Surprise 362

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Operation Helvetia Der schwierige Kampf gegen das organisierte Verbrechen Sie sind drin: Wie das Internet die Dschungelwelt der Penan verändert

Abendschwarz statt Morgenrot: Warum zehn junge Filmschaffende eine Wolke über die Schweiz schicken

Nr. 362 | 6. bis 19. November 2015 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.


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Buch: Standort Strasse Bewegende Lebensgeschichten

Standort Strasse – Menschen in Not nehmen das Heft in die Hand 152 Seiten CHF 40.– inkl. Versand- und Verpackungskosten ISBN 978-3-85616-679-3

Die belebten Plätze und Strassen der Deutschschweizer Innenstädte sind bekannt. Die Lebensgeschichten der Surprise-Verkaufenden, die hier arbeiten, jedoch nicht. Das Buch «Standort Strasse – Menschen in Not nehmen das Heft in die Hand» rückt diese Personen ins Scheinwerferlicht und zeigt eindrücklich, wie unterschiedlich die Gründe für den sozialen Abstieg sind – und wie gross die Schwierigkeiten, wieder auf die Beine zu kommen. Das Buch porträtiert zwanzig stolze Menschen, die trotz sozialer Not alternative Lebensentwürfe abseits staatlicher Hilfe gefunden haben. Die Angebote des Vereins Surprise haben ihnen dabei geholfen. Gastbeiträge sowie eine Fotoserie von Surprise-Standorten runden das Buch ab. Erfahren Sie mehr über die Lebensgeschichten unserer Verkaufenden und kaufen Sie jetzt das Buch «Standort Strasse – Menschen in Not nehmen das Heft in die Hand». Ein Teil des Geldes kommt direkt den Surprise-Verkaufenden zugute. Bestellen bei Verkaufenden oder unter: www.vereinsurprise.ch/shop/


Titelbild: Priska Wenger

Wer ein Verbrechen begeht, soll dafür bestraft werden, das ist das Fundament unseres Rechts- und Gerechtigkeitsverständnisses. Wer eine besondere kriminelle Energie an den Tag legt und sich mit anderen zusammenschliesst, um auf Dauer strukturiert und organisiert, also professionell Verbrechen zu begehen, der soll genau dafür auch bestraft werden. Das war vor über 21 Jahren der Grundgedanke bei der Einführung der Strafnorm gegen organisierte Kriminalität. Seither und bis Ende 2014 haben Schweizer Gerichte gerade einmal 68 rechtskräftige Urteile gesprochen – was nicht heisst, dass es hier keine Mafiosi und Terroristen gibt. Im Gegenteil: Unser Land ist für organisierte Kriminelle jeglicher Couleur und Herkunft sowohl ein interessanter Markt als auch ein geschätztes Rückzugsgebiet. Dass sie kaum belangt werden, hat mit den hohen Hürden zu tun, die das Gesetz AMIR ALI den Schweizer Behörden in den Weg stellt – und damit, dass die internationale Zu- REDAKTOR sammenarbeit zwischen den Kriminellen offenbar weit besser funktioniert als zwischen den Strafverfolgern. Lesen Sie dazu ab Seite 10 die Geschichte von Mafia- und Geldwäschereiexpertin Monica Fahmy. Sei es bei der Verbrechensbekämpfung oder anderswo: Es fällt immer schwerer, die Schweiz isoliert von ihrem europäischen und globalen Umfeld zu denken. Gleichzeitig scheint sich ein immer grösserer Teil der Bevölkerung auf mystifizierte kollektive Erinnerungen zurückzuziehen. «Aus Morgenrot wird Abendschwarz» lautet die Tagline des Spielfilms «Heimatland», den zehn junge Schweizer Filmschaffende zusammen realisiert haben. Dem mythisch aufgeladenen «Morgenrot» stellen sie das «Abendschwarz» der realen Probleme entgegen – ein «übertriebenes Symbol», wie es Co-Produzent Stefan Eichenberger nennt, das ein Gegengewicht setzen soll. Im Gespräch mit meiner Kollegin Diana Frei ab Seite 20 wird aber klar: Es geht nicht um Fundamentalkritik an Bewahrern und Patrioten, sondern um kritische Reflexion auch gegenüber der eigenen Generation. Die Dinge sind nicht mehr so einfach, wie sie vielleicht einmal waren. Und zwar nicht nur in der durch und durch globalisierten Schweiz, sondern auch im tiefsten Dschungel auf der Insel Borneo. Seit die Ältesten des indigenen Volks der Penan dort das Internet in den Busch geholt haben, sind zwar die Jungen zurückgekehrt. Doch mit der Moderne sind auch neue Fragen zu kollektiver Identität und Zukunft angekommen, denen die Penan sich jetzt stellen müssen. Die Reportage von Simon Jäggi und Kostas Maros finden Sie auf Seite 14. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre Amir Ali

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 oder vereinsurprise.ch/spenden-surprise Ihre Meinung! Wir sind gespannt auf Ihre Kritik, Ihr Lob oder Ihre Anmerkungen. Schreiben Sie uns! Auf leserbriefe@strassenmagazin.ch oder an Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, 4051 Basel. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion trifft eine Auswahl und behält sich vor, Briefe zu kürzen. Oder diskutieren Sie mit uns auf www.facebook.com/vereinsurprise SURPRISE 362/15

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BILD: WOMM

Editorial Nicht mehr so einfach


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10 Kriminalität Der schwache Schweizer Paragraf Die heutige organisierte Kriminalität operiert global. Ob italienische Mafiosi, chinesische Triaden oder jihadistische Terroristen: Sie haben komplette Volkswirtschaften unterwandert und sind eng mit Wirtschaft und Politik verbunden. Und sie haben Verbindungen oder sogar das eine oder andere Standbein in der Schweiz. Doch von der Justiz hat das organisierte Verbrechen hierzulande wenig zu befürchten – obwohl es die entsprechende Strafnorm seit über 21 Jahren gibt.

ILLUSTRATION: PRISKA WENGER

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Inhalt Editorial Gegengewichte Die Sozialzahl Die Gesellschaft der AHV-Boomer Aufgelesen 3 Millionen gegen TTIP Vor Gericht Wenn Alex blau ist, sieht er rot Kommentar Tauwetter statt Eiszeit Starverkäufer Oliver Guntli Porträt Der Tenor von Schwamendingen Fremd für Deutschsprachige Gorbatschows rebellische Jahre Musik Sozialhilfe und ein Deus ex Machina Kultur Wie eine Auster Verkäuferporträt Nichts verloren – vieles gefunden! Projekt SurPlus Eine Chance für alle! In eigener Sache Impressum INSP Surprise – Mehr als ein Magazin Ungehört, aber lautstark

14 Entwicklung Gefällt mir – im Dschungel BILD: KOSTAS MAROS

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Jahrtausendelang lebten die Penan im Dschungel der Insel Borneo ohne Strassen und Strom von den Früchten wilder Bäume und dem, was sie mit ihren Blasrohren erbeuteten – bis die Dorfältesten eines Tages entschieden, das Internet in den Urwald zu holen. Damit kamen neue Einkommensmöglichkeiten, und viele junge Penan kehrten aus den Städten zurück an ihren Herkunftsort, in ein Leben zwischen Vergangenheit und Zukunft.

20 Film In der Wolke

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BILD: ZVG

Der Film «Heimatland», den zehn Schweizer Regisseure im Kollektiv realisiert haben, ist ein zugespitztes Porträt der Schweiz, das verschiedenste Bereiche der Gesellschaft unter die Lupe nimmt: Ein junges Paar übt sich im romantisierenden Rückzug ins Private, eine Versicherungsangestellte setzt alles daran, den Courant normal in der Branche aufrechtzuerhalten, und Jean Ziegler spielt sich selber. Im Interview reden die Produzenten Stefan Eichenberger und Julia Tal und der Regisseur Benny Jaberg über die Probleme ihres Landes – und über die Mitschuld ihrer Generation.

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Lebenserwartung (durchschnittliche Anzahl weiterer Lebensjahre) 25 20 15 10 5 0 1981

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Frauen im Alter von 80 Jahren Frauen im Alter von 65 Jahren

2001

2011

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Männer im Alter von 80 Jahren Männer im Alter von 65 Jahren

Quelle: Bundesamt für Statistik

Die Sozialzahl Gesellschaft d es

langen Lebens

Mit der Lebenser wartung ist es so eine Sache. Die ker glauben zum StatistiBeispiel, dass M äd ch en, die heute ge werden, im Durc boren hschnitt über 85 Jahre alt werden, Knaben immerhi w äh rend n damit rechnen dürfen, noch de burtstag feiern zu n 80. Gekönnen. In dies e Prognosen flies Annahmen über sen viele die wirtschaftlich e, soziale und sche Entwicklung m ediziniein, andere äuss ere Einflüsse w mien, Umweltka ie Pandetastrophen oder kriegerische Au setzungen sind ab seinanderer nicht miteinge rechnet. Interess für die Sozialpolit anter und ik weitaus relevan ter sind deshalb zur Lebenserwar Angaben tung im fortgesch rittenen Alter. Schaut man sich die Zahlen zur Le benserwartung im von 65 Jahren an Alter , so wird rasch de utlich, dass die M in der Schweiz enschen tatsächlich imm er älter werden. Rente ging, hatte Wer 1981 in als Frau im Durc hschnitt noch et als 18 Jahre, als was mehr Mann etwas meh r als 14 Jahre zu her ist diese Lebe leb en. Seitnserwartung für beide Geschlecht gen; für die Frau er gestieen um etwas m ehr als vier Jahr Männern um ru e, be i den nd fünf Jahre. W er heute pensio hat also als Frau ni er t w ird, im Schnitt eine Lebenserwartung Jahren und als M vo n 87 ,4 ann eine Lebens erwartung von 84 Für die Planun ,4 Jahren. g der Altersvors orge bedeutet di heute die Renten es, dass vier bis fünf Jahr e länger finanzier müssen als drei t werden Jahrzehnte zuvo r. Und dies für sende Zahl von Pe ein e wachnsionierten, weil nun die «Babyboo neration» allmäh mer-Gelich das Renten alter erreicht. Di Herausforderung, es ist die die Bundesrat Al ain Berset mit se jekt «Altersvorsor in em Proge 2020» bewältig en will. Der Stän sich bereits mit derat hat dieser komplexen Materie befasst und weit-

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ise das Renreichende Beschlüsse gefasst. So soll beispielswe werden, lichen angeg er Männ tenalter der Frauen an jenes der angehoen Frank 70 um näre die AHV-Renten für neue Pensio die durch Säule n zweite ben, dafür aber die Renten aus der werzt gekür ch deutli Absenkung des Umwandlungssatzes Leistungsden. Ziel ist es trotzdem, die Altersvorsorge ohne ung der Erhöh kürzung zu reformieren. Das wird ohne eine hier stens Mehrwertsteuer nicht zu erreichen sein. Späte Parlae scheiden sich die politischen Geister. Das neugewählt eine entment wird sich schon in der nächsten Session über sprechende Vorlage beugen müssen. ten ist Zurück zur Lebenserwartung. Auch bei den Betag rige Mänein markanter Anstieg zu beobachten: Hatten 80-jäh vor sich, Jahre sechs als mehr etwas noch ner vor 30 Jahren die Lehat n Fraue den Bei Jahre. 8,6 so sind es inzwischen omzugen Jahre 2,7 um sogar Alter benserwartung in diesem t schnit Durch im also heute n men. 80-jährige Männer werde alt. Jahre 90 sogar n etwas mehr als 88 Jahre, Fraue damit Hat das Folgen für die Gesundheitsplanung? Muss alter Pflege und ung gerechnet werden, dass für die Betreu weil Nein, nein. und Ja Menschen mehr getan werden muss? rtung serwa Leben nde Untersuchungen zeigen, dass die steige und pflenicht dazu führt, dass alte Menschen länger hilfen Menetagte gebedürftig werden. Ja, weil die Zahl der hochb Die wird. schen in den nächsten Jahren deutlich ansteigen Darüs. Schweiz wird zu einer Gesellschaft des langen Leben auch etwas ber darf man sich freuen. Das darf man sich aber kosten lassen. RPRIS E.CH) CARLO KNÖP FEL (C.KN OEPFE L @VEREINSU BILD: WOMM

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Aufgelesen News aus den 115 Strassenzeitungen und -magazinen in 35 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Unterschlupf London. Grossbritanniens Hauptstadt leidet an einer Wohnraumkrise. Wer eine Wohnung sucht, muss lange suchen oder astronomische Mieten zahlen. Schlimmer ist es noch in Hongkong. Hier sind viele Familien gezwungen, in Fabrikgebäude oder unterteilte Wohnungen zu ziehen, wo wenig mehr als 5 Quadratmeter knappe 500 Franken kosten. Günstiger ist nur ein sogenanntes Käfighaus, eine Hütte aus Maschendraht für etwa 150 Franken im Monat – oder gar keine Wohnung.

Unterschrift Wien. Die europäische Bürgerinitiative «Stop TTIP» hat nach nur einem Jahr 3,26 Millionen Unterschriften gesammelt. Anfang Oktober wurden diese vor dem EU-Kommissionsgebäude in Brüssel symbolisch eingereicht. Mehr als 500 Organisationen stehen hinter der Initiative, die das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA stoppen will, über das seit 2013 weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt wird.

Untersuchung Hamburg. Anschläge auf Flüchtlingsheime in Deutschland bleiben meist unaufgeklärt. Dies ergaben Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung. Bis Mitte September kam es zu mindestens 61 Brandstiftungen mit fremdenfeindlichem Hintergrund, 37 allein seit Mitte Juli. Nur in zehn Fällen wurden bisher Tatverdächtige ermittelt, so der Rechercheverbund. Das Bundeskriminalamt glaubt bisher keine organisierte Struktur zu erkennen: Man habe es mit der ganzen Breite der Bevölkerung zu tun.

