Surprise 354

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Nr. 354 | 17. bis 30. Juli 2015 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.

Weiter lesen Eine literarische Sommerreise mit Geschichten von Donat Blum, Martina Caluori, Mitra Devi, Corina Lanfranchi, Klaus Merz, Fabian Saurer und Noemi Somalvico


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Titelbild: Priska Wenger

Die Diskussion darüber, welchen Stellenwert die Kultur bei der Gestaltung der Gesellschaft haben soll, ist abendfüllend. Fest steht: Wir leben in Zeiten, die geprägt sind von massiven gesellschaftlichen Veränderungen. Wenn die Medien dabei die Funktion eines kollektiven Kurzzeitgedächtnisses übernehmen, dann ist die Literatur das Langzeitgedächtnis. Ein gesellschaftlicher Spiegel mit nachhaltiger Wirkung, sozusagen. Was aber heisst das genau? Wie sollen sich zum Beispiel Sie, liebe Leserinnen und Leser, in der Literatur spiegeln? Versuchen Sie es einmal mit der Kurzgeschichte «Peter und Paul» aus der Feder des vielfach ausgezeichneten Autors Klaus Merz (Seite 8). Der 1945 geborene Aargauer beschreibt darin eine Schweiz, die zusammen mit den beiden alternden und dem Schnaps zugeneigten Protagonisten im AMIR ALI Aussterben begriffen ist. Eine kleine, eindrücklich erzählte Geschichte, bei deren REDAKTOR Lektüre man sich aber unweigerlich fragt: Was von dieser Schweiz kenne ich? Von mir selbst, von meinen Eltern oder Grosseltern? Von meiner Nachbarin? Was daran mag ich? Was nicht? Woher kam diese Schweiz, und was passiert mit ihr? In diesem Sinne ist dieses Heft ein Spiegel, den Sie in der Hand halten. In dieser Surprise-Sommerausgabe ist auch die ganz junge Schweizer Literatur vertreten. Erstmals haben wir Studierende des Schweizerischen Literaturinstituts in Biel eingeladen, für uns zu schreiben. Das Institut hat sich seit seiner Gründung 2006 zu einem Brutkasten des Schweizer Literaturbetriebs entwickelt. Absolventinnen und Absolventen schaffen es regelmässig auf die Bestsellerlisten, zuletzt etwa Michael Fehr mit seinem «Simeliberg». Wir sind überzeugt: Auch von den in diesem Heft vertretenen drei Jungautoren Noemi Somalvico, Fabian Saurer und Donat Blum wird man noch einiges lesen. Sollten Sie nach der Lektüre Lust auf mehr bekommen, fragen Sie Ihre Verkäuferin, Ihren Verkäufer: Vielleicht hat sie oder er ja noch ein Exemplar der vorherigen Ausgabe in petto. Oder bestellen Sie das Heft Nummer 353 mit Geschichten von Rolf Lappert, Linus Reichlin, Guy Krneta, Lukas Hartmann, Stephan Pörtner und weiteren Autorinnen und Autoren für sechs Franken plus Versandkosten direkt bei uns: Verein Surprise, Spalentorweg 20, 4051 Basel oder info@vereinsurprise.ch Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre Amir Ali

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 Ihre Meinung! Wir sind gespannt auf Ihre Kritik, Ihr Lob oder Ihre Anmerkungen. Schreiben Sie uns! Auf leserbriefe@vereinsurprise.ch oder an Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, 4051 Basel. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion trifft eine Auswahl und behält sich vor, Briefe zu kürzen. Oder diskutieren Sie mit uns auf www.facebook.com/vereinsurprise SURPRISE 354/15

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BILD: WOMM

Editorial Spieglein in der Hand


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Inhalt Editorial Die Schweiz im Schnapsglas Unsere Lektüre Was Surprise-Verkaufende lesen Porträt Ein Leben für die Literatur Gewinnen Sudoku und Kreuzworträtsel In eigener Sache Impressum INSP Rätsel Lösungen der letzten Ausgabe

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Peter und Paul VON KLAUS MERZ

11 Meersicht VON CORINA LANFRANCHI

14 Das letzte Frites VON NOEMI SOMALVICO

16 Tirano VON FABIAN SAURER

20 Killer VON MITRA DEVI

24 Strömung VON DONAT BLUM

27 Sonntag VON MARTINA CALUORI

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BILD: ZVG

Die Illustrationen dieser Ausgabe stammen von Priska Wenger. Die freischaffende Illustratorin gestaltet seit vielen Jahren die Bilder zu unserer Gerichtskolumne «Zugerichtet» und hat bereits mehrere Sonderhefte von Surprise bebildert. Sie studierte Visuelle Kommunikation und Illustration an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Luzern. Priska Wenger lebt und arbeitet in New York und Biel.

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Was wir lesen Surprise-Verkaufende bieten Lesestoff nicht nur an, viele sind auch selbst begeisterte Leserinnen und Leser. Wir haben einige nach dem wichtigsten Buch in ihrem Leben gefragt. Negussie Weldai, 57, verkauft Surprise am Bahnhof Bern «Ich lese viel in meinem Deutschbuch, das ich noch von meinem letzten Deutschkurs habe. Dann lese ich gerade ein Buch in äthiopischer Sprache, das mir ein Freund ausgeliehen hat. Es ist eine Übersetzung aus dem Englischen. Es heisst ‹You can win› und es geht darum, dass man Schritt für Schritt die höchsten Ziele erreichen kann, wenn man sein Denken verändert. Davor habe ich ein historisches Buch über die Kolonialzeit in Eritrea gelesen. Täglich lese ich 20 Minuten und Blick am Abend, und ich informiere mich im Internet über die Situation in Eritrea. Die Zeit zum Lesen ist aber ziemlich knapp, ich mache vier Stunden am Tag Freiwilligenarbeit und ich muss Hefte verkaufen. Mit der Freiwilligenarbeit muss ich aber bald aufhören, denn ich beginne einen Deutschkurs, der drei Stunden am Tag stattfindet. Und daneben werde ich viel Zeit brauchen zum Lesen und zum Lernen.»

Marlis Dietiker, 65, verkauft Surprise am Bahnhof Olten «Am liebsten habe ich Bücher über den 2. Weltkrieg gelesen. ‹Unternehmen Barbarossa› zum Beispiel über Stalingrad oder ‹So weit die Füsse tragen›, über die Judenverfolgung. Oder auch Bücher über Kriegsgefangenlager, wie schlecht die Russen die Deutschen behandelt hatten, dass die Deutschen aber auch nicht besser waren. Der 2. Weltkrieg interessiert mich, weil meine Grossmutter mir früher von der Zeit erzählt hat und wie niemand etwas gewusst haben wollte. Sie hatte auch ein Ferienkind aus Ungarn auf ihrem grossen Bauernhof in Fribourg. Und ein Onkel von mir heiratete eine Österreicherin, die den Krieg miterlebt hat. Ich wollte mehr wissen, aber in der Schule lernten wir nichts über den 2. Weltkrieg. Da fing ich an, mir zusammenzusuchen, was ich fand. Heute lese ich kaum mehr, meine Augen sind nicht mehr so gut. Ich schaue dafür mehr Dokumentarfilme – jetzt kommt ja gerade wieder sehr viel über den 2. Weltkrieg.»

Ahmed Cabdicalin, 25, verkauft Surprise auf dem Neuweilerplatz in Basel «Ich spreche zwar besser somalisch, lese aber gern auf Deutsch. Auch wenn es sehr schwer ist. Oft verstehe ich nur wenig, und trotzdem macht es mir Spass. Vor allem Bücher über Geschichte lese ich gern. Das kann Basler Geschichte sein, Schweizer Geschichte oder auch die Geschichte Europas. Hat ein Buch gute Bilder, fällt mir das Verstehen einfacher. Das Lernen macht mir Spass. Ich gucke auch gern die Tagesschau im Fernsehen. Nachrichten von zuhause hole ich mir aus dem Internet oder ich gucke afrikanische Fernsehsender. Früher hab ich auch Bücher auf Somalisch gelesen, hier hab ich allerdings keine. Da ich ja jetzt in der Schweiz lebe, möchte ich gern mehr über die hiesige Geschichte erfahren. Andere Bücher als Geschichtsbücher lese ich nicht, lieber gucke ich Filme. Ich mag auch gern Comics, die sind gut zu verstehen und nicht so schwierig.»

Peter Conrath, 50, verkauft Surprise am Hauptbahnhof Zürich «Ich lese am liebsten Krimis, vor allem Jerry Cotton, die Groschenromane. Ich habe zuhause eine ganze Sammlung, mindestens 30 Stück. Ich las die schon in meiner Jugend. Sie sind relativ spannend geschrieben, keine schwere Literatur, bei der man viel mitdenken muss. Das Süffige ist mir wichtig, weil ich lese, um herunterzukommen. Ich habe eine Doppelbelastung mit meinem 80-Prozent-Job in der Migros-Gourmessa und meiner Tätigkeit bei Surprise als Stadtführer und Verkäufer. Ich muss so viel arbeiten, weil ich Schulden abzubauen habe. Da habe ich einen gewissen Druck. Diesen Stress verarbeite ich nicht durch Nichtstun, sondern indem ich mich hinsetze und lese. Unterschiedlich lange, eine halbe Stunde, wenn es mich packt, oder auch einzelne Kapitel. Aber im Moment habe ich so viel um die Ohren, dass ich gar nicht gross zum Lesen komme. Höchstens kapitelweise. Das funktioniert aber auch, weil ich die Geschichten ja schon kenne.»

Anita Pfister, 55, verkauft Surprise vor dem Coop Zürich-Tiefenbrunnen «Aktuell lese ich ‹Menschenware – wahre Menschen› von Pfarrer Sieber über die Jahrzehnte, die er mit Menschen am Rand der Gesellschaft gearbeitet hat. Kürzlich habe ich ‹Platzspitzbaby› von Michelle Halbheer gelesen, die darin ihre Kindheit mit einer drogensüchtigen Mutter aufarbeitet. Ich habe selbst einmal Drogen genommen, daher interessiert mich das sehr. Früher, im Gymnasium, mochte ich französische Literatur: Emile Zola und Eugène Ionesco. Mit Französisch fing ich auch an der Uni an. Aber gleich im ersten Semester mussten wir ‹La Princesse de Clèves› lesen, ein Roman über eine Adlige am Hof von Louis XIV. Das interessierte mich überhaupt nicht. Und ich war sowieso eher für la révolution als für Louis. Seit einer komplizierten Männergeschichte ist für mich aber das wichtigste Buch die Bibel. Nicht stehlen, nicht töten, treu sein: Das ist die richtige Anleitung fürs Leben.»

Josiane Graner verkauft Surprise in Basel am Neubad und in Bottmingen «Seit meiner Kindheit schon bin ich ein Bücherwurm. Meine Muttersprache ist Französisch, daher lese ich auch die meisten Bücher auf Französisch. Wenn ich etwas wissen will, lese ich Sachbücher, beispielsweise über Archäologie, Architektur, Physik oder Medizin. Auch das römische Recht finde ich spannend, das ist der Vorläufer unseres Rechtssystems. Ich bin ursprünglich Juristin. Derzeit beschäftige ich mich mit dem Thema Migration und der unsäglichen Situation im Mittelmeer. Oder auch in Asien, wo kaum jemand hinschaut. Zum Abschalten lese ich gern Thriller. Derzeit lese ich einen von Deon Meyer über Korruption in Südafrika. Mir gefallen auch Elizabeth George oder Jo Nesbø. Ich lese auch Schweizer Autoren, wie beispielsweise Dürrenmatt, allerdings ist das nicht gerade das Beste, was ich bisher gelesen habe. Ich habe einfach eine Schwäche für Thriller.»

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Porträt Eine Stunde mit Droste-Hülshoff Mit dem Büro für Kulturkooperation Artlink sorgt Chudi Bürgi für Vielfalt in Schweizer Bücherregalen. Die Tochter eines Dorfarztes steckt all ihre Energie in die Literatur. VON SARA WINTER SAYILIR (TEXT) UND ROBERT BEYER (BILD)

war früh an Krebs verstorben und hinterliess drei Kinder. Auch Bürgis Mutter starb jung. Der Vater heiratete zum dritten Mal, zwei weitere Kinder kamen mit ins Haus. Sechs Jahre später verstarb auch er, und Bürgi zog mit ihrer leiblichen Schwester zu einer ihrer älteren Halbschwestern. Ein Glücksfall für Bürgi, war doch die ältere Halbschwester mit einem Künstler, dem Eisenplastiker Josef Maria Odermatt, verheiratet, dessen Haus am Berg in Stans immer «etwas anders» war und viele interessante Menschen anzog. Gern erinnert sich Bürgi an ihre Anfangszeit als Journalistin zurück, als sie kurz nach dem Studium Anfang der Achtzigerjahre bei Radio LoRa eine eigene Literatursendung gestaltete. «Ich konnte da eine Stunde lang Annette von Droste-Hülshoff besprechen, ganz auf meine Art, samt Musikauswahl – das war toll.» Bürgi lächelt. Einzelschicksale und Erzählungen, das ist ihre Domäne. «Leute am Telefon nach Fakten ausquetschen, das konnte ich nie, aber ein gutes Gespräch mit einer Autorin wie Emine Sevgi Özdamar führen», das funktioniere immer, meint Bürgi. Über die Literatur bekomme man einen einmaligen Einblick in die Persönlichkeit eines Autors und dessen Lebensraum, das sei durch nichts ersetzbar. «Nichts Klischiertes, nichts Offizielles, sondern eine individuelle Sicht, das finde ich unglaublich spannend», so Bürgi. Chudi Bürgi liest nicht nur, sie schreibt auch. Allerdings mehr für andere als für sich selbst. Sie begleitet Autobiografien, wandelt Rohmanuskripte in lesbare Texte um und verpasst nicht-deutschsprachigen Au-

