Macht sichtbar Zwei Künstler und die Strukturen der Herrschaft Die Drehscheibe: Bei den Flüchtlingen von Milano Centrale
Sylvie und Leo unter den Kastanien: Kurzgeschichte über ein soziales Experiment im Biergarten
Nr. 352 | 19. Juni bis 2. Juli 2015 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.
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Titelbild: Eine zerstörte Büchsenantenne aus dem Projekt «Hotel Gelem» der Schweizer Künstler Wachter/Jud. Bild: Wachter/Jud
Sommerzeit ist Reisezeit. Auch für Hunderttausende, die von den Küsten Nordafrikas und der Türkei aus die Überfahrt nach Europa wagen. Das nächste Drama, das uns in Erinnerung rufen wird, dass unsere Migrationspolitik Menschenleben kostet, ist lediglich eine Frage der Zeit. In der Zwischenzeit kommen mehr Menschen denn je zuvor in Europas Süden an. Die meisten reisen weiter nordwärts und stehen wenige Tage oder Wochen später in Mailand. Nur 60 Bahnkilometer von der Schweizer Grenze entfernt nehmen sie eine weitere Etappe in Angriff. Ziel: Deutschland, Norwegen, Schweden. Syrienflüchtling Yasser fragt in der Reportage ab Seite 15 nach sicheren Wegen nach Frankreich – eine absurde Frage, wenn man bedenkt, dass er in einer Nussschale über das Mittelmeer aus einem Kriegsgebiet geflohen ist. Aber für Yasser ist der Weg AMIR ALI nicht sicher. Die europäischen Gesetze wollen, dass er in Italien bleibt. Am Bahnhof REDAKTOR Milano Centrale finden er und Tausende andere die Schlepper, die ihnen bei der Umgehung eines Systems helfen, das Staaten wie Italien selbst untergraben. Auch im Südwestpazifik treibt es Menschen über das Meer, von Südostasien in Richtung Australien. Auch sie reisen auf kaum seetauglichen Schiffen. Auch sie sind am Ankunftsort nicht willkommen. Wer die Überfahrt überlebt, wird in Australien für mehrere Jahre in Lagern inhaftiert – eine Politik, die manchen hierzulande als Vorbild gilt. Die beiden Schweizer Künstler Christoph Wachter und Mathias Jud sind kürzlich aus Brisbane zurückgekehrt, wo sie ein Projekt mit internierten Asylsuchenden durchgeführt haben. Einer der Kernpunkte ihrer Arbeit ist das Sichtbarmachen von Strukturen von Macht und Ohnmacht. Und das Öffnen von neuen Wegen, auf denen aus der Gesellschaft Ausgeschlossene wieder Anschluss finden. «Das Ziel ist nicht der Protest gegen eine bestehende Regierung, sondern ein Weg, andere Ausdrucksmöglichkeiten zu öffnen und Ansichten zu ermöglichen», hat Christoph Wachter meiner Kollegin Diana Frei erklärt. Lesen Sie unsere Titelgeschichte über die faszinierenden Ansätze der beiden ab Seite 10. Ob Sie den Sommer zuhause geniessen oder ob auch für Sie Sommerzeit Reisezeit ist: Im Juli erscheinen zwei Surprise-Sonderhefte voller Kurzgeschichten. Einen Vorgeschmack auf diese Strand-, Berg- oder BalkonLektüre geben wir Ihnen in der vorliegenden Ausgabe ab Seite 18 mit der Kurzgeschichte «Ortswechsel» von Ulrike Ulrich über eine Passantin und einen Bettler. Sie beginnt mit einer Situation, die wir alle kennen. Und mit einem Gedanken, den wir wohl alle schon einmal hatten. Und führt weiter, was die meisten von uns dann doch nie tun. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre. Amir Ali
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BILD: WOMM
Editorial Reisezeit
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10 Kunst Macht sichtbar Die beiden Schweizer Künstler Christoph Wachter und Mathias Jud sind ein ungleiches Duo: Wachters Hintergrund liegt in der Malerei, Jud kommt aus der Chemie. Gemeinsam ist ihnen das Sichtbarmachen von Strukturen. Ob Büchsenantennen für Roma-Siedlungen oder Techniken zur Umgehung der chinesischen Grossen Firewall: In der Arbeit der Künstler vermengen sich Kunst und Politaktivismus so, dass sie kaum auseinanderzuhalten sind.
BILD: WACHTER/JUD
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Inhalt Editorial Sichere Wege? Die Sozialzahl Dynamischer Mittelstand Aufgelesen Gitzi statt Mistchratzerli Zugerichtet Aufgelaufene Rachegelüste Leserbriefe Klickgeil Starverkäufer Haile Abraha Asrat Porträt Im Land der seltenen Krankheiten Fremd für Deutschsprachige Die Evolution der Torte Belluard Festival Glücksspiel Migration Kultur Herzblut im Fluss Ausgehtipps Fesselnde Cliffhanger Verkäuferporträt Dieter ohne Velo Projekt SurPlus Eine Chance für alle! In eigener Sache Impressum INSP
14 Migration Polizei und Panettone Hunderte Flüchtlinge landen jeden Tag auf der Insel Lampedusa oder sonst wo in Italiens Süden. Fast alle reisen auf ihrer Suche nach Sicherheit oder einem besseren Leben nordwärts – und kommen dabei unweigerlich am Mailänder Hauptbahnhof Centrale vorbei. Dort finden sie alles, was sie benötigen: Essen, einen Schlafplatz – und Schlepper, die sie auf die letzte Etappe ihrer unerwünschten Reise schicken.
BILD: MAURICIO BUSTAMANTE
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BILD: PRISKA WENGER
18 Kurzgeschichte Ein unverhofftes Mittagessen
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Leo kennt Sylvies Schuhe besser als ihr Gesicht. Er hat einen guten Platz zum Betteln vor der Poststelle, in der sie jeweils ihre Briefe aufgibt. Das Verhältnis der beiden ist jenes zwischen der Passantin mit dem Kleingeld und dem Randständigen, der am Boden sitzt. Bis Sylvie auf die Idee kommt, einen Schritt weiterzugehen – und sich auf ein soziales Experiment einlässt.
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Anstieg der Erwerbseinkommen
von 1998 bis 2012 in Prozent
40% 30% 20% 10% 0%
Einkommensschwache Unterschicht < 70% des mittleren Einkommens
Primäreinkommen
Untere Mittelschicht ≥ 70% bis 100% des mittleren Einkommens
Obere Mittelschicht >100% bis 150% des mittleren Einkommens
Einkommensstarke Oberschicht > 150% des mittleren Einkommens
Verfügbare Einkommen össe)
altsgr (unter Berücksichtigung der Haush
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(unter Berücksichtigung der Haush
chicht? Hintergrundstudie zum ltung ESTV (2015): Erodiert die Mittels Quelle: Eidgenössische Steuerverwa Bern. von Susanne Leutenegger Oberholzer, 23 10.40 lats Postu des ng Erfüllu in Bericht
Die Sozialzahl Der soziale Lift Die Verteilung des Wohlstands in einem Land kann auf sehr verschiedene Arten dargestellt werden. Häufig werden Gesellschaften in soziale Schichten unterteilt. Die Rede ist dann von der einkommensstarken Oberschicht, der Mittelschicht und der einkommensschwachen Unterschicht. Die Mittelschicht wird dann gerne auch noch einmal in eine untere und eine obere Mittelschicht aufgeteilt. In der Schweiz gehört eine Familie mit zwei Kindern zur Mittelschicht, wenn sie ein monatliches Bruttoeinkommen zwischen rund 8000 und 17 500 Franken erzielt. Für die Entwicklung der Wohlstandsverteilung in westeuropäischen Ländern in den drei Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg hat der unlängst verstorbene deutsche Soziologe Ulrich Beck, bekannt als Autor des Bestsellers «Risikogesellschaft», das eingängige Bild des sozialen Lifts kreiert. Demnach sind alle Menschen in den Sechzigerjahren, egal welcher Schicht sie angehörten, in diesen Lift eingestiegen und über die Jahre nach oben gefahren. Die einen waren schneller unterwegs, die anderen langsamer, aber für alle hat sich der Lebensstandard spürbar verbessert. Viele ältere Menschen mögen sich noch daran erinnern, als sie das erste Mal einen Fernseher kauften oder sich zum ersten Mal «richtige» Ferien leisten konnten. Doch heute geht das Gefühl um, dass diese Fahrt im sozialen Lift für viele ins Stocken geraten ist. Während die einen weiter mit einem Schindler-Lift nach oben brausen, fürchten andere, dass sie möglicherweise in einem Paternoster unterwegs sind, der bald wieder nach unten fahren könnte. Dieses Gefühl wird durch die Lohnexzesse der Finanz- und Pharmabranche genährt, mit Zahlen aus der ausserordentlich ungleichen Verteilung der Vermögen untermalt und durch die Diskussionen über angeblich notwendige Sparrunden beim
Neue Berechnungen zeigen, dass dieser Eindruck einer wachsenden sozialen Ungleichheit nur bedingt dem Vergleich mit den verfügbaren Zahlen standhält. Schaut man sich die Entwicklung der primären Einkommen (Erwerbseinkommen und Einkommen aus Vermögen und Vermietung) der Erwerbshaushalte unter Berücksichtigung der Haushaltsgrösse zwischen 1998 und 2012 an, so zeigt sich, dass die einkommensstarke Oberschicht mit knapp 23 Prozent die grösste Zunahme verzeichnete, während die einkommensschwache Unterschicht sich um nicht ganz 19 Prozent verbessern konnte. Diese Entwicklung ist klar ein Indiz für ein Auseinanderdriften der Wohlstandsverteilung. Im Moment hält der Steuer- und Sozialstaat noch dagegen. Berücksichtigt man die Ausgaben für die Steuerzahlungen und die Einnahmen aus den Sozialtransfers, gelangt man zu den verfügbaren Einkommen. Und hier zeigt sich ein etwas anderes Bild der Wohlstandsentwicklung: Die Haushalte aus der Mittelschicht haben hier eine dynamischere Entwicklung erlebt als die Ober- und Unterschicht. Die staatliche Umverteilung hält die Gesellschaft in der Schweiz also noch zusammen. Umso bedenklicher sind politische Vorstösse, die immer noch einer steuerlichen Entlastung der hohen Einkommen das Wort reden und nach zusätzlichen Einschränkungen bei den Sozialausgaben rufen. Eine weitergehende Begrenzung der staatlichen Umverteilung heizt das politische Klima an und bereitet den Nährboden für gesellschaftliche Auseinandersetzungen, die sich in nationalistischen und ausländerfeindlichen Ausbrüchen Luft verschaffen könnten. Dies gefährdet den Wohlstand aller. Am Ende führe der Lift mit der ganzen Gesellschaft nach unten. CARLO KNÖPFEL (C.KNOEPFEL @VEREINSURPRISE.CH) BILD: RAHEL KOHLER, WOMM
Sozialstaat angeheizt.
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Aufgelesen News aus den 90 Strassenmagazinen, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.
Ziegen auf den Grill! München. Astrid Lux vom Bio-Lieferservice Ökokiste findet bedenklich, dass bei ihnen Geflügel das meistgefragte Grillfleisch ist. Denn Huhn und Trute fressen viel Getreide und brauchen deshalb viel Platz. Und wie konventionelle seien auch Bio-Truten so hochgezüchtet, dass sie zuletzt kaum noch stehen könnten. Lux empfiehlt das bei uns noch kaum verbreitete, aber sehr schmackhafte Bio-Ziegenlamm: Wenn wir schon Ziegenkäse essen, könnten wir auch gleich das Tier dazu verspeisen.
Kein Kind ohne Hilfe Nürnberg. Deutschland hat mit durchschnittlich 1,4 Kindern die niedrigste Geburtenrate der EU. Emotional wird in Medien und Politik über die Vereinbarkeit von Familie und Karriere debattiert. Vergessen wird dabei, dass Kinderlosigkeit nicht nur eine Frage der Karriere ist: Rund sechs Millionen Deutsche können keine Babys bekommen. Andere sind auf medizinische Starthilfe angewiesen: Über 80 000 Frauen halfen 2013 ihrem Kinderwunsch mit konventionellen oder alternativen Methoden nach.
Nicht genug zu essen Freiburg. Immer mehr Griechen sind konkret von den Auswirkungen der Krise betroffen. Mehr als ein Viertel der Bevölkerung ist arbeitslos, bei den Jugendlichen sind es gar 50 Prozent. Seit 2009 haben sich die Wohnungslosenzahlen um 25 Prozent erhöht. Allein in Athen sind 15 000 Leute ohne Obdach, ein Zehntel davon schläft auf der Strasse. Insgesamt lebt bereits ein Drittel der Griechen unterhalb der Armutsgrenze. 17 Prozent haben nicht einmal genug zu essen.