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Vor Gericht Glück und Verhängnis Wenn er nicht gerade einsitzt, trifft man Alex W.* hinter dem Zürcher Hauptbahnhof, in der Nähe diverser Supermärkte oder Imbissbuden. Wenn’s schön ist, bleibt er draussen, wenn’s regnet, verzieht er sich in eine Unterführung. Dabei hat er immer einen Rücksack mit Alkvorrat, seine tägliche Ration Glück und Verhängnis. Wenn Alex getrunken hat, was er oft tut, stört ihn die Mücke im Lichtkegel. Einmal störte ein Flyer-Verteiler seine Kreise. Alex war gereizt von dessen Ausrufen, ein Krawattenträger kam vorbei, der mit der ganzen Sache nichts zu tun hatte, aber diese ihm unendlich ferne Erscheinung aus der Businesswelt brachte Alex zum Explodieren: «Verpiss dich, du Wixer!» Er schubste, schlug, die Brille lag am Boden. Ein Gutachter hat Alex eine frühkindliche Hirnstörung bescheinigt, eine Intelligenzschwäche und eine negative Einstellung zu anderen Menschen obendrein. Probleme trinkt er sich weg, Entlastungstrinken heisst das im Fachjargon. Der Alkohol geht mit dem leistungsschwachen Hirn eine unheilige Allianz ein. Wenn Alex trinkt, beherrscht er die plötzlich aufkommenden Gefühle nicht, Ärger, Wut, Neid. Alex W., 36-jährig, ohne Ausbildung, IV-Rentner, alleinstehend, suchte an einem Sonntagnachmittag letzten November in einer Unterführung Schutz vor dem Regen. Ein anderer kam dazu, nennen wir ihn Mauro. Man wechselte ein paar Worte, da wurde Alex das Gerede des anderen plötzlich zu viel. Um die Unterhaltung zu beenden, schmetterte er dem 44-jährigen Italiener eine Bierflasche auf den Kopf. Dieser stürzte die Treppe hinunter und, als er schon am Boden lag, schlug Alex ihm den Kopf noch gegen

den Asphalt. Mauro zog sich eine Rissquetschwunde an der Stirn zu. Wegen Körperverletzung muss sich Alex nun vor dem Bezirksgericht verantworten. Die Faustschläge leugnet er, das mit der Bierflasche hingegen stimme. Die Sache sei schneller passiert als erzählt. Aus einem Reflex heraus habe er mit der Flasche zugeschlagen, da ihn der andere zuvor mit der Faust auf den Hinterkopf gehauen und ihn geschubst habe. Notwehr also. «Ohne Grund habe ich noch nie jemanden geschlagen.» Wieviel er denn getrunken habe? «Circa 2,8 Promille», antwortet Alex. «Man trinkt doch nicht die Promille!», tadelt der Richter. «Also Bier und Schnaps», konkretisiert Alex. Er trägt einen hellbraunen Pullover mit Rollkragen, steif wie eine Halskrause, die ihn hindert, den Kopf zu senken, als er sagt: «Ich wollte mich offiziell entschuldigen. Ich war besoffen. Dass ich ihn umbringen wollte, sagte ich nur im Suff.» Der Richter gibt ihm zwölf Monate. Zusätzlich muss er dem Opfer eine Genugtuung von 2000 Franken zahlen und die Verfahrenskosten übernehmen. Mit Bewährung ist jetzt nichts mehr. Bevor die Zeit um ist, kommt jedes Mal ein neuer Ausrutscher. So summiert sich die Zeit, die Alex abzusitzen hat. Alex stöhnt: «Wenn ich ins Gefängnis komme, dann ist meine Wohnung weg. Und wer hilft mir dann?» Aber Alex ist nicht zu helfen. Therapie verweigert er. «Wenn Sie sich nicht selber helfen», sagt der Richter, «dann kann Ihnen niemand helfen.» * alle Namen geändert

ISABELLA SEEMANN (ISEE@GMX.CH) ILLUSTRATION: PRISKA WENGER (PRISKAWENGER@GMX.CH) SURPRISE 362/15


Kommentar Die Aussichten: düster bis frostig Für sozial Schwache war der letzte Wahlsonntag kein guter Tag. Wie stark sich der Rechtsrutsch im Nationalrat im Einzelnen auf den Sozialstaat auswirken wird, ist noch nicht abzuschätzen. Sicher ist: Das sozialpolitische Klima wird frostig. VON FLORIAN BLUMER

Nominieren Sie Ihren Starverkäufer! Schreiben Sie uns mit einer kurzen Begründung, welche/n Verkäufer/in Sie an dieser Stelle sehen möchten: Verein Surprise, Redaktion Spalentorweg 20, 4051 Basel F +41 (0)61 564 90 99 redaktion@vereinsurprise.ch

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Florian Blumer war seit 2011 Redaktor des Strassenmagazins. Mit den Texten in dieser Nummer verabschiedet er sich von den Surprise-Leserinnen und -Lesern.

BILD: ZVG

Ein totes Flüchtlingskind am Strand, von den Wellen angespült: Das Bild traf die europäische Medienöffentlichkeit wie ein Schock. Es war Anfang September dieses Jahres, eineinhalb Monate vor den Parlamentswahlen in der Schweiz. Europa entdeckte das Mitleid mit den Flüchtlingen. Und die SVP-Vertreter im Bundeshaus, die im Wahlkampf voll auf Härte gegenüber Asylsuchenden gesetzt hatten, wurden nervös. Ein paar wenige Wochen lang schien es, als würde das Wahlvolk für einmal das Politisieren auf dem Buckel der Schwächsten sanktionieren. Das Ergebnis ist bekannt: Alle schrecklichen Bilder halfen nichts. Die Seifenblase platzte bald. Gleich vorweg: Surprise ist politisch unabhängig, wir fühlen uns nur unseren Verkaufenden und ihren Anliegen verpflichtet. Gerade für sie, die sozial Schwachen – ob Schweizer, niedergelassene Migrantinnen oder Flüchtlinge – gibt der Wahlsieg der Nationalkonservativen jedoch Anlass zur Sorge. Sozialpolitikexperte Carlo Knöpfel erläuterte in seiner Kolumne «Sozialzahl» vor den Wahlen, dass der Siegeszug der von Blocher neu ausgerichteten SVP in den letzten 20 Jahren für die Sozialpolitik nichts Gutes bedeutet hatte. Sie brachten endlose Debatten über Scheininvalide und Sozialmissbräuche und einen kontinuierlichen Abbau bei den Sozialversicherungen. Auch wenn Surprise ohne Subventionen funktioniert: Der grösste Teil unserer Verkaufenden ist sehr wohl auf staatliche Unterstützung angewiesen. Abbau bei den Sozialwerken trifft sie direkt und existenziell. Der Druck auf den Sozialstaat ist in den letzten Jahren stetig gestiegen – auch in der abgelaufenen, angeblich von der Linken und der Mitte dominierten Legislatur. Wird nun alles noch schlimmer? Es ist auf jeden Fall zu erwarten, dass im Sozialbereich noch mehr gespart und

noch stärker mit Sanktionen gedroht wird – obwohl es für Betroffene immer schwieriger werden dürfte, Arbeit zu finden. Der starke Schweizer Franken beginnt gerade erst richtig auf die Wirtschaft durchzuschlagen. Wie stark sich der Rechtsrutsch im Nationalrat im Einzelnen auf die Sozialpolitik auswirken wird, lässt sich noch nicht abschätzen. Als gravierend könnte er sich aber für das soziale Klima im Land erweisen: Es dürfte frostig werden. Denn die SVP kann sich vom Volk in ihrer Politik der Härte gegenüber sozial Schwachen bestätigt fühlen. Das wird den Druck auch in den Kantonen und Gemeinden erhöhen – dort, wo über Höhe und Ausgestaltung von Sozialhilfe und IV entschieden wird. Was ist zu tun? Die Nationalkonservativen dominieren nicht nur mit teuren Kampagnen den öffentlichen Diskurs, mit dem Kauf von Weltwoche und BaZ und den Angriffen auf die NZZ greifen sie seit einigen Jahren auch nach der Medienmacht. Liberale und soziale Kräfte hatten dem bis jetzt wenig entgegenzusetzen. Es wird also immer wichtiger, denjenigen eine Stimme zu geben, die kein Geld und keine Lobby haben, um diese lautstark in den öffentlichen Diskurs einzubringen. Eine Strategie für Tauwetter wäre also: Gutes tun und darüber reden. Zum Beispiel, was Sie soeben getan haben. Kaufen Sie weiter Ihrem Surprise-Verkäufer ein Heft ab. Und sprechen Sie mit ihm und erzählen Sie es Ihren Bekannten weiter. Denn, das ist ja das Schöne an der direkten Demokratie: Wir sind dem neuen Parlament nicht wehrlos ausgeliefert. Schon bald werden wir an der Urne wieder die Gelegenheit erhalten, unsere Meinung zu sozialpolitischen Vorlagen zu äussern – und für Tauwetter statt Eiszeit zu stimmen. ■

Starverkäufer Oliver Guntli Frau Alisha Marti aus Zofingen nominiert Oliver Guntli als Starverkäufer: «Stets aufgestellt und freundlich ruft er das Magazin aus, obwohl Dutzende von Personen an ihm vorbeigehen – oftmals ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Als ich dann ein Magazin kaufte, habe ich mich sehr über den ungezwungenen Smalltalk und die nette und charmante Art des Verkäufers gefreut. Ich habe grosse Achtung für ihn, für seinen Mut und für sein Durchhaltevermögen empfunden. An diesem Tag war er der Held der Strasse!»

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Porträt Ein Salon im Sichtbeton Der Zürcher Tenor Christoph Homberger hat vor einem Jahr seine Karriere an den Nagel gehängt. Diesen Herbst hat er einen Salon eröffnet, in welchem er für ein kleines Publikum kocht und singt – in einer Genossenschaftssiedlung am Stadtrand von Zürich. VON FLORIAN BLUMER (TEXT) UND SOPHIE STIEGER (BILD)

oder Frankfurt: Hast du Geld, kannst du dort ein schönes Leben haben. Hast du keines, bist du der Arsch.» Christoph Homberger, der strikt anthroposophisch erzogen wurde, kennt das schöne Leben. Er wurde früh für die Opernbühne entdeckt, spielte mit Herbert Wernicke und Christoph Marthaler am Theater Basel, realisierte viele eigene, innovative Projekte. In seinen Worten: «Ich war und bin auf der Sonnenseite des Lebens. Ich konnte immer machen, was ich wollte, und habe dabei immer gutes Geld verdient.» Doch das soziale Gefälle beschäftigte ihn: «Ich sitze auf dem Stuhl in einem dieser grossen Theater, lasse mich schminken und erfahre beim Plaudern mit der Maskenbildnerin, was sie im Monat verdient: 1500 Euro netto. Dann gehe ich auf die Bühne und weiss, ich werde an diesem Abend das Siebenfache davon bekommen. Das zu rechtfertigen, wurde zu einem unüberwindbaren Problem für mich.» Im September letztes Jahr hängte er mit knapp 52 Jahren die Sängerkarriere an den Nagel. Nach 33 Jahren war es Zeit für etwas Neues. «Nun arbeite ich 17 Stunden pro Tag: einkaufen, kochen, servieren, abwaschen. Und am Ende des Monats ist der Umsatz so hoch wie früher der Verdienst an anderthalb Abenden. Das Geile ist: Ich habe bis jetzt noch keine Sekunde gedacht: Das schiisst mich a.» Im Gegenteil: Er geniesse den Kontakt zur Realität, den er hier gefunden hat. Die Entscheidung aufzuhören sei ohne doppelten Boden erfolgt, er habe kein Erspartes. Sein Geld habe er immer ausgegeben, es hätten im-

«Guten Morgen!» Christoph Hombergers stimmgewaltige Begrüssung ist geeignet, die letzten Reste morgendlicher Schläfrigkeit zu vertreiben. Es ist neun Uhr früh an einem Freitag und damit der letzte ruhige Moment im Arbeitstag des Gastgebers von Hombis Salon. Bald schon muss er Kartoffeln schälen und Pilze rüsten, Feierabend wird um zwei Uhr nachts sein. Homberger hat eben das Handy – für einen Moment – weggelegt. In den letzten Tagen ist einige Aufregung entstanden um seinen Flüchtlingschor, nach einem Artikel im Tages-Anzeiger beschimpfen ihn die einen als «Drecksau», die anderen spenden ihm Tausende von Franken. Hombergers Engagement polarisiert – es spiegelt sich darin die ganze vom Wahlkampf aufgeheizte Flüchtlingsdebatte. Doch jetzt geht es erst einmal nicht um die Politik, sondern ums Essen. Genauer gesagt: Um Antipasti misti mit hauchdünn geschnittenem Parmaschinken, grillierten Zucchini und Insalata Caprese; Lachstartar mit Wasabischäumchen und karamellisierten Apfelschnitzen; Wiener Backhendl mit lauwarmem Kartoffelsalat und Rapunzel (Nüsslisalat). Dies erwartet Hombergers Gäste – heute sei «full house», sagt der Gastgeber nicht ohne Stolz – ab sechs Uhr. Nachdem er sie bewirtet hat, etwa um neun, wird Christoph Homberger, bis vor einem Jahr noch als Tenor auf den grossen Bühnen der Welt unterwegs, vor seine 15 Gäste treten und Schubert-Lieder zum Besten geben. 100 Franken haben sie für den Abend bezahlt, alles inklusive. Vorbild für «Das Lohngefälle zwischen mir und der Maskenbildnerin zu rechtHombis Salon sind die Salons des 19. Jahrfertigen, wurde zu einem unüberwindbaren Problem für mich.» hunderts, in welchen die Geselligkeit und das körperliche Wohl einen ebenso hohen Stellenwert hatten wie die Musik. Homberger hat eine Mission: Er möchte vermer «viele daran partizipiert». Er will das nicht als «Gutmenschentum» mitteln, dass auch hochstehende Musik Spass machen kann, wenn das verstanden wissen – wer über viel Geld verfügt, trage einfach eine VerPublikum nicht «wie Hühner auf der Stange» sitzt. antwortung, was er damit mache. Homberger verschweigt nicht, dass Klingt nach einem Altstadtsaal mit knarzendem Parkettboden und der Entschluss, die Karriere abzubrechen, mit Ängsten verbunden war. getäferten Wänden? Weit gefehlt. Hombergers antiquarische Möbel und «Geld bedeutet immer auch Macht. Wer etwas anderes behauptet, hat der Konzertflügel stehen im Erdgeschoss eines Neubaus mit Sichtbetonschlicht unrecht.» wänden und langer Fensterfront in Schwamendingen. Hombis Salon ist Homberger sagt, ihn störe alles Elitäre. Nun beglückt er in Oerlikon Teil der aus 13 Häusern bestehenden Neubau-Genossenschaftssiedlung Gäste mit Haute Cuisine und Auftritten von Musikern von Weltruf – kein auf dem Hunzikerareal – mitten in Zürichs nördlicher Agglo, auf der Widerspruch? Der Gastgeber setzt alles dran, ihn aufzulösen. Seine Tür Schattenseite des Zürichbergs, dort, wo für Stadtzürcher die Terra insteht immer offen für Quartierbewohner und andere, die auf einen Kafkognita beginnt. Homberger verdreht die Augen: Was es braucht, die fee vorbeischauen wollen. Abends ist man auch nach dem Essen auf ein Zürcher hierher zu bewegen! Ja, es gibt einen Bus, der eine Minute von Glas Wein oder Bier willkommen, im Quartier leitet er einen Kinderchor. hier hält, erkläre er immer und immer wieder, ja, gerade mal 14 MinuUnd auf seiner Bühne soll nicht nur «klassische Hochkultur» stattfinden, ten sind es vom HB hierher. Die Gästezahlen sind sechs Wochen nach sondern auch Platz sein für verschiedenste Arten von Musik, von Pop Eröffnung noch stark schwankend: Mal ist ausverkauft, mal kommen bis Singer-Songwriter – im Quartier hat es diverse Musiker, auch sie solnur eine Handvoll. len in Hombis Salon auftreten. Tatsächlich finden, wie Homberger sagt, Dass Hombis Salon in Schwamendingen steht, hat einen einfachen neben dem Zürcher Opernpublikum auch regelmässig QuartierbewohGrund: In der Innenstadt fand Homberger schlicht kein bezahlbares Lonerinnen und –bewohner in seinen Salon. Trotz viel versprechendem kal. Vor rund einem Jahr kam die Genossenschaft auf ihn zu, und schon Start dürften es nach seinem Geschmack von beiden noch etwas mehr bei der Besichtigung der Baustelle wusste er: Das ist es. Und der gebürwerden. Dafür wird er wohl noch ein bisschen Geduld aufbringen müstige Zürcher ist noch heute begeistert: «Ich finde den Groove hier sehr sen: In den Köpfen scheinen die zu überwindenden Distanzen deutlich speziell, total unzürcherisch.» Sprich: Man definiere sich nicht über grösser zu sein als in der Realität. ■ Geld. «Das ist mein grosses Problem mit Städten wie Zürich, München

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Kriminalität Im Zweifel für die Paten Mafiosi, Drogenbosse und Jihadisten: Solange sie ihre Verbrechen im Ausland begehen, haben sie in der Schweiz selten etwas zu befürchten. Schuld daran sind Strafnormen, die einer effizienten Verbrechensbekämpfung im Weg stehen.

