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Krisenland Wie die Griechen sich und anderen helfen Visions du Réel: Wie das demokratische Chile sich selbst sieht

In der Fremde für ein Haus mit Fischteich: der Ungar Ferenc Lörinc im Porträt

Nr. 372 | 8. bis 22. April 2016 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.


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PLZ, Ort

Datum, Unterschrift

Anzahl Taschen

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*gemäss Basic 2008-2. Seite bitteMACH heraustrennen und schicken oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, 4051 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch


Titelbild + Rückseite: Miriam Künzli

Editorial Alle Augen auf Griechenland BILD: TOBIAS SUTTER

Wie nah sind Ihnen die Attentate in Brüssel noch? Während Sie dieses Heft lesen, sind die Bilder veraltet. Verdrängt worden aus den Medien durch aktuellere Ereignisse. Wir gewöhnen uns schnell an solche Aufnahmen, erkennen die Bilder bereits anhand kleinster Details wieder, und womöglich schauen wir aus Überforderung und Kraftmangel auch mal weg. So erging es den von der Wirtschaftskrise mitgenommenen Griechen Mitte letzten Jahres, als plötzlich massenhaft Flüchtlinge an ihren Stränden und vor der Küste landeten. Keiner in Europa interessierte sich mehr für ihre Probleme, die das halbe Jahr zuvor die Berichterstattung dominiert hatten. Dabei ist die Wirtschaftskrise keinesfalls Vergangenheit und durch die Zahl der Geflüchteten im Land noch verstärkt SARA WINTER SAYILIR REDAKTORIN worden. Also richten wir in dieser Ausgabe alle Augen auf Griechenland, wo viele die Hoffnung noch nicht aufgegeben haben und sich um Wege bemühen, aus eigener Kraft der Notlage zu entkommen. Wie sie sich dabei neu erfinden und ob sie über die Runden kommen, haben die Griechenland-Kennerin und Fotografin Miriam Künzli und ich in Athen erkundet. Ab Seite 10. Und die Griechen helfen nicht nur sich selbst. In Idomeni, dem kleinen Dorf an der Grenze zu Mazedonien, versanken im März Tausende Geflüchtete im Schlamm, als ein europäischer Staat nach dem anderen seine Grenzen schloss. Griechische Freiwillige versuchten gemeinsam mit internationalen Helfern nach Leibeskräften, die Versorgung der wartenden Menschen aufrechtzuerhalten. Meine Kollegen Simon Jäggi und Roland Schmid sind hingereist und waren überrascht, als sie dort als erstes auf den chinesischen Künstler Ai Weiwei trafen. Mehr dazu ab S. 18. Die Krisen werden das Leben in Griechenland auf lange Sicht verändern. Und nicht nur das, behauptet die Historikerin Tasoula Verveniotis, auch die Identität der Griechen wandelt sich. Mehr dazu im Interview ab Seite 16. Manchmal lohnt es sich, länger hinzuschauen. Sara Winter Sayilir

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 oder vereinsurprise.ch/spenden-surprise Ihre Meinung! Wir sind gespannt auf Ihre Kritik, Ihr Lob oder Ihre Anmerkungen. Schreiben Sie uns! Auf leserbriefe@strassenmagazin.ch oder an Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, 4051 Basel. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion trifft eine Auswahl und behält sich vor, Briefe zu kürzen. Oder diskutieren Sie mit uns auf www.facebook.com/vereinsurprise SURPRISE 372/16

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10 Wirtschaftskrise Noch nicht aufgegeben Seitdem die griechische Wirtschaftskrise durch die Flüchtlingskrise aus den Medien verdrängt wurde, schaut kaum noch jemand hin, wie es den Griechen selbst eigentlich geht. Mit Erfindungsreichtum und Durchhaltevermögen kämpfen sie ums finanzielle Überleben.

BILD: MIRIAM KÜNZLI

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Inhalt Editorial Länger hinschauen Die Sozialzahl Adäquate Unterstützung Randnotiz Liebe statt Angst Vor Gericht Auf den Kopf Hausmitteilung Präsidentenwechsel Starverkäufer Kadi Haliye Dirye Porträt Ungarisch auf der Baustelle Kommentar Vom Anfang und Ende Europas Fremd für Deutschsprachige Ein Bein hier, ein Bein dort Kultur Roboter-Evolution Piatto forte Schwarzwurzeln ohne weisse Sauce Visions du Réel Schwerpunkt Chile Ausgehtipps Worst Case Szenarios Verkäuferporträt René Senn Projekt SurPlus Eine Chance für alle In eigener Sache Impressum INSP Mehr als ein Magazin Coaches gesucht

16 Interview «Im Tiefsten verunsichert» Der Weg aus der Krise führt über die Aufarbeitung der Vergangenheit, behauptet die griechische Historikerin Tasoula Verveniotis: Denn nur wer seine Vergangenheit kenne und verstehe, könne sich eine bessere Zukunft ausmalen.

BILD: MIRIAM KÜNZLI

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BILD: ROLAND SCHMID

18 Flucht Nicht genügend tun können

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Christos Goudinakos ist einer von vielen Freiwilligen, die in Abwesenheit von Staat und Behörden in Idomeni die Flüchtlinge versorgen. Tausende warten hier an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien darauf, dass sie weiter nördlich in Europa ein neues Leben anfangen dürfen.

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Anteil Sozialhilfebeziehende 2006 in Prozent 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0

alle

18 – 25 Jahre

56 – 64 Jahre

Langzeitbeziehende 13–36 Monate Kurzzeitbeziehende Wiedereintritte Dauerbeziehende Langzeitbeziehende 37–60 Monate Quelle: Bundesamt für Statistik, Verläufe in der Sozialhilfe (2006–2011), Studie, durchgeführt durch die Berner Fachhochschule, Neuchâtel, 2016.

Die Sozialzahl Die neue Rolle der Sozialhilfe Die Sozialhilfe hat sich gewandelt: Einst war sie als überbrückende Hilfe in Notsituationen gedacht, heute übernimmt sie langfristige und nachhaltige Funktionen. Im Jahr 2011 bezogen 236133 Personen über eine kurze oder längere Dauer Sozialhilfe. Diese Zahl vermittelt einen Eindruck von der Armut in der Schweiz. Sie lässt sich beispielsweise mit der Zahl der Arbeitslosen im gleichen Jahr vergleichen. Damals gab es 288 518 Personen, die mindestens einmal Taggelder von der Arbeitslosenversicherung bekamen. Vom Ausmass her liegen die sozialen Problemlagen der Armut und der Arbeitslosigkeit also nicht weit auseinander. Doch diese nackten Zahlen sagen wenig aus über die dynamische Entwicklung, die sich dahinter verbirgt. Denn es ist nicht dasselbe, ob jemand für wenige Wochen Sozialhilfe bezieht oder ob man auf Dauer von diesen Unterstützungsleistungen leben muss. Eine Studie der Berner Fachhochschule bringt etwas Licht in diese soziale Dunkelkammer. In der Beobachtungsperiode 2006 – 2011 gelten 38,5 Prozent der Klientel als Kurzzeitbeziehende. Sie haben weniger als ein Jahr Sozialhilfe bezogen. Auf der anderen Seite des Spektrums finden sich die Dauerbeziehenden. Diese Sozialhilferentnerinnen und -rentner haben während des ganzen Untersuchungszeitraums Unterstützungsleistungen bekommen. Zu dieser Gruppe gehören 10 Prozent aller Sozialhilfebeziehenden. Dazu kommen 6,4 Prozent Langzeitbeziehende, die während drei bis fünf Jahren von der Sozialhilfe leben mussten. Schliesslich zählen 26,9 Prozent zu den Wiedereintretenden, die in der Beobachtungsperiode wiederholt Sozialhilfe bezogen. Markante Unterschiede in der Bezugsdauer finden sich in den verschiedenen Altersgruppen. Junge Erwachsene im Alter von 18 – 25 Jahren, die Sozialhilfe beziehen, weisen einen

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eil an Wiedereintretenden überdurchschnittlich hohen Ant schen wirtschaftlicher Selbaus. Rund ein Drittel pendelt zwi hin und her. Dies spiegelt ständigkeit und Sozialhilfebezug Einstieg in das Berufsleden immer schwieriger werdenden zeitlich befristeten Praktiben. Diese Phase ist heute von Ausbildungen, Lehrstellenkumsanstellungen, zusätzlichen orientierungen geprägt. Die abbrüchen und schulischen Neu nicht nur die ExistenzsiSozialhilfe hat in diesen Situationen ist auch gefordert, diesen cherung zu gewährleisten, sondern shilfen anzubieten. Biljungen Erwachsenen Orientierung gehen. ion dung muss vor beruflicher Integrat e der 56- bis 64-jähriupp Anders sieht es bei der Altersgr onen haben kaum Pers e Dies gen Sozialhilfebeziehenden aus. den Arbeitsmarkt. in n atio mehr Aussichten auf eine Reintegr rbrückungsfunkÜbe nzielle Der Sozialhilfe kommt eine fina g gewährleistet erun tenzsich tion zu, indem die materielle Exis g oder der Alerun nversich wird, bis Renten aus der Invalide nen. Entsprechend hoch ist tersvorsorge bezogen werden kön zeitbeziehenden und jemit 44,6 Prozent der Anteil der Kurz lfe beziehen. Für diese Menner, die ein bis drei Jahre Sozialhi die gesellschaftliche Teilschen muss die Sozialhilfe zudem ern und gewährleisten. habe jenseits der Arbeitswelt förd ule macht vor allem eiDie Studie der Berner Fachhochsch lfe ist längst über die altnes deutlich: Die Rolle der Sozialhi eine vorübergehende Hilfe bekannte Formel, wonach diese wachsen. Sie hat sich mit in akuten Notlagen sei, hinausge Arbeitswelt zu beschäftistrukturellen Verwerfungen in der rschiedlichsten Gruppen gen und ist gefordert, für die unte Unterstützung anzuuate von Sozialhilfebeziehenden adäq allem auch Sozialbevor bieten. Manche Sozialdienste – und e neue Rolle zu akdies er, hörden – tun sich immer noch schw zeptieren. L @VERE INSU RPR CAR LO KNÖ PFE L (C.K NOE PFE BILD : WOM M

ISE. CH)