Volle, braune Haare hat Chudi Bürgi, mit einer kecken weissen Strähne im Stirnwirbel. Auffällig für jemanden, die nicht gern im Mittelpunkt steht und lieber in der Welt der Bücher versinkt. Amüsiert erzählt die Literaturbeauftragte des Berner Büros für Kulturkooperation Artlink, wie sie als Journalistin für die WOZ in den Achtzigerjahren ein Podiumsgespräch mit der marokkanischen Feministin Fatima Mernissi und der algerischen Politikerin Louisa Hanoune moderierte. «Auch noch auf Französisch, ich hatte ein totales Blackout», sagt Bürgi. So etwas möchte sie heute nicht mehr machen. Die 59-jährige lebt in Zürich-Albisrieden, in einer unauffälligen Siedlung mit funktionalen Mehrfamilienhäusern und einer kulturell gemischten Nachbarschaft, wie sie sagt. «Ich befürchte allerdings, dass es hier zu einer Aufwertung kommen wird und über kurz oder lang das Bunte des Stadtteils verschwindet», sagt sie am Esstisch ihres geräumigen Wohnraums mit offener Küche. Mit ihrem 18-jährigen Sohn Raoul, dessen Vater aus Angola stammt, gehört Bürgi selbst zu den bunten Familien des Quartiers und fühlt sich wohl auch deshalb sehr wohl dort. «Hier war er nie das einzige Café-aulait-Kind», sagt sie. Ihre Wohnung strahlt eine Art Ikea-Charme aus, nur ein dünner, langer, bunt bemalter Bambusstock sticht ein wenig heraus. «Das ist Kunst», sagt Bürgi verhalten lächelnd und schaut den buntgestreiften Stecken an, als sei er ihr nun erst wieder aufgefallen. Eine Freundin, Künstlerin, habe den Stock bemalt. Für eine studierte Germanistin und Berufs«Man baut eine ganz besondere Beziehung miteinander auf», leseratte stehen erstaunlich wenig Bücher herum. «Ich kaufe nur noch wenige Bücher», sagt Chudi Bürgi über die karibische Go-Go-Tänzerin, die im erklärt Bürgi. Stattdessen durchstöbert sie reZwei-Finger-System 300 Seiten über ihr Leben getippt hatte. gelmässig die Zürcher Zentralbibliothek und trifft andere Bibliophile wie den ehemaligen Afrikakorrespondenten des SRF, Ruedi Küng. Mit ihm fachsimpelt sie toren auf Deutsch den letzten Schliff. «Go Josephine go» war das erste über die neuesten Romane aus dem anglo- und frankophonen Afrika. Buch, das sie auf diese Weise bearbeitete. «Die Autorin Paula Charles «Ist einmal eine Neuerscheinung, die ich suche, bereits ausgeliehen, gewar eine Go-Go-Tänzerin aus der Karibik, die in der Schweiz im Zweihe ich davon aus: Ruedi war schon da», sagt Bürgi und lächelt. Sie freut Finger-System 300 Seiten über ihr Leben getippt hatte», erzählt Bürgi, sich, wenn jemand ihre Leidenschaft teilt. immer noch sichtlich beeindruckt von der Begegnung. Eine tolle Arbeit Chudi Bürgi liest viel, schnell und quer. Beim Berner Büro für Kulsei das gewesen. «Es ist eine ganz besondere Art von Beziehung, die turkooperation Artlink sorgt sie dafür, dass Schreibende aus Asien, Afriman da miteinander aufbaut.» Wenn die Schreibenden am Ende das Geka und Lateinamerika in der Schweiz an Bekanntheit gewinnen, berät fühl hätten, es sei ihre Sprache, obwohl Bürgi ihren Text stark verändert immigrierte Autoren, wie sie im hiesigen Literaturbetrieb Fuss fassen habe, dann sei das wohl etwas, was sie könne, meint Bürgi. können, und fungiert als zentrale Ansprechperson für Literatur aus dem Nebenbei ist Kulturvermittlerin Bürgi im Vorstand von Litprom, dem globalen Süden und Osten. Dabei verfolgt sie den Anspruch, NeuerVerein zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika scheinungen im Original lesen zu wollen, weshalb Lateinamerika wegen mit Sitz in Frankfurt am Main. Über den Anderen Literaturklub, den Litdes fehlenden Spanisch manchmal etwas zu kurz komme. «Wenn ich prom gemeinsam mit Artlink betreibt, versendet Litprom vier Mal im mich mit einem Autor nicht richtig unterhalten kann, kann sich auch Jahr ausgewählte Neuerscheinungen an seine Mitglieder, über 800 sind keine richtige Beziehung ergeben», so Bürgi, die kein Fan von Oberes in der Schweiz. Darüber hinaus richtet Bürgi mit Artlink hin und wieflächlichkeiten ist. Merklich tut es ihr leid, dass ihr neben Englisch, der auch eigene Literaturveranstaltungen aus. Im Literaturbereich lohne Französisch und Deutsch keine weiteren Sprachen für den unbegrenzsich der Aufwand allerdings nur für besondere Leckerbissen, wie den ten Literaturgenuss zur Verfügung stehen. Ein wenig Türkisch habe sie gemeinsamen Auftritt der albanischen Sängerin Elina Duni mit ihrer mal gelernt, ein bisschen Persisch und Italienisch. Zum Lesen reiche es Mutter, der Autorin Bessa Myftiu, vor drei Jahren, wie Bürgi zugibt. aber nicht. «Ausser bei Shootingstars oder Lokalmatadoren ist leider das Interesse Aufgewachsen ist Chudi Bürgi in Stans, als jüngste von sieben Genicht allzu gross», so Bürgi. Sie selbst hingegen findet noch heute jede schwistern. Ihre Mutter war die zweite Frau des Dorfarztes, die erste Begegnung mit einer Autorin oder einem Schriftsteller faszinierend. ■ SURPRISE 354/15

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Peter und Paul VON KLAUS MERZ

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jeden Herbst einmal, um zum Rechten zu sehen und gründlich sauber Der Lehrer sass vor seinem Bierglas voll Schnaps und betrachtete zu machen. Während dieser Zeit blieb der Lehrer jeweils aus. durch den Frühnebel die Welt. Wenn er das Glas bis zur Hälfte geleert In der einen Hand trug die Tochter das schwarze Reiseköfferchen, in hatte, wurde ihm sein letztes Schuljahr bis zur Pensionierung jeweils der anderen eine Papiertragtasche aus La Chaux-de-Fonds. Sie brachte absehbar. «Es wird schon gehen», sagte er, und Paul am oberen Tischdie Reinigungsmittel und Gummihandschuhe aus ihrem eigenen Hausende nickte. Er trank seinen sauren Most wie immer aus dem braunen halt mit, um unnötige Kosten zu sparen. Paul konnte ihr nicht helfen. Er Tonkrug ohne Henkel, mit einem Schuss Eigenbrand darin. «Damit es stand nur überall im Weg. Deshalb blieb er meist in der Küche sitzen, nicht kältet.» wenn sie fegte. Wenn Paul von der Arbeit einen feuchten Rücken hatte, wechselte er Bevor sie sich in die geblümte Ärmelschürze stürzte, ging die Tochsein Unterhemd bis zu fünf Mal am Tag. Er besorgte nur noch seine ter ins Dorf. Als sie zurückkam, stand schon Schweiss auf ihrer Stirn. sechs Schweine. – Früher hatte er tagsüber an der Drehbank gestanden, Sie legte je ein Stück Käse auf die Holzzungen der gekauften Mausefalein Rucksackbauer mit Gewerkschaftsausweis, der seinen Tieren, wenn len, spannte die Federn und verteilte die Fallen in der Küche und unter es sein musste, mit dem warmen Morgenurin alle vier Läufe einrieb, beder Ofenbank. vor er seine Schicht antrat. Sie begann im nordseitigen Zimmer zu putzen, wo schon lange nieDie beiden Nachbarn am Küchentisch redeten wenig miteinander. mand mehr wohnte, und ärgerte sich wie jedes Jahr über die feuchten Der Lehrer zündete sich eine Zigarette an, Paul saugte an der leeren Stellen hinter der Waschkommode, den alten Riss in der MarmortischMorgenpfeife. Wahrscheinlich war er der Einzige im Dorf, der gut verplatte. Der Regulator mit der defekten Unruh liess seine Zeiger hängen. stehen konnte, dass Peter ins Trinken gekommen war. Und sein Schnaps Homberg-Schwinget 1924, 2. Preis, stand in eingravierten Buchstaben reute ihn nie: auf dem Messingschild, das auf den groben Sockel des Uhrgehäuses geSie göhnd ned under, wöll sie suufe. schraubt war. Sie suufe, wöll sie undergöhnd, In der Küche sass Paul am Tisch und hatte Angst um Ida. Er meinte zitierte er manchmal einen Mundartdichter, dessen Namen er am Raunter den Schruppgeräuschen die kleine Stimme der Maus zu vernehdio nicht richtig verstanden hatte. Aber der Vers gehörte, wie sein Konmen, wäre am liebsten aufgestanden und hätte mit seinem Stock alle firmandenspruch, wonach der Herr sein Hirte sei, weshalb ihm an Fallen entladen, liess es aber bleiben, da er sich vor der Heftigkeit seinichts mangeln werde, zu Pauls eisernem Bestand. ner Tochter fürchtete, die er im hinteren Zimmer weiterrumoren hörte. Kurz vor acht stand Peter jeweils auf und bedankte sich für den – Es fiel ihm auf, dass sie während ihrer Arbeit ununterbrochen mit sich Trunk. Paul blieb sitzen. Er wog noch immer hundertzwanzig Kiloselber sprach, und er war froh, dass er jeden Tag seinen Lehrer zum Regramm und war einmal bärenstark gewesen. Erst als er die siebzig überden hatte. – Da schnappte die Falle hinter dem Holzkorb zu. Ida lag mit schritten hatte, liessen seine Kräfte allmählich nach, und er musste an zusammengeklemmtem Hals auf dem Käse und war tot. einem Stock gehen. Seine Frau, die viel dünner und kleiner gewesen war Paul spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. Wahrscheinlich hätals er, war begreiflicherweise schon lange tot. Auf ihrem Grabstein hatte er Milch und Brot auf den Tisch erbrochen, wäre seine Tochter nicht te er für seinen eigenen Namen Platz offen gelassen. Zwischen den Beaus der Kammer getreten mit dem Schrubber in der Gummihand und eigonien und Stiefmütterchen wuchs jedes Jahr wilder Farn. nem bösartigen Leuchten in den Augen. «Bald ist wieder Ordnung im Am Morgen, bevor der Lehrer kam, trank Paul seinen Milchkaffee mit Haus», sagte sie, griff nach der Maus. Paul öffnete den Mund, aber es Brotbrocken darin, um für den ganzen Tag einen Boden zu haben. Das kam kein Ton heraus. Erst als er sie mit dem toten Tier in der Hand Mittagessen brachte ihm die Lehrersfrau im Aluminiumkessel, damit es durchs Küchenfenster auf den Miststock zugehen sah, rief er ihr zornig warm blieb auf dem Weg und nichts verschüttet wurde. Abends wärmnach: «Ja du, mit deiner Ordnung, verstehst ja gar nichts!» Seine Stimte er die Reste auf. me drang nicht durch die Doppelverglasung. Peter schaute seit Jahren regelmässig zu Paul hinein. Sie waren beiPeter verstand sofort, was geschehen war, als er am Abend des danahe Freunde. Und am Nachmittag kam seit Wochen immer die Maus. rauffolgenden Tages bei seinem Nachbarn hereinschaute. Er hatte in der Paul wartete am Tisch, bis er sie aus dem Loch gucken sah. Dann Küche noch Licht gesehen und war ohnehin schon wieder so unerträgschnalzte er leise mit der Zunge und lockte sie mit einem Stück Käse oder dem beiseitegelegten Wurstzipfel zu sich heran. Ida lief vorsichtig bis zu den grossen, Erst als er sie mit dem toten Tier in der Hand auf den Miststock schwarzen Schuhen. Sie liess sich von den zugehen sah, rief er ihr zornig nach: «Ja du, mit deiner Ordnung, breiten, ein wenig zittrigen Fingern auf den verstehst ja gar nichts!» Küchentisch heben und begann zu fressen, sobald sie oben war. Paul schaute mit zufriedelich nüchtern. Peter bot Paul zwei weisse Mäuse aus seiner Schulhausnem Gesicht zu, fuhr ihr mit dem Zeigefinger über den kühlen Schwanz. zucht an, kippte die kalt gewordene Gemüsesuppe in den Saukübel. Es hatte Wochen gedauert, bis Ida so zutraulich geworden war und Paul winkte dankend ab. er sich an den Gedanken gewöhnt hatte, dass einzelne Mäuse auch etKurz vor Mitternacht tranken sie zusammen aus einem Glas. Der was anderes als eine Plage sein konnten. – Peter roch immer ein wenig Most im Tonkrug war längst ausgegangen. nach seinen weissen Mäusen, die er sich im Schulzimmer hielt. Als «L’eau de vie, das Wasser des Lebens», übersetzte der Lehrer, als er Trost und zur Ablenkung von seinen grossen, schwierigen Schülern. – den letzten Schluck direkt aus der Flasche nahm. Paul mochte ihm nicht Erst seit sich Paul selber die Ida hielt, kam ihm diese Art von Tierhalwidersprechen, bot ihn aber für den kommenden Tag definitiv zu tung nicht mehr so mickrig vor. Schreibarbeiten auf: «Das Testament und ein Rundschreiben», sagte er. «Du musst keine Angst haben», sagte er manchmal zu ihr, wenn sie Ihre Einigkeit machte sie stark. aus irgendeinem Grunde zusammenzuckte und zu fressen aufhörte, Am nächsten Tag stellte sich jedoch heraus, dass man sich das Tes«ich bin ja da.» Die Katzen liess er nicht mehr ins Haus. tament sparen konnte, da Paul keines seiner Kinder mehr enterben Aber als eines Tages plötzlich die Küchentür ging, ohne dass Besuch wollte. Die ohnmächtige Wut auf seine reinliche Tochter hatte sich im erwartet wurde, fuhr auch Paul zusammen. Ida floh über seinen Bauch, Laufe der langsamen Morgendämmerung wieder zu lichten begonnen. das linke Hosenbein hinunter, quer durch die Küche in ihr Loch. Pauls «Sie hat es ja nicht besser wissen können», sagte Paul zu Peter und verTochter stand bleich im Türrahmen: «Du hast ja Mäuse im Haus!», bat sich weiteren Rat. schrie sie entsetzt und vergass zu grüssen. Seit Mutter tot war, kam sie SURPRISE 354/15

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de-Fonds und ins Berner Oberland. Zum Achtzigsten werde man bestimmt länger bleiben und die Blumen nicht vergessen wie dieses Mal. Er könne es auch nicht ändern, sagte Paul und bestellte einen zweiten Marc zum Verdauen. Mitte Februar traf man einander wieder in einem grösseren Saal. Das gleiche Menü, der gleiche Wein. Auch entferntere Verwandte waren dabei. Schon nach der Suppe fielen die ersten Witze. Alle blieben bis zum Abend sitzen. Es wurden Lieder gesungen. Und Pauls überzähliges Grabbouquet schmückte den längsten Tisch. ■ © Aus: Klaus Merz, FÄHRDIENST, Bd. 3 der Werkausgabe, Haymon Verlag, Innsbruck 2012

BILD: ZVG

Blieb noch das Rundschreiben. In der Schönschrift des Lehrers lud Paul seine Tochter und die vier Söhne samt Familien zu seinem neunundsiebzigsten Geburtstag ins Wirtshaus ein. Die ausgeflogenen Enkelkinder sollten separat angeschrieben werden, alle. Das war bis anhin noch nie vorgekommen, dass Paul zu einem Fest geladen hatte, und Peter wollte ihn dazu überreden, noch ein Jahr zu warten, um dann den Achtzigsten gebührend zu feiern. Paul schüttelte den Kopf und blieb bei der ungeraden Zahl, stopfte seine Pfeife neu. «Dieser verdammte Schmerz immer», klagte der Lehrer beim Schreiben und legte seine freie Hand auf die Leber. Auf den Telefondrähten, die vom Haus wegführten, reihten sich, früh dieses Jahr, schon die ersten Schwalben auf, stellte Paul fest und lachte leise in sich hinein, als er bemerkte, wie der Lehrer beim Kalligraphieren seine Zungenspitze zwischen die kurz gewordenen Zähne schob. Der Herbst hatte nur Regen und faule Nüsse gebracht, viel Obst fürs Fass. Im Bären schlug Paul kurz vor dem Essen ans Glas und wünschte seiner kleinen Gesellschaft, es waren nicht alle gekommen, guten Appetit. Man hob ihm die Gläser entgegen, ein schwerer französischer Wein. Für sich selber hatte Paul einen Liter vom Gewöhnlichen bestellt. Er sass breit am Tischende und atmete hörbar durch die Nase beim Essen. Fast ein Leben lang habe der Lehrer auf seine Entlassung aus dem Schuldienst gewartet, erzählte er seinem ältesten Enkel, er solle sich davor in Acht nehmen als Studierter. Wie eine Kohle sehe Peters Leber jetzt aus, schwarz und hart. Er liege im Neubau in einem automatischen Bett. Die Schwarzwäldertorte war der Tochter aus dem Welschland zu mastig, dennoch ass sie ihr Kuchenstück restlos auf. Schon kurz nach dem schwarzen Kaffee erhoben sich die ersten Verwandten, verabschiedeten sich unter Entschuldigungen. Es sei halt ein weiter Weg bis La Chaux-

Klaus Merz, geboren 1945, lebt als freier Schriftsteller in Unterkulm. Jüngste Publikationen: «Der Argentinier: Novelle»; «Unerwarteter Verlauf» (Gedichte 2011 – 2015), erscheint bei Haymon, zudem eine siebenbändige Werkausgabe, herausgegeben von Markus Bundi. Merz wurde für sein Werk vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Hermann-Hesse-, dem Gottfried-Keller- und dem Friedrich-Hölderlin-Preis. Klaus Merz verbringt den Sommer im Schatten und daheim. SURPRISE 354/15