VON MONICA FAHMY (TEXT) UND PRISKA WENGER (ILLUSTRATIONEN)

Der Tod des sechsjährigen Christoph war unvorstellbar grausam. Seine Mörder, zwei Mädchen und drei Jungen im Alter zwischen 11 und 15, töteten ihn in Mexiko auf derart brutale Weise, dass es ihre Tat auch in der Schweiz in die Schlagzeilen schaffte. Sie folterten ihn zu Tode, rissen ihm laut seiner Tante die Augen aus. Folter und Mord gehören in Mexiko zum Alltag: Das Land ist von der organisierten Kriminalität unterwandert, zerfressen vom Krieg der Drogenkartelle mit dem Staat und untereinander. Zehntausende sind seit 2006 gestorben, Tausende werden vermisst. Und Kinder ahmen einfach das nach, was täglich um sie herum geschieht. Was geht uns der Drogenkrieg in Mexiko an? Mehr als uns lieb sein kann. Es ist ein Krieg um Drogen, die für sehr viel Geld in den Nasen von Konsumenten in den USA und Westeuropa landen – auch bei uns. Unser Land ist für Drogenhändler ein äusserst lukrativer Markt, wie eine in der Fachzeitschrift Addiction publizierte Untersuchung des Schweizer Wasserforschungsinstituts Eawag und 20 weiterer Forschungsstellen und Labors bestätigt. Aufgrund der Untersuchung des Abwassers von rund 1,4 Millionen Personen in der Schweiz auf Drogenrückstände rechneten die Forscher aus, dass Zürich 1,6 Kilogramm Kokain täglich konsumiert und damit auf Rang drei der untersuchten europäischen Städte liegt. Basel und Genf befinden sich im Ranking auf den Rängen 9 und 10, St. Gallen auf Rang 12.

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Nigerianer, Dominikaner, Gruppen aus dem Balkan, Schweizer: Sie alle verdienen im Schweizer Kokainmarkt kräftig mit. Auch die Mafia, allen voran die kalabrische ’Ndrangheta, verkauft Kokain en gros. Die Drogen bezieht sie direkt aus Kolumbien und vermehrt von den Mexikanern. Durch die Umgehung von Zwischenhändlern ist die ’Ndrangheta laut dem «Council on Hemispheric Affairs» ein «grosser Spieler im internationalen Drogenhandel geworden». SURPRISE 362/15


Hierzulande sorgten zuletzt mutmassliche Mafiosi aus dem Thurgau für Aufsehen. Das Schwarz-Weiss-Video, das die Carabinieri von Reggio Calabria im August 2014 veröffentlichen, könnte aus einem Gangsterfilm der Fünfzigerjahre stammen. Die Szene spielt im Boccia Club in Wängi, Thurgau. Ein typischer biederer Vereinsraum. Um die Tische sitzen rund ein Dutzend Männer, bei einigen lichtet sich das Haar. Sie sprechen Italienisch. «Erpressung, Kokain, Heroin, es hat alles» Antonio N., offiziell Lastwagenchauffeur aus Frauenfeld, erinnert an den Gründungsmythos der Mafia, wonach drei spanische Ritter die heute bekanntesten Mafiaorganisationen gründeten: die Camorra in Neapel, die Cosa Nostra in Sizilien und die ’Ndrangheta in Kalabrien. Dann kommt der 65-Jährige auf die Gegenwart zu sprechen: «Wer arbeiten will, kann arbeiten. Es gibt überall Arbeit. Erpressung, Kokain, Heroin, es hat alles. 10 Kilo, 20 Kilo am Tag, ich bringe es euch! Persönlich!» Mit den Aufnahmen aus dem Thurgau werde erstmals bestätigt, «dass es in der Schweiz ein Locale, eine Gebietskörperschaft gibt», sagt ein Mafiaexperte bei der Bundeskriminalpolizei fedpol. Man müsse davon ausgehen, dass es noch weitere gebe. An die 20 bis 40 sollen es sein, schätzt der italienische Mafiajäger Nicola Gratteri. Im Norden der Schweiz sollen hauptsächlich Familien aus Nordkalabrien und im Wallis Familien aus Südkalabrien vertreten sein. Im Tessin soll es gleich mehrere Mafiaorganisationen geben. Lange sei man davon ausgegangen, die ’Ndrangheta sei in Kalabrien aktiv und nutze Norditalien, respektive die Schweiz, lediglich als Rückzugsraum, so fedpol. Davon sei man abgekommen. Allein in der Operation «Infinito» haben die Ermittler 15 Gebietskörperschaften rund um Mailand identifiziert. In den meisten Fällen spielten laut fedpol auch Personen eine Rolle, die entweder in der Schweiz wohnen oder arbeiten. Am 22. August wurde der Thurgauer Pate Antonio N. von schwerbewaffneten Ermittlern im Rahmen der Operation «Helvetia» in Kalabrien festgenommen. Ein Richter in Reggio Calabria verurteilte ihn am 23. Oktober zu 14 Jahren Haft wegen Zugehörigkeit zur Mafia. Vier Jahre zuvor war sein Cousin Bruno N. zusammen mit dem 83-jährigen Mafiaboss Domenico Oppedisano und 300 weiteren Verdächtigen festgenommen worden. Die Polizei beschlagnahmte damals Immobilien, Waffen und Drogen im Wert von einer Milliarde Euro. Der schwache Paragraf 16 Verdächtige aus dem Video im Boccia Club im Thurgau sind noch auf freiem Fuss. Die mutmasslichen Mafiosi aus der Schweiz haben wenig zu befürchten, solange sie nicht nach Italien reisen. Das Video des Treffens reicht für eine Verurteilung nach Schweizer Gesetz nicht aus. Das Schweizer Strafgesetz kennt zwar mit Artikel 260ter den Straftatbestand der Beteiligung an oder Unterstützung einer kriminellen Organisation. Mit Einführung dieser Strafnorm wollte der Gesetzgeber die Hintermänner belangen können. Zudem sollte die Schweiz anderen Ländern Rechtshilfe gewährleisten oder diese bekommen können. Doch anders als in Italien, wo die blosse Zugehörigkeit zur Mafia bestraft wird, muss bei uns wie auch in Deutschland erst die konkrete Vorbereitung einer Straftat nachgewiesen werden. In der Schweiz strafbar sind, vereinfacht gesagt: Delikte, die hierzulande begangen werden, und Delikte von Schweizern und gegen Schweizer weltweit. Wenn beispielsweise ein Mafioso in Italien einen Raubmord begeht, die Vermögenswerte auf einer Bank in den Bahamas deponiert und in der Schweiz lebt, wird ihn hierzulande kein Gericht verurteilen. Auch Auslieferungen sind nicht ganz einfach: Zwar können in der Schweiz Verhaftete an das Land ausgeliefert werden, in dem sie ihre mutmassliche Straftat begangen haben. Allerdings nur, wenn ein bilaterales Abkommen besteht und das betreffende Land einen Rechtshilfeantrag stellt. Wenn die ausländischen Behörden nicht wissen, dass der SURPRISE 362/15

Verdächtige in der Schweiz ist – oder wenn sie kein Interesse haben, einen Antrag zu stellen, dann passiert nichts. Zudem müssen die Voraussetzungen beidseitiger Strafbarkeit gegeben sein. Steuerhinterziehung etwa ist nach schweizerischer Gesetzgebung lediglich ein Vergehen und somit kein Auslieferungsgrund.

Vor über 21 Jahren, am 1. August 1994, trat die Strafnorm gegen organisierte Kriminalität in Kraft. Bis Ende 2014 haben Schweizer Gerichte insgesamt gerade einmal 68 rechtskräftige Urteile gesprochen. Und dies, obwohl der Bundeskriminalpolizei gesicherte Kenntnisse vorliegen, wonach organisierte Kriminelle aus etlichen Ländern in der Schweiz aktiv sind: Die Mafia, die chinesischen Triaden, Drogenkartelle aus Lateinamerika, kriminelle Vereinigungen aus Russland und anderen ehemaligen Sowjetstaaten, der Türkei, dem Balkan und Westafrika – sie alle sind schon aufgefallen. Einzelne Mitglieder sind verurteilt worden. Bei anderen lassen die Indizien zwar kaum Interpretationsspielraum, und dennoch reicht es nicht für ein Urteil nach Artikel 260ter. Weil zum Beispiel eine der im Gesetz definierten Voraussetzungen nicht erfüllt sind, um von einer kriminellen Vereinigung zu sprechen. Als der Gesetzgeber Artikel 260ter erliess, hatte er Organisationen wie die alte Mafia und die Triaden im Visier. Geheimhaltung, hierarchische Struktur, klar definierte Zugehörigkeit – das alles müssten Strafverfolger für eine Verurteilung nachweisen. Heutige Banden operieren oft eher netzwerkartig, arbeiten punktuell zusammen und sind weniger hierarchisch organisiert. Artikel 260ter stelle für eine Verurteilung zu hohe Anforderungen, moniert daher die Bundesanwaltschaft in einem Papier, das die Autorin einsehen konnte. Zudem sei er «ungenügend für mafiöse Strukturen». Die Mafia erreiche ihre Ziele oft, ohne überhaupt ein Verbrechen zu begehen – einfach weil ihre blosse Anwesenheit einschüchternd genug sei, um Menschen zu bestimmten Handlungen zu bewegen. Dem trage der Artikel 260ter keine Rechnung. Russischer Pate am Genfersee Strafverfolger stehen in einem Prozess gegen mutmassliche organisierte Kriminelle vor der Herausforderung, ihnen sämtliche geforderten Elemente einer Organisation nachzuweisen. Das scheitert allzu oft schon an den erforderlichen Informationen aus dem Ausland. Ein Beispiel ist der Fall des Russen Sergei Mikhailov, den das FBI und Europol als Gründervater der grössten russischen Mafiaorganisation «Solntsevskaya Bratva» bezeichnen. Strafverfolger in mehreren Ländern beobachteten ihn. Durch einen Strohmann erwarb er eine Villa im Kanton Waadt, schickte seine Kinder auf Privatschulen und leistete sich einen

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Rolls Royce. Am 15. Oktober 1996 verhaftete ihn die Polizei, zwei Jahre später kam es in Genf zum Prozess. Doch Zeugen sagten aus Angst nicht aus, und die Rechtshilfe aus Russland liess mehr als nur zu wünschen übrig. Erst schickte der russische Generalstaatsanwalt Dokumente nach Genf, die Mikhailov eine blütenweisse Weste attestierten. Seine einstigen Aufenthalte im Gefängnis tauchten darin nirgendwo auf. Mikhailov wurde freigesprochen, und Genf musste ihm 810 000 Franken wegen entgangener Gewinne während seiner Untersuchungshaft zahlen. Ähnlich unkooperativ zeigte sich die russische Justiz im Fall des getöteten Steueranwalts Sergei Magnitsky, der einem Steuerrückerstattungsbetrug in der Höhe von 230 Millionen US-Dollar auf die Spur gekommen war. Gangster, Steuerbeamte und Offizielle im russischen Innenministerium hatten sich das Geld gegenseitig zugeschanzt und über Dutzende Scheinfirmen und Länder auf Konten im Ausland transferiert. Ein paar Millionen landeten bei den Grossbanken in der Schweiz. Dank eines mittlerweile toten Whistleblowers sind die Strafverfolger in etlichen Ländern so gut dokumentiert wie selten. Verurteilt dürften die Täter dennoch kaum werden. Der russische Staat bescheinigt trotz erdrückender Beweise ihre Unschuld. Sinnlose Fälle Schwerlich nach dem Artikel 260ter verurteilt werden dürften auch die vier irakischen Jihadisten, gegen welche die Bundesanwaltschaft kürzlich Anklage erhoben hat, und zwar im Sinne von Artikel 260ter und weiterer Straftatbestände. Die Fahnder haben zwar jede Menge extremistische Filme auf ihren Handys und Computern sichergestellt. Wenn ihnen aber keine konkrete Beteiligung an einer kriminellen Organisation nachgewiesen werden kann, wird es die Verteidigung einfach haben. Wegen der Jihadismus-Aufnahmen könnten die Männer allenfalls wegen Gewaltdarstellungen bestraft werden. Für Strafverfolger macht es manchmal wenig Sinn, in Fällen zu ermitteln, die von Vornherein zum Scheitern verurteilt sind. So kann es vorkommen, dass ein Drogenfall einem Menschenhandelsfall vorgezogen wird, weil die Chancen für eine Anklage in letzterem zu dünn sind, wie Strafverfolger unter vier Augen erzählen. In einigen Fällen von Menschenhandel und Zuhälterei wollen Opfer nicht aussagen. Die meisten sind illegal im Land. Bis zu einem Prozess kann es Jahre dauern. Manchmal liegt es auch an der Qualität der Strafverfolgung, wenn der Erfolg gegen kriminelle Organisationen ausbleibt. Im Mafia-Verfahren «Quatur» etwa, in dem es um Drogenschmuggel der ’Ndrangheta zwischen Italien und Zürich ging, liess das Bundesstrafgericht die Ermittler der Bundesanwaltschaft zweimal wegen Formfehlern abblitzen. Über 30 000 abgehörte Telefongespräche müssen neu übersetzt werden. Am Ende wurde der Vorwurf der organisierten Kriminalität bei neun von

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13 Angeklagten fallengelassen. In einem anderen Fall gegen mutmassliche Kriminelle aus Georgien, Mitgliedern der sogenannten Diebe im Gesetz – organisierter Krimineller in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion –, entschied das Bundesgericht, die Übersetzung der abgehörten Telefongespräche sei nicht gesetzeskonform. Dumm nur, wenn die Anklage hauptsächlich auf dem Inhalt der abgehörten Gespräche beruht. Kommt hinzu, dass die Strafverfolger gerade bei kriminellen Organisationen davon ausgehen müssen, dass ihnen sehr gut bezahlte und mit allen Wassern gewaschene Anwälte gegenüberstehen, die jeden Formfehler der Anklage und jede gesetzliche Lücke zugunsten ihres Mandanten auszunutzen wissen. Regulierungswut und Ineffizienz Statt die Effizienz bestehender Gesetze und Regeln infrage zu stellen, ruft die Politik reflexartig nach zusätzlichen Gesetzen und Regeln, sobald das Thema organisierte Kriminalität auf der Agenda steht. Um den Drogenhandel und generell die organisierte Kriminalität zu bekämpfen und ihr die Finanzgrundlage zu entziehen, machten die USA 1986 als erstes Land die Geldwäscherei zum Straftatbestand. Unter Federführung der 1989 gegründeten «Financial Action Task Force on Money Laundering» wurden im Laufe der Jahre erhebliche Anstrengungen unternommen, um die nationalen Systeme zur Geldwäschereibekämpfung der 34 Mitgliedsländer, darunter auch der Schweiz, zu harmonisieren. Es entstand eine Regulierungsindustrie, die den Finanzinstituten hohe Regulierungskosten bescherte und Tausende Arbeitsplätze schuf, in der Schweiz vor allem in der Bundesanwaltschaft, bei der Bundeskriminalpolizei, der Meldestelle für Geldwäscherei, der Finanzmarktaufsicht Finma und bei den Kantonspolizeien. Gebracht hat das Ganze wenig. Laut einem Bericht des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung werden global weit weniger als ein Prozent (wahrscheinlich nur 0,2 Prozent) aller Gelder verbrecherischer Herkunft, die im Finanzsystem gewaschen werden, konfisziert. Die organisierte Kriminalität, die man eigentlich bekämpfen will, floriert. Dessen ungeachtet und vor allem auf Druck der USA werden die bestehenden Massnahmen zur Bekämpfung der Geldwäscherei ständig revidiert. So hat die Schweiz bekanntlich das Bankgeheimnis quasi aufgehoben – zumindest für die einen. Weiterhin in den Maschen hängen bleiben vor allem Steuerhinterzieher aus den USA und Deutschland. Nicht, dass dies verkehrt wäre. Doch die richtig grossen Fische – organisierte Kriminelle aus besagten Ländern – haben längst Wege gefunden, ihr Geld dem Zugriff der Schweizer Behörden zu entziehen. Und Bankkunden aus Asien, dem Mittleren Osten, Afrika und Lateinamerika haben bei uns nach wie vor wenig zu befürchten, weil ihre Länder auf die Schweiz keinen Druck machen wollen oder können. Etliche VermöSURPRISE 362/15


gende aus diesen Ländern sind mit dem Staat verbandelt, darunter auch Kriminelle. Da einige dieser Länder wirtschaftlich für die Schweiz von grosser Bedeutung sind, fehlt der politische Wille, ernsthaft etwas gegen bestimmte Bankkunden zu unternehmen. Im Extremfall kann dies dazu führen, dass beispielsweise Mitglieder der chinesischen Triaden oder der russischen Mafia ihre Gelder sicher in der Schweiz anlegen können, während ein amerikanischer Zahnarzt mit aller Härte des Gesetzes gejagt wird, weil er ein paar zehntausend Franken am Fiskus vorbeigeschleust hat. Mit Verhältnismässigkeit und effizienter Verbrechensbekämpfung hat dies wenig zu tun. Möglicherweise leisten wir uns so viel Ineffizienz, weil die Bedrohung im Inland als geringfügig empfunden wird. Auf unseren Strassen wird selten geschossen. Opfer von Menschenhändlern fallen kaum auf, und der Drogendealer im schicken Club sieht nicht wie ein Schwerverbrecher aus. Einbrüche hinterlassen ein ungutes Gefühl, aber an Leib und Leben ist deswegen kaum jemand bedroht worden, ebenso wenig durch einen zurückkehrenden Jihadisten oder einen mutmasslichen Mafioso im Thurgau. Und wenn ein Pate oder Drogenboss sein Geld auf einem Schweizer Konto parkiert, dann tut das hier niemandem weh.

