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Aussteiger Drei Geschichten über den Absprung von der Karriereleiter Wir schwer Vermittelbaren: Ein Essay über das Liebesleben jenseits der 50

Kultur in Zeiten des Krieges: Serhij Zhadan über seine Lesereisen im ukrainischen Konfliktgebiet

Nr. 359 | 25. September bis 8. Oktober 2015 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.


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Titelbild: Lucian Hunziker

Editorial Gemeinnützige Seelenpflege

Karriere im Beruf gilt als erstrebenswert. Viele Menschen machen diesen Weg zu ihrem Daseinszweck – doch nicht alle werden glücklich damit. «Ich habe alles glänzend bestanden, aber jetzt habe ich einen Job, den ich gar nie wirklich wollte, und ein Leben, das mich nicht erfüllt.» Mit diesen Worten zitiert Beraterin Evelyne Coën in unserer Titelgeschichte einen ihrer Kunden, der für eine Neuorientierung im Leben zu ihr in die Praxis gekommen war. Und sie spricht weiter von einem «Gefängnis» aus Schule, Ausbildung, Beruf und Familie, das die Entwicklung der Persönlichkeit und die Freisetzung des individuellen Potenzials verhindert.

BILD: WOMM

Unsere Sonderausgabe zu den eidgenössischen Wahlen (Surprise 358/15) hat für Aufsehen gesorgt – allerdings nicht nur so, wie wir es beabsichtigt hatten. Der Gastbeitrag von Philipp Ruch hat viele Leserinnen und Leser schockiert und vor den Kopf gestossen. Das tut uns aufrichtig leid. Lesen Sie unsere Gedanken dazu auf Seite 7.

AMIR ALI REDAKTOR

Natürlich muss man sich fragen, wo die Grenzen des Individualismus liegen, wenn sogar die Familie als Gefängnis wahrgenommen wird. Die drei Geschichten von Menschen, die den Sprung von der Karriereleiter gewagt haben, werfen aber auch ein Schlaglicht auf das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft: Der Einzelne muss zu sich schauen, damit er zur Gesellschaft beitragen kann. Und die Gesellschaft wiederum hat die Rahmenbedingungen und Voraussetzungen dafür zu schaffen. Lesen Sie die drei Geschichten ab Seite 10. Seit über anderthalb Jahren herrscht im Osten der Ukraine Krieg. Durch die dramatischen Ereignisse in der Flüchtlingskrise ist der Konflikt zwar etwas in den Hintergrund unserer Aufmerksamkeit gerückt. Doch an Europas Ostgrenze sterben Tag für Tag Menschen, werden Familien auseinandergerissen und Lebensgrundlagen zerstört. Der ukrainische Autor und Musiker Serhij Zhadan, in seiner Heimat ein Star, reist auch in abgelegene Dörfer im Konfliktgebiet und veranstaltet dort Lesungen und Konzerte. Lesen Sie ab Seite 18 das Interview mit ihm, in dem er erklärt, warum die Kultur für die Menschen gerade in Zeiten des Krieges so wichtig ist. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre, Amir Ali

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 oder vereinsurprise.ch/spenden-surprise Ihre Meinung! Wir sind gespannt auf Ihre Kritik, Ihr Lob oder Ihre Anmerkungen. Schreiben Sie uns! Auf leserbriefe@strassenmagazin.ch oder an Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, 4051 Basel. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion trifft eine Auswahl und behält sich vor, Briefe zu kürzen. Oder diskutieren Sie mit uns auf www.facebook.com/vereinsurprise SURPRISE 359/15

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10 Arbeit Wochenmarkt statt Teppichetage Mario Grossenbacher machte Karriere in der Pharmabranche. Peter Dettwiler leitete mehrere Filialen der Grossbank UBS. Und Nicola Casanova war technische Einkäuferin bei einem Industriekonzern. Alle drei hängten ihre vielversprechenden und lukrativen Karrieren an den Nagel, um sich selbst zu verwirklichen. Heute verkaufen sie Seifen, Stutenmilchprodukte und Selbstfindungsprogramme. Obwohl ihnen die Veränderung nicht immer leichtfällt, schwärmen sie von der neuen Freiheit.

BILD: LUCIAN HUNZIKER

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Inhalt Editorial Individuum und Gesellschaft Basteln für eine bessere Welt Das Glück im Spiegel Aufgelesen Traurige 33 Prozent mehr Zugerichtet Mit 25 die Chance verwirkt Erklärung Zum Beitrag von Philipp Ruch Porträt Schiedsrichter und Vorbeter Surprise Strassensport Die Liga 2015 Wörter von Pörtner Blindgänger Musik Haute Couture statt Massenware Kultur Der Banker und seine Lilith Ausgehtipps Räume hören Strassenfussballer-Porträt Besser im Griff Projekt SurPlus Eine Chance für alle! In eigener Sache Impressum INSP Surprise – Mehr als ein Magazin Neue Gesichter

14 Liebe Auf dem Markt der Restposten BILD: SARAH WEISHAUPT

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In der Mitte des Lebens will man alles: Liebe, Zärtlichkeit – und Sicherheit. Das macht die Partnersuche um die 50 zu einem Minenfeld, auf dem allerlei verletzte und verletzliche Männer und Frauen aufeinander treffen. Und dann kommen noch die Kinder dazu, die mittlerweile Teenager sind. Wer ist schuld, dass Beziehungen entweder nie zustande kommen oder immer wieder aus dem Ruder laufen? Ein persönlicher Essay über eine Generation, für die es keine Gewissheiten mehr gibt.

BILD: MAX AVDEEV

18 Literatur «Das Land sucht sich» Der Krieg ist nur 200 Kilometer von Charkiw im Osten der Ukraine entfernt, der Stadt, in der Serhij Zhadan lebt und der er in seinem neusten Roman «Mesopotamien» ein literarisches Denkmal setzt. Der 41-Jährige, in seiner Heimat ein Star, fährt auch in die umkämpften Gebiete, um dort Gedichte und Lieder vorzutragen. Ein Gespräch über die Rolle der Kunst in Zeiten des Krieges – und über sein Buch, das soeben auf Deutsch erschienen ist. 4

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ILLUSTRATION: WOMM

Basteln für eine bessere Welt Der goldene Spiegel der Wahrheit Wir hätten eine wunderbare Gesellschaft, sagt Job-Coach Evelyne Coën auf Seite 12, wenn nur schon jeder zweite, der mit seinem Karriere-Job unglücklich ist, diesen schmeissen würde. Sind auch Sie ein potenzieller Weltverbesserer (oder natürlich -e, -e, -in)? Finden Sie es heraus. Werfen Sie einen Monat lang jeden Morgen vor der Arbeit einen ehrlichen Blick in unseren goldenen Spiegel der Wahrheit. Sieht der Mensch, der sie von dort anschaut, in der Mehrheit der Fälle glücklich aus? Hängt der Spiegel Ende des Monats noch? Ist er noch ganz? Sollten Sie eine dieser Fragen mit Nein beantworten, empfehlen wir Ihnen, unsere Titelgeschichte noch einmal genau zu lesen.

1. Kaufen Sie sich einen Spiegel ungefähr in der Grösse eines A4-Blatts (gibt es günstig im Baumarkt) und ein Holzbrett, ungefähr zwei, drei Zentimeter länger und breiter als der Spiegel.

2. Kleben Sie den Spiegel mit Heissleim auf das Brett.

3. Decken Sie den Spiegel mit Zeitungspapier ab und besprühen Sie den Rahmen mit Goldfarbe.

4. Hängen Sie den Spiegel innen an die Wohnungstür.

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Aufgelesen News aus den 115 Strassenzeitungen und -magazinen in 35 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

In der Mittelschicht Hamburg. Einen beunruhigenden Anstieg fremdenfeindlicher Angriffe vermeldet das deutsche Innenministerium: 202 Attacken auf Flüchtlingsunterkünfte zählte die Behörde in den ersten sechs Monaten dieses Jahres – nur einen Angriff weniger als im gesamten Jahr 2014. Rein statistisch gab es dieses Jahr also bereits jeden Tag einen Angriff. Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière von der CDU warnte davor, dass Rechtspopulismus und Rechtsextremismus dabei seien, «in die Mittelschicht hineinzukriechen».

Zukunft ohne Wohnung Berlin. Die deutsche Bundesregierung lehnt weiterhin die Einführung einer offiziellen Wohnungslosenstatistik ab. Derzeit stammen die einzigen seriösen Einschätzungen zur Anzahl der Menschen ohne Wohnung von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, dem Dachverband der Wohnungslosenhilfe in Deutschland. Diese prognostiziert einen Anstieg von bundesweit 284 000 Menschen ohne Wohnung im Jahr 2012 auf 380 000 bis ins Jahr 2016. Das entspräche einem traurigen Plus von 33 Prozent.

Stressfaktor Wirtschaft Salzburg. Mehr als die Hälfte aller Menschen, die in Österreich arbeiten, fühlt sich durch Stress am Arbeitsplatz belastet. Dies besagen Zahlen des Salzburger Instituts für Grundlagenforschung. Und das schadet auch der Wirtschaft: Demzufolge sind 50 bis 60 Prozent aller verlorenen Arbeitstage auf Stress zurückzuführen. Knapp drei Viertel der Arbeitenden geben Arbeitsplatzunsicherheit und Umstrukturierungen als Belastungsgrund an. Zwei Drittel geben an, generell unter einer hohen Arbeitsbelastung zu leiden.

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Vor Gericht Reglos, wortlos, sinnlos Wie genau es zum fatalen Zwist kam, bleibt auch im Berufungsprozess schleierhaft. Irgendwie war die damalige Freundin des als «Kaufleuten-Mörder» bekannten Shivan M. im Spiel. Und viel Alkohol sowie jede Menge verletzter Stolz. Es bleiben schemenhafte Szenen und ein paar Fakten. Fest steht, dass sein Widersacher dem Beschuldigten ein Veilchen verpasste. Dass die Sicherheitskräfte des Clubs ein Hausverbot gegen die beiden Streithähne aussprachen. Und dass sich Shivan M. zunächst vom Kaufleuten entfernte, einen Kollegen aus dem Schlaf klingelte und diesen bat, nach Zürich zu kommen, um den Streit zu schlichten. Angst habe er gehabt, sagt der Angeklagte. Völlig ausser sich vor Wut sei er gewesen, sagt hingegen der geweckte Kollege. Er habe auf dem Weg zurück zum Club noch versucht, Shivan M. zu beruhigen. Der sei am Steuer gesessen, in der einen Hand ein Butterfly-Messer, und habe gesagt, er werde den Typen «aufschlitzen». Stimmt nicht, sagt der Täter. Der Gerichtspräsident wendet darauf ein, genau das habe er aber getan. «Ein blöder Zufall», meint Shivan M. dazu und verneint weiterhin jegliche Tötungsabsicht. Die elf Messerstiche seien eine Kurzschlussreaktion gewesen, sagt er. Das zum Tatzeitpunkt 23-jährige Opfer habe ihn gepackt, er habe gedacht, jetzt kämen die nächsten Prügel. Notwehr sei es gewesen. Dass ihm sämtliche Zeugen widersprechen, hält er für eine Verschwörung. Sie sagen, der Angeklagte sei aus dem Auto gestiegen und unmittelbar auf das Opfer losgegangen. Während dann die Anwälte reden, sitzt Shivan M. die meiste Zeit reglos auf seinem

Stuhl. Ob er überhaupt hört, wie sein Verteidiger auf vorsätzliche Tötung plädiert und eine Strafe von zehn Jahren fordert? Oder wie der Staatsanwalt dagegenhält, der Angeklagte habe sein Opfer aus niederen Beweggründen in mörderischer Absicht buchstäblich niedergemetzelt, weshalb 20 Jahre Haft angebracht seien? Kommt irgendetwas bei ihm an, als die Vertreterin der Opferfamilie von deren anhaltendem Leid berichtet? Wer immer auch redet, egal, was gesagt wird, der Blick des Beschuldigten ist nach vorn zu den Richtern gewandt. Vielleicht, um sich den zahlreichen Zuschauern nicht zu zeigen. Einige Male hebt er die Hände, legt sie flach auf sein Gesicht und lässt sie nach einer Weile langsam wieder in seinen Schoss sinken. Manchmal senkt er sein Haupt, legt die Stirn für ein paar Minuten auf die Tischkante. Man kann nur mutmassen, ob seine Gedanken zurück zu jener Nacht im Juli 2012 wandern, an deren Ende er einen Menschen getötet und einen weiteren lebensgefährlich verletzt hatte. Vielleicht verrät seine Körpersprache auch etwas über seine eigene Hoffnungslosigkeit. Er ist knapp 25 und hat seine Chance – und das Anrecht – auf ein normales Leben verwirkt. Über 1000 Tage hat er schon gesessen, viele Jahre werden noch folgen. So oder so. Das Obergericht erhöht die Strafe auf 18 Jahre. Den Hinterbliebenen soll er ein Schmerzensgeld von insgesamt 235 000 Franken entrichten. «Der Beschuldigte hat aus Vergeltungssucht einen Menschen vernichtet», so das Gericht, «kaltblütig, konsequent und skrupellos». Shivan M. nimmt all das wortlos zur Kenntnis.