Meersicht VON CORINA LANFRANCHI

An der Hand des Grossvaters war es einfach, über den grossen Platz zu gehen. Meistens erreichten wir nicht mal die Mitte, bis er zum ersten Mal stehen blieb, um mit einem Mann, seltener mit einer Frau, ein paar Worte zu wechseln. Grossvater kannte das ganze Dorf. Die erste Aufmerksamkeit galt in der Regel mir, dem Grosskind. Er war stolz auf mich, und ich war stolz auf ihn. Ich hatte es gerne, wenn ich seine laute, warme Stimme hörte, und am Ende der Gespräche lachte er oft. Später begriff ich, dass die kurzen Wortwechsel häufig in eine jener Redensarten mündeten, die man gewöhnlich für Fragen bereithält, auf die es keine Antwort gibt. War beispielsweise ein Verstorbener zu beklagen, hörte ich Grossvater sagen: La vita e fatta a scale, chi le scende e chi le sale, das Leben ist wie eine Treppe, die einen steigen hoch, die anderen hinunter. Ich sah, wie er mit den Schultern zuckte und dabei lachte. Es war einer meiner Lieblingssätze, nicht weil ich ihn verstand, sondern wegen seinem melodiösen Rhythmus. Ich sagte ihn nach, und bei «scale», und das war das Spiel, setzte Grossvater ein und wir sprachen ihn gemeinsam zu Ende. An Grossvaters Hand war es leicht, über den grossen Platz zu gehen. Später wurde das anders. Als ich mit Grossvater zum letzten Mal auf einen Berg stieg, reichte ich ihm bereits bis zu den Schultern. Wir waren an diesem Tag früh losgegangen. Das Ziel war die Sternenspitze, 2800 Meter über Meer. Lange schon wollte ich auf diesen Berg, allein deswegen, weil dort oben, und nur dort, die blauen Sternenblumen wuchsen. An Grossvaters Stubenvitrine hing eine Fotografie. Darauf sah man eine blau gepunktete Wiese. Mit der Lupe betrachtet entpuppten sich die Punkte als Sterne. Bei jedem Besuch bei ihm drängte ich darauf, endlich dort hinaufzusteigen, er vertröstete mich immer auf später. Jetzt war später, und als wir an diesem Morgen den Platz überquerten, hielt er mich nicht mehr an der Hand. SURPRISE 354/15

Es gab kaum einen Gipfel in seinem Tal, den ich mit ihm noch nicht erkundet hatte. Grossvater folgte dabei nie den ausgeschilderten Wanderwegen, und eine Karte nahm er auch nicht mit. Wir erreichten das Ziel immer, denn er kannte jeden Bach und jede Wiese und jeden Wald und er wusste genau, von welcher Seite die Gipfel zu erobern waren. Der Weg zum Sternenberg verlief am Anfang in ausladenden Serpentinen, später mündete er in einen verwilderten, steilen Trampelpfad. Wie immer wanderten wir wortlos. Es war das erste Mal, dass nicht er, sondern ich vorausging. Manchmal drehte ich mich um, sah den alten Mann hinter mir, der für mich nicht wirklich ein Alter besass. Einmal kreiste ein Bartgeier über uns, die Luft war klar, ein Tag im Spätsommer. Als ich zu einem Felsenband kam, blieb ich stehen. «Wenn wir das hinter uns haben, sehen wir die Sternenwiese», hörte ich ihn hinter mir sagen, «und von dort ist es dann nicht mehr weit zum Meer.» «Zu welchem Meer?» Ich bekam keine Antwort, Grossvater war schon dabei, über die kantigen Felsen zu klettern, jetzt war ich es wieder, die ihm folgte. Den letzten Schritt nahm er mir ab, und es war fast wie früher. Lagen damals grosse Felsblöcke auf unserem Weg, packte Grossvater mich um die Hüften, hob mich hoch, und mir war immer, als flöge ich über die Berge hinweg. Heute allerdings streckte er mir bloss seine Hand hin und zog mich über die steil abfallende Kante auf das flache Plateau hinauf. Als ich mein Gleichgewicht wieder gefunden hatte, sass Grossvater schon auf einem Stein und war dabei, aus seinem alten, immer wieder geflickten Stoffrucksack den üblichen Wanderproviant hervorzuholen: ein grosses Stück Brot, ein Viertel Laib Käse, ein Fläschchen Wein, für mich gab es Wasser. Die Rast folgte immer dem gleichen Muster: Zuerst brach er das harte Brot in zwei Teile, dann schnitt er mit dem Messer den Käse in Stücke, und während wir assen, erklärte er mir die Bergwelt. So hörte ich von den vier Windrichtungen und dass jeder Berg deswegen minde-

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Die Besuche bei Grossvater wurden mit der Zeit seltener. Manchmal stens vier Gesichter habe. Nur die Menschen hätten noch mehr, pflegte fehlte er mir, dann fuhr ich spontan zu ihm. Ich mochte den alten Mann er dabei zu sagen. sehr, doch meine Besuche galten nicht nur ihm allein. Ich suchte etwas, Auch an diesem Tag war es so. Während ich ein Stück Brot und bei ihm, in seinem Leben, in seinem Tal. Nur wusste ich nicht, was es war. gleichzeitig den Käse in den Mund schob, nannte er mir die Namen der Klopfte ich an seine Wohnungstüre, schlug mein Herz heftig. Wie umliegenden Berge. Und fügte dann hinzu: «Kannst du dir vorstellen, würde er aussehen? Würde er noch etwas in sich gekehrter sein als das dass hier einmal alles Wasser war? Als Europa und Afrika sich ausletzte Mal? Freute er sich? dehnten und dabei der Meeresboden aufgerissen wurde, schoben sich Kaum hatte ich die Türe geöffnet, hörte ich sein «Chi è?» Meistens Felsen, Steine und die schwere Erde zusammen und begannen sich aufsass er in seinem grossen Sessel. Als ich noch klein war, teilten wir uns zutürmen. Und so entstanden die Alpen.» Ich sah Grossvater erstaunt diesen. Ich kletterte auf seinen Schoss, seine Arme lagen auf der Seian. So hatte ich ihn noch nie reden gehört. Ich versuchte mir seine erdtenlehne und gaben mir das Gefühl, auf dieser Welt könnte mir nie etkundlichen Ausführungen vorzustellen, vergeblich, ich sah nur Wasser. was passieren. Unterdessen war der Stoff abgewetzt, und auf GrossvaUnd dann sagte er: «Auf einem Gipfel zu sitzen bedeutet, das Meer zu sehen. Man braucht nicht nur Wurzeln, man braucht auch Flügel.» Ich schaute ihn an, wie Ich hatte mir nie überlegt, ob sich hinter Grossvaters sichtbarem Leben er auf dem Stein sass, mit einem Stück Brot in vielleicht noch ein anderes verbarg. Soweit ich jedoch wusste, war er der Hand, vertraut. Ich hatte mir nie überlegt, kein einziges Mal an irgendein Meer gefahren. ob sich Grossvater jemals gewünscht hätte, an einem anderen Ort zu sein. Und ob sich hinter ters Knien lag eine grüne Häkeldecke. Grün war auch die Glaslampe, die seinem sichtbaren Leben vielleicht noch ein anderes verbarg, ein unfervon der Decke hing und spärliches Licht warf. Ich konnte mich nicht ertig gelebtes, eines, das er irgendwann abgebrochen hatte. Soweit ich jeinnern, dass sie ein einziges Mal nicht gebrannt hätte. doch wusste, war er kein einziges Mal an irgendein Meer gefahren. Sah er mich in das Zimmer kommen, erhob er sich langsam, um«Wenn um uns das Meer ist, dann sitzen wir jetzt auf einer Berginsel», armte mich, kniff in meine rechte Backe und strich mir dazu über den sagte ich halb ernst, halb lachend. Ob er deswegen gerne auf Berge Kopf. Dann schlurfte er in die Küche und kochte Fencheltee, immer gab stieg? Ich unterliess die Frage, ich hatte den Eindruck, dass er mir eben es Fencheltee. etwas anvertraut hatte. Und Geheimnisse, das würde ich später erfahAuch bei meinem letzten Besuch war es so. Wir sassen am Tisch und ren, sollte man nicht berühren. er erzählte, wer gerade gestorben war und was sich im Dorf sonst noch Die Sternenwiese hatte ich beinahe vergessen. Erst jetzt sah ich den ereignet hatte. Er schimpfte über die neue Signalanlage, es war die erste von dunklen Sternenblumen übersäten Hang. Grossvater schimpfte und einzige im Tal, und mein Grossvater fand, die teure Einrichtung nütnicht, als ich eine Blume abknickte.

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rauf, dass ich es auch ohne ihn gut machen würde. Ich verliess seine ze einen alten Hut. Dann erzählte er von der kaputten Glocke im KirchWohnung, und als ich über die gepflasterten Strassen ging, fühlte ich turm und dass das halbe Dorf zugeschaut habe, als der Glöckner am Seil seine Hand in meiner. hochkletterte, um diese zu ersetzen. Weiter hörte ich vom neuen Das Foto hängte ich in meiner Küche auf. Je länger es dort war, desto Kirchenchordirigenten, der nach langen Jahren im Ausland mit neuer mehr gehörte es zu mir. Manchmal streifte mein Blick das Bild unbeabMusik zurückgekehrt war, die nun den Chor in zwei Fraktionen spaltesichtigt und ich beachtete es nicht weiter, manchmal dachte ich dabei te. Dies allerdings kümmerte Grossvater wenig, er ging kaum noch in die Kirche, auch deswegen nicht, weil für den alten Pfarrer noch keine adäquate Nachfolge Er antwortete: «Vergiss die Inseln nicht.» «Wie meinst du das?», fragte gefunden worden war. Das beunruhigte Grossich in die Stille der Küche hinein. vater etwas, er hätte gerne gewusst, wer ihn zum Grab begleiten würde. Er nahm meine an Grossvater. Sein Tod lag schon eine Weile zurück, doch es fühlte sich Hand, sein Griff war noch immer fest, und sagte: «Gottes Kordel hängt noch immer an, als sei in mir etwas weggebrochen. Ich suchte nach einicht mehr so hoch wie auch schon.» Von den Bergen redete er damals nem Bild dafür und fand den Felsblock, auf dem Grossvater bei unserem nicht. Ich war versucht, danach zu fragen, ob er das Meer vermisse, doch letzten Mittagessen sass. Kann man einen Menschen wirklich verlieren, ich unterliess es. wenn er tot ist? Was bleibt, wenn er geht? Wenige Wochen nach diesem Besuch hielt ich die Todesanzeige in Unvermittelt vernahm ich Grossvaters Stimme. Sie war so warm und den Händen. Ich rechnete seine Lebensjahre nach, 88, eine schöne Zahl, sonor, wie ich sie in Erinnerung hatte. Er sprach vom Meer. Was ihm um zu sterben. denn dieses bedeutet hätte?, hörte ich mich laut fragen, und er antworEinen kurzen Moment lang hatte ich das Gefühl, ich fiele nach vorne, tete: «Vergiss die Inseln nicht.» «Wie meinst du das?», fragte ich in die in ein Nichts hinein, und niemand stehe da, um mich aufzufangen. Ich Stille der Küche hinein. ballte meine Hände zu Fäusten, um meine Kraft zu spüren. Ich hatte mir Ich betrachtete das Bild mit der Sternenwiese. Ich kniff die Augen zunie vorgestellt, was Grossvater alles mitnehmen würde, wenn er ging. sammen, bis die blauen Punkte flimmerten. Und plötzlich fingen sie an, Es war ein wolkenloser Tag. Der Sarg lag schon im tiefen Erdloch, ich sich zu bewegen, und es kam mir vor, als tanzten sie auf Wasser. schaute hinauf zur Sternenspitze. Die Vorstellung, dass Grossvater in ■ diesem opulent geschmückten Sarg lag, war einfach grotesk. Sein Tod erweiterte meinen Lebensraum um die Facette des Unbegreiflichen, denn wirklich fassbar war er nicht. Ich war traurig, gleichzeitig fühlte ich eine Leichtigkeit. Ich war mir sicher, dass Grossvater diese enge Holzkiste längst verlassen hatte, und plötzlich sah ich ihn über uns hinweg schweben, Kursrichtung Sternenwiese. Ich stellte mir vor, wie auch ich dort sein würde, wir würden zusammen aufs Meer schauen und beiläufig würde ich ihn fragen, ob sich das Tot-Sein wie ein Inseldasein anfühlte und wie sich dort leben liesse. Das Geräusch der Schaufeln, mit denen die Bestatter Erde in die Grube schütteten, verschluckte seine Antwort und holte mich auf den Friedhof zurück. Ich sah gerade noch, wie die letzten Lilien unter der dunklen Erde verschwanden. Die Trauergemeinde bewegte sich Richtung Dorfplatz. Der Leichenfeier stattete ich einen kurzen Besuch ab, Grossvater zuliebe. Dann schlenderte ich allein durch das Dorf. Ich beobachtete meine Schritte, um herauszufinden, wie es war, ohne ihn über den grossen Platz zu gehen. Ich suchte seine Wohnung auf. Die Türe war wie immer offen, alles war noch so, wie ich es in Erinnerung hatte. Auf dem Tisch lag das karierte Plastiktuch, ungelesene Zeitungen stapelten sich, zuoberst lag die Lupe, sie beschwerte einen Briefumschlag. In Grossvaters krakeliger Schrift stand mein Name darauf. Ich nahm den Umschlag. Ich löste behutsam die Klebestelle. Er enthielt das Foto mit der Sternenwiese. Erst jetzt sah ich, dass es nicht mehr an der Vitrine hing. Ich schaute das Bild an, mit einem Male vernahm ich Grossvaters Stimme, wie er mir an jenem Spätsommertag, als wir zum Sternenberg hochstiegen, vom Meer erzählte. Seine Stimme hörte sich so lebendig und nah an, als stände Grossvater neben mir. Plötzlich hatte ich das seltsame Gefühl, ich würde jetzt gleich auch jene Worte hören, die er mir damals vorenthalten Corina Lanfranchi ist 1962 in Basel gebohatte – verbales Strandgut, das auf seine Berginsel angeschwemmt worren. Ausbildung zur Buchhändlerin, danach den war und das er mir nun vermachen würde. Mein angestrengtes HorStudium der Journalistik, Germanistik und chen war jedoch vergeblich. Theaterwissenschaft in Fribourg, Bern und Ich schaute mich in der Wohnung um. Vielleicht hatte er hier noch Basel. Seit 2006 tätig als freischaffende Jourein paar Worte hinterlassen, doch ausser dem Briefumschlag fand ich nalistin und Autorin. nichts. Ich zupfte am Plastiktischtuch, dann setzte ich mich in den alten Sessel, strich über die abgewetzten Stellen auf der Armlehne. GrossCorina Lanfranchi wird im Spätsommer vater war einfach eingeschlafen, nach einem langen Leben, in dem es mit dem Nachtzug Richtung Rumänien fahglückliche und unglückliche Momente gegeben hatte. Er vertraute daren und auf dem Velo Siebenbürgen erkunden.


Das letzte Frites VON NOEMI SOMALVICO

Sie haben gesagt, sie essen jetzt noch eine Portion Pommes Frites, und wenn das letzte Frites gegessen ist, so wird auch ihre Beziehung zu Ende sein. Mirko hat bezahlt, 5.50 für diese winzige Portion im roten Karton, 5.50 für diese letzte halbe Stunde. «Willst du noch Ketchup? Oder Mayonnaise?», hat er gefragt. Sie hat durch die Scheibe des Selbstbedienungsrestaurants nach draussen gesehen, ein Pony aus Plastik stand dort, auf dem man gegen eine Münze reiten konnte. «Nein, kein Ketchup.» Pommes, nackt. Draussen sitzen sie sich gegenüber, um sie herum ein paar klobige Holztische, ein paar Bäume, durch die die Sonne ihr Licht streut. Das ist jetzt also das Ende, die letzte Szene den beiden; sie blättert durch eine Zeitschrift, lacht. Drei Sonnenbrillen sind dort abgebildet, eine mit schwarzen, eine mit rosa und eine ohne Gläser. «Rosa Brille für eine schwarze Welt», liest sie vor, «übermässiger Gebrauch kann zu einem verzerrten Weltbild führen.» Mirko streckt eine Hand aus. Sie erkennt die geröteten, abgerissenen Häutchen rund um sein Zeigefingernagelbett, die Narbe von einer Baumschere, die Schramme von seinem Velosturz, und sie greift in den Karton. Kaut. «Das ist eine blöde Metapher», bemerkt sie, «diese Pommes Frites.» Sein Leermondbier ist auch so eine blöde Metapher oder ihr Zitronensaft, den sie in der Tasche versteckt hält, um ab und zu einen Schluck davon zu trinken. «Ist dir schon mal aufgefallen, dass ich schmatze?», fragt sie. Mirko schüttelt den Kopf. Sie haben beide sagen hören, dass der Frühling noch nie so schön gewesen sei wie in diesem Jahr. Nun kratzt sie etwas, das aussieht wie getrocknete Vogelkacke, mit seinem Handy vom Tisch. Er nimmt ihr das Gerät aus den Händen, schält es aus seiner Hülle. Mit dieser Hülle als Schaber splittert der Dreck sofort ab. Sie kennt das Abwärtsschaukeln seiner Mundwinkel, wenn er so lächelt wie jetzt. Sie kennt auch diese Augen, ihre Durchlässigkeit, seine Angewohnheit, ein T-Shirt am Abend nach dem Duschen anzuziehen, um es einen Tag lang zu tragen, kennt die Nase aus der Froschperspektive, sie kennt die Hitze zwischen den Oberschenkeln, das Salz auf der Stirn. Sie weiss nicht, ob sie jetzt extra langsam essen soll. Ob das Ende dadurch besser wird. Vergänglicher. Verdaulicher.