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Zugerichtet Töte deine Schwester Lange hatte er mit sich gerungen, mit Fragen nach der Ehre, nach Recht und Gerechtigkeit. Er schaffte sich eine Waffe an und fuhr zum Kebabstand im Zürcher Kreis 4, wo er seinen einstigen Schwager treffen würde, den Bruder seiner Ex-Frau, die er geheiratet hatte, als sie elf Jahre alt war. Eine Cousine aus dem Nachbardorf in Anatolien, mit 16 gebar sie ihm das erste Kind. Mansur*, sein Ex-Schwager, schuldete ihm noch einen Gefallen, nebst den 70 000 Franken, für die er sich selber bei einem Kreditunternehmen verschulden musste. Er würde ihm zwei Morde in Auftrag geben. Er traf Mansur draussen am Rauchertisch des Lokals an. «Deine Schwester ist eine Hure, du musst sie töten – und ihren neuen Freund dazu!» Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, zeigte er Mansur die im Gurt steckende Pistole. «Hier! Nimm sie! Stell die Familienehre wieder her!» Mansur erschrak: «Nein, meine Schwester hat das Recht, so zu leben, wie sie will. Lieber lebe ich ehrlos, als so was zu tun.» Darauf sagte der nach Rache Dürstende: «Wenn du die beiden nicht erschiesst, mach ich es. Und die letzte Kugel ist für dich.» Mansur rannte in Todesangst zur Polizei. Gorans schmächtige Gestalt steckt in einem Polyesteranzug. Er legt vor Obergericht Berufung ein und fordert einen Freispruch; erstinstanzlich war er wegen versuchter Anstiftung zu mehrfachem Mord für schuldig befunden und zu sechseinhalb Jahren Haft, inklusive der widerrufenen Bewährungsstrafen, verurteilt worden. «Ich bin unschuldig, Herr Oberrichter», sagt er, wie handzahm. Goran U., 51-jährig, derzeit im Gefängnis Pöschwies einsässig, Vater von fünf Kindern,
ist türkischer Staatsbürger. Er sagt, er sei es nur offiziell, in Wirklichkeit sei er Kurde. Vor 21 Jahren kam er mithilfe von Schleppern in die Schweiz und erhielt Asyl. Eine Schule hat er nie besucht, Deutsch spricht er nicht, er lebt von der Sozialhilfe. Seine Frau habe sich 2010 von ihm scheiden lassen, «ihre Familie will mich kaputt machen, Herr Oberrichter», sagt Goran. «Sie haben ein Komplott gegen mich geschmiedet.» Mit seiner Verurteilung hätte die Familie der Ex-Frau gleich zwei Fliegen auf einen Streich erschlagen: Er sei bis auf Weiteres aus dem Weg und sie müssten die Schulden nicht mehr zurückzahlen. Warum sie das tun sollten, will der Richter wissen. «Das Drama fing an, als ich meine zweite Frau in die Schweiz holte.» Goran hatte während einer Reise in die Islamische Republik Iran eine um viele Jahre jüngere Frau religiös geheiratet («es ist normal, mehrere Ehefrauen zu haben») und sie nach Zürich gebracht, wo sie mit ihm, seiner ersten Frau und den vier Kindern lebte. Flugs kam ein fünftes dazu. Das Zusammenleben mit Goran war geprägt von Gewalt. Einmal soll er seine Erstfrau angeschossen haben, weil sie nicht für ihn kochte. Das Obergericht bestätigt das erstinstanzliche Urteil. Von einem Ehrenmord, zu dem Goran U. angestiftet haben soll, will es aber nicht sprechen, auch wenn der Konflikt «vor einem kulturellen Hintergrund stattgefunden habe, der für Mitteleuropa unvorstellbar ist.» Goran U. habe nicht aus verletzter Ehre gehandelt, vielmehr mache er einfach immer andere für seine eigene Misere verantwortlich. * alle Namen geändert ISABELLA SEEMANN (ISEE@GMX.CH) ILLUSTRATION: PRISKA WENGER (PRISKAWENGER@GMX.CH) SURPRISE 352/15
Leserbriefe «Wir hätten uns klickgeile Redaktionen gewünscht»
«Medien und Polizei waren zum Synonym geworden» Es stimmt: Online-Medien sind verantwortungslos, drucken auf der Jagd nach dem einen oder anderen Klick irgendeinen Bullshit ab und rasen deshalb «in eine Vertrauenskrise». Total falsch ist hingegen die Idee, es sei «früher» besser gewesen. Im Sommer 1977 war ich bei den grossen Demos gegen das Atomkraftwerk Gösgen dabei. Die Polizei griff uns, die wir versuchten hatten, die Zufahrtswege zu blockieren, mit massiven Tränengaseinsätzen an. Menschen rannten kotzend und halb erstickend davon, und Hunderte wurden blind und in Panik über die meistbefahrenen Schnellzuggleise der Schweiz gejagt. Es war ein Wunder, dass es nicht zu einer Katastrophe kam. Was schrieben die seriösen Printmedien? Von armen verletzten Polizisten und von brutalen Demonstranten. Alle! Heute würde wenigstens irgendein klickgeiler Redaktor eines der Handy-Bilder abdrucken, auf denen zu sehen ist, wie Polizisten Demonstranten misshandeln und Menschen hilflos über ungesperrte Schnellzuggleise stolpern. 1980 und danach ging es weiter. Jede zerbrochene Fensterscheibe wurde in ach so gut recherchierten Berichten zum «Millionenschaden», während die brutalsten Polizeiübergriffe ignoriert wurden. Das Vertrauen in «die Medien» war so weit verloren gegangen, dass sich Journalisten und Journalistinnen nicht mehr allzu nahe an Demos wagen konnten. Medien und Polizei war für nicht wenige der «Bewegig» zum Synonym geworden. Wir hätten uns damals schlecht recherchierende, klickgeile Redaktionen gewünscht, die wenigstens manchmal unsere Tweets und Handybilder verbreitet hätten. Alois Hinterfuhren, Zürich
Nominieren Sie Ihren Starverkäufer! Schreiben Sie uns mit einer kurzen Begründung, welche/n Verkäufer/in Sie an dieser Stelle sehen möchten: Verein Surprise, Redaktion Spalentorweg 20, 4051 Basel F +41 (0)61 564 90 99 redaktion@vereinsurprise.ch
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«Das Land da unten kaufe ich mal», über Paul Richener, der heute Präsident der Gemeinde ist, in der er als Bub verdingt worden war. «Eine für alle Verantwortlichen beschämende Geschichte» Eric Breitingers Beitrag über den Werdegang von Paul Richener hat mich sehr berührt. Gut, dass der Bericht, der offenbar schon früher in einer kürzeren Version in der Basellandschaftlichen Zeitung BZ abgedruckt wurde, nun auch via Surprise einer weiteren Leserschaft bekannt gemacht wird. Es ist eine unsägliche und für alle Verantwortlichen beschämende Geschichte – leider ja nicht die einzige zu diesem Thema. Vielen Dank für die Publikation dieser eindrücklichen «Karriere». Als regelmässiger Leser von Surprise schätze ich Ihre inhaltlich abwechslungsreichen, fundierten Berichte sehr. Die Hefte kaufe ich immer wieder beim stets freundlichen Daniel Stutz auf der Rathausbrücke in Zürich. Matthias Senn, Zürich Surprise 345: «Es gibt Fälle, die mich bis in den Schlaf verfolgen», Interview mit der Zürcher Völkerrechtsprofessorin Helen Keller, Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg «Eine kluge, fähige und integre Frau» Im Interview bekommt man einen ausgezeichneten Eindruck von der Arbeit des Gerichtshofes im Allgemeinen, aber im Besonderen von Helen Keller, einer klugen, fähigen, unparteiischen und menschlich integren Frau. Im Hinblick auf die unmögliche Initiative «Landesrecht vor Völkerrecht» (SVP, wer sonst?), deren Unsinn Frau Keller sehr gut erklärt, kann dieses Gespräch beim Argumentieren gute Dienste leisten. Auch die übrigen Beiträge in dieser Nummer sind sehr gut und aufschlussreich. Vielen Dank, immer wieder. Idamaria Tudora, Zürich
BILD: ZVG
Surprise Nr. 349: «Mit Vollgas in die Vertrauenskrise», Titelgeschichte über das sinkende Vertrauen in die Massenmedien
Starverkäufer Haile Abraha Asrat Maya Horvath-Reichlin aus Luzern schreibt: «Haile Abraha Asrat ist mein Starverkäufer, weil er mir immer ein Lächeln schenkt. Auch wenn ich einmal keine Zeit habe, eine Zeitung zu kaufen oder ein paar Worte zu wechseln. Ich bedanke mich für seine Freundlichkeit, die mir jedes Mal Freude bereitet.»
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Porträt Ein Mann, ein Hund, eine Mission Vier Jahre seiner Jugend hat Frank Grossmann an eine seltene Krebsart verloren. Heute will er betroffenen Kindern zu mehr Selbstvertrauen und besseren Medikamenten verhelfen. VON SARA WINTER SAYILIR (TEXT) UND MIRIAM KÜNZLI (BILD)
Weil der Absatzmarkt klein ist und die Entwicklung neuer Medikamente langwierig und teuer, gibt es für viele seltene Krankheiten nach wie vor kaum oder nur extrem teure Behandlungsmöglichkeiten. Deshalb will Grossmanns Orphanbiotec AG neue Medikamente entwickeln. Konkret bedeutet dies, dass die Orphanbiotec-Stiftung zunächst Bedarf und Machbarkeit eines Entwicklungsprojekts evaluiert und dann eine Anschubfinanzierung durch private Gönner und öffentliche Gelder einwirbt. Für die Entwicklung geht Orphanbiotec Partnerschaften ein, beispielsweise mit universitären Forschungseinrichtungen. Gerade steckt das erste auf diese Weise entwickelte Medikament in der präklinischen Phase: «Wir können bereits jetzt nachweisen, dass es in Versuchen mit Zellen wirkt», sagt Grossmann stolz. Etwas mehr als 11 Millionen kostet Orphanbiotec die Entwicklung dieses Präparats, das bei der Therapie von Magenkrebs zum Einsatz kommen wird. Verschwindend wenig im Vergleich zu einer durchschnittlichen Medikamentenentwicklung, die laut dem Schweizer Forschungsverband Interpharma in der Regel 1,3 Milliarden verschlingt. Indem Orphanbiotec unter anderem auf eigene Laboratorien und Forschungsabteilungen verzichtet, hält die Firma die Kosten gering. Irgendwann einmal solle der Verkauf seiner Medikamente die Stiftungsarbeit mitfinanzieren, wünscht sich Grossmann. Noch sei die Stiftung allerdings auf Spenden angewiesen, und auch die AG habe erst wenig mehr als Absichtserklärungen von sogenannten sozial engagierten Investoren erhalten. «Mir wurde bereits unterstellt, ich sei ein Gegner von Big Pharma – doch das ist überhaupt nicht der Fall, schliesslich bin ich auch wegen eines Roche-Medikaments noch am Leben», sagt Grossmann. Er verstehe sich stattdessen als Brückenbauer und wünsche sich von den grossen Unternehmen, Medizinern und der Politik lediglich mehr Aufgeschlos-
«Um mich herum starben die Kinder, und trotzdem wollte mir niemand erklären, was ich hatte», erinnert sich Frank Grossmann an seine Jugend im Spital. Die Ärzte und auch seine Eltern hätten sich gescheut, ihm zu sagen, dass er an einem seltenen Lymphdrüsenkrebs leide, der nur schwer zu behandeln sei und an dem er womöglich sterben würde. Vier Jahre, von 12 bis 16, durchlitt er eine quälende Therapie nach der anderen. «Ich hatte damals so viele Fragen, und niemand konnte mir die Antworten geben», erinnert sich der 46-Jährige. «Dabei können Kinder selbst schwere Themen sehr wohl verarbeiten», meint er, «wenn man es adäquat verpackt und mit einer liebevollen Story versieht.» Grossmann hat überlebt. «Mein Krebs galt als besonders selten, da Kinder den eigentlich gar nicht bekommen», so der schlanke Deutsche, der auch einen Schweizer Pass hat. Im Klartext bedeute dies, dass es keine Therapiemöglichkeiten für Kinder gab, weil die Zahl der Betroffenen zu klein war, um für die Pharmamultis interessant zu sein. «Alle Krankheiten, bei denen weniger als fünf Betroffene auf 10 000 Gesunde kommen, gelten in Europa als selten», erklärt Grossmann. Dazu gehörten nicht nur rar auftretende Krebsarten wie sein eigener, sondern auch Erkrankungen wie Mukoviszidose oder die oft als Schlafkrankheit bezeichnete Narkolepsie. «Eigentlich wäre ich lieber Kinderarzt geworden», sagt Grossmann. Studiert hat er jedoch Tiermedizin, «weil ich einerseits eine grosse Nähe zu Tieren und anderseits eine Traumatisierung durch die vielen Therapien erlitten hatte». Noch viele Jahre später sei ihm schon beim Betreten eines Krankenhauses übel geworden. Seine Dissertation an der ETH Zürich verfasste Grossmann dann doch zu einem humanmedizinischen Thema. Nachdem er zeitweise eine Tierarztpraxis leitete, da der Kanton Zürich ihn nur in seinem angestammten Beruf arbeiten liess, wechselte er zu einer «Eigentlich wäre ich lieber Kinderarzt geworden», sagt Grossmann. kleinen Pharmafirma. Grossmann lebte sparIhm sei aber noch viele Jahre nach seiner Therapie nur schon beim sam und sammelte Know-how für den Sprung Betreten eines Krankenhauses übel geworden. in die Selbständigkeit. 2010 gründete er Orphanbiotec: ein Hybridunternehmen aus einer Aktiengesellschaft und einer gemeinnützigen Stiftung. Rechnet man die senheit gegenüber alternativen Ansätzen und traditionellem Wissen, vier Jahre Vorarbeit ohne Gehalt mit, investierte Grossmann geschätzte auf die Orphanbiotec bei der Medikamentenentwicklung zurückgreift. 500 000 Franken in sein Projekt – nur ein kleiner Teil wurde durch einen Über eine Investition in die Entwicklung eines Orphanbiotec-MedikaMitbegründer finanziert. Grossmanns Mission: Seltenen Krankheiten ments für eine seltene Erkrankung könnten Firmen wie Roche und mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen und gleichzeitig einen konkreten Novartis ihre soziale Glaubwürdigkeit erhöhen, so Grossmann. Aus seiBeitrag zu Therapie und Direkthilfe für Kinder zu leisten. ner Sicht sei sozialverantwortliches Unternehmertum sowieso ein Muss 20 Millionen betroffene Kinder gebe es allein in Europa, referiert für die Branche: «Alle Unternehmen sollten sozialverantwortlich hanGrossmann, daher sei der Begriff «Seltene Krankheiten» eigentlich irredeln», sagt er, meint aber auch: «Davon sind wir noch weit entfernt.» führend. Wichtig sei vor allem, den Betroffenen Kraft und WiderstandsNebenbei lehrt Grossmann als freier Dozent Pharmazeutische Wisfähigkeit zu geben: «Patient Empowerment» nennt der Unternehmer senschaften an der ETH Zürich. In zehn Jahren, wünscht er sich, solle das. Hierzu hat er ein liebevoll gestaltetes Kinderbuch entwickelt: «So sein Kinderbuch in 20 Sprachen übersetzt sein und alle Charaktere als wie du und ich – Cubas fantastische Reise zu den Seltenen Krankheiten Plüschfiguren kranken Kindern weltweit Lebensmut machen. «Wenn dieser Welt». Darin lässt er seine Zwergschnauzer-Hündin Cuba um die dann noch fünf neue Entwicklungspartner mit an Bord und wir aus dem Welt reisen, wobei sie andere von seltenen Krankheiten betroffene Tieersten Projekt refinanziert sind», dann hätte sein Lebensprojekt, die re trifft und sich ihre Geschichten erzählen lässt. «Alle Kinder brauchen Orphanbiotec, alle Hausaufgaben richtig gemacht, sagt er und streichelt Freunde, ob krank oder nicht», umreisst Grossmann die Grundidee, seiner Cuba übers schwarze Lockenfell. ■ während die echte Cuba brav unterm Tisch sitzt.
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BILD: WACHTER/JUD
Mit der Installation «Can You Hear Me?» konnten Passanten im Berliner Regierungsviertel Nachrichten an den Geheimdienst verschicken. Berlin 2014.
Kunst Anschluss basteln Der Begriff Networking bekommt bei den Künstlern Wachter/Jud eine neue Bedeutung: Sie installieren ihre Kommunikationsnetzwerke an der Zensur vorbei, und sie tun es an den politischen Brennpunkten der Welt. Trotzdem sind sie keine Politaktivisten. Sondern Künstler.
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VON DIANA FREI
können. Sie haben die Ausgeschlossenen wieder an die Gesellschaft angeschlossen, indem sie ihnen Internetzugänge organisiert und Internetcafés eingerichtet haben. Ein Nebeneffekt war, dass die Geächteten damit die Möglichkeit zur Selbstdarstellung bekamen. Die entspricht aber nicht dem offiziell erlaubten Bild und stellt so die bestehenden Machtstrukturen infrage. Auch das Projekt «New Nations» bricht bestehende Machtstrukturen auf. Es geht dabei um Rechtsräume und um nationalistische Strukturen im Internet. Entstanden ist das World Wide Web in den Vereinigten Staaten, und man hat die sogenannten Top-Level-Domains eingeführt, um alle partizipieren zu lassen – also Endungen wie .ch, .de oder .fr für Länder, .com oder .org für Firmen und andere Organisationen. Aber es stellt sich die Frage: Wer hat keine Domain bekommen? Die Antwort: Volksgruppen, die im eigenen Land als Terroristen gebrandmarkt sind – Kurden, Tibeter, Uiguren. Das ist das interessante Moment für Wachter/Jud: Sie haben mit den Nichtanerkannten zusammen ihre eigene Domain aufgebaut und ihnen damit ein virtuelles Terrain ermöglicht. Mit einfachen Änderungen im Internetbrowser kann man die neuen Top-Level-Domains sichtbar machen – die Anleitung ist auf der Website www.new-nations.net zu finden.
