Nr. 353 | 3. bis 16. Juli 2015 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.
Kurze Geschichten Für einen langen Sommer mit Lukas Hartmann, Guy Krneta, Rolf Lappert, Sunil Mann, Stephan Pörtner, Linus Reichlin, Ralf Schlatter und Christoph Simon
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Eine Tasse Solidarität! Machen Sie mit: Zwei bezahlen, eine spendieren. Café Surprise gibt es hier: In Basel Café-Bar Aktienmühle, Gärtnerstrasse 46 Café-Bar Elisabethen, Elisabethenstrasse 10 Café Restaurant Haltestelle, Gempenstrasse 5 Restaurant Les Garçons, Schwarzwaldallee 200 Trattoria Bar da Sonny, Vogesenstrasse 96 In Bern Restaurant Genossenschaft Brasserie Lorraine, Quartiergasse 17 Café Kairo, Dammweg 43 Café Tscharni, Waldmannstrasse 17a Luna Llena Gelateria Restaurant Bar, Scheibenstrasse 39 In Thun Joli Mont, Bälliz 60 In Zürich Café Zähringer, Zähringerplatz 11
Weitere Informationen: www.vereinsurprise.ch/cafesurprise Ein Projekt des Verein Surprise. 2
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Titelbild: Priska Wenger
Obdachlosigkeit, Sozialhilfe, Friedhof, AHV-Reform und Plastik-Recycling. Aserbaidschan, Menschenrechte, Emil Steinberger, Syrien und der ökologische Fussabdruck. Armenien, Medienversagen, Vollgeld-Initiative und Leben mit Aids. Das sind einige der Themen, über die wir in diesem Jahr bisher geschrieben haben. Relevante Themen, mit denen man sich auseinandersetzen muss, gerade wenn man unsere Gesellschaft auch aus der Perspektive der weniger Privilegierten betrachten und verstehen will. Damit machen wir jetzt Pause. Surprise schickt den Ernst des Lebens in den Sommerschlaf und lädt Sie ein auf eine literarische Reise. Wie jedes Jahr haben zahlreiche Schriftstellerinnen und Schriftsteller für uns Kurzgeschichten verfasst, die wir in zwei Ausgaben zusammengestellt haben. Die erste halten Sie in den Händen. AMIR ALI Dieses Heft ist mehr als eine Sammlung von Texten. Dieses Heft ist ein Ticket für REDAKTOR eine Reise, die Sie bequem von der Hängematte auf Ihrem Balkon oder von Ihrem ausgebreiteten Badetuch aus antreten können. Oder vom unbequemen Hartschalensitz im Flughafentransit aus, während Sie auf den verspäteten Anschlussflug ins Strandparadies warten. Lassen Sie los, steigen Sie ein und lassen Sie sich entführen: von Linus Reichlin in die Niederungen des Kerzengeschäfts; von Lukas Hartmann an die Grenzen einer Familie; von Ralf Schlatter in den Europapark; von Christoph Simon in den Liftschacht; von Rolf Lappert in den norddeutschen Winter; von Sunil Mann in ein Hotelzimmer; von Stephan Pörtner in den Wald; und von Guy Krneta auf eine afrikanische Odyssee. Wenn Sie nach der Lektüre Lust auf mehr bekommen: Am 17. Juli erscheint die zweite Surprise-Literaturausgabe dieses Sommers. Neben Texten etablierter Autorinnen und Autoren drucken wir dann erstmals auch Kurzgeschichten von Studierenden des Schweizerischen Literaturinstituts in Biel ab. Und sollten Sie beim Erscheinen der zweiten Literaturausgabe auch physisch verreist sein, können Sie das Heft Nummer 354 für sechs Franken plus Versandkosten auf Rechnung direkt bei uns bestellen: Verein Surprise, Spalentorweg 20, 4051 Basel oder info@strassenmagazin.ch Gute Reise wünscht Ihnen Amir Ali
Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 Ihre Meinung! Wir sind gespannt auf Ihre Kritik, Ihr Lob oder Ihre Anmerkungen. Schreiben Sie uns! Auf leserbriefe@vereinsurprise.ch oder an Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, 4051 Basel. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion trifft eine Auswahl und behält sich vor, Briefe zu kürzen. Oder diskutieren Sie mit uns auf www.facebook.com/vereinsurprise SURPRISE 353/15
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BILD: WOMM
Editorial Dieses Heft ist ein Ticket
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Inhalt Editorial Loslassen und einsteigen Surprise-Verkäufer lesen Was Surprise-Verkaufende lesen Porträt Dichtung, Hoffnung, Liebe Rätsel Kreuzworträtsel und Sudoku In eigener Sache Impressum INSP Projekt SurPlus Eine Chance für alle!
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Eine Kerze für Meers VON LINUS REICHLIN
11 Der Gehenkte VON STEPHAN PÖRTNER
14 Bevor alles anders wird VON SUNIL MANN
16 Über den Winter VON ROLF LAPPERT
20 Der Klotz VON LUKAS HARTMANN
23 Kaltbrunners grosser Tag VON CHRISTOPH SIMON
25 Silver Star VON RALF SCHLATTER
26 An African Odyssey VON GUY KRNETA
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BILD: ZVG
Die Illustrationen dieser Ausgabe stammen von Priska Wenger. Die freischaffende Illustratorin gestaltet seit vielen Jahren die Bilder zu unserer Gerichtskolumne «Zugerichtet» und hat bereits mehrere Sonderhefte von Surprise bebildert. Sie studierte Visuelle Kommunikation und Illustration an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Luzern. Priska Wenger lebt und arbeitet in New York und Biel.
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Was wir lesen Surprise-Verkaufende bieten Lesestoff nicht nur an, viele sind auch selbst begeisterte Leserinnen und Leser. Wir haben einige nach dem wichtigsten Buch in ihrem Leben gefragt. Victor Jacobs, 41, verkauft Surprise vor dem Coop in Muttenz und Binningen «Ich lese nicht mehr so viele Bücher. Heute gibt es Kino und DVDs. Aber ein Buch, das mir geblieben ist, ist der Roman ‹Der letzte Samurai›, der mit Tom Cruise verfilmt wurde. Ein Freund von mir sagte einmal, dass man immer zuerst das Buch lesen soll und dann den Film schauen – damit traf er wirklich einen Punkt: Hollywood prellt uns um einen grossen Teil der Geschichten. So viele wichtige Teile, die ich in Büchern gelesen habe, zum Beispiel auch bei ‹James Bond: Im Geheimdienst ihrer Majestät›, sind im Film einfach herausgeschnitten. Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich mehr Bücher lesen. Du hast einfach viel mehr davon. Wenn ein Hollywood-Produzent einen Film macht, dann macht er ihn nach seinen Vorstellungen, wir aber haben hier eine andere Realität. Letzten Endes würde ich sagen: Wenn du ein Buch liest, dann musst du den Film selber produzieren.»
Eva Herr, 55, verkauft Surprise auf dem Bankenplatz in Basel «Ich habe verschiedene Lieblingsbücher, aber eines liegt mir besonders am Herzen: ‹Ausgerechnet Mr. Darcy› von der amerikanischen Autorin Teri Wilson. Das Buch handelt von Liebhabern von Rassenhunden – und ich hatte früher einen englischen Rassenhund. Es ist ein Krimi, in den aber eine Liebesgeschichte verpackt ist: Eine junge Dame verliebt sich in einen Schiedsrichter eines Hundewettbewerbs. Daraus entwickelt sich eine grauslige Geschichte, es geht um Neid und Intrigen – wie manchmal im echten Leben auch. Es kam heraus, dass auch beste Freundinnen schlechte Absichten haben können. Ich habe in diesem Buch einen Teil von mir wiedererkannt. Ich verschlang es regelrecht und las es kurz darauf gleich noch einmal. Ich lese sehr gerne, und ich stöbere oft bei Bider und Tanner, dem Buchladen, vor dem ich Surprise verkaufe. Ich bin immer auf dem Laufenden, kenne die Bestsellerliste und suche mir die besten Leckerbissen aus. Das ist mein Hobby.»
Markus Thaler, 45, verkauft Surprise in Aarau, Chur, Luzern, Schaffhausen und Zürich «Ich lese seit 20 Jahren täglich die Bibel. Ich führte damals ein ganz anderes Leben, ich hatte Probleme und sah keine Lösungen. Mein Vater starb früh. Damit habe ich vieles verpasst: Schutz, Ermutigung, Stärke. Alles, was ich begann, brach ich ab, weil ich das Gefühl hatte: Du schaffst es nicht. Nur im Sport hatte ich Erfolg, ich habe Boxkämpfe gemacht. Aber das reichte nicht für das Leben da draussen. Einmal kam jemand zu meiner damaligen Frau zu Besuch. Er kam mir besserwisserisch vor, Er schien mir intelligenter als ich, und neben ihm fühlte ich mich klein. Ich ging trainieren. Da hörte ich dreimal in mir drin die Stimme, ich solle nach Hause gehen. Das tat ich, und dieser Gast erzählte von Jesus. Da spürte ich, dass auch ich Jesus in meinem Leben brauchte. Die Bibel ist ein Leitfaden fürs Leben. So, wie bei einer Maschine eine Bedienungsanleitung dabei ist. Wenn man die nicht liest, kann es sein, dass die Maschine kaputtgeht.»
Awet Iyasu, 36, verkauft Surprise im Freudenberg-Zentrum im Ostring Bern «Ich habe viele Bücher gelesen, aber mein Lieblingsbuch ist ‹Eritreisches Kommando›. Es ist ein Buch über den Geheimangriff eines Sonderkommandos von eritreischen Freiheitskämpfern auf einen äthiopischen Militärstützpunkt in der eritreischen Hauptstadt Asmara im Jahr 1984. Asmara war damals ein Teil von Äthiopien. In einer 18-minütigen Operation wurden 30 Flugzeuge und Helikopter zerstört. Das Buch ist so spannend wie ein amerikanischer Film, aber es erzählt eine wahre Geschichte. Es enthält auch viele Fotos. Es ist mein Lieblingsbuch, weil es von einer Zeit erzählt, in der viele junge Eritreer im Freiheitskampf gestorben sind. Sie haben dafür gekämpft, dass wir ein gutes Leben in Frieden haben können. Ich liebe dieses Buch, es spricht mir direkt aus dem Herzen.»
Urs Habegger, 59, verkauft Surprise am Bahnhof Rapperswil «Es gibt einige Bücher, die im Laufe meines Lebens wichtig waren: ‹Die Panne› von Dürrenmatt, ‹Das Bildnis des Dorian Gray› von Oscar Wilde, ‹Der glückliche Tod› von Camus oder Hesses ‹Steppenwolf›. In allen fand ich Gedanken, die ich selbst nie in Worte fassen konnte. Am meisten berührt hat mich ‹Der Glöckner von Notre Dame› von Victor Hugo. Darin geht es um Quasimodo, der entstellt und verkrüppelt ist und deshalb verspottet wird. Dennoch fühlt und denkt Quasimodo wie andere Menschen auch, und er leidet unter der Ausgrenzung und der Einsamkeit. Hugo beschreibt so grossartig, was in Quasimodo vorgeht. Ich habe bei der Lektüre meinen eigenen Umgang mit Behinderten hinterfragt. Ich selbst fühle mich überhaupt nicht ausgegrenzt, im Gegenteil: Wenn ich Surprise verkaufe, rede ich den ganzen Tag mit Menschen. Für manche bin ich fast eine Art Seelsorger.»
Daniel Binggeli, 55, verkauft Surprise vor dem Rathaus in Bern «Am liebsten lese ich Ephraim Kishon. Auch die Bibel und buddhistische Lehrbücher lese ich sehr gerne, generell Bücher, die den Sinn des Lebens analyiseren. Was ich daraus ziehe? Dass wir auf dem Holzweg sind. Immer mehr, immer mehr, immer mehr. Man kann einfach nicht immer mehr! Ich habe das Gefühl, die Leute sind gar nicht zufrieden, sie geniessen das Leben gar nicht mehr. Die einen leben im Überfluss, die anderen haben Hunger – das beschäftigt mich extrem. Hilfe finde ich in der Bibel eigentlich nicht, es macht mir eher Kummer. An Ephraim Kishon mag ich, dass er sagt, wie es ist – in boshafter Art und Weise, und doch immer mit einer Pointe, die mich zum Lachen bringt. Auch gewisse Texte von Hesse, Nietzsche und Goethe haben mich sehr interessiert. Aber zu viel davon kann man nicht lesen – die Gedanken von ihnen sind zum Teil so tiefsinnig, dass es einen verrückt macht.»