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«Ich bin fröhlich und todtraurig.» «Dem sagt man …» Mirko sucht nach dem passenden Wort. «Kummer.» «Kummer?» «Ja, das ist etwa die siebte Vorstufe von Trauer.» Sie fragt nicht, auf welcher Stufe er sich befindet, wühlt in ihrer Tasche, will ihm noch was schenken. «Aber nein», sagt er, «sicher nicht.» «Auch keinen Salat?» «Du hast Salat dabei?» Ihre Schultern stossen aneinander. Die Sonne sinkt, er schwitzt. «Gehen wir noch ein paar Schritte?» Sie stehen also auf, gehen noch ein paar Schritte. Er trägt den roten Karton vor sich her, als stünde er in Flammen. Links von ihnen der kleine Zoo, die Ponys, die Ziegen, die Enten. «Als Kind hatte ich zwei Ziegen, die haben wir dann vor unserem Umzug diesem Zoo geschenkt.» «Ach ja?» «Das ist über zehn Jahre her, die sind wahrscheinlich längst gestorben …» «Aber vielleicht ihre Kinder …» «Ja, die vielleicht.» Der Fluss zieht einiges an Wasser mit sich, noch keine Schwimmer, dafür ein Grün, das keine Sicht auf den Grund erlaubt. «Gehen wir im Sommer mal hier baden?» Er antwortet nicht, streckt ihr den brennenden Karton hin. «Nimm eins.» Sie kennt die forsche Stimme, die seinen Kummer zu verdecken sucht, und nimmt zwei Pommes auf einmal. «Ich habe Blasen», sagt sie. Und er meint, ihre Schuhe sähen auch aus, als wären sie gekauft worden, um nichts als chic zu sein. Sie setzen sich auf eine Bank. «Diese Eitelkeit verliert sich mit dem Alter», fügt er hinzu und zieht die wenigen Jahre zwischen ihnen in die Länge. Der Abschied, der unten im roten Karton liegt, ist kurz und schlecht frittiert. «Ich pflanze morgen Radieschen.» «Sprich besser nicht von morgen.» «Ich pflanze Radieschen, dann putze ich …» «Hör auf. Mit allem, was du jetzt noch sagst …» «Hast du Handcreme?» SURPRISE 354/15


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«Wenn wir uns mal am Bahnhof begegnen sollten, winke ich dir vielleicht zu.» «Dann winke ich zurück.» Mirko führt das Pommes in Richtung Mund. «Tschüss», sagt er und schluckt das Frites, ohne es gekaut zu haben. Steht auf, geht. Sie bleibt, nimmt den roten Karton in ihre Hände, die Sonne steht tief. Sie klappt den Karton auseinander, will ihn zusammenfalten. Aus einer Zwischenwand purzelt ein Pommes Frites. Ein winziges, dunkles, und landet im Gras. ■

Noemi Somalvico, geboren 1994 in Solothurn, schreibt Erzählungen, Briefe, Auftragspoesie und studiert derzeit am Schweizerischen Literaturinstitut. Sie lebt in Biel und Bern und auf der Strecke dazwischen.

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Mirko packt seine Handcrème aus dem Aussenfach seines Rucksacks, und sie drückt sich eine Portion in die Handinnenfläche, zerreibt sie, reibt sich auch den Hals mit ein. «Was pflanzt du sonst noch an?» «Mais und eine Bienenwiese.» Sie zieht den Duft ihrer Hände in sich auf. Ein brauner Labrador nähert sich, schnuppert im Gras rund um ihre Füsse, dann an ihren Knien. Mirko legt schützend eine Hand über das letzte Pommes, doch der Hund wedelt bloss mit dem Schwanz, trippelt weiter. «Warum nicht das Ende unserer Beziehung einem Hund überlassen?» Sie klingt enttäuscht. «Das möchtest du?», und Mirko spricht einen hohen Mann an, der die Leine des Labradors mit sich trägt: «Entschuldigung!» Der Mann verzögert seine Schritte. «Möchten Sie ein Pommes Frites?» Mirko präsentiert ihm das Stummelchen im roten Karton. Das Gesicht des Mannes verzieht sich, er geht weiter. «Wir wären wirklich sehr froh, wenn Sie dieses Pommes Frites essen könnten!», ruft Mirko halblaut hinterher. «Hör auf! Ein Mann ist doch nicht dasselbe wie ein Hund.» «Aber ein Magen ist ein Magen.» «Dann iss es doch selber.» Mirko greift in den Karton, er scheint darauf zu warten, dass sie den Kommentar zurücknimmt, und beginnt das Pommes Frites wie eine Spieluhrballerina zwischen seinen Fingern zu drehen. «Das war wirklich sehr schön mit dir.» Er spricht zum Pommes Frites, das von allen Seiten betrachtet bleich und ohne Maserung ist. «Finde ich auch.»

Noemi Somalvico fände es schön, den Sommer auf der Alp zu verbringen.

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Tirano VON FABIAN SAURER

junge Frau verschwindet kurz in der Küche, kommt mit einem Bier und In Samedan steigt er aus. Es erstaunt mich nicht mehr, als er keine einem Aschenbecher zurück. Das nächste Mal bringt sie einen Teller mit Anstalten macht, den Bahnhof zu verlassen, sondern bloss nach einer Bruscette. Der Reisende hat das Bier noch nicht zur Hälfte ausgetrunMöglichkeit sucht, diese Reise nicht enden zu lassen. Er entdeckt die ken, als die Kellnerin im Küchenschurz einen weiteren Teller bringt. Rhätische Bahn. Mit dem Bernina-Express über die Alpen nach Italien. Rohschinken und Salami. Seine Ankunft in Italien könnte nicht mehr Was für ein Tag. Der Reisende ist unersättlich. Ich befürchte bereits, ihn seinen Vorstellungen entsprechen. Er verzichtet auf ein weiteres Bier, heute noch bis ans Meer begleiten zu müssen. «Hast du eigentlich Feum die Fremde ungetrübt wahrzunehmen. rien?», frage ich ihn. Zu diesem Zeitpunkt tritt eine weitere Figur in die Erzählung. Eine Wie eine Blindschleiche schlängelt sich der Zug die verschneiten HänFrau erscheint am Tisch des Reisenden und fragt ihn etwas. Der Reisenge hinauf, immer weiter und höher. Wie kamen Menschen auf die Idee, de versteht die Frage nicht und schaut sie verwirrt an. «Are you a touhier Schienen zu bauen? Auf beiden Seiten stechen Gebirgsmassive steil rist?» fragt sie nun. «Yes», antwortet der Reisende, selbst erstaunt darüin die Höhe, ansonsten gibt es nichts. Blendend weisse Flächen voller ber, wie stolz er das zugibt. Die Fremde lacht. Deutet auf den Tabak, der Schnee und die winzige Spur der Schienen, denen der Zug brav folgt. auf dem Tisch liegt. «Hast du Zigarettenpapier?», und weiter, «warum «Nächster Halt Bernina Diavolezza», verkündet eine Frauenstimme sitzt du draussen bei dieser Kälte?» Die Kellnerin kommt in den Innennach sechs Stunden Zugfahrt durch die Lautsprecher. Die Sonne scheint durch die Wolken und glitzert im Schnee. In Poschiavo hält der Zug, infolge Bauarbeiten Mit einem Glas Rotwein setzt sie sich an seinen Tisch und schaut kann er nicht weiterfahren. Umsteigen auf das ihn an, gerade so, als würde sie durch ihn hindurch mich ansehen. Postauto. Die Menschen sprechen nicht mehr Ihre Schönheit erschüttert uns. deutsch. Auch nicht mehr rätoromanisch. Hier wird italienisch gesprochen. Das Postauto pashof und bemerkt die Frau, die sich mit dem Reisenden unterhält. «Elisiert Brusio, fährt aus dem Tal hinaus über die Grenze. In Tirano steigt sa!», ruft sie und umarmt sie und fragt, ob sie etwas trinken möchte. Elier aus und spaziert in Richtung Altstadt. An einem Bankomat hebt er sa zögert, schaut den Reisenden prüfend an. fünfzig Euro ab. Bravo, sage ich zum Reisenden, du hast es bis nach AlMit einem Glas Rotwein setzt sie sich an seinen Tisch und schaut ihn banien geschafft. Der Reisende scheint jedoch ungefähr zu wissen, wo an, gerade so, als würde sie durch ihn hindurch mich ansehen. Ihre er sich befindet. Schönheit erschüttert uns. Es ist plötzlich, aus dem Nichts, aufgetaucht, dieses Gefühl des Am Morgen des nächsten Tages sitzt der Reisende in ihrer Küche in Fremdseins. Der Reisende trägt keine Vergangenheit mit sich herum, Tirano und trinkt Kaffee. Dazu raucht er eine Zigarette, deren Rauch kennt keine Strasse beim Namen, keine Kneipe. sich in der kleinen Küche unscheinbar ausbreitet. Plötzlich ist er depriEine hübsche Frau in einem Küchenschurz kommt auf ihn zu, fragt, miert. Das darfst du nicht, sage ich ihm. Was willst du denn noch mehr, was er möchte. «Ein Bier, bitte», sagt er. «Was für ein Bier», fragt sie verum glücklich zu sein, frage ich. Elisa duscht. Gestern, kurz nach Mitlegen und in schlechtem, aber durchaus verständlichem Englisch. Als ternacht, hat der Reisende die Erzählung verlassen. Erst heute Morgen sie vorschlägt, eines aus der Region zu bringen, ist er einverstanden. Die SURPRISE 354/15

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ges», dränge ich den Reisenden. Sie gehen quer über die brachliegenhabe ich ihn wiedergefunden. In dieser Küche in der Altstadt. Elisa den, zum Teil verschneiten Felder. Auf einer Eisscholle rutscht der Reikommt aus dem Bad. «Ich hatte im Sinn, meine Eltern zu besuchen heusende aus. Elisa lacht, hilft ihm nicht auf. «Siehst du das Kreuz da te. Sie leben in Sondalo, das ist ungefähr eine Stunde von hier. Wenn du oben?», fragt Elisa. «Dahinter beginnt deine Schweiz.» willst, kannst du mitkommen.» Draussen scheint die Sonne, im Radio Autofahrt nach Roncaiolo. Die Strasse steigt steil an. Kurve um Kurwünscht ein Moderator einen «Buongiorno» an alle Zuhörer. Der Reive kommen sie der Ortschaft näher und entfernen sich von Tirano, imsende putzt sich die Zähne mit dem Finger und Elisas Zahnpaste. Er mer kleiner werden die Häuser. duscht auch, hat aber keine Ersatzkleider dabei, zieht wieder dieselben «War es Enzo? Der, der dich verlassen hat?» an. Und fühlt sich trotzdem sauberer. Er macht auch etwas von Elisas «Ja.» Deo an. Ohne zu fragen. «Sie wird es merken, du Idiot», warne ich ihn. «Ich sah seinen Namen auf dem Schild unter deiner Türklingel.» Was hätte Elisa wohl lieber, fragt sich der Reisende. Dass ich im Auto «Ja. Wir lebten zusammen. In dieser Wohnung. Bis er mich eines Taneben ihr nach Schweiss rieche, oder dass ich von ihrem Deo anmache ges verlassen hat. Aus dem Nichts …» ohne zu fragen? Um ihn von seinen grauen Gedanken abzulenken, emp«Verfluchte Männer», sagt der Reisende, und ich frage mich, wie er fehle ich dem Reisenden, nicht an morgen zu denken. «Geniess den itadas meint oder wozu er das sagt. «Nein, Enzo ist kein Mann. Enzo ist lienischen Samstag. Sabato Italiano.» Er hört mir nicht zu. Denkt nicht nicht einmal ein Tier …» nur an morgen, sondern auch an übermorgen und an die vielen Tage daNiemand sagt etwas. Der Reisende ist überfordert und kommt mit nach. Dieser winzige Befreiungsschlag aus dem Alltag wird nicht lange diesem plötzlichen Hass nicht klar. Sag etwas, dränge ich ihn. AntworWirkung zeigen, gesteht er sich ein. «Was ist denn so schlimm an deite etwas. Ohne Worte fahren sie die kurvenreiche Strasse hoch. In jeder nem Alltag?», frage ich ihn. Er ignoriert mich. Als wäre ich nicht da. Was zweiten Kurve blendet den Reisenden die Sonne. mache ich in der Küche einer Frau, die sich mittlerweile die Haare föhnt, Zusammen gehen sie einkaufen. Sie kauft Hibiskus-Tee. «Was braufragt sich der Reisende. Zum Küchenfenster hinaus sieht er in einen che ich?», fragt sich der Reisende laut. «Fleisch, Käse, Wein?» «Wir hastark baufälligen Innenhof. Drei Stöcke umranden die kubische Luftben noch eine Flasche zu Hause.» Das wir klingt schon beängstigend säule im Innenhof, Balkone rahmen das Bauwerk ein. Jegliche Fensternach Vertrautheit. Er sagt: «Aber die war ein Geschenk.» – «Die trinken scheiben sind eingeschlagen, Verputz bröckelt ab, die Türflügel fehlen wir zusammen.» Der Reisende kauft eine Zahnbürste. Sie lacht. Er habe allesamt. Es wäre ein schönes Haus. Ich könnte es kaufen und renoviesich die Zähne bisher mit dem Finger geputzt, rechtfertigt er sich. Jetzt ren. Und dann Elisas Nachbar werden. Der Reisende denkt schon lange muss Elisa noch mehr lachen. Zahnpasta kauft er nicht. Sonst wüsste an andere Sachen: Wieso drohe ich plötzlich wieder in diese unantastsie auch gleich, dass er bisher ihre benutzt hatte. Ohne zu fragen. bare Gleichgültigkeit zu gleiten? Ich lache ihn aus. «Gleichgültigkeit?» Elisa und der Reisende beim Metzger. Er kauft Rohschinken. ZusamNicht jede Frau fasst es als Kompliment auf, wenn man sie dünn men scherzen sie über die gefährliche Maschine, die hinter der Theke nennt. Elisa zum Beispiel antwortet, als der Reisende ihr sagt, dass sie steht. Um Fleisch zu schneiden. Dem Metzger fehlen tatsächlich zwei noch mehr Essen vertragen könnte, dass sie das oft genug höre und einFinger. «Wie viel?» fragt er. Der Reisende weiss es nicht und sieht Elisa fach nicht gerne zu viel esse. Damit ist die Sache vom Tisch. an. Elisa mustert ihn konzentriert von Kopf bis Fuss und antwortet Rückfahrt aus Sondalo. Elisa öffnet den blauen Fiat Punto, setzt sich dann, «130 Gramm.» Der Reisende will auch Käse kaufen. Der Metzger hinters Steuer und dreht eine Zigarette. Der Reisende öffnet die Beifahsagt: «Willst du von diesem probieren?» Er spricht weiter, während der rertüre und setzt sich neben sie, nachdem er seinen Blick über das Tellinatal hat schweifen lassen. Sie rauchen. Elisa schliesst die Tür und schaut ihn von der Seite Und als er in ihrer Küche sitzt und Wein trinkt, Barbera d’Asti, an. «Madonnina de la Neve», wiederholt er für während sie telefoniert, und raucht, versucht er, den Augenblick zu sich selbst. Elisa lacht. «Es gibt dort eine winerleben, während ich abschweife und an eine andere Frau denke. zige Kirche und drei alte Häuser.» Am Hang stehen vier riesige, dunkelrote Bauwerke – das Reisende isst. «Wirklich gute italienische Produkte findest du nur in Itaehemalige Sanatorium. Elisa folgt seinem Blick und sagt: «Das haben die lien. Es gibt sie nirgends sonst.» Beim Einpacken ergänzt er: «Wie die Faschisten bauen lassen, dazumal.» – «Also waren sie doch zu etwas zu Frauen.» Der Reisende versteht nicht sofort. «Die schönsten italienigebrauchen?» Die Häuser sind wunderschön. – «Um Tuberkulose zu heischen Frauen findest du nur in Italien.» Elisa lächelt zwar, findet aber, len.» Elisa lächelt matt, wirft die Zigarette aus dem heruntergekurbelten dass man Frauen und Käse nicht vergleichen sollte. Fenster und fährt los. Sie hat viele Gesichter, diese Frau, denkt sich der Nach dem Einkaufen gehen sie zum Coiffeur. Parrucchiere Smile an Reisende. Er könnte sich durchaus vorstellen, während der holprigen der Piazza Marinoni. Die Inhaberin stammt aus China und nennt sich Fahrt seine Hand auf ihren Oberschenkel zu legen. Sie trägt helle Jeans. Wang Qiang. Als der Reisende erzählte, dass er seine Haare schneiden Helle Jeans und braune Stoffschuhe. In einer Kurve hält Elisa den Wamöchte, hat Elisa vorgeschlagen, zu Madame Wang zu gehen. Madame gen an. Sie steigen aus. Die pastellfarbene, abblätternde Fassade des Wang ist freundlich. Sie bittet den Reisenden, Platz zu nehmen. Ohne Kirchleins leuchtet in der Sonne. Davor stehen frisch gepflückte Blumen zu fragen, was er wünsche, beginnt sie damit, seine Haare zu schneiin einer Vase. «Ist da jemand gestorben?», möchte ich wissen. Der Reiden. In dieser Welt voller Entscheidungen, die getroffen werden müssende folgt Elisa auf dem schmalen Pfad um die Kirche herum. Er versen, kommt es dem Reisenden gerade recht, im Coiffeursalon nicht vor gisst mich einmal mehr. Unbeschwert geht er neben ihr durch den kahdie Wahl gestellt zu werden. Elisa lässt sich auch die Haare schneiden. len Wald und fragt, wo denn die drei alten Häuser wären? Elisa zeigt mit Madame Wang verlangt je acht Euro. Oh, du siehst schön aus mit dem der Hand in Richtung Tal und sagt, dass jetzt ein kleiner Spaziergang neuen Haarschnitt, sagen sie sich gegenseitig und lachen und meinen es vonnöten sei. Weiter unten, weit weg, glänzt das verschneite Sondalo in ernst. Zu Hause telefoniert sie, er raucht Zigaretten in der Küche. Und der Wintersonne. Die Gegend wirkt unbelebt. Die drei alten Häuser sind als er in ihrer Küche sitzt und Wein trinkt, Barbera d’Asti, während sie es auch. Einfache Bauwerke aus Stein am Hang. Der Reisende sieht ins telefoniert, und raucht, versucht er, den Augenblick zu erleben, wähTal hinunter, die Sonne blendet ihn, seine Augen verengen sich zu winrend ich abschweife und an eine andere Frau denke. zigen Schlitzen. Elisa trägt eine Sonnenbrille. «Wie heissen die Berge Elisa sagt, dass sie Safranrisotto machen wird. «Klingt gut», sagt der dort?» fragt er. Elisa weiss es nicht. Der Reisende lacht. «Nur Grossväter Reisende. «Du Lügner!», sage ich ihm. «Seit wann magst du Risotto?» wissen solche Dinge.» – «Dann wäre mein Vater ein guter Grossvater.» «Du hast ja gar keinen Fernseher», hat der Reisende vor ein paar MinuJetzt lacht auch Elisa. «Frag sie, ob sie Kinder haben möchte, eines Ta-