Christoph Wachter und Mathias Jud sind praktisch immer unterwegs. Sie haben vor einem halben Jahr das Regierungsviertel in Berlin verkabelt und den Passanten damit ermöglicht, sich vom Geheimdienst absichtlich abhören zu lassen. Danach haben sie in Australien ein Projekt mit internierten Asylsuchenden durchgeführt, um herauszufinden, was es bedeutet, wenn die Welt für die einen durch die Kommunikationsund Reisemöglichkeiten auf eine nie dagewesene Überschaubarkeit zusammenschrumpft, während andere davon ausgeschlossen bleiben. Unterdessen sind sie im jurassischen Romainmôtier bereits am nächsten Forschungsprojekt, und eigentlich wäre es spannend gewesen, sie bei irgendeinem ihrer Projekte zu begleiten. Ihnen bei ihrer oft sehr praktisch angelegten Arbeit über die Schulter zu schauen. Daraus wird aber nichts, stattdessen trifft man sich zum Gespräch im Zürcher Kafi für Dich. Nicht nur aus Zeitgründen, sondern aus grundsätzlichen Überlegungen, die schon viel über die Arbeitsweise von Wachter/Jud erzählen. «Journalisten haben oft die Idee, dass sie über die Welt berichten und gar nicht Teil davon sind», sagt Mathias Jud, den man auf den Bildern des Künstlerduos immer wieder beim Installieren von Büchsentelefonen und Antennen sieht. Als Zuschauer mit einem Fotoapparat in der Hand Rekonstruktion von Guantanamo aufzukreuzen oder in Gedanken schon beim Text zu sein, der danach geIm Jahr 2000 haben Christoph Wachter und Mathias Jud damit beschrieben sein will: Das ist die falsche Haltung. Denn die Frage ist, wie gonnen, Bilder von militärischen Sperrzonen zu sammeln und sie online man sich verändert, wenn man selber Teil eines Projekts wird. zu zeigen. «Zone*Interdite» hiess das Projekt, und es hat viel AufmerkEs geht in der Arbeit der Schweizer Künstler um die Bilder, die wir samkeit erregt: Die Schweizer Künstler waren die Ersten, die aufgrund uns von der Welt machen. Am deutlichsten wird das beim Projekt «Hovorhandener Bilder rekonstruiert haben, wie das Gefangenenlager in tel Gelem». Das «Hotel» ist eine Möglichkeit, eine kurze Zeit in einer inGuantanamo aufgebaut ist. Sie haben unter anderem nachgewiesen, formellen Roma-Siedlung an den Rändern von Paris zu wohnen. Oder in dass es auch ein Lager für Minderjährige gibt, und doch ging es nicht daeinem Flüchtlingsheim in Freiburg im Breisgau oder im Kosovo. So werden die Gewohnheiten auf den Kopf gestellt: «Wir sind für einmal Gast bei sogenannten «Es macht keinen Sinn, mit einem elitären Kunstpublikum über Minderheiten oder bei Leuten, die in anderen Lebenssituationen leben statt umgekehrt», gesellschaftliche Spaltungen zu diskutieren, wenn sie im Alltag so sagt Christoph Wachter. Eingeladen wird man, evident greifbar sind.» indem man sich über eine Website bewirbt. Christoph Wachter «Bei der Bewerbung muss man formulieren, was man sich vorstellt, was man erwartet, wierum, mit der Rekonstruktion der Anlage die Öffentlichkeit zu schockieso man dort hinwill. Wir haben mit vielen Leuten auch Vorgespräche geren. Es ging darum, mit den Bildern, die man zeigt, den anderen Bildern, führt, um herauszufinden, ob diese Besuchssituation für sie Sinn die man bereits im Kopf hat, nachzuspüren. Und es ging darum zu semacht.» Die Entscheidung über eine Einladung treffen danach die behen, wer mit diesen neuen Bildern wie umgeht. Wie sich damit Sichtteiligten Gruppen. Jene Roma zum Beispiel, die seit dem Beginn des Proweisen verändern – offizielle, private. Aber auch, wessen Sichtweisen jektes 2011 für Christoph Wachter und Mathias Jud längst zu Freunden sich nicht verändern: Wer zum Beispiel Eigeninteressen verfolgt, reprogeworden sind. duziert nichts, was die eigene Darstellung nicht unterstützt. «Guantanamo war an sich gar nicht der vordringliche Fokus, in der Öffentlichkeit Unerwünschte Selbstdarstellung ist er es aber schnell geworden», sagt Wachter. Nur nicht in Amerika. In Entstanden ist «Hotel Gelem» im Nachzug an die Young Artist Bienden Vereinigten Staaten wurde nie über das Projekt berichtet. nale in Bukarest. «In Rumänien wollte man eine politische Arbeit von Man kann auch fragen: Warum hat das Künstlerduo Jahre vor allen uns», erzählt Wachter. «Nun macht es aber keinen Sinn, mit einem elianderen gewusst, wie Guantanamo aussieht? «Eigentlich hätten auch antären Kunstpublikum über gesellschaftliche Spaltungen zu diskutieren, dere anhand von den Bildern, die zur Verfügung standen – Propagandawenn sie im Alltag so evident greifbar sind. In der rumänischen Gesellmaterialien, Pressebilder – sehr viel sehen können», sagt Christoph schaft sind viele Gruppen kriminalisiert oder stigmatisiert: Sex Worker, Wachter, der von der Malerei her kommt. «Aber es ist immer die Frage, Drogenkonsumenten, HIV/Aids-Patienten, Roma-Familien. Sie leben in wie wir sie anschauen, wie wir sie sehen wollen und was wir daraus unglaublichen Verhältnissen, das ist in den Städten sichtbar.» Wachherauslesen.» Das sind Fragen, die aus der bildenden Kunst stammen. ter/Jud wollten nicht, dass man über die Leute spricht, sondern dass sie Wir befinden uns in einem bestimmten Setting, in einem bestimmten sich über digitale Kommunikationsmedien mitteilen und austauschen SURPRISE 352/15
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BILDER: WACHTER/JUD
Wohnen bei diskriminierten Minderheiten: «Hotel Gelem», hier in Mitrovica, Kosovo.
Spaziergang durch ein nachgebautes Guantanamo: «Zone*Interdite».
Chinesisches Meer: Büchsenantennen überbrücken eine Distanz von 3,5 Kilometern.
Sackgasse: Hinter diesem Verbindungsfehler steckt Chinas Zensur.
Umfeld, und das beeinflusst unseren Blickwinkel. Christoph Wachter und Mathias Jud versuchen ihn ein bisschen zu verschieben und zu fragen: Wie könnten wir die Welt anders sehen? Wie könnten wir selber sein, wenn wir woanders geboren und sozialisiert wären?
Regierungsgebäude. Die Installation bestand aus mehreren einfachen Antennen, die sich zu einem Netzwerk verbanden. Passanten, die sich im Regierungsviertel befanden, konnten Nachrichten verschicken und wussten, dass sie auf dem gesamten Areal abgehört werden. «Es geht um die Frage, wie man partizipieren kann», sagt Jud. «Wie ist in einer überwachten, eingeschränkten Situation trotzdem ein basisdemokratischer Diskurs möglich? Welche Stimmen kann man hörbar machen?» Die Installation im Regierungsviertel aufzubauen, hatte eine gewisse Brisanz: Für einmal wurde die geballte Repräsentation der Macht von
15 000 Messages an den Geheimdienst An sich ist es nichts anderes als Grundlagenforschung, was Wachter/Jud betreiben. Mathias Jud begann seine berufliche Laufbahn denn auch nicht als Künstler, sondern machte an der ETH Zürich eine Lehre in der organischen Chemie und arbeitete in der Pharma- und molekularbiologischen ForDie Schweizer Künstler haben als Erste nachgewiesen, dass es in schung. Das Umfeld hat er gewechselt, das Guantanamo auch ein Lager für Minderjährige gibt. Und doch Interesse ist das gleiche geblieben: «Wir maging es nicht darum, damit die Öffentlichkeit zu schockieren. chen mit unseren Projekten nicht viel anderes, als grundlegende Fragen zu bearbeiten, genau basisdemokratischen Mitteln und offenen Ressourcen überlagert. Der wie in der Chemie. Nur tun wir es in einem anderen Bereich», sagt Geheimdienst erhielt über 15 000 Messages von den Leuten auf der Mathias Jud und fährt mit Blick auf «Zone*Interdite» fort: «Wir reagieStrasse: Der direkte Draht in Regierungskreise wurde rege genutzt. ren auf Bilder von militärischen Anlagen mit einem Reflex. Wir schauen nicht wirklich hin, was hier passiert, sondern entscheiden uns für eine Die Macht der Büchsenantennen Haltung: Ich bin entweder Pazifist oder Militarist. Wir reagieren mit eiDie Selbstermächtigung, die in Berlin einen eher spielerischen Touch nem Bekenntnis. Da versuchen wir den Betrachter mit der Selbstbeobhatte, kann an anderen Schauplätzen einen sehr konkreten, praktischen achtung zu beauftragen: Wieso reagiere ich auf diese bestimmte Weise?» Charakter bekommen. Wachter/Jud arbeiten immer wieder mit AktivisReaktionen beobachten. Wie bei einem chemischen Experiment. ten zusammen, in Frankreich, in Syrien oder auch in der Türkei. Sie Oder man nimmt ein paar Kabel und einige Metalldosen und bastelt waren in Istanbul, als letztes Jahr Twitter gesperrt wurde. Auch hier hasich den Anschluss selbst, den einem die Machthaber verweigern. Es ist ben sie Kabel, Dosen und ein paar andere Materialien, die man in den der Moment der Selbstermächtigung, sei es in der Roma-Siedlung, sei es meisten Haushalten findet, zur Hand genommen und damit Büchsenim Berliner Regierungsviertel: «Can You Hear Me?» hiess eine temporäantennen gebaut, Nachbarschaftsnetzwerke installiert und den Leuten re Installation, die die Künstler in der deutschen Hauptstadt Ende letzvor Ort geholfen, sich zu vernetzen. Die türkische Normalbevölkerung ten Jahres auf den Dächern der Schweizer Botschaft und der Akademie bekam so wieder eine Möglichkeit, alternative Ansichten zu veröffentder Künste aufbauten – dazwischen stehen der Reichstag und sämtliche
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BILDER: WACHTER/JUD
März 2013, Mathias Jud (Mitte) hilft bei der Vernetzung: Mithilfe von Büchsenantennen und Computern richtet er ein Nachbarschaftsnetzwerk ein, das eine informelle Siedlung im Süden von Paris mit dem Internet verbindet. Einige Wochen später wurde die Siedlung von der Polizei geräumt und komplett niedergerissen.
Ein Velo ist mit einem Mini-Computer und mehreren Büchsenantennen ausgerüstet. Es können zum Beispiel E-Mails versendet oder Musikstücke heruntergeladen werden. Kommt das Velo zu einem Internet-Hotspot, erfolgt automatisch eine Einwahl und die Aufträge werden ausgeführt. Roma-Siedlung, Paris 2013. SURPRISE 352/15
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lichen, nachdem alle anderen Kanäle abgeDank der Installation «Can You Hear Me?» im Berliner Regieschaltet, zensiert oder überwacht worden sind. rungsviertel erhielt der Geheimdienst 15 000 Nachrichten von Die Grenze zum politischen Aktivismus Passanten. scheint auf den ersten Blick fliessend, aber Christoph Wachter verneint: «Das Ziel ist nicht Die Fragen des Künstlerduos klingen oft kunsttheoretisch und intelder Protest gegen eine bestehende Regierung, sondern ein Weg, andere lektuell. Die Antworten dagegen sind emotionale Eindrücke, menschliAusdrucksmöglichkeiten zu öffnen und Ansichten zu ermöglichen. che Erfahrungen. Man macht sie, wenn man ohne vorgefertigte Bilder Aber diese prinzipielle Selbstermächtigung ist natürlich von Regieim Kopf loszieht, ohne Fotoapparat und ohne den Text im Kopf, den rungskreisen nicht intendiert.» Wachter/Jud haben auch mit syrischen man darüber schreiben will. Als Wachter/Jud für ihren Kunstaufenthalt Aktivisten zusammengearbeitet, die bereits Kontakte zur deutschen Anfang Juni wieder in die Schweiz kommen, haben sie ihr Projekt in Bundesregierung und zu amerikanischen Regierungsstellen hatten, die Australien gerade hinter sich. Ihre Eindrücke beschreiben sie in einer ihnen auch technischen, finanziellen und logistischen Support lieferE-Mail: «Wir sind gerade in Romainmôtier angekommen. Es ist sehr roten. «Sie knüpften die Hilfe aber immer an Bedingungen», sagt Wachmantisch hier, ein kleines Dorf im Jura. Wir stehen noch sehr unter dem ter. Die Projekte von Wachter/Jud haben keine direkte Zielsetzung, das Eindruck unserer Arbeit mit den Asylsuchenden in Brisbane/Australien. ist der Unterschied zur Politik. Nur ist Kunst, wenn sie in einer beWer mit dem Boot nach Australien kommt, wird für mehrere Jahre in stimmten Art Fragen stellt, selber schon politisch und subversiv. Immigration Detention Facilities in Gefangenschaft genommen. Nach traumatisierenden Kriegserlebnissen und beängstigenden Fluchtrouten, Reisedestination oder Fluchtroute? auch tagelang auf untauglichen Schiffen, ist diese Gefangenschaft für Länder wie China verstehen Wachter/Juds Forschungsprojekte in die Familien eine zusätzliche und unglaubliche, unmenschliche BelasSachen Selbstermächtigung durchaus im direkten politischen Sinn; jetung. Ich hoffe, wir kommen hier in dieser bedrückenden Thematik etdenfalls dürfen die Künstler seit vorletztem Jahr nicht mehr ins Land was weiter.» einreisen. Als sie eine Einladung in einen Art Space erhielten und ein Welche Möglichkeiten habe ich, wenn ich in dieser scheinbar freien Visum beantragten, fanden sie heraus, dass sie auf einer Blacklist steWelt herumreise? Was habe ich für Vorstellungen von Reisefreiheit? Das hen. Dies, nachdem sie mit dem Projekt «picidae» gezeigt hatten, wie sind die Fragen, die sie im Vorfeld stellten. Es kann sein, dass die Erman die chinesische Internetzensur umgehen kann: indem man Text in fahrungen vor Ort die Antworten darauf verändert haben. Bildinformationen umwandelt und so die Filter umgeht, die nach Be■ griffen suchen. Aber auch «picidae» war nicht Aktivismus, sondern ein Mittel dazu, die Mechanismen der Internetzensur offenzulegen. Aufbau eines freien Kommunikationsnetzes (Zusammenarbeit mit Studierenden von eikonEMF in Fribourg), Vortrag, Di, 23. Juni, begleitende Ausstellung ab Mo, 29. Juni, genauere Angaben zeitnah aufgeschaltet unter www.wachter-jud.net
Anzeige: Ausstellung: «Demokratie! Von der Guillotine zum Like-Button», Stadtmuseum Aarau, noch bis zum 31. Januar 2016. www.stadtmuseum.ch Links zu den Projekten: www.hotel-gelem.net, www.zone-interdite.net, www.new-nations.net, www.picidae.net, www.qaul.net Literatur: Dominik Landwehr (Hg.): Political Interventions/Edition Digital Culture 1. MigrosKulturprozent, Christoph Merian Verlag 2014.
Christoph Wachter (*1966) und Mathias Jud (*1974) kommen beide aus Zürich und arbeiten seit dem Jahr 2000 zusammen. Sie leben heute in Berlin. Ihre Werke wurden in Institutionen auf der ganzen Welt gezeigt und haben zahlreiche Preise erhalten. 2013 erhielten sie den Swiss Art Award.