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Porträt Abgetaucht, um zu schreiben Die mehrfach ausgezeichnete georgische Schriftstellerin Tamta Melaschwili hat in Zürich gerade ihren zweiten Roman geschrieben. Jetzt kehrt sie zurück in ihr anderes Leben, wo sie für die Aufweichung des Patriarchats kämpft. VON SARA WINTER SAYILIR (TEXT) UND PHILIPP BAER (BILD)
Die Dunkelhaarige mit dem verhaltenen Lächeln sieht sich selbst als feministische Aktivistin. Seit dem Internationalen Frauentag 2015 habe sich aus der Protestbewegung eine richtige politische Plattform mit Forderungen nach mehr politischer Teilhabe entwickelt. «Jetzt werden offen Quotenregelungen diskutiert», freut sie sich. Die Bewegung fungiere auch als Sammelbecken für die Anliegen der sexuellen Minderheiten. Das übergeordnete Ziel sei die längst nötige Aufweichung des Patriarchats. «Ich sehe mich nicht als Teil der klassischen Intelligenzija», sagt sie. Dabei ist Melaschwili durchaus eine Intellektuelle: Nicht nur lehrt sie Gender Studies an der Universität Tbilisi, ihre literarischen Werke wurden bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem «Deutschen Jugendliteraturpreis» für die deutsche Übersetzung ihres ersten Romans «Abzählen». Darin geht es um das Leben in einer Konfliktzone und die Freundschaft zweier Mädchen in einer Nahaufnahme, eingedampft auf drei Wochentage. Als «aussergewöhnliches Debüt» bezeichnete der Tages-Anzeiger das Buch, die NZZ wünschte dem «berührenden Stoff» viele Leser. Was Melaschwili nicht möchte ist, als Teil der alten Intellektuellenschicht zu gelten, der sie vorwirft, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion den Anschluss verpasst zu haben. «Wir in Georgien definie-
«Es ist nicht einfach, eine Frau in Georgien zu sein», sagt die Schriftstellerin Tamta Melaschwili. Das letzte halbe Jahr hat die 35-jährige Georgierin als Gastautorin des Zürcher Literaturhauses in der Limmatstadt verbracht. Zuhause in der kleinen, konfliktgezeichneten Republik am Schwarzen Meer würden Frauen wie Menschen zweiter Klasse behandelt, sagt sie. «Wir ruhen uns darauf aus, im 12. Jahrhundert einmal die einflussreiche Königin Tamar gehabt zu haben», so Melaschwili, «und vergessen dabei, wie Frauen in unserem Land heutzutage leiden.» In Georgien paaren sich traditionelle Denkmuster und Machokultur mit dem Erbe der Sowjetunion: Zwar galt die Frau im Sowjet-Sozialismus als gleichwertige Arbeiterin, hatte aber neben dem Job allein für Haushalt und Familie zu sorgen. Und wo die Sowjets nach 1989 eine Lücke hinterlassen haben, ist heute die einflussreiche Orthodoxe Kirche zur Stelle, deren Frauenbild ebenfalls alles andere als fortschrittlich ist. «Frauen haben mich immer mehr interessiert als Männer», sagt Melaschwili, die sich selbst als queer outet. Sie lebt in einer Beziehung mit einer Frau – zumindest wenn sie an einem Ort seien, wie sie hinzufügt. «Früher hatte ich auch Beziehungen mit Männern», sagt sie. Doch im Laufe der Zeit habe sie festgestellt, dass Männer in ihrem Gefühlsrepertoire «irgendwie li«Früher hatte ich auch Beziehungen mit Männern», sagt Tamta Melaschwili, mitiert sind», wie sie vorsichtig formuliert. doch diese seien in ihrem Gefühlsrepertoire «irgendwie limitiert». Dabei habe sie noch heute guten Kontakt mit ihrem damaligen Partner. Melaschwili ist überzeugt, dass Geschlechterunterschiede sozialisiert sind. Erst spät sei ihr ren uns immer noch über den Vergleich zu Russland oder in Abgrendas Wort «Feministin» begegnet. Seitdem bezeichnet sie sich stolz und zung dazu», ärgert sie sich. «Niemand hat sich die Mühe gemacht, sich koketteriefrei als solche. Die frühen Texte von Toni Morrison hätten sie um den Aufbau einer autonomen Identität, eines eigenen Narrativs zu sehr beeindruckt. «Selbstverständlich schreibe ich auch aus einer femibemühen.» Das ganze Denken sei kolonialisiert und rückwärtsgewandt. nistischen Perspektive, wie soll es anders sein? Das ist meine Weltsicht Melaschwili sehnt sich nach Dekolonialisierung. Diese gehe viel zu und mein Alltag», sagt Melaschwili. langsam vonstatten. Begonnen habe alles 2005 mit einem Au-pair-Jahr in Deutschland. Es ist nicht ihr erster Aufenthalt in Zürich, das sie als «freundliche «Ich habe mich dort sehr wohl gefühlt», erzählt sie. Eine intensive ErStadt» bezeichnet. Doch diesmal hat sie kaum etwas von der Schweiz fahrung sei das gewesen, die viele Fragen über die unterschiedlichen mitbekommen. «Ich war sehr auf meine Arbeit konzentriert», erzählt Geschlechterrollen in Georgien und Deutschland aufwarf. «Ich konnte sie. Zuhause bleibe kaum Zeit für Kreativität. «Ich habe dringend Diszum ersten Mal vergleichen, was ich als normal empfand», erinnert sie tanz zu meinem Land gebraucht, um wieder schreiben zu können», gibt sich. «Die grösste Lektion meines Lebens», sagt sie heute. sie zu. Das halbjährige Stipendium des Literaturhauses und der Stiftung Geboren wurde Melaschwili 1979 in Ambrolauri, einer Stadt mit rund PWG sei daher ideal gewesen, um produktiv aus der Welt des Akti2400 Einwohnern im gebirgigen Landesinnern von Georgien. Mit 16 zog vismus abzutauchen und zu schreiben. «Ich geniesse den Raum, den ich sie von zuhause aus, ging in die Hauptstadt Tbilisi, begann ein Studium hier habe, die Einsamkeit», so Melaschwili. Einen ganzen Roman hat sie der Internationalen Beziehungen und brach ab. Später zog es sie nach während ihrer Zeit in Zürich geschrieben, es ist ihr zweiter. Darin gehe Budapest, wo sie 2008 ihren Master in Gender Studies an der Central Eues um Gedichte aus dem Georgien der 1920er-Jahre, die bis heute einem ropean University machte. «Ich bin eine Nomadin und ich geniesse es», Dichter zugeschrieben würden, der sie aber anscheinend nicht selbst lacht Melaschwili. verfasst habe. Die wahre Urheberin sei eine Frau gewesen, eine ehema«In Georgien ist Gewalt gegen Frauen ein grosses Thema», sagt Melige Geliebte des Dichters. Obwohl es Briefwechsel gebe, die bewiesen, laschwili, jede dritte Frau werde diskriminiert. 2014 erschütterte eine Sedass sie die eigentliche Autorin war. Zugegeben habe die Dame es jerie von Frauenmorden das kleine Land und seine knapp vier Millionen doch nie. Ursprünglich hatte Melaschwili sich akademisch mit der TheEinwohner. 24 Frauen wurden Opfer ihrer Ehemänner, Exfreunde, Brümatik befasst und partout nicht herausfinden können, warum die Verder oder Väter. Zu befürchten hatten die Täter wenig, die Behörden fasserin ihre Texte nicht für sich beanspruchte. Deshalb dichtete sie sich schauten weg, die Gesellschaft schwieg. Doch als eine Universitätsdoflugs selbst die Geschichte dazu. Ein dritter Roman ist auch schon anzentin vor den Augen ihrer Studenten von ihrem Mann ermordet wurgedacht, erzählt Melaschwili: «Der Plot und der Titel stehen schon.» de, begannen erste Proteste. Melaschwili: «Da hat sich eine richtige Zum Schreiben braucht es wohl erneut eine Oase wie die in Zürich, daGraswurzelbewegung entwickelt.» mit sie sich dem Sog des Politaktivismus entziehen kann. ■
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Eine Kerze für Meers VON LINUS REICHLIN
Franz Meers blieb an der schwarzen Schaufensterscheibe kleben, er kam nicht von ihr los. Es war durch das Glas nichts zu sehen, natürlich nicht, das war ja der Zweck der Verdunklung. Man sah in der Scheibe nur das eigene Gesicht, die Anonymität war also keineswegs gewährleistet. Die Tür stand weit offen, aber so leicht liess Meers sich nicht überzeugen. Der dicke Vorhang, der als Sichtschutz hinter der Tür hing, wölbte sich auf den Gehsteig und verschwand dann wieder in der Tür; es war windig an diesem Abend. Nadelspitzer Regen stäubte durch die Strassen. Lass es, dachte Meers. Man musste nicht alles im Leben einmal gemacht haben. Und wenn schon, dann Australien, dachte er. Zum Ayers Rock fahren und dort eine Meers-Kerze anzünden, vor laufender Videokamera: So oft er sich das vornahm, kam etwas dazwischen. Aber eines Tages, dachte er, dokumentiere ich das und stelle es ins Netz: Eine nicht selbständig erlöschende Meers-Kerze. Ein kleiner, vielleicht kindischer Protest gegen das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz, das von ihm, Franz Meers, die Herstellung allein erlöschender Kerzen verlangte. Seit drei Jahren kämpfte er, vor allem innerlich, gegen dieses Gesetz, das ihn zwang, in seine Kerzen gewissermassen einen Selbstzerstörungsmechanismus einzubauen, nur damit auch die Abgestumpften und die Besoffenen eine Weihnachtskerze anzünden konnten, ohne hinterher ihr Haus in Brand zu setzen. Meers’ Meinung in dieser Angelegenheit war radikal: Wer eine Kerze unbeaufsichtigt brennen liess, also gar nicht hinschaute und sich folglich an der Qualität der Flamme nicht erfreute und unempfänglich war für den Zauber, der von ihr ausging, der konnte seinetwegen mitsamt allem Hausrat verbrennen. Basta, dachte er, und in der geschwärzten Schaufensterscheibe sah er, dank einer Strassenlampe auf der anderen Seite, den Ärger in seinem Gesicht. Eine der Falten um seine Mundwinkel war neu, erst heute ent-
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standen, an der Messe, der Candela 09. Meers hatte an seinem Stand den ganzen Morgen lang auf Gittinger gewartet, denn Gittinger war einer der wichtigsten Einkäufer für Qualitätskerzen, er belieferte hauptsächlich Floristen, die an hochwertigen, ästhetischen Kerzen interessiert waren, also naturgemäss an Meers-Kerzen. Als Gittinger dann endlich auftauchte, warf er einen flüchtigen Blick auf Meers’ neues Sortiment und sagte nur, in einem merkwürdig abschätzigen Ton: «Stearin.» «Natürlich», sagte Meers. «Und Bienenwachs. Alles wie immer übergossen, nicht gezogen. Warum?» «Stearin geht nicht mehr», sagte Gittinger. Er schneuzte sich in ein blaues Taschentuch, auf der Messe ging eine fiebrige Erkältung um. «Mit Stearin», sagte Gittinger, «haben Vegetarier offenbar Probleme, neuerdings. Ja, ich weiss, es ist absurd. Aber Floristen!» Er lachte bitter. «Sie wissen ja, wie die sind. Offenbar hat sich rumgesprochen, dass in Stearin Spuren von Rindertalg enthalten sind. Und jetzt möchten die Floristen zwischen ihren Blümchen keine Kerzen zum Verkauf anbieten, für die Tiere sterben mussten. Haben Sie denn wirklich nichts aus Paraffin?» Paraffin! Meers schlug mit der flachen Hand gegen die schwarze Scheibe des Sexshops. Und dann ging er hinein, aus Protest gegen die Dummheit und unter der Fahne des Stearins und der niemals selbst erlöschenden Kerzen. Er teilte mit den Armen den Sichtvorhang, und jetzt war er wirklich drin. Hinter ihm schloss sich der Vorhang, und Meers sah Dinge, ohne sie wahrzunehmen. Er war in Gedanken noch ganz bei den Vegetariern, die wegen ein paar Grämmchen Rindertalg die Wahrheit in die Ecke stellten und sie verhüllten wie einen Wellensittichkäfig zur Nacht. Aber die Sittiche, dachte Meers, zwitschern munter weiter, sie zwitschern die Tatsachen: Bei der Verbrennung von Paraffinkerzen entstanden markant mehr polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, zu schweigen von SURPRISE 353/15
bendige Licht einer Kerzenflamme zu schätzen wusste. Solche Menschen, es waren wohl hauptsächlich Männer, verbrachten ihr Leben im kalten Licht der Neonröhren, sie waren umgeben von den flachen, starren Schatten des Kunstlichts; das Milde, Geheimnisvolle war ihnen fremd. Das Licht einer Kerze war Anspielung, ein Locken, Verheissung, es war ein Schleier, der Ahnungen weckte, wie eine Parfümspur, die eine schöne Frau in der Strassenbahn zurückliess, nachdem sie ausgestiegen war. Hier aber, in diesem von billigsten Spotlampen grell ausgeleuchteten Raum, hätte eine Kerze Gelächter hervorgerufen, wie der Prediger im Hurenhaus. Es war kein moralisches, es war, fand Meers, ein quantitatives Problem. Die schiere Menge der Brüste, Schenkel, der offenen Münder, des Samens, der auf den Titelseiten der Pornomagazine vergossen wurde, erinnerte ihn an die Flutscheinwerfer eines Fussballstadions. Flutlicht, Flutbrüste, Flutpenisse, Flutbegattungen: Er glaubte sogar einen stallähnlichen Geruch wahrzunehmen. Er berührte nichts, denn alles hier, die Magazine, die Videos und die Hilfsmittel, für die ein sehr geräumiges Regal geschaffen worden war, schien mit Körpersäften mariniert zu sein. Penisringe, Plastikpuppen mit roten Löchern, Handschellen für unter zehn Euro: Er betrachtete es mit Schaudern. Aber es war ein zwiespältiges Schaudern, und das gefiel ihm nicht. Es war falsch, sich etwas darauf einzubilden, dass das plumpe Werben dieser Bilder und Gegenstände ihn nur mit Mitleid erfüllte. Wahllos griff er einen Videofilm aus einem unbeschrifteten Regal, und ohne einen Blick auf das Cover zu werfen, legte er den Film auf den Kassentresen. Er glaubte, es der Frau schuldig zu sein, etwas zu kaufen, es ging um Respekt. Wahrscheinlich verbrachte sie acht Stunden am Tag in dieser Atmosphäre vollkommener Geheimnislosigkeit. Nie würde der sprechende Schatten einer Kerzenflamme auf ihr Gesicht fallen. Sie besass, davon war Meers überzeugt, mit Sicherheit nicht eine einzige Kerze. Wenn sie von dieser Arbeit nach Hause kam, schlief sie sofort ein und träumte von weissen Pferden, die leise schnaubten, von Schmetterlingen, die sich von einem Blumenkelch erhoben und ohne ersichtlichen Grund verglühten. Man durfte aus der Tatsache, dass diese Frau es überhaupt länger als zehn Minuten in diesem Raum aushielt, keine Rückschlüsse auf ihren Charakter ziehen. Allenfalls sagte es etwas über ihre Kindheit aus, die sich Meers nicht anders als verheerend vorstellen konnte. «Ich nehme den hier», sagte er, seine Stimme klang merkwürdig, fand er. Die Frau, die bisher weder gelangweilt noch interessiert das Geschehen auf dem Bildschirm verfolgt hatte, nahm Meers jetzt zur Kenntnis. Sie holte unter dem Tresen ein dickes Buch hervor und blätterte darin, sie suchte nach der DVD, die der Nummer auf dem Cover des Films entsprach, den Meers blind ausgewählt hatte. Es dauerte lange, denn
Dioxin und Furan. Stearin war wesentlich umweltverträglicher, und bei gutem Docht entstand auch absolut weniger Russ. «Verdammt nochmal!», sagte Meers, und nun nahm er eine Bewegung wahr und ihm wurde bewusst, dass er nicht allein war. Eine Frau sass hinter dem Kassentresen, und sie blickte ihn an. Er hatte laut gesprochen, er hatte geflucht, und zum Zeichen, dass er nicht gefährlich war, nickte er ihr zu. Sie war weder jung noch alt, weder hübsch noch hässlich, sie kam ihm vor wie eine fantasielose Erfindung. Sie wandte sich wieder dem Fernseher zu, der rechts über ihr hing; Geräusche von totaler Eindeutigkeit erreichten Meers’ Ohren. Ihm wurde bewusst, dass die Frau sich einen Er berührte nichts, denn alles hier, die Magazine, die Videos und der Filme anschaute, die hier, wie er nun sah, in Fülle angeboten wurden, aber nicht ungedie Hilfsmittel, für die ein sehr geräumiges Regal geschaffen worordnet. An den Regalleisten klebten Aufschrifden war, schien mit Körpersäften mariniert zu sein. ten in Western-Buchstaben: «Jung». «Oma». «Gay». Diese kundenorientierte Orientierungsimmer wieder liess sich die Frau von den Szenen auf dem Bildschirm hilfe machte ihm die fremdartige Umgebung vertrauter; er verstand, was ablenken; sie schaute hin, als würde sie, wenn sie es nicht tat, etwas hier angestrebt wurde, und fühlte sich dadurch heimischer. «Wachsverlieren, das ihr aber nicht besonders am Herzen lag. Eine blonde Frau stock, aufgerollt». «Ziehverfahren, Bienenwachs». «Skulpturkerzen», simulierte in dem Film gerade Erregung, während eine Rothaarige den auch er dachte in kundenspezifischen Kategorien. grotesk grossen Penis eines Mannes mit beiden Händen sehr hektisch Oma, dachte er, entspricht dann wohl dem von Gittinger neuerdings bearbeitete wie einen Zaunpfahl, der noch vor Einbruch der Dunkelheit favorisierten Paraffin! in der Erde stecken muss, damit nachts nicht wieder Füchse ins HühFür diesen sarkastischen Gedanken schämte Meers sich sofort. Er nergehege eindrangen. war kein Zyniker, und gerade in einem Sexshop wollte er keiner werden. «So», sagte die Frau nach einer Weile. «Das ist der.» Sie drückte die Gittinger, der Paraffin-Streit, das Produktsicherheitsgesetz, das alles fiel DVD in die Hülle und tippte den Preis in die Kasse. jetzt von ihm ab, und seine Augen wurden klar. Meers bezahlte sang- und klanglos, obwohl er ungern die horrende Er befand sich in einem Raum, der ausserhalb seiner Welt lag, es war Summe von 34 Euro für einen Film ausgab, den er draussen in den ein fremder Stern. Er hielt es für ausgeschlossen, dass jemand, der hiernächstbesten Abfalleimer werfen würde. her kam und sich aus dem Regal «Oma» einen Film herausgriff, das leSURPRISE 353/15
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BILD: SUSANNE SCHLEYER