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Randnotiz Ein Wesen namens «Wir» Ich hätte nicht reservieren müssen, es hat Platz im Café Liebling. Draussen ist es dunkel, drinnen brennen Kerzen. Wieder ein Date, aber ungewohnt: Dieses Mal stimulieren mich die Worte. Mein Gegenüber ermöglicht eine Stimmung, die bei mir Gefühle von Vertrauen und Vertrautheit entfacht. Das Café, die Grossstadt verschwimmen, es scheint, als haben wir einander entdeckt, wir behaupten, die Lösung zu erkennen, die Möglichkeit, dieses so elementare wie gigantische: eine Partnerschaft. Ich glaube, dass Liebe der Gegenpol von Angst ist. Und Angst ist meine Vergangenheit. Aber ich hatte keine Wahl, ich musste mich zuerst selbst kennen- und lieben lernen, bis ich mich in diesem Café am heutigen Tag als echt präsentieren kann – so, wie ich bin. Die Herausforderung liegt nicht darin, jenen Menschen zu finden, der in mir die nötigen chemischen Reaktionen auslöst. Vielmehr ist es die Reise, die ich antreten will, das grosse Abenteuer, an dessen Beginn die Zeugung eines Wesens steht, das ich «Wir» nenne. Das gemeinsame Kind, das sich nur dann optimal entwickeln kann, wenn die Eltern ein gesundes Verhältnis zwischen dem Bedürfnis nach Nähe und jenem nach Distanz finden und jeder der Partner sein autonomes Selbst bewahren kann. Wir können unserem Kind – der Beziehung – die Möglichkeit geben, sich in ihrer Einzigartigkeit selbstbestimmt zu entwickeln. Es ist nicht einfach, aber befreiend, sich von Erwartungen zu lösen. Um eine Entfaltung zu bewirken, die ein Wachsen und Bilden erreicht. Und nicht in etwas endet, das ich überwinden will: Beziehungslosigkeit, serielle Monogamie und die Angst, etwas zu verpassen. Ich habe mich ausgetobt und Erfahrungen gesammelt. Um zu erkennen, dass ich etwas Gemeinsames brauche, um nicht zwischen Fun und Theorie verloren zu gehen. In diesem kleinen, feinen Nest sehe ich das Grosse, da kann ich ankommen, mich erholen und erleben, was Therapie, Wissen und Medikamente nicht schaffen. Wie lange die Kerze auf unserem Tisch im Café Liebling auch brennen mag, sie wärmt schon. Es fühlt sich an, als hätten wir etwas angestossen. Und ich bin stolz auf mich, weil ich nicht mehr wegrenne, wenn es die Möglichkeit von Nähe gibt. Florian Burkhardt alias Electroboy war bis zu einem Zusammenbruch Model, Internetpionier und Partydesigner. Die Erfüllung sieht er in einer nachhaltigen Beziehung.

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Vor Gericht Manchmal ist alles anders Zwei Männer, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Der eine ist Hasan K.*, 38, ein knallharter Macho, wie er zur Zigarettenwerbung taugte, stünde die noch hoch im Kurs. 1 Meter 83 gross, 84 Kilo schwer, mit Rossschwanz, Lederjacke und grossen Pranken. Ein Mann, der zupacken kann, Metallbauschlosser von Beruf. Das Vorstrafenregister des Eingebürgerten umfasst etliche Posten, darunter Gewalt gegen Behörden und Beamte, Fahren in angetrunkenem Zustand, Hausfriedensbruch, Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Der andere ist Urs F., 47, Naturarzt und Unternehmer für Komplementärmedizin an der Goldküste. Schmal, geschniegelt, gescheitelt, mit Brille und Polohemd. In seiner Freizeit betreibt er asiatische Meditation. Den Klischees nach: ein ungehobelter Täter, ein empfindsames Opfer. Am 1. August 2009 trafen die beiden unterschiedlichen Männer in einer Villa am Zürichsee erstmals aufeinander. Urs und seine Partnerin organisierten ein Fest zum Nationalfeiertag, bei dem Hasans Schwester Fatima ihre Bilder ausstellen durfte. Bekannte und Verwandte beider Seiten waren eingeladen. Man grillierte, konversierte und ging im See schwimmen. Plötzlich schnauzte Hasan seine Frau an. Sie brach in Tränen aus. Urs lief ihnen hinterher, was los sei und ob er seine Frau nicht anständig behandeln könne. Da habe Hasan die Faust geschwungen und auf des Therapeuten Kopf gehauen. Mindestens drei Mal. Er schlug Urs’ Kopf gegen eine Plakatwand und verfolgte ihn über eine zwei Meter hohe Mauer in den Innenhof, wo er

ihn erneut verprügelte. Urs erlitt eine Halswirbelverletzung und eine traumatische Hirnverletzung. Das erstinstanzliche Gericht sprach Hasan der versuchten schweren Körperverletzung schuldig und bestrafte ihn mit einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Vor Obergericht gehen die zwei Männer in die dritte Runde. «Ich will einen Freispruch», sagt Hasan. Alles sei ganz anders gewesen. «Urs hat mir zuerst ins Gesicht geschlagen, super aggressiv war er.» Ja, er habe eine kleine Auseinandersetzung mit seiner Frau gehabt. «Immer wenn ich schwimmen war, schlich Urs um meine Frau herum», empört sich Hasan. Er habe Urs nur gesagt, dass er «sich verpissen» solle. Aber der andere habe nicht von ihm abgelassen. Er, Hasan, sei ein Wrack, auch wenn man es ihm nicht ansehe. Schwere Schilddrüsenerkrankung. Um sich zu verteidigen, habe er einmal zurückgehauen. Zu mehr sei er nicht fähig. Acht Zeugen haben die Auseinandersetzung beobachtet. Vier sagten im Sinne des Täters aus, vier im Sinne des Opfers. «Aussage gegen Aussage», sagt der Oberrichter. «Keiner der Zeugen ist glaubwürdiger als der andere.» Angesichts der vergleichsweise geringen äusseren Verletzungen beim Kläger sei die behauptete massive Gewalt in Zweifel zu ziehen. Vielmehr sei aufgrund der bezeugten Augenverletzung des Handwerkers davon auszugehen, dass der Gastgeber zuerst zugeschlagen habe. Die Schläge des Beschuldigten seien dann noch innerhalb seines Notwehrrechts. «Ein klassisches in dubio pro reo.» Das heisst Freispruch für Hasan. * alle Namen geändert ISABELLA SEEMANN (ISEE@GMX.CH) ILLUSTRATION: PRISKA WENGER (PRISKAWENGER @ GMX.CH) SURPRISE 372/16


Hausmitteilung Wechsel an der Spitze

Nominieren Sie Ihren Starverkäufer! Schreiben Sie uns mit einer kurzen Begründung, welche/n Verkäufer/in Sie an dieser Stelle sehen möchten: Verein Surprise, Redaktion Spalentorweg 20, 4051 Basel F +41 (0)61 564 90 99 redaktion@vereinsurprise.ch

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Surprise hat heute einen gut aufgestellten Vorstand – auch das ist nicht zuletzt Peter Aebersolds Verdienst: Matthias Oesch, Urban J. Zenhäusern, Beat Jans, Heidy Steffen, Peter Aebersold , Roger Meier, Sylvia Egli von Matt, Ueli Tecklenburg (v. l. n. r.). Nicht im Bild: Gabriela Wawrinka

uns, dass er uns nicht ganz verlässt, sondern uns als reguläres Vorstandsmitglied weiterhin erhalten bleibt. Das Amt des Präsidenten übernimmt neu der Umweltnaturwissenschafter und SP-Nationalrat Beat Jans. Schon 2011 trat er auf eigenen Wunsch in den Vorstand ein, da ihm Surprise am Herzen liegt. Wir freuen uns auf die gemeinsame Zukunft mit Beat Jans als Vorstandspräsident. (dif) ■

und hielt das Projekt zusammen mit seinen Vorstandskollegen am Leben. Nun tritt er als Vorstandspräsident zurück. Es war ihm ein Anliegen, den Vorsitz nicht während einer Krise, sondern in einer Hochphase abzugeben: In den letzten fünf Jahren konnte sich der Verein Surprise finanziell und strukturell stabilisieren. Wir bedanken uns von ganzem Herzen für alles, was Peter Aebersold für Surprise getan hat. Und wir freuen

BILD: ZVG

Acht Jahre lang war der Basler Strafrechtsprofessor Peter Aebersold mit grossem Engagement Präsident des Vorstands und hat den Verein Surprise mit viel Wissen und Erfahrung unterstützt. Seit 2000 ist er als Vorstandsmitglied dabei und hat die zuweilen turbulente Geschichte von Surprise miterlebt und -getragen. Es war 2006, als wir ein Heft mit dem Titel «Das letzte Heft» publizierten – wobei das keineswegs ein Marketing-Gag war. Wegen Rückzahlungen an die AHV fehlten mit einem Mal Hunderttausende von Franken in der Kasse, das Überleben des Projekts war grundlegend in Frage gestellt. Was erstmal eine Katastrophe war, löste eine unvorstellbare Welle der Solidarität aus: Nicht zuletzt dank unglaublich vielen Klein- und Kleinstspenden von Privaten kam eine Million Franken zusammen. Surprise war gerettet, und es war schön, um die breite Unterstützung der Bevölkerung zu wissen. Solche Solidarität war zwei Jahre später gleich noch einmal zu spüren, als die SBB ein Verkaufsverbot in den Bahnhöfen erliessen – und danach auf Druck der Bevölkerung wieder zurückzogen. Ein unglaubliches Gefühl. Im gleichen Jahr folgte allerdings die nächste hohe Hürde. Das Magazin erlitt einen hohen Verkaufseinbruch, weil plötzlich fast alle Kantone Flüchtlinge vorerst nicht mehr als Verkaufende zuliessen. Peter Aebersold trug die Krisen alle mit, war das Gesicht des Vereins nach aussen

BILD: TOBIAS SUTTER

Peter Aebersold hat den Verein Surprise als Vorstandspräsident durch etliche Höhen und Tiefen begleitet. Jetzt übergibt er das Ruder seinem Nachfolger Beat Jans.