YVONNE KUNZ (YVONNE.KUNZ@GMAIL.COM) ILLUSTRATION: PRISKA WENGER (PRISKAWENGER@GMX.CH) SURPRISE 359/15


Erklärung Zum Gastbeitrag von Philipp Ruch Die Publikation des Gastbeitrags des Künstlers Philipp Ruch zu Roger Köppel in Surprise 358/15 war ein Fehler. Sie passt nicht zum publizistischen Stil von Surprise. Wir haben damit viele Menschen vor den Kopf gestossen und Gefühle verletzt. Das tut uns leid. Wir haben für unsere Sonderausgabe zu den eidgenössischen Wahlen über 80 Personen – Kulturschaffende, Wissenschaftlerinnen, NGOVertreter, Profis aus dem Bereich der Sozialen Arbeit und SurpriseVerkaufende – gebeten, in Gastbeiträgen die Frage «Was braucht die Schweiz?» zu beantworten. Insgesamt 41 Beiträge haben wir publiziert. Dabei hat das Theater-Plakat des Künstlers und Regisseurs Philipp Ruch vom Zentrum für politische Schönheit die Gemüter besonders erhitzt. Es rief überwiegend negative Reaktionen hervor. Dazu müssen wir ernüchtert und selbstkritisch feststellen: Wir haben die Wirkungen und Interpretationen dieses Gastbeitrags eindeutig unterschätzt. Philipp Ruchs Plakat stellt eine Grenzüberschreitung dar, und wir hätten auf die Publikation verzichten müssen. Unsere Einschätzung, Ruchs Beitrag werde als Theaterzitat verstanden, war ein Fehler. Indem das Strassenmagazin die Botschaft übermittelte, haben wir viele Menschen vor den Kopf gestossen. Das tut uns aufrichtig leid und war nicht unsere Absicht. Grundsätzlich gilt wie immer, dass Gastbeiträge von den Haltungen und Meinungen einer Redaktion abweichen dürfen. Es ist uns aber wichtig, an dieser Stelle unmissverständlich festzuhalten: Wir verurteilen jede Art von Gewalt in aller Form. Es ist uns ein Anliegen, zu erläutern, wie es zur Publikation kam. Wir hatten nebst vielen anderen Persönlichkeiten Philipp Ruch angefragt, weil er als zeitgenössischer Kunstschaffender mit seinen Aktionen die fundamentalen Fragen und sozialen Probleme unserer Zeit angeht. Seinen Gastbeitrag erhielten wir in Form des Theaterplakates, das auf seine Produktion «2099» am Theater Dortmund verweist. Darauf stehen die Worte «Tötet Roger Köppel! Köppel Roger tötet!». Dabei handelt es sich um ein Zitat einer Figur im fiktiven Stück. Wir waren uns bewusst, dass der Beitrag polarisieren und kontroverse Reaktionen auslösen würde. Wir waren aber auch der Ansicht, dass er über die reine Provokation hinausgeht und geeignet ist, eine Debatte über politische und gesellschaftliche Entwicklungen in unserem Land auszulösen.

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Entscheidend war für uns dabei, dass Ruchs Beitrag nichts mit realen Absichten zu tun hat, sondern Fiktion in einem Theaterstück ist. Hätten wir Anlass gehabt, von etwas anderem auszugehen, wäre eine Publikation kein Thema gewesen. Von einer derartigen Auslegung distanzieren wir uns in aller Deutlichkeit. «Was braucht die Schweiz?» Diese Frage, die am Anfang der Gastbeiträge stand, haben wir auch Philipp Ruch gestellt. Angestossen von seiner plakativen Antwort hätten wir uns eine Diskussion gewünscht über die aktuelle politische Stimmung, in der die öffentliche Meinung auf den Gebieten der Flüchtlings- und Sozialpolitik gezielt populistisch angeheizt wird. Denn letztlich geht es dabei um die Verkäuferinnen und Verkäufer des Strassenmagazins: beispielsweise die Eritreer, denen man nicht mehr glaubt, dass sie in ihrer Heimat verfolgt werden. Oder um die Menschen, die in der Diskussion um Scheininvalide und Sozialhilfebezüger in die Ecke gedrängt werden und die in ihrem Alltag darunter leiden, wenn Sozialhilfegelder gestrichen werden. Eine solche Debatte anzustossen, ist zu unserem Bedauern misslungen. Stattdessen überschattet Ruchs Plakat auch die übrigen Beiträge in der Sonderausgabe und die Botschaften unserer Verkaufenden. Rückgängig machen können wir die Publikation nicht. Doch wir können und werden daraus lernen. Selbstkritische und reflektierende interne Debatten haben bereits eingesetzt. Und wir werden in Zukunft sorgfältiger abwägen, auf welche Art Diskussionen über gesellschaftliche Werte angestossen werden können. Wir hoffen, dass Sie uns dabei weiterhin kritisch begleiten. ■ REDAKTION STRASSENMAGAZIN UND GESCHÄFTSLEITUNG VEREIN SURPRISE

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Porträt Ein Leben ohne Berührungsängste Justin Meyer, 86, könnte bald zum ersten Mal an der Hochzeit eines seiner 78 Urenkel dabei sein. Um den Überblick über seine Familie zu behalten, braucht er einen Spickzettel. VON SARA WINTER SAYILIR (TEXT) UND ROLAND SCHMID (BILD)

ins Gespräch. «Mein Vater hat immer gesagt, spontane Komplimente sind ehrlich. Lügner müssen erst überlegen», lässt er auf seine Komplimente folgen. Keine Berührungsängste hat Meyer auch mit der weltlichsten aller Religionen, dem Fussball. 15 Jahre pfiff er als erster und einziger orthodox-jüdischer Schiedsrichter in der Schweizer Nationalliga B. Die Leidenschaft für den Fussball hat sich auch auf seine Söhne übertragen: «Josef ist ganz FCB-fanatisch. Und sogar mein anderer Sohn, Moses, der in London wohnt und neun Kinder hat, fragt jedes Mal nach dem FCBResultat», so Meyer. «Ich gelte, wie auch mein jüngerer Bruder, als weltlich», sagt er über seine Position innerhalb seiner Gemeinde, der orthodoxen Israelitischen Religionsgesellschaft an der Basler Ahornstrasse mit ihren rund 250 Mitgliedern. Nach aussen trägt er lieber Schiebermütze und Krawatte statt Kippa, Hut und Schaufäden. Diese trägt er für andere unsichtbar unter dem Hemd. Den Sabbat hält er jedoch strikt ein, seine Kinder ebenfalls. Seinen Glauben hat er niemals infrage gestellt. Hin und wieder leitet er als ehrenamtlicher Vorbeter das Gebet in der Synagoge. Dabei singt er mit Tenorstimme ostjüdische und rumänische Lieder. «Schöne Sachen, nicht so monoton wie Kirchengesänge», sagt er. Ursprünglich ist Meyer Deutscher. 1928 in Freiburg im Breisgau geboren, kam er mit der Familie 1931 in die Schweiz. Aus geschäftlichen Gründen, wie er betont, noch vor den Nazis. Der Vater war Furnierholzhändler und führte ein florierendes Unternehmen. Als der Vater 1950 erkrankte, übernahm Meyer mit knapp 21 Jahren den väterlichen Betrieb, die Furnière-Plaçages AG an der Vogesenstrasse. Nach dem Krieg scheute sich Meyer nicht, auch den Kontakt zu den ehemaligen Kunden in Deutschland wiederherzustellen. Dabei sei ihm auch mal der

Jeden Morgen gegen halb neun holt Justin Meyer bei Krebs in Basel sein Brot ab. Die Damen hinter der Theke kennen ihn gut, man wechselt ein paar herzliche Worte. Meyer verkündet fröhlich seine Neuigkeiten: «Gerade ist mein achtundsiebzigster Urenkel zur Welt gekommen.» Meyer ist adrett gekleidet, trägt einen dunklen Anzug und eine Schiebermütze. Er geniesst sichtlich die ungläubigen Blicke der anderen Kunden im Laden. Was manche für das Märchen eines Greises halten mögen, ist eine wahre Geschichte: Selbst drittältestes Kind von sieben Geschwistern, ist der 86-jährige Justin Meyer Vater von sieben Kindern, fünf Jungen und zwei Mädchen. Zusammen schenkten sie Meyer 38 Enkelkinder. Was wiederum zu besagten 78 Urenkeln führte – bis dato. «So Gott will und er mir Gesundheit schenkt, werde ich erleben, wie im Dezember der erste Urenkel heiratet», sagt Meyer mit einem verschmitzten Lächeln. Im israelischen Ashdot lebe dieser. «Und wenn es der liebe Gott möchte, so bekomme ich auch noch Ururenkel», setzt der für sein Alter erstaunlich fitte Basler hinzu, und er wirkt dabei sehr zuversichtlich. Die Übersicht über seine reiche Nachkommenschaft behält Meyer mit Hilfe eines klein bedruckten Zettels, auf dem Namen und Geburtsdaten verzeichnet sind, wie er bei Kaffee und – wie er betont – von ihm selbst gebackenen Kuchen erzählt. Die jüngsten Familienmitglieder seien allerdings noch nicht eingetragen, gibt der Vielfach-Uropa zu. Sein Bruder in Amerika führe die Liste «im Internet, oder wie man das nennt», sagt Meyer, sie sei nicht ganz aktuell. In seiner kleinen Wohnung am Kannenfeldpark, die Meyer seit dem Tod seiner Frau Lea im Jahr 2000 allein bewohnt, stapeln sich die Bilder: An den Wänden und auf jedem Möbelstück stehen Familienfotos – teils gerahmt, teils lose hingestellt, manche schwarzweiss, andere in Farbe. «Ich weiss «Ich gelte als weltlich», sagt Meyer über seine Position in der Gemeinde. nicht immer gleich, welcher Name zu welNach aussen trägt er lieber Schiebermütze und Krawatte statt Kippa, chem Kopf gehört», sagt Meyer ohne Scham. Hut und Schaufäden. Viele hätten auch die gleichen Vornamen. «Mein Schwiegervater beispielsweise hiess Jonas, deshalb wurden viele nach ihm benannt.» Auch der Name seiner eine oder andere Nazi begegnet. «Denen hab ich gesagt: Hören Sie zu, Frau, deren Farbfotografie gerahmt und zentral auf der Anrichte im ich bin hierher gekommen, um Ware anzusehen, ich frage nicht, was Wohnzimmer steht, wiederhole sich mehrfach unter den Mädchen. bist du, was warst du, woher kommst du», erzählt er. Solange er 50 Jahre war Justin Meyer mit ihr verheiratet. Kennengelernt hatten menschlich behandelt würde, sei er ebenfalls menschlich, so Meyer. sie sich an der Hochzeit ihres Bruders mit einer Schwester von Meyer. Justin Meyer legt Wert auf seinen guten Ruf: Stolz erzählt er, wie ihm «Justin, du bist sehr temperamentvoll, und Lea ist sehr ruhig», so habe der Generaldirektor des Bankvereins in den Anfangsjahren nur aufgrund man sie ihm damals vorgestellt. «Keine Liebesheirat im klassischen Sindes ehrlichen Leumunds des Vaters sofort und ohne grössere Nachforne», gibt Meyer zu. Ihr Charakter hatte es ihm angetan, sehr geschätzt schungen einen Kredit gegeben habe. Nur den einen habe er gebraucht. habe er sie. «Niemals hat sie sich in meiner Anwesenheit umgezogen», «Wie der Vater» sagt Meyer, sei er immer ehrlich und korrekt gewesen. sehr auf die Sitten bedacht sei sie gewesen, erzählt er. Niemals habe sie Reich sei er damit nicht geworden. Aber das sei auch nicht sein Ziel geschlecht über andere gesprochen, eine seltene und faszinierende Eigenwesen: «Ich hab die Preise immer so kalkuliert, dass ich grad noch darschaft, wie Meyer findet. Und obwohl sie sehr religiös erzogen worden an verdiene», sagt er. Und er handle nicht gern. Trotz der sieben Kinder war, ermöglichte Lea ihm viele Freiheiten. «Sie hat nie gefragt: Wohin habe es ihnen an nichts gefehlt, das Geschäft habe sie immer gut untergehst du, mit wem bist du?» Nur selbst mit ihm ausgegangen sei sie selhalten. «Es ist eine Einteilungssache», sagt Meyer. Mittlerweile ist der ten. «Das hat mir gefehlt», sagt er und fügt gleich hinzu, «aber man kann Furnierhandel aufgelöst, keiner wollte den Betrieb übernehmen. Da halnicht alles haben.» fen auch die 78 Urenkel nicht. ■ Meyer selbst hat keinerlei Berührungsängste mit anderen Menschen und Lebensbereichen. Auf der Strasse kommt er gern mit Wildfremden

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«Ich mache, was mir Freude bereitet und sinnvoll erscheint»: Mario Grossenbacher stieg nach 24 Jahren in der Pharmabranche aus.

Arbeit Die ausgebrochenen Musterschüler Studien sagen: Arbeit, wie wir sie kennen und leben, macht die meisten Menschen unglücklich. Doch nur die wenigsten bringen den Mut auf, die Weichen neu zu stellen. Drei Geschichten von Menschen, die vielversprechende Karrieren aufgegeben haben – und trotz der Kehrseiten nicht mehr zurückwollen.

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VON MATHIAS MORGENTHALER (TEXT) UND LUCIAN HUNZIKER (BILDER)

Pfefferminze, Honig oder Marienblatt duftet, machte ungleich mehr Freude als das schönste Excel-Dokument. Eine ähnliche Erfahrung machte auch Peter Dettwiler, der sich viele Berufsjahre mit Aktien, Obligationen und Hypotheken beschäftigt hatte und vor fünf Jahren auf Tee, Gewürze und Stutenmilchprodukte umsattelte. Dettwiler war als Leiter dreier UBS-Geschäftsstellen im Berner Oberland in einer privilegierten Stellung, aber innerlich verspürte er mehr Ohnmacht als Macht. Er litt zunehmend unter dem «Mangel an Gestaltungsmöglichkeiten», sah «mehr Gefahren als Gelegenheiten», hatte das Gefühl, trotz langen Arbeitstagen kaum mehr etwas bewegen zu können und gegen eigene Werte zu verstossen. Als in den Ferien in Griechenland sein damals achtjähriger Sohn verunfallte und vorübergehend mehr Betreuung brauchte, geriet Dettwiler ins Grübeln und fragte sich, worauf es wirklich ankam in seinem Leben, ob er so weiterfahren wollte mit all den Terminen und Geschäftsessen und der WochenendVater-Rolle.