Sie steckte den Film in eine kleine, schwarEr begriff, dass es bei Prostitution immer um Abstieg ging: Die Hure, ze Plastiktüte ohne Aufschrift. der Freier, beide stiegen ab, aber nur der Freier stieg hinterher wieder «Danke», sagte er. «Und einen schönen auf, das war das Asymmetrische daran. Abend noch.» Beim Gedanken, dass die Frau den Rest des Abends in diesem unsäglichen «Das habe ich nicht gesehen», sagte Meers. Hinter seiner heissen Raum verbringen musste, während er in seinem Hotelzimmer drei BieStirn entstand das Bild von Gittinger, der heute Morgen unter dem Diknenwachskerzen anzünden und in den Flammen Reinheit finden würtat der auf Paraffin versessenen Vegetarier nur 30 Stück Bienenwachsde, überwältigte ihn sein Mitleid. Er lächelte sie an, das war alles, was Kerzen geordert hatte, aus Mitleid mit mir, dachte Meers. Auf seinen Steer für sie tun konnte. Und er freute sich, dass sie auf sein Lächeln reaarin-Kerzen war Meers sitzengeblieben. «Ich bedaure das wirklich gierte. Es schien sie zu verändern. Es kam Leben in ihre Augen. sehr», hatte Gittinger gesagt, und plötzlich konnte Meers die Enttäu«Sind Sie hier aus Berlin?», fragte sie. schung der Frau in seiner eigenen Brust fühlen. Sein Mitleid mit ihr war «Nein. Aus Stuttgart», log er. Er lebte in Freiburg im Breisgau. jetzt wörtlich: Er litt mit ihr mit. Sie hatte auf einen guten Geschäftsab«Geschäftlich hier?», fragte sie. Sie sprach mit Akzent, irgendetwas schluss gehofft, und nun blieb sie auf ihrer Ware sitzen, weil er, Meers, Östliches. ausser Bienenwachs und Stearin nichts gelten liess und sich für Paraffin «Ja», sagte er. «Geschäftlich.» Durfte er die Messe erwähnen, die Canzu fein war, und sie entsprach zweifellos dem Paraffin. Man musste dela 09? Besser nicht. Mögen Sie Kerzen? Das hätte er sie gern gefragt. nicht alles im Leben einmal gemacht haben, aber einmal, ein einziges Er hätte sie gern mit Kerzen bekannt gemacht, zur Kerze bekehrt, denn Mal nur, musste man radikal inkonsequent sein und alle Vorlieben, GeKerzen spendeten Trost, manchmal heilten sie sogar. Sie beruhigten, sie wohnheiten und Überzeugungen über Bord werfen und sich der Frage brachten den Menschen auf den Punkt. Aber er schwieg. Er hatte ja stellen, ob es wirklich den Charakter verdarb, wenn man hin und wieauch keine seiner Kerzen dabei. der eine Ladung Paraffinkerzen herstellte. «Also dann», sagte er und lächelte zum zweiten Mal. «Ich habe das nicht gesehen», wiederholte Meers mit geschlossenen «Okay», sagte sie und stand auf. Sie schaltete den Fernseher in dem Augen. «Aber ich stehe zu meinem Lächeln.« Er nickte. «Ja, ich stehe zu Moment aus, in dem die blonde Frau den Zaunpfahl mit dem Gewicht meinem Lächeln. Ich habe gelächelt, und das soll gelten.» Er öffnete die ihres Körpers in die Erde zu rammen versuchte; die Rothaarige hatte Augen und fügte hinzu: «Also. Bringen wir es hinter uns.» versagt: Mit den Händen war es einfach nicht zu schaffen. Die Frau lachte, es war, als würde das Eis in ihrem Gesicht brechen. «Es ist da», sagte die Frau. Sie öffnete die Tür zu einem Nebenraum «Wie heisst du?», fragte sie. und hielt sie für Meers offen. «Komm», sagte sie. «Zwanzig Minuten.» «Rolf.» «Was zwanzig Minuten? Ich muss jetzt gehen», sagte Meers. Es fiel «Du bist kompliziert, Rolf», sagte sie. ihm schwer, sein Lächeln aufrechtzuerhalten. Als Franz Meers eine Stunde später in seinem Hotelzimmer die drei Die Frau nahm ihn am Arm. Kerzen anzündete, pochte sein Herz immer noch. Er fand es nur richtig, «Komm», sagte sie. Ihr Blick war leer und doch auf eine Weise verdass er die Erfüllung seines Versprechens auch genossen hatte. Er überständnisvoll. «Wir machen, was du willst. Aber kein SM. Nur normal legte sich sogar, noch einen Tag länger in Berlin zu bleiben. Dann blies und anal.» er die Kerzen aus und schlief so gut wie seit Jahren nicht mehr. «Das ist ein Missverständnis», sagte Meers. Das Blut stieg ihm in den ■ Kopf. Er hörte es in seinen Ohren rauschen. «Ich will nur den Film», sagte er. «Ich stelle Kerzen her. Mögen Sie Kerzen?» Er begann hastig über Kerzen zu sprechen, sie legte ihm alle ihre Finger auf die Lippen, es war eine vollkommen herzlose Berührung. «Du brauchst nicht Angst zu haben», sagte sie. Ihre Augen leuchteten auf, als habe eine dunkle Freude sie entzündet. «Komm jetzt. Uhr läuft. Ich beisse nicht.» «Das weiss ich», sagte er. Er trat einen Schritt zurück, verliess den Duftkreis ihres Parfüms, denn das Parfüm war ein Bote mit der Einladung, einfach zuzugreifen. Es wäre zweifellos ein Abstieg gewesen, aber gerade das hätte hinterher die Erinnerung erträglich gemacht. Er begriff, dass es bei Prostitution immer um Abstieg ging: Die Hure, der Freier, beide stiegen ab, aber nur der Freier stieg hinterher wieder auf, das war das Asymmetrische daran. «Aber ich muss jetzt leider wirklich gehen», sagte er. «Gehen? Du hast gelächelt!», sagte sie. Ihre Freude über seine Unsicherheit verwandelte sich in Empörung. «Zweimal!» Sie ahmte grimassenhaft sein Lächeln nach. «So», sagte sie. «Ist das kein Lächeln? Doch! Du lächelst, und dann willst du nicht?» Er verstand nicht, was sie meinte. Linus Reichlin, geboren 1957, lebt als freier «Ich habe aus Höflichkeit gelächelt», sagte er. Nein, aus Mitleid, Schriftsteller in Berlin. Sein Debütroman dachte er, aber Ehrlichkeit war jetzt nicht gefragt. «Ich will nicht einmal «Die Sehnsucht der Atome» erhielt 2009 den den Film», sagte er, er legte die schwarze Plastiktüte auf den Tresen. Deutschen Krimipreis. «Der Assistent der «Da!», sagte sie, ihre Augen versprühten kleine Nadeln. «Da steht es Sterne» (2010) wurde 2010 in der Sparte doch!» Sie zerrte ihn am Arm zu einem der Regale beim Eingang. Unterhaltung zum «Wissenschaftsbuch des «Kannst du lesen? Da steht es!» Sie zeigte auf das Blatt Papier, das mit Jahres» gewählt. Zuletzt erschien 2012 «Das Klebstreifen am Regal befestigt war, auf Bauchhöhe. In grossen BuchLeuchten in der Ferne». staben stand darauf: MÖCHTEN SIE MIT MIR SCHLAFEN? SAGEN SIE NICHTS. LÄCHELN SIE NUR. Linus Reichlin verbringt den Sommer in Gedanken versunken.
Der Gehenkte VON STEPHAN PÖRTNER
te. Er drehte sich um und begann langsam auf den Gehenkten zuzugeEr wäre beinahe einfach weitergegangen. Hätte den Mann, der am hen. Es war ein eindrückliches Bild. Der Baum, an dessen Ast der GeBaum hing, einfach ignoriert. Ihn als eine dieser optischen Täuschunhenkte aufgeknüpft worden war, war eine alte Linde, die auf einer kleigen abgetan, die man aus dem Augenwinkel wahrnimmt, die einen ernen Anhöhe stand. Sie hob sich dunkel gegen den hellgrauen Himmel schrecken, aber nur kurz, weil klar ist, dass man sich getäuscht haben ab. Der Gehenkte trug, wie Rolf beim Näherkommen erkannte, bunte muss. Der schwarzsilberne Wolf, der ein Abfalleimer ist, der grüne DraKleidung, Flipflops, rote Bermudashorts mit weissen Seitenstreifen, ein che, der ein angefressenes Buschwerk ist, der grinsende Zwerg, der sich blaues T-Shirt mit dem Bild einer grinsenden surfenden Comicfigur, Rolf als Rucksack auf einer Sitzbank erweist oder eben ein herabhängender glaubte, dass es sich um einen Simpson handelte. Rolf wunderte sich Ast, der wie ein Gehenkter aussieht. über den sommerlichen Aufzug des Gehenkten. Als er noch näher trat, Der Drang, sich noch einmal umzudrehen, sich zu vergewissern, konnte er dessen Gesicht erkennen. Er kannte den Mann. Es war sein dass er sich getäuscht hatte, war stärker. Er hatte sich nicht getäuscht. ehemaliger Mitschüler Albert Gruber, den er seit über 30 Jahren nicht Ein Mensch hing an einem Seil, die Hände hinter dem Rücken zusammengebunden. Strange fruit indeed. Rolf blieb stehen, schloss die Augen, öffnete sie Rolf wunderte sich über den sommerlichen Aufzug des Gehenkten. wieder. Der Gehenkte war noch immer da. Rolf tastete seine Taschen ab, obwohl er Als er näher trat, erkannte er dessen Gesicht. Er kannte den Mann. wusste, dass es sinnlos war. Er hatte sein Handy nicht dabei. Er nahm es nie mit auf seinen mehr gesehen hatte. Er erkannte ihn sofort, trotz der grotesken Fratze Morgenspaziergang. Der Morgenspaziergang, den er kurz nach sechs mit der heraushängenden Zunge, trotz der Jahre, die alles andere als Uhr in der Früh antrat, war die einzige Zeit, die ihm gehörte, in der er spurlos an Albert vorübergegangen waren. alleine und ungestört war. Rolf trat einen Schritt zurück. Er war wie gelähmt vor Schreck. Nicht Rolf schaute sich um. Ausser ihm war niemand unterwegs an diesem weil Albert am Baum hing, sondern weil er Angst hatte vor Albert. Geregnerischen Frühlingsmorgen. Rolf wartete, auf einen der Hündeler habt hatte. Während der ganzen langen drei Jahre, die Albert ihn geoder Jogger, die er regelmässig traf, ohne sich ihre Gesichter zu merken, plagt hatte. Diese Angst, längst vergessen, aber tief in seinem Innern gedenen er aber zunickte, die seinen Gruss erwiderten, weil es verband, speichert, flutete jede Zelle seines Körpers, nahm vollkommen Besitz zu denjenigen zu gehören, die unterwegs waren, während die anderen von ihm. Wie hatte er sie vergessen können? Wie hatte er damals mit noch schliefen. Keiner kam. Es waren auch nur ein paar Augenblicke geihr leben können? Einen Moment taumelte er, sah Albert vor sich, sein wesen, in denen er, den Rücken zum Gehenkten gewandt, die Hände in Grinsen, seine Masse, seine Kraft, die er gegen Rolf, den kleineren, den der Jackentasche vergraben, am Wegrand gestanden und gewartet hatSURPRISE 353/15
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umfuhr oder auf diesem hockend mit seinen Freunden auf dem DorfTräumer einsetzte. Der sich immer neue, grausame Wege ausgedacht platz posierte, dem Dorfplatz, auf dem auch das Postauto hielt. Doch hatte, ihn zu demütigen, ihm Schmerzen zuzufügen. Der danach wieetwas Seltsames war geschehen. Albert liess Rolf in Ruhe, grüsste ihn der tun konnte, als wäre nichts gewesen, sogar nett sein konnte. Das höchstens noch mit einem Grunzen. Noch traute Rolf dem Frieden war das Schlimme. Nie wusste Rolf, woran er war. Jede Freundlichkeit nicht. Er behielt den Kopf unten. Er absolvierte das Gymnasium, wo er konnte in Grausamkeit umschlagen, jede Begrüssung der Beginn langer Qualen sein. Auf Hilfe hatte Rolf nicht hoffen können. «Tot?», fragte Rolf erstaunt. Er hätte den Alten in sein Büro bitten Die Lehrer interessierten sich nicht für das, sollen, blieb aber einfach stehen. was ausserhalb des Klassenzimmers geschah, die Erwachsenen, allen voran sein Vater, fanwohlgelitten war, wo er sich den Braven anschloss, den Knaben, die guden, dass Buben eben Buben seien und Rolf lernen müsse, sich zu wehte Noten hatten, im Turnen als Letzte gewählt und auf die Schulfeten ren. Von Mobbing sprach damals niemand und es hätte auch nicht nicht eingeladen, dafür weitgehend in Ruhe gelassen wurden. zugetroffen, denn es war kein Mob, der Rolf zusetzte, es war Albert. AlAls sich einmal einer der grösseren Schüler einen Scherz mit ihm erberting sozusagen. laubte, war er von dessen Harmlosigkeit im Vergleich zu dem, was er Rolf lernte nicht, sich zu wehren. Er blieb allein mit seiner Angst und von Albert gewohnt war, dermassen erleichtert, dass er lachen musste der Frage, warum gerade er von Albert zum Lieblingsopfer erkoren worund galt von da an als einer, der Spass verstand, das heisst, der kleine den war. Es gab andere stille Buben, die weder kämpfen noch rennen Gemeinheiten, kleine Machtdemonstrationen der Grösseren und Stärkenoch Fussballspielen konnten. Es gab andere, die unter Albert, dessen ren gutmütig und klaglos ertrug. Energie grenzenlos war, litten. Doch keinem widmete Albert dermassen Weil er zu weit weg von den anderen Schülern wohnte, entwickelten viel Aufmerksamkeit wie ihm. sich keine Freundschaften zu seinen Mitschülern. Vielleicht hatte sich Rolf darum in der Schule angestrengt. Um aufs Rolf machte die Matura, ging an die Uni, zog in die Stadt. Er wurde Gymnasium zu kommen, was nur wenigen in dieser abgelegenen GeRechtsanwalt, erfolgreicher Rechtsanwalt, er zog in ein schönes Haus in meinde gelang. Auf das Gymnasium, das fast zwei Wegstunden entfernt einer schönen Vorortsgemeinde mit einer schönen Frau und hatte zwei lag. Er musste sehr früh aufstehen und das erste Postauto nehmen, das schöne Kinder. Albert verblasste, Albert wurde in die hinterste Ecke des ihn hinaus aus dem Dorf brachte, fort von Albert, der noch schlief. Die Bewusstseins verdrängt, aus der er jetzt, als Gehenkter, mit Macht herErleichterung, die er dabei empfand, war so stark, dass er seither Frühvorbrach. aufsteher war. Rolf zwang sich, den Blick abzuwenden und sich langsam, Schritt für Rolf kehrte jeweils erst am Abend zurück. Manchmal sah er Albert, Schritt, von der Linde zu entfernen. der eine Lehre machte und bald mit einem chromglänzenden Mofa her-
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BILD: GUIDO SÜESS
Als er endlich zuhause ankam, bemerkte Rolf lachte. «Wenn Sie mich erschrecken wollen, sparen Sie sich die seine Frau, wie bleich er war. Rolf begründete Mühe. Ich glaube nicht an Gespenster. Schon lange nicht mehr.» es mit einer Magenverstimmung. Unzählige Male nahm er das Telefon zur Hand, brachte es aber nicht über sich, die Nummer der Polizei zu wählen. «Das habe ich nicht gewusst», gab Rolf zu. Als Rolf an diesem Morgen, zum ersten Mal seit Jahren, eine halbe «Der Baum ist weitum bekannt. Die Toten finden keine Ruhe. Es gibt Stunde zu spät in der Kanzlei erschien, informierte ihn seine Assistenimmer wieder Leute, die Stein und Bein schwören, hier einen Gehenktin, dass ein alter Mann auf ihn warte, der sich nicht abwimmeln liesse. ten gesehen zu haben. Die Polizei reagiert schon gar nicht mehr, wenn Er kenne ihn, habe er gesagt. jemand anruft. Rolf ging in den Vorraum, in dem die Klienten Platz nehmen konnEs war ein trüber Aprilmorgen, ein feiner Nebelschleier hing über der ten. Der Alte erhob sich sofort und kam auf ihn zu. Wiese. «Herr Brunner, Sie werden sich nicht an mich erinnern, wir stammen Rolf lachte. «Wenn Sie mich erschrecken wollen, sparen Sie sich die aus demselben Dorf. Ich bin der Vater von Albert Gruber.» Mühe. Ich glaube nicht an Gespenster. Schon lange nicht mehr.» Rolf reichte ihm die Hand. Damit wandte er sich ab und setzte seinen Spaziergang fort. Aus dem «Er hat so viel von ihnen gesprochen», sagte der Alte, Rolfs Hand in Augenwinkel sah er einen kleinen, älteren Mann mit südostasiatischen seinen Händen haltend. «Und jetzt ist er tot.» Zügen. Der Mann trug Shorts, T-Shirt und Flipflops. Als Rolf ihn pas«Tot?», fragte Rolf erstaunt. Er hätte den Alten in sein Büro bitten solsierte, hob der Mann grüssend die Hand und lächelte ihm zu. Rolf ging len, blieb aber einfach stehen. weiter, den Blick geradeaus gerichtet. Es war gewiss nur eine dieser op«Ja, er ist verunfallt. Auf einer Insel in Südostasien. Ich möchte seine tischen Täuschungen. Ein farbiger Plastiksack, der sich im Gestrüpp Leiche zurückholen, aber ich kann kein Englisch, ich kenne mich mit verfangen hatte. diesen Sachen nicht aus», sagte der Alte. «Albert hat immer gesagt, wenn ■ es einmal ein Problem gibt, wende dich an Rolf, das ist mein Freund.» «Sein Freund, das hat er gesagt?», fragte Rolf. «Ja, er hat ihre Karriere genauestens verfolgt und alles über Sie gesammelt, jede Zeitungsmeldung, die Prozesse, die Sie gewonnen haben.» Rolf rang nach Worten. Wollte sagen, dass Albert nicht sein Freund war, im Gegenteil, dass er keine Zeit habe, dass die Rückholung einer Leiche eine einfache Formalität sei, es Stellen gäbe, die einem dabei helfen würden. Der Alte sah ihn hoffnungsvoll an. «Also gut», seufzte Rolf. «Ich helfe Ihnen.» Der Alte dankte ihm überschwänglich und gab ihm die Handynummer des Bekannten, der ihn über den Tod seines Sohnes informiert hatte. Rolf delegierte die Aufgabe an einen Praktikanten. Am Abend, auf dem Heimweg, hörte er Radio und hielt an einem der Kästen, mit der abendlichen Gratiszeitung. Es war kein Gehenkter gefunden worden. Ein paar Tage später lag das Dossier mit den E-Mails des Polizeichefs der Insel auf seinem Tisch, die Leiche war freigegeben worden und würde in wenigen Tagen am Flughafen eintreffen. Der Fremde, so schrieb der Polizist in abenteuerlichem Englisch, habe im Ort gelebt und sei nicht sonderlich beliebt gewesen. Vor allem seinen Vermieter, einen kleinen, schwächlichen Mann, habe er schlecht behandelt. Dieser sei, seit der Fremde so gefunden wurde, verschwunden. Die Untersuchung habe jedoch eindeutig ergeben, dass es sich um einen Selbstmord handle. Der Fremde sei wohl depressiv gewesen. Rolf wunderte sich über diese Ausführungen. Hatte der Alte nicht von einem Motorradunfall gesprochen? Der Praktikant hatte das der Mail angehängte Foto ausgedruckt. Es war das Bild des Gehenkten, so wie Rolf es an jenem Morgen gesehen hatte. Albert, mit heraushängender Zunge, roten Shorts und dem blauen T-Shirt mit dem Simpson drauf. Der Baum, an dem er hing, war nicht zu erkennen, dafür war klar zu erkennen, dass seine Hände hinter dem Rücken gefesselt waren. Rolf steckte das Bild in den Aktenvernichter. Stephan Pörtner, geboren 1965 in Zürich, Eine Woche später fand in seinem Heimatort die Beerdigung statt. lebt als Schriftsteller und Übersetzer in ZüAusser dem Vater war Rolf der einzige Trauergast. Albert hatte keine rich, wo seine fünf Krimis mit Köbi Robert, Freunde gehabt. Ausser Rolf. Der nichts davon gewusst hatte. dem Detektiv wider Willen, spielen. Der letzAm Tag nach der Beerdigung blieb Rolf auf seinem Morgenspazierte Band gewann den Zürcher Krimipreis. Im gang bei der Linde stehen. Januar 2015 wurde sein Stück «Polizeiruf «Ein schöner Baum», sagte einer der Frühaufsteher, der sich ihm un117» (Co-Autor Beat Schlatter) in Zürich urbemerkt genähert hatte. aufgeführt. Zuletzt erschienen: «100 Mal 100 «Ein sehr schöner Baum», bestätigte Rolf, der hoffte, der Mann würWörter» im WoZ-Verlag. de verschwinden. «Wussten Sie, dass das eine Blutlinde ist? Hier wurden in alten ZeiStephan Pörtner verbringt den Juli in den Sommerferien in Südten Verbrecher aufgehängt.» frankreich, den August in Zürich. Ganz unspektakulär.