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Migration Die Zwischenstation Der Mailänder Hauptbahnhof Centrale, 60 Kilometer von der Schweizer Grenze entfernt, war in den vergangenen Monaten Drehscheibe für rund 52 000 Flüchtlinge. Auf einer Empore zwischen den Welten finden sie alles, was sie brauchen: Essen, einen Schlafplatz – und Schlepper. VON JONAS FÜLLNER (TEXT) UND MAURICIO BUSTAMANTE (BILDER)
Äusserst langsam arbeitet der junge Mann sich durch die Menge. Bei jedem, der eine neonfarbene Warnweste trägt, bleibt er fragend stehen. Doch die Antworten scheinen ihn nicht zufriedenzustellen. Schliesslich kommt der junge Mann auf mich zu. «Are there any border controls on the way to France?», fragt er, ob es Grenzkontrollen gebe auf dem Weg nach Frankreich. Sein Name ist Yasser. Er ist vor dem Bürgerkrieg in seiner Heimat Syrien geflohen. Vor zwei Tagen strandete der 30-Jährige hier, am Mailänder Bahnhof. Nach drei Jahren Bürgerkrieg glaubt Yasser nicht mehr an ein Ende der Kämpfe in seinem Land, das für ihn keine Heimat mehr ist. Als wir vor drei Tagen nach Mailand kamen, muss Yasser gerade mit dem Schiff in Sizilien angelegt haben. 5000 Dollar habe er für die SURPRISE 352/15
Schiffsüberfahrt bezahlt. Bei der Ankunft sei er nicht wirklich kontrolliert worden. «Weil wir unsere Fingerabdrücke nicht abgeben wollten, hat uns die Polizei erst geschlagen und dann einfach fortgejagt», erzählt er. Mit dem Regionalzug sei er weitergefahren nach Norden, nach Mailand, knapp 60 Kilometer von der Grenze entfernt. Jetzt will er nach Frankreich. Wenn ihn dabei niemand aufhält, könnte Yasser dort Asyl beantragen. Aber einen sicheren Weg kenne auch ich nicht. Also zucke ich mit den Schultern und erkläre, dass ich nur zu Gast bin. Aus Deutschland. Yasser strahlt über das ganze Gesicht: «I love Germany!» Ob er schon einmal dort war? Yasser schüttelt den Kopf. Aber Deutschland sei toll, da ist er sich sicher. Viel besser als Frankreich. Warum er dann nicht nach Deutschland reise, frage ich ihn. «My brother lives there», erklärt Yasser und zeigt mit dem Finger auf einen Punkt nördlich von Nizza auf
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Eingangshalle wirkt dieser improvisierte Infopunkt lächerlich. Doch für das Hilfssystem ist er unersetzlich. Denn hier wird den Ankommenden ein Platz in einer Wohnunterkunft vermittelt. Damit niemand auf der Strasse schlafen muss. Lange bleiben wird dort niemand, versichert uns Susy Ivieno. Es ist ein offenes Geheimnis, dass alle Flüchtlinge, die im Mailänder Hauptbahnhof ankommen, in Italien niemals registriert wurden. Eigentlich dürfte es das nicht geben. Denn die Dublin-III-Verordnung der EU schreibt vor, dass Flüchtlinge bei ihrer Einreise nach Europa im Ankunftsland per Fingerabdruck in der Eurodac-Datenbank erfasst werden. Allerdings ist das Aufnahmeland zugleich für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge zuständig. Und der italienische Staat fühlt sich von ihrer steigenden Zahl überfordert. «Ich wollte die Menschen nicht alleinlassen»: Susy Ivieno im Bahnhof.
Lange bleibt hier niemand: Städtische Angestellte vermitteln eine Unterkunft.
Um Mitternacht ist Polizeistunde Die Flüchtlingsunterkünfte im Süden seien überfüllt, erklärt Ivieno. «Deswegen schicken sie die Flüchtlinge hoch zu uns.» Seit Monaten erreichen täglich bis zu 300 Menschen so wie Yasser den Mailänder Bahnhof. Allen Beteiligten ist klar, dass die Reise schon bald weitergeht. Allein in den vergangenen sechs Monaten war die Stadt Zwischenstation für rund 52 000 Flüchtlinge. Während Yasser mit mir spricht, behält er sein Mobiltelefon fest im Blick. Sein Bruder will anrufen und ihm helfen, behauptet Yasser. Vielleicht ist er aber auch auf Hilfe durch Schlepper angewiesen. Eine Weiterreise würde nicht am Geld scheitern, versichert der ehemalige Restaurantbesitzer. Alles Ersparte aus der Heimat hat er mitgenommen. Und hier auf der Empore könnte Yasser Menschen treffen, die ihm gegen Geld bei der Weiterreise helfen. Die meisten Schlepper kämen aus Ägypten, sagen die Helfer von Emergenza Siria Milano. An ihrer Anwesenheit stört sich niemand. Nicht einmal die Polizisten, die im Bahnhof patrouillieren und höflich grüssen. Dabei ist es leicht auszumachen, wer zu dieser Gruppe gehört. Gesprächen mit uns weichen sie aus. Immer wieder verschwinden sie mit einzelnen Flüchtlingen. Wir haben den Eindruck, dass sie Verhandlungen führen. Bis spät in den Abend hinein bleiben einige Helfer im Bahnhof. Erst nachts ändert sich das Geschehen. Ab Mitternacht riegeln Polizeibeamte das Gebäude gegen ungebetene Gäste ab. Nur noch Reisende mit Tickets dürfen bleiben. Und Flüchtlinge. Natürlich nicht offiziell. Aber diejenigen, die erst spät am Abend mit dem Zug ankommen und denen keine Unterkunft mehr zugewiesen werden konnte, übernachten nun im Bahnhof. Eine kleine Gruppe, die in einem Zwischengang nach geeigneten Schlafplätzen Ausschau hält, können wir begleiten. Was wir dabei nicht
einer Europakarte, die an einer Holzwand hängt.Wir treffen den Syrer auf einer Art Empore in der gigantischen, unter Mussolini erbauten Eingangshalle des Mailänder Hauptbahnhofs. Eine Rolltreppe führt von einigen Cafés im Erdgeschoss auf diese Zwischenebene. Täglich strömen etwa 300 000 Reisende durch den Bahnhof. Viele wählen den Weg über die Rolltreppe. Zwei breit angelegte Treppen führen weiter zu den Zuggleisen. Den Menschen auf der kleinen Zwischenebene schenkt kaum einer Beachtung. Es sind fast ausschliesslich syrische Flüchtlinge, die sich vor der Europakarte versammeln. Hier tauschen sie Informationen aus. Hier nehmen sie Kontakt auf zu Schleppern, die ihnen für viel Geld eine sichere Weiterfahrt mit dem Auto versprechen. Und hier erhalten sie einen Schlafplatz, Essen und Während sich die Flüchtlinge aus dem Staub machen, fordert uns die Kleidung. Denn gleich nebenan haben die MitPolizei auf, die Bilder von den Schleppern zu löschen. glieder der privaten Hilfsorganisation Emergenza Siria Milano in ihren neonfarbenden bemerken ist, dass sich einige der Schlepper unter die Gruppe mischen. Westen ihren Stützpunkt aufgebaut. Es gibt Panettone, Wasserflaschen Erst später ging uns auf, dass sie mit dem Wortführer der Gruppe verund Wollmützen. Und am anderen Ende der Empore spielen Studenten handelten, während andere uns ihre Reisepläne präsentierten. Einige auf einer Wolldecke mit Flüchtlingskindern. wollten nach Bayern, zu ihren Verwandten. Die meisten hatten sich «Im Frühjahr war die Situation katastrophal», erzählt Susy Ivieno. Die Schweden als Ziel ausgesucht. Plötzlich umringten uns Polizeibeamte – 49-Jährige koordiniert die Arbeit von Emergenza Siria Milano. Damals in Begleitung eines Schleppers. Während sich die Flüchtlinge umgehend lebten Hunderte Flüchtlinge in den Gängen und Hallen des Bahnhofs. aus dem Staub machen, fordert uns die Polizei auf, Bilder, auf denen wir «Die Menschen sind auf der Flucht. Sie haben Hunger, Durst und Sorden Schlepper abgelichtet hatten, zu löschen. gen, und niemand hilft ihnen», sagt Ivieno. «Ich wollte sie damit nicht Wie Polizei und Schlepper hier Hand in Hand agieren, hat uns erlänger alleinlassen.» Deswegen rief sie via Facebook zur Unterstützung schreckt. Erst nachdem wir die Bilder entfernten, wurden wir wieder in auf. Inzwischen arbeiten regelmässig mehr als 80 ehrenamtliche Helfer die Nacht hinaus entlassen. Die Reisegruppe nach Schweden war längst mit. Jeden Morgen von neun bis zwölf Uhr verteilt eine Gruppe Essen in Begleitung einiger Schlepper aufgebrochen. Ob sie ihr Ziel erreichen? und Kleidung an Flüchtlinge in der Eingangshalle des Bahnhofs. Schweden steht hoch im Kurs bei den Flüchtlingen, denn dort winkt SyEinige Meter davon entfernt sitzt eine städtische Angestellte hinter eirern ein permanentes Bleiberecht, finanzielle Unterstützung und eine nem Biertisch mit einem Laptop. Unter der 70 Meter hohen Decke in der
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ne kleine Miete könnten wir auch zahlen.» Nebenan lärmen und spieArbeitserlaubnis. In Deutschland hingegen erhalten sie lediglich eine len die Kinder. Sie haben Besuch von italienischen Nachbarskindern. Aufenthaltserlaubnis für zwei Jahre. Und das auch nur, wenn sie hier Verwandte haben, die für ihren Lebensunterhalt aufkommen können. «Aber Schweden Karim musste seine Fingerabdrücke abgeben, als er in Italien ankam. muss doch die Hölle sein», sagt Helferin IvieHeute wirkt er perfekt integriert und sieht seine Zukunft in Mailand. no. «Es ist furchtbar kalt und die Sonne scheint nur ein paar Stunden.» Und Arbeit würden die Karim wirkt perfekt integriert. Seine Zukunft sieht er in Mailand. meisten wohl auch kaum finden. In Italien hingegen gäbe es viel mehr «Ich gehe nicht mehr zurück», sagt er. Der Bürgerkrieg habe alles zerArbeit, wenn auch meist nur Schwarzarbeit. «Es wäre leichter, hier über stört. «Wer noch die Möglichkeit hat, der verlässt Syrien.» Millionen die Runden zu kommen», meint sie. Menschen aus Syrien und dem Irak sind auf der Flucht. Fast 1,8 Millionen Flüchtlinge nahm laut Schätzungen der Vereinten Nationen die TürSchule für die Kinder, Schwarzarbeit für Papa kei auf, 1,2 Millionen der kleine Libanon. Zum Vergleich: Deutschland Doch nur die wenigsten wollen bleiben. Karim ist einer von ihnen. als bevölkerungsreichstes und wirtschaftsstärkstes EU-Land beschloss Wobei auch er nicht ganz freiwillig in Italien blieb. Als der 40-jährige Syim Sommer 2014 die Aufnahme von 10 000 Flüchtlingen aus der syrirer vor zwei Jahren mit seiner Familie Italien erreichte, musste er sofort schen Krisenregion. Die Schweiz hat laut Staatssekretariat für Migration seine Fingerabdrücke abgeben. Doch unglücklich darüber ist er nicht. seit Ausbruch der Krise rund 8000 betroffene Menschen aufgenommen Jetzt lebt er in einem von Stadtteilaktivisten besetzten Häuserblock. (siehe Kasten). «Auch in Italien ist noch Platz», ist sich Ivieno sicher. Helfer hatten uns von diesem Projekt erzählt. Mit der Bahn fahren «Wir brauchen nur mehr finanzielle Hilfen aus den anderen europäiwir zu Karims Vierzimmerwohnung unweit des Giuseppe-Meazza-Staschen Staaten.» 100 000 Flüchtlinge könne das Land ohne Probleme ausdions. «Alle Möbel und alle Küchengeräte wurden uns geschenkt», sagt halten, meint sie. Karim. Er führt uns durch seine geräumige Wohnung und zeigt stolz die Yasser hingegen wird nicht in Mailand bleiben. Sein Telefon klingelt, von ihm gestrichenen Wände. Seine Kinder gehen nicht weit entfernt der Bruder ist dran. Sie sprechen lange. Welche Hinweise er erhalten von seinem Wohnort in die Schule. Den Tag über packt der gelernte hat, bleibt sein Geheimnis. Aber Yasser ist zufrieden. «Morgen fahre ich Coiffeur bei den Bauarbeiten am Haus mit an oder er verdient sich nach Frankreich», sagt er freudig. Wir wünschen ihm viel Glück. Später schwarz ein paar Euro, indem er Nachbarn die Haare schneidet. steigen wir in den Nachtzug zurück nach Hamburg. Als wir am nächsObwohl Mailand eine wachsende Metropole ist, lässt die Stadt Tauten Morgen in München umsteigen, stehen Bundespolizisten am Bahnsende Wohnungen leer stehen. Aus Spekulationsgründen, meint Karim. steig. Von uns nehmen sie keine Notiz. Gleich hinter uns stoppen sie Viele arme Italiener und Migranten hätten angefangen, die Leerstände drei Afrikaner und nehmen sie mit. wieder zu beziehen. Lange Zeit schaute die Politik tatenlos zu. Erst im ■ Dezember verkündete die regierende rechtspopulistische Lega Nord eine Räumungsoffensive. «Sie machen Stimmung gegen Ausländer, die angeblich alle keine Miete zahlen wollen», meint Karim, den die AnDieser Text erschien zuerst in der Hamburger Strassenzeitung Hinz&Kunzt. drohungen kaltlassen. «Es gab hier nie Probleme mit der Polizei, und eiINSP News Service www.street-papers.org
Die Schweiz, Italien und Dublin Das Asylgesuch eines Flüchtlings muss in dem Staat gestellt und behandelt werden, in dem er eingereist ist: So lautet die Regel im DublinAbkommen. «Es gibt keinen illegalen Weg, ein Asylgesuch in der Schweiz einzureichen», hält Léa Wertheimer, Sprecherin des Staatssekretariats für Migration SEM, fest. Aber: Geprüft werden Gesuche nur, wenn kein anderer Dublin-Staat dafür zuständig ist. So weit die Theorie. In der Praxis aber reisen fast alle Flüchtlinge nach ihrer Fahrt übers Mittelmeer weiter nach Norden. Denn Griechenland, Malta, Spanien und Italien sind mit den steigenden Flüchtlingszahlen überfordert. Und die Flüchtlinge kommen dort zwar an, wollen aber meist weiter nach Norden, wo sie oft bereits Angehörige haben und die wirtschaftlichen Aussichten besser sind. Dass die Menschen entgegen den Dublin-Regeln weiterreisen und in anderen Staaten Asylanträge stellen können, liegt vor allem daran, dass die italienischen Behörden ihre Fingerabdrücke nicht systematisch erfassen. Die Zahlen zeigen, dass das Dublin-Abkommen in seiner heutigen Form nicht funktioniert. Wer als Flüchtling eine Perspektive will, dem lässt das europäische Dublin-System nur eine Wahl – die Regeln zu umgehen. Ironischerweise geht es den südlichen Staaten, die die meisten Flüchtlinge aufnehmen, genauso: Sie schützen ihre maroden Infrastrukturen und angespannten Staatshaushalte, indem sie die Flüchtlinge schlicht und einfach nicht registrieren und damit das gemeinsame europäische System selbst unterminieren. Laut dem Italien-Büro des Uno-Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind 2014 mehr als 170 000 Migranten nach Italien gelangt – über 465 Menschen täglich. Knapp die Hälfte der Flüchtlinge kommt aus dem Kriegsland Syrien und aus dem diktatorisch regierten Eritrea. SURPRISE 352/15
Das SEM führe keine Statistik darüber, auf welchem Weg Asylsuchende in die Schweiz gelangt sind, sagt Wertheimer. Also auch nicht darüber, wie viele Personen, deren Fingerabdrücke nicht genommen wurden, über Italien in die Schweiz eingereist sind. Im Fall der Syrer lässt sich anhand einer einfachen Rechnung eine Schätzung anstellen. Im September 2013 beschloss der Bundesrat Visaerleichterungen für Syrer, die bereits Verwandte in der Schweiz haben. Drei Monate später beendete man die Massnahme bereits wieder. In der Zeit wurden 4700 erleichterte Visa ausgestellt. 4100 dieser Personen hätten bis Ende Februar 2015 in der Schweiz ein Asylgesuch gestellt oder seien bereits vorläufig aufgenommen worden. Dem gegenüber steht die Zahl von rund 8100 Asylgesuchen von Syrern, die die Schweiz seit Ausbruch des Krieges im März 2011 entgegengenommen hat. Zieht man davon die 4700 ausgestellten erleichterten Visa ab, bleiben rund 3400 Asylgesuche, die nicht mit dem Sonderprogramm des Bundes erklärt werden können. Für Eritreer gibt es keine vergleichbaren Aktionen, die meisten dürften in Umgehung der Dublin-Regeln eingereist sein. Die Zustände zum Beispiel im italienischen Asylwesen sind derart prekär, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im November 2014 die Schweiz für eine Rückführung nach Italien gerügt hat. Ausschaffungen nach Italien dürfen nur noch durchgeführt werden, wenn garantiert werden kann, dass sie dort human behandelt werden. Liegen Hinweise vor, dass ein Asylsuchender über Italien in die Schweiz eingereist ist, leiten die Behörden ein Dublin-Verfahren mit Italien ein. In den ersten fünf Monaten 2015 hat die Schweiz 545 Personen nach Italien zurückgeschafft. Im Jahr 2014 1367. (ami)
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Kurzgeschichte Ortswechsel VON ULRIKE ULRICH
Ein guter Samstag fürs Betteln. Nicht zu heiss, aber sonnig. Weder Schulferien noch Schlussverkauf. Ein guter, auf eine belebte Art friedlicher Tag. Und Leo neben dem Eingang der Post. Unter sich den grauen Mantel, die Innenseite nach oben. Die Ärmel rechts und links ausgebreitet wie beim Gewand eines Priesters. Leos Mantel nimmt Platz weg. Aber sie lassen ihn da sitzen. Im Schneidersitz zwischen den beiden Ärmeln, vor sich ein paar Münzen auf dem blauen Innenfutter des alten Mantels. Er hat ihn geschenkt bekommen. Einen Mantel mit Innenfutter. Einen Mantel, der im Sommer zu warm ist. Grace Jones hat sie geweckt. Von ihrem heftigen Insistieren ist sie aufgewacht. La Vie en Rose. Immer wieder. Kein Mantra. Eher ein Loop. Und immer die Betonung auf Leben. La Vie en Rose. Wie denn, denkt sie. Dann ist das Lied zu Ende und eine überfröhliche Männerstimme spricht von Wetterumschwung. Davon, dass dieser Samstag der letzte schöne Tag des Monats sei. Als er auch noch vom frühen Vogel beginnt, schaltet Sylvie das Radio aus und schwingt die Füsse aus dem Bett. Wieso hat sie überhaupt einen Wecker gestellt, der ihr in die Träume fährt und die Rettung verhindert. Ein guter Platz zum Betteln. Viele Leute bekommen Kleingeld zurück, wenn sie Briefe aufgeben. Viele sehen ihn schon beim Reingehen und halten beim Rauskommen einen Betrag bereit, den sie für richtig halten. Für angemessen. Sie fühlen sich freier, die Leute, wenn sie Zeit haben zu entscheiden, ob sie ihm was geben wollen oder nicht. Das versteht er. Er ist nicht wütend auf die, die ihm nichts geben. Wenn er mal wütend wird, dann auf die, die absichtlich die andere Tür nehmen oder sich das Handy vors Gesicht halten. Leo hat kein Schild. Ihm fehlt auch kein Bein. So wie Andi. Er sitzt einfach auf seinem Mantel und schaut vor sich hin. Sagt Danke. Das schon. Laut und deutlich. Aber er redet nicht gern mit den Leuten. Seine Geschichte ist seine Geschichte.