Starverkäufer Kadi Haliye Dirye Kurt Rebmann aus Wädenswil schreibt: «Leider kenne ich seinen Namen nicht. Man kann ihn auf dem Schildchen nicht gut lesen, und meine Augen sind nicht mehr die jüngsten. Kürzlich wollte ich bei ihm das neue Magazin kaufen und schaute auf das Titelbild. Da meinte er in freundlichem Ton, nein, das bräuchte ich nicht, das hätte ich schon gekauft, und lachte über das ganze Gesicht. Da sagte ich zu ihm, er habe aber ein gutes Gedächtnis. Er entgegnete schmunzelnd, ja, aber es ist nicht mehr das jüngste. Lachend verabschiedeten wir uns.»

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Porträt Wände verputzen für die Zukunft Vor sieben Jahren verliess Ferenc Lörinc seine Heimat Ungarn und landete auf der Suche nach Arbeit in der Schweiz. Hier wurde er erst einmal Opfer von Lohndumping. VON SIMON JÄGGI (TEXT) UND KOSTAS MAROS (BILD)

Wieder ohne Arbeit, kehrte Lörinc für kurze Zeit nach Ungarn zurück. Als er dort nach einem halben Jahr immer noch vergeblich nach Arbeit suchte, reiste er wieder in die Schweiz. Übers Internet hatte er zuvor eine neue Temporärstelle gefunden, zu gesetzeskonformen Bedingungen, mit einem Gehalt über dem Mindestlohn und Versicherungsabzügen. Das ist besonders jetzt im Winter wichtig für ihn. Denn in der Baubranche ist es üblich, dass die Unternehmen ihre Saisonniers in der kalten Jahreszeit entlassen, wenn es auf den Baustellen zu wenig Arbeit gibt. Diese Monate kann Lörinc nun mit Arbeitslosengeld überbrücken, während er darauf wartet, dass es wieder wärmer wird, sein Arbeitgeber anruft und ihn wieder auf eine Baustelle schickt. Es sei kein einfaches Leben, sagt Lörinc. Die Distanz zu seiner Heimat, seinem Sohn und die Konkurrenz, die immer grösser werde. «Früher war ich häufig der einzige Ungar auf der Baustelle. Heute wird auf den meisten Baustellen mehrheitlich ungarisch gesprochen.» Doch an eine Rückkehr denkt er nicht, noch nicht. «Ich tue das für mich und mei-

Am Vortag ist Ferenc Lörinc wieder aus Szigetszentmiklós zurückgekehrt. Jener Stadt, die er seine Heimat nennt, die er vor sieben Jahren verlassen hat. Seine Frau Ilona und der fünfjährige Sohn leben weiterhin dort. Besuche zuhause sind selten, weil die Flüge für ihn zu teuer sind und ihm für eine Reise per Mitfahrgelegenheit oft die Zeit fehlt. Ausser jetzt im Winter, wenn es auf den Baustellen in der Schweiz keine Arbeit für ihn gibt. Ist er in Ungarn, weicht ihm sein Sohn nicht von der Seite. In der übrigen Zeit klettert der Junge fast jeden Abend vor den Computer und spricht übers Internet mit seinem Vater: Er kennt ihn vor allem vom Bildschirm. Ein «Skype-Boy» sei sein Sohn, sagt Lörinc, davon gebe es zurzeit viele in Ungarn. Auch für Männer wie ihn gibt es in seiner Heimat einen eigenen Ausdruck: Mezogazdasági vándormunkás – Wanderarbeiter. Lörinc ist gelernter Gipser und verdiente damit in seiner Heimat genügend Geld zum Leben. Bis die Wirtschaftskrise das Land erfasste und zeitgleich günstigere Arbeiter aus dem Osten auf den Markt drängten. Gemein«Wir Ungarn machen nicht viel Party», sagt Ferenc, «wir sparen lieber.» sam mit einem Freund verliess er Ungarn und reiste fortan den Kranen und Baggern nach, immer dorthin, wo die Baubranche boomte. Er arbeitete auf einer Grossne Familie, damit wir später ein besseres Leben haben.» Seine Dreizimbaustelle in Mailand, baute Mauern für einen Flughafen auf Ibiza, vermerwohnung in einem Baselbieter Dorf teilt er sich mit einem ungariputzte die Wände eines Einkaufszentrums in Österreich und gelangte schen Arbeitskollegen, das Essen kocht er immer selber und nur einmal nach drei Jahren schliesslich in die Schweiz. am Tag, er kennt sämtliche Facebook-Gruppen in der Region, wo GeVon seiner Wanderschaft erzählt der 42-Jährige in einem Basler Cabrauchtes günstig angeboten wird. Und samstags trifft er sich beim fé. Noch lieber wäre er in seine ungarische Stammbeiz gegangen, die an Flohmarkt auf dem Basler Petersplatz mit Landsleuten zum Kaffee. «Wir diesem Tag aber geschlossen hat. «Ich kenne dafür ein gutes Teehaus», Ungarn machen nicht viel Party», sagt Ferenc, «wir sparen lieber.» Desschrieb er schnell per SMS. Es ist eine vornehme Confiserie in der halb möchte er auch nicht, dass seine Frau und der Sohn zu ihm in die Altstadt, wo der Orangensaft frisch gepresst wird und die Gäste mit Schweiz ziehen, weil dann am Ende des Monats von seinem Lohn kaum gedämpfter Stimme sprechen. Lörinc, kräftige Statur, Silberkette und mehr etwas übrig bliebe. So kann er einen Grossteil seines Einkommens Jeansjacke, trinkt einen Rooibos-Tee und erzählt in einfachen Sätzen auf auf ein Sparkonto überweisen, rund 2000 Franken jeden Monat. Das ist Deutsch, wie er sich aus der Illegalität gekämpft hat. mehr, als in Ungarn ein Arzt verdient. Zudem finanziert er von seinem Nach seiner Ankunft in der Schweiz fand er eine Stelle über ein TemEinkommen den Bau des neuen Häuschens, in das seine Familie in den porärbüro, das ein Landsmann von ihm führte. Verglichen mit seinen nächsten Wochen einziehen soll. vorherigen Stundenlöhnen verdiente er hier viel Geld, gemäss SchweiNoch zehn Jahre möchte er in der Schweiz bleiben. Bis dann werde zer Gesetzgebung aber immer noch viel zu wenig. Für 16 Franken pro er genügend Geld verdient haben, um in Budapest zwei Wohnungen zu Stunde arbeitete Lörinc auf der Baustelle der neuen Kunsthochschule, kaufen, die er gewinnbringend vermieten kann. «Danach werde ich nie das Doppelte ist vorgeschrieben. Die Nacht verbrachte er in einer hermehr als Maler oder Gipser arbeiten, das ist für mich klar.» Von seiner untergekommenen Dreizimmerwohnung in Süddeutschland, wo ihn Zukunft in Ungarn hat Lörinc eine klare Vorstellung. Er will ein Leben sein Arbeitgeber gemeinsam mit fünf weiteren Angestellten untergeals Selbstversorger führen: «In zwanzig Jahren habe ich ein Bauernhaus bracht hatte. Die überrissene Miete für die Unterkunft zog er den Mänmit einem Stück Land, Wald und einem Teich mit Fischen. In Ungarn nern direkt vom Lohn ab. gibt es noch viele solche Orte.» Dort möchte er ein paar Hühner und KüNach einem halben Jahr realisierte Lörinc, wie er sagt, dass sein Arhe halten, dazu Gemüse und Obst anbauen. Und mit dem Verkauf von beitgeber gegen das Gesetz verstösst. Als er merkte, dass dieser keine Nüssen ein kleines Einkommen verdienen. «Das ist der Plan von meiner Sozialversicherungen bezahlte und den Mindestlohn unterschritt, künFrau und mir. Wir brauchen nur noch etwas Geduld.» Zum Schluss des digte er und zog zusammen mit zwei Arbeitskollegen und unterstützt Gesprächs schiesst er mit seinem Telefon ein Foto für seine Familie, von der Gewerkschaft vor Gericht. Heute, drei Jahre später, wartet er imdann geht er los, Bewerbungen schreiben. Denn Ferenc Lörinc will zumer noch auf die ihm zustehende Entschädigung. rück, auf die Baustelle. ■

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Fische ausnehmen kann er blind: Thanassis Flitzanis in seinem Fischladen in Athen.

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Wirtschaftskrise Die vergessenen Griechen Während Griechenland zum Synonym für Europas gescheiterte Flüchtlingspolitik geworden ist, kämpfen viele Griechen um ihre Existenz. Zahlreiche Start-ups zeigen, dass die Mittelschicht noch nicht aufgegeben hat.

VON SARA WINTER SAYILIR (TEXT) UND MIRIAM KÜNZLI (BILDER)

kommt schon der nächste. Der knapp 40 Quadratmeter grosse längliche Verkaufsraum mit den zwei Fensterfronten ist sonnendurchflutet, etwa zwanzig Sorten Fisch und Meerestiere liegen in Eis gebettet auf zwei grossen Edelstahltheken. Hin und wieder strömt feiner Wassernebel aus den kleinen Sprinklern über der Auslage. «Nach mehr als einem Jahr ohne Auftrag dachten wir: Wir gehen nach Fourni, denn dort haben wir ein Haus», erzählt sie weiter, nachdem sie einer Kundin ihre frisch ausgenommenen Kalamari übergeben hat. Aber auf der kleinen Insel gibt es nicht einmal einen Arzt. «Wir hatten damals ein kleines Baby», sagt Nitsiou, deren drei Söhne heute zehn, acht und drei Jahre alt sind. Sie ist in Athen aufgewachsen, ihr war nicht wohl bei dem Gedanken, mit den Kindern auf die Insel zu gehen – zu archaisch ist dort die Lebensweise, zu eng die Familienstruktur, wie sie erzählt. «Für einen Monat im Sommer ist das schön, im Winter aber ist

