brust. Dann macht er einen Schritt vor und Weisse sind nicht darunter. «Hier in der Schweiz begegnen sich Schwarstreckt die Hand aus, als würde er Würfel werfen. «Der Tänzer spielt ze und Weisse und machen vieles gemeinsam», sagt Thandiwe. «Es gibt gern», lacht er, «Ihr seht: Alles, was wir jeden Tag machen, ist Pantsunicht einen Platz für die einen und einen für die anderen.» la.» Frauen liebten die Pantsula-Tänzer, setzt er lächelnd hinzu.

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«Wir erzählen Geschichten: Strassengeschichten»: Teboho Moloi beim Workshop am Gymnasium Münchenstein, BL. SURPRISE 348/15

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«We don’t mix, you know», wir vermischen uns nicht, sagt Zephe Thandiwe Zwane: Schwarze und Weisse leben auch 20 Jahre nach der Apartheid meistens getrennt.

eindrücklichste Szene im Film, als Venter gemeinsam mit seinem BruNach der einstündigen Tanzsession machen sich die Schüler in kleider nach Lesotho fährt, um dort vor laufender Kamera seinen Vater nen Gruppen auf den Weg zum Tram, um zum Kultkino Atelier in der wiederzutreffen. Acht Jahre hatten sie ihn nicht gesehen. Dass Loebell Basler Innenstadt zu fahren, wo sie «Life in Progress» sehen werden. gerade diesen intimen Moment gefilmt hat, obwohl er dies eigentlich Venter schlendert mit seinen Kollegen zur Haltestelle. «Als ich den Film das erste Mal gesehen habe, wollte ich ihn nicht noch einmal sehen», gibt der 24-jährige «Es tut den Jungs sehr weh, zu sehen, wie sie leben. zu. «Life in Progress zeigt mein ganzes Leben, Deshalb wird der Film bisher auch nicht in Kathlehong und wie hart es ist», Venter zieht die Augenselbst gezeigt.» brauen zusammen, «doch dann gibt es auch Momente, wo ich mich freue, jetzt hier in der Irene Loebell, Regisseurin Schweiz zu sein.» Er entdecke sich selbst neu, sagt er. «Ich dachte, der Film würde mein Lenicht wollte, ist eine der Unstimmigkeiten zwischen Regisseurin und ben verändern, und realisiere nun, dass dies ein Wunschtraum war.» ImProtagonisten. Immer noch treibe ihm die Szene die Tränen in die Aumer noch hoffe er, dass bei einer der Vorstellungen jemand aufsteht und gen, sagt Venter, weshalb er sich den Film momentan auch lieber nicht sagt: «Hey Leute, ich möchte euch helfen, was kann ich tun?» mehr anschaue. Für Regisseurin Irene Loebell war die Begegnung zwischen Venter, «Mein Sohn soll nicht ohne Vater aufwachsen wie ich» seinem Bruder und deren Vater filmisch sehr wertvoll, wie die 61-jähriDerzeit verdient Venter seinen Lebensunterhalt mit Tanzen, sein ge im Gespräch am Rande des Workshops erzählt: «Wir hatten einen Traum wäre jedoch ein Kunststudium an der Universität von JohannesDeal, dass ich das Wiedersehen drehen darf», erzählt Loebell, «doch burg. Doch bisher reichten seine Noten nicht aus, um zugelassen zu dann wollte Venter immer wieder, dass ich aufhöre zu drehen, aber das werden, wie eine Szene im Film dokumentiert. Zudem bräuchte er in jeging einfach nicht.» Es ist ein sehr intimer Blick, den Loebell mit ihrem dem Fall ein Stipendium, um die hohen Gebühren zu finanzieren. Film auf das Leben der Tänzer aus Katlehong wirft. Als sie den ProtaUnd Venter hat derweil andere finanzielle Verpflichtungen. Er ist Vagonisten den Film das erste Mal gezeigt habe, habe Venter dann vor Wut ter eines einjährigen Jungen. Von der Mutter des Kindes lebt er derzeit auf das Bett gehauen, auf dem er gesessen habe, sagt Loebell, am getrennt. «Wir sind beide noch so jung und brauchen Zeit», sagt er. «Ich Schluss habe er jedoch den Daumen hochgestreckt. Die Regisseurin möchte nicht, dass mein Sohn aufwächst wie ich, ohne seinen Vater zu spricht über ihre Protagonisten, als seien sie Schützlinge. Ist es nun mukennen», erklärt er. «Deshalb müssen meine Freundin und ich uns erst tig oder unsensibel, als weisse, gutsituierte Schweizerin das Leben selbst finden und erwachsen werden, damit wir unserem Sohn eine armer schwarzer Tänzer in einem südafrikanischen Township zu filrichtige Familie bieten können», so seine Hoffnung. Es ist vielleicht die

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Taxido-Leiter Jerry Zwane gibt sich kritisch.

«Life in Progress zeigt, wie hart mein Leben ist», sagt Venter Theele Rashaba.

men – und das angesichts der historischen Schuld, die die Schweiz als Unterstützerin der Apartheid auf sich geladen hat? Schliesslich unterhielt die Schweiz auch dann noch beste Wirtschaftsbeziehungen zum Apartheid-Regime, als die USA und die EG wegen der menschenverachtenden Politik bereits Sanktionen verhängt hatten. Noch 1986 gab AltNationalbankchef Fritz Leutwiler Südafrika Rückendeckung, indem er ein Umschuldungsprogramm für den verschuldeten Staat organisierte. Nicht immer ganz wohl bei der Sache Mehr als einmal fragt sich der Zuschauer, ob den Gefilmten eigentlich wohl dabei ist, beim Eincremen vor dem kaputten Spiegel in der Wellblechhütte, dem Schuhewaschen in der Plastikschüssel oder auch dem Besuch eines HIV-Aufklärungsteams durch die Kamera beobachtet zu werden. Hätte ein solcher Film nicht besser von Südafrikanern selbst gemacht werden sollen? Loebell glaubt nicht, dass es den Film dann in dieser Form geben würde. «Mir hat mal ein südafrikanischer Produzent mit Wurzeln in Namibia gesagt, es sei auffällig, wie oft die Leute von aussen kämen, wie viele im Filmbereich, die sich für Townships interessieren, eben nicht aus Südafrika sind», erzählt Loebell. Sie ist überzeugt: «Wenn man von aussen kommt, sieht man einfach andere Sachen.» Loebell sieht die Hauptproblematik des Films an anderer Stelle: «Es tut den Jungs sehr weh, zu sehen, wie sie leben.» Und weil die Gefilmten nicht wollten, dass ihre Freunde wüssten, wie arm sie seien, würde «Life in Progress» bisher auch nicht in Katlehong selbst gezeigt, sagt sie und fügt schulterzuckend hinzu: «Obwohl die Freunde doch in derselben Armut leben.» Loebell begleitet ihre Protagonisten seit 2008. Es war auch für sie eine intensive emotionale Auseinandersetzung, das Material für ihren Film aufzunehmen. Dass sie an manchen Stellen eine aktive Rolle im Film übernimmt und mit den Gefilmten von hinter der SURPRISE 348/15