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Wenn Sylvie zuhause bliebe, dann müsste sie sich nicht schminken. Dann müsste sie nicht darüber nachdenken, ob die Bluse zum Rock passt – und welche Schuhe dazu? Wenn sie zuhause bliebe, die Einkäufe vom Billa liefern liesse und fertige Mahlzeiten vom Thai, dann sparte sie Zeit. Die Texte für die Salzburger Biobrauerei hat sie für Dienstag versprochen. Aber sie bleibt nicht zuhaus. Ihr drittes Zimmer, das sie von der Steuer abzieht, betritt sie fast nie. Sie arbeitet immer im Phil, an ihrem Stammplatz auf dem Sofa unter dem rosa Plakat von The Smiths. Ausser samstags. Dann geht sie ins Café Sperl. Weil sie dort auch schon WLAN haben. Und dazu noch die NZZ und Backhendlsalat. Leo bleibt nicht gern lange an einer Stelle. Obdachlos ist er nicht. Jedenfalls nicht ganz. Weil er, wann immer er will, bei Richard schlafen kann. Richard, der früher selbst gebettelt hat, ist Leos Notschlafstelle. Richard, der selbst eine Tochter hat, Teenager schon, und seit ein paar Monaten wieder Kontakt. Richard, der Strassenfussballer, der bei Schwarz-Weiss-Augustin das Tor hütet und nicht versteht, warum Leo sich nicht als Verkäufer beim Augustin einschulen lässt. Sichtbarer würde er doch auch nicht, mit den Zeitungen in der Hand. Aber Leo will nichts verkaufen. Konnte er früher schon schlecht. Als er noch reiste. An Türen klingelte. Mit Tiefkühlprodukten. Das war gar nichts für ihn. Und ausserdem darf man beim Verkaufen nicht trinken. In der Unterführung sitzt ein bettelnder Mann. Während Sylvie vorbeigeht, fragt sie sich, ob der Stumpf, der kaum aus dem abgeschnittenen Hosenbein des Mannes hervorschaut, auch ein Knie sein könnte. Das Knie eines angewinkelten Beins. Seit wann ist sie so? Wie kann sie mit einer möglichen Unversehrtheit rechtfertigen, dass sie vorbeigegangen ist und zur Seite geschaut hat. Irgendwo hat sie von Banden gelesen, die behinderte Roma nach Wien schleppen und zum Betteln zwingen. Der Mann sah aber nicht aus wie ein Roma. Noch als sie den SURPRISE 352/15
ILLUSTRATION: PRISKA WENGER
Leo kennt die Frau mit den rotbraunen Haaren. Sie geht immer sehr Computer hochgefahren und das Dokument geöffnet hat, draussen am schnell in hohen Schuhen, die ihre schmalen Fesseln betonen. Trägt Tisch neben dem Eingang zum Sperl, denkt sie an den Mann in der grosse Umschläge in die Post, kurz vor Ende der Schalterstunden, gibt Unterführung und hofft, dass er nachher noch dort sein wird. nie weniger als einen Euro. Sie könnte sein Jahrgang sein. Vielleicht Leo kommt an einer Plakatwerbung vorbei, auf der eine junge Frau auch schon über vierzig. Offenbar aus der Schweiz. Er hat sich gefreut, halb verdeckt von einem Teller mit Schweinefilet ihren knackigen Po als er sie gesehen hat. War sicher, dass sie ihm etwas geben würde, dass zeigt. Fleisch bringt’s steht daneben. Und nur 2 Prozent Fett. Er denkt er dann schon genug für den Würstelstand hätte. Zum Bier noch einen an sein Lieblingsessen, den Kalbsbraten seiner Mutter. Mit Rahmsauce und Knödeln. Seine Frau war die beste Kundin der Tiefkühlprodukte. Vielleicht kocht jetzt ihr Was soll er jetzt sagen? Dass ihn hier ohnehin niemand haben will. neuer Mann für sie. Bestimmt hat seine Frau Aber sie kommt ihm zuvor und besteht darauf. einen neuen Mann, den sie Cornelia als Vater verkauft. Leo hat Magenkrämpfe. Immer öfter. Käsekrainer dazu. Was soll er jetzt sagen? Dass er sich mit dem Geld woUnd es sind noch mehr als acht Stunden, bis er am Naschmarkt die Kisanders Essen für mehrere Tage kaufen könnte. Dass ihn hier ohnehin ten mit den Abfällen durchwühlen kann. Wenn er bei Richard schläft, niemand haben will. Aber sie kommt ihm zuvor und besteht darauf, gibt’s Frühstück. Kaffee und Toast. Aber seit Richard trocken ist, geht dass er sich setzt und was Gutes bestellt. Mal wieder was richtig Gutes Leo nicht mehr oft zu ihm. Er wird vor dem nächsten Bier noch ein paar isst. «Bitte», sagt sie auch noch. «Es würde mich freuen.» Gastgärten abklappern. Es ist seltsam, wie heiter Silvie sich fühlt, als der Mann seinen ManEs ist schon Mittag, als Sylvie den Mann drüben an der Ampel stehen tel über die Stuhllehne hängt und sagt, er gehe die Hände waschen. Als sieht. Mit einem grauen Mantel über dem Arm, der nach Winter aushätte der Tag jetzt eine gute Wendung genommen. Dabei dachte sie eben sieht. Sein markantes Gesicht. Die lockigen schwarzgrauen Haare. Wonoch, dass, wenn er jetzt nochmals den Kopf schüttelt, sie sich jedenfalls her sie ihn kennt, fällt ihr erst ein, als er vor ihrem Tisch steht. Sie wirft sagen kann, dass sie alles versucht hat. Kaum ist der Mann im Kaffeehaus manchmal Geld auf seinen Mantel, wenn sie in die Post geht. Sie lässt verschwunden, kommt die Kellnerin und fragt, ob alles in Ordnung sei, deshalb oft Münzen in der Jackentasche, damit sie nicht erst in ihrem ob der Mann sie belästigt habe. «Alles bestens», sagt Sylvie, packt den Portemonnaie kramen muss. Der Mann mit den schwarzgrauen Locken Computer weg und bittet um zwei Speisekarten. Als die Frau die Karten hat ihr noch nie ins Gesicht geschaut. «Haben Sie’n Euro für mich?» bringt, ist der Mann noch nicht zurück. Sylvie fragt sich, ob sie etwas Auch jetzt blickt er auf den Tisch. Aus dem Augenwinkel sieht Sylvie die Teureres als sonst nehmen sollte, dazu Wein bestellen, damit er sich nicht Bedienung kommen. Bestimmt darf man hier nicht betteln. «Ich kann zurückhält. Aber wenn er trockener Alkoholiker ist. Sie entscheidet sich Sie zum Essen einladen» sagt sie, es kommt einfach so raus. Der Mann dann doch für den Backhendlsalat, ein Achtel Grüner Veltliner dazu. schüttelt den Kopf. SURPRISE 352/15
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ILLUSTRATION: PRISKA WENGER
hätte er ja gleich in die Armenküche gehen können. Wo er die Leut weLeo fühlt sich in der Falle. Möglich, dass oben der Wirt auf ihn warnigstens kennt, mit denen er isst. Aber die Frau hat ihr Gesicht schon tet, ihn abfängt und rauswirft. Er hat zwar hier schon einmal eine Mewieder im Griff. Sie sagt, dass das Schnitzel hier gut sein soll. Wisse sie lange unter der grossen Platane getrunken. Sich eine Melange im Sperl allerdings nur vom Hörensagen, sie esse nur, was schwimmt und fliegt. geleistet, weil er am Tag zuvor doppelt so viel verdient hatte wie sonst an einem Wochentag im Sommer. Aber da hat er weit entfernt vom Eingang gesessen und Leo will nicht, dass ihn jemand rausschmeisst, sicher nicht, aber er nicht mit Gästen gesprochen. Leo will nicht, will auch nicht an diesen Tisch zurück. Zu seinem Mantel. Zu der dass ihn jemand rausschmeisst, sicher nicht, Frau, deren Schuhe er besser kennt als ihr Gesicht. aber er will auch nicht an diesen Tisch zurück. Zu seinem Mantel. Zu der Frau, deren Schuhe Auch wenn das ein bisschen inkonsequent sei. «Wiener Schnitzel er besser kennt als ihr Gesicht. Andererseits der Geruch, als er an der schwimmt. Muss schwimmen. Im Fett, wenn man es backt», sagt Leo. Küche vorbeikam. Vielleicht gibt es Kalbsbraten. Er sollte so viel bestel«Sie kennen sich aus», sagt die Frau und lacht. «Haben Sie denn irgendlen, dass er noch etwas einpacken kann. Er könnte Richard etwas mitwo die Möglichkeit, selbst zu kochen?» Will sie ihm jetzt noch ihre Kübringen. Der dünn wie ein Seil ist. Aber der hat ja jetzt wieder Familie. che anbieten? Leo hat keine Lust, von Richard zu sprechen. Er sagt, dass Der Mann setzt sich, zieht die Strickjacke aus, Sylvie hat plötzlich eier vor über zwanzig Jahren eine Kochlehre begonnen hat. «Aber die Arnen scharfen Geruch in der Nase. Sie muss daran denken, wie sie den beitszeiten waren beschissen. Die Hackordnung zum Speiben.» – «Und Mann vorhin angesehen hat, als er noch an der Ampel stand. Mit diejetzt haben Sie», die Frau wischt mit ihrer Serviette einen Fleck vom sem Blick, mit dem sie seit anderthalb Jahren immer wieder Männer, die Tisch, «ich meine. Passt das denn jetzt für Sie? So. Wie Sie jetzt leben, ihr begegnen, einen Sekundenbruchteil lang prüft, seit Clemens ihr vor meine ich.» Vielleicht macht sie ja eine Umfrage. Ist von der Zeitung. anderthalb Jahren erzählt hat, dass er Vater wird. «Ich heisse Sylvie.» «Betteln tu ich fast so gern wie Kochen», antwortet er. Und fragt dann Jetzt schaut der Mann kurz auf. «Und wie weiter?», fragt er lesend. Ja, schnell nach ihrem Beruf. «Text, Lektorat und Korrektorat. Freischafdenkt sie, wie weiter? Dann begreift sie und sagt: «Guldimann.» – fend. Vor allem für Webseiten. Aber es läuft nicht so gut. Alle sparen. «Resch.» Er legt die Karte zur Seite, seine Fingernägel sind lang, länger Besonders am Text.» – «Hoffentlich landen Sie nicht unter der Brücke», als ihre, und schmutzig. «Sind Sie aus Wien?», fragt sie. Er schüttelt wiesagt Leo. Soll sie ihm jetzt auch noch leidtun. der den Kopf. Die Kellnerin stellt sich neben Sylvie. Der Mann sagt, er Die Kellnerin bringt die Getränke. Sylvie überlegt, warum sie das genehme das Wiener Schnitzel vom Kalb mit Erdäpfel-Vogerlsalat und ein macht hat. Nur wegen dem Mann in der Unterführung? Wenn sie sich Viertel vom Zweigelt. diese Situation nicht schon ein paar Mal vorgestellt hätte. Wenn sie, seit Das hat sie wohl nicht erwartet. Die Sylvie. Vielleicht ist sie weniger sie in Wien lebt, wo es viel mehr Obdachlose und Bettler gibt als in Züreich, als er denkt. Soll er vielleicht Schinken-Käse-Toast nehmen? Dann
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BILD: GUIDO SÜESS
glücklicher wird. Und dann denkt sie an den Spruch über ihrem Schreibrich, nicht schon mehrmals gedacht hätte, ich könnte diese Person ja tisch in dem Zimmer, das sie nie betritt. Du kannst dich in jedem Moauch zum Essen einladen, damit sie das Geld nicht für Drogen ausgibt, ment neu entscheiden. Sie muss das nicht durchziehen. Sie muss sich dann wäre das vorhin nicht passiert. Weiter als bis zu dem Moment, wo das nicht anhören. Von diesem Mann, der sich noch nicht mal bedankt sie mit dem Mann oder der Frau am Tisch sitzt, hat sie nie gedacht. Sie hat. Sie kann der Kellnerin sagen, sie wolle drinnen essen. Sie kann behebt ihr Glas und sagt «Prost!» – «Prost», sagt auch der Mann und schaut ihr dabei in die Augen. Seine sind braun und das Weisse ist gelblich. Warum würde sie ihm Es ist besser, wenn die Frau wieder von ihren Eltern oder ihrer Arbeit gern von ihren finanziellen Schwierigkeiten ererzählt. So lang kann’s ja nicht mehr dauern, bis das Essen kommt. zählen. Davon, wie ihr letztes Erspartes dahinschmilzt? Diesem Mann, der jetzt sich selbst zahlen und drinnen essen, allein und in Ruhe. Aber dann würde er sidabei zusieht, wie er langsam sein Glas abstellt. Sie hatte gedacht, er cher weggeschickt. So soll es nicht enden. Als die Kellnerin vorbeitränke in grösseren Schlucken. «Meine Eltern leben noch», sagt sie. «Die kommt, sagt Sylvie: «Entschuldigen Sie. Aber das hat diesmal wirklich würden mir helfen, bei denen würde ich landen. Unter der Brücke wohl zu lang gedauert. Wir müssen einen Zug erreichen. Ich möchte gern sonicht. Was ist denn mit Ihrer Familie? Wissen die Bescheid?» fort zahlen. Und könnten Sie uns das Essen bitte einpacken?» Herr Leo sieht die Kellnerin mit Tellern vorbeigehen. Die Wiener Schnitzel Resch grinst. Er nimmt einen grossen Schluck vom Rotwein und grinst sind wirklich gross. Er versteht die Frau nicht. Sylvie Guldimann. Texte Sylvie verschwörerisch an. Dafür ist jetzt die Kellnerin wütend. Sie für Websites. Andi hat auch mal was mit Computern gemacht. Umzischt, dass das ja wohl die Höhe sei. «Sehn Sie nicht, was hier los ist.» schulung oder so. Vor seinem Unfall. «Wieso nehmen Sie den zum Es– «Bitte», sagt Sylvie. Und tatsächlich kommt die Frau kurz darauf mit sen mit?», fragt er und zeigt auf den Laptop. «Ich arbeite hier. Oder in Alufolie zurück. Erst jetzt fällt Sylvie auf, dass Herr Resch keine einem anderen Lokal. Ich kann eigentlich überall arbeiten.» – «Genau Billasäcke bei sich hat, gar nichts bei sich hat, ausser dem Mantel. Sie wie ich», sagt Leo und lacht. Und jetzt lacht auch die Frau aus der würde gern fragen, wo er seine Sachen aufbewahrt. Er muss doch auch Schweiz wieder. Die gut aussieht. Nicht so eine Schöne wie die auf der etwas besitzen. Aber sie trinkt nur ihr Glas leer, schweigt und packt Fleischreklame, aber