Dass ein Student Direktor wird, ist keine Seltenheit – das Umgekehrte schon eher. Mario Grossenbacher entschied sich nach 24 Jahren im Dienst des Pharmariesen Novartis, Neuland zu betreten. Statt ein verlockendes internes Jobangebot anzunehmen, beendete der Manager mit MBA-Titel vor drei Jahren mit 43 seine Konzernkarriere und schrieb sich in Bern als Student zur Kaospilotenausbildung ein, einer Art alternativer Ausbildung für Unternehmer. Hatte er in den Jahren davor einen hohen Lohn plus Bonus bezogen, zahlte er nun drei Jahre lang jährlich 16 000 Franken Studiengebühren. Das teure Auto und das Haus gab er auf, mietete sich in einer kleinen Wohnung ein und lebte wieder sparsam wie damals als 18-Jähriger, als er auf Reisen mit 300 Dollar pro Woche ausgekommen war. Heute begleitet er mit seiner eigenen Firma Personen und Organisationen durch Veränderungsprozesse. Grossenbachers Antrieb zum Ausstieg war ein doppelter: Einerseits Der Drang, sich zu beweisen war er in den vielen Jahren im Konzern «betriebsmüde» geworden, wie Wenig später kündigte er seinen Job. Seine Frau erhöhte ihr Pensum er sich ausdrückt. Er litt zunehmend unter dem «Leistungs- und Uniforals Ärztin, Dettwiler übernahm den Haushalt, kümmerte sich um die Ermitätsdruck», der keine Rücksicht auf persönliche Befindlichkeiten ziehung und lernte kochen. Die ersten Wochen tat sich der langjährige nahm. Und er wusste immer öfter nicht mehr, wozu das ganze AbraVizedirektor schwer. Nach 15 Jahren auf der Karriereleiter konnte er weckern mit langen Arbeitstagen in verschiedensten Ländern eigentlich gut war. Und was es mit ihm zu tun hatte. Für Freundschaften blieb kaum Zeit, weil die ArEin Duschmödeli, das nach Pfefferminze, Honig oder Marienblatt duftet, beit ihn so vereinnahmte, und innerhalb der machte ungleich mehr Freude als das schönste Excel-Dokument. Firma gab es wenig Raum für Persönliches. Mario Grossenbacher fühlte sich in ein Korsett nig mit der freien Zeit anfangen und spürte den Drang, sich sofort wiegezwängt. Zum Leidensdruck kam die Lust, sich mit Dingen auseinder zu bewerben, sich an einem neuen Ort zu beweisen. Dettwiler wideranderzusetzen, die nicht unmittelbar Performance und Rendite versprestand der Versuchung, gestand sich ein, dass er keine Ahnung hatte, was chen. Zum Beispiel mit Selbstführung, Gruppendynamik, sozialen Fraer in Zukunft machen wollte, und dass das gut war so. Die einjährige gen und dem Zweck des eigenen Daseins. Auszeit war die vielleicht beste Zeit seines Lebens, wie er im Rückblick festhält. Nie hat er mehr interessante Menschen kennengelernt, nie verLebensmittelpunkt Garage rücktere Ideen entwickelt. Sein neuer Beruf ergab sich schliesslich fast Auch Nicola Casanova hat ihr betriebswirtschaftliches Wissen viele von selber: Dettwiler, der unter Neurodermitis litt und deshalb seit LänJahre in den Dienst von grösseren Unternehmen gestellt. Zuletzt war gerem Stutenmilchpräparate benutzte, begann, diese selber zu importiesie in einem Industrieunternehmen im technischen Einkauf und in der ren. Und bald fand der Banker Gefallen am Handel, importierte auch Tee, Prozessanalyse tätig. «Ich verbrachte viel Zeit in Sitzungen, wo es sehr Kaffee und Gewürze. So wurde er zum Gemischtwarenhändler und geoft nicht um die Sache, sondern um das Ego der Beteiligten ging», sagt noss es, keine abstrakten Finanzprodukte mehr zu vertreiben, sondern sie mit ein paar Jahren Distanz. Sie wusste, worauf es bei den vielen Abend für Abend mit einer Ikea-Tasche voller Waren zur Post zu gehen Machtspielen ankam, aber innerlich rebellierte sie zunehmend gegen und mit eigenen Händen zu spüren, was Umsatz bedeutet. dieses taktische Verhalten. Dass das Ego einzelner Manager so viel Aus- und Umstiege wie jene von Mario Grossenbacher, Nicola Casawichtiger war als die Arbeitsinhalte, damit konnte sie sich auf Dauer nova und Peter Dettwiler sind die Ausnahme. Zwar ist aus Studien benicht abfinden. kannt, dass in der Schweiz nur zwei von zehn Angestellten mit Herzblut Wiederkehrende Konflikte mit ihrem Vorgesetzten brachten das Fass und Engagement ans Werk gehen und mehr als jeder Dritte chronisch schliesslich zum Überlaufen. Casanova kündigte ihren Job und suchte gestresst ist bei der Arbeit. Doch den Mut, auf Lohn, Status und Privilesich keinen neuen, sondern erklärte ihr Hobby zum neuen Beruf: die gien zu verzichten zugunsten von mehr Lebensqualität, bringen nur weProduktion von Duschseifen in der eigenen Garage. Zwei Jahre zuvor nige auf. «Viele Menschen sind in einer Schachtel eingesperrt, einem hatte sie – angeregt durch ihre Schwägerin aus Japan – damit zu expeGefängnis, aus dem sie nicht herausfinden», weiss Evelyne Coën, die rimentieren begonnen. Nun wurde die Garage zum neuen Lebensseit Jahrzehnten Menschen bei der Neuorientierung begleitet und sie mittelpunkt. Casanova suchte Einkaufs- und Vertriebskanäle, probierte ermutigt, das zu tun, was sie wirklich möchten. «Die Mauern dieses Rezepte aus, gestaltete eine Webseite und fand es «unglaublich beGefängnisses heissen Schule, Ausbildung, Beruf, Familie – und was verfreiend, nur noch sinnvolle Dinge zu tun» und ihre vielfältigen Neigunkümmert, ist die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit.» gen und Interessen im Beruf ausleben zu können. Bio-Olivenöl aus Bei Coën in der Praxis sitzen oft Leute, die als Musterschüler eine Apulien, Shea-Butter aus einem Frauenprojekt in Ghana, natürliche glänzende Karriere hingelegt haben. Irgendwann nach der Lebensmitte ätherische Öle von einem jungen Paar im Berner Jura, natürliche Farbgestehen sie sich ein: «Ich habe alles glänzend bestanden, aber jetzt hapigmente, Ziegenmilch aus einem Pro-Specie-Rara-Projekt – jede Entbe ich einen Job, den ich gar nie wirklich wollte, und ein Leben, das scheidung für einen Rohstoff trug ihre persönliche Handschrift. Und mich nicht erfüllt.» Im Fall eines Topmanagers, der bei Evelyne Coën noch etwas genoss Nicola Casanova in ihrem neuen Beruf: dass nicht erstmals einen Blick in den Spiegel wagte, klang das Fazit so: «Ich bin nur der Kopf, sondern auch der Körper gefordert war, weil da in Handwirklich zu alleroberst auf der Leiter angekommen, aber ich habe die arbeit etwas Greifbares hergestellt wurde. Ein Duschmödeli, das nach SURPRISE 359/15

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«In den Sitzungen ging es sehr oft um das Ego der Beteiligten»: Nicola Casanova, früher in der Prozessanalyse tätig, betreibt heute ihre eigene Seifenmanufaktur.

Leiter leider an die falsche Hausmauer gestellt. «Wer wenig Mittel zur Verfügung hat, schätzt die Dinge mehr, die er kauft. Ich habe mein ganzes Leben, in etwas invesSie gewinnen an Wert, weil man länger dafür arbeiten muss und sich betiert, das nur Leere zurücklässt.» wusster dafür entscheidet», sagt Nicola Casanova. Coëns eigene Statistik aus vielen hundert Beratungsgesprächen besagt, dass rund 90 das Wetter oder eine Grippewelle können den Umsatz halbieren. Doch Prozent der Manager ihren Job ungern verrichten. Sie fragt ihre Kunden dass er alle Zügel selber in der Hand habe und das Unternehmen nach dann hartnäckig, was sie gerne tun würden, wenn es keine Einschränseinen Vorstellungen gestalten könne, sei ein unbezahlbarer Luxus, sagt kungen gäbe. «Da schildern mir diese gestandenen Berufsleute HerDettwiler, der nach dem Start im Gründerzentrum inzwischen drei eizenswünsche und Visionen, die mich buchstäblich umhauen», sagt die gene Läden in Bern, Zollikofen und an der Lenk betreibt. 68-Jährige. «Wenn nur jeder Zweite diesen Weg gehen würde, hätten wir Dass er nicht mehr den gleichen Status hat wie als UBS-Filialleiter, eine wunderbare Gesellschaft, keine, die sich über Macht, Besitz, Neid stört ihn nicht. Etwa die Hälfte seiner Freunde und Verwandten hätten und Verlustangst definiert.» Doch leider beschränkten sich viele darauf, positiv auf seinen beruflichen Umstieg reagiert, sagt er. Auch jenen, die «den Platz im Gefängnis zu optimieren», sprich: von einer unbefriedisich kritisch äusserten, ist er dankbar. «Es lohnt sich, gerade mit diesen genden Stelle in die nächste zu wechseln – sei es aus Existenzangst, Stimmen etwas länger zu sprechen, denn sie können dich davor schütwegen eines starken Sicherheitsbedürfnisses, verinnerlichter Glaubenszen, dass du dich in deine Idee, deinen Geschäftsplan verliebst, was in sätze oder wegen warnender Stimmen im Umfeld. aller Regel tödlich ist.» Vom ursprünglichen Businessplan habe er nur eiMario Grossenbacher, Nicola Casanova und Peter Dettwiler möchten nen Bruchteil verwirklicht, sagt Dettwiler, und das sei gut so. Ein wichum keinen Preis mehr tauschen und ins alte Leben zurückkehren. Sie tiges Privileg des Unternehmers sei nämlich, Fehler machen zu dürfen verschweigen aber nicht, dass der berufliche Umstieg mit Schwierigkeiund aus ihnen zu lernen. Nie habe er so viel gelernt wie in den letzten ten verbunden war. Banker Dettwiler musste sich zwar dank seinem anJahren beim Aufbau der eigenen Firma. gesparten Vermögen keine Sorgen um die Existenz machen. Aber ein Jahr lang nichts und danach sehr wenig zu verdienen, machte ihm zu Keine teuren Essen mehr schaffen. «Mein Männer-Ego litt ziemlich, wenn mich meine Frau jeAuch Mario Grossenbacher blickt auf abenteuerliche und lehrreiche weils fragte, ob sie die nächste Tankfüllung übernehmen soll», sagt DettJahre zurück. Er hat die dreijährige Ausbildung zum Kaospiloten inzwiwiler. Noch heute sei es so, dass sie im Restaurant bezahle – das müsse schen abgeschlossen und bietet unter anderem Impulswochen zum sich mittelfristig wieder ändern. Thema «Vom Hamsterrad ins Cockpit» an, um andere bei der berufÜberhaupt stünden finanzielle Fragen seit dem Sprung in die Selblichen Veränderung zu unterstützen. Der ehemalige Pharmamanager ständigkeit im Zentrum. Die Einnahmen lassen sich schlecht planen,

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Litt zunehmend unter dem «Mangel an Gestaltungsmöglichkeiten»: Peter Dettwiler wurde vom UBS-Filialleiter zum Gewürzhändler.

sagt, er habe sich und seinem Leben eine Aufwertung gegönnt – im Bezug auf Freiheit, Selbstbestimmung, Selbstverantwortung und Lebensqualität. Seine Abschlussarbeit bei den Kaospiloten war dem eigenen «Life Design» gewidmet, also der Frage, welche Einstellung und welche Inhalte sein Leben prägen sollen. Dieser Kompass hilft ihm nun bei der Orientierung in der inneren Wertelandschaft. Dabei unterscheidet Grossenbacher nicht mehr zwischen Arbeit und Freizeit. «Ich mache schlicht, was mir Freude bereitet und sinnvoll erscheint», sagt er. Seine Familie und seine Freunde hätten ihn bei der Veränderung unterstützt. Die einzige Umstellung sei gewesen, dass er aus finanziellen Gründen nicht mehr alles mitmachen könne. Ein Skiweekend oder ein teures Abendessen liegen laut Grossenbacher derzeit nicht drin, die laufenden Rechnungen hingegen könne er bezahlen mit dem, was er verdiene. Die grösste Herausforderung sei ohnehin nicht finanzieller, sondern psychologischer Natur: «Es gelingt mir nicht jeden Tag gleich gut, Vertrauen in mich und meinen Weg zu haben», gibt der 45-Jährige offen zu. An manchen Tagen meldeten sich Ängste und Zweifel, aber man lerne, damit umzugehen. Und jedes persönliche Projekt, das sich wie geplant realisieren lässt, entschädige doppelt für alle Unsicherheit. Weniger Geld, mehr Bewusstsein Auch Nicola Casanova verschweigt die Kehrseiten nicht. «Es gibt Tage, da möchtest du am liebsten alles an den Nagel hängen und irgendwo einen Job antreten, der nichts mit dir zu tun hat», sagt die Unternehmerin. Weil alles eine persönliche Angelegenheit sei, werde man verletzlicher. Deshalb sei es wichtig, sich in Abgrenzung zu üben. Das gilt nicht nur für den Umgang mit Niederlagen, sondern auch für den fliessenden Übergang zwischen Privat- und Arbeitsleben. In den SURPRISE 359/15

ersten Jahren habe sie fast pausenlos gearbeitet, auch abends und an Wochenenden. Inzwischen habe sie gelernt, Zeit für sich selber und für die Partnerschaft freizuhalten. Dem Umstand, dass sie längere Zeit vom Ersparten gelebt hat und auch heute noch ihre Ausgaben genau einteilen muss, gewinnt sie Positives ab. «Wer wenig Mittel zur Verfügung hat, schätzt die Dinge mehr, die er kauft. Sie gewinnen an Wert, weil man länger dafür arbeiten muss und sich bewusster dafür entscheidet.» Manchmal wundert sich Casanova über jene, die ihren Wechsel von der Managerin zur Ein-Frau-Unternehmerin belächelten und bei ihr ein spät auftretendes Hausfrauensyndrom diagnostizierten. «Wenn ich sehe, wie diese Menschen auf ihre Wochenenden und ihre fünf Wochen Ferien hinleben, wie sie sich mit Besitzmaximierung und Statussymbolen darüber hinwegtrösten, dass sie sich im Job verbiegen müssen, dann fühle ich mich sehr wohl in meiner Haut», sagt die Naturseifen-Produzentin. «Ich habe den Schritt in die Selbständigkeit noch nie bereut, denn ich kann in meinen Beruf alles einbringen, was mir wichtig ist.» ■

Mathias Morgenthaler ist Redaktor bei der Tageszeitung «Der Bund», wo er auch den Blog Beruf und Berufung betreut. Zuletzt erschien von ihm das Buch «Aussteigen – Umsteigen. Wege zwischen Job und Berufung» (Zytglogge-Verlag, mit Marco Zaugg). Surprise-Leser können es bis zum 8. Oktober für 25.– statt 36.– Franken bestellen. Mail an info@zytglogge.ch mit Vermerk «Leseraktion Suprise».