Kamera aus ganze Diskussionen führt, hat sich erst während der Dreharbeiten so entwickelt, erzählt Loebell: «Ursprünglich hatte ich vor, viel mehr nur zuschauend zu filmen.» Doch dann sei sie von ihren Protagonisten ins Geschehen mit einbezogen worden. Nicht immer sei ihr selbst ganz wohl dabei gewesen: «Dass Jerry seine Schüler schlägt, wie man das im Film sieht, das wollte er mir unbedingt zeigen.» Und wendet ein: «Ich wollte es auch unbedingt draufkriegen, natürlich.» Und trotzdem habe sie die Szene als demütigend empfunden. «Manchmal war ich richtig wütend auf ihn», gibt sie zu. Tanzgruppenchef Jerry Zwane selbst hat ebenfalls gemischte Gefühle gegenüber dem Film, wie er vor dem Kultkino Atelier erzählt, in das die Münchensteiner Schüler inzwischen zur Vorführung verschwunden sind. Wie Venter beschreibt Zwane den Film als eine Art Spiegel für sich und die Gruppe, mit allen Hochs and Tiefs. «Es gab Orte, wo ich Irene nicht dabeihaben wollte», sagt er über Loebells Dreharbeiten und erzählt, er habe daher klare Grenzen gezogen. «Der Film ist auch nicht ganz das geworden, worauf wir uns anfangs verständigt haben», sagt Zwane zurückhaltend, «es ist schon sehr Irenes Blick auf die Dinge.» Er hätte es lieber gehabt, wenn bestimmte Konflikte innerhalb der Gruppe nicht im Film aufgetaucht wären. Zudem mache es ihn unruhig, dass zuhause die Arbeit liegenbleibe. Ein Monat Promotion-Tournee für einen Film, bei der sich am Ende keine zusätzliche Finanzierung für Taxido ergebe, könne er sich als Hauptverantwortlicher für die Finanzen der Gruppe eigentlich nicht leisten, so Zwane. Aber dass Loebell eine Weisse und noch dazu Schweizerin ist, sei für ihn an sich kein Problem gewesen. Die meisten Schweizer würden die Rolle ihres Landes während der Apartheid heute ja kritisch sehen. Allerdings habe er ein generelles Problem mit Filmteams aus dem Ausland, die seit dem Ende der Apartheid in die Townships kämen und ohne richtigen Austausch mit der Bevölkerung auf Nimmerwiedersehen mit ihren Aufnahmen wieder verschwänden, sagt Zwane. «Niemand darf kommen und uns für seine eigenen Interessen als Filmobjekt missbrauchen», sagt er. Doch so sei Loebell nicht gewesen, das stellt Zwane klar, und doch zögert er, auf die Frage nach seiner Zufriedenheit mit dem Ergebnis zu antworten. «Ich bin zu 70 Prozent glücklich», sagt er schliesslich. ■

Irene Loebell: «Life in Progress», CH/SA 2014, 95 Min., moderierte Vorstellung (Sabine Gisiger, Christian Iseli) am Do, 21. Mai, 19.15 Uhr an der ZhdK: Toni Areal, Kino Toni, Ebene 3, Pfingstweidstr. 96, Zürich

Die DVD wird im Sommer 2015 ausgeliefert und kann vorbestellt werden unter: www.filmbringer.ch/index.php?id=22&film=76

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BILD: ZVG

Fremd für Deutschsprachige Grüezi Grüezi. Eines der ersten Wörter, das Neuzuzügern in der Schweiz begegnet. Und eines der anspruchsvollsten, kann es doch Jahre dauern, bis man es beherrscht. Kein Wunder, das wahre Grüezi ist diffizil, kann schnell aus der Balance geraten: Es ist zwar unbedingt freundlich, kommt aber deutlich, mit offenem Blick und – das ist besonders wichtig – erhobenen Hauptes daher. Dann erst haben wir es mit einem wirklichen, einem gesunden und funktionstüchtigen Grüezi zu tun: einem, das der Begrüssung dient – und nicht etwa der Unterordnung oder Entschuldigung. Um die Bedeutung dieser helvetischen Grussformel und seiner Verunfallungen zu illustrieren, im Folgenden eine kurze Genealogie meines Grüezi: Eine der ersten Regeln der Strasse, die das Klettgauer Dorf meiner Kindheit mich lehrte,

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war nebst dem Gebot von Lärmfreiheit und unbedingter Trottoirbenutzung: Du grüsst immer, immer als Erste, wenn du einem Erwachsenen begegnest! Doch das Grüezi, das da aus meinem Mund kam, löste in mir ein unangenehmes Gefühl aus, wie Prüfungsangst oder Übelkeit. Wie konnte mich etwas so Banales dermassen aufwühlen? Ich merkte, irgendwie hing es mit dem sonderbaren Klang meines Grüezi zusammen: Pflichtbewusst, brav war es, aber meist zu leise, kraftlos. Und das «i» am Ende schwebte atemlos in der Luft, wie abwartend: Grüez – i …? Heute dämmert mir: So klingt keine Begrüssung, so klingt vielmehr eine Frage, Bitte oder Entschuldigung: Ich entschuldigte mich dafür, dass ich, Ausländerkind, da war, und bat um Duldung, um Akzeptanz. Das fühlte sich natürlich nicht immer so an, es variierte je nach Person, die mir auf der Strasse entgegenkam, das heisst je nach Blick oder Körperhaltung, mit der mir jemand begegnete. Diese zu lesen, lernt das Ausländerkind auch mit der Zeit. Schaute die Frau da drüben wie jemand, der dachte: Schon wieder so ein Usländergoof? War der entspannte Gang jenes Mannes, der dort um die Ecke kam, vielleicht ein Zeichen dafür, dass er «nichts gegen Ausländer» hatte? Je nachdem kam mein Gruss mit oder ohne fürchterlichen Entschuldigungston heraus. Die Wahrscheinlichkeit, von gewissen Leuten schiefe, misstrauische Blicke zu ernten, war