wenn sie lacht, sieht sie gut aus. Trinkt Wein. silberne Päckchen mit ihm. Er sagt «Danke», bevor er in Richtung UnterLehnt sich zurück, als beginne jetzt der gemütliche Teil. Was Richard führung abzieht. Sie geht rüber ins Phil und bestellt einen Veggie-Burwohl sagen würde, wenn er jetzt hier vorbeikäme. Da schau her, würde ger. Vielleicht wird sie die Post wechseln müssen. der sagen. Der Leo. Hab’s ja immer gesagt. Auch wenn ganz klar ist, ■ dass diese Frau nicht auf einen wie ihn steht. Leo überlegt sich, ob er ihr eine Geschichte erzählen soll, damit sie ihm doch noch Geld gibt. Auszug aus: Draussen um diese Zeit. Mit freundlicher Genehmigung des LuftSylvie holt die Zigaretten aus der Tasche. «Rauchen Sie?», fragt sie. schacht Verlags, Wien. Herr Resch schüttelt einmal mehr mit dem Kopf. «Kann mir nur eine Sucht leisten», sagt er. Sylvie würde ihn gern viel fragen. Ob er wirklich obdachlos ist. Warum er keine Arbeit hat. Es gibt doch genug Alkoholiker, die trotzdem arbeiten. Er wirkt weder völlig heruntergekommen noch psychisch krank. Wenn er da so sitzt in seinem karierten Hemd. Und wenn er nicht stinken würde. Wieso verkauft er nicht den Augustin? Die Stadt macht viel. Wieso lässt er sich nicht helfen? «Leben Sie allein?», fragt sie. Er hustet. Er schaut zur Tür, als würde das Essen kommen. «Allein, das gibt’s gar nicht auf der Strasse», brummt er, «wenn Sie sich mal einsam fühlen, gehen Sie in die Gruft. Ausländer zahlen sogar nur einen Euro pro Nacht.» Er hat es wahrscheinlich nicht so gemeint. Er muss sie ja auch nicht mögen. Das hat sie doch schon vorhin gedacht, als er auf dem WC war, dass das Ganze nur klappen kann, wenn ihr völlig egal ist, was er von ihr hält. Die Frau soll lieber erzählen, nicht fragen. Es ist besser, wenn die Frau wieder von ihren Eltern oder ihrer Arbeit erzählt. So lang kann’s ja nicht mehr dauern, bis das Essen kommt. «Was hat Sie nach Wien verschlagen?», fragt er. «Was wohl», fragt sie zurück, zieht dabei die Schultern hoch. Er hat nicht gedacht, dass das leicht verdient sein würde, dieses Kalbsschnitzel. «Wir müssen ja auch nicht reden», sagt er leise und nimmt einen Schluck Wein. Jetzt lacht sie wieder. Aber ein bisschen geUlrike Ulrich lebt als freie Schriftstellerin in quält sieht das aus. «Die Liebe. Wegen einem Wiener bin ich nach Wien Zürich. Sie ist Mitglied der Autorengruppe gezogen. Er hat inzwischen eine andere geheiratet und ist Vater geworindex und engagiert sich für ein Schweizer den. Und ich bin immer noch hier.» Leo ist durcheinander. Was hat sie Writers-in-Exile-Programm für verfolgte Augesagt? Was soll er jetzt sagen? «Vater geworden», murmelt er. Und sie toren aus dem Ausland. Nach den mehrfach fragt: «Haben Sie Kinder?» Sylvie Guldimann aus der Schweiz. Will wisausgezeichneten Romanen «fern bleiben» sen, ob er Kinder hat. Er weiss nicht mal, welche Augenfarbe Cornelia (2010) und «Hinter den Augen» (2013) erhat, ob ihre Augen blau geblieben sind oder nicht. Die Frau schaut ihn scheint dieser Tage ihr erster Erzählband erwartungsvoll an. Obwohl die Kellnerin jetzt endlich die Teller auf den «Draussen um diese Zeit». Die Vernissage finTisch stellt, lässt diese Sylvie ihn nicht aus den Augen. «Hearst, lass det am 30. Juni um 20 Uhr im Zürcher Kaufleuten statt. Surprise vermich doch einfach essen!», sagt Leo. lost zwei mal zwei Tickets zur Vernissage sowie drei Exemplare von Sylvie starrt ihr Backhendl an. Sie denkt an die Biobrauerei. Dass sie «Draussen um diese Zeit». Teilnahme per Mail an info@vereinsurprizu arbeiten hat. Sie denkt, dass das Ganze ein Unsinn war. Eine hirnse.ch. Einsendeschluss Tickets: 28. Juni, Betreff: Verlosung Vernissarissige Idee. Dass Mutigsein noch lange nicht dazu führt, dass man ge. Einsendeschluss Bücher: 2. Juli, Betreff: Verlosung Draussen.
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Fremd für Deutschsprachige Nur dein Tag Seit drei Wochen wühle ich mich nun fast täglich durch die Glückwunschkartenabteilungen der Zürcher Papeterien. Meine Familie steckt mitten in der Geburtstagssaison. Alle ausser mir feiern im Mai/Juni Geburtstag – was nicht immer so war. Das Geburtstagfeiern ist eine der vielen landestypischen Gewohnheiten, die meine Familie in den rund 30 Jahren, in denen sie in der Schweiz lebt, angenommen hat. Davor war der Geburtstag für meine Eltern, die in Grossfamilien auf dem Land aufgewachsen sind, bestenfalls etwas für die Mittelstandskinder aus dem Schulbuch. Oder für die blondgelockten Kinder in den amerikanischen Fernsehsendungen, die sie sich einmal die Woche beim Nachbarn, der einen Fernseher aus Deutschland mitgebracht hatte, anschauen durften. Und dorther kannten sie wohl auch
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das Lied «Happy Birthday», das sie – wenn auch etwas unsicher im Text, aber bereits mit der obligaten Prise Peinlichkeit – für uns Kinder sangen. Dieser musikalische Höhepunkt erfolgte jeweils beim Herbeitragen der Torte durch meine Mutter. Diese Torte übrigens hat eine beachtliche Evolution durchlaufen seit ihrem erstmaligen Erscheinen in den Achtzigern: Handelte es sich am Anfang um eine Improvisation von zwei übereinandergelegten und mit Schokolade oder Marmelade bestrichenen Biscuitschichten, so trägt meine Mutter heute anmutig-luftige Mandarinenquark-, Erdbeer-Vanille- oder Schwarzwälderkreationen aus der Küche. Auch ich tat das Meinige dazu, unseren migrantischen Geburtstagen zu ihrer adäquaten konsumgesellschaftlichen Form zu verhelfen: Nachdem ich einst von meiner kleinen Schwester einen in Zeitungspapier eingewickelten Sack Flips und von meinem Bruder ein ebenfalls in Printnews gehülltes Glas Nutella in die Hand gedrückt bekommen hatte, wusste ich, es war Zeit zu handeln. Also erklärte ich, die ich schon mal Zeugin eines Schweizer Kindergeburtstags geworden war, ihnen und den Eltern, wie ein richtiges Geburtstagsgeschenk auszusehen hat: Welches sind typische Geschenke? Was sollten sie etwa kosten? Wie sind sie zu verpacken? So wäre eine in buntes Papier gehüllte und mit blauer Schleife versehene Musikkassette von Nicki oder David Has-
selhoff zum Beispiel ein sehr gutes Geschenk. Eine Tafel Schokolade, eine Seife und ein Paar Socken im Plastiksack jedoch – der Klassiker unter den albanischen Gastgeschenken – würde bei seiner Schweizer Empfängerin nur Stirnrunzeln hervorrufen. Als mir mein Vater dann im Jahr darauf einen braun schimmernden Teddy schenkte, war ich so glücklich, dass ich es ihm verzieh, dass die Verpackung fehlte. Ich stellte mir vor, wie er für mich allein in den Laden gegangen war und in der Spielzeugabteilung nach diesem ganz besonders gut zu mir passenden Stoffbären mit den ernsten Knopfaugen gesucht hatte. Da verstand ich, worum es bei Geburtstag wirklich geht: Nur um dich! So ging es Mitte Mai nur um meinen Vater, exakt eine Woche später nur um meine Nichte, drei Tage darauf nur um meine Schwester (und zwar ganz besonders fest, da sie 30 wurde), heute, also eine gute Woche danach, geht es nur um meine Mutter und in vier Tagen dann wird es nur um meinen Bruder gehen. Allmählich gehen mir die ganz besonderen Geschenkideen aus. Vielleicht schenke ich meinem Bruder dieses Jahr einfach ein Glas Nutella. Die Gratiszeitung für die Verpackung finde ich sicher im Zug auf dem Weg zu ihm. SHPRESA JASHARI (SHPRESAJASHARI@HOTMAIL.COM) ILLUSTRATION: RAHEL NICOLE EISENRING (RAHELEISENRING.CH) SURPRISE 352/15
Belluard Festival Grenzübertritt als Glücksspiel Seit 32 Jahren kommen Kunstschaffende aus aller Welt Ende Juni nach Fribourg ans Belluard Festival. In der aktuellen Ausgabe werden erstmals auch die Besucher auf Reisen gehen.
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Ein Flüchtlingsdrama wird im Bollwerk aufgeführt und eine senegalische Tanzgruppe tritt am diesjährigen Belluard Festival auf, aber mit Folklore hat das gar nichts zu tun. Das Ziel ist auch nicht, den Zuschauern das Elend dieser Welt zu zeigen, denn das ist schon bekannt: Menschen müssen ihre Heimat verlassen, weil Krieg herrscht, und in den sicheren Ländern sind die Flüchtlinge nicht willkommen. Hier haken die Kunstprojekte ein und stellen Folgendes zur Diskussion: Wie rechtfertigen wir die Privilegien, mit denen wir hier in Europa zufällig geboren werden? Gibt es nicht ein Menschenrecht, nicht nur auf Asyl, sondern auch auf Bewegungsfreiheit? «Solche Fragen gehen weit über die Politik heraus», sagt Anja Dirks. Drei Ausgaben lang ist die deutsche Kuratorin Direktorin des Belluard Festivals, das während zehn Tagen in Fribourg stattfindet. Es steht dieses Jahr unter dem Thema «Festung Europa». «Fragen im Zusammenhang mit Phänomenen von Migration, Flucht und Asyl sind ein zentrales Thema unserer Zeit», so Dirks. In den Galerien werden Diskussionen geführt und im Arsenal Ausstellungen gezeigt. Zum Beispiel «Consider Yourself Invited», konzipiert von der Fotografin Juliette Chrétien und dem «Random Institute». Unter diesem Namen agieren die Ausstellungsmacher Sandino Scheidegger und Luca Müller, die seit 2008 zusammen neue Ausstellungsformate untersuchen. So auch am Belluard Festival: «Grenzübertritte ähneln einem Glücksspiel, doch die Karten sind ungleich verteilt», erklärt Scheidegger. «Manche dürfen Grenzen nur in einer Richtung passieren, und für ganz viele sind jegliche Grenzen versperrt.» Diese Realität ist die Ausgangslage von «Consider Yourself Invited». Die zwei Kuratoren haben die marokkanischen Künstler Mohammed Laouli und Mohamed Arejdal nach Fribourg eingeladen. Beide sind in Afrika für gewagte performative und gesellschaftskritische Aktionen bekannt. Mohammed Laouli verbindet Geschichten mit Menschen. So kommen in seinen Werken nicht selten Schmuggler, Fischer und Flüchtlinge zu Wort. Er wagte als Performance eine Überfahrt mit einem Pedalo von Afrika nach Europa. Sein Ziel erreichte er nicht. Mohamed Arejdal füllt ganze Ausstellungsräume mit Steinen oder verarbeitet künstlerisch seine eigene Verhaftung und Ausschaffung aus Europa. «Den Kontakt zu den Künstlern zu finden, war die grösste Herausforderung», erzählt Luca Müller vom «Random Institute». Die zeitgenössische Kunst ist in Marokko noch wenig institutionalisiert. «Doch man kämpft sich durch, von einem Kontakt zum anderen.» In der Ausstellung werden die Werke der beiden Künstler gezeigt, dazu gibt es Publikumsgespräche. Mit beiden Künstlern – auch wenn Mohamed Aredjal die Bedingungen für eine Einreise notabene nicht erfüllt. «Ein Festivalbesucher wird ihn in Marokko besuchen und in seinem Wohnzimmer das Gespräch führen», erklärt Sandino Scheidegger. Die Reiseplanung und Kosten werden vom «Random Institute» übernommen. Das Los bestimmt, wer die Reise antreten wird. Ebenfalls dem Zufall wird der Ort überlassen, an dem das Gespräch mit dem eingereisten Mohammed Laouli durchgeführt wird: «Ein zufällig gewählter Besucher erhält die Aufgabe, das angekündigte Gespräch mit Laouli bei sich zuhause durchzuführen», erklärt Scheidegger. So will «Consider Yourself Invited» nicht nur Vorurteile und Privilegien thematisieren, sondern
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VON EVA HEDIGER
Tänzer aus dem Senegal spüren der Europa-Sehnsucht ihrer Generation nach.
auch die gewagte Frage diskutieren: Wird Laouli nach dem Festival in der Schweiz bleiben und hier leben? Immer wieder werden Besucher und die Bevölkerung vor Ort zum aktiven Teil des Festivals: Performerinnen aus England führen Grenzkontrollen beim Publikum durch, und ein lokaler Männerchor singt beim Tanzsolo «Listen & Watch». Nebst der «Festung Europa» sind Erinnerung und Identität weitere zentrale Themen der diesjährigen Ausgabe. Der Portugiese Tiago Rodrigues beispielsweise erzählt in «By Heart» vom Sinn und von der Bedeutung des Auswendiglernens. Und der Künstler Mats Staub streift über das Festivalgelände mit der Frage: «Welchen Namen hätten Sie getragen, wenn Sie mit dem anderen Geschlecht geboren wären?» Das Programm des Festivals überschreitet Sparten, Ländergrenzen und vielleicht so manche Hemmschwelle zwischen Besuchern und Künstlern. ■ Belluard Festival, Do, 25. Juni bis Sa, 4. Juli, Fribourg. www.belluard.ch
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Manchmal braucht es wenig, um die Fantasie anzuheizen.