Mafiosi und Terroristen Welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit das Gericht von einer kriminellen Organisation spricht, präzisiert das Bundesgericht in einem Leitentscheid. «Er setzt eine strukturierte Gruppe von mindestens drei, im allgemeinen mehr Personen voraus, die mit dem Ziel geschaffen wurde, unabhängig von einer Änderung ihrer Zusammensetzung dauerhaft zu bestehen, und die sich namentlich durch die Unterwerfung ihrer Mitglieder unter Anweisungen, durch systematische Arbeitsteilung, durch Intransparenz und durch in allen Stadien ihrer verbrecherischen Tätigkeit vorherrschende Professionalität auszeichnet.» Im Weiteren sei für den Begriff der kriminellen Organisation «eine qualifizierte und systematische Verheimlichung» erforderlich, «die sich nicht notwendig auf das Bestehen der Organisation selbst, wohl aber auf deren interne Struktur sowie den Kreis ihrer Mitglieder und Helfer erstrecken muss». Nebst mafiaähnlichen Verbrechenssyndikaten zählen in der Schweiz Terrorgruppierungen wie die baskische ETA, al-Qaida und der IS zu den kriminellen Organisationen. Extremistische Parteien oder Freiheitskämpfer erfüllen die Voraussetzungen nicht, ebenso wenig eine kriminelle Bande. Der Hauptunterschied ist die Organisationsform: Bei der Bande können sämtliche Beteiligten auch in anderer Form oder alleine arbeiten, wogegen bei der kriminellen Organisation die Zusammensetzung fix und ausschliesslich ist. Von der kriminellen Organisation muss eine besondere Bedrohung ausgehen. SURPRISE 362/15

Für unzählige Opfer weltweit hingegen ist die Bedrohung durch kriminelle Organisationen sehr real. Fehden zwischen Verbrecher-Clans, Terroranschläge und die Drogenkriege in Asien und Lateinamerika haben allein in den letzten paar Jahren Tausende Leben gefordert. Darunter auch Kinder wie der sechsjährige Christoph. ■

Die Ökonomin Monica Fahmy leitet das Deutschschweizer Büro der Genfer Firma Global Risk Profile, die Recherchen und Background-Checks für Unternehmen, Finanzinstitute, Anwälte und Universitäten erstellt. Davor war Fahmy 18 Jahre als investigative Journalistin tätig. Soeben ist ihr neustes Buch «Der Tod, das Verbrechen und der Staat» erschienen, für das sie Gespräche mit Insidern aus der Finanzwelt, der Strafverfolgung, aus den Nachrichtendiensten und der Politik sowie mit Informanten aus dem Umfeld der organisierten Kriminalität geführt hat. Fahmy zeigt darin auf, wie kriminelle und terroristische Organisationen in der Schweiz operieren und was es so schwer macht, ihnen das Handwerk zu legen.

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Entwicklung Plötzlich digital Bis vor wenigen Jahren lebten die Penan tief im Dschungel auf der Insel Borneo, ohne Strom, ohne Strassen, fernab der modernen Welt. Dann kam das Internet in den Urwald – und mit ihm das Geld.

VON SIMON JÄGGI (TEXT) UND KOSTAS MAROS (BILDER)

Die Jagd ist vorbei und es ist dunkel geworden im Dschungel, die Regentropfen fallen millionenfach zwischen den Urwaldbäumen auf den Boden. Oteng Zuel verschliesst den Behälter mit den tödlichen Giftpfeilen, legt ihn zum Blasrohr und zieht sein Handy aus der Hosentasche. Durch den Regen dringt das Rauschen des nahen Flusses. Oteng zündet sich eine Zigarette an. Während er den Rauch in die Nachtluft bläst, blickt er gebannt auf das bläulich schimmernde Display. Dort zaubert der charismatische Teilnehmer einer britischen Talentshow fünf weisse Tauben aus dem Ärmel seiner Lederjacke hervor und lässt sie danach im Nichts verschwinden. Blitze zucken am Himmel über den Baumkronen. Unter dem schulterhohen Dach der Hütte rutschen Alvin, Jot und Watson etwas näher Als Oteng Zuel zusammen. Vor ihnen über dem Feuer brät an seiner Kindheit einem Holzspiess ein Urwaldvogel. «Los, machen wir ein paar Bilder», ruft Oteng aus dem Dunkel hinüber. Die vier Freunde lassen Zigaretten und Schnapsflasche verschwinden, legen einander den Arm um die Schulter, dann erhellt grell der Blitz der Handykamera die Nacht. Selfie-Time im Dschungel Borneos. Alvin, Jot, Watson und Oteng sind Angehörige der Penan, einer indigenen Volksgruppe auf Borneo im Südchinesischen Meer. Ihr Dorf Long Lamai liegt im malaysischen Teil der Insel, dort, wo die Flüsse Balong und Lamai zusammenfliessen, umgeben von Urwald und hohen Bergen. Hier lebten sie als Selbstversorger, fernab der modernen Zivilisation. Bis die Dorfältesten vor fünf Jahren einen Entscheid trafen, der das Dorf geradewegs ins digitale Zeitalter beförderte. Am nächsten Tag gegen Mittag kehren die vier Kindheitsfreunde von ihrem Schlafplatz ins Dorf zurück und binden ihr Holzboot am Ufer fest. Oteng macht sich über einen Pfad auf den Rückweg zu seiner Familie. Vorbei an einem Dutzend einfacher Holzhäuser auf Stelzen, der Kirche, der Primarschule, dem Gemeindezentrum. Hühner und Hunde spazieren frei herum, ein zahmer Makaken-Affe schwingt sich auf einem Baum von Ast zu Ast. Zwischen den Häusern verschwindet ein langhaariger Mann mit Gewehr in Richtung Dschungel. SURPRISE 362/15

Während mehr als 1000 Jahren zogen Otengs Vorfahren in kleinen Gruppen als Nomaden durch die Urwälder. Bei drohenden Konflikten zogen sie sich tiefer in die Wälder zurück und mieden selbst in friedlichen Zeiten den Kontakt zu den anderen Inselvölkern. Vor 50 Jahren erst wurde die erste Nomadengruppe in Long Lamai sesshaft. Seither haben alle 12 000 Penan das Nomadenleben aufgegeben, nachdem evangelikale Missionare aus Australien sie beharrlich dazu gedrängt hatten. Und weil mit der anhaltenden Abholzung ein Grossteil ihres Lebensraumes verschwunden ist. In Long Lamai ist aus der anfänglichen Ansammlung von Hütten das grösste Dorf der Penan geworden, 600 Menschen wohnen heute am Ufer des Balong. Bis vor wenigen Jahren führten die einzigen Verbindungen

zurückkehrte, fand er statt des abgeschiedenen Orts einen Aussenposten der digitalen Moderne. zur Aussenwelt über einen schmalen Pfad durch den Wald oder im Einbaum über den Fluss. Wer eine Nachricht in einen anderen Ort überbringen liess, wartete manchmal Monate auf eine Antwort. Es gab keinen Strom, kein Telefon, keinen Fernseher, kein Internet. Und stünde in der Mitte des Dorfes nicht ein eingezäunter Sendemast, umringt von sechs Solarpanels und einer Satellitenschüssel, man könnte meinen, es habe sich seither kaum etwas verändert. Die ersten Vorboten der Veränderung erreichten das Dorf am 14. Januar 2008. Kurz vor Sonnenuntergang stiegen zwei Kommunikationswissenschafter der Universität Malaysia Sarawak aus dem Einbaum ans Ufer, ohne Ankündigung, aber mit einer grossen Idee. Sie wollten die moderne Welt in den Dschungel bringen. Am nächsten Tag trafen sie den Häuptling und den Rat der Ältesten in der turmlosen Dorfkirche. Die Besucher erzählten, wie das Dorf den Anschluss ans digitale Zeitalter finden sollte, wie die Frauen mithilfe des Internets ihre geflochtenen Matten und Armreife verkaufen, wie Touristen kommen, der Wohlstand im Dorf wachsen und die junge Generation eine Zukunft finden könnte. «Seid ihr damit einverstanden?», fragten die Forscher. Die meisten der Männer hatten nie zuvor von die-

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Bei seiner Rückkehr fand er statt des abgeschiedenen Orts seiner sem Internet gehört, noch nie einen Computer gesehen oder mit einem Kindheit einen Aussenposten der digitalen Moderne. Seine Schwester Handy telefoniert. Alles, was sie wirklich kannten, war der Wald. hört jetzt auf dem Laptop des Vaters Rihanna, seine Freunde haben auf «Stärkt diese Technologie unser Dorf oder schwächt sie unsere Kultur?», Facebook eine eigene Gruppe gegründet. Und wenn am Abend die letzfragten sie zurück. Sie wollten Zeit zum Nachdenken und verabschieten Lichter ausgehen, dann leuchtet in der Mitte des Dorfes, zuoberst deten die Besucher ohne einen Entscheid. Wochenlang diskutierten die Ältesten über das Angebot, sprachen mit jüngeren Dorfbewohnern, die in den Städten Die neuen Möglichkeiten locken die Jungen ins Dorf zurück. Von den Einbereits Erfahrungen mit den modernen Techkünften kaufen sie sich Eisschränke, Fernseher und Waschmaschinen. nologien gemacht hatten, und befragten ihre Ahnen. Noch zwei weitere Male mussten die auf dem Sendemast, immer noch ein rotes Licht. Oteng hilft seinen ElForscher in den Dschungel reisen, bis sie bei ihrem vierten Besuch tern auf dem Feld und verdient als Bootsfahrer etwas Geld. Am meisten schliesslich die Einwilligung der Ältesten erhielten. Besorgt über die AbZeit aber verbringt er im Wald, wandert dem Fluss entlang, ersteigt die wanderung der jungen Generation und im Vertrauen auf die VerspreGipfel der nahen Berge, macht Jagd auf Bären und fängt mit dem Wurfchungen der Wissenschafter, hatten sie sich für den Wandel entschieden. netz Fische. Ob er für ein paar Stunden oder mehrere Tage verschwinIn den folgenden Monaten kam das Internet Stück für Stück in den det, drei Dinge hat er immer dabei: über der Schulter sein Blasrohr, um Dschungel. Die Universität hatte vorgeschlagen, das Material mit einem die Hüfte das Buschmesser und in der Tasche das Handy. Um Bilder zu Helikopter zu transportieren, doch die Bewohner von Long Lamai wollmachen, am Abend Videos zu schauen, Musik zu hören. Urwald und ten es anders. Sie verluden die Bauteile in einem nahe gelegenen Ort Internet, Pfeiljagd und Selfies, für Oteng sind das keine Gegensätze von Lastwagen auf schmale Holzboote. Die alte Kirche wurde abgerismehr. «Wir sind jetzt moderne Penan», sagt er mit Stolz, «und brauchen sen und an ihrer Stelle der baumhohe Sendemast aufgebaut. Daneben beides. Das traditionelle und das moderne Leben.» entstand das Telecenter, eine 30 Quadratmeter grosse Holzhütte, in der Die Veränderungen, die vor fünf Jahren ihren Anfang nahmen, erzwei veraltete Dell-Computer stehen. Transport und Aufbau dauerten greifen immer weitere Teile des Lebens in Long Lamai. Da ist der Hydroein Jahr, bis die Antenne am 28. September 2009, betrieben mit Solargenerator am Fluss, der das Dorf seit zwei Jahren mit Strom versorgt. zellen, ihr erstes Signal in den Himmel sendete. Am Waldrand sammelt sich in grossen Haufen der Abfall, seit im Dorf ein kleiner Lebensmittelladen eröffnet hat. Aus den Städten gesandte Sehnsucht in den Shoppingmalls Lehrer unterrichten an der Primarschule die Dorfkinder. Die JugendOteng Zuel sitzt auf einer Couch im Holzhaus seiner Eltern, hinter lichen tätowieren sich als Erkennungszeichen Musiknoten auf die Hänihm flimmert der Fernseher. «Das moderne Leben hat mich überholt», de und kaufen im nächsten Dorf Bier und Zigaretten, die sie heimlich sagt er. Während Long Lamai im digitalen Zeitalter ankam, lebte er 600 am Flussufer konsumieren. Und neben dem Sendemast steht das von Kilometer weit entfernt. Mit elf Jahren verliess er das Dorf für die oblider Regierung gesponserte Gemeindezentrum mit Neonröhren, in welgatorische Schule. Von einem benachbarten Ort zog er über das Meer chem die Dorfversammlungen stattfinden und wo der Häuptling ein leenach Kuala Lumpur in West-Malaysia und machte dort seinen Abres Büro hat, das er nie benutzt. schluss. Spätestens hier endet für die meisten Penan die Schulzeit, da Die vielleicht deutlichsten Zeichen des Wandels aber liegen am Ufer sie sich eine weiterführende Ausbildung nicht leisten können. Doch des Flusses. Was in industriellen Städten die Fabriken, sind hier die BooOteng hatte Glück und erhielt ein Stipendium. te: Symbol von Entwicklung, Wohlstand und wachsendem Konsum. 30 Zurück auf Borneo begann er in Kuching, mit einer halben Million bunt bemalte und motorisierte Einbäume säumen die lange Böschung, Einwohner die grösste Stadt der Insel, seine Ausbildung an einer Hotelzehnmal so viele wie noch vor wenigen Jahren. fachschule. Er arbeitete in einem Restaurant, brauste auf seinem Seit das Dorf digital erreichbar ist, finden auch erste Besucher den Motorrad durch die Strassen, besuchte Konzerte, tätowierte sich den Weg hierher. Botaniker, Missionare, Ethnologen, ein paar wenige IndiNamen eines Mädchens auf den Rücken, auf das Bein zwei Flügel und vidualtouristen. Weil bis heute keine Strasse nach Long Lamai führt, verbrachte die Wochenenden feiernd mit seinen Freunden am Strand kommen sie alle über den Fluss. Und mit ihnen das Geld. Sie bezahlen vor der Stadt. Vergessen waren die ersten Wochen, in denen er orientiefür die Bootsfahrt, den Guide, einen Übersetzer oder die Übernachtung rungslos durch die Strassen und Shoppingmalls irrte, doch seine Sehnbei einer Familie. Die neuen Einkommensmöglichkeiten schaffen Persucht nach dem Dschungel war geblieben. «Mir gefiel mein Leben in der spektiven und locken die Jungen ins Dorf zurück. Neben Oteng Zuel Stadt, zugleich vermisste ich mein Dorf», sagt Oteng. Die Zerrissenheit sind in den vergangenen Jahren 20 weitere junge Männer aus den Städwurde zu einem ständigen Begleiter, bis die Sehnsucht eines Tages zu ten zurückgekehrt. Von den Einkünften kaufen sich die Bewohner Eisgross wurde, er das Studium vorzeitig beendete und seinen Freunden schränke, Satellitenfernseher und Waschmaschinen. So spielt das Geld, Lebwohl sagte. Das war vor einem Jahr. welches bis vor wenigen Jahren kaum vorhanden war, jetzt eine zentrale Rolle in Long Lamai. THAILAND THA H HAILAND

BRUNEI Kuala Lumpur

Long ng Lamai MALAYSIA MALA AYSIA Y

INDONESIEN

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Wie einst als Kinder Doch nicht alle können mit dem rasanten Wandel Schritt halten. Viele der älteren Penan beobachten die Veränderungen mit Besorgnis. Einer von ihnen ist Imang Lete. Das Gesicht des 70-Jährigen hat jungenhafte Züge, mit seiner Baseballkappe und der seltsam modischen Brille könnte er auch ein etwas verschrobener Grossstädter sein. Aber Imang Lete geht nie in die Stadt, sein Zuhause ist die Natur. Es ist früher Morgen, durch den Nebel dringen erste Sonnenstrahlen. In seiner Hütte schultert Imang einen geflochtenen Korb, wählt eines seiner elf Blasrohre aus und bindet das Messer um die Hüfte. Draussen vor der Holztüre wartet bereits seine Frau. Seit sie nicht mehr gut hört und er nicht mehr weit sieht, besuchen sie ihr Feld nur noch gemeinSURPRISE 362/15


«In meinem Wesen bin ich immer noch ein Nomade», sagt Imang Lete. Wenn er von seinem Leben erzählt, erzählt er auch die Geschichte der Penan.