übrigens deutlich höher in Begleitung der Eltern: Sie waren leichter als «Fremde» erkennbar, von ihnen fühlte man sich – obwohl sie im Gegensatz zu mir Steuern bezahlten – offenbar stärker provoziert. Dabei konnte ich nun beobachten, dass die Regel, zuerst zu grüssen, nicht nur für Kinder galt, sondern auch für Erwachsene, wenn es sich um Ausländer handelte. Doch selbst wer diese Regel einhielt, konnte nicht darauf zählen, dass die Entschuldigung fürs eigene Dasein auch angenommen wurde. So beobachtete ich, als mein Vater ordnungsgemäss an einem Samstagvormittag vor dem Haus wischte, wie unser Nachbar, obschon sichtlich jünger als er, an meinem Vater und seinem nicht akzentfreien, aber sonst tadellosen Grüezi vorbeiging. Ohne Gruss zurück, dafür aber mit einem dieser Blicke. Nachdem mich diese zwei Silben über Jahre hinweg gekränkt, traurig und trotzig gemacht haben, schmiss ich sie irgendwann hin und grüsste entweder gar nicht mehr, wenn mir jener Blick begegnete, oder zückte ein trockenes «Guten Tag». Heute jedoch ertappe ich wieder ab und zu ein Grüezi, das sich zwischen die «Guten Tage» stehlen will. Es klingt nicht mehr entschuldigend, sondern neu und normal. SHPRESA JASHARI (SHPRESAJASHARI@HOTMAIL.COM) ILLUSTRATION: RAHEL NICOLE EISENRING (RAHELEISENRING.CH) SURPRISE 348/15


Film Geraubte Freiheit BILD: ZVG

Das Ostschweizer Drama «Das Deckelbad» beleuchtet anhand einer wahren Begebenheit das düstere Kapitel der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen, wie sie in der Schweiz noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein gang und gäbe waren. VON MONIKA BETTSCHEN

Voller Hoffnung auf ein besseres Leben tritt die Österreicherin Katharina Walser, stark gespielt von Simona Specker, in den Dreissigerjahren im Rheintal eine Stelle als Serviertochter an. Doch als Auswärtige hat sie einen schweren Stand. Ihr extrovertiertes Wesen und ihre unverkrampfte Weiblichkeit kollidieren mit den moralischen Wertvorstellungen im Ort. Die junge Frau wird ausgegrenzt und schikaniert, allen voran vom Gemeindeammann Gantenbein (Hans-Peter Ulli), dem Katharina schon seit ihrer Ankunft ein Dorn im Auge ist. Als sie sich in den Tannbühler Tres (Gian Rupf) verliebt, scheint sich das Blatt zu wenden. Die beiden heiraten und gründen eine Familie. Doch als bei einem Forstunfall Katharinas ältester Sohn stirbt, nimmt das Schicksal seinen Lauf. 15 Jahre wird sie in einer Psychiatrie weggesperrt. Mittels Deckelbädern, Elektroschocks und einer Lobotomie wird ihr der letzte Rest ihres einst so fröhlichen Wesens ausgetrieben. Dominiert von einer starken Bildsprache und prägnanten, kernigen Dialogen steuert die Handlung, die auf einer wahren Begebenheit beruht, auf ein unheilvolles Ende zu. In Anlehnung an ein Gesetzesbuch ist der Film in Kapitel unterteilt, und so verweist auch die Strukturierung auf die engen Fesseln, welche einem Menschen ausserhalb der geltenden Normen damals angelegt werden konnten. «Am Filmprojekt haben bei der Ausstattung auch Arbeitslose und einige Asylbewerber aus Tibet mitgewirkt. Gerade die Tibeter, für die die Schweiz als Vorzeigebeispiel einer Demokratie gilt, hat die Konfrontation mit behördlicher Willkür, wie sie bei uns stattgefunden hat, stark beschäftigt», erzählt Regisseur und Journalist Kuno Bont. Er recherchierte Hunderte Fälle von administrativ versorgten Menschen und führte Gespräche mit Direktbetroffenen. Darauf basierend entstand vor 15 Jahren das Bühnenstück «Das Deckelbad», in dem die damals 16-jährige Simona Specker bereits in der Rolle einer Insassin in Erscheinung trat. «Simona hat schon damals mich und das Publikum mit ihrer Wandlungsfähigkeit und UnbeSURPRISE 348/15

Als Katharina Tres kennenlernt, scheint das Glück in ihr Leben zurückzufinden.

schwertheit begeistert. Sie nahm diese Erfahrung zum Anlass, in eine Schauspielausbildung zu investieren», erzählt Bont. Als das Filmprojekt gestartet wurde, entschied sich der Regisseur, Simona Specker die anspruchsvolle Rolle der Katharina zu geben. Ein Jahr lang bereitete sie sich auf ihre erste Hauptrolle in einem Kinofilm vor, und die Intensität, mit der sie die Verwandlung einer lebensfrohen Frau in eine zerstörte und entmündigte Existenz auf die Leinwand bringt, ist mehr als beeindruckend. Manche Förderstelle hätte gerne bekannte Namen im Cast gesehen, sagt Kuno Bont. Aber das Vertrauen, das er bewusst auch in neue Namen gesetzt hat, zahlt sich aus. Eine weitere Entdeckung ist der Laienschauspieler Kevin Oehler, der im Film den geistig behinderten Turli spielt. Turli ist neben Katharina der einzige Mensch, der ausserhalb der strengen Normen steht. Dieser Umstand verbindet die beiden Figuren während des ganzen Films. Er nennt Katharina seine Prinzessin und bekräftigt, dass er aufpassen wolle, dass der Teufel nicht komme. Diese Verbindung setzt der brutalen Wirklichkeit, in der die beiden gefangen sind, eine fast schon poetische Zartheit gegenüber. Dass die Figur des Turli mit so viel Sorgfalt ausgestaltet wurde, ist

kein Zufall. «In meiner Kindheit gab es im Dorf auch einen Menschen wie er, ein Dorforiginal, wie es sie heute nicht mehr oft gibt», erinnert sich Kuno Bont. «Das Deckelbad» fügt sich nahtlos ein in die laufenden Debatten rund um die Wiedergutmachungsinitiative, die am 19. Dezember 2014 mit 110 000 Unterschriften zustande kam. Bis 1981 konnten die Verwaltungsbehörden jemanden ohne Gerichtsurteil in eine geschlossene Einrichtung einweisen lassen. Zehntausende vor allem arme und randständige Menschen wurden zwangsversorgt, fremdplatziert oder sterilisiert. Heute leben noch rund 20 000 Opfer dieser fürsorgerischer Zwangsmassnahmen. Viele sind betagt, weshalb die Zeit für Wiedergutmachung drängt. Ziel des Initiativkomitees ist unter anderem die Entschädigung der Opfer aus einem Fonds von 500 Millionen Franken. Im Januar beschloss der Bundesrat, einen indirekten Gegenvorschlag zur Initiative auszuarbeiten, der die zentrale Forderung nach finanziellen Leistungen anerkennt. ■

Kuno Bont: «Das Deckelbad», CH 2014, 90 Min., mit Simona Specker, Gian Rupf, Jaap Achterberg. Der Film läuft zurzeit in den Deutschschweizer Kinos.