Bevor alles anders wird VON SUNIL MANN
Sie sind vorsichtig gewesen, aber nicht vorsichtig genug. Mit weit geVerstört schreckt sie aus leichtem Schlummer auf. Vier Uhr siebenöffneten Augen liegt sie da und starrt ins Leere. Lauscht auf das sanfte undfünfzig meldet der Wecker. Sie fühlt sich wie gerädert. Die VorhänSurren der Klimaanlage, die sich von Zeit zu Zeit selbst ausschaltet und ge sind nicht ganz zugezogen, durch den Spalt schleicht sich bereits dann mit einem leisen Klicken wieder anspringt. Im Zimmer ist es dunblasses, lilafarbenes Licht und kündigt die nahende Morgendämmerung kel, nur die Digitalanzeige des Weckers leuchtet rot. Drei Uhr vierundan. Er atmet ruhig und gleichmässig neben ihr. Schläft, den Rücken gezwanzig. gen ihren rechten Arm gepresst. Der Zeitunterschied scheint ihm nichts Bereits vor Stunden ist sie aufgewacht, nach kurzem, unruhigem auszumachen. An ihrer Hüfte spürt sie seine nackten Hinterbacken. Sie Schlaf. Hat sich verstört aufgerichtet, wie so oft ohne zu wissen, wo sie unterdrückt eine leichte Übelkeit. Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, sich befindet. Buenos Aires, Stockholm, Miami. Jedenfalls nicht zuhauschlüpft sie aus dem Bett. se. Dann ist ihr eingefallen, dass sie in Tokyo war. Wieder einer dieser Lange bleibt sie am Fenster stehen, die Arme verschränkt, und blickt Kongresse. Ihre Vorgesetzten haben vor einem Jahr befunden, dass sie gedankenverloren auf die Stadt. Draussen glimmen bereits die ersten die geeignete Person wäre, zusammen mit Nick die Interessen der FirLichter, oder vielleicht sind es die letzten, sie weiss es nicht, in Tokyo ma im Ausland zu vertreten. Seither reist sie mit ihm in unregelmässiwird es nie ganz dunkel. gen Abständen zu den verschiedenen Anlässen rund um den Erdball. Und dann ist mit einem Schlag diese Übelkeit wieder da, heftiger Sie blickt erneut auf den Wecker. Zuhause ist es jetzt abends um halb als zuvor. Ihr Magen krampft sich zusammen. Als sie ins Badezimmer acht. Der Gedanke verwirrt sie. Marc ist sicher schon von der Arbeit zueilt, verursachen ihre nackten Füsse auf dem dicken Teppich ein Flüstern. rück. Wie immer wird er als Erstes seine hellbraunen Wildlederschuhe Danach fühlt sie sich etwas besser. Sie bleibt auf dem Rand der Baabstreifen und sie ordentlich im Schuhgestell verstauen. Dann wird er dewanne sitzen und stützt ihr Kinn auf die geballten Fäuste. Ihre Kollein die Pantoffeln schlüpfen, die sie ihm zum dritten Hochzeitstag geginnen in der Firma haben sie gewarnt. Obwohl er verheiratet sei, sei er schenkt hat, und in aller Ruhe die Zeitung lesen, bevor er sich ein Tiefkühlgericht in der Es wurde zur Routine. Sie liessen sich von ihren Ehepartnern zum Mikrowelle aufwärmt. Es lohne sich nicht zu Flughafen fahren und flogen dann gemeinsam in eine andere kochen, wenn sie nicht da sei, sagt er jeweils, wenn sie ihm deswegen Vorwürfe macht. Sie Stadt, an einen weiteren Kongress, in ein weiteres Hotel. sieht ihn vor sich, wie er allein am Küchentisch sitzt, in einem Kriminalroman lesend, während er sich abwesend das Essen in den Mund schiebt. Beim Geein Draufgänger und ein Weiberheld. Doch sie hat sich nicht beirren lasdanken an ihn krampft sich ihr Herz plötzlich zusammen, und sie versen und den Job angenommen. Schliesslich war auch sie verheiratet, sucht gar nicht erst, die Tränen zurückzuhalten. und ihr Herz gehörte ganz allein ihrem Mann. Und daran hat sich seit»Es tut mir leid« ist nur eine Floskel, abgedroschen und tausend Mal her nichts geändert. Nick ist gut aussehend, zweifelsohne sehr gut ausmissbraucht, sie weiss das genau, und doch fällt ihr kein anderer Satz sehend, und er ist intelligent und witzig. Doch was genau sie an jenem ein, der ihre momentanen Empfindungen besser ausdrücken könnte. Abend nach ihrem ersten gemeinsamen Kongress veranlasst hatte, mit Sie schliesst die Augen und versucht, noch ein wenig zu schlafen. Es in sein Zimmer zu gehen, fällt ihr nicht mehr ein. Vielleicht war es sein gelingt ihr nicht. Acht Stunden Zeitunterschied und die stets um das selweltmännisches Auftreten oder seine Selbstsicherheit, die manche Leube kreisenden Gedanken lassen es nicht zu. Die Müdigkeit drückt mit eite schon fast als Arroganz empfanden. Dinge, die sie an Marc manchserner Faust gegen ihre Schläfen, ihr Körper schmerzt. mal vermisste. Am ehesten war es sein Charme. Sein unwiderstehlicher Seufzend verschränkt sie die Arme unter dem Kopf und starrt wieder Charme und die Tatsache, dass ihre Ehe gerade eine schwierige Phase in die Dunkelheit. Noch herrscht Stille im Hotel, erst in einiger Zeit werdurchlief. Sie und Marc hatten lange versucht, ein Kind zu bekommen, den die ersten Wecker aus den anliegenden Zimmern zu vernehmen doch irgendwie hatte es nicht geklappt, obgleich mit ihnen alles in Ordsein, dumpf und durchdringend. Kurz darauf wird man Toilettenspünung war, wie der Arzt ihnen versicherte. Eine handfeste Krise konnte lungen hören, das Quietschen von Wasserhähnen, die aufgedreht werallerdings auch diese Tatsache nicht abwenden. den, und unsanft ins Schloss fallende Türen. Die morgendlichen GeräuSie steht auf und betrachtet sich im Spiegel. Blaue Augen blicken sie sche in einem Hotel sind ihr vertraut. ratlos aus scharf geschnittenen Gesichtszügen an. Ihr dunkelbraunes
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Sie löscht das Licht und geht ins Zimmer zurück. Dämmeriges Morgenlicht taucht den Raum in ein blasses Blau, das langsam in Rosa übergeht. Nick stützt sich auf die Ellbogen und sieht sie schläfrig an. «Alles in Ordnung?», fragt er mit heiserer Stimme. «Ja», antwortet sie und sieht ihm im selben Moment an, dass er weiss, dass sie lügt. Sie legt sich neben ihn und fährt ihm mit den Fingerspitzen über die Brust. Er dreht sich zu ihr und küsst sie. Ihr Atem geht plötzlich schneller. Ein letztes Mal noch, denkt sie, nur ein letztes Mal. Bevor alles anders wird. ■
Sunil Mann wurde als Sohn indischer Einwanderer im Berner Oberland geboren und lebt seit mehr als 20 Jahren in Zürich. Er hat Psychologie und Germanistik studiert und beide Studiengänge erfolgreich abgebrochen. Heute arbeitet er Teilzeit bei der nationalen Airline. Mit seinem Romandebüt «Fangschuss», dem ersten Krimi mit Privatdetektiv Vijay Kumar, gewann er den Zürcher Krimipreis 2010. Sein fünfter Roman «Faustrecht» erschien 2014 im GrafitVerlag. Den Sommer verbringt Sunil Mann traditionellerweise in Zürich, wenn die Stadt leergeräumt ist und man sich in der Lieblingsbadi problemlos querlegen kann.
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BILD: EKE MIEDANER
Haar ist zerzaust und verschwitzt. Sie lässt kaltes Wasser laufen und kühlt ihre erhitzte Stirn. Es ist nicht bei dem einen Mal geblieben. Es wurde zur Routine. Sie liessen sich von ihren Ehepartnern zum Flughafen fahren, verabschiedeten sich und flogen dann gemeinsam in eine andere Stadt, an einen weiteren Kongress, in ein weiteres Hotel. Entflohen dem Alltag in eine andere Welt, die doch immer dieselbe war. Eine Zeit lang schufen sie sich ihren eigenen kleinen Kosmos, abgeschottet von den Einflüssen der Aussenwelt durch Plüschteppiche, Klimaanlagen und schalldichte Fenster. Fielen in schicken Suiten übereinander her, rissen sich in pastellfarbenen Alpträumen von Zimmern gegenseitig die Kleider vom Leib, in der verschwiegenen Anonymität von schier unersättlicher Lust getrieben, nur um wenige Tage später zurückzukehren und ihre Partner in die Arme zu schliessen. Als ob nichts geschehen wäre. Und in der Tat war auch nichts. Nichts gewesen bis anhin jedenfalls. Es war einfach und oberflächlich, und trotzdem dauerte es fast ein Jahr, bis es sie zu langweilen begann. Bis Nick sie zu langweilen begann. Sie ertrug sein siegessicheres Lächeln nicht mehr, wenn er nach dem Nachtessen wie zufällig seine Hand auf die ihre legte. Die Selbstverständlichkeit, mit der er sich auszog, sobald sie im Zimmer waren. Und dass er neuerdings behutsam seine Anzughose über einen Bügel hängte, bevor er ins Bett schlüpfte, nervte sie. Ihre Affäre hatte einen schalen Beigeschmack erhalten. Den Geschmack des Gewöhnlichen. Während sie immer noch nachdenklich ihr Gesicht im Spiegel betrachtet, stellt sie fest, dass es einfacher war anzufangen als aufzuhören. Und dass sie aufhören will, dessen ist sie sich ganz sicher. Sie hat keine Wahl. Sie streicht sich zärtlich über den Bauch. Sie hätten vorsichtiger sein müssen. Doch noch hat niemand etwas bemerkt. Noch weiss es niemand ausser ihr.
