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Schaut her! ‹›

Wie Banken Geld aus dem Nichts zaubern «Bildrausch» mit Peter Strickland – der Regisseur im Interview

@straatvogels: Holländische Obdachlose twittern von der Strasse

Nr. 350 | 22. Mai bis 4. Juni 2015 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.


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Titelbild: Patric Sandri

Je weiter sich die Realität von unserem persönlichen Alltag entfernt und in virtuelle Welten verlagert, desto weniger verstehen wir sie. Edward Snowden hat mit seinen Enthüllungen zwar einen Aufschrei ausgelöst, der aber vielerorts auch erstaunlich schnell wieder verhallt ist – was geht den unbescholtenen Bürger schon ein obskurer Geheimdienst an. Aber John Oliver, der Moderator der Satire-Show «Last Week Tonight», hat es vor Kurzem geschafft, das Thema den Leuten wieder ins Bewusstsein zu holen. Er fragte Passanten auf der Strasse, ob es sie stören würde, dass die NSA auch Nacktbilder von ihnen sammle. Die Befragten waren in der Mehrheit entsetzt – weil Oliver es geschafft hat, die abstrakte Überwachungsthematik aufs Intimste herunterzubrechen. Das ist überzeugende Übersetzungsarbeit. Unser Autor Stefan Michel hat einen Glücksspieler zum Vergleich herangezogen, um DIANA FREI unser Finanzsystem zu erklären, und Illustrator Patric Sandri lässt die Schweizer REDAKTORIN Franken so wild aus dem Hut flattern, dass sogar das Zauberhäschen davonhüpft. Dies als Übersetzung dessen, was Banken in unserem Finanzsystem tun – Geld virtuell vermehren zum Beispiel. Aber lesen Sie selbst unsere Titelgeschichte ab Seite 10. Der Text soll uns anlässlich der Vollgeld-Initiative helfen, ein paar Blasen wenigstens einmal gesehen haben, bevor sie das nächste Mal zerplatzen. Nichts gegen die virtuelle Welt an sich: In den Niederlanden ist eine Twittergruppe für Obdachlose gegründet worden, damit sie aus ihrem Leben twittern können. Ironischerweise ist es genau das, wozu in den Anfängen ausgerechnet die Schönen und Reichen den Social-Media-Kanal bevorzugt genutzt haben: um die Follower an ihrer Welt teilhaben zu lassen. Und nun twittern also Obdachlose. Sie haben keine Glitzerwelt zu bieten. Stattdessen motzt Doetie online übers Essen in der Obdachlosenherberge. Und prompt stellt sich die Frage: Darf sie das? Es gibt Leute, die das nicht gern sehen. Die offenbar finden, Obdachlose sollen keine eigene Meinung haben dürfen. Aber wenn Doetie das Essen schlecht findet, nun, dann stimmt es vielleicht einfach – auch wenn sie es gratis bekommt. Das sind die Zwiespälte, die die ungefilterte öffentliche Kommunikation mit sich bringt. Auch der britische Regisseur Peter Strickland stösst uns gerne auf Zwiespälte – wenn auch auf ganz andere: Darf man sich an jemandem rächen, der sich seit seiner Tat zu einem herzensguten Menschen entwickelt hat? Oder an einem Mann, der Frau und Kinder hat? Strickland, Meister der moralischen Verwirrung, ist am Basler Filmfest «Bildrausch» zu Gast. Gehen Sie hin und lassen Sie sich ins Dilemma führen. Herzlich Diana Frei

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 oder vereinsurprise.ch/spenden-surprise Ihre Meinung! Wir sind gespannt auf Ihre Kritik, Ihr Lob oder Ihre Anmerkungen. Schreiben Sie uns! Auf leserbriefe@strassenmagazin.ch oder an Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, 4051 Basel. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion trifft eine Auswahl und behält sich vor, Briefe zu kürzen. Oder diskutieren Sie mit uns auf www.facebook.com/vereinsurprise SURPRISE 350/15

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BILD: ZVG

Editorial Übersetzungsarbeit


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10 Geld Zauberhafte Gewinne Neues Geld in Umlauf zu bringen, ist Aufgabe der Nationalbank. Diese Ansicht ist weitverbreitet, aber falsch: Neun von zehn zirkulierenden Franken stammen heute von den Geschäftsbanken. Das beschert UBS, CS und Co. satte Gewinne, gleichzeitig macht es das Finanzsystem anfällig für Krisen. Soll also die Geldschöpfung wieder in den Dienst der Realwirtschaft gestellt werden, wie das die Vollgeld-Initiative fordert? Wir haben bei Befürwortern, Gegnern und Experten nachgefragt.

BILD: PATRIC SANDRI

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Inhalt Editorial Häschen hüpf! Die Sozialzahl Stellensuchend ist nicht arbeitslos Aufgelesen Ehrgeizige Säufer Zugerichtet Die Fesselungskünstler Kommentar Kümmert euch ums Geld Starverkäufer Mussie Zeggai Porträt Gary gegen Syngenta Asexualität Nur Händchen halten Fremd für Deutschsprachige Wenn die Chips im Halse stecken bleiben Wildwuchs Im Männerwohnheim Kultur iPhone-Filme auf Grossleinwand Ausgehtipps Big Data Verkäuferporträt Er kennt Zürich im Rohbau Projekt SurPlus Eine Chance für alle! In eigener Sache Impressum INSP Surprise – Mehr als ein Magazin In Olten ging’s ab

14 Twitter Obdachlose online BILD: SANDER HEEZEN

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Quer durch die Niederlande nutzen Obdachlose zunehmend Social-Media-Plattformen. Mit der Twittergruppe «Straatvogels» – auf Deutsch «Strassenvögel» – haben sie sich ein Netzwerk geschaffen. Sie wünschen sich gegenseitig einen guten Morgen, kommentieren aber auch die Gesellschaft. Und vor allem: Sie zeichnen ein Bild ihrer persönlichen Situation, das die breite Öffentlichkeit erreicht.

17 Peter Strickland Der Horror des Kohlkopfs

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BILD: MAREK SZOLD

Der britische Regisseur Peter Strickland («Berberian Sound Studio», «The Duke of Burgundy») mag die moralische Verwirrung. Und er mag Kohlköpfe und Melonen – aber nicht zum Essen, sondern um seine Filme zu vertonen. Im Interview hat er uns verraten, was Avantgarde-Musik mit Angstgefühlen zu tun hat und wieso ihn Rachemotive faszinieren. Strickland ist am Basler Filmfest «Bildrausch» zu Gast und lässt uns dort im kunstvollen Horror schmoren wie Gemüse im Topf.

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Arbeitsmarkt. Mä

15 Prozent der nichta rbeitslosen Stellensuc henden befanden sich im März 201 5 in Programmen zu r vo rüb ergehenden Beschäftigung. Dies können Berufspraktik a in Unternehmen und in der Verwaltun g oder Motivationsse mester für Schulabgängerinnen und -abgänger sein. Weite re 31 Prozent gehörten zur Gruppe de r «übrigen nichtarbe itslosen Stellensuchenden». Diese um fasst alle Personen, die schon während der Kündigungsfrist bei den RAV gemelde t sind, aber auch jene, die wegen Krankh eit, Militärdienst oder Mutterschaftsurlaub nicht sofort verm ittelbar sind. Die grösste Kategori e bei den nichtarbeits losen Stellensuchenden mit einem Anteil von 51 Proze nt waren aber jene, die sich in einem Zw ischenverdienst befan den. Diese Personen sind quasi als Te mporärarbeitskräfte in Firmen erwerbstätig, ohne eine daue rhafte Anstellung zu ha ben. So verbleiben sie im Arbeitsma rkt, können ihre Fähig ke it erhalten und ihre Erfahrung ausw eiten. Allerdings ist de r Zwischenverdienst nicht freiwilli g. Im Rahmen der Sc ha de nm inderungspflicht müssen Stelle nsuchende solche Ar beiten annehmen, wenn diese als ihnen zumutbar eingestuft werden. Bleibt die letzte Kateg orie innerhalb der nic htarbeitslosen Stellensuchenden, nä mlich jene, die sich in einer «intensiven Umschulung» oder einer «intensiven We iterbildung» befinden. Diese Gruppe macht erstaunlicherw eise gerade mal 4 Prozent aus. Man da rf sich fragen, ob die Arbeitslosenversicherung damit genü gend Aufwand betre ibt, um Langzeitarbeitslosigkeit und Au ssteuerung zu vermeid en. Übrigens: Im März 201 5 betrug die Arbeits losenquote 3,4 Prozent. Hätte man eine Stellensuchend en-Quote kommuniziert, wäre diese bei 4,7 Prozent gelegen. CA RL O KN ÖP FE L (C .KN OE PF EL@ VE RE IN SU RP RIS E.C H) BIL D: WO MM

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Aufgelesen News aus den 90 Strassenmagazinen, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Zu viel Arbeit Kiel. Säufer sind Verlierer, lautet ein gängiges Stereotyp, das nun als solches entlarvt wurde. Forscher des Finnish Institute of Occupational Health haben in einer internationalen Studie den Alkoholkonsum von mehr als 330 000 Menschen in 64 Ländern analysiert. Resultat: Ehrgeizige und Fleissige greifen häufiger zur Flasche. Wer mehr als 48 Stunden pro Woche arbeitet, trinkt statistisch gesehen 13 Prozent mehr als jemand mit einer 40-Stunden-Woche. Vielleicht ergibt sich daraus eine neue Definition von «Verlierer».

Zu wenig Lohn Hannover. Michael Baumann ist seit 18 Jahren Gerichtsvollzieher in der Stadt Garbsen bei Hannover. Vor zehn Jahren, sagt er, haben Sozialhilfeempfänger ohne Jobs grösstenteils seine Klientel ausgemacht, heute sind es zu 90 Prozent Hartz-IV-Empfänger. Manche arbeiten 40 Stunden die Woche für 840 Euro – zu wenig für eine Familie. «Ich habe immer mehr Leute mit zwei oder drei Jobs, die mit Hartz IV aufstocken müssen», sagt Gerichtsvollzieher Baumann.

Todespiloten auf Crystal Meth Freiburg. Crystal Meth liegt im Trend. Die Droge macht euphorischer als Speed – und kann die Gesundheit von Süchtigen in Rekordzeit ruinieren. Der letzte Schrei in der Drogenszene? Von wegen: Es wurde 1938 unter dem Namen Pervitin erfunden. Und die Militärs liebten es. Die Deutschen wie die Amerikaner verabreichten es im Zweiten Weltkrieg im grossen Stil ihren Soldaten – und die Japaner gaben es den Kamikazepiloten, damit diese ohne Furcht und Hemmungen in den Tod flogen.

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Zugerichtet Ein fast perfekter Überfall Sie hatten das Objekt gut ausspioniert. Ein Kumpel gab ihnen den todsicheren Tipp, dort seien immer Gras und Geld zu holen. Mit Sturmhauben maskiert stürmten sie das Büro, in dem sich die Sekretärin gerade einen Kaffee machte. Blitzschnell packte sie einer der beiden, erzwang mit der Waffenattrappe die Herausgabe des Schlüssels, schob die verängstigte Frau in die angegliederte Wohnung und fesselte sie mit den Handschellen ans Bettgestell. In dem Moment kam der Besitzer nach Hause. «Hände hoch!», schrie der eine und hielt ihn mit der Pistole in Schach, während sein Kollege Kabel aus der Buchse zerrte und den Mann damit ebenfalls ans Bett fesselte. Die Sache geriet langsam ausser Kontrolle. Zumal just noch die Putzfrau auftauchte, die auch gleich aufs Bett gefesselt wurde. Es war wie verflucht. Den Frauen schlug das Herz bis zum Hals. Die schwarz vermummten Männer wirkten furchteinflössend. «Wo ist das Geld?», fragten sie und fuchtelten mit der Pistole rum, «wo ist der Tresor?», «wo ist das Gras?». Aber das Gras war noch nicht reif, und einen Tresor gab’s nicht. Also nahmen sie den Gefesselten die Portemonnaies und Handys ab. Alles in allem erbeuteten sie 2200 Franken, die sie durch drei teilen mussten. Eine 1,80 Meter grosse und 110 Kilo schwere Gestalt betritt den Gerichtssaal in Handschellen. Sie sieht vernachlässigt aus, auf klägliche Weise frühlingshaft herausgeputzt. Heller Leinenanzug, fliederfarbenes Hemd, die obersten zwei Knöpfe offen. Als «fett» beschreibt ihn sein Verteidiger und entschuldigt sich sogleich. Valon B.* nimmt’s gelassen, schliesslich hängt die Verteidigungsstra-

tegie davon ab. Die drei Opfer hatten den Mann mit der Pistole als sportlich-muskulös beschrieben. Er kann es also gar nicht gewesen sein, weil er erstens nicht am Tatort war und zweitens «adipös» sei und nicht muskulös. Valon B. legt vor dem Zürcher Obergericht Berufung ein und fordert einen Freispruch; erstinstanzlich war er des Raubes für schuldig befunden und zu sechs Jahren Haft, inklusive der widerrufenen Bewährungsstrafen, verurteilt worden. Sein Komplize, ein 23-jähriger ThaiBoxer, hatte gestanden und die Verurteilung akzeptiert. «Er lügt, er manipulierte alle, damit er eine geringere Strafe bekam», behauptet Valon B. stinksauer. Schnell hatten sie das geraubte Geld verprasst, damals, als sie noch beste Freunde waren. Ein neuer Coup musste her. Sie bekamen einen Insidertipp: Ein Kollege, der bei McDonald’s in Schlieren arbeitete, hatte ihnen erzählt, der Geschäftsführer transportiere die Tageseinnahmen mit dem Auto. Sie verfolgten den Mann, und als er bei einer anderen Filiale ausstieg und die Papiertüte mit dem Geld im abgeschlossenen Auto liess, schlug der Thai-Boxer die Seitenscheibe ein. 28 260 Franken erbeuteten sie. Der Tipp-Geber, der davon 2000 Franken erhalten hatte, verpfiff sie bei der Einvernahme. Der Richter erkennt keinen Grund, das Strafmass der Vorinstanz zu reduzieren. Bevor Valon B. in Handschellen gelegt wird, wendet er seinen Blick der Dame mit dem getigerten Top zu, die die Verhandlung von den Publikumsrängen aus beobachtete. Bald wird sie ihn wieder im Gefängnis Pöschwies besuchen. * alle Namen geändert ISABELLA SEEMANN (ISEE@GMX.CH) ILLUSTRATION: PRISKA WENGER (PRISKAWENGER@GMX.CH) SURPRISE 350/15


Kommentar Die Stimmbürger müssen es regeln Der Vollgeld-Initiative werden kaum Chancen eingeräumt – zu abstrakt das Anliegen, zu kompliziert das Thema. Dabei zeigt die jüngste Entwicklung: Um den nächsten Crash zu verhindern, sollten sich die Stimmbürger dringend mit Finanzpolitik beschäftigen.