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kein Star», sagt er. «Das ist ein Luì piccolo.» «Ein was?» «Luì piccolo. Das ten gesagt. «Nein», hat sie geantwortet. Elisa kommt in die Küche. «Hast ist jedenfalls sein italienischer Name.» Der Reisende schaut Elisa skepdu Hunger?» «Ein wenig», sagt der Reisende. Sie rauchen. Das Telefon tisch an. Sie zuckt bloss mit den Schultern. «Schon möglich», sagt sie. klingelt erneut. Elisa rollt mit den Augen, legt ihre halbgerauchte ZigaDer Reisende zündet sich eine Zigarette an, gibt etwas Zucker in den rette sorgfältig in den Aschenbecher. «Pronto?» Später kommt sie zurück Kaffee, rührt. Die Sonne scheint ihm ins Gesicht. «Seit wann nimmst du in die Küche und sagt, sie habe keine Lust, Safranrisotto zu kochen. Aus Zucker?» fragt Elisa. «Ich mache das manchmal», sagt er. In der Ferne erdem Gefrierfach holt sie eine Packung gefrorener Meeresfrüchte. Creklingen die Glocken einer Kirche. «Woran denkst du?» fragt Elisa nach vetten, Wasserschnecken, Muscheln und Teile von Tintenfischen, Kaleiner kurzen Stille. Der Reisende zögert, sagt eine Weile nichts, sagt maren und Krabben. Sie öffnet den Wein aus dem Piemont. Stellt zwei Teller mit je einer Gabel auf den Küchentisch. Als wäre es so in der Hausordnung vorgeWeisst du was, Reisender, versuche ich ihm zu sagen, du magst schrieben. Ebenso selbstverständlich stossen alles, das nichts mit dir zu tun hat. Du liebst alles Fremde. Ein versie kurz darauf mit gefüllten Weingläsern an. steckter Ausdruck deines Selbsthasses. Der Reisende hofft, dass sie den Wein mögen wird. Elisa kennt sich aus mit Weinen. Er steht dann aber, dass er eben daran gedacht habe, wie schön manchmal alles auf und öffnet das Küchenfenster. Draussen ist es schwarz. Aus dem Rasei. Elisa schaut an ihm vorbei und sagt nichts. Woher kommt dieser dio kommt Serenata Rap von Jovanotti. Die Meeresfrüchte in der BratErnst? Als würden beide den bevorstehenden Abschied verdrängen. Beipfanne beginnen zu knistern. Die Reisende entfernt die Pfanne hastig de sagen nichts. «Magst du Extra Vergine Olivenöl?» fragt der Reisende von der Gasflamme. Elisa lacht und sagt, jetzt seien es Meeresfrüchte schliesslich, und Elisa lächelt etwas verspätet, nachdem sie ihren Blick aus dem Schwarzen Meer. Der Reisende lässt vor Lachen die Zigarette von der Ferne abwendet und wieder ihn anschaut. Ihr melancholisches fallen. Es klopft an der Wohnungstür. Die Nachbarin steht davor. Elisa Lächeln ist wunderbar. «Im April habe ich Ferien. Ich könnte dich bebittet sie herein. Sie stellt die beiden einander vor. «Das ist der Reisensuchen.» – «Ja», sagt der Reisende. «Das wäre schön.» Er möchte noch de, und er spricht nicht italienisch. Das ist Giade.» Damit ist alles gesagt. ein Bier trinken und etwas essen und dann zusammen mit Elisa zurück Giade sagt: «Ciao Viaggiatore.» Sie starrt den Reisenden an, fragt aber nach Tirano fahren. Elisa wirkt verletzlich. Sie wirkt so alleine. Sollte er nichts. «Merda, ich muss los», sagt sie plötzlich. Der Reisende und Elibei ihr bleiben? «Nein», sage ich. Aber er weiss es selbst. Der Reisende sa essen Spaghetti mit Früchten aus dem Schwarzen Meer. Giade arbeierschrickt. Sie sitzen in diesem Café und benehmen sich, als wären sie tet im Spital. Heute hat sie Nachtschicht. Elisa erklärt das dem Reisenein Paar. «Was denkst du kostet ein Ticket bis zu dir», fragt sie. Es den. «Möchtest du noch ausgehen?», fragt sie nach dem Essen. «Nicht scheint ihm, als würde sie jeden Tag so dasitzen und ihm solche Fragen unbedingt», sagt der Reisende. Dann gehen sie spazieren. «Warum hast stellen. du dich geschminkt?», fragt der Reisende. Elisa lacht. «Ich habe mich ab«Dein Zug fährt bald», bricht sie endlich das Schweigen. Der Reisengeschminkt, im Gegensatz zu dir. Deine Lippen sind immer noch dunde bezahlt die zwei Kaffee und geht ihr voran über die kleine Brücke kelrot!» Ich denke, dass sie den Reisenden genau ansehen musste, um zum Bahnhof. Er möchte ihr etwas sagen. Sagt es aber nicht. Sie verdie Röte seiner Lippen im Schein einer Strassenlampe beurteilen zu könsteht es vielleicht trotzdem. Eine letzte Umarmung. Ein Pfiff des Bahnnen. Sie gehen durch die Altstadt von Tirano. Vorbei am Parrocchio San hofvorstehers. Der Zug fährt ab. Der Reisende weiss, dass sie sich nicht Martino. Vorbei am Municipio, das leuchtet, weil es von Scheinwerfern wiedersehen werden. angeschienen wird. Über die Via San Giacomo erreichen sie nach weniIch hingegen bin mir nicht ganz sicher. gen Minuten den Fluss. «Was machst du hier in Italien?» fragt Elisa. «Ich ■ weiss es nicht», antwortet der Reisende. Sie schaut ihn beim Weitergehen von der Seite an. «Möchtest du noch in die Vineria gehen? Oder ins Bobos? Möchtest du nach Hause gehen?» Sie stellt so viele Fragen, weil sie denkt, der Reisende sei unglücklich. «Nach Hause?», wiederholt der Reisende den letzten Teil ihrer Frage. «Wo wäre das? Bei dir oder bei mir?» Elisa lacht verlegen und boxt ihn in die Seite. In der Vineria bestellt Elisa eine Flasche Rotwein. Weisst du was, Reisender, versuche ich ihm zu sagen; du magst alles, das nichts mit dir zu tun hat. Alles, das in keiner Verbindung zu dir steht. Du liebst alles Fremde. Ein versteckter Ausdruck deines Selbsthasses. Elisa hat den Reisenden vorgewarnt. Im Bobos wimmelt es von Betrunkenen. Sie setzten sich an die Bar. Alle sind kostümiert. Karneval. Eine fünfzigjährige Geisha stellt ihnen zwei Biere hin. Die Barhocker sind gemütlich, auch Aschenbecher fehlen nicht. Der DJ spielt Gangnam Style von Psy. Die Verkleideten tanzen dazu wie Bären im Karottenregen. «Komm», sagt Elisa irgendwann. «Lass uns gehen.» Er erwacht zu spät, um neben ihr aufzuwachen. Sie duscht bereits. Fabian Saurer, geboren 1986 in Matten Als sie aus der Dusche kommt und sich vor ihm anzieht, als würde die bei Interlaken. Berufslehre als Metallbauer. Hausordnung das so vorschreiben, schlägt sie vor, mit dem Auto nach Wohnhaft in Biel, fast am See. Seit 2013 StuPoschiavo zu fahren. Vor dort kannst du den Bernina Express nehmen. dent am Schweizerischen Literaturinstitut in Die Sonne scheint, als wäre Frühling. Elisa und der Reisende sitzen Biel. auf der Terrasse des Ristorante Centrale in Poschiavo. Pastellfarbene Fassaden umfassen den Platz, gegenüber steht die Kirche mit ihrem hoFabian Saurer verbringt den Sommer mit hen Turm. Ein Star singt. «Hör mal, einige Zugvögel sind bereits wieder Dolcefarniente am Bielersee. da.» Der Kellner bringt Kaffee. Er hat dem Gespräch zugehört. «Das ist


Killer VON MITRA DEVI

Mein Name ist Killer, und ich bin auch einer. Das ist kein Witz. Es gibt unzählige Nachnamen, die gleichzeitig Berufe bezeichnen. Bauer, Müller, Gärtner, Zimmermann, um nur einige zu nennen. Gar nicht so selten kommt es vor, dass jemand nach einem Beruf benannt ist und ihn auch ausführt. So wie ich. Zum Glück haben meine Eltern mich Konrad getauft und mir nicht den Vornamen Profi gegeben. Das wäre dann doch zu auffällig gewesen. Auffälligkeiten sind in meiner Branche das reinste Gift. Übrigens eine meiner bevorzugten Methoden – Gift. Nebst Ertränken, Erdrosseln, Erwürgen und den Klassikern Kugel-in-den-Kopf, Kissen-aufs-Gesicht, Föhn-in-die-Wanne. Oder der rustikalen Jenseitsbeförderung: dem Schubs ins Güllenloch. Letzteres konnte ich in meiner Laufbahn bereits einmal bei einem Hochschulprofessor anwenden, und ich muss sagen, sein Strampeln in der stinkenden Jauche mitzuerleben, war nicht ohne. Meiner Meinung nach die unangenehmste Todesart. Ein paar Minuten habe ich mir damals ernsthaft Gedanken über meinen eigenen Tod gemacht. Bis das Blubbern verebbte und wieder Stille herrschte im wüsten Loch. Doch eigentlich sind mir solche Grübeleien fremd. Ich habe keinen Grund zur Sorge. Laut Statistik erreichen die meisten Auftragskiller ein hohes Alter und sterben erstaunlich oft in einem gemütlichen Schaukelstuhl, eine Pfeife mit aromatischem Tabak im Mund, ein Glas Rotwein und ein angefangenes Schachspiel neben sich. Ich gehe zuverlässig und diskret vor. Ich habe über zehn Jahre Berufserfahrung und einen durchtrainierten Körper. Sixpack ist untertrieben, Twelvepack trifft es eher. Ich bin mit einem einnehmenden Lächeln ausgestattet, wie man mir immer wieder versichert. Ein Dutzend Tote gehen auf mein Konto. Jeder einzelne von ihnen war auf irgendeine Weise ein Kotzbrocken. Das jedenfalls behauptet mein Chef. Ich glaube ihm. So zu arbeiten, ist angenehmer als mir auszumalen, welch lie-