Über den Winter VON ROLF LAPPERT
Die Bahn fuhr durch eine in dämmriger Helligkeit liegende Landschaft. Wohnblöcke und Industriebauten zogen vorbei, Gewerbegebiete, Abholmärkte, Fuhrparks, erloschene Neonschriften, verlassen wirkende Fabriken und Häuser. Ein Hafengelände mit Lagerhallen, Kränen, Containertürmen und Schiffen lag in weiter Ferne bewegungslos vor dem eingetrübten Horizont. Rauch aus Kaminen und von offenen Feuern stieg ins tief hängende Grau, aus dem gelegentlich Schnee fiel wie Asche. Salms Blick verlor sich in einem Geflecht aus Strassen und Gebäudezeilen, Kanälen und Brücken. Zwischen Überbauungen sah er offene Felder, braune Wiesenstücke, Spielplätze ohne Kinder. Lichte Wälder tauchten auf, Bauminseln, gefrorene Teiche, da und dort standen eine einzelne Hütte, ein Holzschuppen, ein Wohnwagen. Als seien sie für immer aufgegeben worden, lagen die Schrebergärten neben den Bahngleisen, Flecken dunkler Erde, aus denen Fahnenstangen und Windräder wuchsen. In Zäunen, Bäumen und Strommasten hatten sich Plastikfetzen und Papier verfangen, an den Strassenrändern und Bahntrassen lag Abfall, der Salm von Weitem an das Treibgut erinnerte, aus der Nähe aber nur Dreck ohne Geschichte und jegliche Tragik war. In Wilhelmsburg stieg er aus und ging am Einkaufszentrum vorbei über den vom eisigen Wind leer gefegten Platz. Am Morgen hatte er bei Tchibo eine Wollmütze und ein Paar lange Unterhosen und Handschuhe gekauft und fror trotzdem. Der redselige Hotelangestellte hatte vom nahenden Zufrieren der Aussenalster geschwärmt und versucht, Salm von der Notwendigkeit eines abermaligen Temperatursturzes zu überzeugen. Mit seiner Kanne nie versiegenden Tees in der warmen Lobby sitzend, referierte er voller Eifer über Frostnächte und die Tragfähigkeit von Eis und war zutiefst verwundert, als Salm sich als grosser Feind der Kälte zu erkennen gab. Auf Salms Frage, wo er wohne, antwortete der Portier, er habe ein Zimmer unter dem Dach des Hotels. Salm wollte wis-
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sen, warum er so versessen auf eine zugefrorene Aussenalster sei und ob er vorhabe, auf das Eis zu gehen, wenn es dick genug sei. Der Mann winkte lachend ab und meinte, er würde lieber drinnen bleiben und das Spektakel im Fernsehen verfolgen. Er verlasse sein Zimmer nur selten, vertraute er Salm an, das Hotel brauche ihn Tag und Nacht, zudem sei die Welt da draussen aus den Fugen geraten, gottlos und gefährlich. Salm, die Hände in den Manteltaschen und die Schultern hochgezogen, ging zwischen Wohnblöcken, deren vertraute Hässlichkeit ihm einen seltsam angenehmen Stich versetzte. Er sah das rostige Fahrrad, das jemand vor Jahren in den Wipfel eines Baums gehievt und dort festgemacht hatte, erkannte Graffiti an Hauswänden wieder und freute sich beinahe über das drei Balkonbrüstungen einnehmende DU GEHÖRST NICHT HIERHER! und die grinsenden Totenköpfe auf den Abfallcontainern. Als er den Klingelton hörte, stellte er sich in einen Hauseingang, aber bis er die Handschuhe ausgezogen, den Mantel aufgeknöpft und das Handy aus der Innentasche des Jacketts geholt hatte, war die Melodie verstummt. Das Display zeigte an, dass eine Nachricht hinterlassen worden war, und nachdem Salm mit klammen Fingern die Nummer der Mailbox gewählt hatte, hörte er die Stimme einer Alitalia-Mitarbeiterin, die sich bei ihm für das lange Schweigen entschuldigte und ihm eröffnete, der Koffer in São Paulo sei nicht seiner und man setze die Suche fort. Falls er Kleidung und Toilettenartikel benötige, solle er nicht zögern, diese zu kaufen und die Belege an eine Adresse zu schicken, die Salm sich weder merkte noch notierte. Nach einer Weile mündete der Fussweg in eine geteerte Strasse, lösten Einfamilienhäuser die grossen Klinkergebäude und Plattenbauten ab und gewann der unverstellte Himmel an Weite. Statt verwahrloster Rasenstücke und Spielplätze, die Salm mit ihren Klettergerüsten an mittelalterliche Richtstätten erinnerten, sah er jetzt eingezäunte Gärten, SURPRISE 353/15
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gen Telefonkabinen und machten ihren Liebsten Hoffnung und tröstesauber gestutzte Hecken und mit Tannenzweigen abgedeckte Gemüseten sie und fanden selber ein bisschen Trost. Bei schönem Wetter stanbeete. Am Ende eines Grundstücks lag ein winterfest eingepacktes Boot den sie vor dem Haus und warteten, dass drinnen ein Platz frei wurde, auf einem Anhänger, auf der anderen Seite der Hecke bewegten sich an jemand einen billigen Arbeiter suchte oder einfach darauf, dass es einer Tanne goldene Christbaumkugeln im Wind. Gartenzwerge entAbend wurde. deckte Salm nur wenige, dafür hing fast an jedem Tor ein Schild, das vor Salm lief die Strasse hinunter. Ein Auto fuhr an ihm vorbei, für Sedem Hund warnte, der bei diesen Temperaturen jedoch im Haus oder in kunden hörte er das Pochen dumpfer Musik. Noch immer fiel Schnee, seiner Hütte blieb. Ein einziges Tier, eine fette Bulldogge mit Stachelaber die Flocken waren klein und feucht und lösten sich auf, kaum behalsband, die einem Trickfilm entsprungen schien, trotzte der Kälte und rührten sie den Boden. Vor dem Call Shop blieb Salm stehen. Erst jetzt warf sich hysterisch kläffend und geifernd gegen den Maschendrahtsah er, dass das Lokal ausgeräumt war. Ein vergilbter Zettel klebte an zaun, als Salm vorüberging. Ein Mann in Arbeitskleidung stand mit eider Innenseite des Schaufensters. ZU VERMIETEN stand darauf und einer Schaufel neben einer Grube in seinem Garten und hob den Kopf, um ne Telefonnummer. Aus einem offenen Fenster im ersten Stock hing eidie grossen Schneeflocken zu bestaunen, die plötzlich und sehr langsam ne Wolldecke, aber die Klingelschilder waren leer. Salm stampfte ein auf ihn herabsanken. paarmal mit den Füssen auf und presste die Arme enger an den Körper. Salm, dem trotz der Bewegung noch immer kalt war, fragte sich, waLinks von dem Haus, in dem sein Vater wohnte, lag ein unbebautes rum in aller Welt er kein Taxi genommen hatte. Ein eisiger Windstoss Grundstück, rechts stand ein zweistöckiges, mit weissen Kacheln verfuhr ihm ins Gesicht, und er drehte sich um und ging rückwärts. Gerade als er die Gegend dafür verfluchte, dass es weit und breit keine Kneipe oder einen Laden Ein eisiger Windstoss fuhr ihm ins Gesicht. Gerade als er die Gegab, wo er sich hätte aufwärmen können, sah er die Strasse und das Haus. Unter seinen Füsgend dafür verfluchte, dass es weit und breit keine Kneipe gab, wo sen war jetzt kein Asphalt mehr, sondern Kopfer sich hätte aufwärmen können, sah er die Strasse und das Haus. steinpflaster. Einen Moment blieb er stehen und glich das reale Bild mit dem in seiner Erkleidetes Haus, in dem ein Reisebüro untergebracht war, das Busfahrten innerung ab, legte das leicht verblichene unter das vor ihm liegende und nach Lettland und Billigflüge in die Ukraine anbot. Drei Hausnummern sah mit einer seltsamen Mischung aus Fassungslosigkeit und Genugweiter stemmte sich seit Jahren ein Friseursalon gegen den Lauf der tuung, wie wenig sich die beiden voneinander unterschieden. Zeit. Sein Besitzer war ein alter Mann aus Zypern, der während des Der dreistöckige, allen Bomben und Sanierungen entgangene Bau Haarschnitts den neuesten Klatsch erzählte, über ausgestorbene Tiere wirkte in der Häuserzeile wie ein Fremdkörper, wie ein Überbleibsel aus und die Herstellung von Papier sprach oder, je nach Kundenwunsch, einer versunkenen Welt. Die Zeit hatte seine Fassade geschwärzt und griechische Gedichte rezitierte. Betrat man sein Geschäft, fiel man ein die Fenstersimse bröckeln lassen, das Dach war ein wirres Muster aus Jahrhundert zurück und landete in einem Stuhl, der, glaubte man den roten, braunen und schwarzen Ziegeln. Zwischen den beiden an jedem Worten seines Besitzers, 1921 in Birmingham aus dem eingeschmolzeFirstende stehenden Schornsteinen ragte, segelmasthoch und mit nen Metall eines Kriegsschiffes, kamerunischem Zinganaholz und tiefDrahtseilen festgezurrt, eine Antenne auf, deren Nutzlosigkeit erst richschwarzem Cordovanleder hergestellt worden war. Während der Rasur tig deutlich wurde, wenn man die Satellitenschüsseln an der rückwärtisah man im grossen Spiegel sein eingeschäumtes Gesicht und an der gen, der Strasse abgewandten Seite sah. Salm war jedes Mal von NeuWand hinter sich gerahmte Fotos, die den Friseur mit Rassepferden zeigem über den Anblick des monströsen Relikts erstaunt und musste auch ten. Noch einmal drei Häuser weiter, an der Ecke zu der Strasse, durch jetzt daran denken, was sein Vater ihm seit Jahren erzählte, nämlich die Salm gekommen war, schwelte gelb der Leuchtkasten über dem Eindass die von Weitem an ein Kreuz erinnernde Antenne noch immer dort gang zum «Insel Imbiss». Seit sein Vater vor fast vierzig Jahren hierheroben throne, weil der Hausbesitzer, der greise Ferdinand Blohm, ein regezogen war, hatte Salm ein gutes Dutzend Betreiber kommen und geligiöser Spinner sei. hen gesehen, und auch jetzt schien sich irgendein optimistischer oder Zu Salms Linken standen in einer Reihe fünf Häuser, alle zweistöckig weltfremder Kerl zu weigern, die Bude dichtzumachen und die Strasse und mit einem kleinen Vordach über der Eingangstür. Eines war vor Jahendgültig in Lethargie versinken zu lassen. ren verlassen worden und schien sich allmählich aufzulösen, als würden Regen und Wind es Schicht um Schicht abtragen. Zuerst war die Farbe verschwunden, dann der Verputz, jetzt arbeitete die Vergänglich*** keit an den Backsteinen und Ziegeln, den Fensterrahmen und DachEr hatte vergessen, Bille zu fragen, wo sie das Auto geparkt hatte. traufen. Die Scheiben waren mit Sperrholzplatten abgedeckt. Auf einem Jetzt suchte er die Strassen und Hinterhöfe ab, die schwarze Tasche mit Stück Pappe stand in schwarzer Schrift: ZU VERKAUFEN. Darüber hatdem goldenen Schriftzug INTERNATIONAL RACING TEAM in der te jemand VERSCHENKEN gesprayt. An der Fassade hingen die Fetzen Hand, ein dubioser Arzt auf der Suche nach einem Patienten. Viel Neueines feinmaschigen grünen Netzes, Überbleibsel eines Versuchs der schnee war nicht gefallen, aber er blieb liegen, zumindest auf Autos, Stadt, die Fussgänger vor herabfallenden Trümmern zu schützen. InHydranten und Dächern. Aus einer Eckkneipe drang Lärm, als ein zwischen hatte man mit einer Absperrung den Gehsteig vor dem Haus Betrunkener auf den Gehsteig trat und sich verwundert umsah wie unpassierbar gemacht und ein Warnschild an die Tür genagelt. jemand, der den Herbst mit seinen Freunden vertrödelt und vom WinAm Ende der Reihe, nach einer Lücke, in der ein Baum und ein leetereinbruch nichts mitbekommen hat. Er murmelte etwas Unverständlirer, vorsintflutlicher Zigarettenautomat überlebt hatten, leuchtete hell ches, machte eine wegwerfende Handbewegung, die ihn aus dem wie ein gesunder Zahn in einem maroden Gebiss ein Haus, das, wenn Gleichgewicht brachte, und verschwand wieder in der zwielichtigen die Gerüchte stimmten, ein durch Immobiliengeschäfte zum Millionär Gemütlichkeit des Lokals, noch bevor sich die Tür hinter ihm geschlosgewordener Armenier gekauft und renoviert hatte. Im Call Shop und sen hatte. Internetcafé im Erdgeschoss trafen sich die auf der früheren Insel WilSalm fand das Auto in der Nähe einer Reihe von Sammelcontainern helmsburg gestrandeten Schiffbrüchigen und riefen ihre Familien in der für Altglas. Während er die dünne Schneeschicht von der WindschutzHeimat an, um ihnen so wenig Wahres und so viel Erfundenes wie scheibe und der Fahrertür wischte, stellte sich ein Mann vor einem der möglich über ihr Leben im Land des unsagbaren Reichtums zu erzähContainer auf eine Getränkekiste und leuchtete mit einer Taschenlampe len. Alle paar Tage zwängten sich diese vorläufig Geretteten in die en-
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in das Loch für den Flascheneinwurf. Nach ei«Haben Sie das selber gemacht, das mit den Kufen?» Der Mann hob nem kurzen Blick schaltete er die Taschenlamzwei Flaschen auf und verstaute sie. «Nee, hab ich in ‘nem Laden pe aus und schob einen Stock mit Greifvorfür Pennerbedarf gekauft.» richtung in die Öffnung. Gleich darauf zog er eine Bierflasche heraus und liess sie neben sich in den Schnee fallen. In der Zeit, in der Salm auch die Heckscheibe freiwischte, holte der Mann ein halbes Dutein nietenbesetztes Hundehalsband, ein Rosenkranz aus dunklen Holzzend Pfandflaschen aus dem Container. Als eine auf die Strasse rollte, perlen, eine Gürtelschnalle … kletterte der Mann hinunter, hob sie auf und steckte sie in eine der PlasSalm sah die Koffer vor sich, die farbigen Kleidungsstücke, aufgetiktüten, die an den Seiten eines Einkaufswagens hingen. Der Wagen quollen vom Meerwasser, die Schuhe, die Fotos mit den sich auflösenstand auf zwei zerkratzten Skiern ohne Bindungen, am Griff war ein den Gesichtern, all die Besitztümer, die ärmlichen Schätze, von denen dünner Stock mit einer deutschen Fahne befestigt. Erst als ihre Blicke die wertvollsten in einer Blechdose und einem Koffer von einem Flugsich trafen, merkte Salm, dass er den Mann anstarrte. Sein erster Reflex zeugfrachtraum in den nächsten verladen wurden und die Welt war, ins Auto zu steigen und davonzufahren, aber dann sagte er: «Haumkreisten, um niemals irgendwo anzukommen. ben Sie das selber gemacht, das mit den Kufen?» «Sie müssen sich entscheiden.» Der Mann hob zwei Flaschen auf und verstaute sie. «Nee, hab ich in Salm sah den Mann verwirrt an. «Bitte?» ‘nem Laden für Pennerbedarf gekauft.» Er bückte sich nach zwei weite«Ich weiss, es ist nicht leicht, aber Sie müssen was nehmen.» Der ren Flaschen. Mann hob die Kiste ein wenig an. «Ich muss weiter, Zeit ist Geld.» Salm holte den Schlüssel aus der Manteltasche und steckte ihn ins «Entschuldigen Sie, klar.» Salm griff nach der Sonnenbrille und legte Schloss. Er musste ein paarmal ruckeln, bis die Verriegelung sich löste, den Schein zwischen die Fundstücke. dann zog er die Tür auf und warf die Tasche auf den Beifahrersitz. «Eine sehr gute Wahl», sagte der Mann. «Es wird ja nicht ewig so dun«War ‘n Scherz!», rief der Mann. «Klar ist das selbst gebastelt!» Er kel bleiben.» Er klappte die Kiste rasch zu und verstaute sie an ihrem schob den Wagen ein paarmal hin und her. «Nicht übel, was?» Platz. Salm nickte. «Ja», sagte er. «Eine gute Idee.» Salm blieb unschlüssig stehen. Erst jetzt merkte er, dass seine Füsse «Wo die den Schnee und das Eis weggemacht haben, gibt’s Probleeiskalt waren. Ein Reisebus mit geschlossenen Vorhängen glitt vorüber. me.» Der Mann kratzte sich am Kinn. Er trug braune Stiefel, eine brauSalm hätte den Mann gerne gefragt, wie viel Pfand man für eine Flasche ne Hose mit schwarzen Seitenstreifen und ovalen Aufnähern an den bekam, tat es aber nicht, weil er ihn nicht in Verlegenheit bringen wollKnien, eine rot-schwarz karierte Jacke, die Salm an Holzfäller erinnerte, te, falls er es nicht bereits getan hatte. Schliesslich ging er zum Auto und und eine rote Wollmütze. Ein grauer Schal hing um seinen Hals und etöffnete die Tür. «Also dann», rief er, «viel Glück!» was, das wie ein Kabel aussah und in einer Brusttasche verschwand. Der Mann hob die Hand zum Abschied und stand, als Salm losfuhr, Wieder nickte Salm. «Verstehe.» bereits wieder auf seiner Kiste und leuchtete mit der Taschenlampe in «Haben Sie Geld?» den Container, wie Salm als Junge in Schächte, Röhren und Tierbauten «Äh … ja, warten Sie.» Salm zog die Handschuhe aus und holte seigeleuchtet hatte, um seine verschwundene Schwester zu finden. ■ ne Geldbörse hervor. «Wie viel brauchen Sie?» Er strich über die Scheine, ein paar Fünfer und Zehner waren dabei. Auszug aus: «Nein, nein, lassen Sie stecken!», rief der Mann. «Wollt’s nur wisRolf Lappert, Über den Winter, Roman, gebunden, 384 Seiten, Erscheinungstermin: sen.» Er warf die restlichen Flaschen in die Tüte, dann sah er Salm wie24. August 2015. ISBN 978-3-446-24905-9. Carl Hanser Verlag, München. der an. «Es geht Ihnen gut, ja?» Salm wusste nicht, ob der Mann ihn verschaukelte, nickte aber. «Ja», sagte er schliesslich. «Gut», sagte der Mann, und es klang arglos und sachlich. «Freut mich.» Er schob die Kiste vor den nächsten Container und hob den Greifstock auf, den er in den Schnee gelegt hatte. «War nett, mit Ihnen zu reden, jetzt muss ich wieder an die Arbeit.» Er stieg auf die Kiste und holte die Stablampe aus der Jackentasche. Salm ging zu ihm und nahm einen Zehneuroschein aus der Geldbörse. «Hier», sagte er und streckte den Arm aus. Der Mann betrachtete den Schein. «Wofür ist der?», fragte er. «Einfach so», sagte Salm. «Vielleicht … ich weiss nicht, gehen Sie was essen.» Der Mann stieg von der Kiste, ging zum Wagen und ächzend in die Hocke. Er zog eine flache, quadratische Holzkiste hervor, die mit GumRolf Lappert, geboren 1958 in Zürich, ist in mibändern festgeschnallt gewesen war, klappte den Deckel hoch und Olten und Zofingen aufgewachsen. Buchverstellte sich vor Salm. «Suchen Sie sich was aus.» öffentlichungen seit 1982, die letzte 2012 «Ich verstehe nicht», sagte Salm. mit «Pampa Blues», einem Jugendroman, der «Für den Zehner. Nehmen Sie sich was.» Der Mann machte noch eifür das Fernsehen verfilmt wurde. 2008 mit nen Schritt auf Salm zu, die offene Kiste vor sich wie einen Bauchladen. «Nach Hause schwimmen« auf der Shortlist Seine schmutzigen Hände steckten in fingerlosen Lederhandschuhen, des Deutschen Buchpreises, im selben Jahr am Ringfinger steckte ein einfacher Ring. Gewinn des Schweizer Buchpreises. In der Kiste lagen eine Brille mit runden Gläsern, mehrere Kugelschreiber, eine Blechbrosche in Blumenform, ein silbriges Feuerzeug, eiRolf Lappert wird diesen Sommer viel draussen arbeiten, weil es ne glitzernde Haarspange, ein Türgriff, eine Trillerpfeife an einer Schnur, rund ums Haus noch einiges zu tun gibt. Zudem besuchen ihn im die schwarze Springerfigur eines Schachspiels, eine rosa Handyhülle, Sommer diverse Freunde.