Urwald und Internet, Pfeiljagd und Selfies – für Oteng Zuel (rotes T-Shirt) sind das keine Gegensätze mehr: «Wir sind jetzt moderne Penan», sagt er stolz. SURPRISE 362/15

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«Hier haben wir alles. Die Tiere können wir jagen, die Früchte pflücken», sagt Diana (links), die 1117 Facebook-Freunde hat.

als Aussenwelt bezeichnen. Und von dieser haben sie bis heute nur eisam. Auf einem schmalen Pfad betreten sie den Wald, überqueren raune vage Vorstellung. Es ist für ihr Leben nicht von Bedeutung, wie der schende Bäche und umgestürzte Bäume. Nach einer halben Stunde indische Präsident heisst, wie ein Touchscreen funktioniert oder was Fussmarsch endet das Dickicht, dahinter liegt ein Feld, so gross wie ein Facebook ist. Stattdessen kennen sie über 100 verschiedene fruchttraFussballplatz. Was Imang und seine Frau zum Essen brauchen, finden gende Bäume, 50 verschiedene Heilpflanzen und acht verschiedene sie hier. Sie kommen fast jeden Tag, bleiben manchmal für mehrere Pfeilgifte. Zur Jagd imitieren sie die Geräusche der Tiere und im Wald Nächte. Dann schlafen sie wie einst als Kinder in einer Hütte aus nichts verständigen sie sich bis heute mit Oroo, einem komplexen Zeichensysals Ästen und Laub. «Ich kann nicht lange an einem Ort bleiben», sagt tem aus Ästen. Es ist jahrhundertealtes Wissen, wie es Naturvölkern eiImang, «in meinem Wesen bin ich immer noch ein Nomade.» gen ist. Und sie befürchten, mit der fortschreitenden Modernisierung Wenn Imang von seinem Leben erzählt, erzählt er auch die Gekönnte es für immer verloren gehen. schichte der Penan. Er verbrachte die ersten 20 Jahre seines Lebens als In Long Lamai ist es Abend geworden und das Internet funktioniert Nomade in den Wäldern und gehörte zu den Ersten, die vor 50 Jahren noch immer nicht. Bereits seit neun Wochen sind die Batterien der eiin Long Lamai sesshaft wurden. Seither hat sich nicht nur das Dorf verändert. Holzunternehmen haben im malaysischen Teil der Insel 80 Prozent der Regen«Wenn sie ihre Herkunft vergessen, wird es für sie auch keine Zukunft wälder abgeholzt und sind auch bis hierher geben», sagt Imang Lete über die junge Generation seines Volkes. vorgedrungen. Die Abholzung ist das kollektive Trauma der Penan. «Als wir noch Nomaden nen Solarzelle ausgefallen, der Mechaniker aus der Stadt lässt auf sich waren, herrschte Friede im Wald», sagt Imang. Doch viele der Bäume warten. Internet-Zugang gibt es zurzeit nur übers Handy-Netz. Weil das seien verschwunden und mit ihnen auch zahlreiche Tiere. Den Wald, Signal wie meistens schwach ist, stehen die jungen Leute neben der Anwie ihn Imang als junger Mann kannte, gibt es nicht mehr. tenne, lesen ihre Nachrichten auf Facebook, laden geduldig Youtube-ViNach der Abholzung und der Sesshaftigkeit sei die Modernisierung deos auf die Handys und die neusten Fotos auf Instagram. Wenn sie die dritte grosse Veränderung in seinem Leben, sagt Imang. «Das Interjemand fragt, wer von ihnen das Internet am häufigsten nutzt, dann net ist die beeindruckendste Technologie, die ich kenne, doch ich habe zeigen alle Finger auf Diana, eine junge Frau, 23 Jahre alt, mit schüchkeine Vorstellung, wie sie funktioniert.» Er besitzt kein Handy, hat sich ternem Lächeln, schelmischem Blick und 1117 Freunden auf Facebook. noch nie vor einen Computer gesetzt. Es mache ihn unglücklich, dass «Eigentlich zu viele», wie sie findet und deshalb immer wieder einige die Jungen sich so sehr für das moderne Leben interessieren. «Wenn sie aussortiert. Zahlreich sind auch ihre Selfies, von denen sie fast jeden Tag ihre Herkunft vergessen, wird es für sie auch keine Zukunft geben.» ein neues auf ihre Seite hochlädt. Gefällt mir, klicken dann jeweils ihre So wie Imang denken die meisten der älteren Bewohner. Die neuen Freunde in Asien, Europa und Amerika, von denen sie viele nur aus dem Technologien sind ihnen fremd geblieben. Für sie endet ihr Lebensraum Internet kennt. immer noch irgendwo hinter den Bergen, danach kommt das, was sie

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Eines Tages möchte Oteng Zuel zurück in die Stadt – oder doch seine Kindheitsfreundin heiraten und das Dschungelleben führen?

Facebook ist nicht der einzige Kanal, auf dem Diana kommuniziert. Skype, Instagram, Messenger – auf ihrem Handy hat sie ein Dutzend weitere Applikationen installiert. Sie ist eine Digital Native im wahrsten Sinne des Wortes. Wer aber denkt, die junge Frau wolle Long Lamai eines Tages verlassen, der irrt. «In der Stadt gefällt es mir nicht», sagt sie entschieden. «Alles dort kostet Geld.» Zuletzt lebte sie nach ihrem Schulabschluss in Miri, einer gesichtslosen Grossstadt mit riesigen Parkfeldern und grauen Häuserblocks. Während eines Jahres verliess sie ihre Wohnung fast nur für die Arbeit in einem Lebensmittelladen. «Hier in Long Lamai haben wir alles. Die Tiere können wir jagen, die Früchte pflücken. Es gibt keine Notwendigkeit, etwas zu kaufen.» Sie hoffe auf etwas Tourismus, ein paar einfache Unterkünfte. Viel mehr aber solle sich nicht mehr verändern. «Mir gefällt Long Lamai, wie es jetzt ist.»

sagiere zusteigt. Eine halbe Stunde später startet der Pilot die Propeller wieder, die Maschine rollt auf den Asphaltstreifen und beschleunigt. Als sie hinter den weissen Wolkentürmen verschwunden ist, blickt Oteng immer noch in Richtung Horizont. Noch heute ist er in Gedanken oft in der Stadt, bei den Feiern an der Damai-Beach, den Konzerten, am Meer. «Eines Tages möchte ich dahin zurückkehren, für ein paar Jahre oder auch länger», sagt er. Oder doch seine Kindheitsfreundin heiraten, eine Unterkunft für Touristen eröffnen und ein Leben im Dschungel führen? Er weiss, irgendwann wird er sich entscheiden müssen. Zurück am Ufer wählt er auf dem Handy das nächste Lied, steckt die Kopfhörer in die Ohren, stösst das Boot vom Ufer ab, gibt Gas und fährt zurück nach Long Lamai, an diesen Ort irgendwo zwischen Vergangenheit und Zukunft, der sein Zuhause ist. ■

Zwischen Vergangenheit und Zukunft Am nächsten Morgen setzt sich Oteng früh ins Boot und macht sich auf den Weg zu jenem Ort, den hier alle Flughafen nennen. Zwei Stunden dauert die Fahrt nach Long Banga, dem nächstgrösseren Dorf. Zwischen dicht bewaldeten Hügeln und dem Fluss zieht sich eine geteerte Piste durch die Ebene, die zweimal in der Woche von einem Kleinflugzeug angesteuert wird. Mit Oteng im Boot sitzt ein junger Lehrer, der für die Beerdigung seiner Mutter an die Küste fliegen will. Oteng manövriert das Boot durch Stromschnellen, weicht überspülten Felsen aus. Auf halber Strecke mündet der Balong in den Baram, von da an geht es wieder flussaufwärts. Als Oteng das Boot eine Stunde später an einer Böschung beim Flugplatz festbindet und ans Ufer steigt, dröhnt es in der Luft. Wie ein riesiger Vogel taucht, mit Kurs Richtung Flugfeld, die Twin-Otter über den Bäumen auf. Vor dem kleinen Abfluggebäude setzt sich Oteng auf die Treppe und schaut zu, wie sich das Flugzeug leert und der Lehrer mit einem knappen Dutzend neuer PasSURPRISE 362/15

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Film «Vielleicht haben wir einen eigenen Mythos kreiert»

«Wir sind froh, dass wir in der Schweiz wohnen»: Stefan Eichenberger (links) mit Julia Tal und Benny Jaberg im Zürcher Wohnquartier.

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Zehn junge Schweizer Regisseure lassen in der Schweiz einen nie dagewesenen Sturm aufkommen, der das Land in einen Ausnahmezustand versetzt. «Heimatland» ist ein Kollektivfilm einer jungen Generation von Filmemachern, die sich aus einer gemeinsamen Haltung heraus zur aktuellen Lage des Landes äussern.

VON DIANA FREI (INTERVIEW) UND PHILIPP BAER (BILDER)

«Heimatland», der Titel Ihres Films, ist auch ein Fluchwort. Ist die Heimat ein Fluch? Benny Jaberg: Der Filmtitel ist für mich vor allem eine grossartige Provokation. Auf mich wirkt «Heimatland» wie ein Imperativ. Als habe man etwas zu empfinden für sein Heimatland. Das finde ich extrem schwierig. Man soll einem eingegrenzten Gebiet gegenüber grosse Emotionen empfinden. Man soll sich gegen innen definieren – sich gegen aussen abstossen durch Grenzen, die ja immer etwas Willkürliches haben. Überdies wird der Heimatbegriff zusehends instrumentalisiert, um andere auszugrenzen. Stefan Eichenberger: Die Heimat ist für uns Fluch und Segen zugleich. Wir sind froh, dass wir in der Schweiz wohnen. Aber wir sind nicht stolz darauf, Schweizer zu sein, weil wir wissen, dass wir nichts dafür geleistet haben.

Im Film sind nun die unterschiedlichsten Bereiche der Gesellschaft abgebildet: die ganz private Welt, die Geschäfts- und Versicherungswelt, die Fan- und Freizeitkultur und das Biotop der populistischen Meinungsmache. Welche Aspekte waren für Sie die wichtigsten? Eichenberger: Für uns war immer wichtig, dass wir nicht zu explizit politisch sind. Wir haben lange überlegt, ob wir überhaupt eine Episode drin haben wollen, in der ein Politiker vorkommt. Wir wollten nahe an den Menschen sein und über die Menschen von der Politik erzählen. Man muss nicht zwingend einen Politiker begleiten, um die Politik in einem Land zu erklären. Man zeigt stattdessen Figuren, die von dieser Politik betroffen sind. Wie Godard sagte: Wir müssen nicht politische Filme machen, sondern Filme politisch. Der Lokalpolitiker, der jetzt im Film vorkommt, ist erst ganz am Schluss der Drehbuchentwicklung dazugekommen, weil es ihn für die Gesamtdramaturgie brauchte. Eine Episode spielt in der Versicherungswelt. Man will den Bund um Hilfe bitten, weil man die Versicherungssumme im Fall des drohenden Sturms gar nicht mehr decken könnte. Ein Moment, in dem man an das Swissair-Grounding denkt. Julia Tal: Es geht hier sehr stark um die Chefsekretärin und ihren Wunsch, das System aufrechtzuerhalten. Sie versucht alles, um ihren

Das klingt fast ein bisschen nach einem schlechten Gewissen, dass man zufällig in diesem komfortablen Land geboren ist. Jaberg: Offensichtlich sind wir mit vielem nicht einverstanden, was in diesem Land passiert. Wir alle tragen Mitverantwortung für das Schlamassel und wir sind oft wohl schlicht zu bequem, um wirklich zu versuchen, etwas zu be«Man muss nicht zwingend einen Politiker begleiten, wegen. Das Gewissen sagte uns, dass wir darum die Politik in einem Land zu erklären. Man zeigt über nicht nur reden, sondern irgendwann stattdessen Figuren, die von dieser Politik betroffen auch Farbe bekennen und handeln sollten. Der sind.» Stefan Eichenberger, Produzent Impetus, diesen Film zu machen, verlangte von uns, die eigene Feigheit zu überwinden und uns zu äussern. Die Eindeutigkeit, die «Heimatland» mitunter in sich trägt, habe ich in meiner Arbeit bisher Chef an den Verhandlungstisch zu kriegen und den Betrieb aufrechtvermieden, weil sie nicht dem Wesen der Kunst entspricht. Wir mussten zuerhalten – in einem Moment, in dem es aber schon am Abstürzen ist. uns für diesen Film mit anderen zusammenraufen, und ich habe gelernt, Das ist ein Sinnbild für die gute Schweizerin, die an das System glaubt wie anspruchsvoll es sogar ist, mit Gleichgesinnten umzugehen. und immer weitermacht. Wieso brauchte es gleich mehrere Geschichten, um ein Porträt der Schweiz zu zeichnen? Jaberg: Wir leben in einer Zeit, in der die Gesellschaft sehr fragmentiert ist, in der vieles parallel nebeneinander geschieht. Deshalb haben wir das im Film auch formal so konsequent durchgezogen – dass die Geschichten verschiedener Soziotope und Individuen parallel laufen. Und nicht in dem Mass interagieren, wie sie das vielleicht sollten. SURPRISE 362/15

Albrecht, ihr Chef, versteckt sich stattdessen auf dem Dach. Hier hängt er jenen Wochen in seinem Leben nach, als ihm in Japan der Tsunami die Arbeit verunmöglichte. Oben auf dem Dach fängt er an, sich wieder zu spüren, weil ihn noch einmal eine Naturkatastrophe vom Leistungsdruck befreien könnte. Eichenberger: Für mich geht es hier darum, dass man diesen Sturm auch als Chance sehen kann. Und das war uns auch wichtig: Dass man einen

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Die Menschen flüchten vor der Wolke: Szene aus «Heimatland»

kleinen Funken Hoffnung sieht. Dass man den Sturm auch als Neustart sehen kann.