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Liebe Auf dem Markt der Restposten Die Partnersuche um die 50 ist nicht leicht: Da tummeln sich Männer und Frauen mit unerklärlicher Vergangenheit, gescheiterten Beziehungen und vager Zukunft – letztlich alle schwer vermittelbar. Haben wir zu hohe Ansprüche? Sind wir selber schuld?

VON BIRGIT LUDWIG (TEXT) UND SARAH WEISHAUPT (ILLUSTRATION)

Warum wird eine tolle, kluge und hübsche Frau wie Maria, 46, die Herz und Verstand hat, regelmässig von diesen Internet-Freaks enttäuscht? Sucht sie vielleicht nach den falschen Kriterien? Muss es immer ein Geschäftsführer sein, ein Akademiker, ein guter Job? Robert hatte auch einen guten Job. Und Maria möchte Sicherheit. Dabei hat sie doch selber einen guten Job. Auch bei Martina ist der Wunsch nach Sicherheit ein Problem: «Ich lass mich doch jetzt noch nicht scheiden. Attilio soll weiter die Wohnung bezahlen. Schliesslich arbeite ich ja nur 80 Prozent.» Dass sie ihren Attilio nach 25 Jahren Ehe und zwei gemeinsamen Töchtern für den Klavierlehrer verlassen hat, spielt für sie offenbar keine Rolle. Ich finde Attilio, der zwar keine Stimmungskanone ist, sich aber seit 25 Jahren in einer Versicherung abkrampft, daher gelinde gesagt: tolerant. Und verstehe, dass er so langsam die Scheidung möchte. Auch wenn Martinas neuer Freund nicht auf Rosen gebettet und gesundheitlich angeschlagen ist. Martina hat nun also ihre Liebe gefunden, macht sich aber Sorgen um ihre Zukunft. Und muss nun selbst für Steuern, Kleidung, Essen und Ausgehen aufkommen. Meine Freundin Susanne hat eine harte Scheidung hinter sich: Unerbittlich stritt sie mit ihrem cholerischen Exmann ums Geld. Fünf Jahre später lernte sie endlich ihren ruhigen Walter kennen. Walter ist 57,

Meine Freundin Gabi lehnt sich in der Gartenbeiz vertraulich über den Tisch und sieht mich bedeutungsvoll an. «Seit zwei Jahren hatte ich keinen mehr im Bett», murmelt sie, mit Blick auf den Nebentisch. «Seit das mit Martin vorbei ist, habe ich einfach niemanden mehr gefunden.» Und das mit Martin, das war eher eine Butter-und-BrotLösung unter langjährigen Freunden. Gemeinsam baden, manchmal gemeinsame Ausflüge mit den Jungs, manchmal Bett. Brauchbare Hausmannskost statt Prickeln. Und das wollte Gabi dann doch irgendwie nicht mehr. Treffen im Internet? Sie schüttelt die kurzgeschnittenen dunklen Haare. «Wenn ich im Internet mein Foto veröffentliche, meldet sich doch kein einziger Mann mehr bei mir.» Ich weiss nicht, was sagen. Gabi ist eine unglaublich patente, witzige und toughe alleinerziehende Mutter mit wachen Augen, dreckigem Lachen und sexy Stimme. Dass sich für sie kein einziger Mann mehr interessiert? Kann ich kaum glauben. Vielleicht ist Gabi ein Einzelfall. So wie Maria. Maria war zehn Jahre mit Robert zusammen. Sie ist Italienerin und eine sehr kluge, disziplinierte Frau, die sich jahrelang zurückgenommen hat. Sie nahm Rücksicht auf Robert, der einen anspruchsvollen Job hatte, keine Kinder wollte und keinen Stress vertrug. Zu viel Rücksicht. Mittlerweile hat sich Robert neu verliebt, Möglicherweise wird guter Sex im fortgeschrittenen Alter wichtiger, weil Maria ist aus der gemeinsam erworbenen Eidie Wahrscheinlichkeit, dass man ihn hat, drastisch abnimmt. gentumswohnung wieder ausgezogen und hat ihren Anteil an Robert verkauft. Und der selbst Vater erwachsener Kinder und ein Arbeitstier, das auch am Wonimmt mittlerweile ungemein Rücksicht auf seine neue – alleinerziechenende gerne am Schreibtisch hockt. Dafür ist er, im Gegensatz zu hende – Freundin; vielleicht, weil er mittlerweile selber schon 50 ist und meiner Freundin, keine Sportskanone. Zwei Fahrradstürze und einen das Gefühl hat, es klappe sonst womöglich nicht mehr mit den Frauen. Skiunfall hat Walter hinter sich: Rippenbrüche und Kreuzbandriss. «Und Jetzt macht Maria eine Weiterbildung und trifft im Internet Männer. dieser Bauch!», ist Susanne genervt. Attraktive Männer. Gute Jobs. Gross. Erfolgreich. Weltweit agierende Und nun will Walter nicht einmal seine abbezahlte Viereinhalb-ZimGeschäftsführer und Informatiker und Selbständige. Man trifft sich. Einmer-Wohnung verkaufen, um 30 Kilometer weiter mit Susanne ein neumal. Zweimal. «Das ist mein Hobby», sagt Maria vergnügt. Aber spätees, teures Eigenheim anzuschaffen und mit ihr zusammenzuziehen – stens nachdem Maria mit den Männern im Bett war, werden die SMS und ihren vier Teenagern. Und Susanne will sich nicht verändern: «Ich seltener. Der Mann ist im Ausland. Der Mann muss die Kinder abholen. zieh doch nicht aufs Land, das hatte ich in meiner Ehe schon mal.» Dass Der Mann ist die ganze Zeit online, aber schreibt trotzdem nicht zurück. ihr Walter ziemlich oft auf ihre Situation mit den vier Kindern Rücksicht Der Mann redet davon, nach Amerika zu ziehen.

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nimmt, sieht sie nicht. Ab einem gewissen Alter sind die wenigsten noch bereit, etwas von ihrem Haus, ihrem Auto oder ihrer Jacht zu teilen. Erst recht nicht, wenn sie bereits eine Scheidung hinter sich haben und einige Kinder im Schlepptau hängen. Die machen es nicht unbedingt einfacher. Bockige Teenager neigen dazu, jeden möglichen Interessenten auf Herz und Nieren zu testen. Da muss sich Mutti schon mal daheim Sprüche über den «neuen Spacken» anhören. Im besten Fall sehen die neuen Partner mit Gleichmut darüber hinweg, dass sie regelmässig von den Kindern ihrer neuen Liebe provoziert werden. Als Elternteil von Teenagern ist man daher eher besser bedient, wenn man mit dem neuen Partner schöne Stunden nur ausser Haus teilt. Männer mit Geld finden immer jemanden «Sex ist schon wichtig», ist Gabi überzeugt. Möglicherweise wird guter Sex als Bindungsgrund im fortgeschrittenen Alter noch bedeutsamer, weil die Wahrscheinlichkeit, dass man ihn hat, drastisch abnimmt. Allerdings: Männer, die finanziell gut gestellt sind und womöglich nochmals eine neue Familie finanzieren und Sicherheit bieten können, finden immer eine Frau. Fast egal, wie alt sie sind. Proportional zu ihrer Grosszügigkeit scheint der Handlungsspielraum dieser Männer zu steigen. Frauen mittleren Alters dagegen tun sich erheblich schwerer und finden nicht unbedingt einen Partner, der gleichaltrig ist. Entweder sie finden einen Mann, der erheblich älter ist und mit dem sie deshalb einen Kompromiss eingehen: gemeinsame Unternehmungen, Ruhe, Sicherheit. Oder sie bandeln mit wesentlich jüngeren Männern an, mit denen frau zwar Spass haben kann, die selbst aber vor allem vor den familiären Ansprüchen jüngerer Frauen fliehen. Dabei muss erotisches Kapital nicht unbedingt etwas mit Aussehen oder Alter zu tun haben. Sondern mit Charme, SURPRISE 359/15

Authentizität, Lebenslust, Grosszügigkeit und Nachsicht gegenüber den Schwächen anderer. Mein Exfreund Rüdiger, 57, erzählt von Frauen über 60, die immer noch «diese gewisse Ausstrahlung» haben – da könne sich so manche junge Frau hinten anstellen. Doch Frauen ab 50 und Männer, die weder über erotisches Kapital noch über finanzielle Mittel verfügen, tun sich eher schwer, noch einmal einen passenden Partner zu finden. Vielleicht hat mal eine einfach Glück und einen netten Nachbarn. Viele stehen sich jedoch auch mit unrealistischen Ansprüchen und Ängsten selber im Weg, statt zuzugreifen, solange es noch Angebote gibt. Dann hilft nur eines: sein eigenes Mantra überprüfen. Denn wer ständig scheitert, kann spätestens mit 50 nicht mehr darüber hinwegsehen, dass etwas schiefläuft. Dass nicht immer die anderen Schuld an der Beziehungsmisere haben können. Dass es etwas mit den eigenen Ansprüchen oder der eigenen Biografie zu tun haben muss, wenn Beziehungen entweder nie zustande kommen oder immer wieder aus dem Ruder laufen. Rüdiger findet den Beziehungsmarkt inzwischen lächerlich. Alles überbewertet. Suchen wäre kontraproduktiv. Bei den seltenen Angeboten, die er noch bekomme, sei es eindeutig: «Diese Frauen suchen nur was fürs Bett!» Da käme er gerade noch in die Auswahl. Als brotloser Künstler komme er als Lebenspartner jedoch nicht mehr infrage. Es sei denn, eine alte Freundin wie ich käme vorbei, die ihn vielleicht heute noch so sieht, wie er früher mal war: kreativ, gutaussehend, kinderlieb, nervenstark, mit einem gradlinigen und ehrlichen Charakter und viel Humor. Wieso habe ich Rüdiger eigentlich damals verlassen? Ach ja, richtig: Er war brotloser Künstler, der partout sein Leben nicht ändern wollte, und ich wollte Familie und Sicherheit. Vielleicht sollte ich ihm mal Gabi vorstellen. Oder Maria. ■

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Surprise Strassensport Die Liga 2015 An den Schweizermeister schaften am 30. August auf dem Bundesplatz in heiss zu und her. Es wurde Bern ging es bei 35 Grad um zwei verschiedene Cu ps gespielt, wobei die liga Trophy noch immer den übergreifende Fairplay höchsten Stellenwert ha t. Diese wurde in Form Wappen an die drei Gewin ein es Trikots mit Fairplaynerteams überreicht. Da mit ist die Saison 2015 für die Liga beendet. Die Schweizer Surprise-Na ti spielt vom 12. bis 20. Se ptember am Homeless Wo Mehr zur Liga und zur Na rld Cup in Amsterdam. tionalmannschaft auf: ww w.strassensport.ch

Die Resultate Fairplay-Sieger – Free Kickers Basel – Barracudas Frenkendorf mit Azatlaf Ticino – Team Olten Kategorie A 1. Multi Basel 2. CSA Teamplayers Aarau 3. Glattwägs Züri

Kategorie B 1. Free Kickers Basel 2. Team Olten 3. Barracudas Frenkendorf mit Azatlaf Ticino

Surprise Referees

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Coaches und Leitung

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BILDER: RUBEN HOLLING ER

Bärner Sürpris

CSA Teamplayers Aarau

Glattwägs Züri

Barracudas Frenkendorf/Azatlaf Ticino

Dragons Basel

Multi Basel

Surprise Basel

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Free Kickers Basel

Sandwürfi Bärn

Team Olten

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Serhji Zhadan vor den Trümmern einer Brücke: Auf den Lesereisen in der Ostukraine müssen der Autor und seine Begleiter oft lange Umwege in Kauf nehmen.

Ukraine «Das Risiko, unser Land zu verlieren, ist einfach zu gross» 18

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Der ukrainische Schriftsteller und Musiker Serhij Zhadan ist in seiner Heimat ein Popstar. Für Menschen in Kriegsgebieten sei Kultur eine Art Heilmittel, ist er überzeugt – und geht auf Lesereise, wo sonst niemand mehr hinfährt.