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benswürdige Personen ich um die Ecke bringe. Aber im Grunde ist es mir egal, Auftrag ist Auftrag. Ich stelle keine Fragen. So habe ich es immer gehalten. Bis heute. Wer sich an unsere Firma wendet und genügend Geld hinblättert, kann sich eines verhassten Menschen (firmenintern Reisegast genannt) entledigen. Der Chef kennt weder meinen Namen noch hat er andere persönliche Informationen über mich, das gehört zum Konzept. Ich habe ihn noch nie gesehen, keiner von uns kennt ihn. Sein Büro ist am Ende des Gangs, die Tür stets verschlossen. Einige von uns munkeln, es gebe ihn gar nicht, der Raum sei leer und wir kommunizierten mit einer Maschine. Normalerweise bekomme ich den Auftrag einige Tage vor dem Stichdatum, mit gewünschter Sterbedestination, optimaler Mordmethode und Foto des Todgeweihten. Heute lag ein schwarzer Briefumschlag in meiner Box. Es ist immer ein schwarzer Briefumschlag. Ich las den Inhalt. Auf der Karte stand: «Reisegast: Konrad Killer. Sterbeort nach Wahl, Tötungsart nach Gutdünken.» Dann folgten meine Adresse und mein Geburtsdatum. Ein Foto von mir, auf dem ich dümmlich in die Kamera grinse, war an die Karte geheftet. Jemand hatte mich auf mich selbst angesetzt. Das war nicht wirklich lustig. Meine Arbeit gut und verlässlich auszuführen, wie ich es immer tat, schien nicht empfehlenswert. Den Auftraggeber ausfindig zu machen und ihn zu überzeugen, seine Bestellung zurückzuziehen, hatte ebenfalls keinen Sinn. Der Betrag war bereits überwiesen worden. Ohne Rückgaberecht. Davonlaufen ging nicht, die Firma findet einen überall. Was sollte ich tun? Wir sind hier geschult, psychologische Feinheiten wahrzunehmen. Deshalb war das Wichtigste, dass ich mein Pokerface bewahrte. SURPRISE 354/15


te hindurch und betrat kurz darauf die Panda-Bar. Der hinterste Tisch Ich steckte den Briefumschlag in meine Hosentasche, schloss die Box neben den Toiletten war noch frei. Wie immer roch es penetrant nach und schlenderte zum Aufenthaltsraum. Ein paar Kollegen sassen an den Zitronenreiniger, der den Uringeruch übertünchen sollte, stattdessen Bistrotischchen. Fred nickte mir zu und Samira, die neben ihm sass, aber eine hundsgemein stechende Mischung ergab. Ich schüttelte die schaute mich kurz an. Ich konnte ihren Blick nicht deuten, hatte es noch nie gekonnt. Manchmal meinte ich, nichts als Verachtung und Stolz wahrzunehmen. Dann Sie war unsere Beste. Das mussten wir uns neidlos eingestehen. Sie wieder war ich sicher, dass sie für mich etwas hatte doppelt so viele Leute erledigt wie wir alle zusammen. übrig hatte, es aber nicht zeigte. Sie sah umwerfend aus. Typ Wildkatze. Schwarze Haare, Regentropfen von meinem Mantel, hängte ihn über die Stuhllehne und die in grossen Locken auf ihre Schultern fielen, karamellfarbener Teint nahm Platz. Die vorderen Tische waren von Männern mittleren Alters und tiefschwarze Augen, in denen niemals Zweifel und Zögern lagen, besetzt, die Bier tranken und sich anschwiegen. Eine einzige Frau sass sondern jederzeit Entschlossenheit. beim Fenster, las einen dicken Schmöker und kaute an ihren FingerSie war unsere Beste. Das mussten wir uns neidlos eingestehen. Sie nägeln herum. Aus dem Lautsprecher über mir jammerte Bill Withers hatte doppelt so viele Leute erledigt wie wir alle zusammen, darunter «Ain’t no sunshine». einen ultrakonservativen Politiker, einen Olympiasieger und eine im teNun, damit hatte er nicht ganz unrecht. xanischen Todestrakt auf ihre Hinrichtung wartende Mehrfachmörderin; Ich konnte mir nicht erklären, wer es auf mich abgesehen hatte. Doch irgendwer hatte der Gefangenen die Giftspritze missgönnt und stattdesein Irrtum war ausgeschlossen. Fehler passieren in unserer Firma nicht. sen Samira angeheuert, das Sterben Stunden dauern zu lassen. Selbstmitleid durfte ich mir nicht erlauben, geschweige denn Sorge oder Ich erwiderte Samiras Blick, peilte die Kaffeemaschine an und liess Angst. Ich musste einen kühlen Kopf bewahren und das Richtige tun. mir einen Espresso heraus. Ich trank ihn in einem Zug. Das Gebräu «Only darkness every day …», sang Bill Withers, und ich stimmte schmeckte scheusslich, verfehlte aber nicht seine Wirkung. Es macht eiihm zu, obwohl ich normalerweise ein optimistischer Mensch bin. nen hellwach und missmutig – gute Voraussetzungen für unseren Job. Rita, die Panda-Wirtin, an die hundertfünfzig Kilo schwer, mit Ich schmiss den Becher in den Papierkorb, murmelte eine undeutliche schwarz-weiss gefärbter Frisur (um dem Namen ihres Lokals gerecht zu Verabschiedung und verliess den Raum. Ich muss zugeben, dass mein werden), kam mit breitem Lächeln auf mich zu geächzt. Herz einen Tick schneller schlug als sonst. Ob wegen Samira oder auf«Das Übliche, schöner Mann?» Rita war über achtzig und schäkerte grund meines neuen Status als kommender Reisegast, weiss ich nicht. mit mir, seit ich das erste Mal ihre Spelunke betreten hatte. «Das ÜbliOkay. Als Erstes in Ruhe nachdenken. Aber nicht hier. che, meine Süsse», gab ich zurück. «Wieder viel los heute? Böse Jungs Ich verliess das Büro und ging um den Häuserblock. Es regnete in fassen, für Recht und Ordnung sorgen, Herr Kommissar?» Strömen. Ich schlug den Kragen hoch, eilte unter den Schirmen der LeuSURPRISE 354/15

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Als wir weit abseits jeglicher Dörfer bei einem verlotterten BahnüberIrgendwann hatte Rita beschlossen, ich sei Polizist. Vermutlich, weil gang hielten, verkündete Samira: «Hier sind wir.» Sie schaute auf ihre ich tagsüber keinen Alkohol trank. Ich liess sie in dem Glauben. Sie Uhr, dann auf die rot-weisse Barriere vor uns und fuhr fort: «In dreieinwälzte sich zum Tresen, kehrte mit einem Glas Milch zurück, stellte es halb Minuten kommt der Zug. Zieh dich aus.» vor mich hin, murmelte etwas, das nach «armer, schöner Kommissar, «Wie bitte?» immer so viel Arbeit» klang, dann verschwand sie in der Küche. «Wir haben keine Zeit für lange Erklärungen. Vertrau mir, Killer. Leg Ich trank meine Milch, erstellte innerlich einen Schlachtplan, wie ich deine Kleider ab.» meine Ermordung verhindern würde, wobei ich mir die berühmtesten Es gibt Momente, da fragt man nicht lange nach, da tut man, was geSchach-Eröffnungen zum Vorbild nahm. Das Wichtigste war, den König tan werden muss. Das war so ein Moment. Im Rekordtempo riss ich mir zu schützen – mich. Dann Springer, Türme und Bauern strategisch gut den Mantel vom Leib, dann Socken, Hemd und Hose. zu platzieren, eventuell eine Rochade in Betracht zu ziehen, abzuwä«Alles», sagte sie. gen, vorauszudenken, zu kämpfen. Ich war gerade dabei, den finalen Ich starrte sie an. Einsatz der Dame zu planen, als sie hereinkam – die Dame. «Keine falsche Scham. Eine zweite Chance kriegst du nicht.» Samira. Ich verkniff mir etwelche Einwände und entledigte mich auch noch Schwarze Locken, feucht vom Regen, Karamellteint, Wildkatzenmeines Shirts und meiner Unterhose. Splitterfasernackt sass ich neben blick. Weil so was in all den Jahren, seit ich diese Kneipe frequentierte, noch nie vorgekommen war, hatte ich meine Gesichtsmuskeln für einen Moment nicht un«Hier sind wir.» Sie schaute auf ihre Uhr, dann auf die rot-weisse ter Kontrolle. Meine linke Augenbraue hob Barriere vor uns und fuhr fort: «In dreieinhalb Minuten kommt der sich einen Nanometer, was Samira nicht entging. Noch schlimmer: Der Körperteil unter Zug. Zieh dich aus.» meiner Gürtellinie reagierte. Was bedeutete, dass ich nicht mehr richtig denken konnte, wie Samira, in deren Gesicht kein Muskel zuckte, und spürte, wie mein Puls wohl jeder nachfühlen kann. Samira lächelte hintergründig, als sie auf sich beschleunigte. Sicherheitshalber legte ich meine Hände auf mein mich zukam. bestes Stück. Meinen Tod zu verhindern, war ja gut und recht, doch des«Konrad Killer», sagte sie mit ihrer tiefen Stimme, während sie sich halb brauchte ich mir noch lange keine Blösse zu geben. mit der Selbstverständlichkeit der geborenen Gewinnerin neben mich «Noch zweieinhalb Minuten», sagte sie. «Steig aus.» setzte, «ich werde dir helfen.» Ich schob jeglichen Gedanken an die Absurdität der Situation von Mit einem Fingerschnippen gab sie Rita, die um die Ecke lugte, zu mir, stürzte aus dem Auto und wurde sogleich von einem Regenguss verstehen, sie nehme das Gleiche wie ich. Die biervernebelten Stammüberschüttet. Samira öffnete die Fahrertür, eilte um den Mustang herum gäste tauchten kurz aus ihrem Delirium auf, starrten auf Samira, die hier und klappte den Kofferraum auf. so fehl am Platz wirkte wie ein Diamant im Scheisshaus, und setzten Ich sah die Leiche darin. zum Sabbern an. Als sie sich sattgesehen hatten, widmeten sie sich wieEin Mann, bleich, verkrümmt, von ähnlicher Statur wie ich. Nackt. der der Erhöhung ihrer Promille. Rita brachte Samiras Bestellung, nicht Gesichtslos. Ein sauberer Schnitt hatte das Haupt des Mannes abgeohne einen argwöhnischen Blick auf sie zu werfen. trennt. Der Hals lag offen und ausgeblutet da. Samira wartete, bis die Wirtin ausser Hörweite war, dann kam sie «Wo ist sein Kopf?», fragte ich. gleich zur Sache: «Wenn du es nicht tust, setzt der Boss einen anderen «Das willst du nicht wissen. Er war mein heutiger Reisegast. Erauf dich an.» wünschte Todesart: restloses Verschwinden mit garantierter Unauffind«Ich weiss», antwortete ich. barkeit. Nun erledigen wir zwei Fliegen auf einen Schlag.» Sie sah ha«Er wird den Besten wählen.» stig auf die Uhr. «Noch zwei Minuten. Zieh ihm deine Kleider an!» «Ich weiss.» «Aber …» «Mich.» «Frag nicht, Killer, tu’s einfach.» Ich trank einen Schluck Milch, die plötzlich schal schmeckte. «Ich Langsam kapierte ich. Wie genial! Wie unglaublich clever! Ich hatte weiss.» immer gewusst, dass Samira die Beste von uns war, nun war ich vollSamira schaute mir so forschend in die Augen, dass ich den Blick abkommen überzeugt. wenden musste. Dann wiederholte sie: «Ich werde dir helfen.» So schnell es ging, zog ich dem Leichnam meine Klamotten und «Wie willst du das anstellen?» Schuhe an, zerrte ihn mit Samiras Hilfe aus dem Kofferraum und steck«Du wirst pseudosterben.» Sie legte ein paar Münzen auf den Tisch te ihm, nun, da ich wusste, was sie vorhatte, meinen Personalausweis, und forderte mich auf, mit ihr zu gehen, jetzt gleich, dann hätten wir meinen Wohnungsschlüssel und mein Handy in die Hosentaschen. Er die besten Chancen. Ich grabschte nach meinem Mantel, und wir steuwürde Konrad Killer werden. Vom Zug erfasst, Kopf verloren, viel zu erten dem Ausgang zu. Rita schaute uns nach, und ich schwöre, ich sah früh verstorben, der Arme. Ich grinste vor mich hin. ein eifersüchtiges Aufblitzen in ihren Augen. Ihr Kommissar hatte eine «Eine halbe Minute noch», drängte Samira. andere. Ein herber Schlag für Miss Panda. Wir schleiften die Leiche zum Bahnübergang, ich noch immer splitSamira lotste mich durch den Regen zu ihrem roten Mustang. ternackt, aber bei diesem Hundewetter in der Dämmerung brauchte ich «Steig ein.» Sie setzte sich hinters Lenkrad, und wir brausten davon. mir wegen ungebetener Zuschauer keine Sorgen zu machen. Von Wei«Wohin fahren wir?», wollte ich wissen. tem hörte ich den herannahenden Zug. Wir legten den Mann auf die «An deinen Todesort.» Schienen. Dann zurück zum Auto, einsteigen, Rückwärtsgang einlegen, «Okay.» Sie hörte sich an, als wüsste sie, was sie tat. abhauen. Samira wendete den Mustang und fuhr im Affentempo den Wir nahmen die Nordverbindung entlang der hässlichen Neubauten gleichen Weg zurück, den wir gekommen waren. Ich warf einen Blick in und hatten zehn Minuten später die Innenstadt hinter uns gelassen. Es den Rückspiegel. Hinter uns raste der Zug durch. regnete kräftiger, der Mustang produzierte wadenhohe Fontänen, als er Nach ein paar Minuten bog Samira in einen Schotterpfad ein. Die Reüber die Landstrassen kurvte. Wir fuhren durch den Wald, den ich gut gentropfen prasselten auf die Frontscheibe, die Scheinwerfer beleuchtekenne, hatte ich doch zwei meiner Reisegäste hier auf ihrem letzten Weg ten den schmalen Weg, der durch ein Feld führte. begleitet. Die Wolken hingen dicht und tief, es begann einzudunkeln.

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BILD: ZVG

nach Moschus. Es riecht nach Gülle. Ich stürze, fühle die Kälte unter «Du musst verschwinden, Killer, das ist dir klar», meinte sie. mir, die Tiefe. Wo ist Samira? «Vollkommen klar», gab ich zurück. «Danke, Samira, danke. Ich Ich klatsche in die stockfinstere Jauchegrube. Versinke. Tauche wieweiss gar nicht, wie ich dir jemals …» der auf. Huste, keuche, schlage um mich. «Schon gut. Du hättest das Gleiche für mich getan.» Ein winziges Lä«Samira!», pruste ich. «Was tust du?» Meine Worte klingen hohl im cheln huschte über ihr Gesicht. Eins, das mein Herz erwärmt hätte. tiefen Loch. Mir wird schwindlig. Wenn ich eins gehabt hätte. Doch hier irrte sie. So gut sie mir auch gefiel – niemals hätte ich mein Leben für sie aufs Spiel gesetzt. In unserem Job ist jeder sich «Hier lang, mein Killer.» Sie lachte perlend. Ich hörte ihren Atem. selbst der Nächste. Weder Mitleid noch ErbarNahm ihren Duft wahr. Moschus. Wild, ungezähmt, vielverspremen noch Liebe hatten Platz bei unserer Tächend. Ihr Haar streifte mein Gesicht. tigkeit. Ich wunderte mich, dass Samira ausgerechnet diesen Punkt überging, doch ich hüte«Ich erledige zwei Fliegen auf einen Schlag», höre ich ihre Stimme te mich, etwas zu sagen. Ich war damit beschäftigt, meine Körperreakvon weit oben. «Sie hätten mich sowieso auf dich angesetzt. Du weisst tionen im Zaum zu halten. Ihr Gesicht und ihre Haare waren feucht, die ja, ich bin …» Bluse klebte an ihrer Haut, ein Wassertropfen perlte über ihre Lippen. Den Rest höre ich nicht mehr. Ja, ich weiss: Sie ist die Beste. Ich haMein Gott, was für eine Frau! Es brauchte ja nicht Liebe zu sein, Bebe den Kopf verloren, buchstäblich. Wie der arme Tote auf den Schienen. gehren reichte völlig. Vielleicht könnten wir zusammen untertauchen. Die stinkende Brühe dringt in meine Ohren, meine Nase, meinen Irgendwo neu anfangen, eine harmlose Arbeit finden. Mit all der Kohle, Mund. Mein Körper wird schwer, ich sinke, strample ein letztes Mal, die wir in den letzten Jahren angehäuft hatten, könnten wir uns ein dann lasse ich los. Haus am Strand kaufen. Wir würden Champagner zum Frühstück trinMein Name war Killer. Und ich war auch einer. Dies war mein letzken, hätten Sex am Vormittag, am Nachmittag und Abend und würden ter Auftrag. am Ende sogar eine Schar kleine Killerchen auf die Welt stellen. ■ «Du schmunzelst», sagte sie, während sie eine Anhöhe hinauffuhr. «Woran denkst du?» © Mitra Devi, aus «Der Teufelsangler», Appenzeller-Verlag «An meine Zukunft.» «Das ist gut.» «An unsere Zukunft.» Sie schaute mich an, löste ihre rechte Hand vom Lenkrad und legte sie mir auf die Schulter. Nur einen Augenblick, doch der reichte, dass heisse Wellen mich überrollten. Sie ergriff wieder das Steuer, drosselte die Geschwindigkeit und hielt vor einem kleinen verlassenen Bauerngut. «Wo sind wir?», wollte ich wissen. «In Sicherheit.» Sie schaltete die Scheinwerfer aus und hielt an. «Ich habe alles vorbereitet. Komm. Hier kannst du duschen und frische Kleider anziehen. Ich werde uns etwas Warmes kochen. Und dann überlegen wir uns, wie es weitergeht.» Uns. Sie hatte «uns» gesagt. Irgendwie fühlte es sich lebendig in meiner Brust an. Vielleicht hatte ich ja doch ein Herz. Ungeahnte Möglichkeiten eröffneten sich mir. Wir stiegen aus und tappten im Dunkeln auf das Haus zu. Sie schien sich auszukennen, nahm mich bei der Hand, führte mich. Meine Füsse versanken im nassen Gras. Einmal stolperte ich, Samira fing mich auf. Plötzlich schien es das Natürlichste zu sein, nackt und nass durch die Nacht zu wandeln. «Hier lang, mein Killer.» Sie lachte perlend. Ich hörte ihren Atem. Nahm ihren Duft wahr. Moschus. Wild, ungezähmt, vielversprechend. Ihr Haar streifte mein Gesicht. Ich öffnete meine Lippen, suchte die ihren, spürte ihre Erregung, ihr Feuer, das so stark war wie meines. Die Dunkelheit umgab uns wie ein schützender Mantel. Der Regen strömte auf uns nieder. Sie berührte mich, hielt meinen Arm, griff zu. Eine Alarmglocke schrillte in meinem Innern. Etwas stimmte nicht. Plötzlich wusste ich das. Ich dachte an den gesichtslosen Toten auf den Schienen mit meinen Mitra Devi lebt als Krimiautorin, bildende Kleidern und meinen Ausweisen. Er würde gefunden werden und im Künstlerin und Dokumentarfilmerin in ZüAutopsiesaal landen. Sein Körper könnte meiner sein. Doch seine DNS rich. Sie hat 14 Bücher veröffentlicht, darunwar nicht meine. Wie konnte ich das übersehen? ter die Reihe mit Privatdetektivin Nora Ta«Samira», murmelte ich, «bist du sicher, dass du alles richtig …» bani. 2013 wurde ihr Roman «Der Blutsfeind» «Schschsch, mein Killer.» Samira hielt mich noch immer am Arm. mit dem Zürcher Krimipreis ausgezeichnet. Presst sich an mich. Drückt mich. Stösst mich. Ich falle. Mitra Devi verbringt den Sommer in ZüVerliere den Boden unter den Füssen. Schreie auf. Meine Hände greirich und geniesst es, dass die Stadt halb fen ins Leere. Was geschieht hier? Plötzlich weiss ich: Es riecht nicht leer ist. Dafür verreist sie dann im Herbst.