Tal: Unsere Generation ist zugleich Opfer und Täter der Zeit, in der wir leben. Das junge Paar im Film hat durchaus eine politische Haltung. Doch sie leben in einer Welt, die es ihnen leicht macht, ihre eigenen Grundsätze zu vergessen. Wir haben das Gefühl, immer einen Schritt hinterher zu sein, mit dem Tempo der Welt nicht mitzukommen. Eigentlich möchten wir ja Verantwortung übernehmen und aktiver handeln. Aber wir befinden uns in einem Zustand permanenter Überforderung und Reizüberflutung. Das Paar im Film würde gerne alles richtig machen, aber sie kriegen es nicht auf die Reihe. Nicht einmal den Wunsch, während des Sturms zusammen zu sein, können sie umsetzen.

In einer anderen Geschichte geht es um ein junges Paar, das sich angesichts der Katastrophe in den romantisierenden Rückzug zu retten versucht. Die Frau will während des Sturms mit ihrem Freund ins Bett, macht ihm aber gleichzeitig zum Vorwurf, dass er das Trinkwasser im Ausländer-Lädeli geplündert habe statt im Globus. Sie schiebt ihre Sorge um die Welt vor, aber im Grunde geht es ihr bloss um ihre Beziehungsprobleme. Funktioniert so die junge Generation? Jaberg: Ich glaube mitunter schon. Unser Film «Es geht darum, die Eigenverantwortung für unsere hat nicht nur eine anklagende Seite, sondern Situation zu erkennen. Das ist genau das Versagen auch eine selbstanklagende. Es gibt unterunserer Generation, wenn wir vergessen zu wählen.» schiedlichste Formen von Eskapismus, und der Julia Tal, Produzentin Hedonismus unseres Paars ist wohl eine davon: Rückzug ins Private. Die andere wäre: Rückzug in die Karriere. Albrechts GeschäftsSich verpassen, sich missverstehen, keine Zeit füreinander haben: Das welt aus der Versicherungsepisode. Wenn man in einer Position arbeitet widerspiegelt sehr die Problematik unserer Zeit. wie er, bekommt das Dasein etwas Virtuelles: Man hat kaum mehr Berührungspunkte mit dem konkreten Leben und spürt sich selbst vielSo gesehen ist man aber auch als Täter immer noch Opfer. leicht tatsächlich erst wieder, wenn es existenziell wird. Es ist unser Tal: Es ist immer beides. Es ist die mangelnde Zeit, die Überforderung, Wirtschaftssystem, das solche Lebensentwürfe überhaupt erst möglich die Frage, welcher Quelle man vertrauen soll. Wir leben in einer derarmacht. Vielleicht sind deshalb die Abgangsentschädigungen so hoch – tigen Multioptionsgesellschaft, dass man sogar zwischen verschiedenen als Wiedergutmachung, weil man sich zuvor vom System entmenschFormen des Engagements wählen muss: Will ich mich für die Flüchtlinlichen liess. (lacht) ge einsetzen oder will ich mich in einer Partei engagieren? Soll ich meine Zeit der Karriere widmen oder der Familie? Es erscheint unmöglich, Sie haben in Interviews schon oft gesagt: «Wir sind selber ein Teil allem gerecht zu werden. Da ist es manchmal einfacher, gar nichts zu des Problems.» Inwiefern?

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tun. Zu Tätern werden wir, wenn wir unsere Kleider im H&M kaufen, obwohl wir wissen, dass die meisten davon in Bangladesh produziert werden. Aus Zeitnot. Oder aus Geldnot. Aber auch da sind wir selbst schuld: Wir haben kein Geld, weil wir uns selbst dazu entschieden haben, in Berufen zu arbeiten, in denen man nicht viel verdient. Man macht immer einen einzelnen richtigen Schritt, aber gleichzeitig einen falschen, weil es anders gar nicht geht.

Am Schluss wollen die Schweizer vor der Wolke nach Deutschland flüchten und werden an der Grenze abgewiesen, weil sie nicht zur EU gehören. Einer empört sich: «Aber d' Jugos, die dörfent?» Das ist ein Moment, in dem man merkt: Das Gefühl, dass dir als Schweizer alles zusteht, steckt tief in uns drin. Schlecht geht es immer den anderen. Jaberg: Wir fragten uns, wie wir sicherheitsverwöhnten Schweizer uns selbst auf eine Flucht begeben würden. Bald wurde uns klar: Wie alle andern auch. Man müsste alles zurücklassen, was man nicht tragen kann. Zudem diskutierten wir intensiv darüber, wie explizit die militärische Bedrohung darzustellen sei. Michael Krummenacher und Jan Gassmann, die das Projekt initiierten, pochten darauf, dass diese Szene möglichst prägnant ausfallen sollte. Sie hatten offensichtlich eine gute Intuition – wenn auch eine, die einer dunklen Vorahnung gleichkam. Unsere Fiktion wurde von den aktuellen Bildern der Flüchtlinge aus dem arabischen Raum und dem afrikanischen Kontinent eingeholt. Un-

Die Tagline des Films heisst «Aus Morgenrot wird Abendschwarz». Das Morgenrot ist der Mythos, den man in der Nationalhymne beschwört, und das Abendschwarz sind die realen Probleme. Hat die Schweiz zu viel Mythos und zu wenig Realitätssinn? Eichenberger: Wir sind ein mythenbehaftetes Land. Um diese Mythenbildung etwas auszugleichen, sind wir in die entgegengesetzte Richtung gegangen und haben eine grosse schwarze Wolke aufziehen lassen. Die ist natürlich auch ein übertriebenes Symbol, und die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte. Uns war einfach wichtig, ein Gegengewicht zu setzen. «Von rechts gibt es nie Selbstkritik. Das ist wahnsinnig Vielleicht haben wir mit dieser Wolke einen irritierend. Kein System ist fehlerfrei.» eigenen Mythos kreiert. Benny Jaberg, Regisseur Jaberg: Wenn man sich immer auf alte Zeiten beruft, macht man aus dem Staat etwas Rigides, das einmal so war und heute noch so zu bleiben hat. Das kann nicht sein. Etwas Lesere gewohnten Privilegien des Wohlstandes würden auf einer Flucht bendiges bleibt in Bewegung. Die Wolke leitet eine Selbstbefragung ein. bald wertlos und wir so fragil wie die Menschen, die sich aktuell auf der Ich finde, es ist ein grosses Problem, wenn man sich selbst aus der KriFlucht befinden. tik ausnimmt. Von rechts gibt es nie Selbstkritik. Das ist wahnsinnig ir■ ritierend. Hinter der permanenten Eindeutigkeit einer Sichtweise muss fast zwangsläufig eine Lüge stecken, kein System ist fehlerfrei. Michael Krummenacher, Jan Gassmann, Lisa Blatter, Gregor Frei, Benny Jaberg, Carmen Jaquier, Jonas Meier, Tobias Nölle, Lionel Rupp, Mike Scheiwiller:

Jean Ziegler spielt sich selbst und interpretiert die Wolke als Strafe für unsere eigenen Verbrechen. Das ist ein Widerspruch zum Lokalpolitiker Gwerder, der sagt, die Wolke sei höhere Macht. Die Frage ist also, ob man seine Verantwortung wahrnimmt oder sich auf den Standpunkt stellt, die Probleme kämen alle von aussen. Tal: Für mich geht es im Film sehr stark darum, was Verantwortung bedeutet. Gwerders Haltung ist einfach, er sagt: «Uns geht es gut, weil wir zur richtigen Zeit die richtigen Entscheidungen getroffen haben.» Jean Ziegler dagegen fragt nach: Warum geht es der Schweiz denn so gut? Wir haben zur richtigen Zeit Glück gehabt. Wir sind vom Krieg verschont worden, es gibt Leute, die ihr Geld unseren Banken gegeben haben, und dadurch sind wir zu Reichtum gekommen, und dafür stehen wir anderen gegenüber auch irgendwo in der Schuld. Es geht darum, die Eigenverantwortung für unsere Situation zu erkennen und anzunehmen, auch für die Zukunft. Und das ist genau das Versagen unserer Generation, wenn wir vergessen zu wählen. In diesem Punkt nimmt die Rechte ihre Verantwortung wahrscheinlich besser wahr als viele junge Menschen aus linken Kreisen. Was ist Ihnen wichtiger an «Heimatland»? Die politische Botschaft oder die Erzählung? Tal: Für mich ist der Film ein Manifest. Indem man in den verschiedensten Formen etwas wagt, in der Zusammenarbeit wie in der filmischen Form, ausgehend vom Grundgedanken des Sich-Zusammenraufens. In die Arbeit sind Stunden, Tage, Jahre hineingeflossen. Die Aussage, dass man sich der Aufgabe stellt und sich miteinander auseinandersetzt, ist für mich das Wichtigste. Und dass man sich dafür Zeit nimmt. Womit wir wieder bei der erwähnten Klammer sind: Wofür nimmt man sich Zeit? Worin kanalisiert man das, was einem wichtig ist im Leben? Das Projekt war unglaublich unberechenbar, weil so viele Leute daran beteiligt waren, und es ist für mich ein Generationenfilm geworden.

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«Heimatland», CH 2015, 99 Min. Der Film läuft ab 12. November in den Deutschschweizer Kinos.

Stefan Eichenberger (31) arbeitet als Produzent für Contrast Film. Der von ihm produzierte Dokumentarfilm «Neuland» (Basler Filmpreis 2014) begleitet eine Basler Integrationsklasse und der Kurzfilm «Parvaneh» (Oscar-Nomination 2015) erzählt die Geschichte einer in die Schweiz geflüchteten minderjährigen Afghanin. Julia Tal (33) hat an der Uni Zürich Filmwissenschaften und Geschichte und an der HFF München Dokumentarfilm und Fernsehpublizistik studiert. Seit 2010 ist sie beim Produktionskollektiv 2:1 Film in Zürich zusammen mit Jan Gassmann und Lisa Blatter als Produzentin und Regisseurin tätig. Benny Jaberg (34) studierte Filmregie an der Zürcher Hochschule der Künste ZHdK. 2010 feierte sein Kinodokumentarfilm «Daniel Schmid – Le chat qui pense» an der Berlinale Premiere. 2013 wurde «The Green Serpent – of Vodka, Men and Distilled Dreams» mit dem Zürcher Filmpreis «Cadrage» (Kurzfilmpreis der Stadt Winterthur) und 2014 mit dem Schweizer Filmpreis «Quartz» für den besten Kurzfilm des Jahres ausgezeichnet. Eichenberger und Tal sind Teil des Produzententeams von «Heimatland», Jaberg hat eine der neun Episoden geschrieben und inszeniert. Wer für welche Geschichte verantwortlich zeichnet, verraten die Filmemacher nicht, um den Gemeinschaftsgedanken zu betonen.

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Fremd für Deutschsprachige 19.30, 1991 Ein silbergrauer Mann mit halb eingeschlafenem Gesicht sagt «Gorbatschow», hinter ihm eine Darstellung des Erdballs in blauen Linien. Während das Wort Gorbatschow wiederholt vom Fernseher her zu mir und meinem auf dem Sofa ausgestreckten Vater zieht, beginne ich – in dieser Geschichte so um die zehn Jahre alt – wohltemperiert auf den Vater einzureden. Obwohl es mir noch nie gelungen ist, ihn davon zu überzeugen, etwas anderes als Nachrichten zu schauen in dieser langweiligsten und längsten halben Stunde des Tages, gebe ich nicht auf. Irgendwann würden wir um 19.30 zusammen eine der Serien schauen, wo es vom Himmel lacht, wenn amerikanische Familien um den Wohnzimmertisch herumstehend Witze machen. Doch auch heute schaffe ich es nicht, obwohl mein Vater immer wieder

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einnickt. Kaum sind seine Augen zu, strecke ich die Hand nach der Fernbedienung aus. Sobald jedoch die fröhliche Anfangsmelodie ertönt, wacht er auf und schaltet verärgert zurück zu «lajme». Das ist das neue Wort für Nachrichten, das er seit ein paar Wochen braucht – das richtige, albanische Wort, wie er mir einmal erklärte, nachdem ich wie immer «vesti» gesagt hatte. «Vesti», das sagen die Serben, hiess es. Wer aber diese Serben genau waren, blieb mir schleierhaft. Da der Ton in der Stimme meines Vaters jedoch unangenehm wurde, wann immer er von ihnen sprach, ging ich dem Wort möglichst aus dem Weg. Für heute gebe ich meinen Protest gegen die Tagesschau also auf und schaue dem Silbergrauen zu, wie sein Gesicht unter der Last der Brillengläser leidet. Ich stelle mir vor, wie er sich das schwarze Gestell von der Nase zieht und einmal kräftig seinen Nasenrücken reibt. Doch nichts dergleichen. Sein Mund entlässt gleichmässig Wort für Wort, bis ein kurzer Film ihn endlich erlöst. Während der Mann also hoffentlich seine Nase reibt, bekommen wir diesen Gorbatschow endlich zu sehen. Er trägt eine ähnlich schwere Last auf der Nase wie der Silbergraue, scheint damit aber besser zurechtzukommen: Er lächelt und schüttelt allen die Hand, die in seine Nähe kommen. Ich wundere mich über den dunkelroten Fleck auf seinem kahlen Kopf, als der Silbergraue zurückkehrt. Nun sagt er «Kosovo» und mein Vater schlägt

wieder die Augen auf. Als kurz darauf erneut ein Film abgespielt wird, sitzt er aufrecht: Ein Mann mit einer buschigen Frisur steht inmitten einer Menschenansammlung vor einem Mikrofon, ein auseinandergefaltetes Blatt Papier in der Hand. Ich höre nicht, was er vorliest, doch er sieht zerbrechlich und ernst aus, die Taille schmal unter seiner hochgeschnittenen Jeans, in die er das mit Dreiecken und anderen Formen bedruckte Hemd gesteckt hat. Konzentriert verliest er sein Papier und erscheint, trotz fehlender Brille, wichtig. Als der Silbergraue das Wetter ankündigt, traue ich mich endlich, meinem Vater die Frage zu stellen, die ich die ganze Sendung über zurückgehalten habe: Was ist das für ein Fleck auf Gorbatschows Kopf? Der Vater legt sich wieder hin, als er sagt: Das sind die Umrisse Russlands; die hat er sich zum Zeichen seiner Vaterlandsliebe auf den Schädel tätowieren lassen. Ungläubig schaue ich ihn an, denke dann aber, dass wohl auch Gorbatschow einst eine schlanke Taille hatte und Mut zu jugendlicher Rebellion.

SHPRESA JASHARI (SHPRESAJASHARI@HOTMAIL.COM) ILLUSTRATION: RAHEL NICOLE EISENRING (RAHELEISENRING.CH) SURPRISE 362/15


Dunedin-Sound Quecksilber vom anderen Ende der Welt Ein paar wunderbare Momente vor der Grunge- und Acid-House-Invasion kam die schönste, frischeste und cleverste Gitarrenmusik aus der neuseeländischen Studentenstadt Dunedin.