VON INGO PETZ (INTERVIEW) UND MAX AVDEEV (BILDER)

Herr Zhadan, wie ist die Atmosphäre in Ihrer Heimatstadt Charkiw? Lässt sich ein normaler Alltag leben, wenn 200 Kilometer entfernt ein Krieg tobt? Auf den ersten Blick ist hier alles ganz normal, alles ist ruhig. Charkiw ist eine friedliche, sonnige Stadt, die Leute gehen einfach ihren Alltagsgeschäften nach. Aber wenn du genauer hinschaust, bermerkst du die Leute, die Verwaltungsgebäude mit Maschinengewehren bewachen, du siehst die Soldaten am Bahnhof, die von der Front zurückkehren oder an die Front fahren. Manchmal sieht man Militärfahrzeuge, die in Richtung Donbass fahren. Und natürlich fallen einem die grossen Plakate auf, auf denen zum Beispiel zu lesen ist: Separatismus verursacht Zerstörung. Du siehst all das und wirst daran erinnert, dass im Land Krieg herrscht, ein Krieg, in dem jeden Tag Menschen sterben. Tatsächlich brauchen die Leute in Charkiw keine Plakate, um an den Krieg erinnert zu werden. Jeder hat einen Verwandten, der im Krieg kämpft, der die Armee mit Hilfslieferungen unterstützt oder der sich für die Binnenflüchtlinge einsetzt. Und jeder kann jederzeit eingezogen werden.

friedlichen Leben miteinander verbinden. Wegen der Dinge, die sie geformt haben: die Literatur, die Musik oder die Filme, die für sie wichtig waren. Deshalb ist es heute wichtig, sich daran zu erinnern, dass das Leben nicht nur aus den Ereignissen im Kriegsgebiet und irgendwelchen Verlautbarungen von Politikern besteht, sondern dass es auch weiterhin Gedichte und Theater gibt. Deswegen mache ich auch meine Lesungen und spiele Konzerte. Für viele ist das eine Therapie. Wir fahren ja auch in diese kleinen Städte im Donbass, wo sonst niemand mehr hinfährt. Diese Reisen sind auch für uns eine Therapie. Das Land sucht sich, versucht zu verstehen, versucht wieder mit sich klar zu kommen. Der Euromaidan, die Bewegung, die 2014 zur Revolution führte, hat viele zivilgesellschaftliche Initiativen hervorgebracht, die den Reform- und Demokratieprozess beeinflussen wollen. Ist mittlerweile eine Müdigkeit festzustellen? Nein, nicht wirklich. Viele Initiativen bestehen und entwickeln sich weiter. Sie transformieren sich entsprechend der Entwicklung im Land. Einige Projekte haben sich in eine Freiwilligenbewegung umgewandelt, andere wiederum wollen direkt Politik machen, wieder andere beschäftigen sich mit Projekten im humanitären Sektor. Es ist nicht wie 2005, als das Land nach der Orangen Revolution von einer totalen Lähmung ergriffen wurde. Viele Ukrainer verstehen, dass man die Köpfe nicht einfach hängen lassen darf – das Risiko, alles zu verlieren, unser Land zu verlieren, ist einfach zu gross.

Im vergangenen Jahr haben Sie in einem Artikel geschrieben, dass die Ukrainer den Krieg nicht als solchen ansehen, dass sie sich in den Alltag flüchten. Ist der Krieg jetzt, ein Jahr später, in den Köpfen angekommen? Es gibt diejenigen, die die Realität des Krieges akzeptiert haben. Und Auch in Charkiw gab es im vergangenen Jahr den Versuch von Sediejenigen, die die Augen vor ihm verschliessen und so tun, als würde paratisten und Milizen, die Macht zu übernehmen. Warum hat das er sie nicht betreffen. Natürlich gibt es in der Gesellschaft eine gewisse im Vergleich zu Donezk und Luhansk nicht funktioniert? Kriegsmüdigkeit, im physischen und auch im psychologischen Sinn. Wenn man ein ganzes Jahr lang in den Nachrichten immer wieder hört, wie viele Men«Es entscheidet jeder für sich, wie er mit diesem Krieg umgeht. Einer schen umgekommen sind, ist das alles andere meldet sich freiwillig an die Front, der andere versteckt sich vor der als leicht, auch wenn man unter den Toten keiEinberufung.» nen Bekannten hat. Also entscheidet jeder für sich, wie er mit diesem Krieg umgeht. Einer Mir scheint, dass es dafür eine ganze Reihe von Gründen gibt: die Einmeldet sich freiwillig an die Front, der andere versteckt sich vor der Einstellung unserer lokalen Regierung, die Stimmung in der Bevölkerung, berufung. Es ist wichtig, dass man nicht zerbricht, dass man nicht der die Position der Machteliten und auch der Zufall. Ich bin bis heute dagrassierenden Hysterie und Angst erliegt. von überzeugt, dass die Voraussetzungen für den sogenannten Separatismus in Luhansk oder in Donezk nicht besser waren als in Charkiw Sie sind vergangenes und dieses Jahr durch die ganze Ukraine geoder in Dnipropetrowsk. Man muss aber auch sagen, dass die Idee diereist. Kann die Literatur in solch schwierigen Zeiten eine Hilfe sein? ses Separatismus eigentlich von unserem Nachbarstaat Russland aus in Das ist wirklich seltsam. Es scheint manchmal, als ob die Kultur in Zeiunsere Wirklichkeit getragen wurde. Charkiw hatte im Grossen und ten des Krieges auf Sparflamme laufen muss, da allen nicht sonderlich Ganzen wohl einfach Glück – dieser sogenannte Russische Frühling danach ist. Tatsächlich ist es jedoch den Menschen gerade in schwieriwurde hier schon sehr früh ausgemacht und aufgehalten. Deswegen ist gen Situationen wichtig, zusammenzuhalten. Nicht wegen des Hasses, Charkiw heute eine friedliche und sonnige Stadt. Warum das nicht in der Bosheit oder der Panik. Sondern wegen der Dinge, die ihre früheren, SURPRISE 359/15

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Zhadan liest und musiziert für den Zusammenhalt der Bevölkerung ...

Donezk und in Luhansk gelungen ist? Diese «Mir fehlte Charkiw in der Literatur. Deswegen habe ich dieses Frage muss man Politikern, den Chefs der MiBuch vor allem für mich geschrieben.» lizpolizei und den Oligarchen stellen. Leider muss das Land für diese Schändlichkeit, diese Feigheit und auch für eine gewisse Gier seit mehr als einem Jahr mit kulturelle Schichten vermischt. Der Stil von «Mesopotamien» ist beMenschenleben bezahlen. wusst anachronistisch beziehungsweise episch ausgefallen. Aber es ist nicht die Kulturlandschaft, die diesen bestimmten Stil diktiert, im Sie sagen oft von sich selbst, Ihre Literatur sei nicht besonders poliGegenteil: Ich wollte der Stadt einen Mythos geben, eine Geschichte, die tisch. Sie selbst sind aber ein sehr politischer Mensch, der sich auch ich im künstlichen Rahmen des Mythos angelegt habe, ein bisschen wie in Interviews und in seinem Blog politisch äussert. Reizt es Sie nicht, eine Predigt. die aktuellen Ereignisse in einem politischen Roman aufzuarbeiten? Es ist klar, dass in letzter Zeit alle über Politik und über den Krieg reden. Wollten Sie Ihrer Heimatstadt Charkiw so auch ein literarisches Aber Dichter sollte man grundsätzlich besser über Metaphern befragen. Denkmal setzen? Ob es mich nicht trotzdem reizt, einen politischen Roman zu schreiben? Ganz sicher. Mir fehlte Charkiw in der Literatur. Ungeachtet dessen, Im Prinzip schon. Ich beginne gerade mit der Arbeit an einem neuen Rodass die Stadt einen sehr interessanten Hintergrund hat, spielt Charkiw man, der im Donbass spielen wird. Ich bin mir nicht sicher, ob dies ein in der Literatur nur eine sehr untergeordnete Rolle. Das ist sehr ungeausgesprochen politischer Roman werden wird. Aber in der heutigen recht, wie ich finde. Deswegen habe ich dieses Buch vor allem für mich Ukraine wird natürlich alles durch die politische Brille betrachtet. Dem geschrieben. kann man nur schwer entkommen. Man hat auch den Eindruck, dass es ein Buch ist, das schon sehr lanTitel, Sprache und Stil Ihres neuen Buchs «Mesopotamien» haben etge in Ihrem Kopf gearbeitet hat. was Episches, Poetisches, teilweise Anachronistisches. Die GeschichJa, natürlich. Ich habe auch schon früher versucht, über mein Charkiw ten erinnern an die Märchen aus 1001 Nacht oder an die philosophizu schreiben. Aber das ist mir nur fragmentarisch gelungen. Für mich schen Betrachtungen von persischen Schreibern. Glauben Sie, dass ist diese Stadt nicht einfach ein Ort, an dem ich wohne. Es ist ein Ort, Charkiw tatsächlich an einer Kulturgrenze liegt, oder nutzen Sie den wo ich mich an meinem Platz fühle. Das wollte ich alles beschreiben. Rahmen lediglich, um eine literarische Idee zum Leben zu erwecken? Wobei in dem Buch längst nicht alles steht, was ich fühle. Es könnte soNatürlich ist Charkiw eine Grenzstadt, nicht nur im geografischen Sinn, gar eine Fortsetzung geben. Mal sehen. auch im kulturellen – hier haben sich schon immer unterschiedliche

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... und für die Truppenmoral: Kämpfer eines Freiwilligenbatallions der ukrainischen Armee in Slowjansk im Publikum.

Immer wieder findet man Stellen in den Geschichten, die etwas ausgesprochen Fantastisches haben. Nutzen Sie die Literatur auch dazu, um sich klar zu werden, dass das Leben mehr ist als die Wiederkehr des Alltäglichen? Ich habe mich eigentlich nie ernsthaft für Mystik interessiert. Bei mir hat sie immer eine ironische Implikation. Mich interessiert es nicht, meine Gefühle zu beschreiben, sondern die meiner Charaktere. Glauben Sie mir! Viele Leute können in diesem Leben durch Wände gehen und haben in ihren Wohnungen geheime Zimmer, wo sich gewisse Wunder ereignen. Warum sollte ich nicht über solche Dinge schreiben? Sie haben das Buch bereits vor dem Beginn des Euromaidan und den folgenden tragischen Ereignissen abgeschlossen. Dennoch hat man das Gefühl, dass manche Episoden eine unheimliche Vorahnung in SURPRISE 359/15

sich tragen. Ich gehe aber davon aus, dass Sie nicht zum Hellseher geworden sind, oder? Natürlich bin ich kein Hellseher. Darüber hinaus: Im November 2013 war ich überzeugt davon, dass bei uns alles ganz anders kommen würde. Daher lohnt es sich nicht, in «Mesopotamien» nach Hinweisen und Vorhersagen zu suchen. Vielleicht gibt es ein Gefühl der Unvermeidbarkeit und der Logik in allem, was uns widerfährt. Vielleicht. ■

Ingo Petz, 41, schreibt seit über 15 Jahren über weissrussische und ukrainische Kultur. Er lebt als freier Journalist und Autor in Berlin, wo auch dieses Gespräch stattfand.

BILD: ZVG

Das Buch scheint – mit Verlaub – viel reifer, düsterer und vielschichtiger als alles, was Sie vorher geschrieben haben. Es geht sehr viel um die Liebe, um den Tod, um die Frage nach Transzendenz. Hat das auch mit Ihrem Alter zu tun? Wenn man über 40 ist, nimmt man die meisten Sachen im Leben natürlich anders wahr, als wenn man jugendliche 20 ist. Wäre ja auch seltsam, wenn es anders wäre. Deswegen unterscheiden sich die Bücher, die ich vor zehn, 20 Jahren geschrieben habe, natürlich sehr stark von dem, was ich heute schreibe. Mir gefällt die Vergänglichkeit der Zeit, mir gefällt es, das aufzuspüren und in Worte zu packen. Die Zeit ist eine sehr grosszügige und interessante Sache. Man braucht keine Angst vor ihr zu haben. Es wäre sogar dumm, Angst vor der Zeit zu haben. Auch das versuche ich in «Mesopotamien» zu erzählen.

Serhij Zhadan: Mesopotamien. Suhrkamp 2015. Lesung und Gespräch mit den beiden ukrainischen Autoren Serhij Zhadan und Juri Andruchowytsch am Mittwoch, 14. Oktober 2015, 19.30 Uhr im Literaturhaus Zürich.