Im Januar fällt in Athen das Essen von den Bäumen: Überall liegen Orangen, auf den Strassen, im Gras der Parkanlagen, auf dem Trottoir. Doch die Früchte sind bitter und höchstens zu Marmelade verkocht geniessbar. Niemand scheint dafür zuständig zu sein, die Zitrusfrüchte einzusammeln. Ganz ähnlich wie Athen sich nicht um sein Fallobst sorgt, kümmert sich Europa kaum noch um die Griechen, seit der mediale Fokus von der Wirtschaftskrise auf die humanitäre Katastrophe der Flüchtlinge umgeschwenkt ist. Dabei ist die Krise nicht vorüber, viele Griechen wissen nach wie vor nicht, wie es weitergehen soll. Anders als die Orangen am Boden sind sie jedoch alles andere als faul: Besonders die junge Mittelschicht bemüht sich aus Leibeskräften, wieder auf die Beine zu kommen. «Psaradiko i Fourni» steht in griechischen Lettern auf einem grossen Schild eines blau Die Baubranche sei eine der ersten gewesen, die durch die Krise zusammengestrichenen Eckladens in Nea Chalkidonia, eigebrochen sei, so Nitsiou. «Ab 2011 hatten wir keine Aufträge mehr.» nem nördlichen Vorort der griechischen Hauptstadt. Hier, an einer orangengesäumten Eines sehr hart.» Sie zeigt auf ein Werbebanner oben an der Ladenwand. fallsstrasse in die Hauptstadt, verkauft das Ehepaar Niki Nitsiou und Darauf ist Flitzanis auf einem Fischerboot zu sehen, wie er einen grosThanassis Flitzanis von Montag bis Samstag frischen Fisch. Übersetzt sen Fang in die Kamera hält. «Thanassis kennt sich mit Fisch aus, geheisst der Name des Ladens «Fischer aus Fourni». Fourni ist die Heimeinsam mit seinem Bruder besitzt er ein grosses Fischerboot», sagt matinsel von Flitzanis, ganz im Osten der Ägäis direkt vor der türkiNitsiou. Die Geschwister ihres Mannes leben auf der Insel von Fischfang schen Küste. und Ziegenzucht. «Früher waren wir gemeinsam im Bausektor tätig», erzählt Nitsiou Thanassis Flitzanis steht hinten an der grossen Spüle und nimmt ohvon der Zeit vor der Wirtschaftskrise. «Ich als Ingenieurin, mein Mann ne hinzuschauen und mit blossen Händen Fische aus. Dabei plaudert als Bauarbeiter.» Zehn Jahre sind die beiden verheiratet. Die Baubrander 39-Jährige mit den wartenden Kunden. Er nimmt einen sofort ein che sei eine der ersten gewesen, die durch die Krise zusammengebromit seinem breiten Lächeln und dem festen, vertrauenerweckenden chen sei, so Nitsiou weiter. «Ab 2011 hatten wir keine Aufträge mehr.» Händedruck. Englisch versteht er nicht, das Erzählen überlässt er seiner In ihrem blauen Pullover und Schürze steht die 32-Jährige an der Frau. «Der Laden war ein grosses Risiko, wir wussten nicht, ob es funkKasse des Fischladens und unterbricht das Gespräch immer wieder, um tionieren würde», sagt sie. Weil Flitzanis’ Bruder ihnen seinen Fang ohKunden bei der Auswahl behilflich zu sein. Kaum ist einer gegangen, SURPRISE 372/16

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fünf anderen gründete die Mutter zweier Teenager vor vier Jahren dieses Café. «Damals war die Krise auf ihrem Höhepunkt. Wir kamen aus unterschiedlichen Branchen, hatten aber eines gemeinsam: Wir waren alle arbeitslos», erzählt sie auf Griechisch. «Wir liehen uns Geld von Freunden und Verwandten, alles in allem 30 000 Euro.» Geöffnet ist das Café täglich von frühmorgens bis tief in die Nacht, zu siebt arbeiten sie im Schichtbetrieb, alle zum gleichen Stundenlohn. Vorkenntnisse, wie man ein Café betreibt, hatten sie nicht. Eine klare Vorstellung vom Konzept schon: günstige Preise, hausgemachte Speisen, kleine Portionen. Damit die Leute trotz Krise noch rausgehen, auf andere Gedanken kommen, ihre Freunde treffen. Mit dem Gehalt ihres Mannes und dem, was sie im Café verdient, kann ihre vierköpfige Familie «in Würde leben», wie Kandasis sagt. Ihr Mann arbeitet in der Verwaltung. «Um auf dasselbe Gehalt zu kommen, das er im öffentlichen Dienst verdient, muss ich 12 bis 15 Stunden am Tag arbeiten», rechnet sie vor. Heute habe sie schon acht Stunden gearbeitet und noch fünf bis sechs vor sich. Zu ihrem alten Leben als Näherin zurückkehren möchte sie aber nicht. «Für mich läuft es gut», sagt sie, auch wenn das Café harte Arbeit sei.

Arbeitet auch mit Grippe: Niki Nitsiou an der Kasse.

ne Zwischenhändler verkauft, kann das Paar mehrmals die Woche einen Teil der Ware zu günstigen Preisen anbieten. Das spreche sich herum, wie ein Kunde bestätigt: «Seit einem Jahr komme ich hierher, obwohl ich ganz woanders lebe. Ich habe grosses Vertrauen zu Thanassis.» Um das Sortiment konstant zu halten, kaufen sie zu. «Mein Mann steht jede Nacht um drei Uhr Mit dem Gehalt auf und fährt zum Grossmarkt», sagt Nitsiou. ihre vierköpfige «Die Kinder sieht er kaum noch.» Sie hustet. Es ist kalt im Laden. Wegen einer Grippe zuhause zu bleiben könnten sie sich nicht leisten, meint sie. Es brauche drei Leute im Geschäft, eine an der Kasse, zwei beim Ausnehmen. Die einzige Angestellte ist gleichzeitig eine Cousine von Flitzanis. «Wir haben es gut im Vergleich zu anderen», meint Nitsiou. Immerhin werfe der Laden seit einem Jahr so viel ab, dass sie ihren Kindern wieder Fussballclub und Schlagzeugunterricht finanzieren könnten. «Wir waren alle arbeitslos» 20 Minuten Fahrt entfernt, nicht weit von der Akropolis, liegt an einer Strassenecke das Café 6. Selbstgemachte Blumentöpfe aus alten Dosen hängen draussen an der Fassade. Die Wintersonne hat sich hinter Wolken verschanzt, das Café liegt im Halbdunkel. Drinnen hohe Decken, dunkles Holz, zehn Tische mit Stühlen. Neben dem hohen Holztresen hängt eine Tafel, auf der per Strichliste bereits bezahlte Cafés notiert werden, die Durstige mit schmalem Budget sich gratis abholen können: Café Sospeso nennt man dies in Neapel, Café Surprise bei uns. Hier heisst es «Enas kafes se perimeni»: Ein Kaffee wartet auf dich. Hinter dem Tresen verdeckt ein Vorhang den Blick in die kleine Küche, wo Giota Kandasis abwäscht. Als sie fertig ist, wischt sie sich die Hände an der Schürze ab und setzt sich an einen Tisch. Gemeinsam mit

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Velobauer aus Leidenschaft Nicht weit davon findet eine Messe für junge Start-ups statt. In einem alten, schick restaurierten Fabrikgebäude nahe der U-Bahnstation Keramikos stellen drei Dutzend Unternehmen unter dem programmatischen Titel «Greek Brand New» ihre Produkte aus: Hamamtücher, Kräutertees oder handbemalte Sonnenbrillen. Detailhändler lassen sich beraten, Loungemusik rieselt aus den Lautsprechern. Stathis Stasinopoulos steht vor seinem Stand, hinter ihm sein Meisterstück: ein stylisches Klappvelo, «massgeschneidert für den urbanen Pendler», wie er sagt. Stasinopoulos ist ein drahtiger Mann mit wachen blauen Augen und einem grau-melierten Dreitagebart. Unter seiner Sweatshirt-Jacke trägt er ein Hemd. Die Idee mit dem Rad habe ursprünglich nichts mit der Krise zu tun, sagt er: «Mehr als 15 Jahre war ich leidenschaftlicher Radsportler. Mountainbike und Rennstrecke. Als ich dann mehr zum Familienmann wurde, hab ich das aufgegeben.» Im Süden von Athen arbeitete er damals, 30 Kilometer von seinem Wohnort entfernt. Der Athener Berufsverkehr ist schwerfällig, wer kann, steigt an einem der zentralen Knotenpunkte auf die U-Bahn um. Um aber von

ihres Mannes und dem, was sie im Café verdient, kann Familie «in Würde leben», sagt Giota Kandasis. zuhause zur nächsten Station und von dort bis zur Arbeit zu kommen, ist man auf die Strasse angewiesen. Für Stasinopoulos war klar, dass er diese Zeit lieber auf dem Sattel als im Auto verbringen will: «Aber täglich das Rennrad zu nehmen, war zu unbequem, mit dem Mountainbike war der Widerstand zu hoch.» Ein besseres Rad musste her, ein Klappvelo, das sich ohne Aufpreis auch mit in die Metro nehmen liesse. Der gelernte Maschinenbauer nimmt uns mit zu sich nach Hause in einen Athener Vorort. Hinter einem Schiebetor hat er im Souterrain seines zweistöckigen Hauses eine kleine Werkstatt: zwei ordentliche Räume mit einer Terrasse aus bemalten Fliesen davor. Hier hatte er 2010 die Idee, sich sein effizientes und klappbares Pendlervelo einfach selbst zu bauen. Zwei Jahre und unzählige Arbeitsstunden später stand der erste Prototyp von «The Folding Project», dessen ausgereiftes Modell Stasinopoulos vor unseren Augen mit wenigen Handgriffen auseinander- und zusammenfaltet. «2014 hatte ich das Glück, mein Velo auf der Eurobike präsentieren zu können», erzählt er. Das ist die weltgrösste Velomesse: Wer hier ausstellt, wird wahrgenommen. Stasinopoulos’ Augen leuchten, wenn er spricht, seine Geschichte sprudelt nur so aus ihm heraus. Rund 40 Stück hat er schon gebaut, einige sind als Testfahrräder bei Freunden untergekommen, andere sind per Kurier zu Kunden bis nach SURPRISE 372/16


Strahlen trotz der harten Arbeit: Evdoxia Psanis, Rodama Kratidis, Giota Kandasis und Maria Kallianis vom CafĂŠ 6. SURPRISE 372/16

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Qatar geliefert worden. Auf dem Laptop zeigt er Bilder seiner Werke, ein von einem Künstler handbemalter Rahmen hängt noch unverkauft von der Decke.

Alles selbst gebaut: Stathis Stasinopoulos ist stolz auf sein Klappvelo.

«Wir trauen uns nicht, Kinder zu bekommen»: Stathis Makris.