Die Banken sind nicht an die Leine zu bekommen. Der «FukushimaEffekt» des Immobilien- und Bankencrashs 2007 ist verflogen, die Lust aufs grosse Gambling an der Börse ist zurück. Die Banken arbeiten mit Hochdruck daran, die eben erst verschärften und mit Zähnen ausgestatteten Regulierungen wieder zu zähmen. Jüngstes Beispiel: Die Sanktionierung für die Verletzung der Meldepflicht – wenn ein Investor bei einem Unternehmen nach der Macht greift und die Aktionäre illegal überrumpelt. Die Meldedisziplin hatte sich tatsächlich verbessert, es war ein kleiner Schritt in Richtung eines stabileren Systems. Anfang Mai dieses Jahres forderte UBS-Chef Sergio Ermotti lautstark den – es lohnt sich, den Wortlaut zu zitieren – «Verzicht auf unverhältnismässige Rechtsdurchsetzungsforderungen bei verschiedenen Gesetzesvorhaben». Zu Deutsch: Bussen für illegales Verhalten seitens der Banken sollen so festgesetzt werden, dass sie als vernachlässigbare Beträge einkalkuliert werden können. Die bürgerliche Mehrheit in National- und Ständerat, in den Wandelhallen intensiv von Banken-Lobbyisten bearbeitet, erhörte Ermottis Wunsch und ist nun daran, wie es der Tagesanzeiger in der Headline tags darauf formulierte, die Meldepflicht wieder zum Kavaliersdelikt zu machen. Nichts gelernt? Dass die Banken-CEOs an der Schleifung der Regulierungen arbeiten, ist keine Überraschung. Keiner von ihnen wird an der Generalversammlung von den Aktionären beklatscht, wenn er sich im letzten Quartal für die Stabilität der Finanzwirtschaft starkgemacht hat – und dafür den Gewinn ein bisschen vernachlässigt hat. Hier müsste das Parlament eingreifen. Doch auch dieses ist offensichtlich in der Mehrheit zu stark von Einzelinteressen geleitet. Was tun? Zum Glück hat in der Schweiz ja auch das Volk etwas zu sagen. Oder? Mit der Unterschriftensammlung für die Vollgeld-Initiative läuft gerade ein Versuch, die Kontrolle über die Geldmenge von den Geschäftsbanken an die

Nominieren Sie Ihren Starverkäufer! Schreiben Sie uns mit einer kurzen Begründung, welche/n Verkäufer/in Sie an dieser Stelle sehen möchten: Verein Surprise, Redaktion Spalentorweg 20, 4051 Basel F +41 (0)61 564 90 99 redaktion@vereinsurprise.ch

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demokratisch legitimierte Nationalbank zu übertragen. Denn seit einem gesetzgeberischen Unfall können die gewinnorientierten Banken in grossem Stil selbst Geld in Umlauf setzen – mit grossen Nachteilen für die Realwirtschaft und massiven Gefahren für die Stabilität des Systems (siehe unsere Titelgeschichte ab Seite 10). Das Dumme ist nur, dass der Vollgeld-Initiative der Killermakel anhängt, abstrakt und kompliziert zu sein. In den letzten Jahren sind zwar so viele Initiativen angenommen worden wie noch nie in der Geschichte der Schweiz. Doch es ging dabei um Fremdenangst, Kinderschänder oder Abzocker – Themen, die den Puls der Wähler hochtreiben. Bewegen sie sich auf einer abstrakt-gesetzlichen Ebene, haben selbst SVPInitiativen keine Chance: siehe die Maulkorbinitiative, siehe das Staatsvertragsreferendum. Ob die Vollgeld-Initiative noch die grossen Emotionen zu schüren vermag, ist fraglich, trotz des Einspannens von Wilhelm Tell und Helvetia bei der Unterschriftensammlung. Dabei hätte sie es zumindest verdient, dass man sich mit ihr auseinandersetzt. Denn im Gegensatz zur weitgehend wirkungslosen Abzockerinitiative verspricht sie tatsächlich einen Systemwechsel hin zu mehr Stabilität und mehr Macht für die Realwirtschaft. Der Autopionier und Erfolgsunternehmer Henry Ford soll bereits Anfang des letzten Jahrhunderts gesagt haben: «Eigentlich ist es gut, dass die Menschen der Nation unser Banken- und Geldsystem nicht verstehen. Würden sie es nämlich, so hätten wir eine Revolution noch vor morgen früh.» Es wäre an der Zeit, dass wir beginnen uns damit zu beschäftigen. Am besten noch vor dem nächsten Crash. ■

BILD: ZVG

VON FLORIAN BLUMER

Starverkäufer Mussie Zeggai Maria Prendergast aus Rüfenacht schreibt: «Im Einkaufszentrum Gümligen verkauft Mussie Zeggai seine Surprise-Hefte – und dies immer mit einem strahlenden Lächeln: einem Lächeln, das inmitten des geschäftigen Alltags sogleich auffällt. Mussie Zeggai kann nur seinen linken Arm gebrauchen, die rechte Hand ist gelähmt. Trotzdem strahlt er so viel Dankbarkeit und Zufriedenheit aus, dass einen die Begegnungen mit ihm nicht nur wie ein Lichtblick berühren, sondern auch sehr nachdenklich stimmen.»

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Porträt Keine Angst vor Typen in Anzügen Gary Hooser ist wütend. Auf der Hawaii-Insel Kauai, wo er im Gemeindeparlament sitzt, werden neben Syngenta-Testfeldern ganze Schulklassen krank und Babys kommen mit Geburtsfehlern auf die Welt. Ende April ist Hooser nach Basel gereist, um den Aktionären des Agrokonzerns seine Meinung zu sagen. VON FLORIAN BLUMER (TEXT) UND LUCIAN HUNZIKER (BILD)

der immer wieder über Kopfschmerzen klagten. Dass eines Tages die Schule evakuiert werden musste, nachdem ein merkwürdiger Geruch in der Luft war und Kinder erbrechen mussten. Und dass ihr mulmig geworden sei, als ein Nachbar nach dem anderen an Krebs erkrankte. Ärzte berichteten Hooser von einer hohen Zahl sehr seltener Geburtsfehler, die man früher auf der Insel nicht kannte: Herzfehler, offene Bauchdecke, Klumpfüsse und so weiter. Der Onkel, seit vielen Jahren linksgrüner Politiker und Kämpfer für soziale Anliegen, hatte ein Ohr für ihre Sorgen. Und verschrieb sich seinem bisher «grössten Kampf». Er sprach bei Syngenta und den anderen Konzernen vor. Dort sagte man ihm: «Sie wissen nicht, ob dies von den Pestizid-Versuchen kommt.» «Richtig», habe er geantwortet, «deshalb müssen wir es herausfinden». Und dazu müsse er wissen, was sie wann in welcher Menge versprühen. Die Firmenvertreter verweigerten ihm die Auskunft mit dem Hinweis, dass alle Informationen sowieso öffentlich seien. «Sie logen mir ins Gesicht», sagt Hooser, in seiner Stimme schwingt immer noch die Empörung mit. Denn er stellte fest: Öffentlich ist nur ein Teil der Informationen, zu wenig, um damit Studien zu erstellen. Also brachte Hooser ein Gesetz auf den Weg, das die Chemiefirmen zu vollständiger Transparenz und zu Pufferzonen von 150 Metern um Schulen, Spitäler und Wohnhäuser verpflichtet. Es wurde ein harter Kampf. Syngenta habe alles unternommen, um das Gesetz zu verhindern. Von Surprise mit den Vorwürfen konfrontiert schreibt Paul Barrett, Chef der Medienabteilung von Syngenta, diese seien «haltlos», Syngenta nehme ihre Verantwortung gegenüber der Umwelt ernst. Er erwähnt das «Good

Silbergraue Seitenscheitelfrisur, leicht untersetzte Statur, Hawaiihemd: Gary Hooser wirkt auf den ersten Blick nicht unbedingt wie ein Rebell. Der Eindruck täuscht. Seit eineinhalb Jahren führt Hooser einen unerbittlichen Kampf gegen Syngenta, BASF, Dow, Monsanto und Dupont Pioneer – die mächtigen Chemiemultis dieser Erde. «Wir sind Ground Zero der Gentechforschung», sagt das Mitglied des siebenköpfigen County Councils der hawaiianischen Insel Kauai. Sein Hawaiihemd schmücken denn auch nicht Palmen und Sonnenschirmchen, sondern kriegerische Muster der hawaiianischen Ureinwohner, wie er betont. Es ist kurz nach acht Uhr abends in einem Bed and Breakfast im Basler Gundeldingerquartier. Fern Rosenstiel, Biologin und Umweltaktivistin aus Hawaii, fällt Gary Hooser um den Hals, «you did a great job!». Hooser, seine Frau und zwei weitere mitgereiste Aktivistinnen aus Hawaii haben soeben gebannt die Nachrichten des Lokalsenders Telebasel verfolgt. Topthema: Gary Hooser und seine Mitstreiterinnen, die 12 000 Kilometer aus Hawaii in die Schweiz gereist sind, um ihren Protest gegen Syngenta zu äussern. Am Wochenende hatten sie an einem internationalen Kongress gegen den Basler Weltkonzern teilgenommen, heute Montag folgte das «Highlight», wie Hooser es nennt: sein fünfminütiger Auftritt an der Syngenta-Generalversammlung, vor 930 artig zuhörenden und brav klatschenden Aktionären. Der von seinen Mitstreiterinnen Gefeierte strahlt über beide Ohren und sagt: «Die Syngenta-Leute zu Hause werden rasen vor Wut!» Zuvor war er zu sehen, wie er in die Kamera sagt: «Ich verlange nur, dass die Syngenta-VerantDie Vertreter der Agrarkonzerne sagten ihm: «Sie wissen nicht, ob wortlichen in meinem Garten nicht tun, was dies von den Pestizid-Versuchen kommt.» «Richtig», antwortete er, sie auch in ihrem Garten nicht tun würden». «deshalb müssen wir es herausfinden». Was er damit meint: Syngenta und die anderen Chemiefirmen versprühen fast täglich grosse Mengen an Pestiziden über ihre Gentech-Testfelder auf Kauai, darunter Neighbourhood Program», das «Programm gute Nachbarschaft», das hochgiftige Substanzen wie Atrazin und Paraquat, die in der Schweiz alle Informationen öffentlich mache. Hooser kontert: Das Programm und vielen anderen Ländern verboten sind. beruhe auf Freiwilligkeit und informiere nicht über alle Pestizide – es sei «Ich lasse mich von reichen Typen in Anzügen nicht einschüchtern», eine Massnahme zur Verhinderung des Gesetzes gewesen. sagt der ehemalige Geschäftsmann Hooser mit ernster Miene. «Ich habe Auch um die Unterstützung der eigenen Landsleute mussten die Akgelernt, mit den Mächtigen umzugehen». Pakistanische Kollegen, so hativistinnen – es sind in der Mehrzahl Frauen – kämpfen. Denn die Präbe er am Kongress erfahren, müssten für ihren Widerstand um ihr Lesenz des Agrokonzerns auf der Insel hat nicht nur Nachteile: Syngenta ben fürchten. Da seien die Angriffe auf ihn vergleichsweise harmlos: ist ein wichtiger Arbeitgeber, sponsert Baseballteams, vergibt Stipen«Syngenta und ihre PR-Abteilung auf Hawaii zielen nur auf meinen Ruf dien, unterstützt die Handelskammer, gründete gar eine Krebsliga. «Sie und meine Glaubwürdigkeit als Politiker.» kauften sich in die Gemeinschaft ein», nennt es Hooser. Doch letzten Vor zwei Jahren, so erzählt Hooser am langen Biertisch im EsszimSommer marschierten 4000 der 65 000 Einwohner von Kauai für das mer des Bed and Breakfast, seien Malia Kahale inia – auch sie ist mit Gesetz – die grösste Demonstration in der Geschichte der Insel. Und im nach Basel gereist – und ihr Freund aus der Siedlung Waimea auf Kauai County Council brachte Hooser in der entscheidenden Abstimmung eiauf ihn zugekommen. Sie hätten gesagt: «Onkel,» – so würden ihn viene knappe Mehrheit zustande. Die Freude war gross, das Erwachen le auf der Insel nennen – «wir brauchen deine Hilfe.» Hooser schnappt hart: Die Agrarkonzerne fochten umgehend die Legitimität des Gesetzes sich einen Kugelschreiber und ein Blatt und beginnt zu zeichnen: das an. Nun steckt es – laut Hooser für Jahre – in den Mühlen der Justiz fest. Meer, die Wohnhäuser von Waimea, die Schule und direkt daneben die Doch der Besuch in Basel habe ihm Auftrieb gegeben. Und wer die Testfelder von Syngenta. «Der Wind», Hooser zeichnet Pfeile von den Entschlossenheit des Mannes im kriegerischen Hawaiihemd erlebt hat, Feldern in Richtung Häuser, «bläst in diese Richtung, gegen das Meer». den beschleicht der Verdacht: Eines Tages könnte er die «reichen Typen Malia habe ihm erzählt, dass sie Asthma bekommen habe und ihre Kinin Anzügen» noch so richtig das Fürchten lehren. ■ SURPRISE 350/15

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Geld Fiktive Franken Neun von zehn Franken, die in der Schweiz kursieren, werden nicht von der Nationalbank in Umlauf gebracht, sondern von den Geschäftsbanken. Dies ermöglicht UBS, CS und Co. satte Gewinne – und macht das System anfällig für Krisen. Die Vollgeld-Initiative will dies ändern. VON STEFAN MICHEL (TEXT) UND PATRIC SANDRI (ILLUSTRATIONEN)

vergeben und damit eine Spekulationsblase entstehen zu lassen, die, wenn sie platzt, die Wirtschaft in eine Krise reisst – so geschehen beispielsweise im US-amerikanischen Immobilienmarkt 2007. In der Krise haben die Banken dann die Tendenz, den Geldhahn zuzudrehen – und sie damit zu verschärfen. Den Ursprung dieses Systems ortet Binswanger im 17. Jahrhundert in England. Damals begannen findige Geschäftsleute, Edelmetall zuerst durch Schuldscheine und schliesslich durch Banknoten zu ersetzen. Die nächste Stufe war, dass sie Geld verliehen, welches sie gar nicht besassen. Solange sie genügend Kunden hatten und Geld ständig ein- und ausging, gerieten sie nie in Zahlungsnot. Erst wenn alle, die Geld zugut hatten, dieses gleichzeitig beziehen wollten, hatten sie ein Problem. Das Gleiche passiert heute in Ländern, in denen die Währung abstürzt oder bei Banken, bei denen die Spareinlagen nicht mehr als sicher gelten: Die Menschen strömen in Scharen an die Schalter und verlangen die Auszahlung ihrer Ersparnisse. Die Bank hat aber längst ein Mehrfaches der Spareinlagen, die sie verwaltet, an andere ausgeliehen und kann nicht