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Kultur

Ihr Mann nutzt sie aus. Und doch behält sie den Pinsel in der Hand.

Nicht einfach ein Oppossum. Sondern ein Stück Schöpfungsmythos.

Buch Ein Pfiffikus auf leisen Pfoten Das Bilderbuch «Der Feuerdieb» erzählt von einem Schöpfungsmythos der indigen Kulturen Mexikos. VON CHRISTOPHER ZIMMER

Prometheus, der Held der griechischen Mythologie, der für die Menschen das Feuer stahl, war ein Titan von göttlicher Herkunft. Der Held, von dem das zweisprachige Bilderbuch «Der Feuerdieb/Ladrón del fuego» erzählt, ist ganz anderer Natur. Ein quicklebendiger kleiner Kerl mit feingliedrigen Pfoten, Beutel und langem Greifschwanz: das Opossum, genauer das Südopossum, das in Mittel- und Südamerika beheimatet ist. Ein Allesfresser, der auch gerne mal den Saft der Agaven nascht, aus dem die Mexikaner ihr Nationalgetränk Pulque oder auch Mezcal brauen, weshalb das possierliche Tier zuweilen «alter Trunkenbold» genannt wird. Ein Geniesser ist er, dieser «Tlacuache» der indigenen Völker Mexikos. Ein weiser Ratgeber zwar auch, aber einer, der Feste, Tabak und hochprozentige Getränke liebt. Ausgerechnet dieser Pfiffikus macht sich zum Gipfel des Berges auf, wo die Herrin des Lichts nicht nur das Feuer, sondern auch den flammenblättrigen Mais hütet. Das Opossum führt die Hüterin der Flammen buchstäblich hinters Licht und stibitzt ihr ein Stück Glut aus dem Feuer. Zwar wird dabei sein Schwanz versengt, der für immer kahl bleibt, aber dem gewitzten Tier gelingt es, sich mit dem Feuer in seinem Beutel davonzustehlen.Wie bei Prometheus, der an einen Felsen geschmiedet wurde und von dessen nachwachsender Leber täglich ein Adler frass, folgt auch hier die Strafe auf dem Fusse: der Tlacuache wird von der Herrin des Lichts gejagt und in Stücke gehauen. Doch er setzt sich selber wieder zusammen und schenkt den Menschen nicht nur das Feuer, sondern auch Zeit und Geschichte. Die Nacherzählung dieses Ursprungsmythos von Ana Paula Ojeda verbindet auf schlichte und poetische Weise das historische Wissen mit dem märchenhaften Geschehen, das, wie es Mythen und Märchen nun mal an sich haben, sowohl Schönes als auch Schreckliches schildert. Und dazu lassen uns die farbenprächtigen Bilder von Juan Palomino tief in eine geheimnisvolle Welt eintauchen, in der ein Held auf leisen Pfoten die Schöpfung in neue Bahnen lenkt. Ana Paula Ojeda, Juan Palomino: Der Feuerdieb/Ladrón del fuego,

Kino Grosse Augen, grosse Lügen «Big Eyes» erzählt ein merkwürdiges, aber wahres Stück Popkunst-Geschichte. Kultregisseur Tim Burton macht daraus eine Mischung aus feministischem Melodrama und Filmbiografie. VON YVONNE KUNZ

Margaret Keanes Bilder sind Anfang der Sechzigerjahre ein PopkunstPhänomen. Die traurigen Kindergesichter mit den titelgebenden Riesenaugen verkaufen sich millionenfach als Poster, Postkarten und Kalender. Die Malerin selbst ist aber praktisch unbekannt – denn ihr Mann Walter Keane gibt sich als Schöpfer der Bilder aus. Er posiert für Titelseiten und spricht in Fernsehinterviews über die Inspiration für sein Werk: die kriegsversehrten Kinder, die er während seines angeblichen Kunststudiums in Paris nach dem Zweiten Weltkrieg gesehen hat. Derweil serviert Margaret an den Vernissagen den Champagner und produziert unter dem zunehmenden Druck ihres Mannes Tausende der begehrten Bilder. Wie es zu diesem einseitigen Joint Venture kommt – und wie es schliesslich zerbricht –, ist Regisseur Tim Burtons hauptsächliches Interesse. Er erzählt die Geschichte in groben Strichen in den für ihn typischen übersättigten Farben und strikt chronologisch. Zu Beginn schlägt sich Margaret, wunderbar gespielt mit unterkühlter Verletzlichkeit und geduldiger Melancholie von Oscar-Preisträgerin Amy Adams, als Alleinerziehende in San Francisco durch. Sie trifft den extrovertierten Immobilienmakler und Sonntagsmaler Walter, den sie fast auf der Stelle heiratet. Der ebenfalls oscarprämierte Christoph Waltz gibt den begnadeten Selbstvermarkter mit wuchtiger Überdrehtheit. Es gelingt ihm, Margaret für seine betrügerische Geschäftsidee einzuspannen: «Die Leute kaufen nun mal keine Frauenkunst.» Da kann man ihm schwer widersprechen. Margaret Keane wäre eine unglückliche Hausfrau geblieben, hätte sie nicht den Mumm gehabt, Walter zu verlassen. «Big Eyes» ist trotz der extravaganten Umstände auch eine alltägliche Emanzipationsgeschichte einer Frau, die in einem chauvinistischen Umfeld ihre eigene Stimme findet und sich doch noch ins Rampenlicht stellt. In einem Radiointerview offenbart sie die Wahrheit, vor Gericht erstreitet sie sich vier Millionen Dollar Schadenersatz. Wer zuletzt lacht, lacht eben doch am besten. Übrigens auch im echten Leben: Walter Keane starb mittellos und verbittert, Margaret malt bis heute noch jeden Tag. Tim Burton: «Big Eyes», USA 2014, 106 Min., mit Christoph Waltz, Amy Adams, Terence Stamp u. a. Der Film läuft derzeit in den Deutschschweizer Kinos.

Baobab Books 2015. 25.90 CHF

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Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.