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BILD: GUIDO SÜESS

Wörter von Pörtner Blindgänger Ich bin stark kurzsichtig. Ohne Brille sehe ich nicht viel und vor allem nicht scharf. Trotzdem gehe ich jeweils ohne Brille in den Wald rennen. Die Umgebung wirkt auch in der Unschärfe immer wieder erbaulich. Der Bach, der mal grünlich, dann wieder klar fliesst und sich, wenn es viel geregnet hat, in eine reissende braune Brühe verwandelt. Die Bäume, die die Blätter verlieren, sodass der Himmel selbst im Tobel noch zu sehen ist, bis sie dann wieder spriessen und sich der Wald in eine grüne Höhle verwandelt. Der Weg, der mal trocken, mal pflotschig, mal nass und hin und wieder vereist ist. Nirgends erlebe ich den Wandel der Jahreszeiten deutlicher. Das ist einer der Hauptgründe, warum ich überhaupt renne. Natürlich könnte ich auch einfach spazieren gehen, aber dazu bin ich zu faul. Während ich also meine Umwelt im Grossen und

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Ganzen wahrnehmen kann, verliere ich im Kleinen die Übersicht. Da verschwimmen die Farben und Formen und erweisen sich beim Näherkommen dann als etwas ganz anderes als gedacht. Der schwarze Hund, der am Wegrand sitzt, ist ein Baumstrunk. Die braunen Büsche am Wegrand zwei Schafe, die bei der Freizeitanlage weiden. Der Zwerg mit dem glitzernden Cape ist ein silberner Papierkorb. Hin und wieder linsen Trolle durchs Geäst, Fabelwesen huschen zwischen den Bäumen hindurch, aus gut getarnten Hexenhäusern steigt Rauch auf. Dank meiner schlechten Sicht erhält sich der Wald etwas von seinem Geheimnis und bleibt eine Abenteuerzone, auch wenn ich den Weg, zumindest freiwillig, selten verlasse. Der Wald ist nicht umsonst ein beliebter Schauplatz für Märchen, Räubergeschichten und Horrorfilme. Für viele Eltern ist ein Kriterium bei der Wohnortsuche, dass es die Kinder nicht weit in den Wald haben. Erzählen ältere Leute von ihrer Kindheit, erwähnen sie, selbst wenn sie in der Stadt aufgewachsen sind, dass sie viel in den Wald gegangen seien. Der Wald ist unsere kleine Flucht, ein Gebiet, das der Zivilisation trotzt, glauben wir zumindest, obwohl unsere Wälder natürlich gut gepflegt sind. Der Wald wird rege genutzt, von Spaziergängern, Bikern, Hündelern. Mit Hunden hatte ich noch nie ein Problem, ich grüsse sie, wie ich auch alle Leute grüsse, denen ich begegne, weil ich erst im letzten Moment erkenne,

wer mir entgegenkommt. Vielleicht sind es ja Nachbarn oder Bekannte. Darum murmle oder keuche ich, je nach Streckenabschnitt, ein freundliches «’morge». Dabei habe ich festgestellt, dass joggende Frauen und Verbotstafeln nie zurückgrüssen. Die meisten anderen schon. Vielleicht sind es immer dieselben Leute, die ich treffe, denn ich gehe immer ungefähr um dieselbe Zeit rennen. Das Aufkommen der Mitjogger schwankt. Im Januar sind es immer mehr als sonst. Die guten Vorsätze. Auch die ersten warmen Tage locken viele hinaus, und der Beginn der Badesaison. Zu der Zeit sind es vor allem Frauen, meist in Zweierteams. Wenn es regnet oder schneit, sind an einem Samstagmorgen natürlich nur die seriösen Jogger, die Marathon- und Triathlonteilnehmer unterwegs. Ausser einem, der sich, gänzlich frei von solchen Ambitionen, auch beim hundertsten Mal von demselben grauen Findling erschrecken lässt.

STEPHAN PÖRTNER (STPOERTNER@LYCOS.COM) ILLUSTRATION: SARAH WEISHAUPT (SAVVE@VTXMAIL.CH) SURPRISE 359/15


Pop Immergrüne Dandys Für viele Popfans sind Duran Duran mit ihrem üppigen Synthi-Sound und den glamourösen Videos die klanggewordene Verkörperung der Achtzigerjahre. Mit einem überaus frischen Album beweist die Band, dass sie selber nicht in der Nostalgie hängen geblieben ist.

Der Rummel um das Erscheinen des vierzehnten Duran-Albums «Paper Gods» ist beachtlich. Aus der ganzen Welt sind die TV-Crews eingeflogen. Das gesamte Untergeschoss eines supercoolen Hotels in Soho ist für den Medientag belegt worden. Sänger Simon Le Bon gleitet elegant wie einst die Boote in seinen Videos durch den Korridor, japanische Journalistinnen schlagen sich bei dem Anblick die Hand vor den Mund und kichern. Fast 40 Jahre sind Duran Duran im Geschäft, mehr als 100 Millionen Tonträger haben sie verkauft. Ja, sie gehören zu den ganz wenigen Zeitgenossen, denen die Ehre zugekommen ist, den Themensong für einen James-Bond-Streifen zu komponieren («A View to Kill»). Nur die letzten 20 Jahre, während denen man auch einmal getrennte Wege ging, haben es nicht mehr so gut gemeint mit der Band. Selbst in ihrer britischen Heimat hat sie in dieser Zeit nur noch einen Top-Ten-Hit feiern können, und der liegt auch schon elf Jahre zurück. Aber das ist eigentlich kein Wunder. Wer dermassen unvergesslich den Zeitgeist prägt, wie es Duran Duran mit Singles wie «Rio», «Wild Boys» und «The Reflex» und ihren im Glamour schwelgenden Videos taten, muss damit rechnen, dass ihr Stern mit dem Wandel der Moden hinter dem Horizont verschwindet. Man hätte es gut verstehen können, wenn Duran Duran angesichts des verblassenden Applauses das Handtuch geworfen hätten, um sich der Dolce Vita auf der Luxusjacht hinzugeben. Damit würde man die Motivation der Band allerdings völlig falsch einschätzen. «Wir nehmen unsere Musik ernster denn je», erklärt Synthi-Spezialist Nick Rhodes und gibt sich dandyhaft und witzig wie gewohnt. «Es bedeutet uns viel, weiterhin ein wichtiger Teil der grossartigen Popmusiktradition zu sein. Und das muss man sich verdienen. Es zählt nicht, wenn man sich nur an den Schosszipfel der Nostalgie klammert.» Als musikalische Ahnen nennt Rhodes insbesondere Roxy Music und David Bowie: «Auf seinen Platten gab es Passagen, mit denen man zuerst überhaupt nicht zurechtkam», sagt er. «Aber wenn man sie plötzlich verstand, war die Genugtuung umso grösser.» Das Duran-Duran-Album «Paper Gods» – es muss gesagt sein – ist ein bemerkenswert frisch klingendes Werk. Produziert von der Band selber mit Mr. Hudson (einem Briten, der in Los Angeles mit Kanye West und Jay-Z gearbeitet hat), Mark Ronson und Nile Rodgers, weicht es nie allzu weit vom feisten Synthi-Pop/Rock-Sound ab, den die Band in ihren frühen Tagen patentierte. Vom alten Quintett fehlt heute nur der Gitarrist Andy Taylor. Wo die restlichen vier – Le Bon, Nick Rhodes (keyboards), John Taylor (bass), Roger Taylor (drums) – vielen jungen Kämpen aus den Hipstermetropolen Brooklyn und Hoxton, die sich der musikalischen Neuerschliessung der Achtzigerjahre verschrieben haben, einiges vormachen können, ist der handwerklich smarte Umgang mit eingängigen Melodien und vor allem auch die raffinierte Detailpflege. Nebst Gästen wie Janelle Monae, Kiezsa und John Frusciante (der langjährige Red Hot Chili Peppers-Gitarrist bot seine Dienste per E-Mail SURPRISE 359/15

BILD: ZVG

VON HANSPETER KÜNZLER

Musikalisch noch so frisch wie vor 30 Jahren.

an, als er hörte, die Band befinde sich im Studio) gönnen sich Duran Duran zudem einige Experimente: Mehrere Songs gehen monumentale sieben Minuten und verlieren dennoch ihre Dynamik nicht. Ein ganzes Jahr verbrachte man im Studio damit, Ideen zu generieren, ein zweites, diese zurechtzuschleifen. «Im Zeitalter der winzigen Konzentrationsspanne ist jedes Detail wichtig», erklärt der baumlange Bassist John Taylor. «Jeder Snare-Beat kann den Unterschied ausmachen, ob das Lied im Gedächtnis haften bleibt oder nicht.» Ein solches «Detail» ist auch schuld daran, dass die ersten, hitparadenstürmenden Duran-DuranAlben heute nicht halb so veraltet und ärgerlich klingen wie unzählige andere Eighties-Artefakte. «Ha!», grinst Taylor: «Erst vor ein paar Tagen hat Nick zu mir gesagt, er sei ja so verdammt froh, nie einen DX 7-Synthi verwendet zu haben!» «Und das ist kein Witz!», fällt ihm Rhodes ins Wort. «Es besteht ein Gerücht, wonach die ersten zwei DX 7 an INXS und Duran Duran gegangen seien. Das ist vollkommen unwahr. Gerade darum, weil alle anderen einen hatten, wollte ich keinen.» Es sei eine Frage des Stiles. «Wenn man seine Instrumente zusammenkauft wie Junk Food, klingt man selbstverständlich bald so wie alle anderen. Darum habe ich Haute Couture immer der Massenware vorgezogen.» ■ Duran Duran: «Paper Gods» (Warner Brothers)

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Kultur

Die Reservoir Dogs aus dem Wohnzimmer.

Wie praktisch ist es, entlastet zu sein.

Buch Der alte Traum vom Fliegen Die mexikanische Fabel «Als die Vögel vergassen, Vögel zu sein» erzählt vom Preis des Fortschritts.

Kino Das starke Rudel Mitten in Manhattan wuchsen sieben Geschwister abgekapselt von der Welt auf. Der Dokumentarfilm «The Wolfpack» begleitet sie bei ihrem langsamen Ausbruch. VON THOMAS OEHLER

VON CHRISTOPHER ZIMMER

«Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt, behaart und mit böser Visage. Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt und die Welt asphaltiert und aufgestockt, bis zur dreissigsten Etage.» So beginnt Erich Kästners Gedicht «Die Entwicklung der Menschheit» von 1932. Und es ist kein Zufall, dass sich die Erinnerung an diese Verse bei der Lektüre des preisgekrönten Bilderbuchs «Als die Vögel vergassen, Vögel zu sein» von María Julia Díaz Garrido und David Daniel Àlvarez Hernández einstellt. Denn in beiden Werken sind die Abkehr von einem ursprünglichen Zustand und die Folgen des Fortschritts thematisiert. Doch was bei Kästner mit bissiger Ironie daherkommt (denn am Ende bleiben die Kerls doch «die alten Affen»), ist beim mexikanischen Künstlerduo von einer stillen Melancholie erfüllt. Dabei halten auch sie uns mit ihrer Fabel den Spiegel ebenso vor. Allzu gut erkennt man sich in der Geschichte von den Vögeln wieder, die den Blick von den Bäumen und sich vom Fliegen abkehren, um in ein neues Zeitalter einzutreten. Doch so klug diese Vögel auch sind und auch wenn sie die Welt erklären können, der Fortschritt hat seinen Preis: Ihre schönen Häuser entpuppen sich als Käfige für Einzelgänger, und Fliegen ist nur noch mit Maschinen möglich. Vor allem aber gehen sie zu weit, werden bequem, wünschen sich Unerreichbares (fremde Federn im wahrsten Sinne) und machen sich die Welt und deren Lebewesen auf eine zerstörerische Weise untertan, die sich schliesslich gegen sie selber richtet. Wenn es einem da nicht in den Ohren klingelt, muss man fortschrittsgeblendet sein. Dass diese Geschichte trotz ihrer Eindeutigkeit ohne erhobenen Zeigefinger erzählt wird, ist dem Künstlerduo hoch anzurechnen. Das Buch mit seinen zarten Schwarz-Weiss-Zeichnungen und den schlichten, knappen Texten regt zum Nachdenken an und ist für Gross und Klein und die gemeinsame Lektüre wärmstens zu empfehlen. Am Ende steht die Rückbesinnung auf den alten Traum vom Fliegen – ein heiterer Hoffnungsschimmer.

Sie hätten alle Voraussetzungen gehabt, um psycho- oder soziopathisch zu werden. Aus dubiosen, religiös motivierten Gründen sperrte sie ihr Vater die ganze Kindheit lang in der Wohnung ein. Den einzigen Kontakt zur Aussenwelt boten die DVDs mit Action-, Horror- und Kultfilmen. Die Hauptbeschäftigung der sechs Brüder (ihre Schwester leidet an einer geistigen Behinderung) bestand denn auch darin, diese Filme nachzudrehen – innerhalb der Enge, die ihnen ihr Leben bot. Dass sie trotzdem zu stabilen, intelligenten und sozialen jungen Menschen heranwuchsen, ist das eigentlich Wunderbare der Geschichte. Sicher war es vorteilhaft, dass sie nie alleine waren, sondern immer schon ein Rudel. Das Hauptverdienst gilt aber der Mutter: Sie beugte sich seltsam devot dem Diktat des Vaters und legte gleichzeitig eine bewundernswerte Stärke an den Tag, dank der sie die Kinder zu eigenständigen Personen heranziehen konnte. Zu ausgesprochen kreativen sogar, denn das ist das zweite Wunder: die schöpferische Kraft, die den Brüdern eigen ist und mit der sie Kostüme und Requisiten ihrer Filme minutiös nachbauten. Ausgerechnet diese Filme gaben den Jungen schliesslich die Kraft, sich als Gruppe über das allmächtige Verbot des Vaters hinweg- und einen Fuss auf die Strassen Manhattans zu setzen. Einzigartig ist die Nähe, mit der Regisseurin Crystal Moselle diese Familie im Dokumentarfilm «The Wolfpack» begleitet. Sogar der anfangs im Film gespenstisch unsichtbare Vater traut sich irgendeinmal vor die Kamera und setzt zur (missglückten) Selbstverteidigung an. Schade, dass sich Moselle nicht in psychologische Tiefen wagt und Fragen zu stellen versäumt, wie: Was trieb den Vater wirklich zu seinem Verhalten an? Hat die jahrelange Absonderung nicht doch tiefere Spuren in der Psyche der Brüder hinterlassen, als uns diese eigenartige Coming-of-Age-Story zeigt? Angesichts ihrer Ungeheuerlichkeit können wir da nur Vermutungen äussern. Sehen wir den Brüdern aber dabei zu, wie sie erst zögerlich aber zunehmend lebhaft quasi noch mal zur Welt kommen, macht die Geschichte vor allem eines: Mut!

María Julia Díaz Garrido/David Daniel Àlvarez Hernández: Als die Vögel

Crystal Moselle: The Wolfpack, USA 2015, 89 Min., mit Bhagavan Angulo, Govinda

vergassen, Vögel zu sein. Aracari Verlag 2015. 24.90 CHF

Angulo, Jagadisa Angulo. Der Film läuft ab 1. Oktober in den Deutschschweizer Kinos.

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Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.

Tomáš Sedlácˇek erkennt die Persönlichkeitsstörungen der Ökonomie.