Strömung VON DONAT BLUM

braune Fasern an meinen Kleidern und auf dem Perserteppich, der den Ich musste den Aluminiummasten unzählige Male übersehen haben, Boden schmückte. der an der Schifflände der Stadt, in der ich wohnte und schrieb, kahl Ich stand im Bad, nässte Papierhandtücher und hörte das monotone und verloren in den Himmel ragte. Dahinter verschluckte weisses Nichts Hupen der Alarmvorrichtung, die ich betätigt hatte. Ich tupfte auf die den krausen See. Ein Analemma zeichne der Schatten dieser Sonnenuhr Flecken auf meinem Pullover, auf meiner Hose. Eine Pflegerin rannte an auf den Boden, stand auf der Tafel neben dem Masten, und mit weisser der Badezimmertür vorbei, rief nach Verstärkung. Fetzen von Papier Farbe war es davor auf den Boden gemalt: das Analemma, die asymmeblieben im Gewebe hängen, kugelten sich zu weissen Röllchen. «Oje, trische Acht. Frau Bergé. Ihnen geht es gar nicht gut. Aber wir sind ja da. Ganz ruhig. Seit einer Stunde sass ich am Pflegebett, in dem Opoe lag. Vor dem Tut es Ihnen weh, Frau Bergé? Sie Arme, Frau Bergé. Wir ziehen das Bett Fenster leuchteten die Schneeflocken in den Schweinwerfern der vorfrisch an. Das ist doch kein Problem.» Das Papier verfärbte sich durchbeifahrenden Autos. Im Zimmer war es ruhig, als schluckte der Schnee auch hier die Geräusche. Ich hielt Opoes Hand, die dunkler war als meine. Ein südlicher EinAus dem Zimmer die Stimmen: «Schnell das Hemd. Wir machen nur schlag, obwohl Holland im Norden lag. Vielsauber. Keine Sorge.» Sie hat mich angekotzt, drehten meine Gedanleicht die See. Ihr Körper schien so leicht, als würde er von Wasser getragen, oder als schweken. Sie hat mich angekotzt. be er in dem Wolkenmeer, das die pastellgelben Kissen und Decke bildeten. Ich strich über fallbraun. Ich tupfte und tupfte. Tuch um Tuch. Mein Gesicht im Spiegel ihre Haut, die Altersflecken übersäten wie Laub die Erde im Herbst; ihzwischen Gesichtscremetuben und Parfumflaschen. Gelbe Spuren bliere Haut, die knitterte und der die Unterfütterung fehlte, das Fleisch, das ben im Waschbecken haften. Der Mülleimer überlief. Aus dem Zimmer Fett, die Zellen, die seit dem Beginn des Alterns, seit sechs Jahrzehnten die Stimmen laut und deutlich: «Auf drei! Eins, zwei, drei. Schnell, das abgebaut wurden. Hemd. Wir machen nur sauber. Keine Sorge, Frau Bergé.» Sie hat mich «Was ist los, Opoe?», fragte ich. Sie bewegte die Beine, ein schwaches angekotzt, drehten meine Gedanken. Sie hat mich angekotzt. Zucken. Sie öffnete die Augen, hob die faltigen Lider, die Schlupfaugen, Acht Jahre davor hatte ich über Freunde von Freunden ein Praktikum die sie auch in Räumen hinter Sonnenbrillen versteckt gehalten hatte. bei einem Verlag gefunden. Es war Sommer, als ich in der Stadt aus Ihr Blick war vage, neblig, grau und voller Angst. Ein Gestank von anSandstein meinen Rollkoffer vom Bahnhof über die Aussichtsterrasse in gebratener Leber breitete sich aus; von Eisen, von Blut. Schwarze, zähe Opoes Viertel zog. Für die ersten drei Wochen, bis mein Zimmer in eiFlüssigkeit rann aus ihrem Mund und spritzte über das Bett hinweg, als ner Wohngemeinschaft frei sein würde, kam ich bei ihr unter. Schon von sei etwas geplatzt, etwas, das sie ein Leben lang zurückgehalten hatte. Weitem sah ich ihre weisse Föhnfrisur und die himmelblaue Bluse Eine kaffeesatzartige Lache hatte sich um ihren Kopf gebildet. Blutig

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leuchten. Opoe lehnte aus dem Fenster im fünften Stock, hielt ihre Sonnenbrille fest und tätschelte die Luft: Ich solle warten, bis sie zu mir hinuntergestiegen sei. Die Sandsteinfassade bröckelte und war von den Abgasen dunkel verfärbt. Eine Polizistin stand in der Mitte der Strassenkreuzung und regelte den Verkehr. Links, rechts, links, küsste mich Opoe auf die Wangen: «Leo, schön, sind Sie hier!» Sie strahlte vor Freude, redete mit ihrem starken holländischen Akzent, der dieses ständige Rauschen über die Worte legte, und mit Sie, wie sie es bei Floskeln häufig tat: «Entschuldigen Sie!» und «Kommen Sie wieder!», als hätte sie die Wendungen frisch aus dem Lehrbuch. Ich zählte die Treppenstufen. Ich kannte Opoe kaum. Max mochte keine Gesellschaft, so hatte meine Mutter erklärt, weshalb Opoe und er nur selten zu Besuch gekommen waren. Aber Max war vor einem Jahr gestorben. Ich freute mich darauf, sie kennenzulernen. Wie die Queen auf Staatsbesuch, dachte ich, als ich mich nach der 51. Stufe umdrehte, sich Opoe auf die Fensterbank gesetzte hatte und sie mir über die Schultern zuwinkte. «Nur um die Aussicht zu geniessen», sagte sie mit gestrecktem Rücken und meinte die Alpen im Abendlicht; ein Postkartenbild, das ich aus dem Norden der Schweiz nicht kannte. Ich könne auf ihrer Cousche schlafen, sagte Opoe in einer Mischung aus Couch, kuschelig und französischem Akzent und zeigte auf ihr Bettsofa, auf dem sie nachmittags leujä würde. Daran, was wir in den drei Wochen getan haben, erinnere ich mich nicht. Ich bin zur Arbeit gegangen, sie wird gekocht haben, und wir haben zusammen ferngesehen. Das liegt auf der Hand. Aber wie es kam, dass mich von da an ein Gefühl von Wärme und Ernsthaftigkeit heimsuchte, wenn ich nach einem Gespräch mit ihr das Telefon auflegte oder ihre Alterswohnung verliess, kann ich nicht sagen. Ich erinnere mich nur, wie sie mich am letzten Tag der drei Wochen umarmte – mein Zimmer SURPRISE 354/15

war frei geworden – wie sie «schön, waren Sie hier!» sagte und leise anfügte, als ich in der Tür stand: «Kommen Sie wieder einmal vorbei, ja?» Wir gingen entlang dem See, den funkelnde Lichter umringten wie Sterne ein Schwarzes Loch. Joel stellte Fragen, ganz ohne sie zu verbalisieren. Einige Wochen vor Opoes Tod hatte ich ihn kennengelernt. Seine gelbbraunen Augen, von deren Ruhe ich meinen Blick kaum abwenden konnte. Seine dichten schwarzen Wimpern, die mich in Verlegenheit brachten, obwohl oder gerade weil ich ihn noch kaum kannte. Ob man in der Lobby etwas trinken könne, fragte er den Portier, der uns an den Receptionisten verwies, der uns in einen quadratischen Saal mit weissen Holzwänden und schwarzen Marmorsäulen führte. Warmes gelbes Licht strahlte von vier kleinen und einem grossen Kronleuchter; ein Kellner in weisser Matrosenjacke nickte uns zur Begrüssung zu. Es war so ruhig; keine Musik, die übertönte; der Matrose, der zu uns schwebte und mit dezentem Abstand fragte, ob wir gewählt hätten. So ruhig, weil die Salontische luxuriös weit auseinanderstanden und ein Samtteppich die Geräusche schluckte. »Einen Campari-Orange», bestellte Joel und ich: dasselbe. Ob er schon oft in solchen Hotels gewesen sei, fragte ich nur wenig lauter als flüsternd. Vielleicht einige Male, sagte er, so laut oder leise, wie er es sonst auch tat. Meiner Grossmutter würde das gut gefallen, sagte ich und dachte an einen Ausflug nach Genf. Den Spaziergang rund um das Seebecken, an dem all diese vornehmen Hotels standen. Wie sie aufblühte, als wir im Bellevue Tee und heisse Schokolade tranken. Wie die ganze Schwere des Alters unverzüglich von ihr abfiel, als sie sich in den tiefen Samtsessel fallen liess; wie sie ihr Portemonnaie aus der Handtasche auf das weisse Tischtuch legte und mit grosser Geste ausrief: «Ich möchte Sie alle einladen. Jetzt nehmen Sie doch noch eine Süssigkeit!» Joel hörte mir zu, strich über das dunkle Holz seines Fauteuils, richtete den Hemdkragen,

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BILD: ROBERT BEYER

der aus dem Pullover ragte, lachte: «Interessant, deine Grossmutter!» Es Alle wussten es und taten trotzdem so, als ob nichts wäre, als ob es waren dahingesagte Worte. Aber am Abend lag ich im Bett, dachte an nichts zu klären gäbe. Auch Opoe, die das alles schluckte, tatenlos hinseine Augen und dieses Lachen, als ich von Opoe erzählte. Ich hätte ihn nahm. Genauso wie sie von dort in die Schweiz gezogen war und ihre küssen wollen, meine Hände in seinen Rücken graben und eins werden. Tochter, meine Mutter, dem Geschäft zuliebe jahrelang bei der GrossIch hätte ihn umarmen wollen, weil ich seine Sätze mochte, weil ich mutter in Holland zurückgelassen hatte, während sie in der Schweiz als mich nach seiner Ruhe sehnte, weil ich diese in mir, weil ich ihn in mir, Ausländersau beschimpft wurde und die Leute verständnislos den Kopf in meinem Körper wünschte. schüttelten, wenn sie in ihrem rauschenden Deutsch zu sprechen beMit einem Seidentuch hatten sie ihr den Kiefer hochgebunden und gann. Diese Abdankung war der Deckel zum Töpfchen der Sinnlosigkeit drei Rosen auf ihre Brust gelegt. Mit der letzten Spannung der Haut waeines verlorenen Lebens, platzten die Gedanken in meinem Kopf und ren die Schlupfaugen gewichen. aus mir heraus und legte es mich im Sekundentakt zusammen. Es zog Langsam zerlief die Butter über den mit Steinpilzen gefüllten Tortelmeinen Oberkörper krampfhaft zu meinen Knien, meine Nase begann lini. Ich raffelte Käse und ass alles auf, obwohl mein Bauch längst zu laufen und ich hörte mich schluchzen. Joel legte seine Hand auf meischmerzte. Ich suchte nach Werkzeug, um die Teigresten aus den Lönen Rücken, ich schüttelte sie ab. Er fragte durch die Reihen nach chern des Abtropfsiebes zu drücken, und obwohl ich längst zu spät dran war, schrubbte Der Pfarrer prangte über der Kanzel: «Sie hat gemeint, sie sei nicht ich über das verfärbte Aluminium, als könnte ich es zum Glänzen bringen. gläubig.» Ich versenkte den Blick in der Lederjacke. Der Pfarrer triIch rannte und folgte den Holzpfeilen über umphierte: «Aber alle glauben an etwas!» den Stadtfriedhof. Blattlose Pappeln säumten den Wegrand, gaben den Blick frei auf die Grabfelder, die Erdhügel, die Gedenksteine und Holzkreuze. Auf die Taschentüchern, ich starrte auf den Boden. Ich versuchte, das Schluchweiten, frostigen Flächen. Messingbuchstaben an einem Granitgebäude zen zu unterbinden, wollte nicht, dass die anderen merkten, dass ich es verkündeten, dass es hier war, wo Menschen zu Asche wurden. Meine war, der weinte. Mutter lief auf und ab. Ich spürte ihren langen, schwarzen Wollmantel Vom Toilettenfenster des Restaurants, in dem wir das Leichenmahl kratzen, als ich sie kurz umarmte. Sie fror. Alle froren. Die wenigen Leueinnahmen, im ersten Stock eines Wohnblockes, schaute ich über den te, alles Verwandte, drängten um die Eingangstüre wie um eine Feuerkahlen Friedhof. Mein Bauch war hart wie Stein. Es wurde Abend, und tonne. Bis eine Frau mit grauem Kurzhaarschnitt und grüner Schürze die zusammen mit den Grabfeldern verschwanden die letzten Erinnerungen Kapelle von innen öffnete und ich allein in der Kälte stand. Ich hielt die an eine andere Opoe als die Opoe, die mich angekotzt hatte, in der DunHände auf meinen Bauch, versuchte ihn zu wärmen, zu entspannen, kelheit. ■ den harten und steifen, vollgefressenen Magen. Die getrockneten Steinpilze, die aufstiessen; ein Geschmack von Eiweiss, das sich über Jahre Auszug aus dem Romanmanuskript «Da war was». zersetzt hatte. Wieder öffnete sich die Türe, und mit mehr als einem Fuss in der Wärme fragte die kurzhaarige Frau mit grüner Schürze: «Ghöred Ihr derzue?» Ich nickte und ich dachte, sie wolle kondolieren. «Mir wei afah», sagte sie und:«Uf minere Uhr isch es Ziit.» Joel kam angerannt, ich küsste ihn auf die Wange. Sein kaltes Gesicht, sein lautes Schnaufen. Wir schlüpften an der Frau vorbei in den klerikalen Anbau des Krematoriums, setzten uns in die Bankreihe hinter meiner Mutter, meinem Vater. Die Frau mit der grünen Schürze verschwand hinter dem Holzkasten mit Blechpfeifen, zügig begann das Orgelspiel. Ein fades Neonlicht spiegelte sich auf den glasierten Bodenplatten und im gerahmten Bild von Opoe. Mit weichen Falten und sanft geöffnetem Mund lächelte sie darauf zufrieden. Zwei Töpfe weisser Lilien beim Altar. Meine Mutter drehte sich zu Joel, legte ihre Hand auf seine: «Schön, bisch cho.» Das Gesicht des Pfarrers prangte über der hölzernen Kanzel: «Sie hat gemeint, sie sei nicht gläubig.» Ich versenkte den Blick in meiner schwarzen Lederjacke. Der Pfarrer triumphierte: «Aber alle glauben an etwas!» Ich schaltete meine Ohren taub und spürte umso mehr meinen Magen, der gespannt war, als zögen sie von allen Seiten am Bauchfell – diese Leute hier, in dieser Kapelle, in der wir herzlich willkommen waren; ich und diese Leute, die nicht einschritten, nie eingeschritten waren. Der Pfarrer, der aus Versehen die Blätter fallen liess und scherzte: «Man muss auch mal loslassen können.» Meine Mutter, die die AbDonat Blum, geboren 1986 in Schaffhausen, dankung, den Ort, den Pfarrer organisiert hatte; die das unzutreffende ist Absolvent des Schweizerischen LiteraturBild einer lachenden Opoe ausgewählt hatte. Und Opoe selbst, die 63 instituts in Biel. Davor war er FilmfestivalJahre in der Schweiz gelebt hatte, ohne sich je dafür oder dagegen entorganisator, arbeitete als Tellerwäscher und schieden zu haben; Opoe, die Wien liebte, ohne je da gewesen zu sein, Geschäftsführer und studierte an der Theolound die Oper, die sie nur aus dem Fernsehen kannte. Die wenigen Ergischen Fakultät der Universität Bern Religiozählungen aus ihrem Mund und die zahlreicheren, die mir in den letznen. Er schreibt Prosa, manchmal auch Reten Jahren zugetragen worden waren. Mein Bauch krampfte, es zog von portagen und lebt meistens in Biel. innen, von der Mitte, in die Gegenrichtung. Die Abdankung war das Tüpfelchen auf dem i ihres verschissenen Lebens. Ihr Mann Max, der sie Donat Blum schreibt im Sommer in einer Mansarde mit Blick auf über Jahre betrogen hatte und die längste Zeit mit der gleichen Frau. einen See. Da riecht es im Sommer nach Algen, Fisch und Wetter.