So sieht Kohlaroma aus, das uns begeistert. 01

weishaupt design, Basel

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Thommen ASIC-Design, Zürich

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Velo-Oase, Erwin Bestgen, Baar

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Coop Genossenschaft, Basel

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AnyWeb AG, Zürich

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Burckhardt+Partner AG

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mcschindler.com GmbH, Zürich

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fast4meter, Storytelling, Bern

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Maya-Recordings, Oberstammheim

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Bachema AG, Schlieren

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Kaiser Software GmbH, Bern

Im Italienischen hat der Stängelkohl einen Namen, der eine Spur sinnlicher ist als der deutsche: Cima di rapa heisst wortwörtlich übersetzt «Wipfel der Rübe». Damit zeigen die Italiener auch, dass sie es mit der Biologie genauer nehmen als wir hier nördlich der Alpen. Denn tatsächlich ist der Stängelkohl eigentlich eine Varietät der Rübe und nicht des Kohls. Dass er dennoch so heisst, hat wahrscheinlich damit zu tun, dass er mit seinem herb-bitteren Kohlaroma begeistert. Die Italiener bereiten Cima di rapa recht puristisch zu: rüsten und dabei nur die ganz dicken Enden der Stiele wegwerfen. Achten Sie beim Kaufen und auch beim Rüsten darauf, dass sie vor allem die delikaten Blüten haben. Solange die Blütenknospen noch geschlossen sind, können Sie mit einem leicht bitteren Aroma rechnen. Gehen die Blüten auf, wird der Geschmack stärker broccoliartig und schärfer. Die Blätter, Stücke der Stiele und die Blüten im kochenden Salzwasser für maximal fünf Minuten blanchieren und abgiessen. Die Italiener lassen jetzt im besten und grosszügig bemessenen Olivenöl ein paar Sardellenfilets schmelzen, geben für die Süsse ein paar grob gehackte Knoblauchzehen dazu und schwenken die Cima di rapa kurz darin, bevor sie frisch gekochte Pasta dazugeben. Hier eignen sich vor allem die etwas bissfesteren Varianten wie Orecchiette oder Strozzapreti. Wer sich nach dem Winter so sehr auf die Aromen des Sommers freut, dass er nicht mehr warten mag, bis die Sommergemüse zu haben sind, kann einige im Olivenöl konservierte gedörrte Tomaten in feine Streifen schneiden und daruntergeben. Schon fast frivol wird die Pasta, wenn am Schluss noch ein paar angeröstete Pinienkerne darüber gestreut werden. Und der Parmesan wird für diese Rezepte nicht gerieben, sondern mit dem Sparschäler gehobelt. Wenn die Tage länger werden, die Sonne kräftiger wird und die Blüten der Cima di rapa ganz offen sind, dann beginnt die Saison des Sprossenbroccoli. Und überbrückt die Zeit, bis an den Waldrändern der Toscana die wilden, grünen Spargeln wachsen, welche wir dann mit frischen Tomaten zu leichten Linguine essen. Denn das Rezept, das für Cima di rapa funktioniert, eignet sich auch für Broccoli aller Arten und grünen Spargel. Nur dass Cima di rapa viel früher, nämlich bereits nach dem ersten Frost, auf dem Markt zu haben ist.

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Ko Schule für Shiatsu GmbH, Zürich

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Schweizerisches Tropen- und Public Health-

Bezugsquellen und Rezepte: www.piattoforte.ch/surprise

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Piatto forte Aufgestängelt Eigentlich ist er ja nicht für seine Grösse bekannt. Aber der Stängelkohl aus dem Süden Italiens trägt seinen Namen zu Recht. VON TOM WIEDERKEHR

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Institut, Basel 14

Lions Club Zürich-Seefeld, Zürich

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Klinik Sonnenhalde AG, Riehen

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Privat-Pflege und Betreuung, Oetwil am See

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Praxis Colibri-Murten, Murten

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Schumann & Partner AG

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Bruno Jakob Organisations-Beratung, Pfäffikon

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VXL Gestaltung und Werbung AG, Binningen

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Hofstetter Holding AG, Bern

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Projectway GmbH, Köniz

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OfficeWest AG, Baden

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Scherrer & Partner GmbH, Basel

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ArchitekturPlus, Zürich

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

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Nach Zukunftspessimismus sieht das aber nicht aus.

Aarau Prosit 2115! Was kommt wohl dabei heraus, wenn sich ein Eisenbahn-Modellbau-Club, Birdlife und ein Kammerchor zusammen vorstellen, wie die Zukunft in 100 Jahren aussehen wird? Man kann es sich anschauen: im «Vereinslokal Utopia», einer begehbaren Installation. Christin Glauser und Seraina Dür von «Goldproduktionen» haben im Ganzen zwölf Vereine eingeladen, Aarau 2115 neu zu denken. Zur fixen Installation hinzu sind noch verschiedenste Veranstaltungen entstanden: Hier wird die Küche der kurzen Wege mit saisonalen und regionalen Lebensmitteln zelebriert, mit mehr oder gerne auch weniger geübten Sängerinnen und Sängern werden mehrstimmige Vokalsätze geübt, und der Verein Netzwerk Asyl geht bei eritreisch-tamilischen Amuse-Bouches der Frage nach, wie wir in Zukunft mit Asylsuchenden zusammenleben wollen. Auch wer herausfinden will, wer die falschsexuelle Jugend ist, bekommt hier Gelegenheit dazu. Entstanden ist das Ganze, weil die Veranstalterinnen einen Zukunftspessimismus festmachten. Jetzt gehen sie auf die Suche nach der Veränderungsfähigkeit von Gesellschaften, probieren Visionen einer gemeinsam gestaltbaren Zukunft aus und zeigen Antworten auf die Frage «Wie soll unser Lebensraum in 100 Jahren aussehen?». (dif) «Vereinslokal Utopia», Vernissage Mi, 6. Mai, 19 Uhr mit dem Verein Kammerchor C21, Ausstellung

Ist der Herr inszeniert oder dokumentiert?

Dieter + Dieter = Zweidieter.

Basel Was in der Stadt steckt

Auf Tour Jassen mit Motörhead

Es erstaunt vielleicht, aber: Olten bietet den Bewohnern viel an Reibungs- und Projektionsflächen für gemeinsame politische und romantische Sehnsüchte und Existenzweisen. Cecile Weibel jedenfalls trägt sie in einem stetig wachsenden Videoprojekt zusammen. Sie nimmt auf, was ihr persönliches Umfeld umtreibt: Die Freunde haben sich unterdessen dran gewöhnt und machen mit, sodass jeweils eine lustige Mischung aus Inszeniertem und Dokumentarischem entsteht. Dann: Szenenwechsel nach Johannesburg. Das Carlton Hotel in Downtown Johannesburg war einst prominenter Schauplatz zentraler Ereignisse der südafrikanischen Geschichte von der Prä- bis zur Post-Apartheid-Ära. Seit der Schliessung in den Achtzigern ist es ein Mahnmal und Erinnerungsort. Leif Bennett und Yvonne Mueller recherchierten, fotografierten und versuchten die historische Relevanz des Orts zu fassen. Thomas Geiger wiederum läuft mit dem Schild «I want to become a millionaire» in Städten rum und verkauft den Leuten signierte Zettel à 1 Euro. Die Frage, die alle beteiligten Künstler umtreibt: Welche Bilder von Städten beherrschen unsere alltägliche Vorstellung? (dif)