Lesung Gestörte Seele der Ökonomie Der tschechische Ökonom Tomáš Sedlácˇek liest in Zürich aus seinem neusten Buch: Es ist eine ebenso informative wie unterhaltsame Psychoanalyse der Hochfinanz. VON MONIKA BETTSCHEN

Der tschechische Volkswirt und Hochschuldozent Tomáš Sedlácˇek weiss, wovon er spricht, wenn er, gemeinsam mit Ko-Autor Oliver Tanzer, in seinem jüngsten Buch «Lilith und die Dämonen des Kapitals» die Gier nach immer mehr Wachstum laut infrage stellt. Der ehemalige Berater von Václav Havel ist heute Chefökonom der grössten tschechischen Bank. Er ist also selbst Teil jenes Systems, dessen Auswüchse er kritisiert. Mit dieser speziellen Perspektive sorgte der heute 38-jährige Sedlácˇek bereits 2012 mit seinem Bestseller «Die Ökonomie von Gut und Böse» international für Aufsehen. In seinem neuen Werk geht es nicht nur darum, welche Glaubensfragen und kulturellen Werte die Wirtschaft antreiben. Sondern auch um ihr Wesen, das auf über 300 Seiten in bester psychoanalytischer Manier seziert wird. Dabei berücksichtigten Sedlácˇek und Tanzer, wie eng die Ökonomie mit der Kulturgeschichte des Menschen verwoben ist. Und gerade weil dieses System von Menschen gemacht wurde, folgt es auch nicht den Gesetzen der Logik, sondern jenen der Psychologie. Es offenbart sich je länger je mehr: Die Wirtschaft verhält sich keineswegs derart rational, wie das Zahlen, Formeln und Statistiken gerne glauben machen wollen, sondern krankt an einer Vielzahl von Persönlichkeitsstörungen, und die suchen die Wirtschaftsakteure heim wie Dämonen. Als Symbol für das uralte menschliche Streben nach Reichtum wählten die Autoren die mythologische Figur der Lilith, jener sumerischen Göttin also, die in einem unheilvollen Kreislauf gleichzeitig gebiert und wieder verschlingt. Ähnlich wie Lilith ergeht es auch der Ökonomie, die laufend Neues schafft, während sie sich gleichzeitig rücksichtslos Ressourcen und obsolet Gewordenes einverleibt. Das System krankt an gestörter Impulskontrolle ebenso wie an Angststörungen. «Betrachtet man es systematisch, kann man sadistische, narzisstische und sadomasochistische Verhaltensmuster in der Wirtschaft erkennen«, schreiben Sedlácˇek und Tanzer in ihrer Einführung. Im Literaturhaus Zürich bietet sich die Gelegenheit, sich der rasenden Furie Ökonomie aus sicherer Distanz anzunähern: Sedlácˇek wird persönlich anwesend sein, als Psychotherapeut sozusagen.

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Fischer + Partner Immobilien AG, Otelfingen

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VXL Gestaltung und Werbung AG, Binningen

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Ingenieurbüro BEVBE, Bonstetten

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Netzpilot Communication, Basel

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Scherrer & Partner GmbH, Basel

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Balcart AG, Therwil

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Gemeinnütziger Frauenverein Nidau

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Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich

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weishaupt design, Basel

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Thommen ASIC-Design, Zürich

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Velo-Oase, Erwin Bestgen, Baar

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Coop Genossenschaft, Basel

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AnyWeb AG, Zürich

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Burckhardt+Partner AG

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mcschindler.com GmbH, Zürich

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fast4meter, Storytelling, Bern

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Maya-Recordings, Oberstammheim

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Bachema AG, Schlieren

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Kaiser Software GmbH, Bern

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Ko Schule für Shiatsu GmbH, Zürich

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Schweizerisches Tropen- und Public HealthInstitut, Basel

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Lions Club Zürich-Seefeld, Zürich

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Klinik Sonnenhalde AG, Riehen

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Privat-Pflege und Betreuung, Oetwil am See

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Praxis Colibri-Murten, Murten

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

Tomáš Sedlácek ˇ – Lilith oder die Dämonen des Kapitals, Lesung und Gespräch. Moderation: Daniel Binswanger, Literaturhaus Zürich, Do, 8. Oktober, 19.30 Uhr www.literaturhaus.ch SURPRISE 359/15

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So sieht der Tibeter Gyaltsen Zürich.

Zürich Häuser ohne Fenster «Wenn du kein Geld hast, nehmen sie dir ein Organ», erzählt der Eritreer Osman über den Wegzoll für Flüchtlinge im Sinai. Der syrische Arzt Nassan wurde von der «speziellen Polizei» verfolgt, weil er einem Kriegsverletzten von der «falschen Seite» geholfen hatte. Der Tibeter Gyaltsen wurde ins Gefängnis gesteckt, weil er offen gesagt hatte, dass Häuser in seinem Ort nicht von Chinesen, sondern von Tibetern gebaut wurden. Er wurde gefoltert und geschlagen, bis er ohnmächtig war. «Wenn du ohnmächtig bist, machen sie alles mit dir», sagt der unauffällige junge Mann im Videointerview mit dem Zürcher Künstler Raphael Perret, der sich für die Ausstellung «Stadtbilder» mit der bildenden Künstlerin Julia Bruderer zusammengetan hat. Diese Menschen, die aus ihrer Heimat geflüchtet sind – wie sehen sie Zürich? Perret und Bruderer haben sie persönlich getroffen. Es sind unscheinbare Details, die ihre Recherche zu Kunst machen: die kurzen Einstellungen der Schauplätze von Perrets Videointerviews, deren Stille und Kommentarlosigkeit. Die Unschärfen und Leerstellen auf Bruderers Ölbildern, die Abstraktionen, wenn man plötzlich merkt, dass die Häuser keine Fenster haben. (ami)

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BILD: ZVG BILD: JULIA BRUDERER

Ausgehtipps

Finstere Zeiten: Berner im Goldrausch

Wie macht man einen Film über anonyme Menschen?

Bern Gold!

Bern Aufgenommen

Stellen Sie sich vor, sie sind Multimillionär und nun findet man auf Ihrem Grundstück auch noch Gold. Klingt gut, war’s aber nicht für den Schweizer USA-Auswanderer Johann Suter. Hochverschuldet und steckbrieflich gesucht war er nach Amerika geflüchtet (heute würde man sagen ein krimineller Wirtschaftsflüchtling) und dort zum grössten Landbesitzer aufgestiegen. Dann wurde er vom Goldrush buchstäblich überrannt und starb bettelarm. Der Schweizer Autor Blaise Cendrars hatte das Drama 1925 zu Papier gebracht, eine illustre Berner Theatergruppe um «Goalie» Marcus Signer und Musiker und Komödiant Resli Burri bringt es nun auf die Bühne. Es geht um die Gier nach Leben, nach Macht, nach Reichtum, nach Neuem. Dargebracht als Rap-/Jazz-/Spoken-Word- und Blues-Projekt. (fer)

19.30 Uhr in der Alten Stuhlfabrik Herisau und am

Filme aufzunehmen über Menschen, die ihr Gesicht nicht öffentlich zeigen dürfen: eine schwierige Aufgabe. Die Berner Beratungsstelle für Sans-Papiers hat sie gestellt – in einem Kurzfilmwettbewerb. Anfang Oktober werden die eingegangenen Filme gezeigt, und wir hoffen, es sind spannende Blicke auf die Sans-Papiers dabei. So klein die Werke sind (höchstens drei Minuten kurz), so gross ist nämlich das Thema: In der Schweiz leben zwischen 90 000 und 300 000 Menschen ohne geregelten Aufenthalt. Sie putzen, hüten Kinder, arbeiten auf Baustellen, in Restaurants oder in der Landwirtschaft. Aufgrund ihrer fehlenden Aufenthaltsbewilligung werden ihnen grundlegende Rechte oft verwehrt. Sie leben unter prekären Existenz- und Arbeitsbedingungen und mit der ständigen Angst, ausgewiesen zu werden. Wie fängt man solche Situationen ein, ohne die Gesichter dazu zeigen zu können? Wir sind gespannt, was die illustre Jury (darunter der syrische Regisseur Mano Khalil) im Rahmen des Kurzfilmfestivals Shnit prämiert hat. (dif)

Mi, 21. und Do, 22. Oktober, 20.15 Uhr im Theater am

Öffentliche Prämierung der Sans-Papier-Filme:

Gleis Winterthur.

Mi, 7. Oktober, 18 Uhr, Kornhausforum Bern, im

«Gold», Theaterstück nach dem Roman von Blaise Cendrars, Do, 1. bis Sa, 3. und Di, 6. bis Sa, 10. Oktober, jeweils 20.30 Uhr im Tojo Theater der Reitschule Bern. Gastspiele am Fr, 16. Oktober,

Rahmen von Shnit – International Shortfilmfestival (Eintritt frei).

Anzeigen:

«Stadtbilder – Ansichten von Zürich». Eine Ausstellung über Flüchtlinge von Julia Bruderer und Raphael Perret, noch bis Sa, 14. November, Stiftung Kunstsammlung Albert und Melanie Rüegg, Dufourstrasse 160, Zürich. www.kunstsammlung-ruegg.ch

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Mit gespitzten Ohren ins Museum.

Verstörend und betörend: Combineharvester.

Basel Schall und Raum

Basel/Bern/Zürich Intermusikalische Solidarität

In der Tradition der 2013 initiierten Ausstellungsreihe «Spatial Positions», in deren Fokus Arbeiten zeitgenössischer Architekten und Künstler im Grenzbereich der architektonischen Disziplin stehen, widmet sich die Schau einem vernachlässigten Thema: dem Klang des Raums. Anlass für die Ausstellung ist das neue Festival «ZeitRäume Basel – Biennale für neue Musik und Architektur», das Architektur mit Musik verknüpft. Der in Berlin lebende österreichische Komponist und Künstler Peter Ablinger, das Elektronische Studio Basel sowie der Festivalintendant Bernhard Günther erarbeiteten gemeinsam ein speziell auf die Ohren zugeschnittenes Ausstellungskonzept. Architektonisch umgesetzt wurde es von den Luzerner Architekten Niklaus Graber und Christoph Steiger. Mit vier sehr unterschiedlichen klangräumlichen Interventionen in den Sälen des Schweizer Architekturmuseums S AM lädt die Ausstellung dazu ein, sich der Schnittstelle zwischen Architektur und Klang über die Sinne anzunähern. Auch wenn neben zwei Architekten und einer Architekturfotografin Komponisten an der Konzeption der Ausstellung beteiligt sind, so spielt herkömmliche Musik hier keine Rolle. Im Mittelpunkt steht das Hören als räumlich erlebbares Ereignis. (dif)

Bern, Basel und Zürich stehen ja gerne im Konkurrenzverhältnis zueinander. Drei Musik-Labels dieser Städte demonstrieren nun Einigkeit. «A tree in a field» (BS), «Ikarus» (ZH) und «Oh, sister» (BE) vertreiben kleine Bands, die mit gutem Recht als «independent» zu bezeichnen sind. Stilistisch reicht das Angebot zwar von leisem Electronica-Folk zu ohrenbetäubendem Experimental-Rock. Das Motto aber ist bei allen dasselbe: Do it yourself! Dieser Slogan bedeutet nicht nur Selbstständigkeit sondern auch gegenseitige Solidarität. Diese beweisen die drei Labels in drei Konzerten in den drei Städten mit jeweils einem Act aus jedem Labelkatalog. «Oh Ikarus in Field Record Label Nights» nennt sich die Reihe. Spielen werden beispielsweise der junge, klangtüftelnde Songwriter Perfect Disaster Boy, die immer wieder verstörenden und ergreifenden Combineharvester und die verträumten, aber sogar in den USA zu hörenden Silver Firs. (toe) Oh Ikarus in Field Record Label Nights Do, 8. Oktover, Rössli, Bern: Silver Firs, Perfect Disaster Boy, Aie ça Gicle Do, 8. Oktober, Bogen F, Zürich: Doomenfels, Wavering Hands und Yuri Member Sa, 10. Oktober, Kaschemme, Basel: Combineharvester, Silver Firs, ENO und DJ Papiro.

«Spatial Positions 10 – Der Klang der Architektur», Schweizerisches Architekturmuseum S AM, noch bis So, 18. Oktober.