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Drittes Kind und kein Job Seine Firma Velo Lab hat Stasinopoulos 2013 gegründet, parallel dazu arbeitete er weiter als Handelsvertreter. Ein Jahr später jedoch verlor er den Job, die Krise hatte auch ihn erwischt. Fast parallel dazu wurde seine Frau Christianna zum dritten Mal schwanger. «Da ist mir erst einmal das Herz in die Hose gerutscht», so Stasinopoulos. Heute ist der kleine Ionas sieben Monate alt, Iasonas, der Älteste, ist acht und Tochter Ioli sechs. «Als ich entlassen wurde, sprach man mir eine Kompensation zu», so Stasinopoulos, die habe ein wenig vorgehalten. Die Ratenzahlungen für das Haus habe er anpassen lassen, die Laufzeit des Kredits verlängert. «Wohnen muss man ja sowieso», sagt er und lächelt. Verkaufen könnten sie nicht, der Markt sei eingebrochen. Gern wäre er 2015 wieder zur Messe nach Friedrichshafen gereist, er war sogar schon angemeldet. Doch dann schlossen Mitte des Jahres die Banken, die Zeit der Bargeldlimitierung folgte. Stasinopoulos konnte die Ausstellergebühren nicht zahlen. Die deutschen Organisatoren hatten wenig Verständnis: «Die Eurobike hat mir eine Strafgebühr verrechnet, weil ich nicht aufgetaucht bin», so Stasinopoulos. Auch die Geburt seines Sohnes fiel in die Zeit, als die Griechen nur 420 Euro pro Woche abheben konnten. «Über drei Wochen hat es gedauert, bis wir das Geld für die Geburt beisammenhatten», erinnert sich Stasinopoulos. Klar seien sie krankenversichert, aber die Privatkliniken müsse man bar bezahlen und könne sich erst danach einen Teil der Kosten erstatten lassen. Ein öffentliches Krankenhaus sei wegen der langen Wartezeiten und der Versorgungsengpässe nicht in Frage gekommen. Derzeit lebt die fünfköpfige Familie von dem, was Stasinopoulos mit seinen Velos verdient: Im letzten Jahr waren das etwa 18 000 Euro, rund 7000 Euro davon muss er an den Staat abführen. Christiannas Mutterschaftsgehalt von weniger als 500 Euro im Monat helfe auch ein wenig. Zu seinem Glück sei es ihm letztes Jahr gelungen, einen Design-Vertrag mit einer internationalen Firma an Land zu ziehen, die Bike-SharingSystems anbiete, erzählt Stasinopoulos. Nun ist der Auftrag allerdings abgeschlossen. «Und die Zukunft ist wieder unsicher», sagt er und küsst seinen Sohn auf den Kopf. Hohe Steuern für kleine Unternehmen Zurück auf der Messe begrüsst Stasinopoulos zwei gute Freunde: Einer ist sein Geschäftspartner und heisst mit Vornamen ebenfalls Stathis, Stathis Makris. Der grosse, schlanke Mann baut die Batterien für die EBike-Version des Folding-Projects. Er spricht mit wohlklingender Bassstimme, trägt ebenfalls Dreitagebart, Jeans und T-Shirt. Auf die Zukunft angesprochen, lacht Makris bitter. «Ich habe keine Pläne für die Zukunft. Einzig die Sonne hält uns noch hier.» Er hat in Grossbritannien studiert und ist vor einigen Jahren als Ingenieur zurückgekehrt. Bis vor Kurzem war er selbständig. Gemeinsam mit seinem Bruder betrieb er eine kleine Firma mit zwei Angestellten im Bereich der erneuerbaren Energien. Doch das Unternehmen ging pleite. Nun ist er in Teilzeit als Verkaufsberater in einer Firma für Holzwerkzeuge angestellt. «Du möchtest nicht wissen, was ich verdiene», sagt er und winkt ab. 550 Euro im Monat. «Allein meine Miete beträgt 450 Euro.» Seine Frau verdient rund 600 Euro. «Vor zwei Jahren bekam sie für denselben Job noch das Doppelte, nun arbeitet sie zwei bis vier Stunden mehr für die Hälfte des Geldes», Makris klingt resigniert. «Es ist eine Art Versklavung. Wir trauen uns nicht, Kinder zu bekommen», setzt er hinzu und zeigt auf Stasinopoulos: «Das macht er für uns alle. Ich leihe mir seine dann später mal aus.» Sie lachen. Nach den Ursachen für seine Pleite gefragt, holt Makris aus: «Die Unternehmenssteuer für kleine Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitenden beträgt derzeit 29 Prozent. Freibeträge gibt es keine. Dazu komSURPRISE 372/16


Will keine Steuern hinterziehen: Dimitris Anagnostou.

Verkauft jetzt Seife statt Kunst: Marina Coriolano-Lykonrezos.

Projects. «Früher hatte ich eine Galerie», erzählt die studierte Kunsthismen noch allerhand Extra-Steuern. Am Ende muss man mehr als Zweitorikerin und Anthropologin. Aber wer kaufe Kunst, wenn schon das drittel des gesamten Gewinns abgeben.» Zusätzlich verlangt der Staat eiGeld für das Notwendigste fehle? 2009 musste sie die Galerie schliessen. ne Rücklage von inzwischen 100 Prozent auf den erwartbaren Gewinn Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, dem Kunsthandwerker Yanis des nächsten Jahres. Makris macht eine kurze Pause. «Um für jeden Mitarbeiter ein Gehalt von 1000 Euro im Monat zu generieren, hätten wir einen unglaublich ho«Viele von uns sind gezwungen, zusätzlich Geld mit Schwarzarbeit zu hen Umsatz gebraucht.» Inmitten der Krise ein verdienen», sagt Psychiater Dimitris Anagnostou. Ding der Unmöglichkeit. «Um Geld zu machen, muss man herumtricksen», ist er überZagorianakos, sei sie auf die Idee gekommen, Bio-Olivenöl-Seifen zu zeugt. Grosse Firmen verlegten derzeit reihenweise ihren Firmensitz verkaufen. Die 43-Jährige zeigt die verschiedenen Sorten. «Wir wollten nach Bulgarien, wo sie nur einen Bruchteil an Unternehmenssteuer etwas Griechisches machen, was sich exportieren lässt und was ein guzahlten, sagt er. «Das ist der neue Trend.» tes Bild des Landes vermittelt – nach so viel schlechter Presse über die Stasinopoulos’ Freund aus Kindheitstagen, Dimitri Anagnostou, steht letzten Jahre.» daneben und hört zu. Auch er ist kinderlos. Der 43-Jährige hat in Italien Eine der grössten Schwierigkeiten für kleine Unternehmen wie ihres, Medizin mit Fachrichtung Psychiatrie studiert und arbeitet nun als Kinsagt sie, sei die fehlende Unterstützung durch den Staat. «Nun diskutiert der- und Jugendpsychiater in Ausbildung an einem staatlichen Krandie Regierung, ob sie die Sozialversicherung für Kleinunternehmer kenhaus in Athen. 1070 Euro verdient er dort. «Gern würde ich meine erhöhen sollen – dabei sind manche von uns schon jetzt wegen der eigene Praxis eröffnen, aber die Verträge im öffentlichen Dienst gelten Sozialabgaben verschuldet!», ärgert sie sich. Marinas britischer Akzent exklusiv», erzählt er sein Dilemma. Weder kann man aber an mehreren verrät, wo sie studiert hat, aufgewachsen ist sie in Frankreich und BraOrten gleichzeitig arbeiten, auch nicht innerhalb des öffentlichen Seksilien. Seit 18 Jahren jetzt ist sie in Griechenland. Zurück ins Ausland tors, noch darf man nebenbei eine private Existenz aufbauen. «Viele von will sie dennoch nicht. «Noch können wir nicht von unserem Geschäft uns sind gezwungen, zusätzlich Geld mit Schwarzarbeit zu verdienen. leben, aber wir kämpfen. Und wir sind nicht die Einzigen, wie man Wir würden keine Steuern hinterziehen, wenn wir in einem offenen hier sieht.» Markt für mehrere Arbeitgeber in Teilzeit arbeiten dürften», meint er. ■ Das Image reinwaschen Am Nebenstand sind Seifen und handgeschnitzte Holzkunst ausgestellt. Eine grosse, schlanke Frau mit wilden Locken berät Interessenten. Es ist Marina Coriolano-Lykourezos, Geschäftsführerin von The Cool SURPRISE 372/16

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Interview «Die Krise verändert unsere Identität» Die Historikerin Tasoula Verveniotis (68) berät Laiengruppen in Athen dabei, Zeitzeugen zu befragen. Sie ist überzeugt, dass der Weg aus der Krise über die Aufarbeitung der eigenen Geschichte führt. VON SARA WINTER SAYILIR (INTERVIEW) UND MIRIAM KÜNZLI (BILDER)

Frau Verveniotis, Sie begleiten ein Projekt in Athen dabei, Zeitzeugenbefragungen durchzuführen. Ja, derzeit schiessen hier allerorts sogenannte Oral-History-Gruppen wie Pilze aus dem Boden. Vor allem in Athen, wo die Krise tiefer geht als in den anderen Städten oder auf dem Land. Die erste Gruppe hat sich 2011 hier im Stadtteil Kypseli gebildet, wo ich lebe, aus einer Nachbarschaftsinitiative. Inzwischen sind es schon neun. Jeder Stadtteil hat seine eigene Gruppe. Darin beschäftigen sich einige mit der Krise, andere mit Immigranten. Wieder andere mit dem Alltag. Was bewegt die Menschen mitten in der Wirtschaftskrise dazu, ihre Mitmenschen nach ihren Erinnerungen und Erfahrungen auszufragen? Wir leben in einer Zeit der Globalisierung. Gleichzeitig suchen die Menschen das Lokale. Die Geschichte des Lokalen gibt den Menschen eine Position, die sie stützt, wenn sie sich unsicher fühlen. Es ist auch eine Widerstandsbewegung gegen die Märkte. Märkte und Fonds sind keine Menschen – sie haben keine Erinnerung, keine Geschichte. Menschen aber haben das. Und deswegen versuchen sie während der Krise ihre Vergangenheit zu finden. Wegen der und durch die Globalisierung.

Die Griechen sind die Besten: Das Selbstbild aus der Heldenerzählung passt nicht zur Krise, sagt Historikerin Verveniotis.