Angenommen, Sie brauchen einen grösseren Geldbetrag, beispielsweise weil Sie ein Haus kaufen wollen. Nun stellen Sie sich vor, ein Unbekannter schiesst Ihnen das Geld vor. Nicht indem er es Ihnen in einem Koffer übergibt, sondern indem er den Betrag auf ein Papier schreibt, zusammen mit dem Vermerk, der Besitzer dieses Papiers könne den Barbetrag jederzeit bei ihm abholen. Das wirkt wenig vertrauenswürdig, nicht? Und was würden Sie davon halten, wenn Sie erführen, dass Ihr Gläubiger auch nicht belegen kann, dass er über das geliehene Geld tatsächlich verfügt, und zudem ein passionierter Glückspieler ist, der regelmässig riskante Wetten eingeht? Nun, so ähnlich funktioniert die Kreditvergabe der Bank, bei der Sie tatsächlich den Hypothekarkredit für Ihr Wohneigentum aufnehmen. Wenn die Bank Sie für kreditwürdig hält, dann schreibt sie Ihnen den vereinbarten Betrag auf Ihrem Konto gut. Sie braucht dazu weder darauf zu warten, dass in der gleichen Höhe neue Ersparnisse bei ihr hinterlegt werden, noch dass genügend andere Schuldner ihren Kredit zu dem Zeitpunkt zuEin Kredit über eine Million Franken bedeutet: Die Bank setzt auf Ihrem rückzahlen oder Zinsen in der Höhe Ihres DarKonto die Zahl 1 000 000 ein. Fertig. Das Geld wird nirgends hergeholt lehens entrichten. Elektronisches Buchgeld oder abgebucht. können die Banken nach eigenem Gutdünken in die Welt setzen. Ein Kredit über eine Million bezahlen. Der «Bank Run» ist der Albtraum jedes Geldhauses. Entweder Franken bedeutet: Die Bank setzt auf Ihrem Konto die Zahl 1000 000 ein. geht es dabei bankrott oder der Staat greift ein, übernimmt die Schulden Fertig. Das Geld wird nirgends hergeholt oder abgebucht. Es entsteht per der Bank und vertröstet die Sparer auf später. Knopfdruck. Der Kreditnehmer kann mit dieser Zahl sein neues Heim bezahlen. Hang zum Exzess Banken schöpfen also Geld, indem sie Kredite gewähren, und sie tun «Seit 400 Jahren kommt es immer wieder zu Finanzkrisen, weil Banes so lange und in dem Umfang, wie sie glauben, dass ihre Schuldner ken einen Hang zum Exzess haben», erklärt Binswanger im Gespräch. ihre Zinsen dafür entrichten und den Kredit im vereinbarten Zeitraum Um die Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert wurden Zentralbanken (wie zurückzahlen. 90 Prozent der gesamten Geldmenge, die sich in der die Schweizerische Nationalbank) geschaffen, um den Prozess der PaSchweiz im Umlauf befindet, ist elektronisches Buchgeld. Die Schweipiergeldschöpfung zu kontrollieren. Doch schon bald fanden die Banken zerische Nationalbank, der gemäss Artikel 99 der Bundesverfassung als einen Weg, dies zu umgehen. Schecks und Bezahlung durch direkte Vertreterin des Bundes das alleinige Recht zusteht, Münzen und BankÜberweisung von Bankkonto zu Bankkonto waren die Mittel dazu. Benoten auszugeben, kontrolliert nur das Bargeld und damit gerade mal zeichnenderweise bezahlten die Banken untereinander weiter immer zehn Prozent der kursierenden Schweizer Franken. Der Rest sind Zahmit echtem Geld, das heisst mit ihren Guthaben bei der Nationalbank. lenwerte auf Bankkonti. So gross ist das Vertrauen der Banken also in ihr eigenes System. Das Finanzsystem sicherer zu machen ist das Ziel des Vereins MoneGeld aus dem Nichts täre Modernisierung (MoMo). Reinhold Harringer ist Vorstandsmitglied. Mathias Binswanger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der FachEr hat an der Universität St. Gallen seinen Doktor der Ökonomie gehochschule Nordwestschweiz und Privatdozent an der Universität St. macht und leitete während 22 Jahren das Finanzamt der Stadt St. GalGallen, bringt es im Titel seines neusten Buches auf den Punkt: «Geld len. Er stellt klar: «Wir wollen einen Zustand, von dem die meisten Leuaus dem Nichts: Wie Banken Wachstum ermöglichen und Krisen verurte meinen, dass er schon existiere: Das gesamte Geld soll, wie jetzt die sachen». Das sind die zwei Seiten des Frankens, wie er heute im Umlauf Noten oder Münzen, von der Nationalbank hergestellt werden. Banken ist: Er machte den Wohlstand erst möglich, den wir heute haben, denn sollen nur Geld verleihen, das sie von Sparern, den Aktionären oder von ohne Kredit von der Bank hätte den Unternehmen das Geld gefehlt, um der Nationalbank zur Verfügung gestellt bekommen.» Vollgeld heisst zu expandieren, Arbeitsplätze zu schaffen, Steuern zu zahlen. Die Kehrdas Zahlungsmittel, das im Gegensatz zum heute dominierenden Buchseite ist die Tendenz der Banken, in der Boom-Phase zu viele Kredite zu SURPRISE 350/15

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das Geld für produktive Zwecke verwenden, haben oft die grössten geld der Banken ausschliesslich durch die Nationalbank in Umlauf geSchwierigkeiten, an Kredite heranzukommen.» Im Vollgeld-System wäbracht wird. re das anders, verspricht Harringer: «Gemäss unserem VerfassungsentIm Juni 2014 formierten sich Helvetia, Wilhelm Tell und eine kleine wurf gewährleistet die Nationalbank die Versorgung der Wirtschaft mit Gruppe gestandener Herren vor dem Hauptsitz der Schweizerischen NaKrediten durch die Banken. Falls nötig, kann sie die Vergabe von Kreditionalbank in Bern. So lancierte der Verein MoMo die Vollgeld-Initiative ten an KMU mit besonderen Bedingungen fördern.» und zeigte damit nebenbei: Vollgeld ist keine jugendliche Utopie und Die Vollgeld-Initianten wollen die Geldversorgung in den Dienst der hat zumindest im Stil nichts mit Occupy Wallstreet zu tun. Im Verein Realwirtschaft stellen. Das heisst, dass vor allem jenen Kredite gewährt MoMo engagieren sich Professoren der Ökonomie und des Rechts, die werden, die tatsächlich Güter und Dienstleistungen bereitstellen und meisten in der zweiten Hälfte ihrer Karriere. Die Initianten üben keine Arbeitsplätze schaffen. Das Gegenstück zur Realwirtschaft ist die FiFundamentalkritik am Kapitalismus, sie wollen lediglich, dass die Nananzwirtschaft, wo zum grossen Teil durch Wertpapierhandel und Spetionalbank wieder alleinige Herrin über das Geld in der Schweiz wird. kulation aller Art aus Geld noch mehr Geld gemacht wird. Und immer Für die Banken würde dies bedeuten, dass sie nur noch Geld ausleimal wieder werden Geldwerte vernichtet, wie in der letzten grossen Fihen könnten, das bei ihnen als Spareinlage deponiert wurde, das sie als Eigenkapital besitzen oder von ihren Aktionären zur Verfügung gestellt bekommen. Zusätz«Wir wollen einen Zustand, von dem die meisten Leute meinen, dass er lich könnten sie Darlehen von der Nationalschon existiere.» Reinhold Harringer, Vollgeld-Initiant bank erhalten und so weitere Kredite vergeben. Riskantes Investment Banking und Spenanzkrise 2007/2008, wie in unzähligen Finanzkrisen seit Hunderten kulation mit Milliarden-Beträgen am Finanzmarkt würden massiv einvon Jahren. Üblicherweise zieht der Finanzmarkt dabei die Realwirtgeschränkt. Der Gewinn aus dem Geschäft mit neu geschöpftem Geld schaft mit in die Tiefe; nicht zuletzt deshalb, weil sich Buchgeld so käme über den Bund der Allgemeinheit zugute. Heute streichen ihn zum schnell in Luft auflösen kann, wie es entstanden ist. grössten Teil Banken und Finanzmarktspekulanten ein. Im Vollgeld-System würde die Nationalbank wieder alleine darüber Das Verleihen von nicht vorhandenem Geld ist ein einträgliches Gebestimmen, wie gross die Geldmenge in der Schweiz ist. Ein unabhänschäft, zumal die Banken in der Schweiz vor allem Darlehen für Immogiges Gremium würde diese Entscheidung fällen. Hier setzt die Kritik bilien sprechen (Hypothekarkredite): Der Aufwand für die Vergabe ist Mathias Binswangers an: «Was sich die Initianten zu wenig überlegt harelativ gering, und die Banken haben die Sicherheit des Grundstücks ben ist, aufgrund welcher Kriterien die Nationalbank entscheiden soll, oder Wohneigentums, falls der Schuldner nicht mehr bezahlen kann. um wie viel sich die Geldmenge von einem Jahr aufs nächste verändern Weit aufwendiger ist es, die nötigen Abklärungen für Kredite an kleine soll.» Im heutigen System bestimmt weitgehend die Nachfrage nach Kreund mittlere Unternehmen zu treffen, und entsprechend zurückhaltend diten, um wie viel die Geldmenge wächst. Binswanger verdeutlicht: sind die Banken in diesem Bereich. Binswanger urteilt: «Genau die, die

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«Die Initianten sagen, die Nationalbank soll über die Geldmengensteuerung Spekulation und Inflation verhindern und für eine nachhaltige Entwicklung sorgen. Konkret muss sie aber entscheiden, ob sie zwei oder drei Prozent Wachstum der Geldmenge zulässt.» Harringer hält dagegen: «Die Nationalbank muss nicht Anfang Jahr eine fixe Grösse an Neugeld festlegen. Die Feinsteuerung der Geldmenge kann sie vornehmen, indem sie verzinsliche Darlehen an die Banken gewährt, womit diese weiterhin am Geldschöpfungsprozess beteiligt wären.» Geldregen fürs Volk? «Leere Versprechen zum Vollgeld», betitelte der wirtschaftsliberale Thinktank Avenir Suisse seine Kritik an der Vollgeld-Initiative. Er stellt das Vollgeld-System als gigantisches Experiment mit unvorhersehbarem Ausgang dar, welches beispielsweise den Mechanismus aus der Welt schaffe, dass Banken zwischen Einlegern (jene, die Geld auf ihr Konto einzahlen) und Kreditnehmern vermittle – dem Mechanismus also, der längst nur noch einen Bruchteil der Kredite ermöglicht, wie auch Ökonomen aus dem Gegnerlager einräumen. Laut den Verfechtern des Vollgeld-Systems würde der Gewinn aus der Geldschöpfung nach der Finanzreform nicht mehr zum grössten Teil bei privaten Finanzakteuren anfallen, sondern vollständig von der Nationalbank an Bund, Kantone oder auch direkt an sämtliche Bürgerinnen und Bürger ausbezahlt. Und neu würde statt einer Geschäftsbank die Nationalbank garantieren, dass das Guthaben jederzeit ausbezahlt werden kann. Als Folge dieser Umstellung flössen, so schreiben es die Initianten auf ihrer Website, einmalig und über mehrere Jahre verteilt rund 300 Milliarden Franken in die Staatskasse. Das wäre mehr als die aktuelle Gesamtschuld des Bundes (circa 222 Milliarden) und die Bundesausgaben eines Jahres (circa 64 Milliarden) zusammen. Den jährlich wiederkehrenden Geldschöpfungsgewinn zugunsten der Allgemeinheit SURPRISE 350/15

schätzen die Initianten auf drei bis fünf Milliarden Franken. Ein verlockendes Angebot also, das die Vollgeld-Initiative der Schweizer Stimmbevölkerung macht. Die Banken scheinen sich trotzdem noch keine Sorgen um ihr Geschäft zu machen. Die Kommunikationsabteilung der Credit Suisse reagierte gar nicht erst auf die Anfrage von Surprise, bei der UBS hiess es, man werde darauf nicht antworten, solange nicht klar sei, ob die Initiative überhaupt zur Abstimmung komme: Man beschäftige sich nicht mit hypothetischen Fragen. Das Geschäft mit hypothetischem Geld scheint Vorrang zu haben. ■

Die Vollgeld-Initiative Bei Annahme ändert sich Folgendes: – Nur die Schweizerische Nationalbank darf Buchgeld herausgeben und steuert so allein die Geldmenge. – Die Grundzüge der Bundesaufsicht über Finanzdienstleister (Banken, Vermögensverwalter etc.) und ihre Produkte und Geschäftsbedingungen werden in der Verfassung festgehalten. – Banken führen Zahlungsverkehrskonten (Girokonten) ihrer Kunden ausserhalb ihrer Bilanz, womit diese Guthaben auch im Fall eines Konkurses der Bank gesichert sind. – Die Nationalbank bringt neu geschaffenes Geld schuldfrei in Umlauf, indem sie es dem Bund, den Kantonen oder direkt den Bürgerinnen und Bürgern zuteilt. – Die Nationalbank kann neu geschaffenes Geld auch privaten Banken als befristete und verzinsliche Darlehen zur Verfügung stellen. Die Frist für die Einreichung der nötigen 100 000 Unterschriften endet Anfang Dezember 2015. Nach zehn der 18 Monate haben 55 000 Stimmberechtigte unterschrieben.

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Twitter Netzwerk mit Nestwärme Obdachlose nutzen quer durch die Niederlande zunehmend Social-Media-Plattformen. Sie haben mit dem Twitter-Account «Straatvogels» («Strassenvögel») ein Netzwerk geschaffen, um die Öffentlichkeit zu erreichen und sich gegenseitig zu unterstützen.

VON PETRA HUNSCHE (TEXT) UND SANDER HEEZEN (BILD)

Gruppe von Menschen, die sich über Twitter vernetzen und sich gegenseitig helfen. «Aber die Gruppe braucht weiterhin Unterstützung, diese Menschen sind oft gefährdet, und ich habe als Pastor auch eine Verantwortung», meint Tanja.

Das Strassenleben hat Frans Heuvelmans Kreativität keinen Abbruch getan. Er ist Mitglied der «Kantlijn» («Rand»), einer Gruppe obdachloser Autoren in Amsterdam. Er twittert auch gerne: «Das hat sich bei mir von Auf einen Kaffee gefolgt einer Internetphobie zur Internetliebe und bis hin zur InternetbesessenDie meisten Straatvogels in Amsterdam haben um die 1000 Follower heit entwickelt», meint Frans, dem heute mehr als 1000 Twitter-Nutzer und finden dadurch neue Freunde – aber auch unerwartete Unterstütfolgen – darunter auch so manche einflussreiche Persönlichkeit. zung. «Wir zeigen, dass obdachlose Menschen in der Stadt einen wichFrans tweetet auch als Mitglied der «Straatvogels», auf Deutsch tigen Beitrag liefern. Dass die Geschichten von der Strasse die Gemein«Strassenvögel» – die niederländische Version der New Yorker Twitterschaft bereichern», fügt der engagierte Strassenpastor hinzu. gruppe «Underheard», mit der obdachlose Menschen dort auf ihre Situ«Menschen wollen mich kennenlernen, das finde ich gut», erklärt der ation aufmerksam machen. Die Amsterdamer Straatvogels fanden sich ehemalige Obdachlose Iddo Kemp (@kemphaan050). Leicht zögerlich im Jahr 2012 zusammen, als eine Gruppe Studenten mit fünf von den besorgte er sich ein Smartphone, aber heute hat er mehr als 300 Folloniederländischen Firmen KPM und Techreturns gesponserten Smartwer. «Ich trinke oft bei einen Kaffee im Open Hof, einer religiösen Instiphones das Projekt in den Städten Eindhoven und Nijmegen starteten. tution in Groningen, und als die mich fragten, ob ich nicht am Projekt Auch in der Stadt Groningen begannen mehrere ehemals obdachlose ‹Straatvogels050› teilnehmen wollte, sagte ich Ja – ich wollte etwas zuMenschen zu twittern. In etlichen niederländischen Städten gibt es inrückgeben», meint Iddo. «Ich hatte vor Kurzem ein nettes Zusammenzwischen eine Twittergruppe mit dem Namen Straatvogels und einer treffen mit Margreet. Sie folgt mir auf Twitter und hat meine Beiträge Nummer: der örtlichen Telefon-Vorwahl. So ist zum Beispiel die Gruppe auch einige Male geteilt, dann unterhielten wir uns auf Twitter und train Nijmegen im Osten der Niederlande als «Straatvogels024» zu finden. fen uns auf einen Kaffee. Sie hat mich auch einmal daheim besucht.» Ein «Klar ist es eine virtuelle Welt, aber sie hat auch im echten Leben Interview mit Kemp in der örtlichen Zeitung brachte es mit sich, dass Auswirkungen. Man knüpft Kontakte, findet Informationen, lernt sich ihm noch mehr Menschen folgten. Nach Jahren des Strassenlebens und kennen», meint Strassenpastor Luc Tanja, der Nestbauer des allerersten Straatvogel-Twitterkontos in Amsterdam. «In meiner kirchlichen Arbeit habe ich gemerkt, «Wir müssen Veränderungen erwarten und als Team bereit sein. Wir dass die Probleme der Menschen nur Teil ihrer sind eine Art Gewerkschaft. Und es hilft, ein Netzwerk zu haben, bei Geschichte sind. Jeder Mensch hat auch eine dem man Hilfe finden kann.» andere Seite, die Seite voller Hoffnung, Freude und Inspiration.» Und das Twitterprojekt dient der Drogenabhängigkeit ist er heute clean und ärgert sich, wenn Menals Beispiel dazu. @LucTanja tweetet als Strassenpastor im eigenen Naschen ihn bemitleiden: «Wenn sie zu sehr versuchen, sich in deiner men, aber auch für @straatvogels, wo sich die Amsterdamer StraatvoGegenwart ‹normal› zu benehmen. Und dann schleppen sie dich in einen gels zusammenfinden. «Twitter ist ein modernes Medium, direkt und Supermarkt, um dir was zu kaufen, weil sie dir kein Bargeld anvertraupersönlich», erklärt Tanja. «Damit muss man umgehen können. Das veren wollen. Klar muss man vorsichtig sein. Aber einige Leute behandellangt eine gewisse Offenheit. Davor haben viele gemeinnützige Organiten mich doch wieder wie einen Junkie statt wie einen Straatvogel.» sationen Angst. Angst, dass nicht nur ihre positiven Seiten öffentlich werden. Aber soziale Medien verlangen nun mal eine gewisse TranspaOnline übers Essen meckern renz. Wenn etwas schiefgeht, kannst du es zugeben – wenn du aber «Morgen Vogels, heute arbeite ich an einem Mosaik», tweetete Kennichts sagst und dich in deiner Privatsphäre versteckst, dann kann alles neth Doedel am 5. Juni 2014 mit Bild an seine Twitterkollegen in EindMögliche in den sozialen Medien über dich geschrieben werden. Die hoven. Der ehemalige Sozialarbeiter wurde nach dem Tod seiner Mutter, Transparenz ist definitiv der bessere Weg, weil du dabei den Ton angedie er gepflegt hat, vor Kurzem wohnungslos. Er konnte die Arztkosten, ben kannst.» Die Straatvogels sind inzwischen eine eng verbundene