Der «Dunedin-Sound» (ausgesprochen: «Dan-iden») war eine ohrwurmige Mischung aus Punk, Garage-Rock und Velvet Underground, und Martin Phillips war der federführende Kopf der federführenden Dunedin-Band The Chills. Ende der Achtzigerjahre erlebte die Band einen kommerziellen Höhepunkt mit dem Album «Submarine Bells» und einem himmlischen Pop-Hit, der auch genauso hiess: «Heavenly Pop Hit». Aber nach einem weiteren hervorragenden Album löste Phillips die Band auf. Vor elf Jahren erschien nochmal ein Mini-Album, ansonsten hat man ausserhalb von Neuseeland wenig gehört von den Chills. Bis jetzt. Martin Phillips hat ein neues Album aufgenommen: «Silver Bullets». Die Melodien sind subtil gestrickt wie eh und je, vor allem auch hat Phillips nichts von seiner Fähigkeit verloren, quecksilberne Gitarrenriffs zu einem detailreichen Stimmungsbild zu verschweissen. Die lange Funkstille, so erklärt Phillips während einer Visite in London, um alte Kontakte aufzufrischen, sei einerseits auf gesundheitliche, andererseits auf finanzielle Gründe zurückzuführen. Das Finanzielle ist rasch zu erklären: Es kostet gehörig Geld, eine Band vom anderen Ende der Welt nach Europa oder in die USA zu fliegen – Geld, das weder Phillips noch das neuseeländische Plattenlabel Flying Nun (bei dem damals praktisch alle Dunedin-Bands unter Vertrag standen) je hatten. Die gesundheitlichen Probleme begannen nach dem Absturz der Chills, die Ankunft von Grunge und Acid House hatten die subtile Gitarrenmusik der Chills ins Abseits gestellt. Phillips versuchte seine Depressionen mit harten Drogen auszuradieren. Eines Tages wollte er einen Papiersack zerknüllen, aber jemand hatte eine offene Spritze darin gelassen – so wurde Phillips mit Hepatitis C angesteckt. «Meine Leber ist nicht gut dran», sagt er ohne jeden Hauch von Selbstmitleid. «Deswegen beziehe ich seit längerer Zeit Sozialhilfe. Das hat den Vorteil, dass man etwas Geld bekommt – nicht viel, aber genug, um Zeit für kreative Arbeit zu haben.» Früher, in seiner düsteren Phase der späten Neunzigerjahre, habe er seine Zeit dafür verwendet, den Drogen nachzurennen. Nie aber hat er aufgehört, Musik zu machen. Nur tauchten noch andere Probleme auf. Fünf Computer gaben über die Jahre hinweg ihren Geist auf. Jedes Mal fehlte ihm das Geld, sie zu ersetzen. So häuften sich die Aufnahmen auf Tonbändern, DAT, Mini-Discs, Kassetten und Mikrokassetten an, bis er die Übersicht verlor. Über die letzten Jahre hätten ihm einige Leute geholfen, die Aufnahmen zu digitalisieren und zu katalogisieren. Dann kam ihm ein Deus ex Machina zur Hilfe. «Silvester 2011 organisierte ein freundlicher Mensch eine Party und wir spielten da. Unsere Musik hatte ihm schon immer gefallen, und jetzt war er schockiert, SURPRISE 362/15

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VON HANSPETER KÜNZLER

Ein Deus ex Machina kam zu Hilfe: Martin Philipps (rechts) und The Chills.

wie wenig Flying Nun oder irgendjemand anders mit uns anstellte. So gründete er für uns sein eigenes Label Far South. Als Erstes veröffentlichte er die Aufnahmen von der Party als Live-Album. Auf einmal taten sich wieder Türen auf.» Eine Dekade lang wartete die «Dunedin-Szene» immer wieder mit grossartigen Bands auf. The Clean, The Verlaines, The Bats, Snapper, Sneaky Feelings, Look Blue Go Purple und viele andere mehr spielten ihren Indie-Rock mit den gleichen Besetzungen wie die geistesverwandten Post-Smiths- und Post-Television-Bands in England oder Amerika. Aber irgendwie klangen sie doch anders, der Klang der Gitarren schien irgendwie von einem anderen Planeten zu kommen. Dafür, so Martin Phillips, gebe es eine gute und doch sehr überraschende Erklärung. Der neuseeländische Fiskus habe von den Vierziger- bis weit in die Sechzigerjahre hinein enorme Einfuhrsteuern auf Musikanlagen erhoben, berichtet er. So fingen diverse neuseeländische Elektrowarenhersteller an, selber Anlagen und Instrumente zu bauen. Als dann die Punks daherkamen, waren es diese Anlagen, welche die OccasionsLäden füllten. «Es waren die Teile, welche wir uns gerade noch leisten konnten – heute sind es teure Sammlerstücke. Das hat den Sound ebenso nachhaltig beeinflusst wie die Tatsache, dass die frühen Flying-NunAlben alle auf einem 4-Track-Gerät aufgenommen wurden.» ■ The Chills: «Silver Bullets» (Fire/Irascible)

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Kultur

Geblendet vom schönen Leben, blind für alles andere.

Es wird auch Dramen aus der Welt der Natur zu sehen geben.

Buch Latin Lover

Filmfestival Vierjährige Regisseure

«Der letzte Playboy» von Andreas Zielcke schildert das rauschhafte Leben eines charmanten Tunichtguts und Herzensbrechers.

Kinder mögen Trickfilme. Und sie können sie auch selbst produzieren. Die erste Ausgabe des internationalen Kinder- und Jugendfestival für Trickfilme «chiyoko» wird es zeigen.

VON CHRISTOPHER ZIMMER VON EVA HEDIGER

An einem frühen Sommermorgen im Juli 1965 lenkt ein übernächtigter Mann mit zu viel Champagner im Blut sein Ferrari Cabriolet gegen einen Baum und stirbt. Ein Mann, der schon zu Lebzeiten eine Legende ist und dessen Name nach abenteuerlicher Exotik klingt: Porfirio Rubirosa. Und wirklich, die Lebensgeschichte dieses Latin Lovers hat reichlich Exotik, Abenteuer, Licht und Schatten zu bieten. 1909 geboren und als Sohn eines dominikanischen Generals im Pariser Exil aufgewachsen, hat er weder nennenswerte intellektuelle noch materielle Güter vorzuweisen. Zwar glänzt er in diversen Sportarten und spricht drei Sprachen, doch ansonsten beschränkt sich sein Rüstzeug auf seinen Charme – der sich allerdings als unwiderstehlich erweist. Am Ende seines Lebens stehen fünf Ehen und eine Unzahl von Eroberungen, darunter so illustre Damen wie Zsa Zsa Gabor, Ava Gardner oder Evita Perón. Dieses schillernde Leben ist geprägt von einer Verschwendungssucht, die stets die nötigen Geldquellen findet – in den Armen immer neuer begüterter und berühmter Frauen, die für das, was Rubirosa ihnen bietet, alles zu geben bereit sind. Wer sich allerdings mit wem schmückt, ist nicht immer eindeutig. Rubirosas schlechter Ruf ist dabei sein grösstes Kapital. Zeit für Arbeit, so sagt er, habe er keine. Seine wenigen Versuche als Unternehmer enden allesamt in Pleiten. Doch Realitäten blendet er aus, auch Krieg und Greueltaten, über deren Abgründen er sein Liebesluxusleben führt und sich mit Tollkühnheiten zerstreut, die er alle übersteht, selbst Flugzeugcrashs oder einen Halswirbelbruch beim Polospiel. Der Autor Andreas Zielcke hat diesem charmanten Tunichtgut, der «sein Leben wie eine Auster schlürft», eine kurze Biografie gewidmet, die zugleich das Sittenbild einer Jetsetteria zeichnet, die blind für das sie umgebende Elend ihren Vergnügungen nachhetzt. Es ist ein Leben wie im Drogenrausch, das nicht nur bei seinen Protagonisten einen fahlen Nachgeschmack hinterlässt – und bedrückende Parallelen zu heutigen Exzessen aufweist. Andreas Zielcke: Der letzte Playboy. Das Leben des Porfirio Rubirosa.

Vierjährig sind die jüngsten Regisseurinnen und Regisseure, deren Werke am «chiyoko» in Zürich laufen werden. Die Wettbewerbe sind in drei Alterskategorien eingeteilt, die ältesten Filmschaffenden sind knapp volljährig. «Die Teenager haben die Streifen meist komplett selber gedreht», berichtet Gabriela Bosshard, die Verantwortliche beim Verein Jugend und Film, der den Anlass durchführt. Bosshard erzählt von einer 16-jährigen Inderin, die ihren preisgekrönten Film eingeschickt hat. Ob das Werk auch in Zürich gezeigt wird, ist allerdings noch unklar: Mit einer Spielzeit von einer Viertelstunde ist es massiv länger als seine möglichen Konkurrenten. «Die dauern nur wenige Minuten», so Bosshard. Die Filme sind mit Stop-Motion-Technik produziert worden; sie bestehen also aus einzelnen Fotografien. Zwischen 12 und 14 Aufnahmen braucht es pro Sekunde. Bosshard sagt: «Wir beurteilen vor allem bei den jüngeren Kindern die Geschichte und nicht die Technik.» Das «chiyoko» hat zahlreiche Filme aus aller Welt erhalten: Institutionen aus Brasilien, Kroatien, Belgien, Österreich, Schweiz und Deutschland haben mit Kindern gebastelt und gedreht, und eine junge Familie versucht ihr Glück ebenfalls. «Wir wollen dem Nachwuchs aber auch zeigen, dass die Filmwelt nicht nur aus Drehs besteht», sagt Bosshard. Deshalb helfen zehn Jugendliche, das Festival zu organisieren, alle sind beim Verein Jugend und Film aktiv. Drei weitere filmbegeisterte Kinder sind Jurymitglieder, sie wurden über das SRF-Programm «Zambo» gesucht. Sie werden gemeinsam mit Animationsfilmern und Personen des öffentlichen Lebens die Gewinner küren. «Mit dieser Jury-Zusammensetzung erhoffen wir uns ein Urteil aus den verschiedensten Blickwickeln», erklärt Bosshard. Am Festivaltag gilt es jedoch nicht nur den Nachwuchs zu beklatschen. Die Sendung «Zambo» wird mit einem Kamerateam vor Ort sein, Workshops mit Studierenden der Luzerner Hochschule sind geplant, und die Verantwortlichen des Badener Festival Fantoche stellen ein Trickfilmprogramm zusammen. Für Bosshard ist klar: «Animationen sind mit Realfilmen nicht zu vergleichen – weder im Aufwand noch in der Wirkung.»

Gerhard Steidl Verlag 2015. 22.90 CHF

«chioyko», Internationales Animationsfestival für Kinder und Jugendliche Zürich, 15. November, ab 12 Uhr, Kino Stüssihof, Stüssihofstatt 13, www.chiyoko.ch

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Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.

Der Pfifferling ist viel Wert. In selbstgemachten Tortellini zum Beispiel. 01

Dr. Charles Olivier, Murten

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Yolanda Schneider Logopädie, Liebefeld

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Fischer + Partner Immobilien AG, Otelfingen

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VXL Gestaltung und Werbung AG, Binningen

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Ingenieurbüro BEVBE, Bonstetten

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Netzpilot Communication, Basel

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Scherrer & Partner GmbH, Basel

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Balcart AG, Therwil

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Gemeinnütziger Frauenverein Nidau

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Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich

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weishaupt design, Basel

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Thommen ASIC-Design, Zürich

Keinen Pfifferling wert sein: Schuld an diesem geflügelten Wort sind die als sparsam bekannten Schwaben. Was sie als nicht sehr wertvoll empfanden, war «kein Fünferle» wert. Und weil das für echte Schwaben immer noch zu deutsch klang, wurde daraus das «Pfifferle». Der Pfifferling, auch bekannt als Eierschwämmchen, kann da also nichts dafür. Damit dieser Herbstbote wieder zu seinem Recht kommt, versuchen wir eine Ehrenrettung und verwenden diesen leicht pfeffrig-fruchtigen Pilz als Hauptakteur in selbstgemachten Tortellini. Dazu servieren wir einen Sugo aus Tomaten, Pfifferlingen, Butter und Heidelbeeren. Tortellini sind etwas aufwendiger als Ravioli, brauchen aber kaum mehr Geschick. Zuerst werden aus dem dünnen Pastateig rund 10 cm grosse Kreise aus den Teigbahnen geschnitten. Für die Füllung eine kleine Zwiebel, einen kleinen Krautstiel – auch Stielmangold genannt –, eine Handvoll glatte Petersilie und 100 Gramm Pfifferlinge fein hacken. Alles in etwas Olivenöl glasig dünsten, mit 200 Gramm Crème fraîche vermischen und die Farce mit Salz und Pfeffer kräftig würzen. Danach wird mit zwei Teelöffeln die Füllung in die Mitte der Kreise platziert und der Teigkreis einmal vorsichtig in der Mitte gefaltet. Dann drückt man die Ränder zusammen, so dass man einen Halbkreis vor sich hat. Zu diesem Zeitpunkt wären es Mezzelune, aber jetzt werden noch die beiden Enden miteinander verbunden und fest zusammengedrückt – schon sind es Tortellini. Für den Sugo ebenfalls eine kleine Zwiebel in feine Würfel schneiden, eine weitere Handvoll glatte Petersilie hacken und 400 Gramm aromatische Cherrytomaten halbieren. Die Zwiebeln in etwas Butter glasig dünsten, Tomaten zugeben und garen, bis diese beginnen zu zerfallen. 200 Gramm ganze oder höchstens halbierte Pilze, noch etwas mehr Butter und Petersilie zugeben und ein paar Minuten schwenken. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Die Tortellini in Salzwasser al dente kochen, im Sugo kurz wenden und anrichten. Ein paar Heidelbeeren, etwas Abrieb einer Zitronenschale sowie Parmesan darüber streuen und sich sicher sein, dass auch der Sparsamste hier seine Genügsamkeit vergisst.

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Velo-Oase, Erwin Bestgen, Baar

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Coop Genossenschaft, Basel

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AnyWeb AG, Zürich

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Burckhardt+Partner AG

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mcschindler.com GmbH, Zürich

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fast4meter, Storytelling, Bern

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Maya-Recordings, Oberstammheim

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Bachema AG, Schlieren

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Kaiser Software GmbH, Bern

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Ko Schule für Shiatsu GmbH, Zürich

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Schweizerisches Tropen- und Public Health-

Bezugsquellen und Rezepte: www.piattoforte.ch/surprise

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Piatto forte Ehrenrettung eines Pilzes Der Pfifferling ist häufiger erhältlich als andere Pilze. Dass er nichts wert sein soll, liegt allerdings an einem sprachlichen Missverständnis. VON TOM WIEDERKEHR

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Institut, Basel 24

Lions Club Zürich-Seefeld, Zürich

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Klinik Sonnenhalde AG, Riehen

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

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Verkäuferporträt «Ich habe mich verändert in der Schweiz» BILD: DIF

Weil er bis jetzt keine Stelle gefunden hat, verkauft Abdalla Hussein (31) Surprise vor dem Coop Rauracher und vor dem Coop Allschwilerstrasse in Basel. Anfeindungen auf der Strasse können ihn nicht schrecken: In Somalia musste er wegen einer Stammesfehde um sein Leben fürchten. AUFGEZEICHNET VON FLORIAN BLUMER