Wie genau hilft das den Menschen bei der Bewältigung der Wirtschaftskrise? Die Menschen brauchen ein neues Narrativ ihrer Vergangenheit, eine veränderte Erzählung ihrer Geschichte. Weil die Gesellschaft etwas benötigt, an dem sie sich festhalten kann, um weiterzugehen und die Krise zu überstehen. Geschichte und Erinnerung könnte den Leuten dabei helfen. Und Politik natürlich, auf ihre Art. Aber die Politik und die Politiker orientieren sich am herrschenden Narrativ.

Widerstand mittels Zeitzeugenbefragungen? «Niemand kann voraussehen, was am nächsten Tag passiert. Diese UnIch glaube, dies ist ein Weg für die Leute, mit sicherheit beschäftigt die Menschen: Werde ich Arbeit haben? Wird mein der Krise umzugehen. Vielleicht ist das beGehalt noch dasselbe sein?» wusst, vielleicht aber auch unbewusst. Ich weiss es nicht. Aber sicher ist: Sie tun etwas. Und sie machen ihre Sache gut. Es ist eine Menge Arbeit: die TranskripUnd das wäre? tionen, das Tagebuch und das Profil der Leute zu erstellen, die man Die übliche nationalistische Heldenerzählung: Die Griechen sind mutig interviewt hat. Wir arbeiten nach den Standards der British Library. und tapfer, die Besten. Jetzt in der Krise ist das plötzlich nicht mehr mit unserer Selbstwahrnehmung vereinbar. Deshalb suchen die Leute nach Klingt nach einem grossangelegten Projekt. War das Ihre Idee? einer realistischeren Erzählung, jenseits der schwer zugänglichen akaNein, es ist eine Graswurzel-Bewegung. Ich wurde von verschiedenen demischen Forschung und der staatlichen Geschichtsschreibung. Um etSeiten etwa zur selben Zeit um Unterstützung gebeten, von Leuten, die was für die Zukunft zu tun, müssen sie verstehen, was passiert ist. sich untereinander nicht kannten. Erstaunlich! Ich kann es immer noch nicht fassen, dass sich so viele Gruppen gebildet haben! Inwiefern? Wir Historiker sprechen von einer Verdichtung der Geschichte in KriWarum wurden Sie um Unterstützung gebeten? senzeiten. Es geschehen viele Dinge innerhalb sehr kurzer Zeit: Letztes Ich bin Historikerin und mache mit den Gruppen Trainingsseminare zur Jahr beispielsweise hatten wir zwei Wahlen, ein Referendum, ein MeMethodologie von Oral History, wie man diese Art von Zeitzeugendomorandum, die Flüchtlingskrise und so viele andere Dinge, die nicht zu kumenten im Wissenschaftsjargon nennt. verstehen und nicht zu verarbeiten sind. Die Leute brauchen Zeit zum Nachdenken. Sie versuchen zu verstehen. Dabei schauen sie in die Ge-

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Sportunterricht an einer Schule im Athener Stadtteil Kypseli. Auch viele Lehrende beteiligen sich an den Zeitzeugenbefragungen.

schichte, suchen in den Erfahrungen anderer Menschen. Denn dies ist nicht die erste Krisenzeit, es gab andere vorher. Also fragen sie: Was ist damals in den Vierzigern passiert? Während des Zweiten Weltkriegs, der Besatzung, des Widerstands, des Bürgerkriegs? Das ist zumindest meine Erklärung. Was sind das für Menschen, die in der Geschichte nach Lösungen suchen? Es sind viele Lehrer darunter. Viele von ihnen haben den Wunsch nach einer besseren Ausbildung, einer anderen Ausbildung. Dann haben wir viele Architekten. Meist junge Leute von der Polytechnischen Hochschule, die an ihrer Doktorarbeit oder an einer Abschlussarbeit schreiben. Sie wollen ihre Informationen nicht aus den Medien beziehen, da sie zu Recht sagen, dass die Medien korrupt sind. Es ist nicht fair, was dort gesagt wird, immer wird ein Teil ausgeblendet. Inwiefern? Nehmen wir zum Beispiel die Neonazi-Partei Goldene Morgenröte. Geschichtlich wissen wir genau, warum sie so stark ist: Das war der Bürgerkrieg. Es gab viele Leute, die Teil des rechten Flügels waren, die nationalistisch waren. In der Generation meines Vaters gab es Menschen, die anderen die Köpfe abgeschnitten haben, und solche, die dafür bezahlt haben. Aber bis jetzt wird nicht darüber gesprochen. Wir können nicht darüber sprechen. Warum nicht? Es geht darum, wer die Erinnerung verwaltet, wer bestimmt, was passiert. Ich glaube, es würde auch jetzt enorm helfen, wenn die Gesellschaft besser mit dem Trauma des Bürgerkriegs umgehen könnte. Wir müssen SURPRISE 372/16

das historisch aufarbeiten, damit wir uns eine bessere Zukunft vorstellen können. Würden wir das tun, könnten wir aus der Krise heraustreten. Was macht die Krise mit den Griechen? Niemand kann voraussehen, was am nächsten Tag passiert. Diese Unsicherheit beschäftigt die Menschen: Werde ich Arbeit haben? Wird mein Gehalt noch dasselbe sein? Jeder ist ängstlich und zutiefst verunsichert. Die Austeritätsmassnahmen sind so brutal, sie verändern die Rahmenbedingungen, mit denen die Menschen leben. Es ändert ihre Identität. Inwiefern? Alles hat sich verändert: Die Art, wie du zum Supermarkt gehst. Die Art, wie du mit deinem Geld umgehst, das immer weniger wird. Die Alten sind wieder mit ihren Kindern zusammengezogen, weil die Familien ihre Renten brauchen. Die jungen Menschen haben kein Geld für eine eigene Wohnung. Oder um zu heiraten. Oder ein Kind zu haben. Das ganze Leben ist durcheinander. Woher nehmen die Leute die Kraft, um weiterzumachen? Die Griechen waren schon immer gezwungen, Wege zu finden, um zu überleben. Sie machen das nicht zum ersten Mal. Denn unser Staat ist seinen Bürgern nicht freundlich gesinnt. Wenn dies in Deutschland oder den USA stattfände, wäre es sicher anders. Wo liegt der Unterschied? Der griechische Staat war immer gegen die Menschen, gegen die Bürger. Also mussten die Leute Wege erfinden, um mit Schwierigkeiten umzugehen. Das hängt eng damit zusammen, wie sich der Staat gegenüber seinen Bürgern verhält. ■

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Flucht Kein schwarzer Fleck In Idomeni stürzt Europas Politik die Menschen ins Elend. Während die Behörden abwesend sind, kümmern sich Freiwillige um Tausende Flüchtende. Christos Goudinakos war als einer der Ersten vor Ort, jetzt weiss der Grieche nicht mehr weiter.

VON SIMON JAEGGI (TEXT) UND ROLAND SCHMID (BILDER)

senz, sie bewacht die Bahngeleise nach Mazedonien und wartet in ihren blauen Bussen darauf, dass etwas geschieht. Über der Szenerie schwebt im Tiefflug eine Drohne.

«Food, please, give us food», rufen Menschen auf Englisch aus der Menge. Dutzende Männer, Frauen und Kinder drängen sich vor einem Das Gefühl, etwas tun zu müssen Container. Doch Christos Goudinakos hat alle Essensrationen verteilt, Vor dem Container von Christos Goudinakos hat sich die Menschendie Wärmebehälter sind leer. Hinter ihnen erstreckt sich eines der grössmenge aufgelöst. Der Grieche sitzt im Innern auf einer Holzpalette. Jetzt ten Flüchtlingslager, das auf europäischem Boden jemals entstanden ist. habe er Zeit, um ein paar Fragen zu beantworten, sagt er. Doch schon «Wir haben nichts mehr, kommt morgen wieder», ruft er laut. Hungrig, klingelt sein Handy: dringender Anruf eines Hilfswerks. Goudinakos teerschöpft und vom anhaltenden Regen durchnässt, war Goudinakos’ Eslefoniert mit leiser Stimme, immer wieder kommen andere Helfer in den sensausgabe für viele die einzige Gelegenheit auf ein warmes Essen an Container, wollen wissen, wo die restlichen Früchte gelagert sind, wann diesem Tag. Zuerst schloss Österreich seine Grenzen für Flüchtende, sie die Kleider aus dem Lieferwagen holen sollen, wer den Transport für dann Serbien und Ende Februar schliesslich Mazedonien. Jetzt sitzen in den morgigen Tag organisiert. Goudinakos steckt das Telefon wieder in unmittelbarer Nähe zum stacheldrahtbewehrten Grenzzaun 14 000 die Jackentasche, steht auf und geht mit raschen Schritten zu einem anMenschen in Griechenland fest, genau zählen kann sie niemand mehr. deren Container mit Essensvorräten hinüber, wo er kontrolliert, wieviel Alleine zwischen Ende Februar und Mitte März hat sich ihre Zahl verwovon da ist. Dazwischen beantwortet er den Helfern weitere Fragen, dreifacht. schickt zwei von ihnen zum Kleiderlager, zündet sich eine Zigarette an Wer das Camp zum ersten Mal betritt, dem stockt der Atem. Nicht und drückt sie nach ein paar Zügen wieder aus. Wie an einem Pulsnur wegen des beissenden Rauchs der vielen kleinen Feuer, in denen die messer lässt sich an Goudinakos die Unruhe ablesen, die das gesamte Bewohner Abfall und nasses Holz verbrennen, um sich zu wärmen. Hunderte von Campingzelten, in denen oft ganze Familien leben, versinken im Schlamm. Wer sich hier auf die Suche nach einem Vertreter des griechischen StaaHustende Kinder waten in Stoffschuhen durch tes oder der EU macht, der sucht vergebens: Die Behörden überlassen die Wasserlachen. Am Strassenrand bricht ein Versorgung gänzlich den Hilfswerken und Freiwilligen. Mann erschöpft zusammen, andere tragen ihn eilends ins überfüllte Krankenzelt, zwei MänCamp im Griff hat. Pausenlos bewegen sich Menschen über die Feldwener mit amputierten Beinen kämpfen sich in Rollstühlen über den Feldge, via Lautsprecher rufen die Hilfswerke Namen auf, Sirenen von Amweg. Zwischen den Zelten spielen und lachen Kinder: Anscheinend sind bulanzfahrzeugen erschallen, vereinzelt ertönt Geschrei, und immer es die Schwächsten, die sich der harschen Situation am leichtesten anwieder kommt es zu spontanen Kundgebungen am Grenzzaun. passen. Im Lager fehlt es an ausreichender medizinischer Versorgung, Der Grafikdesigner Goudinakos gehört zum Verein Oikopolis, der vor an Kleidern und trockenen Zelten. drei Jahren aus einer Umweltbewegung entstanden ist und sich seither Wer sich hier auf die Suche nach einem Vertreter des griechischen für Flüchtende engagiert. Vor einem Jahr setzte Goudinakos sich zum Staates oder der Europäischen Union macht, der sucht vergebens: Die ersten Mal ins Auto und fuhr eine Stunde von Thessaloniki ins LandesBehörden überlassen die Versorgung gänzlich den Hilfswerken und Freiinnere nach Idomeni. Damals waren die beiden Personendurchgänge im willigen. Einzig in Form der Bereitschaftspolizei markiert der Staat Prä-