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Kultur
Dem Fluss entlang: Rüdiger Oppermann räumt mit Wagner auf.
Musik Buch Ein Zoo voll wunderlicher Geschöpfe Neues Gold am Rhein Im Bilderbuch «Ojemine!» entwickelt der Brandfleck eines Bügeleisens ein wild-fantastisches Eigenleben.
Weltmusikgrösse Rüdiger Oppermann holt mit eigenem Ansatz sein «Rheingold» aus den Fluten.
VON CHRISTOPHER ZIMMER
VON SARA WINTER SAYILIR
Wer kennt das nicht? Entweder aus eigenem Erleben oder vom Hörensagen: Man bügelt, ist einen Moment lang unachtsam, vielleicht abgelenkt und schon … ojemine! So wie es dem Kind in Iwona Chmielewskas Bilderbuch passiert. Das beim Bügeln kurz eingenickt sein muss. Und nun das: ein Brandfleck auf der Tischdecke! Ausgerechnet auf der mit den Spitzen! Auf dem Erbstück, das die Mutter an die Grossmutter erinnert und ihr so lieb ist. Und kaum ist er da, dieser Brand- und Schandfleck, ist kein Halten mehr. Der Fleck entwickelt ein Eigenleben, entzündet sich an der Fantasie des Kindes und diese an dem Fleck – und unsere gleich mit. Alles kann dieser Fleck sein. Jede Gestalt annehmen. Es genügen ein paar rasch hingekritzelte Buntstiftstriche, und auf einmal ist der scharfe Umriss des Bügeleisens mit dem dunklen Inneren eine Rakete oder ein Muskelprotz, eine Eule, eine Kirche oder ein Stuhl, eine Pfeife oder ein Spaten, ein Boot auch, auf dem man davonsegeln möchte, eine Lampe, die alles ans Licht zerrt, oder ein Käfig, aus dem es kein Entrinnen gibt. Bis die Mutter auf den ganzen Zauber noch einen draufsetzt. Dem Bilderbuch der bereits mehrfach ausgezeichneten polnischen Illustratorin und Autorin Iwona Chmielewska gelingt es, aus einem kleinen, aber doch dramatischen Alltagsmalheur eine humorvolle Geschichte voller Fantasie hervorzuzaubern. Und dies auf eine Weise, die Kindheitserinnerungen nicht nur wachruft, sondern auch wiederbelebt. Wie etwa, auf einer Wiese zu liegen und in den Wolken Gesichter, Tiere und alle möglichen und unmöglichen Wesen und Dinge zu entdecken. Oder mit einem Stift wilde Linien auf Papier zu krakeln und dann in den zufälligen Flächen durch Ausmalen, wie in diesen Bügelbrandfleck, einen Zoo voll wunderlicher Geschöpfe hineinzufantasieren. Die zeichnerische Sprache dieses Buchs ist nicht nur wunderbar schlicht und poetisch, sondern kann rings um den Globus verstanden werden. Kein Wunder, dass Chmielewska bis nach Südkorea Erfolge feiert und dort sogar einen Fan-Club hat. Dem man auch aus der Ferne gerne beitreten möchte.
Wer das Wort «Rheingold» hört, denkt an Richard Wagner und dessen Opernzyklus «Der Ring des Nibelungen». Nicht jedem ist es wohl dabei, zu schnell stellen sich ungute Assoziationen mit Deutschtümelei, Antisemitismus und verklärten Heldensagen ein. Genug davon, fand der Komponist und Begründer des legendären Weltmusikfestivals Klangwelten Rüdiger Oppermann: «Der Rheingold-Mythos hat es verdient, neu beschrieben zu werden, und zwar etwas näher an den historischen Wahrheiten und mit neuem, aufgeklärtem Blick.» Im Auftrag des Wormser Wunderhören-Festivals schuf Oppermann seine persönliche Gegenerzählung zum Rheingold-Topos von Gier, Macht und Reichtum: ein neues «Rheingold». Dieses trägt die Zuhörer durch Zeit und Raum: Verwoben in eine Rahmenerzählung – vorgetragen vom Schauspieler Berth Wesselmann – ertönt im «Rheingold» des Meisters der keltischen Harfe Oppermann eine spannende und auch spannungsgeladene Mischung verschiedener Musikkulturen. Für vier Konzerte reist eine einzigartige Besetzung aus zwei Ensembles und über 15 Einzelmusikern entlang des Flusses vom deutschen Worms über Landau, Trun/GR bis nach Basel. Hier treffen prähistorische Klänge auf Renaissance- und Volksmusik, Jazz und sogar Industrial-Sounds. Mit dabei sind unter anderem der legendäre mongolische Sänger und Morin-Khoor-Spieler Enkh Jargal, die bekannte Mittelalterstimme Syrah alias Sigi Hausen sowie der ausgezeichnete Crossover-Jazzer und GuruGuru-Saxofonist Roland Schaeffer. Basler Trommeln, rätoromanischer Gesang sowie Nachwuchstalente wie die junge deutsche Popsängerin Jenny Thiele als Lore Ley machen «Rheingold» zu einem Erlebnis für Ohren, Augen, Bauch und Herz. Oppermann ist ein Pionier und Grande der Weltmusik. Sein Weltmusikfestival Klangwelten tourt bereits 29 Jahre durch deutschsprachige Lande. Er, der selbst zeitlebens am Rhein lebte, bezeichnet «Rheingold» als eine Zusammenfassung seines Lebenswerks: «Darin kreist mein Herzblut.» Das wiederum klingt fast nach Wagnerscher Heldensage.
Iwona Chmielewska: Ojemine! Gimpel Verlag 2014. 28.90 CHF
Das Wormser; So, 28. Juni, Landau, Altes Kaufhaus; 3. Juli Trun/GR, OGNA; 4. Juli,
Rheingold – Eine musikalische Zeitreise entlang dem Strom, Sa, 27. Juni, Worms, Basel, am Rheinufer. Weitere Infos: www.klangwelten.com
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Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.
Trauben können besser sauer sein als Zitrone und Balsamico.
Piatto forte Feine Säuren Tendenziell bevorzugen wir süsses Essen, feine Säuren sind aber mindestens genauso reizvoll. VON TOM WIEDERKEHR
Viele Zubereitungsarten haben zum Ziel, die Säure von Lebensmitteln zu reduzieren: Allgemein empfindet man eine lang gekochte Tomatensauce als angenehmer, da der Kochprozess die Säure der Tomate reduziert. Oder wir fügen Zucker hinzu und neutralisieren so einen Geschmack, den wir nicht mehr gewohnt sind. Das hat auch damit zu tun, dass Essig – einer der wichtigsten Säuregeber beim Kochen – lange Zeit vernachlässigt wurde. Über Jahre hinweg haben wir uns an Industrieessig im Gurkenglas gewöhnt oder an Essig, der eher als Unfall bei der Weinherstellung bezeichnet werden muss. Als Gegenbewegung verwenden heute viele in der Küche Balsamessig, welcher so lange eingekocht wurde, bis er süssem Sirup gleicht. Aber auch damit haben wir leider noch keine feine und ausgewogene Säure. Mit Verjus gibt es jedoch einen Saft, den es schon so lange gibt, dass er fast in Vergessenheit geriet. Verjus – also grüner Saft – wird aus unreifen, sauren Weintrauben gepresst. Seit die Winzer nicht mehr alle Trauben hängen lassen, sondern zur Erhöhung der Weinqualität die Stöcke auslichten, stehen wieder vermehrt Beeren zur Herstellung von Verjus zur Verfügung. Im Gegensatz zur Zitrone überdeckt der Geschmack des Verjus nie den Ursprung und die typische Frische eines Produktes. Der Verjus verleiht dem Gericht im Hintergrund eine unterstützende Vielfalt, sodass er zur Verfeinerung unzähliger Gerichte eingesetzt werden kann. Zudem hat Verjus einen ausgesprochen hohen Anteil an Polyphenolen, die vor allem wegen ihrer antioxidativen Wirkung geschätzt werden. Klassischerweise ist eine leichte Säure bei vielen Fischgerichten gewünscht. Gut zur Geltung kommt der feine Geschmack bei leichten Filets zum Beispiel von Brassen und Rotzungen oder auch vom Zander oder Hecht, wer es ein bisschen kräftiger mag. Dazu die Fischfilets in einer säurebeständigen Emailform auf ein Beet von Zitronenthymian legen, mit Fleur de Sel und schwarzem Pfeffer würzen und fein geschnittene Frühlingszwiebeln drüberstreuen. Mit 100 ml Verjus und etwas Olivenöl begiessen und im vorgeheizten Backofen bei 180° Celsius garen. Feine Rotzungenfilets sind nach wenigen Minuten gar, Zander braucht bis zu 25 Minuten. Wenn Sie dazu ein frisches, knackiges Baguette essen, wissen Sie, wie sich Gott in Frankreich fühlt.
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Balcart AG, Therwil
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Gemeinnütziger Frauenverein Nidau
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Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich
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weishaupt design, Basel
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Thommen ASIC-Design, Zürich
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Velo-Oase, Erwin Bestgen, Baar
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Coop Genossenschaft, Basel
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AnyWeb AG, Zürich
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Burckhardt+Partner AG
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mcschindler.com GmbH, Zürich
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fast4meter, Storytelling, Bern
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Maya-Recordings, Oberstammheim
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Bachema AG, Schlieren
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Kaiser Software GmbH, Bern
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Ko Schule für Shiatsu GmbH, Zürich
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Schweizerisches Tropen- und Public HealthInstitut, Basel
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Lions Club Zürich-Seefeld, Zürich
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Klinik Sonnenhalde AG, Riehen
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Privat-Pflege und Betreuung, Oetwil am See
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Praxis Colibri-Murten, Murten
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Schumann & Partner AG
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Bruno Jakob Organisations-Beratung, Pfäffikon
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VXL Gestaltung und Werbung AG, Binningen
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Hofstetter Holding AG, Bern
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Projectway GmbH, Köniz
Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.
Bezugsquellen und Rezepte: www.piattoforte.ch/surprise 352/15 SURPRISE 352/15
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BILD: ATELIER PATRICK ROHNER
BILD: ZVG BILD: DREW STRUZAN
Ausgehtipps
Materialität der Berge: Dies ist kein Erbsenmus.
Stans Rohners Begehungen
The Force erwacht im Winter wieder in neuem Look.
Guro von Germeten besingt Küsse von Clowns.
Neuchâtel Star Wars und X-Files
Basel und Region Stimmen hören
Das Neuchâtel International Fantastic Film Festival NIFFF – der Name sagt es – ist ein Filmfestival. Aber eins, das auch Freunde der Fantasy-Literatur anspricht. Nachdem letztes Jahr George R. R. Martin, Autor der Game-of-Thrones-Vorlage, persönlich vorbeikam, ist dieses Jahr Chris Carter zu Gast, Erfinder der Serie «Akte X». Der geistige Vater der FBI-Spezialagenten Fox Mulder und Dana Scully weiht uns in einem Gespräch in das Geheimnis ein, wie man Serien schreibt, die das Publikum fesseln, und da geht es im Speziellen um sogenannte Cliffhanger. Carter arbeitet zurzeit an sechs neuen Episoden mit Mulder und Scully, die 2016 gezeigt werden sollen. An Filmen gibt es in der Retrospektive des NIFFF Schönes aus dem Populärkino der Achtziger zu sehen, oder eher aus den schrillsten Unterkategorien des Genrekinos: «Guilty Pleasures» heisst die Reihe. Und fast nostalgisch wird es mit der Ausstellung von Werken des amerikanischen Illustrators Drew Struzan, dem Mann, der uns vor langen Jahren mit Filmplakaten für «Star Wars» und «Indiana Jones» beglückte und in jüngster Zeit für «Hellboy» und «Harry Potter» Poster gestaltete. (dif)
Nachdem 2014 erstmals Musiker des Lörracher Musikfestivals «Stimmen» ihre Sachen packten, um ihre Kunst auch an anderen Orten des Dreiländerecks vorzustellen, können die kleinen Spielorte nicht genug davon kriegen und verlangen nach mehr. Sollen sie haben, dachten sich die Veranstalter und stellten für dieses Jahr ein ungewöhnliches Line-Up aus drei Acts zusammen: Die norwegische Chansonnière Guro von Germeten kommt mit Akkordeon, schwarzem Humor und Sinn fürs absurd Schöne. Sie singt vom Clowns küssen und gutem Wein zu verruchter Liebe. Grossbritanniens Folkrocker Charlie Cunningham überzeugt als neuer Stern am Singer-Songwriter-Himmel mit virtuosem Gitarrenspiel und einer starken Stimme. Mit Midnight Story tritt zu guter Letzt eine lokale Band ins Rampenlicht, deren PostGrunge-Sound auf Youtube bereits zahlreiche Fans hat. Und ganz nebenbei bietet das Festival mit der Lokaltournee einen musikalischen Leckerbissen für alle, die sich einen solch hochkarätig besetzten Anlass sonst nicht leisten können. Denn der Eintritt zu allen Veranstaltungsorten der Stimmen-Tour ist gratis. Also nichts wie hin – und Stimmen hören. (win)
Neuchâtel International Film Festival NIFFF,
Stimmen on Tour, mit Guro von Germeten, Charlie
Fr, 3. bis Sa, 11. Juli, Neuchâtel. www.nifff.ch
Cunningham und Midnight Story, Do, 25. Juni, 20 Uhr,
Patrick Rohner erwandert sich seine Kunst, und genauso, wie auf seinen Begehungen Schlamm und Steinbrocken fliessen und rutschen, tut es danach die Farbe auf seiner Arbeitsfläche. Ausgangspunkt sind die Felswände, die steilen Hänge und Bachläufe, die Rohner erkundet und fotografisch festhält. Nachdem er zuerst das Glarnerland intensiv abgewandert hat, sind in den letzten Jahren andere Teile der Alpen und Gebirgslandschaften Europas dazugekommen. Daraufhin schafft der gebürtige Schwyzer, der an der Kunstakademie Düsseldorf war, im Atelier Gemälde, mit denen er die Materialität der Natur festzuhalten versucht. Und diesen Prozess wiederum hält er auf Karteikarten fest. Grosse Bildtafeln werden ins Stanser Winkelriedhaus einziehen – Rohners erste grosse Einzelausstellung in der Zentralschweiz. (dif) Patrick Rohner: «Wirtgestein», noch bis zum 27. September, Winkelriedhaus, Engelbergstr. 54a, Stans. www.nidwaldner-museum.ch
Anzeige:
Binzen, Rathaus; Fr, 26. Juni, 20 Uhr, Schopfheim, Goldener Löwe; So, 28. Juni, 16 Uhr, LörrachBrombach, Werkraum Schöpflin; So, 29. Juni, 19 Uhr, Liestal, Kulturhotel Guggenheim. Eintritt frei.
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BILD: ANDREA HUNZIKER/IMAGOPRESS.COM
BILD: ZVG
Neue Männlichkeit: Im Seminarraum kommt der Gorilla raus.
Nomen est omen: Sprung in die Aare vom Schönausteg.