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«Menschen wollen mich kennenlernen, das finde ich gut», erklärt Iddo Kemp. Leicht zögerlich besorgte er sich ein Smartphone, aber heute hat er mehr als 300 Follower. SURPRISE 350/15

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die sie hinterliess, nicht bezahlen und verlor sein Zuhause. Kenneth tweetet seit drei Monaten und hat heute 42 Follower. Er findet, dass das Projekt wichtig ist und weiterleben muss: «Man muss mit der Zeit gehen, wissen, was um einen herum geschieht, insbesondere in der Politik», meint der 60-Jährige. «Wir müssen Veränderungen erwarten und als Team bereit sein. Wir sind eine Art Gewerkschaft. Und es hilft, ein Netzwerk zu haben, bei dem man Hilfe finden kann.» Er sendet zwei oder drei Tweets pro Tag und teilt viele Bilder. Während des Interviews fotografiert er die Interviewerin und den Fotografen und tweetet die Bilder gleich an seine Straatvogel-Kollegen. Ton (@Tstraatvogel024) wiederum ist 55 und lebt seit 18 Monaten in den Vororten von Nijmegen auf der Strasse. Obwohl es seiner Meinung nach sehr schwierig ist, auf Twitter viele Follower zu finden, gibt er zu: «Man kann mit den Hilfeorganisationen, die Straatvogels024 sponsern, auf unkomplizierte Art in Kontakt bleiben.» Ihr Smartphone hat Doetie (@struinvOgel024) in einer Obdachlosenherberge für Jugendliche in Nijmegen bekommen. «Das war eine tolle Gelegenheit. Man kann selber Journalistin sein», meint sie. «Den Sozialarbeitern gefällt das manchmal aber nicht so.» Am Anfang teilte Doetie eine ganze Liste von Beschwerden, insbesondere über das aufgewärmte Essen in der Herberge. «Ich habe Diabetes, und innerhalb eines Jahres haben sich meine Zuckerwerte von 7 auf 13 HBA-C erhöht», erklärt sie. Sie schreibt nicht nur auf Twitter: Doetie dichtet auch viel und arbeitet gerade an ihrem ersten Roman. «Heute habe ich eine Unterkunft, bin also kein richtiger Straatvogel mehr. Vielleicht höre ich auf. Aber es war eine nette kleine Gemeinschaft. Alle haben immer guten Morgen gesagt.» Eine Kerze für die Follower Gerard «Goldengel» (@goudenengel76) hat in 13 Städten der Niederlande gelebt und sich dann in einem Camp im Wald bei Nijmegen angesiedelt. Der 37-Jährige sucht Arbeit, hilft im örtlichen Obdachlosen-

heim mit und tweetet als Teil der Straatvogels024. Gerard – «stolz#papa/liebend/ehrlich/direkt/lieb/zwillinge/auf dem Weg zu einer besseren Zukunft/#Vertrauen#Glaube/KEIN#STRASSENLEBEN» (so steht es in seiner Beschreibung) – nimmt seinen Twitternamen ernst. Mit mehr als 20 Tweets pro Tag erreicht er über 1300 Menschen. «Vom Geschäftsmann bis zum Priester», beschreibt er seine Gefolgschaft. « ‹Für wen kann ich eine Kerze anzünden?› – Das frage ich manchmal, und da bekomme ich immer viele Reaktionen.» Vor Gerards Wohnwagen steht ein robustes, sauberes Fahrrad. Ein Follower aus Rotterdam hat ihm das geschenkt, sagt er und zeigt uns das Zugticket, das ihm der Follower geschickt hat, damit er kommen und das Fahrrad abholen konnte. Zum Geburtstag verschickte er einige Privatnachrichten und bat so um Bilderpostkarten. Eine ganze Menge hat er bekommen – einige davon mit beigelegten Geldspenden. Er beschwert sich nämlich oft über seine finanzielle Situation. Das Obdachlosengeld ist sein einziges Einkommen, von dem er alle seine Kosten decken muss: «Unmöglich», meint er. Aber Gerard hat Geduld. Seine Zeit wird kommen. Bis dahin radelt er 100 Kilometer nach Nijmegen und zurück, um Müll auf den Strassen zu sammeln. Wie jeder andere Twitter-Nutzer sucht er im Netzwerk örtliche Events ebenso wie internationale Nachrichten. Er selber hat leidenschaftliche Beiträge über die Internationalen Viertagemärsche Nijmegen geschrieben, den grössten derartigen Event der Welt, durch den Sport und Bewegung gefördert werden sollen. Aber auch über den Flug MH17 – die Maschine der Malaysian Airline, die in der Ukraine im Juli 2014 beschossen wurde und abstürzte. Viele Niederländer kamen dabei ums Leben. «Leute, vergesst nicht, dass manche Menschen sensibel sind», schrieb er. «Ich habe viel #Respekt für #Trauer. #Opfer der #MH17. Aber die Bilder sollten nicht geteilt werden.» ■ Dieser Text erschien zuerst im niederländischen Obdachlosenmagazin Z! Amsterdam. Ins Deutsche übersetzt von Susanne Willdig. INSP News Service www.street-papers.org

Soziale Medien «Ich schreibe aus der Rolle des Armutsbetroffenen heraus» In der Schweiz gibt es keine vergleichbare Initiative zu den «Straatvogels». Dies haben Recherchen bei verschiedenen sozialen Institutionen und Nachfragen bei unseren eigenen Heftvertrieben gezeigt. Einzelne Surprise-Verkaufende bewegen sich aber durchaus in den sozialen Medien – am aktivsten wohl der 61-jährige Markus Christen, der in Basel auch als Surprise-Stadtführer angestellt ist. 311 Freunde hat Markus Christen auf Facebook. Etwa die Hälfte von ihnen kennt er persönlich, die anderen hat er ausrecherchiert, bevor er sie als Kontakte akzeptiert hat. Es geht ihm nicht darum, ein möglichst grosses «Publikum» zu haben, auch wenn er Facebook sehr gezielt dazu nutzt, seine Meinung zu aktuellen Themen zu äussern. «Mein Ziel ist, meine Ansichten zu politischen Vorgängen aus der Sicht eines Armutsbetroffenen zu kommunizieren. Ich schreibe ganz klar aus dieser Rolle heraus», sagt Christen, der sich lokalpolitisch in der SP Basel-Stadt engagiert. «Im Hinterkopf ist mir durchaus bewusst, dass ich mich stellvertretend für andere Menschen in finanziell schwieriger Lage äussere, aber primär tue ich meine persönliche Meinung kund.» Christen kommentiert Medienberichte, aber auch Äusserungen und die grundsätzliche Einstellung einzelner Politiker. «Ich achte aber darauf, dass ich in der Formulierung sachlich bleibe und nie beleidigend werde.» Christen hat sieben Jahre als freier Journalist gearbeitet und hat klare Grundsätze, wenn er mit seiner Meinung an die Öffentlichkeit tritt:

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1. Die Fakten müssen stimmen, blosse Vermutungen werden zuerst nachrecherchiert. 2. Die Kritik an einer Sache darf scharf sein, aber sie darf nie auf die Person zielen. 3. Die Statements sollen auch Möglichkeiten aufzeigen, wie Dinge verändert werden können. Markus Christen ist breit vernetzt: Zu seinen Facebook-Freunden gehören Menschen, die sich für soziale Themen interessieren, zwei Basler Regierungsräte und etliche Mitglieder des Grossrats. «Vor allem die Grossratsmitglieder sind mir wichtig», sagt Christen, «und ich finde es interessant, dass auch manch einer aus dem rechtsbürgerlichen Lager dabei ist. Die Freundschaftsanfragen sind von ihrer Seite gekommen.» Auch Twitter nutzt er, allerdings weniger aktiv, sondern vor allem um sich zu informieren. Facebook schätzt er als «Möglichkeit der unmittelbaren Reaktion», auch wenn er sich der Gefahr bewusst ist, spontan unüberlegte Äusserungen zu veröffentlichen: «Daher schreibe ich einen Text zu wirklich substanziellen Themen offline, lasse ihn zwei Stunden liegen, redigiere ihn nochmals kritisch und poste ihn erst dann.» Auf die niederländischen «Straatvogels» angesprochen, meint er: «Ich kann mir vorstellen, dass es schwierig ist, ein solches Profil zu bewirtschaften, um eine gewisse Beachtung zu bekommen. Ich sehe es bei mir: Ich habe einen relativ kleinen Kreis von aktiven Beobachtern, der kaum mehr wächst. Auch wollen sich viele Armutsbetroffene einer breiten Öffentlichkeit gegenüber gar nicht outen.» (dif) ■ SURPRISE 350/15


© 2011 INEZ AND VINOODH IMAGE OF WELLHART ONE LITTLE INDIAN BILD: BILD: MAREK SZOLD

Die Macht des Tons: «Berberian Sound Studio» (links) und «Björk: Biophilia Live» (rechts oben). Unten rechts, wie im italienischen Giallo: Peter Strickland selbst.

Peter Strickland Im Rausch der Rache Am Basler Filmfest «Bildrausch» ist Peter Strickland zu Gast, dessen intellektueller Sadomaso-Film «The Duke of Burgundy» vor ein paar Monaten international gestartet ist. Im Interview erklärt der britische Regisseur, wieso ihn Rache und Vergeltung faszinieren, was Identität mit Macht zu tun hat und wie das Geräusch von zermatschten Melonen verängstigen kann.

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INTERVIEW VON DIANA FREI

Herr Strickland, in Ihrem Film «Berberian Sound Studio» sind wir in einem Tonstudio. Es werden gellende Schreie aufgenommen und Melonen zerhackt, was klingt, als würden Schädel zermatscht. Selbst das Gemüse köchelt so lange in der Pfanne, bis uns der Eintopf Angst macht. Der Horror tut sich auf der akustischen Ebene auf. Wieso können Geräusche Dinge erzählen, die Bilder nicht vermitteln können? Ich glaube, das kommt daher, dass das Gehirn Dinge kompensiert, wenn das Visuelle fehlt. Im Kontext mit Horror ist der Ton allein vermutlich verstörender, als wenn man Ton und Bild zusammenbringt. Aber ich bin ganz allgemein fasziniert von der Macht des Tons, mit dem man ein Publikum manipulieren und in die Irre führen kann. Der Unterschied zwischen Lärm, Geräusch und Musik löst sich in Ihren Filmen auf. Sie probieren als Musiker Ähnliches aus und machen aus Kochgeräuschen Konzerte. Was hat Filme- mit Musikmachen zu tun? Das kommt ganz auf das Projekt an. Aber ich mag die Verwirrung, die entsteht, wenn man die Begrifflichkeiten von Musik und Ton im Film vermischt. Wir haben in meinen drei Spielfilmen bestehende MusiqueConcrète-Alben verwendet, speziell in «Katalin Varga». Manchmal ist schwer zu sagen, ob das Musik, Sound Design oder sogar natürliches Geräusch ist. In «Berberian Sound Studio» haben wir darauf geachtet, dass die ganze Musik und der Ton diegetisch waren, also direkt aus der Handlung heraus entstanden. Das gibt dem Ton eine recht konkrete und physische Qualität, aber es wirkt auch verwirrend. Das war genau das, was wir brauchten. Ich glaube, Filmemachen und Musik haben vieles gemeinsam. Beides braucht Stimmung, Rhythmus und Dynamik.