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MĂśchten nicht wie Ware umhergeschoben werden: Demonstranten vor einem Mannschaftswagen der griechischen Polizei im FlĂźchtlingscamp von Idomeni. SURPRISE 372/16

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Per Telefon spricht Christos Goudinakos sich mit anderen Freiwilligen ab. Seit einem Jahr kümmert er sich um die Versorgung von Flüchtlingen in Idomeni.

ren Anlagen. Der Holländer Jan van’t Land ist bei MSF verantwortlich Grenzzaun noch geöffnet, die Menschen blieben für ein paar Stunden für Nordgriechenland. Zuletzt arbeitete er in Flüchtlingslagern in Somaoder eine Nacht, bevor sie die Grenze nach Mazedonien passierten. «Die lia und Nord-Nigeria, jetzt braucht es ihn mitten in Europa. Wer mit ihm Flüchtenden zu sehen, machte mich betroffen und ich hatte das Gefühl, spricht, trifft auf jene Art ungläubige Empörung, welche die Menschen etwas tun zu müssen.» Damals, sagt er, sei die Situation noch einfacher gewesen. «Doch inzwischen ist es für uns Freiwillige unmöglich, alle hier zu versorgen. Wir Im und ums Lager hat sich eine Mini-Industrie entwickelt. Auch Griechen können unterstützend tätig sein, aber nicht die wittern in der neu entstandenen Zeltstadt ein Geschäft. Hauptverantwortung übernehmen.» Täglich kochen und verteilen die griechischen Helfer hier vereint. «Diese Leute sind auf der Flucht vor einem Krieg. Sie dabei von Oikopolis 4000 warme Mahlzeiten in Idomeni, so viele wie niemand allein zu lassen ist unakzeptabel und eine Schande. Das ist Europa, sonst vor Ort und dennoch viel zu wenige, wie Goudinakos sagt. Zudem Griechenland liegt in Europa. Das ist nicht irgendein schwarzer Fleck versorgen sie die Menschen mit den Dingen, an denen es am meisten am Ende der Welt.» Dafür, dass die Behörden völlig abwesend sind, gefehlt. «Zurzeit sind das vor allem trockene Zelte und Holzpaletten, damit be es eine einfache Antwort, sagt van’t Land. «Niemand will, dass hier sie nicht mehr im Schlamm schlafen müssen.» ein Camp ist, und ich bin völlig einverstanden: Hier ist ein schlechter Ort für ein Camp. Aber es gibt hier mehr als 10 000 Leute, faktisch ist es Frust über Europas Untätigkeit also ein Camp. Nichts zu tun ist von einem humanitären und mediziniNebst Oikopolis gibt es Dutzende weitere private Gruppen, die in schen Standpunkt aus gesehen nicht akzeptabel.» Idomeni Hilfe leisten. Darunter spontan agierende Zusammenschlüsse, von Studenten bis zu professionell arbeitenden Klein-Hilfswerken. Die Das Geschäft mit den Flüchtenden Helfer kommen nebst Griechenland aus Deutschland, der Schweiz, aus Das Lager bei Idomeni erstreckt sich über eine Fläche, die fast so Holland, Österreich oder Skandinavien. Für einige Tagen oder Wochen gross ist wie 30 Fussballplätze. Die Zelte stehen auf den Feldern, entlang bleiben sie vor Ort, verteilen auf eigene Faust Kleider und Essen oder der Bahnstrecke, im Wald und auf dem Perron des Dorfbahnhofs. Vor eiunterstützen die grossen Nichtregierungsorganisationen, die in weissen nem Zelt sitzt ein Mann mit seinen Kindern und spielt auf seiner arabiContainern ihre Büros eingerichtet haben. Vor Ort sind unter anderem schen Laute ein Lied. Zeltnachbarn helfen sich gegenseitig aus mit dem der UNHCR, das Internationale Rote Kreuz und Médecins Sans Frontiwenigen, was sie haben. Auf ein kurzes Gespräch folgt rasch eine Einères (MSF). ladung ins Zelt zu einem Kaffee. In der Nähe verkaufen junge Syrer laut Letztere haben faktisch die Leitung des Camps übernommen: Nebst rufend Zigaretten, neben den wenigen Steckdosen an den Containern der medizinischen Hilfe baut die Organisation Grosszelte für Hunderte warten Männer mit Rasiergeräten und Spiegeln auf Kundschaft und vervon Menschen, verteilt Lebensmittel und kümmert sich um die sanitä-

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suchen so, etwas zu verdienen. Im und ums Lager hat sich eine MiniIndustrie entwickelt. Auch Griechen wittern in der neu entstandenen Zeltstadt ein Geschäft. Ein Bauer aus der Gegend kauft in der Stadt Telefonkarten fürs Handy und verkauft sie hier mit Gewinn weiter. Den Lagerraum am Bahnhof haben drei Männer aus der Gegend zu einem Laden umgewandelt, in dem sie Gaskocher, Gummistiefel, Zelte und Taschenlampen verkaufen. Einige Meter weiter befindet sich das Bahnhofsbuffet, das bis vor einem Jahr geschlossen war. Jetzt sind alle Tische besetzt, vor der Theke warten die Leute in langer Schlange. Wer es sich leisten kann, verpflegt sich hier mit Sandwiches, Pommes oder kleinen Hackbällchen. Etwas erhöht hinter dem Bahnhof, im einzigen Dorfladen Idomenis, macht Ayesia Sidiropoulou das Geschäft ihres Lebens. Eine Gruppe Frauen mit Kopftüchern steht im engen Raum vor dem Getränkeregal. «Früher warteten wir manchmal Stunden auf einen Kunden. Jetzt werden wir überrannt», sagt Sidiropoulou mit rauer Stimme. Sie müsse fast jeden Abend in die Stadt fahren, um ihr Lager aufzufüllen. Frisches Brot, Joghurt und Milch sind bis mittags bereits wieder ausverkauft. Für mehr Vorräte sei jedoch ihr Lager zu klein, sagt sie. Während Sidiropoulou erzählt, betritt ein Mann aus dem Camp den Laden. Die Haut des Syrers ist hell, die Augen blau. Er trägt einen grünen Regenschutz wie jene, die von den Hilfswerken im Lager verteilt werden und die hier fast alle tragen. Er komme nicht wegen Essen, sagt er. «Ich brauche Zigaretten für meinen Kopf, um zu vergessen, was uns hier geschieht.» Seit drei Wochen lebe er nun mit seiner Frau und der kleinen Tochter bereits im Camp. «Ich bin so müde. Wir warten und warten, aber worauf?» Dann wendet er sich der Verkäuferin zu und bestellt fünf Packungen Marlboro. «Du solltest aufhören zu rauchen», sagt sie ihm freundlich lachend. «Von dem Geld solltest du lieber Essen kaufen.» «Ja», antwortet er. «Wenn ich in Europa bin, dann höre ich auf zu rauchen. Dann fange ich zu trinken an.» Als er den Laden verlassen hat, erzählt die Inhaberin von ihrer Überforderung. Manchmal sei sie traurig und wütend zugleich. «Alle in Europa weinen um diese armen Leute, aber niemand tut etwas. Wenn Merkel die Flüchtlinge noch möchte, dann soll sie Züge schicken und sie holen kommen!» Demonstrationen gegen die Hilflosigkeit Im Lager ist es Abend geworden. Auf dem Bahnübergang haben sich mehr als 100 Menschen versammelt, während der Regen auf sie niederfällt. «Germany, Germany!», skandieren sie. Und: «Merkel, Merkel!», «Open the border!» Männer und Frauen klatschen, pfeifen, strecken ihre Kinder oder beschriftete Kartons in die Höhe, die Auslöser der umstehenden Fotografen klicken, Filmteams halten ihre Kameras auf die Gruppe, die Polizisten aus den Mannschaftsbussen verstärken ihre Kollegen auf dem Zuggleis. Nach einer Weile löst sich die Menschenmenge auf. Jeden Tag gibt es solche Kundgebungen, Zeichen der verzweifelten Hoffnung auf eine Öffnung der Grenzen. Inzwischen ist Christos Goudinakos mit seinen Kollegen beim Aufräumen. Er entsorgt Essensabfälle, reinigt die Schneidebretter. Dann will er nochmals die Lagerbestände kontrollieren und verschwindet. Zehn Minuten später kommt er zurück, alles da für den nächsten Tag. Er schliesst den Container ab, öffnet seinen Regenschirm und macht sich gemeinsam mit einem weiteren Helfer auf den Weg zum Auto, über die Feldwege, vorbei an den Zelten und Feuern. «Am Ende des Tages haben wir immer das Gefühl, dass wir nicht genügend tun konnten», sagt er mit brüchiger Stimme. «Jeden Abend gehen wir nach Hause, sicher, trocken, und sie lassen wir hier.» Neben ihm geht Markus, ein pensionierter Flugbegleiter. Auch seine Grosseltern seien Flüchtlinge gewesen, sagt er, und aus Asien nach Griechenland gekommen. Flucht sei Teil seiner Vergangenheit, deshalb fühle er sich verpflichtet zu helfen. Schliesslich, sagt er, sei es mit dem Krieg immer dieselbe Geschichte: «Einer baut grossen Mist und viele andere bezahlen dafür.» ■ SURPRISE 372/16

Ayesia Sidiropoulou hinter der Theke des Dorfladens.