Zürich Neue Männer und -innen
Bern Infos für Schwimmer
Wir haben in dieser Rubrik in letzter Zeit eine kleine Vorliebe für Mitmach-Theater entwickelt: Ob es darum ging, die Welt zu retten oder den Gemeinsinn zu erproben – Zuschauer und -innen sind immer mehr gefragt, den Theaterabend auf der Bühne mitzugestalten. Eine gute Sache! Schliesslich wissen wir unterdessen, dass Konsumieren allein auf Dauer weder glücklich noch schlauer macht. Nun, wir haben eine neue Empfehlung: Gehören auch Sie zu den Männern, bei welchen sich alles zusammenzieht und der ganze übrig gebliebene Rest Männlichkeit augenblicklich abfällt beim Gedanken, an einem Männerseminar teilzunehmen? Die aber trotzdem fast sterben vor Neugier, was dort so abläuft? Oder gehören Sie zum Geschlecht, das – in der Natur der Sache liegend – von Vornherein von solchen Veranstaltungen ausgeschlossen ist? Und sterben ebenfalls fast vor Neugier, was dort so abläuft? Nun, die Gessnerallee bringt im Rahmen der «Festspiele Zürich» ein Männlichkeitsseminar auf die Bühne und Sie als Zuschauer respektive -in sind Seminarteilnehmer respektive -in! Und am Schluss greift sogar ein Gorilla ins Geschehen ein. Premiere feierte das Stück schon im Frühling vor einem Jahr, nun kommt es, wegen grossen Erfolgs, in einer Neuauflage wieder auf die Bühne. Männer und Frauen: in die Hosen! (fer)
In der Bundesstadt gibt es zwei Arten von Menschen: solche, die in der Lorraine in der Aare schwimmen und solche, die im Marzili in der Aare schwimmen. Der Rest ist eine vernachlässigbare Minderheit. Anders gesagt: Würde die Aare nicht ohnehin durch Bern fliessen, würden die Berner sie bestimmt dazu bringen. Was gar keine vollkommen abwegige Vorstellung ist: Zwar ist es natürlich umgekehrt, nämlich, dass die Stadt Bern vor gut 800 Jahren von schwimmbegeisterten Vorvätern absichtlich an die Aare gebaut wurde und Stadt und Fluss also schon immer zusammengehören. In den Lauf der Aare griffen die Menschen über die Jahrhunderte aber an verschiedenen Stellen zwischen Grimsel und Rhein kräftig ein. So war die Aare an der Stelle zwischen Belp und Muri einst stolze 500 Meter breit (seit der Korrektur sind es noch kümmerliche 50), wie in einer informativen Ausstellung im Infozentrum Eichholz zu erfahren ist. Neben Infos gibt es dort auch künstlerische Interventionen zu hören und bestaunen. Ein Muss für jeden Aareschwimmer! Und ein guter Anlass für Lorraineschwimmerinnen, einen bewusstseinserweiternden Ausflug aareaufwärts zu unternehmen. (fer) «Aare: Dynamik bringt Leben», Ausstellung noch bis zum 18. Oktober, im und um das Infozentrum Eichholz, Köniz. www.iz-eichholz.ch
«Neue Männlichkeit. Ein Dating Seminar», Fr, 3. Juli, Sa, 4. Juli, jeweils 20 Uhr, und
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So, 5. Juli, 18 Uhr, Gessnerallee Zürich.
Basel Von unten Lernen und lehren – lehren und lernen. So lautet das Motto der «Uni von unten» des Internetcafés Planet 13, das viel mehr ist als ein Internetcafé, sondern ein Ort, an dem Menschen aus aller Welt ihr Schicksal in die Hände nehmen. Sie laden zur 52. «Armutssitzung von unten», die Armutsbetroffene für Armutsbetroffene in Eigenregie organisieren. Zu Besuch sind Chantal Magnin, Soziologin in Frankfurt am Main und Luzern sowie Peter Streckeisen von der Uni Basel. Die Grundthemen unter anderem: Altersarmut, Arbeitsrechte, Armutsgefährdung, Ausbeutung, Erwerbslosigkeit, erster und zweiter Arbeitsmarkt, Migration. (ami) Armutssitzung von unten, Montag, 29. Juni, 19 Uhr, Internetcafé Planet 13, Klybeckstrasse 60, Basel. www.planet13.ch Das Schicksal in die eigenen Hände nehmen. SURPRISE 352/15
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Verkäuferporträt «Mir bedeutet dieser Tag sehr viel» Dieter Plüss (48) verkauft vormittags das Strassenmagazin vor dem Sälipark in Olten. Nachmittags zieht es ihn an die Aare – derzeit ohne sein Velo, das ihm gestohlen wurde.
«Ich kam in Däniken zur Welt und wohne heute im wenige Kilometer entfernten Winznau. Das sieht aus, als wäre ich nur zwei Dörfer weitergezogen. Das ist aber nicht so. Ich bin grösstenteils im Appenzellerland und in St. Gallen aufgewachsen, als Erwachsener habe ich an verschiedenen Orten im Thurgau, in Zürich und Graubünden gelebt. Als ich vierzehn war, starb meine Mutter, und ich und meine Geschwister mussten ins Kinderheim. Mein Vater hatte sich schon sehr früh abgesetzt. Gelernt habe ich Automechaniker und Obstbauer. Zum Obstbau bin ich zufälligerweise gekommen. Als ich im Bündnerland einem Bekannten eine Zeit lang auf dem Hof aushalf, fand er, ich solle doch noch die zweijähre Lehre zum Obstbauer machen. Weil mir die Arbeit draussen an der frischen Luft, das Bäume schneiden und pflegen und Früchte ernten besser gefiel als drinnen in der Autogarage zu schrauben, absolvierte ich die Lehre. Mittlerweile lebe ich von einer kleinen IV-Rente und bin körperlich nicht so fit, zudem habe ich eine Metallschiene und zig Schrauben im Bein. Wenn ich aber eine Arbeit auswählen könnte, würde ich mich wieder für den Obstbau entscheiden. Zurück in die Region Olten kam ich vor etwa fünfzehn Jahren. Und zwar hatte ich mit einem Kollegen in Chur ein Pneu-Recycling-Geschäft gestartet, das wir an einem zentraleren Ort in der Schweiz, mit Bahnanschluss und Lagerhallen, ansiedeln wollten. Olten mit seinem Industriegebiet war von daher perfekt. Nur leider ging der Betrieb bachab, als der andere mit dem Geld abhaute. Ich alleine, ohne Kapital, konnte nicht weitermachen. Von ihm und dem Geld habe ich nie mehr etwas gesehen. Weil es mir in Winznau sehr gut gefiel, blieb ich auch nach der Betriebspleite dort wohnen. In dem kleinen Dorf mit vielleicht 1700 Einwohnern sagt man sich auf der Strasse noch ‹Hoi› oder ‹Guten Tag›, das finde ich sympathisch. Wohl fühle ich mich auch in meiner Wohnung in einem umgebauten Bauernhaus. Ich habe einen Balkon und vor dem Haus einen Sitzplatz, wo ich mit dem Nachbarn bei schönem Wetter grillieren kann. Zu Surprise bin ich durch Marlies gekommen, sie verkauft das Heft ja schon viele Jahre in Olten. Da ich ihr gelegentlich ein Exemplar abgekauft habe, sind wir ins Gespräch gekommen. Letzten Herbst meinte Marlies mal, ich könnte doch auch Surprise verkaufen. Mittlerweile bin ich mit Freude seit gut acht Monaten dabei. Ich schätze einerseits den Kontakt zu den Kunden sehr, andererseits den geregelten Tagesablauf. Ich steige jeden Morgen um 7.40 Uhr in den Bus nach Olten und gehe nach einem Schwatz mit Marlies an meinen Verkaufsstandort vor dem Sälipark. Um die Mittagszeit mache ich Feierabend und fahre nach Hause. Am Nachmittag unternehme ich meistens einen Spaziergang an die Aare, manchmal mit meinem Nachbarn und seinem Hund, ab und zu sitze ich auch gern aufs Velo und mache eine kleine Tour. Wobei – das ist im Moment nicht möglich, weil mir das Velo geklaut wurde. Mal sehen, ob ich irgendwo ein günstiges Occasionsvelo finden kann. Träume für die Zukunft hege ich eigentlich nicht gross, ich bin froh, wenn es mir gesundheitlich möglichst gut geht. Aber natürlich würde ich wie viele Leute gerne wieder einmal ‹ab auf die Insel›! Es muss nicht
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BILD: ALFRED MAURER
AUFGEZEICHNET VON ISABEL MOSIMANN
gleich meine Trauminsel Bora Bora sein, Korsika reizt mich auch schon lange, unter anderem wegen der Sprache. Meine Mutter stammte aus der Westschweiz, deshalb verstehe und spreche ich immer noch recht gut Französisch. Das bisher schönste Erlebnis im Zusammenhang mit Surprise war ein Ausflug, zu dem mich ein Stammkunde eingeladen hatte. Ich erzählte ihm bei einem Schwatz, dass ich gern das Grab meiner Mutter im Appenzellerland besuchen würde. Daraufhin schlug er mir vor, gemeinsam dorthin zu fahren. Leider war das Grab in der Zwischenzeit aufgehoben worden. Daran hatte ich nicht gedacht und war dementsprechend geschockt. Trotzdem war es ein super Ausflug, denn wir haben nach dem Friedhofsbesuch noch einen Abstecher nach Rorschach und Lindau gemacht, wo wir Znacht gegessen haben. Mir bedeutet dieser Tag sehr viel, und ich bin dem Mann immer noch dankbar.» ■ SURPRISE 352/15
SurPlus – eine Chance für alle! Werden Sie Gotte oder Götti bei SurPlus Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten. Menschen, die kaum Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt wieder Struktur und mehr Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Das verdient Respekt und Unterstützung. Das Spezialprogramm SurPlus ist ein niederschwelliges Begleitprogramm für ausgewählte Surprise-Verkaufende, die regelmässig das Strassenmagazin
verkaufen und hauptsächlich vom Heftverkauf leben. Diese Verkaufenden erhalten nur geringe soziale Ergänzungsleistungen und werden im Programm SurPlus gezielt vom Verein Surprise unterstützt: Sie sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit, Nahverkehrsabonnement) und werden bei Problemen im oft schwierigen Alltag begleitet. Mit einer Patenschaft leisten Sie einen wesentlichen Beitrag für die soziale Absicherung der Verkaufenden und ermöglichen ihnen, sich aus eigener Kraft einen Verdienst zu erarbeiten. Vielen Dank für Ihr Engagement!
Elsa Fasil Bern
Kostana Barbul St. Gallen
Ralf Rohr Zürich
Marlis Dietiker Olten
Negasi Garahassie Winterthur
Josiane Graner Basel
Tatjana Georgievska Basel
Emsuda Loffredo-Cular Basel
Anja Uehlinger Baden
Fatma Meier Basel
Haimanot Ghebremichael Bern
Ja, ich werde Gotte/Götti und unterstütze das SurPlus-Programm von Surprise! 1 Jahr: 6000 Franken
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352/15 Talon bitte senden oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, 4051 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch, PC-Konto 12-551455-3 SURPRISE 352/15
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Surprise ist:
Ich möchte Surprise abonnieren! 24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.) Gönner-Abo für CHF 260.–
Geschenkabonnement für:
Hilfe zur Selbsthilfe Surprise unterstützt armutsbetroffene Menschen in sozialen Schwierigkeiten. Ob beim Strassenverkauf, Strassenchor oder Strassensport, dem Sozialen Stadtrundgang oder Café Surprise: Der Verein fördert die Selbstständigkeit der Betroffenen. Surprise hilft dort, wo andere aufhören. Surprise gibt das vierzehntägig erscheinende Strassenmagazin heraus. Eine professionelle Redaktion produziert das Heft zusammen mit einem Netzwerk aus freien Journalisten, Fotografen und Illustratoren. Das Magazin wird auf der Strasse verkauft. Über 350 armutsbetroffene Menschen, denen der reguläre Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten über den Strassenverkauf eine Erwerbsmöglichkeit und eine Tagesstruktur. Die Hälfte des Magazinerlöses behalten die Verkaufenden direkt.
Stärken. Bewegen. Integrieren. Surprise fördert die Integration von sozial benachteiligten Menschen mit Sport. In der Surprise-Strassenfussball-Liga spielen Teams aus der ganzen Deutschschweiz. Sie kämpfen um den Titel des Schweizermeisters und des Weltmeisters beim Homeless World Cup. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Strassenchor. Gemeinsames Singen und öffentliche Auftritte eröffnen Kontakte und Glücksmomente für Menschen, für die der gesellschaftliche Anschluss sonst erschwert ist. Café Surprise ermöglicht Menschen mit wenig Geld einen kostenlosen Kaffee in einer Bar, einem Café oder Restaurant. So können sie am sozialen Leben teilnehmen. Für Gäste ist es eine einfache und charmante Gelegenheit, sich sozial zu engagieren: Sie trinken und bezahlen ihren Kaffee und spendieren einen weiteren.
Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht sozial ausgegrenzten Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit für ihr Anliegen, z.B. mit dem Sozialen Stadtrundgang in Basel und Zürich. Die Surprise-Stadtführer sind Armutsbetroffene, Ausgesteuerte und Obdachlose. Sie erzählen aus dem Alltag in ihrer Stadt und zeigen Orte, an denen man sonst vorübergeht. Gemeinsam wollen sie Vorurteile abbauen.
Über Surprise Der Verein Surprise unterstützt Armutsbetroffene ohne staatliche Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle Angebote ist Surprise auf Spenden, Sponsoren und Stiftungsgelder angewiesen. Surprise ist Mitglied des internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP), dem über 120 Strassenzeitungen in 40 Ländern angehören. Spendenkonto PC 12-551455-3
Impressum
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Herausgeber Verein Surprise, Spalentorweg 20, 4051 Basel www.vereinsurprise.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Do T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 Nicole Mathys, Thomas Oehler, info@vereinsurprise.ch Geschäftsführung Paola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (stv. GL) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@vereinsurprise.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Amir Ali (ami), Florian Blumer (fer), Diana Frei (dif, Heftverantwortliche), Mena Kost (mek), Sara WinterSayilir (win), redaktion@vereinsurprise.ch, leserbriefe@vereinsurprise.ch Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Rahel Nicole Eisenring, Shpresa Jashari, Olivier Joliat, Carlo Knöpfel, Melanie Kobler (Grafik), Yvonne Kunz, Stephan Pörtner, Isabella Seemann, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Tom Wiederkehr, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Mauricio Bustamante, Jonas Füllner, Eva Hediger, Miriam Künzli, Alfred Maurer, Isabel Mosimann, Ulrike Ulrich Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 20 350, Abonnemente CHF 189, 24 Ex./Jahr Marketing, Fundraising T +41 61 564 90 50 Svenja von Gierke (Leitung), Zaira Esposito
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Ist gut. Kaufen! Trendige Surprise Taschen in bunten Sommerfarben! Gemeinsam mit dem Secondhand-Shop Zweifach aus Basel haben wir diese trendigen Surprise Taschen entworfen! Die Taschen werden umweltfreundlich aus nicht mehr gebrauchten Lastwagenplachen genäht und mit Autogurten versehen. Sie sind geräumig und verfügen innen über ein grosses Zwischenfach. Erhältlich sind sie in den Farben Rot, Blau, Grün, Orange und Schwarz. Je nach Vorrat kann die Lieferung bis zu drei Wochen in Anspruch nehmen. Zweifach ist ein Betrieb der Eingliederungsstätte Baselland und bietet jungen und erwachsenen Menschen mit einer Behinderung die Möglichkeit, im beruflichen Alltag Fuss zu fassen. Tun Sie sich, Zweifach und auch Surprise etwas Gutes und bestellen Sie noch heute ihre Tasche in ihrer Lieblingsfarbe! Surprise City-Taschen (24,5 x 35,5 cm); CHF 45.– (exkl. Versandkosten) schwarz orange grün blau rot
Der Surprise Schriftzug soll folgende Farbe haben schwarz weiss silber
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