«Mich in die Öffentlichkeit zu stellen, um Hefte verkaufen – dazu musste ich eine grosse innere Hemmschwelle überwinden. Bevor ich zu Surprise kam, suchte ich lange eine Arbeit, aber ohne Erfolg. Auch heute noch bin ich auf der Suche nach einer regulären Stelle. Doch ich habe den Aufenthaltsstatus F, vorläufige Aufnahme, und das macht es sehr schwierig. Ich habe etwas Arbeitserfahrung als Küchenhilfe und in der Reinigung, gerne würde ich auch auf dem Bau arbeiten oder als Lagerist. Ich würde eigentlich fast jede Arbeit annehmen. Da ich schon sieben Jahre in der Schweiz bin, besteht die Möglichkeit, dass ich eines Tages eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung erhalte, Bewilligung B. Doch dazu müsste ich zuerst eine Arbeit finden. Surprise verkaufe ich auch, um zu zeigen, dass ich willens bin zu arbeiten. Und es ist für mich ein Weg zur Integration. Ich verdiene damit natürlich nicht genug zum Leben, deshalb bekomme ich zusätzlich Unterstützung vom Sozialamt. Doch dies verletzt mein Selbstwertgefühl – ich will selber für meinen Lebensunterhalt aufkommen. In Somalia habe ich bei einer staatlichen Agentur gearbeitet, die sich um intern Vertriebene kümmert. Zeitweilig war ich die rechte Hand des Chefs dieser Agentur. Meine Aufgabe war es, Leute von ihm fernzuhalten, für die er keine Zeit hatte. Damit machte ich mir Feinde, es gab Leute, die mich weg haben wollten. Dazu geriet ich in eine Stammesfehde. Eines Tages kam es zu einer Schiesserei, auf beiden Seiten gab es Tote. Sie versuchten darauf mehrmals, mich umzubringen. Irgendwann sah ich ein, dass ich mein Dorf verlassen musste. Von Anfang an war mir klar, dass ich in die Schweiz wollte. Ich hatte schon in Somalia Kontakt mit verschiedenen NGOs, deshalb wusste ich, dass sich in Genf der UNO-Hauptsitz befindet und dass Genf in der Schweiz liegt. Und ich wusste, dass die Schweizer Flagge Ähnlichkeit hat mit der Flagge des Roten Kreuzes. Deshalb ging ich davon aus, dass ich in der Schweiz Asyl erhalten werde. Ich hätte nicht gedacht, dass ich nur eine vorläufige Aufnahme bekomme. Als ich bereits in der Schweiz war, wurde das Haus meiner Familie in Somalia von einer Granate getroffen. Dabei sind viele Leute gestorben, meine Frau und meine zwei Töchter haben aber zum Glück überlebt. Die Kinder wurden bei dem Angriff verletzt, meine Frau war zu diesem Zeitpunkt nicht zuhause. Sie verliess aber danach panikartig den Ort und zog in einer andere Landesgegend. Und sie teilte mir mit, dass sie sich von mir scheiden lassen will. Sie beschuldigte mich, die Familie im Stich gelassen zu haben. Meine Kinder blieben bei meiner Mutter zurück, ihnen beiden ging es sehr schlecht. Das Ganze hat mir sehr zugesetzt. Es war die Zeit, als ich hier keine Arbeit hatte und auch noch nicht Surprise verkaufte – es war eine sehr schwierige Zeit für mich. Ich habe mich in der Schweiz verändert. Heute bin ich ein Mensch, der sehr auf Korrektheit und Anständigkeit achtet. Ich bin sehr ehrlich und ich weiss auch, was Pünktlichkeit heisst – sie ist mir sehr wichtig geworden. Ich mag die Leute in der Schweiz: Sie kümmern sich um ihre eigenen Dinge und nicht so sehr darum, was andere machen. Ich habe hier viel Verschiedenes erlebt. Manchmal bekam ich schon das Ge-

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fühl, dass ich hier nicht richtig willkommen bin. Ich treffe hin und wieder auf Leute, die mir gegenüber nicht aufgeschlossen sind – vielleicht in zehn Prozent der Begegnungen ist das so. Manchmal werde ich auf der Strasse angepöbelt, einmal warfen Leute etwas nach mir. Ich drehte mich um und fragte, was los sei. Sie sagten, ich habe hier nichts verloren und ich solle das Land verlassen. Aber Vorfälle wie dieser sind nicht alltäglich, und in Somalia habe ich viel schlimmere Dinge erlebt, dort wurde mit Waffen auf mich geschossen. Verglichen damit ist das eigentlich nichts. Ich bin begeistert von der Schweiz: Wie die Leute hier leben, wie sie arbeiten, wie sie sich verhalten – das alles hat mir imponiert. Es wäre mein Wunsch, dauerhaft hier leben zu können. Trotz jahrelanger vergeblicher Suche: Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, eines Tages einen Job zu finden.» ■ SURPRISE 362/15


SurPlus – eine Chance für alle! Werden Sie Gotte oder Götti bei SurPlus Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten. Menschen, die kaum Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt wieder Struktur und mehr Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Das verdient Respekt und Unterstützung. Das Spezialprogramm SurPlus ist ein niederschwelliges Begleitprogramm für ausgewählte Surprise-Verkaufende, die regelmässig das Strassenmagazin

verkaufen und hauptsächlich vom Heftverkauf leben. Diese Verkaufenden erhalten nur geringe soziale Ergänzungsleistungen und werden im Programm SurPlus gezielt vom Verein Surprise unterstützt: Sie sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit, Nahverkehrsabonnement) und werden bei Problemen im oft schwierigen Alltag begleitet. Mit einer Patenschaft leisten Sie einen wesentlichen Beitrag für die soziale Absicherung der Verkaufenden und ermöglichen ihnen, sich aus eigener Kraft einen Verdienst zu erarbeiten. Vielen Dank für Ihr Engagement!

Elsa Fasil Bern

Kostana Barbul St. Gallen

Ralf Rohr Zürich

Marlis Dietiker Olten

Negasi Garahassie Winterthur

Josiane Graner Basel

Tatjana Georgievska Basel

Emsuda Loffredo-Cular Basel

Anja Uehlinger Baden

Fatma Meier Basel

Haimanot Ghebremichael Bern

Oliver Guntli Bern

Roland Weidl Basel

Daniel Stutz Zürich

Ja, ich werde Gotte/Götti und unterstütze das SurPlus-Programm von Surprise! 1 Jahr: 6000 Franken

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362/15 Talon bitte senden oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, 4051 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch, PC-Konto 12-551455-3 SURPRISE 362/15

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Surprise – mehr als ein Magazin

Ich möchte Surprise abonnieren! 24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.)

Hilfe zur Selbsthilfe Surprise unterstützt armutsbetroffene Menschen – beim Strassenverkauf, Strassenchor oder Strassensport, dem Sozialen Stadtrundgang oder Café Surprise: Der Verein fördert die soziale Integration der Betroffenen. Surprise gibt das vierzehntägig erscheinende Strassenmagazin heraus. Eine professionelle Redaktion produziert das Heft zusammen mit einem Netzwerk aus freien Journalisten, Fotografen und Illustratoren. Das Magazin wird auf der Strasse verkauft. Über 350 armutsbetroffene Menschen, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten über den Strassenverkauf eine Erwerbsmöglichkeit und eine Tagesstruktur. Die Hälfte des Magazinerlöses behalten die Verkaufenden. Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht sozial ausgegrenzten Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit z.B. mit dem Sozialen Stadtrundgang in Basel und Zürich. Die Surprise-Stadtführer sind Armutsbetroffene, Ausgesteuerte und Obdachlose. Sie erzählen aus ihrem Alltag in ihrer Stadt und zeigen Orte, an denen man sonst vorübergeht. Gemeinsam wollen sie Vorurteile abbauen.

Stärken. Bewegen. Integrieren. Surprise fördert die Integration mit Sport. In der Surprise-Strassenfussball-Liga spielen Teams aus der ganzen Deutschschweiz. Sie kämpfen um den Titel des Schweizermeisters und des Weltmeisters beim Homeless World Cup. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Strassenchor. Gemeinsames Singen und öffentliche Auftritte ermöglichen Glücksmomente für Menschen, für die der gesellschaftliche Anschluss sonst erschwert ist. Café Surprise schenkt Menschen mit wenig Geld einen kostenlosen Kaffee in einer Bar oder einem Café. So können sie am sozialen Leben teilnehmen. Für Gäste ist es eine einfache und charmante Gelegenheit, sich sozial zu engagieren: Sie bezahlen ihren Kaffee und spendieren einen weiteren. Über Surprise Der Verein Surprise unterstützt Armutsbetroffene ohne staatliche Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle Angebote ist Surprise auf Spenden, Sponsoren und Stiftungen angewiesen. Surprise ist Mitglied des internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP), dem über 120 Magazine in über 40 Ländern angehören.

Gönner-Abo für CHF 260.– Impressum Herausgeber Verein Surprise, Spalentorweg 20, 4051 Basel www.vereinsurprise.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Fr T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 Nicole Mathys, Thomas Oehler, info@vereinsurprise.ch Geschäftsführung Paola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (stv. GL) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@vereinsurprise.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Amir Ali (ami, Heftverantwortlicher), Florian Blumer (fer), Diana Frei (dif), Mena Kost (mek), Thomas Oehler (tom), Sara Winter Sayilir (win), redaktion@vereinsurprise.ch, leserbriefe@vereinsurprise.ch Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Rahel Nicole Eisenring, Shpresa Jashari, Olivier Joliat, Carlo Knöpfel, Melanie Kobler (Grafik), Yvonne Kunz, Stephan Pörtner, Isabella Seemann, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Tom Wiederkehr, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Philipp Baer, Monica Fahmy, Eva Hediger, Simon Jäggi, Hanspeter Künzler, Kostas Maros, Sophie Stieger Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 21 500, Abonnemente CHF 189, 25 Ex./Jahr Marketing, Fundraising T +41 61 564 90 50 Svenja von Gierke (Leitung), Zaira Esposito

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Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise nur mit Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt.

Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83/85 Thomas Ebinger, Anette Metzner, Spalentorweg 20, 4051 Basel, basel@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Zürich T +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12 Reto Bommer, Kanzleistrasse 107, 8004 Zürich, zuerich@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02 Andrea Blaser, Barbara Kläsi, Alfred Maurer, Pappelweg 21, 3013 Bern, bern@vereinsurprise.ch Strassenchor T +41 61 564 90 40 Paloma Selma (Leitung), p.selma@vereinsurprise.ch Strassensport T +41 61 564 90 10 Lavinia Besuchet (Leitung), l.besuchet@vereinsurprise.ch, David Möller (Sportcoach) www.strassensport.ch Sozialer Stadtrundgang Basel T+41 61 564 90 40 Sybille Roter (Leitung), s.roter@vereinsurprise.ch Paloma Selma (Koordination), rundgang@vereinsurprise.ch Sozialer Stadtrundgang Zürich T +41 44 242 72 14 Sybille Roter (Leitung) s.roter@vereinsurprise.ch Carmen Berchtold (Koordination), rundgangzh@vereinsurprise.ch Vereinspräsident Peter Aebersold Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen. Helfen macht Freude, spenden Sie jetzt: Spendenkonto PC 12-551455-3 SURPRISE 362/15


Surprise – Mehr als ein Magazin

Surprise Strassenchor Das Wunderkind und der Strassenchor

Nadine, du komponierst eigene Musik. Was hat dich dazu gebracht? Nadine Fankhauser: Schon immer war ich die, die in der Musikgruppenstunde den Schokoladeriegel gewonnen hat, da ich alle Lieder auswendig spielen konnte. Ich hatte oft Auseinandersetzungen mit Musiklehrern, da ich die Lieder nie so spielte, wie sie in den Noten standen. Geübt habe ich zwar immer, jedoch nicht das, was ich eigentlich sollte. Stattdessen habe ich stets irgendwie irgendetwas herumgeklimpert und improvisiert. Mir fällt es noch immer leichter, vom Gehör zu spielen, als Noten zu lesen. Das wird mir spätestens jetzt beim Notenschreiben ein wenig zum Verhängnis. Schon seit längerer Zeit wollte ich selber einmal ein Stück komponieren, also dachte ich: Die Maturarbeit, das ist meine Chance! Im Rahmen deiner Maturarbeit komponierst du eigene Musikstücke für ein Benefizkonzert, an dem du zusammen mit dem Surprise Strassenchor auftreten wirst. Wie bist du auf diese Idee gekommen? Eigentlich ist diese Idee durch den Prozess erst entstanden. Ich wusste zwar, dass ich etwas mit Musik machen möchte, jedoch wollte ich mich zuerst auf Filmmusik und deren Wirkung auf den Menschen konzentrieren. Ich kam dann aber – angeregt von Gesprächen und Erlebnissen – auf die Idee, selber zu komponieren und ein Konzert zu organisieren. Ich fand dann, das müsse ein Benefizkonzert sein. Ich wollte mich auf eine lokale Organisation stützen und bin so auf Surprise gestossen. Die Idee, nicht nur für, sondern mit jemandem Musik zu machen, hat mich davon überzeugt, den Surprise Strassenchor anzufragen. In welchem Stil komponierst du? Hast du musikalische Vorbilder? Schwer zu sagen. Vor meiner Maturaarbeit habe ich noch nie ein Stück geschrieben. Ehrlich gesagt habe ich mir das nicht ganz so schwierig vorgestellt. Aber natürlich habe ich musikalische Vorbilder. Ich bewundere Mathias Lefebvre (Mathias Piano Man), einen Strassenpianist aus Belgien, den ich in Neuseeland kennengelernt habe. Früher spielte ich SURPRISE 362/15

BILD: SIMON DREYFUS

«Music with the Unheard» – so heisst ein Benefizkonzert zugunsten des Surprise Strassenchors, das am Freitag, 13. November um 19.30 Uhr im Pfarreiheim St. Franziskus in Riehen stattfindet. Nebst dem Chor selber tritt – am Klavier – eine 18-jährige Frau auf: Nadine Fankhauser. Sie ist so etwas wie ein musikalisches Wunderkind: Mit vier Jahren spielte sie schon Sopranblockflöte. Im Nu erlernte sie auch die Altblockflöte, Schlagzeug, Marimba und schliesslich das Piano. Alle Instrumente spielte sie mit Leidenschaft und Ausdauer. An die Übungsvorgaben ihrer Lehrer hielt sie sich aber nur ungern. Den Event im Pfarreiheim hat sie selber auf die Beine gestellt – als Maturabschlussarbeit. Das Besondere daran: Sie wird eigens dafür komponierte Musikstücke vortragen. Surprise-Strassenchor-Leiterin Paloma Selma hat sich mit der ehrgeizigen und selbständigen Gymnasiastin unterhalten. mehrere Stücke von Ludovico Einaudi und Yiruma. Ausserdem bin ich ein Fan von Filmmusik und somit auch von Steve Jablonsky, James Newton Howard und Hans Zimmer. Mein Ziel ist, irgendwann ein Stück für ein Orchester zu komponieren. Ich bin immer noch daran, meinen ganz eigenen Stil zu entwickeln. Welche Rolle spielt es für deine Kompositionen, dass sie gerade für ein Konzert des Surprise Strassenchors vorgesehen sind? Ein Stück zu komponieren, das eine Verbindung zu etwas haben muss, ist viel schwieriger für mich, als einfach frei zu improvisieren und aufzuschreiben. Vor allem, wenn die Art der Musik, die der Strassenchor macht, nicht so einfach auf ein Klavier zu übertragen ist. Ich versuche, so gut wie möglich Lieder zu komponieren, die zum Stil des Chors passen und trotzdem noch meinem eigenen Musikstil entsprechen. Das ist sehr schwierig. Ich denke, ich habe mich da selber ein wenig ins kalte Wasser geworfen. Aber so lernt man ja schliesslich am meisten. «Music with the Unheard»: Freitag, 13. November, Benefizkonzert um 19.30 Uhr mit anschliessendem Apéro, Pfarreiheim St. Franziskus, Äussere Baselstrasse 168, Riehen, Türöffnung: 19 Uhr. Eintritt frei, Kollekte.

Weitere öffentliche Auftritte: Samstag, 7. November von 14 bis 15 Uhr beim Titus Bazar in der Tituskirche auf dem Bruderholz. Viele Verkaufsstände sind bis 16.30 Uhr geöffnet. Erlös zugunsten HEKS Moldawien und Surprise. Samstag, 28. November von 11 bis 12 Uhr im Rahmen des «ACB Christmas Bazaar» in Zusammenarbeit mit dem MuSoul Chor im Gemeindezentrum Oekolampad, Allschwilerplatz Basel. Eintritt frei, Kollekte. Sonntag, 29. November 18.30 Uhr im Rahmen des «Kernzone Adventskalenders» im Altersheim Schlossacker Binningen. Wir freuen uns auf zahlreiche Besucheinnen und Besucher! Weitere Infos unter 061 564 90 40 oder www.vereinsurprise.ch/strassenchor

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