Was entsteht, wenn man Schweizer Volksmusik mit zeitgenössischer Musik vermischt? Genau: unerträglicher Kitsch. Das schien eine unumstössliche Gesetzmässigkeit zu sein – bis Zweidieter kamen. Zweidieter – ja, es sind zwei Musiker, ja, beide heissen Dieter (und beides sind studierte Musikethnologen) – haben schon mit ihrem Erstling bewiesen, dass auch etwas Geistreiches dabei rauskommen kann. Sie unterstreichen dies nun mit ihrem zweiten Album «dopplet und drüfach», das Mitte April erschienen ist. Ihren Musikstil haben die Zürcher «Agglo-Folk» getauft, und wer’s gitarrig-songwriterig mag und dazu keine Berührungsängste gegenüber unseren musikalischen Wurzeln hat, der könnte an einem Zweidieter-Konzert seine Freude haben. Highlight des neuen Albums: Die Adaption von Motörheads «Ace of Spades», das bei den zwei Dieter «Schilte Ass» heisst. (fer)

WHEN THOUGHTS ARE REPLACED BY MOVING

Zweidieter, Sa, 2. und So, 3. Mai, 12 Uhr, Schaudepot St. Katharinental, Diessenhofen, Sa, 14. Mai, 20 Uhr, Kulturlabor Thalwil. Auf Wunsch informiert die Band über weitere Auftritte (zweidieter@zweidieter.ch)

Anzeige:

IMAGES, noch bis So, 17. Mai, Ausstellungsraum Klingental, Kasernenstr. 23, Basel. www.ausstellungsraum.ch

Multiple Sklerose Freiwillige gesucht Die Schweizerische MS-Gesellschaft veranstaltet Ferien für schwer MS-Betroffene in der ganzen Schweiz. Gesucht sind Freiwillige, die sich zehn bis 14 Tage Zeit nehmen und die MS-Gesellschaft – unentgeltlich – bei der Betreuung der MS-Betroffenen unterstützen. Die Ferienwochen finden im Juli am Zugersee und im September in Einsiedeln statt. Sind Sie interessiert? Bitte schnell melden unter:

Do, 7. bis Sa, 23. Mai, Do bis Sa 17 bis 20 Uhr, So 14

Tel.: 043 444 43 43/043 444 43 83 oder bei

bis 17 Uhr, Alte Reithalle Aarau.

Nadja Reutemann: nreutemann@multiplesklerose.ch

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Ausgehtipps

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Was man auf einer Weltreise auf den Spuren von Charles Darwin nicht alles antrifft.

Zürich Zusammen allein Das Kunstwerk bin ich – das gilt für die beiden jungen Kunstschaffenden, die im Helmhaus Raum erhalten. Sowohl die gebürtige Winterthurerin Asia Andrzejka Naveen als auch der Zürcher De La Fuente Oscar De Franco stellen sich aus, exponieren im engsten Sinne des Wortes ihre Existenz. Naveen erregte Aufmerksamkeit mit einer Performance der intimen Art: Mit gerade mal 32 Jahren ist sie achtmal verheiratet – mit Männern, einer Frau und einem Gott, parallel und multikulturell. Ausserdem hat sie als Performance während der Schweinegrippe ein Schwein als Haustier gehalten, in einem Asylheim gelebt, ihren gesamten Besitz und den festen Wohnsitz aufgegeben. Seit zwei Jahren besitzt sie nichts mehr als einen Koffer. Ihr Projekt im Helmhaus heisst «Transformation». Naveen und ihre Gruppe erhalten einen Raum. Es gibt Vereinbarungen: Alkohol und illegale Substanzen sind ausgeschlossen, Rauchen wird eingeschränkt, und es ist festgelegt, wer übernachten darf. Alles andere bleibt offen: Wer und was in diesen Raum kommt, was hier geschieht und sich entwickelt. De La Fuente Oscar De Franco verwandelt das Helmhaus in eine «Agentur für zerebrales Reisen». Eben zurück von einer Weltreise auf den Spuren von Charles Darwin und Jules Vernes «In 80 Tagen um die Welt», hat er mehrere hundert Stunden Filmmaterial im Gepäck. Dieses stellt er aus, in Form von 3000 Datenportionen auf USB-Sticks. Er quetscht die Welt in einen Ausstellungsraum und vergleicht dabei die digital permanent verfügbare Welt mit dem, was da draussen ganz analog passiert. Die USB-Sticks nehmen die Besucher mit nach Hause. Damit will die Arbeit die Vereinzelung aufzeigen, die uns unsere technischen Hilfsmittel auferlegen: Statt eines Wir-Erlebnisses bietet «Bluecore» eine kühle Ausstellungssituation, die erst danach, alleine an einem Gerät, komplettiert wird. Wir sehen das Ganze nicht mehr. Und was wir sehen, schauen wir uns alleine an. (ami)

Massen, geht wandern! Mitorganisatorin Melina Mallat ist bereit.

Zürich Agglo-Wanderer Der 9. Februar 2014 war für viele weltoffene Schweizerinnen und Schweizer ein Schock. Eine Zürcher WG plus Freundeskreis, mit und ohne Migrationshintergrund, rappelte sich nach Annahme der Masseneinwanderungsinitiative wieder auf und befreite sich aus der Schockstarre. Aus der freigesetzten Energie erwuchs die «Aktion bewanderte Schweiz» und die «Massenwanderung». Sie erfanden damit auch gleich eine neue Form von politischem Event, vielleicht könnte man sie Demoskussion oder Disstration nennen: Rund 80 Leute wanderten im letzten Mai durch die Zürcher Agglo – um zu zeigen, dass nicht alle Schweizer SVP wählen, aber auch, um sich gemeinsam mit dem Thema auseinanderzusetzen und in lockerer Atmosphäre zu diskutieren und nach Lösungen aus der Misere zu suchen. Nun ist ein Jahr vergangen und der erste Schock ist längst verflogen; das Verdikt vom 9. Februar ist aber immer noch da und die migrationsfeindliche Stimmung ebenso. Deshalb findet die Massenwanderung diesen Mai eine Fortsetzung. Wieder wird durch die Zürcher Agglo gewandert, dort, wo Migranten auf Ja-Stimmer treffen. Auch dieses Jahr wird die Wanderung von einem Rahmenprogramm mit Spoken-Word-Performance, Konzerten und weiteren Darbietungen begleitet. Das Zeichen soll jedoch dieses Mal noch ein bisschen stärker sein: Die Organisatorinnen hoffen bei der zweiten Auflage auf rund 200 Massenwanderinnen und Massenwanderer. (fer) Massenwanderung, Sa, 16. Mai, Start am Bahnhof Bremgarten (AG) um 10 Uhr, Schlusskundgebung und Konzerte um 17 Uhr auf dem Marktplatz in Dietikon (Angaben noch nicht bestätigt), nähere Infos auf www.facebook.com/bewanderteschweiz