«The Duke of Burgundy», Ihr neuster Film über eine lesbische Sadomaso-Beziehung, lebt stark von Konnotationen und Andeutungen. Setzen Sie die immer ganz bewusst? Es ist schwierig zu sagen, was bewusst geschieht und was beim Schreiben intuitiv entsteht. Ich weiss, dass ich mich bei «Berberian Sound Studio» sehr bewusst zurückgehalten habe, indem ich kein Blut und keine reale Gewalt zugelassen habe. Bei «The Duke of Burgundy» habe ich ähnliche Beschränkungen ausprobiert, gerade weil es ein Film über Zügelungen ist. Es war eine bewusste Entscheidung, keine nackte Haut zu zeigen, aber nicht aus puritanischen Gründen. Ich wollte herausfinden, ob man eine sinnliche Atmosphäre kreieren kann, ohne Fleisch zu zeigen. Es ist ja auch eine fetischistische Welt, in der Objekte und Assoziationen stärker sein können als nackte Haut. Konnotationen machen in «The Duke of Burgundy» alles aus, aber nur weil sie dem Thema dienen. Sie haben «Katalin Varga» offenbar aus pragmatischen und finanziellen Gründen in Rumänien gedreht. Trotzdem: Das Land hat jahrelang unter Ceausescu gelitten, es ist geprägt von Korruption und Machtmissbrauch. Das sind Themen, die in Ihren Filmen zentral sind. Ist es wirklich Zufall, dass Sie ausgerechnet Rumänien ausgewählt haben? Kommt noch der Horror hinzu, dass Transsylvanien das Land von Dracula ist. Die meisten Länder haben Probleme mit Machtmissbrauch. Auch Grossbritannien ist da keine Ausnahme. Ich hatte keine politischen Gründe, in Rumänien zu drehen. Ich habe dort gefilmt, weil die rumänischen Schauspieler wunderbare Leute und weil die Drehorte grossartig sind. Eine Szene haben wir buchstäblich einen Hügel hinter Draculas Schloss gedreht, aber das war Zufall. Sie haben «Katalin Varga» in einer Sprache gedreht, die Sie nicht sprechen. Wie fühlten Sie sich dabei – waren Sie der Chef, der sagt, wo’s langgeht, oder waren Sie als Aussenseiter der Situation ausgeliefert? Es war Verzweiflung. Ich hatte mich zwölf Jahre lang abgemüht, und 2004 habe ich entschieden, nicht mehr auf irgendwelche Leute zu warten, sondern einen Underground-Spielfilm zu drehen. Es hat fünf Jahre gedauert, «Katalin Varga» zu machen, aber ich glaube, ich würde ohne

Sie haben einmal gesagt, die Avantgarde-Musik an sich führe zu bestimmten Bildern. Könnten Sie Ihre Geschichten ohne Musik gar nicht erzählen? Oder würden Sie andere Geschichten erzählen, wenn es keine Musik gäbe? Ich bin sicher, dass man dieselben Geschichten erzählen könnte, aber man müsste es anders tun. Bisher hatte man immer gedacht, man brauche Untertitel, wenn ein Film in einer Sprache gedreht ist, die man nicht versteht. Jetzt hat «Ein Racheakt gehört zu den wenigen Verbrechen, von dem sich viele der ukrainische Film «The Tribe» (in GebärMenschen vorstellen können, es selber zu begehen.» densprache ohne Untertitel, Anm. d. Red.) diese Tradition gebrochen. Es gibt immer einen ihn heute keine Spielfilme drehen. Wie immer wird das Ganze von der anderen Weg, etwas auszuprobieren. Aber zum Horror gehört für mich Gruppe getragen, und ich hatte ein sehr kleines und grosszügiges Team, Avantgarde-Musik. Die atonalen und dissonanten Qualitäten und Strukdas für niedrige Honorare gearbeitet und mir geholfen hat, diesen Film turen passen sehr gut zur fantastischen und düsteren Symbolik. sehr billig innerhalb von 17 Tagen zu drehen. Ich war total abhängig vom Team – aber das wird immer so sein. Die unheimliche Atmosphäre entsteht auch, indem Sie mit Erinnerungen und Assoziationen spielen. Sowohl «Berberian Sound StuIn «The Duke of Burgundy» verschwinden die Grenzen zwischen Tädio» als auch das Rachedrama «Katalin Varga» haben entsprechende ter und Opfer in der sadomasochistischen Beziehung der HauptfiguMomente. Funktioniert nicht auch psychische Gewalt genau so und ren. Wieso lösen sich die Rollen ausgerechnet in einer Konstellation die Rache, die bei Ihnen immer wieder vorkommt? Die Möglichkeit auf, in der das Rollenspiel das Wichtigste ist? der Rache ist bedrohlicher als die Rache an sich. Es gibt keinen Täter und kein Opfer im klassischen Sinn. Es ist eine siIch glaube, Ihre Bemerkung über die psychische Gewalt und ihre Narchere, zärtliche Bühne, auf der Liebende als Täter und Opfer agieren ben stimmt. Bei der Rache an sich scheint es mir schwieriger. Ich glaukönnen. In dem Sinn lösen sich die Rollen gar nicht auf. Evelyn ist fast be, das Motiv selber ist oft eine recht direkte Konsequenz dessen, was immer die Dominante, aber im Kleid der Unterwürfigen, und Cynthia ist mit einem passiert ist – sei es ein Unrecht oder ein Trauma. Aber die die Unterwürfige – verkleidet als Dominante. Diese Dynamik wird den Konsequenzen sind komplex und das moralische Urteil liegt ausserhalb Zuschauern nicht von Anfang an klargemacht, aber sie ist immer da. der subjektiven Sicht des Rächers. In «Katalin Varga» möchte ich das PuDas, was sich während des Films verändert, ist das Wissen der Zublikum zu einer Art Geschworenen in einem Gerichtssaal machen. Man schauer über die Figuren. sieht einen Mann, der etwas Schreckliches getan hat – er hat Katalin vor Jahren vergewaltigt. Aber man sieht auch, dass er sich gewandelt hat Rollen definieren Identitäten ebenso wie Taten. Auch in «Berberian und ein anständiger, liebevoller Mensch geworden ist. Ich wollte den Sound Studio», das sich auf das Stanford-Experiment bezieht: Gibt Film für die Zuschauer moralisch so unentschieden wie möglich halten.

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man jemandem Autorität und Macht, nutzt er diese ohne moralische Bedenken. Es ist immer schwierig zu sagen, ob Macht korrupt macht oder ob Macht korrupte Menschen anzieht. Aber hier schliesst sich noch eine ganz andere Diskussion an. Nämlich darüber, dass man innerhalb einer Hierarchie Macht auch verleugnen und im Wissen handeln kann, dass die anderen, die mehr Autorität besitzen, letzten Endes verantwortlich sind. Wir haben alle gesehen, wie das in der Geschichte funktioniert hat. Aber das Stanford-Experiment hat etwas anderes thematisiert, nämlich wie gewisse Leute plötzlich ganz anders handeln, wenn ihnen Anonymität gewährt wird. Andere online fertigzumachen, ist ein starkes aktuelles Beispiel für diese Mentalität. Die Menschen lassen sich zu schrecklichen Dingen hinreissen, die sie im realen Leben nie jemandem antun würden.

sik. Und wenn du die Musik nicht magst, ist immer noch das Essen da. Und wenn du weder Essen noch Musik magst – dann wird es ein ungemütlicher Abend, nehme ich an. ■

Das Interview wurde auf Stricklands Wunsch per E-Mail geführt. Er nehme sich gerne Zeit, um über seine Antworten nachzudenken. Bildrausch Filmfest Basel, Mi, 27. bis So, 31. Mai, im Stadtkino Basel und kult.kino atelier. Peter Strickland ist persönlich zu Gast. www.bildrausch-basel.ch

Sie selber spielen eine spezielle Rolle in der Filmwelt: Lange waren Sie ein unbekannter Aussenseiter, und in der Zwischenzeit sind Sie zum anerkannten Regisseur avanciert, der Festivalpreise abräumt. Hat Sie das verändert? Es hat mich zu einem totalen Arschloch gemacht. Ich war netter, als ich noch ein Loser war. Meine Arbeit hat sich bis jetzt noch nicht verändert. Vielleicht kommt das noch, wenn das Leben teurer wird und es schwieriger wird, kleine Filme zu machen. Persönlich machen Sie einen recht friedlichen Eindruck. Wieso sind Sie so fasziniert von Rachemotiven? Verstörte Leute haben normalerweise eine friedliche Fassade. Rache ist ein ziemlich faszinierendes Thema, weil es so schwierig ist, es in eine moralische Definition zu fassen. Es gehört zu den wenigen Verbrechen – neben dem Downloaden von Filmen–, von dem sich viele Menschen vorstellen können, es selber zu begehen. Und Ihnen selber ist das Thema so nah, weil Sie zu viel AvantgardeMusik gehört haben? Ich habe in letzter Zeit tatsächlich viel Avantgarde-Musik gehört, bis meine Ohren abgestellt haben. Jetzt höre ich nur noch Schlager. Im Ernst: Entstehen die Bilder und die Handlung in Ihrem Kopf direkt aus der Musik heraus, die Sie hören? Bilder und Stimmungen kommen aus der Musik heraus, aber ich bin nicht sicher, ob es mit der Handlung auch so ist. Meine Filme haben ja keine richtigen Plots. Sie haben beim Konzertfilm «Björk: Biophilia Live» Co-Regie geführt. Auch Björk mischt Geräusche oft exzessiv mit Musik. Wollte sie mit Ihnen zusammenarbeiten, weil sie sich mit Ihnen als Musiker verwandt fühlt? Der Produzent von «Biophilia Live» hat versucht, Björk und mich zu einem Blind Date zusammenzuführen – einem platonischen. Ich interessiere mich sehr für Musik, aber ich würde lügen, wenn ich mich als Musiker verkaufen würde. Björk und ich haben viele gemeinsame Interessen. Das war sicher ein Faktor dafür, dass wir «Biophilia» zusammen gemacht haben. Sie selber geben mit Ihrer Band in Basel ein Konzert – oder vielmehr: Sie kochen und machen Musik daraus. Wen hätten Sie gerne als Publikum: Ihre kunstaffinen Kinozuschauer oder Party People? Wir wollen nur hungrige Leute. Und wie sollen die sich nach dem Konzert fühlen? Wird es so ungemütlich wie im «Berberian Sound Studio»? Wir wollen, dass die Leute einen tollen Abend haben. Wir bieten Essen und Sound. Wenn du Essen nicht magst, hast du immer noch die MuSURPRISE 350/15

Der 42-jährige Brite Peter Strickland wurde für seinen Debütfilm «Katalin Varga» auf der Berlinale 2009 mit dem Silbernen Bären für das Sound Design ausgezeichnet und gilt spätestens seit seiner Hommage an den italienischen Giallo, «Berberian Sound Studio» von 2012, als unkonventioneller Hoffnungsträger des europäischen Arthouse-Kinos. Sein neuster Film «The Duke of Burgundy» (mit Sidse Babett Knudsen, der Premierministerin aus der dänischen Serie «Borgen» als Cynthia) ist Teil des Wettbewerbs. «Katalin Varga», «Björk: Biophilia Live» und seine frühen Kurzfilme werden in einer Spezialreihe gezeigt. In einer öffentlichen «Master Class mit Peter Strickland» wird das Verhältnis von Sound und Optik im Kino Thema sein. Seit fast 20 Jahren betreibt Strickland mit seiner Sonic Catering Band kulinarische Akustik: zu hören am Konzert im Haus der elektronischen Künste Basel. Das Bildrausch Filmfest Basel findet zum fünften Mal rund um die beiden Spielstätten Stadtkino Basel und kult.kino atelier statt. Im Wettbewerb «Cutting Edge» werden 13 Filme gezeigt, die auf internationalen Festivals aufgefallen sind. Das Festival ist jeweils in eine Gartenparty-Stimmung rund um das Stadtkino eingebettet, zu der auch Talks, Tanz und Töggele gehören – und es ist durchaus so gemeint, dass man sich trauen soll, die Filmemacher anzusprechen. Im Kinofoyer steht die Strickland-Taanila-Sonic-Station, an der das musikalische Universum Stricklands angezapft werden kann und wo Kuriositäten von Mika Taanilas Kassetten-Label zu hören sind. Taanila ist Stricklands Verwandter im Geiste: auch er ein avantgardistischer Tonkünstler und darüber hinaus Dokumentarund Experimentalfilmer. Dazu ist er einer der bedeutendsten Vertreter finnischer Medien- und Filmkunst. Seine Filme werden in einem eigenen Spezialprogramm gezeigt. Auch Mika Taanila hat einen Auftritt als Musiker: Zusammen mit der finnischen Experimental-Rockband Circle präsentiert er die Rock-Oper «SSEENNSSEESS». Peter Stricklands The Sonic Catering Band, Do, 28. Mai, 22 Uhr, Haus der elektronischen Künste HeK, Dreispitz, Münchenstein/Basel. «SSEENNSSEESS» mit Circle und Mika Taanila, Sa, 30. Mai, Reithalle, Kaserne Basel. Karten sind beim Stadtkino Basel erhältlich.

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Asexualität Ganz ohne Verlangen Die 23-jährige Lena hat noch nie in ihrem Leben Sex gehabt. Ganz bewusst: Sie ist asexuell. Doch selbst bei engen Freunden stösst sie damit auf Unverständnis.

VON MARILEN JOHNS UND TINA SANDER

«Ich hatte nie Sex, ich wollte nie Sex, und ich wünsche mir auch keinen.» Eine Aussage, die in dieser Klarheit bei den meisten Menschen zunächst auf Unverständnis stossen dürfte. Denn wie kann es sein, dass jemand kein Interesse an der angeblich schönsten Sache der Welt zeigt? Lena, von der die Aussage stammt, ist 23. Eigentlich heisst sie anders, ihren richtigen Namen möchte sie nicht in der Zeitung lesen; auch nicht, wo sie lebt. Nur so viel: Sie ist Studentin an einer Universität in einer grossen deutschen Stadt. Und: Lena ist asexuell. Sie möchte ihre Geschichte erzählen, um auf die Probleme hinzuweisen, auf die sie in unserer Gesellschaft damit stösst. Von Asexualität spricht man, wenn ein Mensch kein Bedürfnis nach Sexualkontakten hat. Von der Wissenschaft wird Asexualität als sexuelle Orientierung wie Hetero- oder Homosexualität eingestuft. Denn Asexualität beruht nicht etwa auf durch seelisches Leid hervorgerufenen psychischen Störungen. Sie hat auch nichts zu tun mit Erfahrungen eines zölibatären Lebens. Asexuelle haben wie jeder andere Mensch das Bedürfnis nach zwischenmenschlichen Beziehungen. Sie ist gewissermassen das Gegenteil von Aromantik, dem fehlenden Verlangen nach romantischen Beziehungen bei gleichzeitigem Bedürfnis nach Sex. Es gibt keine offiziellen Zahlen darüber, wie viele Menschen asexuell sind. Auch weil manche Betroffene gar nicht wissen, dass es Asexualität überhaupt gibt, oder aber sich öffentlich nicht dazu bekennen mögen. Schätzungen gehen von etwa einem Prozent der Bevölkerung aus. Die Studentin Lena weiss von ihrer Asexualität, seit sie 15 ist. Bei einer Recherche für ein Schulprojekt war sie zufällig auf das Thema gestossen. Bis dahin hatte sie gedacht, dass andere Jugendliche übertrieben, wenn es um das Thema sexuelle Anziehung ging, sie selbst diese

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aber nicht so verspürte. Sie begann mit weiteren Recherchen und identifizierte sich bald als asexuell. Damals hatte sie sich zunächst einer lesbischen Freundin anvertraut, die ihr mit grossem Verständnis begegnete. Einige Reaktionen anderer Menschen waren weniger freundlich. «Die meisten Leute wussten nicht, was Asexualität ist. Oder es war ihnen egal», erzählt Lena. «Zwei enge Freunde haben mir ins Gesicht gelacht, eine andere Person hat mich sogar vor meiner Schulklasse geoutet.» Deshalb denkt sie heute genau darüber nach, bevor sie sich jemandem mitteilt. Denn «es ist schwierig, sein Coming-out gegenüber Menschen zu haben, die einen schon lange kennen», sagt sie. «Wenn man Leute neu kennenlernt und dann beiläufig darüber spricht, ist es einfacher.» «Ich deute meine Grenzen an» Vor einiger Zeit ging sie mit einem Partner eine Beziehung ein, der schon vorher mit ihr befreundet war und von ihrem Empfinden wusste. Inzwischen ist diese Beziehung vorüber, so wie das bei vielen anderen Beziehungen passiert. Gerne würde sie wieder eine neue Zweierbeziehung führen. Auch mit Kuscheln oder Händchen halten habe sie kein Problem. Manche Asexuelle sehen das ähnlich, andere gehen anders damit um. Die Entscheidung, wie viel Nähe er zulassen mag, muss jeder für sich selbst treffen. Wenn Lena neue Menschen kennenlernt, mögliche Beziehungspartner beispielsweise, dann verhält sie sich in Bezug auf ihre Sexualität zunächst zurückhaltend. «Ich erwähne meine Asexualität nicht sofort, aber ich deute meine Grenzen an», sagt Lena, «bis ich mich irgendwann dazu bereit fühle, offen darüber zu reden.» Bisher habe sie mit dieser Vorgehensweise noch keine schlechten Erfahrungen gemacht. Die Studentin ist sich jedoch im Klaren, dass ihre Asexualität ein Grund für eine Ablehnung sein kann. Mit abweisenden Menschen wolle sie deshalb SURPRISE 350/15