Der Klotz VON LUKAS HARTMANN
Kontaktmangel. Ein BnB, sagte er, sei doch eine schöne Aufgabe, das Schauen Sie sich das Foto an, es ist doch gar nicht so schlimm, wie verhindere den Pensionierungsschock. Ich war erst dagegen, ich hätte mein Mann behauptet. Natürlich ist den Gästen der Weg zum Fluss abmir vorstellen können, das Leben auf Reisen zu geniessen, aber Bertgeschnitten. Und der Neubau nimmt uns einen Teil der Aussicht weg. rand liess nicht locker, bis ich nachgab. Auch unser Sohn war Feuer und Die Baumwipfel sieht man noch und den Himmel, es wäre erst richtig Flamme. Er arbeitete damals am Schalter bei der Crédit Agricole, er sagschlimm, wenn uns auch der Himmel genommen würde. Doch mein te, in unsicheren Zeiten eine Liegenschaft zu erwerben, sei das Klügste, Mann schimpft bloss darüber, und wenn er nicht schimpft, schweigt er was man tun könne. und starrt vor sich hin. Das sei kein Haus, das sei eine Bauruine, sagt er, So fingen wir an mit unserem BnB. Es hat eine attraktive Lage, das und sowas ausgerechnet vom eigenen Sohn. Also, wenn Sie mich frasprach sich herum. Wir gaben uns Mühe, Bertrand half mehr mit, als ich gen: Das Haus hat doch auch eine gewisse Eleganz mit seinen Glasgedacht hatte, er deckte regelmässig den Frühstückstisch, holte das frifronten und dem Flachdach. Es ist zwar noch im Rohbau, aber genau so hat es sich Alain gewünscht, er ist fürs Moderne, unser Sohn, einen Schweizer Architekten An diesem Wochenende fuhren die Jungen früher weg als sonst. hat er beigezogen, und der hat – das sind Alains Worte – zu unserer altertümlichen Villa Gabriela hatte Tränen in den Augen, wir umarmten uns, und sie einen bewussten Kontrast gesetzt. Nun ja, flüsterte mir ins Ohr: Hilf uns, bitte! altertümlich würde ich sie nicht nennen, sie stammt aus den Dreissigerjahren, ein vermösche Brot im Dorf. Auf den Streifen Land bis zum Fluss stellten wir Liegender Fabrikant hat sie direkt am Fluss bauen lassen. Drüben, am gestühle, Gartentische, eine Hollywoodschaukel, das schätzten die Gäsandern Ufer, gleich die Schweiz. Eine grosszügige Eingangshalle, der te. Die Einkünfte waren höher als erwartet. Und für Bertrand war es Treppenaufgang fast wie in einem Schloss, die Geländer aus Mahagoni, wichtig, dass er interessante Menschen kennenlernte. Wir hatten sogar Parkettböden in den Zimmern. Es war ein Zufall, dass wir auf dieses mal Kolumbianer bei uns, einen russischen Physiker, eine FrauengrupHaus stiessen, ein noch grösserer, dass uns niemand überbot. Fünf Gäspe aus Spanien. Fast fünf Jahre dauerte das. Dann besuchte uns eines tezimmer haben wir ausbauen lassen, jedes mit eigenem Bad und WC, Tages Alain mit seiner neuen Freundin. Er hatte eine Stelle in einer wir begnügen uns mit zwei Zimmern im Erdgeschoss. Mein Mann hat Grossbank gefunden, drüben, auf der anderen Seite, er verdiente gut, er sich frühzeitig pensionieren lassen, mit sechzig schon, damit er seinen konnte sich einen Mercedes leisten. Die Freundin kam aus Brasilien, Traum vom eigenen BnB verwirklichen konnte. Bed and Breakfast, wie hatte Milchkaffeehaut. Sie sprach erstaunlich gut Französisch, arbeitete in England, und dann weiss man gleich: Hier bieten Private Gästezimirgendwo in einer Reinigungsfirma. Sie war mir zuerst nicht sehr symmer an, Bett und Frühstück. Als Bertrand noch Chefbuchhalter in der pathisch, zu gelackt, zu hohe Absätze, zu viel Lippenstift, doch mein Uhrenfabrik war, drüben in der Schweiz, beklagte er sich dauernd über
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mahnen, unser Familienstreit sollte bitte nicht die Gäste draussen erEindruck änderte sich rasch, Gabriela packte mit an im Haushalt, sie schrecken. Ich selbst war richtig gerührt von Alains Vorschlag. Das war sehr praktisch veranlagt. Bertrand lehnte sie von Anfang an ab. Das brachte doch die Familie wieder näher zusammen, vielleicht würden die sei eine Barbiepuppe, sagte er, und das einzige, was sie interessiere, sei Jungen mit der Zeit sogar dauernd hier wohnen. Doch Bertrand war kader Luxus, den ihr Alain biete. Ich setzte mich für sie ein, und die beitegorisch dagegen, und ich begriff, dass niemand, auch der eigene Sohn den besuchten uns von nun an jedes zweite Wochenende. Wir hatten nicht, unser BnB antasten durfte, es war inzwischen so etwas wie sein zwar wenig Platz zu viert, aber Gabriela fand es himmlisch bei uns. DieLebenswerk. se Ruhe!, sagte sie immer wieder. Nirgendwo könne sie sich so gut erAn diesem Wochenende fuhren die Jungen früher weg als sonst. Gaholen wie bei uns. Und wenn sie und Alain mal ein Kind haben würden, briela hatte Tränen in den Augen, wir umarmten uns, und sie flüsterte möchte sie, dass es hier aufwachse, hier am Fluss, in diesem Frieden. mir ins Ohr: Hilf uns, bitte! Das tat ich. Es begann der grosse Kampf mit Schon bald vertraute sie mir an, dass ich für sie die ideale SchwiegerBertrand. Ich zog alle Register, ich drohte sogar mit Scheidung, wenn er mutter wäre, und auch meinen Mann, der halt ein bisschen knorrig sei, nicht nachgebe, es wurde auch für mich beinahe eine Sache auf Leben schätze sie sehr. An einem Sommerabend, die Gäste sassen draussen im und Tod. Manchmal stritten wir uns nachts mit gedämpfter Stimme, daGarten, wollte Alain ein privates Gespräch mit uns. Wir begaben uns in mit die Gäste über uns nichts merkten, und dann wieder redeten wir taunseren kleinen Salon, von wo aus man direkt auf den Fluss blicken gelang kein Wort miteinander. Schritt für Schritt gab Bertrand nach. konnte, und Alain teilte uns mit, er und Gabriela wollten bald heiraten. Ob sie schwanger sei, fragte Bertrand. Alain lachte und sagte, das komme schon noch. Er Die Baumaschinen rückten an, Bagger, Betonmischer. Eine Riesendeutete hinaus zum Fluss. Da, auf diesem Streifen Land, möchte Gabriela möglichst viel grube auf dem Landstück, ringsum bloss Morast. Zum Heulen, aber Zeit verbringen, das sei ihr grösster Wunsch. man musste in die Zukunft schauen. Und er frage uns, ob wir ihm diese vierhundert Quadratmeter als Vorerbe überlassen würden, Nicht, weil ich ihn überzeugt hatte, sondern weil er seinen Frieden woller wolle darauf ein Wochenendhaus für sich und Gabriela und ihre künfte. Er wusste ja, wie unnachgiebig ich bin, wenn ich etwas erreichen tigen Kinder bauen lassen, ein richtiges Refugium, der Baukredit sei will. Damals hatte er das BnB ertrotzt, jetzt musste er sich eben den kein Problem. Er hatte erste Skizzen bei sich, er zeigte sie uns, doch neuen Umständen anpassen. Als Erstes willigte er ein, mit dem ArchiBertrand war schon so aufgebracht, dass er weder sehen noch hören tekten zusammenzusitzen. Er war, wenn Sie mich fragen, ein typischer mochte: Eine blödsinnige Idee sei das! Damit würde unser ganzes AnSchweizer, eben einer von drüben. Sehr nüchtern, sehr genau. Und so wesen verschandelt, kein einziger Gast käme noch zu uns! Alain widersieht das Haus auch aus. Das hat ja seinen Reiz, oder nicht? Ich staunsprach. Da fing Bertrand zu schreien an, und ich musste ihn zur Ruhe SURPRISE 353/15
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te, dass Bertrand sich von diesem Mann beeinSechs Wochen sind vergangen. Sie waren wie zäher Teig, der drucken liess, es schien, als seien ihm die Einan allem kleben bleibt. Bertrand isst kaum noch, redet nur das wände ausgegangen. Danach sträubte er sich Nötigste. Von Alain hören wir nichts mehr. wieder wochenlang gegen alles, und trotzdem unterschrieb er zuletzt das Baugesuch und den Schenkungsvertrag. Die Einsprachen der NachVon Alain hören wir nichts mehr, ans Telefon geht er nicht. Er verkaufe barn wurden abgelehnt, die Pläne entsprachen allen Vorschriften. Kurz Autos, hörten wir von irgendwem. Ich selbst wäre dafür, dass wir jetzt vor Baubeginn vertraute Gabriela mir an, sie sei schwanger. Wenn das wieder Gäste bei uns aufnehmen, ein wenig die Werbetrommel rühren. Haus dastehe, werde auch das Kind geboren, der Hochzeitstermin stehe Wer unser Grundstück vorher nicht gesehen hat, den wird der Neubau schon fest. Wer kann mir verargen, dass ich mich freute? nicht stören. Doch Bertrand will nicht, das BnB ist für ihn gestorben. Die Baumaschinen rückten an, Bagger, Betonmischer. Eine RiesenMehrmals habe ich ihn vor sich hinmurmeln hören, dass man diesen grube auf dem verschenkten Landstück, ringsum bloss noch Morast. Klotz in die Luft sprengen müsste. Das meint er ja nicht ernst. Und doch Zum Heulen, wenn man das sah, aber man musste in die Zukunft bin ich jetzt zu Ihnen gekommen. Kürzlich hat er irgendwo eine Schachschauen. Ich versuchte Bertrand zu trösten, das gehe vorbei, sagte ich, tel versteckt, und ich vermute, da ist etwas Gefährliches drin. Ich möchund er schüttelte nur den Kopf und murmelte: Hätte ich doch nicht Ja te Sie bitten, dass Sie ihn aufsuchen und ihn verhören und vielleicht gesagt, hätte ich doch nicht Ja gesagt. Unser BnB hatten wir für die ganauch das Anwesen durchsuchen, aber sagen Sie um Gotteswillen nicht, ze Sommersaison geschlossen. Dann gab es leider Komplikationen. Der dass der Hinweis von mir kommt. Ich möchte einfach in Frieden leben. Boden war lockerer als angenommen, man musste tonnenweise Kies Das ist mein grösster Wunsch. herbeischaffen, die Nachbarn beschwerten sich über den Lärm, über die ■ Nichteinhaltung von Ruhezeiten. Ich beschwichtigte, ich buk Apfelkuchen für alle. Es war anstrengend, ja. Der Bau wuchs allmählich in die Höhe, jetzt wurde klar, wie viel er von unserer Aussicht stahl. Das bestürzte Bertrand noch mehr. Er sass Tag für Tag reglos auf einem Sessel und starrte hinaus. Da nützte kein Trost. Alain liess sich selten sehen, er schenke dem Architekten sein volles Vertrauen, sagte er, und wirkte zerstreuter als sonst. Auch Gabriela kam nicht mehr, ich hatte sie noch gar nie mit rundem Bauch gesehen. Meinen Fragen wich Alain aus, Gabriela arbeite jetzt noch bis zur Geburt in einer Grosswäscherei, sagte er, von einer Heirat war nicht mehr die Rede. Als die Fensterscheiben im Neubau eingesetzt waren, hörte man überall von der Finanzkrise. Von Lehman Brothers und wie die Aktienkurse in den Keller fielen. Zuerst glaubten wir noch, Alain werde sich da draushalten können. Aber wir täuschten uns. Er verlor den Job, seine Bank stellte mehr als ein Dutzend Anlageberater auf die Strasse. Alain war totenbleich, als er uns das gestand. Seine Schulden seien zu hoch, sagte er, er habe darauf vertraut, dass sein Einkommen weiterhin steige, und jetzt sei der Baukredit bereits erschöpft, die Bank wolle ihn nicht erhöhen, ob wir nicht einspringen, ihm einen Zuschuss gewähren könnten. Bertrand weigerte sich rundweg, auch er war bleich, und ich zögerte dieses Mal, für Alain Partei zu ergreifen. Er war schon als Kind ein Luftibus gewesen, ein Träumer. Liebenswert, ja, aber ein Träumer. Wenn wir ihm nicht unter die Arme greifen könnten, sagte er, würden die beteiligten Firmen einen sofortigen Baustopp verfügen, das Haus bleibe dann so stehen wie jetzt, unfertig, als Rohbau. Das war der Moment, als Bertrand aufsprang. Er hätte Alain die Faust ins Gesicht geschlagen, wenn ich nicht dazwischen getreten wäre. Dann bleibe es halt beim Rohbau, schrie er, er habe längst geahnt, dass es so kommen werde, man hätte das viele Geld auch in den Doubs werfen können. Er jagte Alain aus dem Haus, und hinterher legte er sich aufs Sofa und sagte kein Wort mehr. Es nützte nichts, dass ich Alain hinterherlief, dass ich fragte, ob sich Gabriela auch wieder mal bei uns zeige. Er schlug die Autotür zu und brauste davon, dass mir der Kies an die Beine spritzte. Drei Tage später kam ein Brief von Lukas Hartmann, 1944 in Bern geboren, ihm. Er und Gabriela hätten sich getrennt, schrieb er, sie habe einen studierte Musik, Germanistik und PsycholoFreund, sie wolle mit ihm zurück nach Brasilien. Zwischen ihnen habe gie. Tätigkeiten als Lehrer, Journalist und schon lange Eiszeit geherrscht, eigentlich mache es ihm gar nichts aus, Medienberater. Heute lebt er als Autor in dass sie weg sei. Wenn er fürs Kind bezahlen müsse, werde er sich mit Spiegel bei Bern. Er veröffentlichte zahlreiallen Mitteln dagegen wehren. Das drückte mir das Herz ab, eine solche che Bücher für Erwachsene und für Kinder Herzlosigkeit hätte ich meinem Sohn nicht zugetraut. Von Gabriela be(zuletzt «Auf beiden Seiten» und «Mein kamen wir eine Karte. Sie dankte uns für alles, sie habe es mit Alain Dschinn», beide bei Diogenes). nicht mehr ausgehalten, er denke bloss ans Geld. Woran denn sonst, wenn er keins mehr hat?, hätte ich sie gerne gefragt. Lukas Hartmann verbringt den Sommer teils im Garten, teils auf Sechs Wochen sind seither vergangen. Sie waren wie zäher Teig, der Wanderungen, möglichst oft beim Schwimmen in der Aare und bei an allem kleben bleibt. Bertrand isst kaum noch, redet nur das Nötigste. erhellender Lektüre.