«Bluecore» und «Transformation», Vernissage Do, 30. April, 18 Uhr, Ausstellung vom Fr, 1. Mai bis Di, 21. Juni, jeweils Di bis So von 10 bis 18 Uhr, Do von 10 bis 20 Uhr. www.helmhaus.org

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Verkäuferporträt «Ich möchte derzeit nicht viel ändern» BILD: ALFRED MAURER

Daniel Binggeli (55) hat als Krankenpfleger eine Vielzahl von Menschen betreut und begleitet – bis ihm selbst alles zu viel wurde. Heute verkauft er Surprise in der Berner Altstadt, wo er nebenbei den Touristen hilft, sich in der Hauptstadt zurechtzufinden. AUFGEZEICHNET VON ISABEL MOSIMANN

«Ich bin seit 10 Jahren IV-Rentner. Dass mich mein Freund darauf gebracht hat, Surprise zu verkaufen wie er selbst, ist ein Glücksfall. Am Anfang war es ein Abtasten und Ausprobieren, wie ich mich hinstellen soll und am besten die Aufmerksamkeit der Passanten auf mich ziehen kann. Jetzt, nach gut drei Monaten, fühlt es sich immer noch manchmal komisch an, wenn ich vor der Post an der Kramgasse stehe. Aber ich finde Surprise ganz allgemein eine sehr gute Sache, deshalb engagiere ich mich gern. Mir gibt der Heftverkauf an meinen selbst gewählten Verkaufstagen – Dienstag, Donnerstag und Freitag – eine willkommene Struktur und ein Taschengeld. Langweilig wird es mir beim Verkaufen selten, denn in der Berner Altstadt sind immer wahnsinnig viele Touristen unterwegs. Wenn ich zigmal nach dem Weg gefragt werde, komme ich mir vor wie der ‹Infopunkt›. Mit den Einheimischen ergibt sich ab und zu ein längeres Gespräch – wir ‹tampe› dann ein wenig. Das ist ein alter berndeutscher Ausdruck für ‹plaudern›, den man nicht mehr oft hört. Ich bin in Laupen aufgewachsen, an der Kantonsgrenze von Bern zu Freiburg. Nach der Schule, kurz nachdem meine Mutter gestorben war, zog ich für ein Jahr zu einer Bäckerfamilie in die Romandie. Französisch habe ich dort im Jura zwar nicht viel gelernt, dafür arbeiten. Der Chef war streng und trotzdem gut und gerecht zu den Angestellten – mir hat es jedenfalls gefallen. Nach dem Welschlandjahr fing ich an, als Hilfspfleger zu arbeiten. Weil mir der Beruf zusagte, entschied ich, in Bern die Lehre zum Krankenpfleger zu absolvieren. Mitte der Achtzigerjahre zog es mich wiederum in die Romandie. Ich arbeitete in einer Klinik in La Chaux-de-Fonds, wo ich auch meine Frau kennenlernte. Zusammen haben wir zwei Söhne und eine Tochter, seit ein paar Monaten sind wir sogar Grosseltern. Bis 2010 habe ich viele Jahre mit meiner Familie im Wallis gelebt. Wir hatten einen grossen Gemüsegarten und Kaninchen. Mit den Kindern bin ich regelmässig fischen gegangen. Wir hatten schöne gemeinsame Jahre. Doch dann bekam ich zunehmend Probleme am Arbeitsplatz. Ich fühlte mich überlastet und bat daher um eine Pensumsreduktion. Sie wurde mir nicht gewährt – im Gegenteil: Ich hatte das Gefühl, sie luden mir noch mehr Arbeit auf. Ich fing an, mehr zu trinken, als ich es – ehrlich gesagt – schon lange tat, und war somit je länger, je mehr in der Beiz anzutreffen. Ich war mir bewusst, dass ich meine Familie zunehmend vernachlässigte, fand jedoch die nötige Kraft nicht, um mit dem Trinken aufzuhören. Nach Klinikaufenthalten, der attestierten Arbeitsunfähigkeit und dem gescheiterten Versuch, ein normales Familienleben zu führen, trennten sich meine Frau und ich schliesslich, und ich zog nach Biel. Mitgespielt bei der Trennung hat sicher auch, dass ich mich eigentlich schon immer mehr von Männern angezogen gefühlt habe. In der Zeit, als ich meine Frau kennengelernte, glaubte ich jedoch, dass Liebe zwischen zwei Männern nicht sein dürfe, und liess meinen Gefühlen deshalb nicht freien Lauf.

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Heute lebe ich mit meinem Freund zusammen und pflege regelmässig den Kontakt zu meiner Familie. Vor mehr als einem Jahr habe ich mit dem Trinken aufgehört. Ich genehmige mir seither etwa ein Bier pro Woche, das ich dann auch wirklich geniesse. Meist gönne ich mir ein richtig feines, naturtrübes Bier und freue mich, dass ich nun auf die wässerige Billigware verzichten kann. Ich habe viel mehr Energie als vorher, brauche weniger Medikamente und habe ausserdem mehr als zwanzig Kilo abgenommen. An meinem Leben möchte ich derzeit nicht viel ändern. Ich wünschte mir nur eine grössere Wohnung. Drei anstatt zwei Zimmer fände ich ideal. Wenn wir umziehen, dann auf jeden Fall weg von Biel und in die Region Bern, an einen Ort, wo wir in nächster Nähe Spaziergänge mit unserem Labradormischling Foxi machen können und es vielleicht sogar einen kleinen Garten hat, wo ich Gemüse anpflanzen kann.» ■ SURPRISE 348/15


SurPlus – eine Chance für alle! Werden Sie Gotte oder Götti bei SurPlus Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten. Menschen, die kaum Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt wieder Struktur und mehr Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Das verdient Respekt und Unterstützung. Das Spezialprogramm SurPlus ist ein niederschwelliges Begleitprogramm für ausgewählte Surprise-Verkaufende, die regelmässig das Strassenmagazin

verkaufen und hauptsächlich vom Heftverkauf leben. Diese Verkaufenden erhalten nur geringe soziale Ergänzungsleistungen und werden im Programm SurPlus gezielt vom Verein Surprise unterstützt: Sie sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit, Nahverkehrsabonnement) und werden bei Problemen im oft schwierigen Alltag begleitet. Mit einer Patenschaft leisten Sie einen wesentlichen Beitrag für die soziale Absicherung der Verkaufenden und ermöglichen ihnen, sich aus eigener Kraft einen Verdienst zu erarbeiten. Vielen Dank für Ihr Engagement!