BILD: ISTOCKPHOTO

auch keine normale freundschaftliche Bezie«Ich kann bei hung führen. «Und ich sage mir oft, dass jegleichgültig.» mand, der negativ reagiert, sowieso kein guter Partner für mich gewesen wäre.» Deswegen gehen Asexuelle gerne Zweierbeziehungen zu Gleichgesinnten ein, wählen eine Person aus, die im Zölibat lebt oder einen geringen Sexualtrieb hat. Denn Fakt ist: Sie werden oft von ihrem Partner, ihrer Partnerin unter Druck gesetzt. Mangelndes Verständnis, unterschwellige Vorwürfe oder Kritik: Viele Asexuelle sind davon betroffen. Vielleicht, hofft Lena, werde sich daran irgendwann ja mal was ändern, wenn die Menschen besser über Asexualität informiert sind. Die Ablehnung hat sie sogar in ihrer eigenen Familie erlebt, als sie den engsten Angehörigen ihre Sexualität zu erklären versucht hat. Sex sells? «Einerseits lernt meine zum Teil konservative Familie langsam, mich zu akzeptieren», sagt Lena, «aber meine Verwandten denken wohl weiterhin, dass ich eigentlich nicht asexuell bin. Sie unterstützen mich mit meiner Asexualität nicht und erkennen sie auch nicht wirklich an.» Manchmal versuchen Angehörige oder Freunde, sie davon zu überzeugen, dass Sex das Beste im Leben sei. Das ist ihr lästig: «Solche Versuche belasten viele meiner Beziehungen, da mir ein Interesse aufgezwängt werden soll, das ich gar nicht habe.» Auch sonst im Alltag, in den Medien beispielsweise, ist Sex immer Thema, mit dem sie konfrontiert wird. Doch daran hat sich Lena bereits gewöhnt. «Zwar bin ich manchmal frustriert, wenn eine Figur in einem Film als einziges Ziel hat, Sex zu haben, aber ich kann bei Sexszenen problemlos zusehen. Sie sind mir gleichgültig.» Auch auf der Strasse begegnen ihr oft Plakate SURPRISE 350/15

Sexszenen problemlos zusehen. Sie sind mir

oder andere Werbeartikel, die mit Erotik oder Sex Interessenten anlocken sollen. Lena ignoriert solche Dinge. Trotz ihrer Asexualität wünscht sie sich Kinder. Irgendwann, sagt sie, werde sie wohl mal über eine Adoption nachdenken. In der asexuellen Gemeinschaft stellt Lena mit diesem Wunsch nicht unbedingt eine Ausnahme dar. Manche wollen Kinder, andere nicht. Einige ringen sich sogar zum Sex durch, um sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Vielleicht, sagt Lena zum Schluss unseres Gesprächs, werde sie irgendwann ja auch mal aus Liebe zu einem Partner mit ihm intim werden, auch wenn sie weiterhin keinerlei Verlangen nach Sexualkontakt verspüre. «Aber Sex ist nicht das, was allein eine gute Beziehung ausmacht», fügt sie hinzu. Die ihr zentralen Werte kleidet sie in eine Frage: «Sind gegenseitige Akzeptanz und Toleranz nicht viel wichtiger?» ■

Dieser Text erschien zuerst in der deutschen Strassenzeitung Hempels. INSP News Service www.street-papers.org

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BILD: ZVG

Fremd für Deutschsprachige Die Kröte In Innern jedes Europäers dämmert eine Kröte unter einer Käseglocke aus Panzerglas vor sich hin. Das entdeckte ich irgendwann in den Neunzigern, im silbergrauen Opel Omega meines Vaters sitzend. Meine Eltern, meine beiden Geschwister und ich waren unterwegs in die Sommerferien nach Mazedonien und fuhren wegen des Kriegs nicht unsere übliche Route (Italien – Slowenien – Kroatien – Serbien – Mazedonien) ab, sondern nahmen in Italien die Fähre nach Albanien und fuhren von da aus rüber nach Mazedonien. Wir Kinder gerieten komplett aus dem Häuschen: Das Meer! Fast wie in richtigen Ferien, wie die Schweizer sie machten, würden wir ans Meer fahren. Und das taten wir dann und sahen sogar Delfine und assen, zum ersten Mal, zusammen in einem Restaurant. Von dort haben wir ein Fe-

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rienfoto, ganz ähnlich dem, das bei Melanie Gasser an der Wohnzimmerwand hing: Mama, Papa, drei Kinder in T-Shirts mit Mickymäusen, hinter ihnen die Wellen und vor ihnen Teller mit Pommes-Frites-Häufen. Wir schliefen in einer Kabine mit Kajütenbetten und früh am Morgen weckte uns ein Steward mit routinierten Rufen: «Vlorë!» Wir waren da. Als wir die Fähre über die Laderampe verliessen, sass ich im Rücksitz des Familienautos und schaute aus dem Fenster, eine Packung Chips auf dem Schoss. Die besten waren die zusammengeklappten. Draussen war Stau, die vielen Autos standen in Kolonnen am Hafen und kamen kaum voran. Vor dem Fenster erschienen braungebrannte Männer und Jungen, die in der gleissenden Sonne die Augen zusammenkniffen und Zigaretten, Schnaps und Pfirsiche verkauften. Ab und zu bildete sich eine Traube Kinder um den Wagen, die nach «Goma! Goma!» riefen, nach Kaugummis – ein US-amerikanischer Genuss, den das Hoxha-Regime jahrelang aus albanischen Mündern verbannt hatte. Die Männer und Kinder sprachen jeweils meine Mutter oder meinen Vater an. Doch auf einmal klopfte es an der Fensterscheibe neben mir und ein Junge, etwa in meinem Alter, stand da. Er schaute mich nur an und erst begriff ich nicht; er hatte nichts zum Verkaufen dabei. Doch dann hob er den linken Arm, ein Stummel, der kurz vor dem Ellbogen endete. Der Schreck schlug mir die Augen nie-

der und ich sah, wie ein paar orange Chipskrümel an meinen dicklichen Kinderbeinen klebten. Da tauchte sie auf, die Kröte: Satt und geborgen und nichts dafür könnend sass sie unter der Glocke aus Panzerglas und glotzte nach draussen. Meine Sicherheit, mein Wohlstand und die Scham darüber hatten sich zu dieser Kröte verdichtet, die nun in meinem Innern lag. Ich hörte, wie meine Mutter dem Jungen einen Schein gab, wie er dankte und weiterging. Hitze flutete meine Ohren und das Gesicht, das ich so lange unten hielt, bis der Junge weit hinter uns war. Dann schaute ich zu, wie sein dünner Körper im Rückspiegel verschwand. Schliesslich löste sich der Stau auf und wir liessen das Albanien der Neunzigerjahre hinter uns. Die Kröte jedoch ist geblieben. Sie ist fett geworden von den täglichen Bildern aus Krieg, Armut, Hunger, Krankheit, Verfolgung, Rassismus, Flucht und Angst, die rings um ihre Käseglocke aufflackern. Wie lange mag die europäische Kröte dem standhalten? Erste feine Risse zeichnen sich ab im Panzerglas.

SHPRESA JASHARI (SHPRESAJASHARI@HOTMAIL.COM) ILLUSTRATION: RAHEL NICOLE EISENRING (RAHELEISENRING.CH) SURPRISE 350/15


Wildwuchs Und immer gewinnt die Bank BILD: FLORIAN HUBER

Im Zentrum von «All In!» steht eine Spielhölle, bei der die Gewinnaussichten gleich null sind: Regisseur Florian Huber weist mit dem Stück auf die Zerbrechlichkeit menschlicher Existenzen hin. Zu sehen am diesjährigen Wildwuchs Festival in Basel. VON MICHAEL GASSER

Mit dem Wechsel ging auch ein Wandel einher: Bis 2013 fokussierte das Basler Wildwuchs Festival ganz auf «künstlerische Arbeiten von und mit Kunstschaffenden mit einer geistigen oder körperlichen Einschränkung». Mit der neuen Leiterin Gunda Zeeb, zuvor Dramaturgin am Theaterhaus Gessnerallee in Zürich, wurde das inhaltliche Spektrum aufgefächert: Die rund 40 Vorstellungen der diesjährigen Ausgabe stehen unter dem Oberbegriff Verantwortung und widmen sich Themenkomplexen wie dem Altern in der hiesigen Gesellschaft oder der sozialen Ausgrenzung. Mit Letzterer beschäftigt sich auch Florian Huber. Für sein Stück «All In!», das beim Festival seine Premiere feiert, richtet der Regisseur im Keller des Männerwohnheims «Rheinblick» der Heilsarmee eigens eine Spielhölle ein. In dieser lässt sich allerdings nichts gewinnen, bloss verlieren. Selbst sieht sich der Basler Theatermacher nicht als Zocker. Und als Familienvater sei er noch vorsichtiger geworden. Unzählige Männer würden jedoch ein erhebliches und meist weitaus höheres Risikoverhalten als Frauen an den Tag legen. Häufig angestachelt vom Testosteron, aber auch von den Medien und der Werbung, wo mit Slogans wie «No risk, no fun» oder «Just do it» hantiert wird und die Welt fast ausnahmslos den Wagemutigen gehört. Dabei ist die Realität eine andere, schliesslich sind stets strahlende Sieger in der klaren Minderheit – wie auch der Alltag im Männerwohnheim zeigt. Das an bester Basler Rheinlage situierte Haus offeriert 53 Plätze und hat zum Ziel, Männern, die am Rande der Gesellschaft stehen, für kurz oder länger ein Zuhause zu bieten. Huber hat sich dem Männerwohnheim still, aber mit «toller» Unterstützung von dessen Leitung angenähert: Er hospitierte in der Küche, war bei der Essensausgabe behilflich und kam so vor Ort ins Gespräch mit den Menschen. «Ich begegnete Bewohnern, die mit extremen Herausforderungen konfrontiert sind», sagt Huber. Deshalb habe er auch gar nicht versucht, die Männer zu überreden, bei seinem Projekt einzusteigen. Stattdessen erzählte er einfach von seinen Ideen und stiess dadurch SURPRISE 350/15

«No risk, no fun?» Männer neigen stärker zu Risikoverhalten als Frauen – und fallen tiefer.

auf Interesse und ein Trio, das gewillt war, bei seinem Vorhaben mitzuwirken. «Anders als mancher vielleicht erwarten würde, verfügen einige Männer im Heim über eine akademische Bildung.» Auf irgendwelche Kommunikationsbarrieren stiess Huber nicht. Und bei seinen Gesprächen achtete er darauf, nie nachzubohren, sondern zuzuhören – und so vieles zu erfahren. Einer der drei Bewohner, die sich für sein Projekt begeisterten, sei früher als Unterhaltungsmusiker durch ganz Europa getingelt, sagt der 39-jährige Regisseur. «Durch ihn habe ich vor Augen geführt bekommen, wie zerbrechlich menschlichen Existenzen sind.» Da könne es mitunter genügen, dass ein wichtiger Pfeiler ins Wanken gerät, und schon droht das bisher so sicher scheinende Dasein auseinanderzufallen. Mit «All In!» – der Titel des Stücks spielt aufs Pokern und den Einsatz sämtlicher Chips an – beschliesst Huber sein Masterstudium der Theaterpädagogik an der Zürcher Hochschule der Künste. Der Abend habe nicht den Anspruch, die Realität abzubilden, sagt er. «So etwas wäre vermessen.» Das Ganze sei eine Art 50-minütiger Rundgang, der Interaktionen mit den drei beteiligten Bewohnern vorsieht und

auf jeglichen Voyeurismus verzichtet. «Wir spielen ausschliesslich in Räumen, die eigens für das Stück präpariert wurden und nicht bewohnt sind.» Und wie im richtigen Leben gilt auch in «All In!»: Die Bank gewinnt immer. Dass sein Projekt Aufnahme ins Programm von Wildwuchs gefunden hat, freut Huber. «Das Festival vertritt die Grundhaltung, dass Theater von und für alle sein kann. Ich sehe das genauso», sagt er. Dementsprechend plant Huber mit «All In!» kein exklusives Vergnügen; sein Anliegen ist ein gänzlich anderes: «Ich will kein bedrückendes Sozialdrama zeigen, sondern versuche zu erreichen, dass sich die Besucher physisch und gedanklich in Zusammenhang mit dem Gesehenen bringen.» Damit dies gelingt, fordert Huber nur eins von seinem Publikum: Offenheit. ■

Wildwuchs Festival: 4. bis 14. Juni, Basel. www.wildwuchs.ch

Florian Huber: «All In!», Di, 9. Juni, Mi, 10. Juni, Fr, 12. Juni sowie So, 14. Juni, Männerwohnheim Rheinblick, jeweils 19 bis 21 Uhr. Einlass alle halbe Stunde.

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BILD: «ODVAJANJE», STUART THOMAS

BILD: ZVG

Kultur

Sieht es so in der Wohnung eines Verstorbenen aus?

Mit dem Smartphone als Kamera kann man behände Yetis suchen gehen.

Buch Lebensfarben

Film Kino frisch ab Handy

Regula Wenger gelingt mit ihrem Debütroman ein heiter-melancholischer Blick auf das Leben rund um den Tod.

Am Mobile Motion Film Festival werden Werke gezeigt, die mit dem Smartphone oder Tablet gedreht wurden. Sie beweisen: Auch mit kleinem Budget kann man grosse Geschichten erzählen.