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Strassenfussballer-Porträt «Ein tolles Gefühl, gebraucht zu werden»

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Obschon sich Cesare Lanz, 49, nicht weiter für Fussball interessiert, nahm er vor zwei Jahren mit der Surprise Nationalmannschaft am Homeless World Cup in Polen teil. Dank dem Training hat er es auch geschafft, seine Sucht besser in den Griff zu bekommen. AUFGEZEICHNET VON MICHAEL GASSER

«Im kommenden Jahr feiere ich meinen 50. Geburtstag. Kein grosses Thema für mich, aber ich bin froh, dass es mir heute besser geht als vor 20 Jahren. Aufgewachsen bin in Bottmingen, einem Basler Vorort. Meine Eltern und mein Bruder, die nach wie vor dort wohnen, waren immer für mich da. Auch als ich schwere Zeiten durchmachte. Schon bald nach meiner Lehre als Maurer kam ich in Kontakt mit harten Drogen. Ich rutschte da einfach rein, das ging alles ziemlich schnell. Trotzdem habe ich mich stets darum bemüht, einer Arbeit nachzugehen. Ganz bin ich von den Drogen bis heute nicht losgekommen. Aber seit ein paar Jahren rühre ich keinen Alkohol mehr an. Das habe ich geschafft. An der Nadel bin ich jedoch immer noch. Zweimal täglich gehe ich zu Janus, einem Behandlungszentrum für Heroinabhängige. Das ist eine Art Krücke für mich. Hätte ich die nicht, würde ich möglicherweise wieder zu koksen oder trinken beginnen. Mein nächstes Ziel ist es, wieder einen festen Job zu finden. Momentan lebe ich von der Fürsorge. Zuletzt arbeitete ich als Fassadenmonteur – bis ich dann vor vier Jahren Probleme mit meinem Rücken bekam und die Stelle verlor. Dank Surprise Strassensport bin ich jetzt wieder Teil eines Teams, das fühlt sich gut an. Obschon ich zugeben muss, dass ich mich eigentlich nie für Fussball begeistert habe. Doch als mich ein Freund fragte, ob ich mal mit ins Training komme, begleitete ich ihn aus Neugierde. Und weil gerade ein Goalie fehlte, stand ich ins Tor. Ich war gar nicht so schlecht und es machte mir mächtig Spass. Dass ich nach einem Probetraining 2013 mit der Surprise Nationalmannschaft am 11. Homeless World Cup (HWC) im polnischen Posen teilnehmen durfte, fand ich super. Allzu oft habe ich dort zwar nicht gespielt, denn ich stand unter starken Medikamenten und hatte Probleme mit dem Sprunggelenk. Dennoch war ich tief beeindruckt von den vielen Besuchern und den Spielern aus der ganzen Welt, von Afrika bis Amerika. Die Stimmung war friedlich, und überall kam man mit Leuten ins Gespräch. Mit Händen, Füssen, gutem Willen und ein wenig Englisch konnte man sich mit allen unterhalten. Von Posen selbst sah ich nicht viel, aber an die schöne Altstadt erinnere ich mich immer noch gerne. Am Homeless World Cup 2015 in Amsterdam werde ich nicht teilnehmen – jeder darf nur einmal, so sind die Regeln. Das finde ich in Ordnung: Einmal war cool, doch jetzt sollen andere die Gelegenheit erhalten. Ich muss auch gestehen, dass ich schon länger nicht mehr am Training teilgenommen habe. Nicht ohne Grund, denn es gibt jetzt wieder eine Frau in meinem Leben. Es wäre mein Traum, zusammen mit ihr Ferien zu machen, mit dem Velo und dem Zelt. Etwa dem deutschen Rheinufer entlang. Mit dem ÖV bin ich überhaupt nicht gerne unterwegs, aber das Velofahren liebe ich. Deswegen sieht man mich im Basler Quartier St. Johann, wo ich seit gut 25 Jahren lebe und nie wegmöchte, so gut wie nie ohne Mountainbike. Ich bin sogar schon den Gotthard hochgeradelt, allerdings gab es da einen bösen Temperatur-

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sturz und ich bin vom Regen völlig durchnässt worden. Seither lasse ich die Finger von Alpenpässen. Im Herbst will ich unbedingt wieder ins Fussballtraining einsteigen. Aufs Feld möchte ich nicht wechseln, ich bleibe im Tor. Auch weil meine Kondition nicht die allerbeste ist. Bei Surprise Strassensport habe ich nicht nur gute Kollegen, sondern auch wieder mehr Selbstvertrauen gefunden. Spüren zu dürfen, dass dich der Verein braucht, das ist etwas ganz Wunderbares. Das motiviert. Dank dem Fussball und dem Training habe ich zudem gelernt, meine Sucht besser in den Griff zu bekommen. Entsprechend bin ich irrsinnig froh, dass es Surprise Strassensport gibt. Dennoch ändert es nichts an der Tatsache, dass ich mich nicht sonderlich für Fussball interessiere. Das ändert sich nur, wenn ich für Surprise im Goal stehe.» ■ SURPRISE 359/15


SurPlus – eine Chance für alle! Werden Sie Gotte oder Götti bei SurPlus Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten. Menschen, die kaum Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt wieder Struktur und mehr Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Das verdient Respekt und Unterstützung. Das Spezialprogramm SurPlus ist ein niederschwelliges Begleitprogramm für ausgewählte Surprise-Verkaufende, die regelmässig das Strassenmagazin

verkaufen und hauptsächlich vom Heftverkauf leben. Diese Verkaufenden erhalten nur geringe soziale Ergänzungsleistungen und werden im Programm SurPlus gezielt vom Verein Surprise unterstützt: Sie sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit, Nahverkehrsabonnement) und werden bei Problemen im oft schwierigen Alltag begleitet. Mit einer Patenschaft leisten Sie einen wesentlichen Beitrag für die soziale Absicherung der Verkaufenden und ermöglichen ihnen, sich aus eigener Kraft einen Verdienst zu erarbeiten. Vielen Dank für Ihr Engagement!

Elsa Fasil Bern

Kostana Barbul St. Gallen

Ralf Rohr Zürich

Marlis Dietiker Olten

Negasi Garahassie Winterthur

Josiane Graner Basel

Tatjana Georgievska Basel

Emsuda Loffredo-Cular Basel

Anja Uehlinger Baden

Fatma Meier Basel

Haimanot Ghebremichael Bern

Oliver Guntli Bern

Roland Weidl Basel

Daniel Stutz Zürich

Ja, ich werde Gotte/Götti und unterstütze das SurPlus-Programm von Surprise! 1 Jahr: 6000 Franken

1/2 Jahr: 3000 Franken

1/4 Jahr: 1500 Franken

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1 Monat: 500 Franken

359/15 Talon bitte senden oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, 4051 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch, PC-Konto 12-551455-3 SURPRISE 359/15

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Surprise – mehr als ein Magazin

Ich möchte Surprise abonnieren! 24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.)

Hilfe zur Selbsthilfe Surprise unterstützt armutsbetroffene Menschen – beim Strassenverkauf, Strassenchor oder Strassensport, dem Sozialen Stadtrundgang oder Café Surprise: Der Verein fördert die soziale Integration der Betroffenen. Surprise gibt das vierzehntägig erscheinende Strassenmagazin heraus. Eine professionelle Redaktion produziert das Heft zusammen mit einem Netzwerk aus freien Journalisten, Fotografen und Illustratoren. Das Magazin wird auf der Strasse verkauft. Über 350 armutsbetroffene Menschen, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten über den Strassenverkauf eine Erwerbsmöglichkeit und eine Tagesstruktur. Die Hälfte des Magazinerlöses behalten die Verkaufenden. Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht sozial ausgegrenzten Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit z.B. mit dem Sozialen Stadtrundgang in Basel und Zürich. Die Surprise-Stadtführer sind Armutsbetroffene, Ausgesteuerte und Obdachlose. Sie erzählen aus ihrem Alltag in ihrer Stadt und zeigen Orte, an denen man sonst vorübergeht. Gemeinsam wollen sie Vorurteile abbauen.

Stärken. Bewegen. Integrieren. Surprise fördert die Integration mit Sport. In der Surprise-Strassenfussball-Liga spielen Teams aus der ganzen Deutschschweiz. Sie kämpfen um den Titel des Schweizermeisters und des Weltmeisters beim Homeless World Cup. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Strassenchor. Gemeinsames Singen und öffentliche Auftritte ermöglichen Glücksmomente für Menschen, für die der gesellschaftliche Anschluss sonst erschwert ist. Café Surprise schenkt Menschen mit wenig Geld einen kostenlosen Kaffee in einer Bar oder einem Café. So können sie am sozialen Leben teilnehmen. Für Gäste ist es eine einfache und charmante Gelegenheit, sich sozial zu engagieren: Sie bezahlen ihren Kaffee und spendieren einen weiteren. Über Surprise Der Verein Surprise unterstützt Armutsbetroffene ohne staatliche Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle Angebote ist Surprise auf Spenden, Sponsoren und Stiftungen angewiesen. Surprise ist Mitglied des internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP), dem über 120 Magazine in über 40 Ländern angehören.

Gönner-Abo für CHF 260.– Impressum Herausgeber Verein Surprise, Spalentorweg 20, 4051 Basel www.vereinsurprise.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Fr T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 Nicole Mathys, Thomas Oehler, info@vereinsurprise.ch Geschäftsführung Paola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (stv. GL) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@vereinsurprise.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Amir Ali (ami, Heftverantwortlicher), Florian Blumer (fer), Diana Frei (dif), Mena Kost (mek), Thomas Oehler (tom), Sara Winter-Sayilir (win), redaktion@vereinsurprise.ch, leserbriefe@vereinsurprise.ch Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Rahel Nicole Eisenring, Shpresa Jashari, Olivier Joliat, Carlo Knöpfel, Melanie Kobler (Grafik), Yvonne Kunz, Stephan Pörtner, Isabella Seemann, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Tom Wiederkehr, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Max Avdeev, Michael Gasser, Lucian Hunziker, Birgit Ludwig, Mathias Morgenthaler, Ingo Petz, Roland Schmid Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 21000, Abonnemente CHF 189, 25 Ex./Jahr Marketing, Fundraising T +41 61 564 90 50 Svenja von Gierke (Leitung), Zaira Esposito

Geschenkabonnement für: Vorname, Name

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Bitte heraustrennen und schicken oder faxen an: Verein Surprise, Administration Spalentorweg 20, 4051 Basel F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch

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Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise nur mit Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt.

Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83/85 Thomas Ebinger, Anette Metzner, Spalentorweg 20, 4051 Basel, basel@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Zürich T +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12 Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, zuerich@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02 Andrea Blaser, Barbara Kläsi, Alfred Maurer, Pappelweg 21, 3013 Bern, bern@vereinsurprise.ch Strassenchor T +41 61 564 90 40 Paloma Selma (Leitung), p.selma@vereinsurprise.ch Strassensport T +41 61 564 90 10 Lavinia Besuchet (Leitung), l.besuchet@vereinsurprise.ch, David Möller (Sportcoach) www.strassensport.ch Sozialer Stadtrundgang Basel T+41 61 564 90 40 Sybille Roter (Leitung), s.roter@vereinsurprise.ch Paloma Selma (Koordination), rundgang@vereinsurprise.ch Sozialer Stadtrundgang Zürich T +41 44 242 72 14 Sybille Roter (Leitung) s.roter@vereinsurprise.ch Carmen Berchtold (Koordination), rundgangzh@vereinsurprise.ch Vereinspräsident Peter Aebersold Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen. Helfen macht Freude, spenden Sie jetzt: Spendenkonto PC 12-551455-3 SURPRISE 359/15


Surprise – Mehr als ein Magazin

Seit September 2014 ist Oliver Guntli bei Surprise dabei. Nachdem er vorher vor allem mit Betteln finanziell über die Runden gekommen ist, hat er sich entschieden, das Heft in die Hand zu nehmen und Surprise zu verkaufen. Das tut er nun jeden Tag vor der Migros Marktgasse in Bern. Er setzt sich täglich ein Ziel, wie viele Hefte er verkaufen will, und geht erst nach Hause, wenn er es erreicht hat. In dieser kurzen Zeit konnte er durch seine freundliche Art bereits eine grosse Stammkundschaft aufbauen. Es freut uns, dass wir diesen engagierten und humorvollen Menschen mit dem SurPlusProgramm unterstützen können.

2009 hat Roland Weidl zu ersten Mal Surprise verkauft. Aber seit einem schlimmen Arbeitsunfall ist der gelernte Elektriker arbeitsunfähig und permanent von Schmerzen geplagt. Eine langwierige Zeit mit immer wiederkehrenden Abklärungen zu seiner Gesundheit musste er hinter sich bringen. Schliesslich wurden die gesundheitlichen und nun zusätzlichen finanziellen Belastungen so schwer, dass auch der Verkauf des Strassenmagazins für ihn nicht mehr infrage kam. Jetzt hat er einen neuen Anlauf genommen und ist zu Surprise zurückgekommen. Mit dem Heftverkauf ist wieder etwas Ruhe und Struktur in sein Leben eingekehrt. Die Zusage, im SurPlus-Programm mitmachen zu können, gibt ihm eine Sicherheit, die er seit dem Unfall nicht mehr hatte.

Daniel Stutz verkauft Surprise seit vier Jahren am Limmatquai und am Paradeplatz Zürich. Seit seinem Ausstieg aus der Heroinabhängigkeit beteiligt er sich zudem engagiert am «Sozialen Stadtrundgang». Als einer unserer neun Stadtführer zeigt er interessierten Personen das Netzwerk der Zürcher Sozialwerke aus der Sicht eines Armutsbetroffenen. Dank dem Heftverkauf und den Stadtführungen konnte er seine IVRente auf 40 Prozent senken und geniesst seine dadurch weitgehend zurückgewonnene Selbständigkeit. Dank SurPlus muss er sich weniger vor krankheitsbedingten finanziellen Engpässen fürchten.

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SurPlus Neue Gesichter im Förderprogramm

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We made it! Buchpublikation «Standort Strasse» Am 13. September ist unsere Crowdfunding-Kampagne für das Buch «Standort Strasse – Menschen in Not nehmen das Heft in die Hand» auf der Plattform wemakeit.com zu Ende gegangen. Sie war ein grosser Erfolg: Innert knapp 30 Tagen haben wir das Finanzierungsziel erreicht! 169 Personen haben sich entschieden, Teil unseres Supporter-Teams zu werden und somit zur erfolgreichen Realisierung dieses Buches beizutragen. Vielen herzlichen Dank für Euer Engagement!

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Eine Tasse Solidarität! Machen Sie mit: Zwei bezahlen, eine spendieren. Café Surprise gibt es hier: In Basel Café-Bar Aktienmühle, Gärtnerstrasse 46 Café-Bar Elisabethen, Elisabethenstrasse 10 Café Restaurant Haltestelle, Gempenstrasse 5 Rest. Les Garçons, Schwarzwaldallee 200 Trattoria Bar da Sonny, Vogesenstrasse 96

In Thun Joli Mont, Bälliz 60 In Zürich Café Zähringer, Zähringerplatz 11

In Bern Café Kairo, Dammweg 43 Café Tscharni, Waldmannstrasse 17a Luna Llena Gelateria Restaurant Bar, Scheibenstrasse 39 Rest. Genossenschaft Brasserie Lorraine, Quartiergasse 17 Rest. Sous le Pont – Reitschule, Neubrückstrasse 8 Rösterei Kaffee und Bar, Güterstrasse 4 Treffpunkt Azzurro, Lindenrain 5

Weitere Informationen: www.vereinsurprise.ch/cafesurprise Ein Projekt des Vereins Surprise.


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