Kaltbrunners grosser Tag VON CHRISTOPH SIMON
lässt sich Frau Urfer beim Überreichen des Geburtstaggeschenks zu drei «Das Büro ist ein Ort, wo man gelangweilt am Kopierer steht und daKüsschen hinreissen. Kaltbrunner – ein 47-jähriger Unteroffizier der bei blass und alt wird», scherzt Kaltbrunner (Büro-Kapitän und Überschweizerischen Miliz mit Deltasegel- und Tiefseetauch-Erfahrung – stundensammler) am Kopiergerät. «Haben Sie die Blumen besorgt, Frau schiesst bei diesem keuschen Wunsch die Röte ins Gesicht wie einem Schild?» schüchternen Knaben mit einem Apfel in der Hand am Gartentor seiner Hinter der Stellwand lässt sich die Stimme Petra Schilds (DatatypisSchulfreundin. tin) vernehmen: «Scheissverdammt.» Das Computerspiel lässt sich nicht Was nichts daran ändert, dass Anna Urfer im engen Lift festsitzt. Sie vom internen Netz herunterladen. «Keine Blumen. Eine Staude. Eine quetscht den Alarmknopf und heult vor Kummer und Elend und poltert grüne Papyrusstaude. Anna liebt grün.» mit der freien Hand gegen die Lifttür. Es herrscht aufgeräumte Stimmung um 7 Uhr 45 im Grossraumbüro «Sagen Sie, Herr Kaltbrunner …», die Aushilfstelefonistin wendet der Schadenabteilung einer Versicherungsgesellschaft in Zürich: Anna sich an ihren Chef und zeigt auf die Schalttafel am quergestellten Urfer wird erwartet. Schreibtisch, «dieses rote Blinken da – es macht mich halb wahnsinnig. Sie soll ihren vierzigsten Geburtstag gefeiert bekommen. Vor einigen Wie kann man das abstellen?» Tagen ist im Büro eine Geburtstagskarte herumgereicht worden und alle haben unterschrieben. Mit dem gesammelten Geld hat Petra Schild die Papyrusstaude geKaltbrunner erweitert seinen Zuständigkeitsbereich. Schon hat er das kauft. Kaltbrunner würde diese zusammen mit der Geburtstagskarte und herzlichen Glückgerahmte Foto vom Firmensitz um 1920 von der Wand gerissen, den wünschen im Namen der Schadenabteilung Rahmen zwischen die Schiebetür geschoben und diese aufgestemmt. übergeben. Anna Urfer würde eine Bündner Nusstorte, einen Butterzopf, Käse und WeissKaltbrunner, Petra Schild und Dumont von der Geschäftsleitung stoswein beisteuern und im Büro einen kleinen Imbiss veranstalten. sen auf den Hauswart bei Lift 2 im dritten Stock. Seit 1986, als in der städtischen Verwaltung fünf Angestellte von ih«Lift eins steckt fest», erklärt der Hauswart. rem Vorgesetzten mit einer 38’er Special niedergeschossen worden sind, «Was ist das?», fragt Dumont von der GL und hält die Hand ans Ohr. wird in Zürich zwischen Aktenschränken, Fax und Kaffeefiltertüten verGeräusche dringen aus dem Liftschacht. mehrt die Menschlichkeit gepflegt. «Der Stimme nach Anna», sagt Petra Schild. «Anna Urfer, Schaden. Um 8 Uhr 15, Beginn der Blockzeit, röhrt die Aushilfstelefonistin Sie hat Geburtstag.» durch den Raum, sie habe den Tennis-Center für Mittwoch von 19 bis 21 «Was können wir tun?», fragt Kaltbrunner besorgt. Uhr reserviert. Kaltbrunner fragt: «Wo bleibt Frau Urfer bloss?» Der Hauswart zuckt mit den Achseln. «Ich bin nicht befugt, am Lift Anna Urfer, hübsch, klug (zwei Jahre Harvard Business School), mit herumzumachen. Die Betreiberfirma schickt einen Mechaniker. Wir zwei Jutesäcken voll Gebäck und Getränk zu ihren Füssen, drückt seit müssen warten.» einer Dreiviertelstunde den Alarmknopf und beginnt sich zu fürchten. «Warten?», schreckt Kaltbrunner auf. «Und wenn uns die gute Frau Sie steckt im Lift fest. erstickt?» «Scheissverdammt», murmelt Petra Schild um halb neun. Es gelingt In diesem Gebäude sei noch keiner erstickt, sagt Dumont. Der Hausihr nicht, das Computerspiel (das sich inzwischen hat laden lassen) ohwart nickt. «Die hat noch genug Luft. So wie die brüllt.» ne Ton – und somit unbemerkt – zu spielen. Kaltbrunner erweitert seinen Zuständigkeitsbereich. Schon hat er das «Wo bleibt Frau Urfer?», fragt Kaltbrunner wieder mit der festen gerahmte Foto vom Firmensitz um 1920 von der Wand gerissen, den Stimme des Abteilungsleiters, der sich nach dem Verbleib seiner SachRahmen zwischen die Schiebetür geschoben und diese aufgestemmt. Pebearbeiterin erkundigt. Kaltbrunner hegt eine kleine Neigung zu Anna tra Schild reisst die Augen auf, ruft «Verdammt, sind Sie stark!» und entUrfer, die er vor ihr und allen andern geheimhält. Er denkt: Vielleicht SURPRISE 353/15
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Kaltbrunner deutet an, dass ihm Schmerzen nichts ausmachen. Es ist der Tag, auf den er sein ganzes Leben lang hintrainiert hat. Die ramponierte Schiebetür im dritten Stock verzögert die Befreiungsaktion durch die Schindler-Mechaniker um eine halbe Stunde. Als Lift eins mittels elektrotechnischer Massnahmen wieder fahrtüchtig ist und Anna Urfer und Abteilungsleiter Kaltbrunner der Kabine entsteigen, jubelt ihnen von Petra Schild bis zur Aushilfstelefonistin, von den Abteilungen Schaden, Marketing, Finanz und Spedition bis zum Archivar alles zu, was Hände hat zum Klatschen und Stimmbänder zum Jauchzen. Anna Urfer beugt sich zu Kaltbrunner vor und flüstert ihm ins Ohr: «Mein Gott, so viele Leute …» Sie habe nicht genug Nusstorte gekauft. In der Cafeteria überreicht Kaltbrunner Anna Urfer Geburtstagskarte und Papyrusstaude, wird zärtlich umhalst und fällt in Ohnmacht. «Der Blutverlust», mutmasst die Firmenzeitung Intern in der Ausgabe II/05. ■
BILD: ADRIAN MOSER
deckt in ihrem Abteilungsleiter einen Mann mit verborgenen Talenten. «Was tun Sie da?», stammelt Dumont von der GL. Einen Augenblick liegt auf Kaltbrunners Gesicht eine Bestimmtheit, die ihm niemand zugetraut hat. Dann blickt er in den Schacht hinunter zur Kabine, in der Anna Urfer die letzten anderthalb Stunden damit zugebracht hat, ihren Tennisarm zu belasten und im Stehen das Beten zu erlernen. «Halt!», ruft der Hauswart. Er packt Kaltbrunner unter den Schultern und versucht ihn zurück auf den Flur zu zerren. Kaltbrunner hält sich am Tragseil im Liftschacht fest. Dumont meldet sich: «Lassen Sie das Seil los oder ich schwöre, ich lasse Sie verhaften!» «Scheisse, Dicker», sagt Petra Schild an Dumont gerichtet, «seit wann tragen Prokuristen einen Sheriffstern?» Dann zwinkert sie Kaltbrunner zu und beobachtet, wie dieser sich langsam zu Anna Urfers Kabine hinuntergleiten lässt. Der Hauswart weist den vollständig erstarrten Dumont darauf hin, dass in der Schadenabteilung etwas nicht stimme, er habe schon öfters leere Alkoholflaschen zu entsorgen gehabt. Im Lift besteht ein Rauchverbot, und Kaltbrunner macht eine unfreundliche Bemerkung über das, was er das «Diktat der Generaldirektion» nennt. Anna Urfer kann trotz ihrer scheusslichen Situation ein wenig lachen. «Ich habe solche Angst», sagt sie verlegen und wischt sich unauffällig den Schweiss von der Stirn. «Bald holt man uns beide hier raus», sagt Kaltbrunner und will damit sagen, dass sie keine Angst zu haben brauche, er gebe auf sie acht. Beim Abseilen hat er einen Schuh verloren, sich von oben bis unten mit Schmierfett beschmutzt und sich am Zeigfinger geschnitten. «Sie bluten ja!», gellt Anna Urfer.
Christoph Simon, geboren 1972, lebt und schreibt in Bern. Für seinen letzten Roman «Spaziergänger Zbinden» (2010) erhielt er den Literaturpreis des Kantons Bern. Zuletzt erschien «Viel Gutes zum kleinen Preis». Zurzeit ist er unterwegs mit seinem ersten Kabarett-Programm in Berner Mundart: «Wahre Freunde». Den Juli wird Christoph Simon als geschmacklos gekleideter Sommerfrischler in einem Gasthaus in der Normandie verbringen, mit einem Koffer voller Manuskripte, mit übertriebenem Enthusiasmus Verse schmiedend und den Klippen entlang schlendernd. SURPRISE 353/15
Silver Star ve. Dann zog es ihn wieder hoch. Dann liess es ihn wieder fallen. Dann Es war rund ein halbes Jahr vor seinem fünfundsechzigsten Gezog es ihn wieder hoch. Und liess ihn wieder fallen. Es drückte ihn in burtstag, eines Abends im Frühling, beim Nachtessen, es gab Brot, Kädie Kurve. Es zog ihn noch einmal hoch. Es liess ihn noch einmal fallen. se und Aufschnitt, als Albert Brauer seiner Frau mitteilte, er wünsche Und als er schon lange vergessen hatte, wo er war, wer er war und wasich auf seine Pensionierung einen Ausflug mit all seinen Freunden und rum, schleuderte es ihn in die letzte Kurve hinein, hundertzwanzig Arbeitskollegen, gerne auch mit Anhang, in den Europapark Rust. Grad. Dann schleuderte es ihn mit abartig verzerrten Gesichtszügen aus «Spinnst du», sagte seine Frau und biss in ein Stück Käse. «Du bist doch der Hundertzwanzig-Grad-Kurve wieder hinaus, und wie ein Raubtier, kein Teenager mehr. Andere machen einen Apéro, laden ins Theater ein dem es langweilig geworden ist, mit der Beute zu spielen, rollte die Bahn oder gehen meinetwegen kegeln.» Albert zuckte kaum merklich mit den aus. Die zwei holländischen Teenager kotzten synchron auf ihre neonSchultern, lächelte unergründlich, sagte nichts und fuhr fort, sein Brot farbigen Turnschuhe. Albert hob den Sicherheitsbügel und stieg aus. mit Butter zu bestreichen. Und so traf sich eines prächtigen Sonntags im Seine Knie zitterten leicht. Er atmete einmal tief durch. Langsam beruSpätsommer, morgens um neun, eine stattliche Gruppe von älteren Leuhigte sich sein Gesicht wieder. Wie ein eingetrockneter Rest Sauce auf ten auf dem Carparkplatz neben dem Bahnhof, stieg in einen Reisebus dem Teller aber blieb das absurde Lächeln darauf haften. Er fuhr sich und fuhr los in Richtung Rust. Der Chauffeur war ein dünner Mann mit mit beiden Händen durch die zerzausten grauen Haare. Dann stellte er ledriger Haut, machte jede halbe Stunde eine Rauchpause, trug einen resich wieder in die Schlange vor dem Silver Star. kordverdächtigen Schnauz und erzählte übers Busmikrofon, über die Dreizehn Mal schaffte er die Bahn bis abends um sechs. Mit einem Countrymusik hinweg, abwechselnd von seinen Siegen bei internatioangenehmen Schwindel im Gehirn, zwei geplatzten Adern in den Augen nalen Schnauzwettbewerben oder schlüpfrige Witze. Alberts Freunde und eigentümlich federnden Schritten verliess er den Park. Seine Freunund Arbeitskollegen lachten aus Höflichkeit mit. Die, die zu laut lachde und Arbeitskollegen standen schon, samt Anhang, vor dem Bus auf ten, ernteten vernichtende Blicke ihrer Frauen. Manchmal schauten sie verstohlen zu Albert. Er sass am Fenster, schaute hinaus, sagte wenig und hatte ein Eine Viertelstunde später, sie lästerten gerade ausgiebig über den unergründliches Lächeln auf dem Gesicht. untrinkbaren Kaffee und was das bitte mit Wohlfühlwochen zu tun Warum der Nikolaus einen so dicken Sack habe, fragte der Chauffeur beim Einbiegen auf habe, bemerkten sie, dass Albert verschwunden war. den Carparkplatz vor dem Europapark, dann schnitt ihm ein anderer Bus den Weg ab, er dem Carparkplatz. Vom französischen Bistro waren sie ins italienische fluchte über diesen verdammten Holländer und vergass darüber prompt Grotto gegangen, von dort zur mexikanischen Strandbar und dann auf die Pointe. Die Gruppe stieg aus. Nach einer halben Stunde in der Wareinen Absacker in die deutsche Kegelbahn. Auf der Rückfahrt erzählten teschlange waren sie im Park drin. Als Erstes gingen sie in ein Café, das sie sich alle gegenseitig die schlüpfrigen Witze von der Hinfahrt. Diesals französisches Bistro verkleidet war und gerade Wohlfühlwochen anmal lachten die Frauen am lautesten. Manchmal riefen sie Albert zu, bot. Sie setzten sich auf klapprige Metallstühle an viel zu kleine Tischwas zum Teufel er die ganze Zeit getrieben habe. Albert sass am Fenster, chen und bestellten Kaffee. Eine Viertelstunde später, sie lästerten geraschaute hinaus, sagte nichts und hatte ein unergründliches Lächeln auf de ausgiebig über den untrinkbaren deutschen Kännchenkaffee und was dem Gesicht. Die ganze Fahrt über hielt er die Hand seiner Frau und das bitte mit einem französischen Bistro und mit Wohlfühlwochen zu strich mit den Fingern zart über ihren Handrücken. Am nächsten Mortun habe, bemerkten sie, dass Albert verschwunden war. Er war als gen war das Lächeln verschwunden. Der angenehme Schwindel im GeLetzter aus dem Bus gestiegen. Auf dem Weg in den Park hatte er sich hirn hielt noch ungefähr drei Tage lang an. in einer holländischen Reisegruppe versteckt. Jetzt stand er in der ■ Schlange vor dem Silver Star. Der zweithöchsten Achterbahn Europas. Alberts Hände zitterten leicht, als er sich neben zwei holländischen Teenagern vorbei in den Achterbahnwagen zwängte und den SicherRalf Schlatter, 1971 in Schaffhausen geboheitsbügel über den Knien einrasten liess. Leicht holpernd fuhr die Bahn ren, lebt als Autor und Kabarettist in Zürich. an. Das unergründliche Lächeln in Alberts Mundwinkeln zuckte absurd. Zu seinen Werken gehören die Romane «FeDie Bahn zog ihn hoch auf siebzig Meter über dem Boden. Sein Blick derseel», «Maliaño» und «Sagte Liesegang», ging weit in die Landschaft. Er folgte mit den Augen einem Raubvogel, der Erzählband «Verzettelt», der Lyrikband der weit oben seine Kreise zog. Die Bahn stand lange still. Von weit un«König der Welt». Er ist Gewinner des Salzten hörte er Kindergeschrei und Musikfetzen. Just in dem Augenblick, burger Stiers 2004 und des Schweizer Kabaals er nicht mehr damit rechnete, machte die Bahn einen Ruck, und der rettpreises Cornichon 2014. Boden unter ihm schwand. Albert fiel senkrecht. Seine Krawatte stand kerzengerade in die Höhe. Es verschlug ihm den Atem. Mit hundertRalf Schlatter verbringt den Sommer in Wanderschuhen, in Bergdreissig ging es ins Loch hinunter. Mit vier G drückte es ihn in die Kurseen, in Worten, in Frieden. SURPRISE 353/15
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BILD: RETO SCHLATTER
VON RALF SCHLATTER
An African Odyssey VON GUY KRNETA