Sonntag Ich konnte vergessen in gewissen Momenten, jedoch nicht aufhören, an Oft steht sie am Fenster und blickt hinaus. Was sie wohl zu sehen sie zu denken. Hinterfragen, das tue ich. Jetzt, ständig, andauernd. Ich vermag? Bestimmt nicht den Garten unten, die Baumwipfel gegenüber verstehe sie jetzt besser. Auch dahingehend, dass Gedanken entfliehen oder die Zuggeleise auf der rechten Seite des Balkons. Wahrscheinlich können. Meine unbeschwerten, glücklichen sind entflohen – die meisieht sie vor sich die Bilder zu ihren Gedanken. Sie denkt viel, zu viel sten zumindest. Als ich sie damals kennenlernte, da hatte das Leben auf manchmal. Sie will ständig Ereignisse, Sachen oder gar banale Worte einmal eine andere Perspektive. Es war liebenswert. Ich lebte gerne. Sie auseinandernehmen und darüber diskutieren. fehlt mir noch immer. Das Gefühl des Liebens fehlt mir. So wie ich ihre Muss sie immer noch eine Frage stellen? Ja. Natürlich. Man soll alles Fragen und die nachdenkliche Mimik vermisse, habe ich Sehnsucht hinterfragen. Das sagt sie oft zu mir, so auch am Vorabend in der Küche. nach ihrem Lachen. Ihr Pusten und Schnauben, wenn sie sich vor LaUnd dann, warum, weshalb, wieso. Meinst du nicht auch? Immerhin chen krümmt, dazwischen kurz grunzt und den Kopf nach hinten neigt zieht sie zwischen all den Fragen genüsslich an ihrer Zigarette und und ihre kleine Narbe am Kinn zum Vorschein kommt. trinkt einen Schluck Rotwein – schweift kurzfristig selbstversunken ab. Sie hat mir oft gesagt, dass sie nicht glaube, dass sie alt werde. Mir So habe ich etwas Zeit, um Antworten zu finden. In solchen Momenten scheint, als spürte sie bereits damals, wie es kommen würde. Diese Geist sie schnell, aber überlegt; stets mit einer Prise Dramatik. Innerlich danken sollte ich mir jedoch nicht machen. Abstellen kann ich sie aber schmunzle ich, denn manchmal finde ich es ganz gut, Dinge so zu lasauch nicht. Vielleicht wäre sie eine gute Philosophin geworden, hätte ihsen, wie sie sind. Ich schenke uns beiden mehr Wein ein. Die Zigarette re Vernunft bei der Studienwahl nicht überwogen. Oder sie wollte beim rechten Mundwinkel zwischen ihren Schmolllippen eingeklemmt, wusst nicht noch mehr hinterfragen und nachdenken. Sie wollte, aber bindet sie sich die Haare hoch zu einem Gupf. Ich mag es lieber, wenn wurde müde von den vielen Gedanken. Antworten zu finden wurde sie diese offen trägt, aber wir rauchen in der Küche und sie graust sich komplizierter, sie verstrickte sich im Irgendwo. Ich habe es nicht bevor nichts mehr als stinkenden Haaren. Sie grinst mich an, deutet einen Kuss an, streicht mir langsam mit ihrem Fuss entlang dem Bein hoch. Vermutlich ist sie noch Ich verstehe sie jetzt besser. Auch dahingehend, dass Gedanken entnicht müde. Sie mag es, stundenlange Tieffliehen können. Meine unbeschwerten, glücklichen sind entflohen. gangdiskussionen zu führen, bis die Kerzen abgebrannt sind und sie sich mit dem Gefühl merkt. Ich glaube, keiner von uns. So tief wie sie in ihren Gedanken ins Bett legen kann, die Welt zumindest aus theoretischer Perspektive schwebte, so offen trat sie an andere heran, so frei konnte sie sein, so verändert zu haben. Von mir aus könnten wir durchaus auch ein, zwei herzhaft lachen. So auch an diesem Sonntagmorgen, als sie sich wieder Stunden früher zu Bett gehen. Obwohl, so kann ich sie noch etwas länzu mir ins Bett legte, ich ihr mit der Hand fein über den Rücken strich, ger anschauen und meine Vorfreude genüsslich hinauszögern. Sie ist sie an meiner Nase knabberte und ich sie kitzelte. Als ich am frühen keine gewöhnliche Frau. Sie sprüht vor Lebhaftigkeit, Klugheit und Abend wieder nach Hause kam, war sie nicht da. Ich stand ans Fenster Charme. Sie liebt es zu diskutieren, kann aber auch einem See gleich und blickte hinaus. Ich sah den Garten unten, die Baumwipfel gegenüstill sein. Dann ist sie besonders nachdenklich. Ansonsten lacht sie viel ber und die Zuggeleise auf der rechten Seite des Balkons. über sich selber, ihre Tollpatschigkeit, und durchflutet ihr Umfeld mit eiOft stehe ich am Fenster und blicke hinaus. Was ich wohl zu sehen ner berührenden Wärme. Und doch kann sie prächtige Wutanfälle hinvermag? Nicht die Strasse unten, die Häuser gegenüber oder den Garten legen, wenn ihr etwas nicht passt. Dann ist sie besonders süss: Ihre auf der rechten Seite des Balkons. Ich sehe vor mir die Bilder des letzWangen werden zu Aprikosen, ihre Rehaugen zu Mandeln und ihre ten gemeinsam verbrachten Sonntags und wünsche mir, dass ich die GeOberlippe zum Beissobjekt. Kurzzeitig abgelenkt versuche ich mich wiedanken vor diesem Sonntag wieder haben könnte. Sonntage, das sind der in das Gespräch einzubringen. die schlimmsten Tage. Die meisten Sonntage habe ich mit ihr verbracht. In ihrem weissen Negligé steht sie wieder am Fenster. Weltvergessen Deshalb fällt es mir an Sonntagen besonders schwer. Ich frage mich steht sie da – unschuldig mit ihren langen Haaren, die über ihre breiten noch immer, was sie sich wohl gedacht hat. Inmitten aller MöglichkeiSchultern fallen und kurz vor ihrem handlichen Knackpo enden. Ja, geten war es vielleicht auch einfach nur ein Gedanke, dem sie folgen wolldankenverloren ist sie, denn immer dann schaut sie mit verschränkten te: Freiheit. Armen aus dem Fenster. So, als wolle sie ihre Gedanken festhalten. Als ■ ob Gedanken entfliehen könnten. Unschuldig scheint sie, jedoch wird sie animalisch, wenn wir uns begehren. Ich liebe sie – verstehe sie jeMartina Caluori ist Texterin, Redaktorin doch nicht immer. Mir scheint, dass sie mich meistens begreift. Heute und Projektmanagerin. Sie schreibt hauptscheint sie glücklich zu sein. Zufrieden, ruhig in ihren Gedanken. Viel sächlich Lyrik und Kurzgeschichten. Kürzgeredet haben wir an diesem Sonntagmorgen nicht. Ich denke, wir walich wurde bei Pro Lyrica eine Auswahl ihrer ren beide etwas müde. Gedichte publiziert. Das sind meine letzten Erinnerungen an sie. Dieser besagte Sonntag ist verjährt. Immer noch habe ich dieses Bild vor mir, wie sie vor dem Martina Caluori verbringt den Sommer in Fenster steht. Ich wohne nicht mehr in derselben Wohnung. Ich bin ausder Nähe des Sees oder Flusses, beschäftigt gezogen, habe eine längere Reise unternommen, um zu vergessen. Eimit ihrem Surfbrett und der Umsetzung ihgentlich war es ein Davonlaufen, daher bin ich wieder zurückgekehrt. rer Romanidee. SURPRISE 354/15

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BILD: ZVG

VON MARTINA CALUORI


Kreuzworträtsel 1. Preis: Das Strassenmagazin Surprise ein halbes Jahr im Abo 2. Preis: Zwei Mal Teilnahme für zwei Personen am sozialen Stadtrundgang, wahlweise in Basel oder Zürich 3. Preis: Eine Surprise-Umhängetasche

Sudoku

Finden Sie das Lösungswort und schicken es per Post an: SURPRISE Strassenmagazin, Spalentorweg 20, 4051 Basel oder per E-Mail mit Betreff «Rätsel 354» an info@vereinsurprise.ch Einsendeschluss ist der 30. Juli 2015. Viel Glück!

Mittelschwer

Füllen Sie die leeren Felder mit den Zahlen von 1 bis 9. Dabei darf jede Zahl in jeder Zeile, in jeder Spalte und jedem der neun 3 × 3-Blöcke nur ein Mal vorkommen. Die Lösungen finden Sie in der nächsten Surprise-Ausgabe.

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Die 25 positiven Firmen

Teuflisch schwer zum Ersten

Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.

01

Netzpilot Communication, Basel

02

Scherrer & Partner GmbH, Basel

03

Balcart AG, Therwil

04

Gemeinnütziger Frauenverein Nidau

05

Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich

06

weishaupt design, Basel

07

Thommen ASIC-Design, Zürich

08

Velo-Oase, Erwin Bestgen, Baar

09

Coop Genossenschaft, Basel

10

AnyWeb AG, Zürich

11

Burckhardt+Partner AG

12

mcschindler.com GmbH, Zürich

13

fast4meter, Storytelling, Bern

14

Maya-Recordings, Oberstammheim

15

Bachema AG, Schlieren

16

Kaiser Software GmbH, Bern

17

Ko Schule für Shiatsu GmbH, Zürich

18

Schweizerisches Tropen- und Public HealthInstitut, Basel

Teuflisch schwer zum Zweiten

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Lions Club Zürich-Seefeld, Zürich

20

Klinik Sonnenhalde AG, Riehen

21

Privat-Pflege und Betreuung, Oetwil am See

22

Praxis Colibri-Murten, Murten

23

Schumann & Partner AG

24

Bruno Jakob Organisations-Beratung, Pfäffikon

25

VXL Gestaltung und Werbung AG, Binningen

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

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Surprise – mehr als ein Magazin

Ich möchte Surprise abonnieren! 24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.)

Hilfe zur Selbsthilfe Surprise unterstützt armutsbetroffene Menschen – beim Strassenverkauf, Strassenchor oder Strassensport, dem Sozialen Stadtrundgang oder Café Surprise: Der Verein fördert die soziale Integration der Betroffenen. Surprise gibt das vierzehntägig erscheinende Strassenmagazin heraus. Eine professionelle Redaktion produziert das Heft zusammen mit einem Netzwerk aus freien Journalisten, Fotografen und Illustratoren. Das Magazin wird auf der Strasse verkauft. Über 350 armutsbetroffene Menschen, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten über den Strassenverkauf eine Erwerbsmöglichkeit und eine Tagesstruktur. Die Hälfte des Magazinerlöses behalten die Verkaufenden. Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht sozial ausgegrenzten Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit z.B. mit dem Sozialen Stadtrundgang in Basel und Zürich. Die Surprise-Stadtführer sind Armutsbetroffene, Ausgesteuerte und Obdachlose. Sie erzählen aus ihrem Alltag in ihrer Stadt und zeigen Orte, an denen man sonst vorübergeht. Gemeinsam wollen sie Vorurteile abbauen.

Stärken. Bewegen. Integrieren. Surprise fördert die Integration mit Sport. In der Surprise-Strassenfussball-Liga spielen Teams aus der ganzen Deutschschweiz. Sie kämpfen um den Titel des Schweizermeisters und des Weltmeisters beim Homeless World Cup. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Strassenchor. Gemeinsames Singen und öffentliche Auftritte ermöglichen Glücksmomente für Menschen, für die der gesellschaftliche Anschluss sonst erschwert ist. Café Surprise schenkt Menschen mit wenig Geld einen kostenlosen Kaffee in einer Bar oder einem Café. So können sie am sozialen Leben teilnehmen. Für Gäste ist es eine einfache und charmante Gelegenheit, sich sozial zu engagieren: Sie bezahlen ihren Kaffee und spendieren einen weiteren. Über Surprise Der Verein Surprise unterstützt Armutsbetroffene ohne staatliche Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle Angebote ist Surprise auf Spenden, Sponsoren und Stiftungen angewiesen. Surprise ist Mitglied des internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP), dem über 120 Magazine in über 40 Ländern angehören.

Gönner-Abo für CHF 260.– Impressum Herausgeber Verein Surprise, Spalentorweg 20, 4051 Basel www.vereinsurprise.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Fr T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 Nicole Mathys, Thomas Oehler, info@vereinsurprise.ch Geschäftsführung Paola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (stv. GL) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@vereinsurprise.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Amir Ali (ami, Heftverantwortlicher), Florian Blumer (fer), Diana Frei (dif), Mena Kost (mek), Thomas Oehler (tom), Sara Winter-Sayilir (win), redaktion@vereinsurprise.ch, leserbriefe@vereinsurprise.ch Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Rahel Nicole Eisenring, Shpresa Jashari, Olivier Joliat, Carlo Knöpfel, Melanie Kobler (Grafik), Yvonne Kunz, Stephan Pörtner, Isabella Seemann, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Tom Wiederkehr, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Robert Beyer, Donat Blum, Martina Caluori, Mitra Devi, Corina Lanfranchi, Klaus Merz, Fabian Saurer, Noemi Somalvico Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 20150, Abonnemente CHF 189, 24 Ex./Jahr Marketing, Fundraising T +41 61 564 90 50 Svenja von Gierke (Leitung), Zaira Esposito

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Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise nur mit Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt.

Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83/85 Thomas Ebinger, Anette Metzner, Spalentorweg 20, 4051 Basel, basel@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Zürich T +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12 Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, zuerich@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02 Andrea Blaser, Barbara Kläsi, Alfred Maurer, Pappelweg 21, 3013 Bern, bern@vereinsurprise.ch Strassenchor T +41 61 564 90 40 Paloma Selma (Leitung), p.selma@vereinsurprise.ch Strassensport T +41 61 564 90 10 Lavinia Besuchet (Leitung), l.besuchet@vereinsurprise.ch, David Möller (Sportcoach) www.strassensport.ch Sozialer Stadtrundgang Basel T+41 564 90 40 Sybille Roter (Leitung), s.roter@vereinsurprise.ch Paloma Selma (Koordination), rundgang@vereinsurprise.ch Sozialer Stadtrundgang Zürich T +41 44 242 72 14 Sybille Roter (Leitung) s.roter@vereinsurprise.ch Carmen Berchtold (Koordination), rundgangzh@vereinsurprise.ch Vereinspräsident Peter Aebersold Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen. Helfen macht Freude, spenden Sie jetzt: Spendenkonto PC 12-551455-3 SURPRISE 354/15


Lรถsungen aus Surprise Nr. 353 Lรถsungswort aus Heft Nr. 353: BUCHSTABEN Die Gewinner werden benachrichtigt.

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