Elsa Fasil Bern

Kostana Barbul St. Gallen

Ralf Rohr Zürich

Marlis Dietiker Olten

Negasi Garahassie Winterthur

Josiane Graner Basel

Tatjana Georgievska Basel

Emsuda Loffredo-Cular Basel

Anja Uehlinger Baden

Fatma Meier Basel

Haimanot Ghebremichael Bern

Ja, ich werde Gotte/Götti und unterstütze das SurPlus-Programm von Surprise! 1 Jahr: 6000 Franken

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1 Monat: 500 Franken

348/15 Talon bitte senden oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, 4051 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch, PC-Konto 12-551455-3 SURPRISE 348/15

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Surprise ist: Hilfe zur Selbsthilfe Surprise hilft seit 1997 Menschen in sozialen Schwierigkeiten. Mit Programmen in den Bereichen Beschäftigung, Sport und Kultur fördert Surprise die soziale Selbständigkeit. Surprise hilft bei der Integration in den Arbeitsmarkt, bei der Klärung der Wohnsituation, bei den ersten Schritten raus aus der Schuldenfalle und entlastet so die Schweizer Sozialwerke.

Ich möchte Surprise abonnieren! 24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.) Gönner-Abo für CHF 260.–

Geschenkabonnement für:

Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht von Armut und sozialer Benachteiligung betroffenen Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit für ihre Anliegen. Surprise beteiligt sich am Wandel der Gesellschaft und bezieht Stellung für soziale Gerechtigkeit. Strassenmagazin und Strassenverkauf Surprise gibt das vierzehntäglich erscheinende Strassenmagazin Surprise heraus. Dieses wird von einer professionellen Redaktion produziert, die auf ein Netz von qualifizierten Berufsjournalistinnen, Fotografen und Illustratorinnen zählen kann. Das Magazin wird fast ausschliesslich auf der Strasse verkauft. Rund dreihundert Menschen in der deutschen Schweiz, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten damit eine Tagesstruktur, verdienen eigenes Geld und gewinnen neues Selbstvertrauen. Impressum

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Herausgeber Verein Surprise, Spalentorweg 20, 4051 Basel www.vereinsurprise.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Do T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 info@vereinsurprise.ch Geschäftsführung Paola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (stv. GL) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@vereinsurprise.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Amir Ali (ami), Florian Blumer (fer), Diana Frei (dif, Heftverantwortliche), Sara Winter Sayilir (win), Claudia Spinnler (csp, Praktikantin) redaktion@strassenmagazin.ch leserbriefe@strassenmagazin.ch Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Rahel Nicole Eisenring, Shpresa Jashari, Carlo Knöpfel, Melanie Kobler (Grafik), Yvonne Kunz, Stephan Pörtner, Isabella Seemann, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Tom Wiederkehr, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Monika Bettschen, Elena Madrid, Christian H. Meier, Stefan Michel, Isabel Mosimann, Dominik Plüss, Adrian Soller, Andy Spyra, Alexandra Wey Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 21 300 Ex., Abonnemente CHF 189, 24 Ex./Jahr Marketing, Fundraising T +41 61 564 90 50 Svenja von Gierke

Sport und Kultur Surprise fördert die Integration auch mit Sport. In der Surprise Strassenfussball-Liga trainieren und spielen Teams aus der ganzen deutschen Schweiz regelmässig Fussball und kämpfen um den Schweizermeister-Titel sowie um die Teilnahme an den Weltmeisterschaften für sozial benachteiligte Menschen. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Chor. Gemeinsames Singen und öffentliche Auftritte ermöglichen Kontakte, Glücksmomente und Erfolgserlebnisse für Menschen, denen der gesellschaftliche Anschluss sonst erschwert ist. Finanzierung, Organisation und internationale Vernetzung Surprise ist unabhängig und erhält keine staatlichen Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle anderen Angebote wie die Betreuung der Verkaufenden, die Sportund Kulturprogramme ist Surprise auf Spenden, auf Sponsoren und Zuwendungen von Stiftungen angewiesen. Surprise ist eine nicht gewinnorientierte soziale Institution. Die Geschäfte werden vom Verein Surprise geführt. Surprise ist führendes Mitglied des Internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP) mit Sitz in Glasgow, Schottland. Derzeit gehören dem Verband über 100 Strassenzeitungen in 40 Ländern an. Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83 Thomas Ebinger, Anette Metzner, Spalentorweg 20, 4051 Basel, basel@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Zürich T +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12 Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, zuerich@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02 Andrea Blaser, Alfred Maurer, Bruno Schäfer, Pappelweg 21, 3013 Bern, bern@vereinsurprise.ch Strassenchor T +41 61 564 90 40, F +41 61 564 90 99 Paloma Selma, p.selma@vereinsurprise.ch Strassensport T +41 61 564 90 10 Lavinia Besuchet (Leitung), l.besuchet@vereinsurprise.ch, David Möller (Sportcoach) www.strassensport.ch Vereinspräsident Peter Aebersold

Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird von der Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt. Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen. SURPRISE 348/15


Surprise – Mehr als ein Magazin

Surprise Strassensport Stricken für die Nati 2015! Unsere Surprise-Nati fährt im September an den Homeless World Cup in Amsterdam – mit Ihrem Schal im Gepäck? Wie letztes Jahr möchten unsere Spieler auch in diesem Jahr ihren Gegnern zum Handshake original handgestrickte Fanschals überreichen können. Machen Sie mit! Es gibt sogar etwas zu gewinnen. Stricken Der Schal sollte ca. 16 cm breit und 140 cm lang sein und – Sie hätten es erraten – in Rot und Weiss gehalten. An einem Ende sollte Platz sein für das Wappen unserer Nati, welches wir dann aufbügeln werden, und Fransen an den Enden sehen natürlich besonders hübsch aus. Ansonsten: Ob uni, gestreift, kariert, mit oder ohne Schriftzug – Ihrer Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Schicken Bis spätestens 30. August 2015 an Surprise Strassensport, Lavinia Besuchet, Spalentorweg 20, 4051 Basel. Gewinnen Die Spieler unserer Nati werden den schönsten Schal küren – der Gewinnerin oder dem Gewinner winkt ein attraktiver Surprise-Überraschungspreis!

Hier könnte Ihre Werbung stehen. Werfen Sie Ihr Werbegeld nicht auf die Strasse. Investieren Sie es dort.

Verein Surprise, Spalentorweg 20, 4051 Basel, Anzeigenverkauf, T +41 76 325 10 60, anzeigen@vereinsurprise.ch SURPRISE 348/15

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