VON CHRISTOPHER ZIMMER VON MONIKA BETTSCHEN

Pia reinigt die Wohnungen von Verstorbenen. Diese plötzlich entleerten Lebenshülsen, in denen die Zeit stehen geblieben ist und die Dinge wie Treibgut stranden. Alltägliches wie Essensreste, Kleidungsstücke oder Spielzeuge, mitunter auch Briefe und Fotos, Erinnerungen, die niemand mehr mit denselben Augen sehen wird. Und Geheimnisse, die Rätsel bleiben, weil nur der Verstorbene sie lösen könnte, oder solche, die besser Geheimnisse bleiben sollten, weil sie zu Intimes preisgeben, das der Tote selbst nicht mehr verbergen konnte. Was für die Hinterbliebenen zu schmerzlich ist oder was sie aus Gleichgültigkeit, Desinteresse, Verletztheit oder terminlichen Gründen nicht erledigen können, das Aufräumen, Reinigen und Entsorgen, dafür wird «Pia Leichenkäfer» gerufen. Sie ist verschwiegen, nicht aus Diskretion oder weil dies von ihr erwartet wird, sondern weil sie Lebensreste und -geschichten sammelt und zu einem Teil ihres eigenen Lebens macht. Leo ist ihr erster Toter. Ein düsteres Thema hat die Autorin Regula Wenger für ihren Debütroman gewählt. Umso mehr überrascht es, mit wie viel Humor sie es angeht, einem feinfühligen Humor, warmherzig, respektvoll und frei von Zynismus. Dazu ist das Buch erstaunlich unterhaltsam, die Begegnungen mit Lebenden und Toten nicht nur traurig und beklemmend, sondern nicht selten skurril, es sind Kürzestnovellen, die zum befreienden Schmunzeln einladen. Und all diese kleinen Geschichten, Nachrufe und Abgesänge verflechten sich zunehmend, weil Pia keine scharfe Grenze zwischen Leben und Tod zieht, sodass etwas Neues, Lebendiges daraus entsteht. Eine Liebesgeschichte, die berührt, oder auch eine geheimnisvolle Story, fast ein Thriller, dessen Auflösung in Bann zieht. Kein Wunder, dass das Cover des Buches von leuchtenden Farben bedeckt ist. Weil dieser lesens- und empfehlenswerte Roman, während er vom Tod erzählt, eine bunte Fülle an Leben entfaltet. Regula Wenger: Leo war mein erster. Waldgut Zoom 2014. 28 CHF

Zwei Schüsse hallen durch die Einöde. Der Mann, der sie abgefeuert hat, ist in der Wildnis unterwegs, um ein sagenumwobenes, Yeti-ähnliches Wesen zu finden. Ausgerüstet mit Seil, Beil und vielem anderem, was man allein in der Natur zum Überleben braucht, übt er sich verbissen in der Kunst des Fährtenlesens. Diese Szenen stammen aus dem britischen Kurzfilm «Odvajanje» von Stuart Thomas. Der knapp siebenminütige Film überzeugt neben der Handlung mit seinen Landschaftsimpressionen und einer elektrisierenden Soundkulisse. Und: Der Film wurde mit einem iPhone gedreht. Gezeigt wird er Ende Mai am Mobile Motion Film Festival MoMo in Zürich, zusammen mit 13 anderen Filmen, die aus 250 Beiträgen ausgewählt wurden. Dieses Festival wird als eines der ersten weltweit ausschliesslich mit mobilen Geräten gedrehte Produktionen zeigen. Andrea Holle, Gründerin des MoMo, hat eine Plattform geschaffen, die der technischen Entwicklung Rechnung trägt: «Fast jeder, der ein Smartphone oder Tablet besitzt, hat damit schon versucht, eine Situation einzufangen. Wir sind überzeugt, dass sich gute Geschichten nicht nur mit grossem Budget erzählen lassen», sagt Holle. «Filme, die so gedreht wurden, schaffen oft eine intimere und spontanere Grundstimmung, weil man mit diesen kleinen Geräten ja unmittelbar im Geschehen steht und nicht erst künstlich eine entsprechende Atmosphäre erzeugen muss», beschreibt Holle die Qualitäten der Mobile-Motion-Filme. Die mobilen Geräte sind im Vergleich zum traditionellen Filmequipment günstig und bieten gerade auch Filmemachern aus ärmeren Ländern die Möglichkeit, ein Projekt umzusetzen. «Die Kameras in den Geräten werden immer besser, sodass die Qualität der Aufnahmen gegeben ist», sagt Holle. Innerhalb eines Jahres haben sie und ihr Team es geschafft, das Festival mittels Crowdfunding zu finanzieren. Vor der Preisverleihung am Abend finden einige Veranstaltungen statt, die Themen wie Low-Budget-Filmemachen oder Crowdfunding aufgreifen und dem Festival auch ein theoretisches Fundament geben. «Ab nächstem Jahr werden wir die Kategorien weiter verfeinern, und wir wollen das MoMo als mehrtätigen Filmevent etablieren», sagt Andrea Holle. Mobile Motion Film Festival, Sa, 30. Mai, Screening und Preisverleihung 20.30 Uhr, Kino Arthouse Uto, Zürich, www.momofilmfest.com

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BILD: ISTOCKPHOTO

Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.

Gut geschichtet ist halb gegessen.

Piatto forte Aus dem Schatten treten Vielerorts heisst sie Eierfrucht. Wir sagen dazu Aubergine. Die Italiener nennen sie Melanzane. Beliebt ist sie überall. VON TOM WIEDERKEHR

Biologisch betrachtet ist die Aubergine ein Nachtschattengewächs. Kulinarisch steht sie allerdings in vielen Ländern gross im Scheinwerferlicht und schafft es vielerorts auf die Liste der Nationalgerichte: Was ässen die Griechen ohne die Moussaka? In was würden die Araber das Fladenbrot dippen, wenn sie kein Baba Ghanoush hätten? Und wie viel ärmer wäre die Küche Italiens ohne das berühmte Parmigiana di melanzane, diese wunderbare Geschmackskombination aus Tomaten, Auberginen und Basilikum, welche zusammen mit cremigem Mozzarella überbacken wird? Der Name verwirrt zuerst, aber Parmigiana heisst dieses Gericht nicht, weil auch Parmesan verwendet wird. Vielmehr meint es die Zubereitung auf Parma-Art, also geschichtet. Trotzdem ist der Ursprung dieses Gratins der Süden Italiens. Die Zubereitung ist ein bisschen aufwendig, aber lohnt sich. Wir beginnen mit dem Tomatensugo. Je länger die Tomaten leise kochen können, desto runder wird der Geschmack. Dazu lassen wir in Olivenöl zwei feingehackte Knoblauchzehen anziehen und geben 700 Gramm geschälte und gewürfelte Tomaten oder zwei Dosen Pelati dazu, würzen mit einem Teelöffel Meersalz und frisch gemahlenem Pfeffer und lassen alles mindestens 45 Minuten auf kleinem Feuer zugedeckt köcheln. Jetzt vier bis fünf längliche und eher kleine Auberginen in 4 mm dicke Scheiben schneiden. In viele Rezepten werden die Auberginenscheiben jetzt gesalzen, um ihnen den leicht bitteren Geschmack zu entziehen. Das nimmt ihnen allerdings ihre typische Note, und bei piatto forte tun wir das folglich nicht. Die Auberginenscheiben also mit Olivenöl einstreichen und am besten auf einer Grillpfanne auf jeder Seite goldbraun grillen. Eine geeignete Emailform mit etwas Sugo ausstreichen und anschliessend die gegrillten Auberginenscheiben einschichten. Jetzt mit Tomatensugo, zerpflücktem, frischem Basilikum und kleinen Mozzarellawürfeln belegen und so lange weiter schichten, bis alles aufgebraucht ist. Zum Schluss mit frisch geriebenem Parmesan oder Peccorino bestreuen und im Ofen bei 180° Celsius für 45 Minuten gratinieren. Die Parmigiana nicht heiss, sondern lau- oder zimmerwarm essen. Dabei die Augen schliessen – und schon fühlt man die laue Meeresbrise beim Strandpicknick.

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Gemeinnütziger Frauenverein Nidau

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Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich

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weishaupt design, Basel

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Thommen ASIC-Design, Zürich

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Velo-Oase, Erwin Bestgen, Baar

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Coop Genossenschaft, Basel

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AnyWeb AG, Zürich

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Burckhardt+Partner AG

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mcschindler.com GmbH, Zürich

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fast4meter, Storytelling, Bern

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Maya-Recordings, Oberstammheim

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Bachema AG, Schlieren

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Kaiser Software GmbH, Bern

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Ko Schule für Shiatsu GmbH, Zürich

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Schweizerisches Tropen- und Public HealthInstitut, Basel

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Lions Club Zürich-Seefeld, Zürich

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Klinik Sonnenhalde AG, Riehen

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Privat-Pflege und Betreuung, Oetwil am See

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Praxis Colibri-Murten, Murten

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Schumann & Partner AG

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Bruno Jakob Organisations-Beratung, Pfäffikon

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VXL Gestaltung und Werbung AG, Binningen

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Hofstetter Holding AG, Bern

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Projectway GmbH, Köniz

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OfficeWest AG, Baden

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

Bezugsquellen und Rezepte: www.piattoforte.ch/surprise 350/15 SURPRISE 350/15

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Wollen wir lesen: Texte über Armutserfahrungen.

Zürich Das Wort ergreifen Wer auf der Wohlstandsinsel Schweiz in prekären finanziellen Verhältnissen lebt, der befindet sich auf dem blinden Fleck der Gesellschaft. Dagegen hilft: Sich ausdrücken. Erfahrungen und Gedanken formulieren. Buchstäblich das Wort ergreifen. Die Caritas Zürich lädt Menschen mit kleinem Budget ein, über ihre persönlichen Erfahrungen zu schreiben: Wie lebt es sich mit wenig Geld in der reichen Schweiz? Wie geht man damit um, wenn die Rechnung trotz Sparen nicht aufgehen will? Was bedeutet es, im Kanton Zürich am Existenzminimum zu leben? Während fünf Abenden wird den Kursteilnehmenden das Schreiben als persönliches Ausdrucksmittel näher gebracht. Die Schriftstellerin Tanja Kummer und die Journalistin Andrea Keller stehen mit Tipps und Tricks für gelungene Texte zur Seite. Schreiben wird dabei als kreativer Akt verstanden, der trotz schwierigem Thema Spass macht und mitunter befähigt, sich selbst und die eigene Situation neu zu betrachten. Auf Wunsch wird den Teilnehmenden ein Laptop zur Verfügung gestellt. Ziel der Schreibwerkstatt ist, dass alle Teilnehmenden einen Text verfassen, der von ihrer persönlichen Situation erzählt. Die Texte werden in einer Broschüre publiziert. Neugierige können die Texte der Schreibwerkstatt des letzten Jahres zum Thema «Wohnen/Schreiben» auf der Webseite der Caritas Zürich unter «Publikationen» herunterladen. (ami)

BILD: MARC LEE, PIC ME, ONLINE PROJEKT, 2014

BILD: ZVG ILLUSTRATION: ISTOCKPHOTO

Ausgehtipps

Achtung, Genmais! Mehr Infos gibt’s im Occupy-Kino.

Wissen, was bei andern im Wohnzimmer abgeht.

Basel Kinostühle besetzen

Basel Macht der Daten

Occupy? Da war doch was. Falsch: Da ist was! Occupy lebt, zum Beispiel in Basel. Dort organisiert der lokale Ableger alle zwei bis drei Wochen politische Filmabende mit anschliessender Diskussion. Passend zu unserem Porträt des hawaiianischen Aktivisten Gary Hooser auf Seite 8 (und dem weltweiten Aktionstag gegen Monsanto und Syngenta am 24. Mai) beleuchtet der Film «Monsanto – Mit Gift und Genen» aus dem Jahr 2008, wie der Konzern Politik und Institutionen für sich arbeiten lässt und versucht, Kritiker mundtot zu machen. Zum Frauenstreiktag am 14. Juni gibt es ein Porträt der schillernden Gender-Ikone Judith Butler zu sehen, am 28. Juni einen Blick hinter die Kulissen von Scientology, die vor Kurzem ein grosses Zentrum in Basel eröffneten. Man sieht: Auch Kinoplätze besetzen kann zu einer besseren Welt beitragen. (fer)

«Judith Butler – Philosophin der Gender», So, 28. Juni,

Big Data ist das Schlagwort einer neuen Zeitrechnung, denn es wird sich mit der digitalen Datensammlerei in den nächsten Jahren so manches verändern. Unsere Aktivitäten werden aus Algorithmen herausgerechnet, unsere Wünsche werden quantifiziert und wir optimieren uns selbst aufgrund von Statistiken. Dabei hat die Kunst längst mit der vermessenen Welt zu spielen begonnen. So zeigt Paolo Cirio in seinem Datenhack «Loophole for All», wie sich Schlupflöcher in der Datengesellschaft für wirtschaftliche Transaktionen nutzen lassen. Aram Bartholle hackt in seiner Arbeit «Forgot your Password?» derweil private Passwörter und macht sie in Buchform zugänglich – natürlich nicht aus reiner Gemeinheit, sondern um zu veranschaulichen, wie einfach der Zugriff ist. Und Marc Lee verknüpft in «Pic me» Instagram-Posts mit den geografischen Daten der User. Wir merken: Daten sind ein unermesslicher Fundus, und man kann richtig viel mit ihnen anstellen. (dif)

«Scientology», Türöffnung 18 Uhr, Filmbeginn

«Poetics and Politics of Data», Fr, 29. Mai bis So,

18.30 Uhr, LoLa Quartiertreff St. Johann, Basel.

30. August, Haus der elektronischen Künste,

Filmabende mit Diskussion von Occupy Basel: So, 24. Mai, «Monsanto – Mit Gift und Genen», So, 14. Juni,

Dreispitz, Basel. www.hek.ch

Anzeigen:

«Leben am Existenzminimum»: Schreibwerkstatt, 11. Juni bis 9. Juli, jeweils donnerstags von 18 bis 21 Uhr, Caritas Zürich, Beckenhofstrasse 16. Anmeldung: www.caritas-zuerich.ch/aktuell

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BILD: ADRIAN MOSER

BILD: JUDITH SCHLOSSER (PROBENFOTO)

Menschen, die sich im Herz der Finsternis verlieren.

Zurück in die Zukunft mit Christoph Simon.

Zürich Finster, aber zum Lachen

Bern Alf, A-ha und Amaretto

«Sehr geehrter Herr Vorsitzender Richter, mein Name ist Ultimo Michael Pussi, und wie Sie wissen und wie ja auch der deutschen Presse zu entnehmen war bin ich ein schwarzer Neger aus Somalia.» Mit diesen Worten beginnt der «Prolog des somalischen Piraten» in Wolfram Lotz’ Stück «Die lächerliche Finsternis». Der Pirat verteidigt sich vor dem Hamburger Landgericht und ist geständig, das Frachtschiff MS Taipan überfallen zu haben: «Ich habe aber das Recht, zu erzählen, wie ich zu dieser Tat gekommen bin.» Dies ist nur der Anfang eines Stücks voller Figuren, denen jegliche Orientierung abhanden gekommen ist und die ihrer Einsamkeit und ihrer Angst vor dem Fremden und Unkontrollierbaren schonungslos ausgesetzt sind. Das ist beängstigend und komisch. Sie verlieren sich immer tiefer im Herzen der Finsternis, das Lotz natürlich bei Joseph Conrad ausgeliehen hat. Es wimmelt von abstrusen Figuren: Der Italiener Lodetti muss den Abbau von Coltan überwachen, Stojkovic hat in den Neunzigerjahren bei einem Nato-Angriff alles verloren und verkauft jetzt lactosefreien Ziegenkäse. Die Reise führt immer tiefer in eine wirr wuchernde Welt, in der koloniale Geschichte und neokolonialistische Realitäten untrennbar miteinander verbunden sind. (ami)

Der Berner Autor Christoph Simon berichtete in der letzten SurpriseAusgabe, warum er Schriftsteller geworden ist und wie es sich damit so lebt (super, aber es reicht nur für Dennerwein und H&M). Was er nicht erklärte, ist, warum es ihn auf die Bühne zog – was durchaus erklärungsbedürftig wäre, denn Simon wirkt in seiner zurückhaltenden Art nicht gerade wie die klassische Rampensau. Dass er aber auch auf der Bühne etwas zu bieten hat, hat er nicht zuletzt damit bewiesen, dass er voriges Jahr zum Poetry-Slam-Schweizermeister gekürt wurde. Und auch sein erstes abendfüllendes Bühnenprogramm klingt vielversprechend. Es geht darin um «wahre Freunde», nach Simons Definition «Menschen, die einem helfen, ohne dass man ihnen drohen muss». Der Autor, 42, blickt leicht wehmütig und mit trockenem Humor auf die verlorene Jugend zurück. Die hat sich, so ist das mit Leuten seines Jahrgangs, vorwiegend in den Achtzigerjahren abgespielt, entsprechend wird die Dreifaltigkeit Alf, A-ha und Amaretto gefeiert – Altersgenossen mögen sich erinnern. Kurz und gut: Lassen Sie sich von Simon zurück in die Zukunft entführen. Besser wird’s nicht mehr. (fer) «Wahre Liebe», Christoph Simon, So, 31. Mai, 17 Uhr, La Capella, Bern.