mit sore Reis. Win’r überfaue wärd. Wi Froue näben ihm vrgwautiget Vom Bundesamt für Migrazion bin i aagfragt worden e Gschicht z wärdi. Win’r fasch um ds Läbe chöm. Bir Überfahrt über ds Meer. schrybe. Fürnen Imformazionskampagne z Afrika. E Gschicht, wo aaU nach dr Landig z Italie. Wo Jugendlechi mitem Mässer uf ne losschliessend i mehreri Schprachen übersetzt u ire Millionenuflag i göngi. vrschidnige Länder z Afrika gratis söu vrteilt wärde. Müglech syg on e I söu säge, wi’s syg ir Schwyz. Won’r härechöm, vo unge här ane Vrfiumig dürne lokale Fernsehsänder, finanziert vor Schwyz. Laschtwage punge. Über drühundert Kilometer Outobahn. Win’r monaVrzeue söu di Gschicht, hei si mr gseit im Bundesamt für Migrazion, telang untätig imne Luftschutzbunker hock, bis ihm dr Gring träj un’r d Gschicht vomnen afrikanischen Uswanderer, wo uf Öiropa geit. Ir sech uf nümmeh chönn konzentriere. Mit zwänzg Angerne zäme. Wo’s Schwyz es Asylgsuech schteut, wo abglehnt wird. Däm sy Reis hie häre. Däm sys ungwüsse Warten über Jahre. U däm sy Rückfüerig schliesslech mit emne Wüu was nütz di ganzi Abschreckig, hei si mr gseit im Bundesamt Sonderflug, gfesslet u kneblet, mit Heum ufem Chopf, ypackt i dicke Windle. für Migrazion, we sech niemer drvo löng la abschrecke, wüu nie«An African Odyssey» söu di Gschicht heismer drvo erfahr. se, hei si mr gseit im Bundesamt für Migrazion. U me würd erfahre, wi dä Zrügggschafft ir Heien einzigi Tuschi heig im Durchgang. Un e Heizig, wo geng wider usfau. mat empfange würd, nach syren Usschaffig. Vore hübsche junge Frou, Sibzä Grad Ruumtemparatur. Wo’s nid mau es Schäftli heig, won’r sys ere Gliebte, won’r vrla hätt für sy Usreis. U wo sithär Tag u Nacht uf ihn private Züüg chönn ygschpliesse. U einisch ir Wuche chöm eine vrby gwartet hätt. Während är ir Schwyz schlächti Erfahrige gmacht hätt mit vore private Firma, für ihm füfzg Franken i d Hang z trücke. Won’r när Froue, wo guet topplet so aut gsi wäre win är. e Wuche lang drvo müess läbe. U no wiukürlechi Abzüg z mache. Für Us welem Land genau dä Uswanderer chöm, söu offe blybe. So dass Depot u Reparaturen am Bunker, wo gar nid usgfüert wärdi. sech müglechscht viu Jungi i viune Länder drmit chönni identifiziere. I söu schrybe, was das heiss, füfzg Franken ir Wuche. Wen es MoMe söu mitübercho, dass es ihm deheimen eigentlech gar nid so netsabi für Tram u Böss scho zwöiesibezg choscht. Un e Techi, we me schlächt gange syg, däm junge Maa. Dass sy Familie viu Gäut uftribe nid wöu früüren ir Nacht, choscht o ihri füfzg Franke. I söu schrybe, was heig für ihm syni Reis z finanziere. Gäut, won’r gschyder pruucht hätt, das heiss, ire Gseuschaft z läbe, wo d Lüt aus heige, zwöi Outo u grossich e Perschpektive z schaffe vor Ort. U Gäut, wo umgekehrt vrhindesi Wonigen u Chrankekassen u Demokratie. U wo men aber nüt drvo ret heig, dass’r heig chönnen umchehre, sys Schyteren ygeschta. Wüu’r heig. Wüu men usgschlosse syg vo auem. Wüu aus, wo me bruuch, öpis ja nid mit lääre Häng heig chönne hei cho. choscht u me sech’s nid chönn leischte. U nid dörf schaffe. U sech I söu nüt beschönige, hei si mr gseit im Bundesamt für Migrazion. chuum chönn bewege. I söu schiudere, uf was für unmönschlechi Bedingige sech einen ylöng
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kontroue schtattfing. Das syg die Gschicht, wo mr z vrzeue heige. U nid geng das Märli vor humanitäre Tradizion. I müess uf niemer Rücksicht nä, hei si mr gseit im Bundesamt für Migrazion. Müess niemer schone. D Wahrheit zeu. Si zali guet. ■
BILD: ZVG
I söu schrybe, was das heiss, ohni Papier. Uf dr Schtrass aaghaute z wärde vor Polizei. Geng wider. Ygschperrt z wärde. Vrurteilt z wärde zu mehrhundertfränkige Puesse wägen illegalem Ufenthaut u Missachtig vor Usgränzig. Was das heiss: Usschaffigshaft. Böigehaft. Wo men ygschperrt syg monatelang ire Zäue, wo gar nid gmacht syg für sone längi Zyt. Scheerfer bewacht aus jede Schwärvrbrächer. I söu nüt vrschwyge, hei si mr gseit im Bundesamt für Migrazion. Was fürne Schtimmig hie herrsch, ir Schwyz, gäg d Usländer u ds Asylantepack. Wi sech bürgerlechi Parteie gägesytig überträffi im Schtimmig-Mache gäge di Auerschwechste. Vo de Plakatkampagne söu i schrybe, wo wyssi Schaf es schwarzes mit de Füess traktieri. U schwarzi Häng nach rote Päss gryfi. Was aus i dene Blogs schtöng, dä ganz Hass, söu i schrybe, hei si mr gseit. U wi d Armee i Üebige druf vorbereitet wärd, d Gränze z vrteidige gäg wehrlosi Flüchtlingsheer. Wüu was nütz di ganzi Abschreckig, hei si mr gseit im Bundesamt für Migrazion, exemplarisch düregfüert a paar Tuusig Lüt, we sech niemer drvo löng la abschrecke, wüu niemer drvo erfahr. Da chönn me vrscheerfen u vrscheerfen u vrscheerfe, zwänzg Jahr lang, ohni jeden Effekt. Ir Hoffnig, di nächschti Vrscheerfig bring irgendöpis. U de yzgseh, dass das wider nid so syg. Dass me sech tüeg Sand i d Ouge schtröje, d Bevöukerig vrschoukle, paar Tuusig Lüt quäle. Mit emne riisigen Apparat, emne riisige finanziellen Ufwand gäge d Grundrächt vrschtoss, dr Wiukür Tür u Tor ufmach, ohni jedes sichtbaren Ergäbnis. Vo au däm wüss me z Afrika nämlech nüt, hei si mr gseit im Bundesamt für Migrazion. Di einzigi Gschicht, wo die vor Schwyz kenni, syg vilech ds Heidi. Oder dr Wiuhäum Täu. Beides Gschichte, wo nid geignet syge, für Lüt abzhaute. Es syg höchschti Zyt, dass es Umdänke schtattfing. D Schwyz sech aus das präsentier, was si syg: En exklusive Club. Wo nid eifach jede yne dörf. Wo ar Gränzen e schträngi Tönü-
Guy Krneta, Spoken-Word-Autor und Dramatiker. Lebt in Basel. Nach Studien der Theaterwissenschaft und Medizin ging er ans Theater, wurde Dramaturg in Esslingen und Braunschweig sowie Co-Theaterleiter in Aarau. Seine viel gespielten Theaterstücke und Prosatexte sind mehrfach ausgezeichnet worden. 2015 erhielt Krneta den Schweizer Literaturpreis für seinen Roman «Unger üs – Familienalbum». Guy Krneta verbringt den Sommer schreibend in Basel, lesend im Bündnerland und badend mit den Kindern.
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Kreuzworträtsel 1. Preis: Das Strassenmagazin Surprise ein halbes Jahr im Abo 2. Preis: Zwei Mal Teilnahme für zwei Personen am sozialen Stadtrundgang, wahlweise in Basel oder Zürich 3. Preis: Eine Surprise-Umhängetasche
Sudoku
Finden Sie das Lösungswort und schicken es per Post an: SURPRISE Strassenmagazin, Spalentorweg 20, 4051 Basel oder per E-Mail mit Betreff «Rätsel 353» an info@vereinsurprise.ch Einsendeschluss ist der 16. Juli 2015. Viel Glück!
Mittelschwer zum Ersten
Füllen Sie die leeren Felder mit den Zahlen von 1 bis 9. Dabei darf jede Zahl in jeder Zeile, in jeder Spalte und jedem der neun 3 × 3-Blöcke nur ein Mal vorkommen. Die Lösungen finden Sie in der nächsten Surprise-Ausgabe.
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Die 25 positiven Firmen
Mittelschwer zum Zweiten
Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.
01
Scherrer & Partner GmbH, Basel
02
Balcart AG, Therwil
03
Gemeinnütziger Frauenverein Nidau
04
Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich
05
weishaupt design, Basel
06
Thommen ASIC-Design, Zürich
07
Velo-Oase, Erwin Bestgen, Baar
08
Coop Genossenschaft, Basel
09
AnyWeb AG, Zürich
10
Burckhardt+Partner AG
11
mcschindler.com GmbH, Zürich
12
fast4meter, Storytelling, Bern
13
Maya-Recordings, Oberstammheim
14
Bachema AG, Schlieren
15
Kaiser Software GmbH, Bern
16
Ko Schule für Shiatsu GmbH, Zürich
17
Schweizerisches Tropen- und Public HealthInstitut, Basel
Teuflisch schwer
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Lions Club Zürich-Seefeld, Zürich
19
Klinik Sonnenhalde AG, Riehen
20
Privat-Pflege und Betreuung, Oetwil am See
21
Praxis Colibri-Murten, Murten
22
Schumann & Partner AG
23
Bruno Jakob Organisations-Beratung, Pfäffikon
24
VXL Gestaltung und Werbung AG, Binningen
25
Hofstetter Holding AG, Bern
Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.
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Surprise – mehr als ein Magazin
Ich möchte Surprise abonnieren! 24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.)
Hilfe zur Selbsthilfe Surprise unterstützt armutsbetroffene Menschen – beim Strassenverkauf, Strassenchor oder Strassensport, dem Sozialen Stadtrundgang oder Café Surprise: Der Verein fördert die soziale Integration der Betroffenen. Surprise gibt das vierzehntägig erscheinende Strassenmagazin heraus. Eine professionelle Redaktion produziert das Heft zusammen mit einem Netzwerk aus freien Journalisten, Fotografen und Illustratoren. Das Magazin wird auf der Strasse verkauft. Über 350 armutsbetroffene Menschen, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten über den Strassenverkauf eine Erwerbsmöglichkeit und eine Tagesstruktur. Die Hälfte des Magazinerlöses behalten die Verkaufenden. Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht sozial ausgegrenzten Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit z.B. mit dem Sozialen Stadtrundgang in Basel und Zürich. Die Surprise-Stadtführer sind Armutsbetroffene, Ausgesteuerte und Obdachlose. Sie erzählen aus ihrem Alltag in ihrer Stadt und zeigen Orte, an denen man sonst vorübergeht. Gemeinsam wollen sie Vorurteile abbauen.
Stärken. Bewegen. Integrieren. Surprise fördert die Integration mit Sport. In der Surprise-Strassenfussball-Liga spielen Teams aus der ganzen Deutschschweiz. Sie kämpfen um den Titel des Schweizermeisters und des Weltmeisters beim Homeless World Cup. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Strassenchor. Gemeinsames Singen und öffentliche Auftritte ermöglichen Glücksmomente für Menschen, für die der gesellschaftliche Anschluss sonst erschwert ist. Café Surprise schenkt Menschen mit wenig Geld einen kostenlosen Kaffee in einer Bar oder einem Café. So können sie am sozialen Leben teilnehmen. Für Gäste ist es eine einfache und charmante Gelegenheit, sich sozial zu engagieren: Sie bezahlen ihren Kaffee und spendieren einen weiteren. Über Surprise Der Verein Surprise unterstützt Armutsbetroffene ohne staatliche Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle Angebote ist Surprise auf Spenden, Sponsoren und Stiftungen angewiesen. Surprise ist Mitglied des internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP), dem über 120 Magazine in über 40 Ländern angehören.
Gönner-Abo für CHF 260.– Impressum Herausgeber Verein Surprise, Spalentorweg 20, 4051 Basel www.vereinsurprise.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Fr T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 Nicole Mathys, Thomas Oehler, info@vereinsurprise.ch Geschäftsführung Paola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (stv. GL) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@vereinsurprise.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Amir Ali (ami, Heftverantwortlicher), Florian Blumer (fer), Diana Frei (dif), Mena Kost (mek), Thomas Oehler (tom), Sara Winter-Sayilir (win), redaktion@vereinsurprise.ch, leserbriefe@vereinsurprise.ch Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Rahel Nicole Eisenring, Shpresa Jashari, Olivier Joliat, Carlo Knöpfel, Melanie Kobler (Grafik), Yvonne Kunz, Stephan Pörtner, Isabella Seemann, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Tom Wiederkehr, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Philipp Baer, Lukas Hartmann, Guy Krneta, Rolf Lappert, Sunil Mann, Stephan Pörtner, Linus Reichlin, Ralf Schlatter und Christoph Simon Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 20150, Abonnemente CHF 189, 24 Ex./Jahr Marketing, Fundraising T +41 61 564 90 50 Svenja von Gierke (Leitung), Zaira Esposito
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Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise nur mit Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt.
Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83/85 Thomas Ebinger, Anette Metzner, Spalentorweg 20, 4051 Basel, basel@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Zürich T +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12 Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, zuerich@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02 Andrea Blaser, Barbara Kläsi, Alfred Maurer, Pappelweg 21, 3013 Bern, bern@vereinsurprise.ch Strassenchor T +41 61 564 90 40 Paloma Selma (Leitung), p.selma@vereinsurprise.ch Strassensport T +41 61 564 90 10 Lavinia Besuchet (Leitung), l.besuchet@vereinsurprise.ch, David Möller (Sportcoach) www.strassensport.ch Sozialer Stadtrundgang Basel T+41 564 90 40 Sybille Roter (Leitung), s.roter@vereinsurprise.ch Paloma Selma (Koordination), rundgang@vereinsurprise.ch Sozialer Stadtrundgang Zürich T +41 44 242 72 14 Sybille Roter (Leitung) s.roter@vereinsurprise.ch Carmen Berchtold (Koordination), rundgangzh@vereinsurprise.ch Vereinspräsident Peter Aebersold Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen. Helfen macht Freude, spenden Sie jetzt: Spendenkonto PC 12-551455-3 SURPRISE 353/15
SurPlus – eine Chance für alle! Werden Sie Gotte oder Götti bei SurPlus Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten. Menschen, die kaum Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt wieder Struktur und mehr Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Das verdient Respekt und Unterstützung. Das Spezialprogramm SurPlus ist ein niederschwelliges Begleitprogramm für ausgewählte Surprise-Verkaufende, die regelmässig das Strassenmagazin
verkaufen und hauptsächlich vom Heftverkauf leben. Diese Verkaufenden erhalten nur geringe soziale Ergänzungsleistungen und werden im Programm SurPlus gezielt vom Verein Surprise unterstützt: Sie sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit, Nahverkehrsabonnement) und werden bei Problemen im oft schwierigen Alltag begleitet. Mit einer Patenschaft leisten Sie einen wesentlichen Beitrag für die soziale Absicherung der Verkaufenden und ermöglichen ihnen, sich aus eigener Kraft einen Verdienst zu erarbeiten. Vielen Dank für Ihr Engagement!
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Kostana Barbul St. Gallen
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Ja, ich werde Gotte/Götti und unterstütze das SurPlus-Programm von Surprise! 1 Jahr: 6000 Franken
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