«Die lächerliche Finsternis» von Wolfram Lotz, Regie Stephan Roppel, noch bis Do, 18. Juni, jeweils 20.30 Uhr. So, 31. Mai 17 Uhr, Theater Winkelwiese,

BILD: MAX BOTTINI

Winkelwiese 4, Zürich. Daten unter www.winkelwiese.ch

Zürich Bewegtes Grün Urban Gardening wird vom Trend langsam schon zur Tradition und findet nicht mehr nur in Hipster-Hinterhöfen statt, sondern auch bei der Stadtgärtnerei (da gehört es ja irgendwie auch hin, das städtische Gärtnern). Das ist erfreulich, denn es bedeutet, dass sich immer mehr Menschen für lokale und saisonale Nahrungsmittel interessieren und auch wollen, dass ihre Kinder erleben, wie die Erdbeere vor ihrer Nase aus dem Boden wächst. Grün Stadt Zürich präsentiert in ihrer Ausstellung Visionen und unterstützt die Umsetzung geeigneter Ideen, und es werden verschiedenste Gartenmodelle erprobt. Eine Reise in bewegte grüne Städte soll es werden. (dif) «Aufgetischt. Von hängenden Gärten und Pilzgaragen», noch bis 18. Oktober, täglich 9 bis 17.30 Uhr, Stadtgärtnerei, Zentrum für Pfalnzen und Bildung, Sackzelg 27, Zürich. www.stadt-zuerich.ch/stadtgaertnerei SURPRISE 350/15

Bei der Stadtgärtnerei wird Urban Gardening zur Kunstinstallation.

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Verkäuferporträt «Ich muss jetzt pressieren mit leben» Olivier César Devaud, 55, ist ein Ur-Zürcher – und er war einer der ersten Surprise-Verkaufenden in der Limmatstadt. Er findet, er habe im Leben einiges nachzuholen.

«Ich trage die Verkäufernummer 54 und bin damit einer der letzten noch aktiven zweistelligen Surprise-Verkäufer. Ich fing 1998 an. Ehrlich gesagt erinnere ich mich schon gar nicht mehr genau, aber ich glaube, meinen ersten Verkaufstag verbrachte ich am Löwenplatz. Seither hatte ich die verschiedensten Standplätze: Wengihof, Bellevue, Seebach. Seit etwa zwei Jahren verkaufe ich vor dem Coop Lochergut. Die Leute in dieser Gegend sind zwar nicht besonders wohlhabend, es ist aber dennoch ein guter Platz. Mittlerweile habe ich einige Stammkunden, die mir jedes Mal ein Heft abkaufen. Ich bin in Zürich geboren und aufgewachsen, erst in Wipkingen, dann in Zürich-Affoltern. Mein Vater stammte aus dem Waadtland und war Stadtplaner. Als Kinder nahm er uns immer mit auf Baustellen, ich habe die halbe Stadt im Rohbau gesehen. Das war in den Sechzigern und Siebzigern, da gab es noch keinen Nordring, und Zürich-West hiess noch Industriequartier. Ich finde es teilweise schade, dass man alten Gebäuden kein neues Leben einhaucht. Aber eine Stadt ist halt einfach nie fertig gebaut. Die Lehre zum Bäcker/Konditor habe ich in Pfäffikon ZH absolviert. Das ist jetzt etwa 40 Jahre her. Danach sattelte ich um und ging in die Gastronomie. Erst arbeitete ich in der Küche, und Mitte der Achtziger war ich im Mövenpick-Hotel in Regensdorf im Service und am Buffet. Ich war jung und hatte noch Kraft. Aber schon damals holten sie mich immer wieder ab und brachten mich vorübergehend in die Psychiatrie. 1993 folgte die Abklärung für die IV. Von der Rente, die ich dann zugesprochen bekam, sah ich aber kaum etwas – das haben die IV und das Sozialamt direkt untereinander abgerechnet. Die IV kommt für meine Gesundheitskosten auf und für die Unterbringung, aber danach bleibt nicht mehr viel übrig. Ich kann keine grossen Sprünge machen, aber mit Surprise erarbeite ich mir einen Zustupf. So reicht es auch einmal für ein Feierabendbier. Der grösste Luxus, den ich mir bisher geleistet habe, war ein Jahr in Irland, in der Stadt Cork. Das war 2007. Ich wollte Englisch lernen, und das tat ich dann auch. Wenn man keine andere Wahl hat, als die Sprache zu sprechen, dann geht es schnell. Allerdings habe ich mir in Irland auch das Bein zerstört. Ich war mir die hohen Randsteine dort nicht gewohnt, und eines Tages stolperte ich über einen und fiel auf die Hüfte. Seither hinke ich stark und brauche eine Krücke. Ich verkaufe immer Montag bis Freitag, und manchmal auch am Samstag. Ich beginne am Morgen, und wann ich Schluss mache, entscheide ich selber. Meist höre ich zwischen 13 und 14 Uhr auf. Danach gehe ich ein Feierabendbier trinken, an der Langstrasse oder im Dorf, der Altstadt also. Das ist seit jeher meine Gegend, hier gibt es ein paar Beizen, in denen ich mich wohl fühle. Aber auch hier nimmt die Entwicklung der Stadt ihren Lauf. Die Wirtin der Gräbli Bar zum Beispiel ist auch schon über 60. Ich bin nicht sicher, ob es die Bar auch ohne sie noch geben wird. Momentan lebe ich in der Psychiatrischen Universi-

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BILD: AMI

AUFGEZEICHNET VON AMIR ALI

tätsklinik Burghölzli. Ich darf meist kommen und gehen, wie ich will. Aber manchmal lassen sie mich nicht gehen. Dann rufe ich den SurpriseVertriebsleiter an und melde mich von der Arbeit ab. Ich bin jetzt 55. Mein Vater wurde 90. Er trank jeden Tag seinen Roten, und so mache ich es auch. Wenn ich so alt werde wie er, dann habe ich jetzt noch 35 Jahre vor mir. Die letzten 25 Jahre musste ich immer wieder in der Psychiatrie verbringen. Ich finde, ich habe eine Menge nachzuholen. Und das heisst: Ich muss jetzt pressieren mit leben. Einer meiner Wünsche wäre, eine Reise nach Spanien oder Portugal zu machen. Da war ich noch nie. Mein grösstes Anliegen derzeit ist aber eine eigene Wohnung. Nichts Aussergewöhnliches, und mir wäre auch nicht so wichtig, in welchem Quartier. Aber in der Stadt Zürich sollte es schon sein. Nur zahlt die IV höchstens 1100 Franken für die Miete, das ist nicht viel hier. Zürich ist ein teures Pflaster und der Markt gesättigt. Nun, man hat es nicht einfach.» ■ SURPRISE 350/15


SurPlus – eine Chance für alle! Werden Sie Gotte oder Götti bei SurPlus Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten. Menschen, die kaum Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt wieder Struktur und mehr Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Das verdient Respekt und Unterstützung. Das Spezialprogramm SurPlus ist ein niederschwelliges Begleitprogramm für ausgewählte Surprise-Verkaufende, die regelmässig das Strassenmagazin

verkaufen und hauptsächlich vom Heftverkauf leben. Diese Verkaufenden erhalten nur geringe soziale Ergänzungsleistungen und werden im Programm SurPlus gezielt vom Verein Surprise unterstützt: Sie sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit, Nahverkehrsabonnement) und werden bei Problemen im oft schwierigen Alltag begleitet. Mit einer Patenschaft leisten Sie einen wesentlichen Beitrag für die soziale Absicherung der Verkaufenden und ermöglichen ihnen, sich aus eigener Kraft einen Verdienst zu erarbeiten. Vielen Dank für Ihr Engagement!

Elsa Fasil Bern

Kostana Barbul St. Gallen

Ralf Rohr Zürich

Marlis Dietiker Olten

Negasi Garahassie Winterthur

Josiane Graner Basel

Tatjana Georgievska Basel

Emsuda Loffredo-Cular Basel

Anja Uehlinger Baden

Fatma Meier Basel

Haimanot Ghebremichael Bern

Ja, ich werde Gotte/Götti und unterstütze das SurPlus-Programm von Surprise! 1 Jahr: 6000 Franken

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350/15 Talon bitte senden oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, 4051 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch, PC-Konto 12-551455-3 SURPRISE 350/15

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Surprise ist: Hilfe zur Selbsthilfe Surprise hilft seit 1997 Menschen in sozialen Schwierigkeiten. Mit Programmen in den Bereichen Beschäftigung, Sport und Kultur fördert Surprise die soziale Selbständigkeit. Surprise hilft bei der Integration in den Arbeitsmarkt, bei der Klärung der Wohnsituation, bei den ersten Schritten raus aus der Schuldenfalle und entlastet so die Schweizer Sozialwerke.

Ich möchte Surprise abonnieren! 24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.) Gönner-Abo für CHF 260.–

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Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht von Armut und sozialer Benachteiligung betroffenen Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit für ihre Anliegen. Surprise beteiligt sich am Wandel der Gesellschaft und bezieht Stellung für soziale Gerechtigkeit. Strassenmagazin und Strassenverkauf Surprise gibt das vierzehntäglich erscheinende Strassenmagazin Surprise heraus. Dieses wird von einer professionellen Redaktion produziert, die auf ein Netz von qualifizierten Berufsjournalistinnen, Fotografen und Illustratorinnen zählen kann. Das Magazin wird fast ausschliesslich auf der Strasse verkauft. Rund dreihundert Menschen in der deutschen Schweiz, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten damit eine Tagesstruktur, verdienen eigenes Geld und gewinnen neues Selbstvertrauen. Impressum

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Herausgeber Verein Surprise, Spalentorweg 20, 4051 Basel www.vereinsurprise.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Do T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 info@vereinsurprise.ch Geschäftsführung Paola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (stv. GL) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@vereinsurprise.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Amir Ali (ami), Florian Blumer (fer), Diana Frei (dif, Heftverantwortliche), Sara Winter Sayilir (win) redaktion@strassenmagazin.ch leserbriefe@strassenmagazin.ch Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Rahel Nicole Eisenring, Shpresa Jashari, Carlo Knöpfel, Melanie Kobler (Grafik), Yvonne Kunz, Stephan Pörtner, Isabella Seemann, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Tom Wiederkehr, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Monika Bettschen, Michael Gasser, Sander Heezen, Petra Hunsche, Lucian Hunziker, Marilen Johns, Stefan Michel, Tina Sander, Patric Sandri Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 21150 Ex., Abonnemente CHF 189, 24 Ex./Jahr Marketing, Fundraising T +41 61 564 90 50 Svenja von Gierke

Sport und Kultur Surprise fördert die Integration auch mit Sport. In der Surprise Strassenfussball-Liga trainieren und spielen Teams aus der ganzen deutschen Schweiz regelmässig Fussball und kämpfen um den Schweizermeister-Titel sowie um die Teilnahme an den Weltmeisterschaften für sozial benachteiligte Menschen. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Chor. Gemeinsames Singen und öffentliche Auftritte ermöglichen Kontakte, Glücksmomente und Erfolgserlebnisse für Menschen, denen der gesellschaftliche Anschluss sonst erschwert ist. Finanzierung, Organisation und internationale Vernetzung Surprise ist unabhängig und erhält keine staatlichen Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle anderen Angebote wie die Betreuung der Verkaufenden, die Sportund Kulturprogramme ist Surprise auf Spenden, auf Sponsoren und Zuwendungen von Stiftungen angewiesen. Surprise ist eine nicht gewinnorientierte soziale Institution. Die Geschäfte werden vom Verein Surprise geführt. Surprise ist führendes Mitglied des Internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP) mit Sitz in Glasgow, Schottland. Derzeit gehören dem Verband über 100 Strassenzeitungen in 40 Ländern an. Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83 Thomas Ebinger, Anette Metzner, Spalentorweg 20, 4051 Basel, basel@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Zürich T +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12 Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, zuerich@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02 Andrea Blaser, Alfred Maurer, Bruno Schäfer, Pappelweg 21, 3013 Bern, bern@vereinsurprise.ch Strassenchor T +41 61 564 90 40, F +41 61 564 90 99 Paloma Selma, p.selma@vereinsurprise.ch Strassensport T +41 61 564 90 10 Lavinia Besuchet (Leitung), l.besuchet@vereinsurprise.ch, David Möller (Sportcoach) www.strassensport.ch Vereinspräsident Peter Aebersold

Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird von der Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt. Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen. SURPRISE 350/15


Surprise – Mehr als ein Magazin Surprise Strassensport Street Soccer mit Pedro Lenz und Leonardo Nigro Punks, Flüchtlinge oder Menschen im Methadonprogramm und solche, denen es psychisch schlecht geht, befinden sich oft am Rand der Gesellschaft. Am Surprise Multikulti Turnier in Olten standen sie mitten auf dem Feld. Und Schulter an Schulter mit einiger Prominenz.

Fairplaysieger: Snippo Kategorie A:

1. Platz SV Hausis 2. Platz International 3. Platz Fortuna Olten

Kategorie B:

1. Platz Team Free Kickers 2. Platz CSA Teamplayers 3. Platz Horst Crew

Kategorie C:

1. Platz Verbrönnte Cheibe 2. Platz Bärner Sürpris 3. Platz Mor-Fucking-Dor

Surprise Strassensport dankt seinen Hauptsponsoren Hyundai Suisse und Gasverbund Mittelland AG für die langjährige und motivierende Zusammenarbeit! BILDER: ZVG

Am Samstag, 25. April fand zum ersten Mal das gemeinsame Turnier von APA (Aktion Platz für alle) und Surprise Strassensport vor der Schützi in Olten statt. Satte 25 Mannschaften aus der ganzen Schweiz traten einander auf drei Street Soccer Arenas gegenüber, um einen Pokal mit nach Hause zu nehmen. Das sprengte fast die Infrastruktur: Zwei Tore mussten speziell für diesen Anlass aus Holz gebaut werden. Geladene Gäste wie das Tessiner Fernsehen, Team EHC Olten, Team «Club Suisse 4 Football» mit Star-Coach Andy Egli und Surprise Strassensport Freundeskreis-Mitglied Leonardo Nigro haben für grosses Aufsehen gesorgt. Das Freundschaftsspiel zwischen den Promiteams wurde von Schiedsrichter Martin Salmen gepfiffen und von niemand Geringe-

rem als Pedro Lenz kommentiert. Das Finale und das Abschlussspiel zwischen dem SV Hausis (Turniersieger) und den Ex-Nationalspielern waren die Highlights des Turniers. Zudem haben sich die Teilnehmenden über den Besuch der Oltner Stadträtin Iris Schelbert sehr gefreut. APA-Präsident Christoph Birrer mit seinem Team gilt für die gelungene Organisation des sechsten Turniers in Olten ein grosses Dankeschön! (sdr)

SV Hausis gegen «Club Suisse 4 Football».

Lavinia Besuchet und Christoph Birrer, das Organisationsteam des Turniers mit dem Wanderpokal.

Handshake auf dem Platz.

Begegnungen auf und neben dem Platz.

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Macht stark.

www.vereinsurprise.ch â?˜ www.strassensport.ch â?˜ Spendenkonto PC 12-551455-3 Verein Surprise, Spalentorweg 20, *&+' Basel, Tel. 061 564 90 90, Fax 061 564 90 99


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