Zelte soweit das Auge reicht: das Flüchtlingscamp in Idomeni.

Ein bisschen Geld verdienen: improvisierter Barbier im Camp.

Demonstrieren im Regen: Geflüchtete in Idomeni.

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Kommentar Wo Europa beginnt Warum der chinesische Künstler Ai Weiwei für Europa sprechen muss – und was das bedeutet. VON SIMON JÄGGI (TEXT UND BILD)

Kein griechischer Beamter, kein europäischer Gesandter: Es ist der chinesische Künstler Ai Weiwei, der an diesem Nachmittag in Idomeni im Schlamm steht und vor den Kameras der versammelten Presse ausspricht, was hier viele denken: Es sei beschämend, wie die Menschen hier leben müssen, Europa verrate seine Werte, die Staaten müssten handeln. Seit mehreren Tagen hält sich der Weltstar der Kunstszene bereits im Camp auf, stellte zwischen Zelten einen weissen Klavierflügel auf und liess sich von einem Syrer die Haare schneiden. Alles medienwirksam inszeniert und über die sozialen Netzwerke tausendfach verbreitet. Man kann ihm danken, dass er die Aufmerksamkeit auf Idomeni lenkt oder, wie das viele tun, ihn dafür kritisieren, dass er die Flüchtlingskrise zur eigenen Inszenierung nutzt. Doch der eigentliche Skandal ist ein anderer: Erst in Abwesenheit von Beamten und Politikern schwenken die Kameras in Idomeni auf Prominente um. Dabei wären es die EUVerantwortlichen, die hier vor die versammelten Medien treten und Verantwortung übernehmen müssten. Denn dass in Idomeni Tausende unter unerträglichen Bedingungen festsitzen, ist die logische Folge einer chaotischen europäischen Migrationspolitik. Doch die Staatengemeinschaft ignoriert die Lage nach Kräften, überlässt Künstlern die Ansprachen und überforderten Hilfsorganisationen die Versorgung der Menschen. Als Folge gedeihen Ohnmacht, Wut und Resignation. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt, denn dieser Ort, von dem sich die Geflüchteten Schutz und Sicherheit versprachen, liegt für sie immer noch in der Ferne. Wir wollen weiter, sagen sie, nach Europa. Sie können nicht glauben, dass sie dort bereits sind. ■

Wenn Ai Weiwei schweigend am Wegesrand steht, wissen wir: Hier geschieht Unrecht.

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BILD: ZVG

Fremd für Deutschsprachige Ein Bein in Bosnien, eins in Basel Meine Winter als Erwachsene sind kaum zu vergleichen mit jenen als Kind. Die Winter der Gegenwart sind zunehmend grau und beherrscht von monochromen Politplakatgeschichten. Die Winter von damals hingegen sind in meinem Gedächtnis nicht nur kälter und weisser, sondern auch voll bunter Geschichten, die bis heute lebendig sind. So auch der Winter, in dem ich Schlittschuhlaufen lernte und Nada traf. Ein Schwarm Kinder kreiste auf der Eisbahn hinter dem Schulhaus. Nada war eine von ihnen. Die Jacke zu kurz, zog sie ihre wackligen Runden. Sie hielt die Augen ständig aufs Eis fixiert, um etwaige Kieselsteine frühzeitig zu erkennen, die da rumliegen mochten. Nada erzählte mir, sie habe ein mulmiges Gefühl, weil SURPRISE 372/16

sie keine Handschuhe trage. Einmal habe nämlich ein Mädchen auf diese Weise vier ihrer Finger verloren: Ohne Handschuhe war sie auf der Eisbahn umgefallen. Schnelle, scharfe Kufen unter schweren Kinderkörpern hatten ihr die Finger durchschnitten. Wir zogen enge, überschaubare Kreise in einer Ecke des Eisfeldes und dachten an das wässrige Rot und die vier unordentlich verstreuten Finger auf dem Eis. Als Nada an dem Tag über 20 Minuten zu spät nach Hause kam, vergass sie sofort die Ausrede, die sie sich zurechtgelegt hatte. Auf einem der metallbeinigen Stühle in ihrer Küche sass Frau Sehic aus der Wohnung obendrüber und weinte. Nadas Mama sass daneben. Sie hatte Frau Sehic die Hand auf die Stelle gelegt, wo der Kopf in den Nacken übergeht, wie bei einem Neugeborenen. Später, als Nada oben in ihrem Etagenbett lag und gegen die nahe Decke dachte, fiel ihr auf, dass sie an diesem Nachmittag nur knapp daran vorbeigeschlittert war, das Schicksal des Mannes zu teilen, der nun gestorben war. Wäre sie hingefallen und ihr jemand über die Hand gefahren, hätte sie einen oder mehrere Finger verloren. Der Mann, der gestorben war, der Vater von Frau Sehic, hatte keine Finger verloren, dafür die Beine. Was nichts mit seinem Tod zu tun hatte, ab waren sie vorher schon gewesen. Nada hatte den Mann, damals einbeinig, einmal in Bosnien getroffen. Er stand auf eine

Holzkrücke gestützt neben ihrem Papa und erzählte ihm von seiner harten Arbeit «unter Tito». Nada schaute sich währenddessen das Stück Feldweg unter dem rechten Knie des Mannes an. Eine Lücke, die eigentlich von Wade und Fuss hätte besetzt sein müssen. Das dunkle Hosenbein hatte der dünne Mann einfach nach hinten hochgeklappt. Beim Einschlafen dachte Nada daran, dass ihre Mama gesagt hatte, der Mann habe nun endlich Ruhe gefunden, nachdem er seit seiner Pensionierung immer zwischen Bosnien im Sommer und der Schweiz im Winter hin und her gependelt sei. Nun würde er in Bosnien beerdigt. Der Rest des Mannes sollte also in derselben Erde begraben werden wie sein rechtes Bein. Während das linke allein in Basel bleiben würde – Nada wusste nämlich noch, dass ihm dieses «Raucherbein», wie sie es nannten, zwei Jahre nach der Pensionierung hier abgenommen worden war. Als Nada und ich einen Tag später die Schlittschuhe von den wunden Füssen zogen, sagte sie: Seltsam, der Mann ist jahrelang zwischen seinem rechten und seinem linken Bein hin und her gependelt.

SHPRESA JASHARI (SHPRESAJASHARI@HOTMAIL.COM) ILLUSTRATION: RAHEL NICOLE EISENRING (RAHELEISENRING.CH)

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BILD: TOM GAULD (AUSSCHNITT)

BILD: ZVG

Kultur

Die vermessene Schweizer Seele.

Schöngeistige Roboter fliegen nicht ohne gute Lektüre ins All.

Buch Schweiz total

Comics Witz im Weltall

Ein Buch voll bunter Infografiken fördert die Fakten hinter dem Mythos Schweiz unterhaltsam zutage.

Der britische Cartoonist Tom Gauld zeichnet steinzeitliche Roboter, schüchterne Monster oder streitende Möbelstücke: Demnächst zu sehen am Fumetto in Luzern.

VON CHRISTOPHER ZIMMER VON PHILIPP SPILLMANN

«Total alles über die Schweiz» verspricht der Titel von Susann Sitzlers Buch. Ein hoher Anspruch – und wohl schwerlich einzulösen, schon gar nicht auf nur 128 Seiten. Doch natürlich ist das nicht bierernst zu nehmen. Schliesslich handelt es sich nicht um ein statistisches Jahrbuch, sondern um ein bunt bebildertes Kompendium, das sich amüsantes Infotainment auf die Schweizer Fahne geschrieben hat. Welche Spanne dabei abgedeckt wird, verrät der Blick ins Inhaltsverzeichnis, das von 1. August bis Zürich reicht – und somit die Brücke von Mythos, Tradition und Urschweiz bis zur urbanen Gegenwart schlägt. Da passt viel Praktisches, Ausgefallenes, Informatives und auch eine gehörige Portion Augenzwinkern hinein. Natürlich kommen die Klischees dabei nicht zu kurz, doch liefert Sitzler zu allem die Hintergründe. Zu Birchermüesli, Röschti und Fondue u.a. die Rezepte, zu Alphorn, Käse und Schoggi Fakten und Herstellung, zum Sackmesser die Palette der Funktionen. Ob Bunker, Banker und Bankgeheimnis, Rütliwiese und Nationalhymne, Tell und Heidi oder Cervelat nebst Prominenz, die Klischees werden nicht nur bedient, sondern zum Ausgangspunkt für allerlei Erhellendes und Erheiterndes – wozu die klaren, durchdachten und abwechslungsreichen Grafiken und Illustrationen von no.parking (vier Gestalterinnen in Vicenza) massgeblich beitragen. So werden mit derselben Leichtigkeit wie urchige Flüche, Flur- und Familiennamen selbst trockene Themen wie Verkehr, Lebenshaltungskosten, Zersiedelung, politische und Bevölkerungsstrukturen zugänglich gemacht – bis hin zum tristen Schlusspunkt von Drogen und Suizid. Dass all dies konsequent zweisprachig in Deutsch und Englisch präsentiert wird, lädt In- wie Ausländer gleichermassen zum unterhaltsamen Schmökern ein. Wobei sich bald schon zeigt, dass dieses kleine Land bei all seinen Eigenarten doch in vielem ein Abbild der grossen Welt ist – ein Teil des Ganzen und keine Insel. Susann Sitzler: Total alles über die Schweiz / The Complete Switzerland.

Zwei freundliche kleine Figürchen in antiker Rüstung schlagen sich mit Schwert, Hammer und gleichgültiger Miene die Köpfe ein. Daneben steht eine Frau im Astronautenanzug und schreibt etwas in ihr Notizbuch. Sagt der eine schulterzuckend zum anderen: «Sie ist eine Geschichtslehrerin aus der Zukunft und meint, wir sollen einfach so tun, als wäre sie gar nicht da.» Der Humor des schottischen Cartoonisten Tom Gauld, Jahrgang 1976, ist bitterböse, staubtrocken und bis zum Anschlag geladen mit Ironie. Er zeichnet superminimalistisch. Mit wenigen Strichen skizziert er absurde Alltagsszenen aus dem Leben von sentimentalen Ungeheuern, depressiven Fabelwesen oder faulen Killerrobotern. «Ich siedle meine Cartoons gerne in ungewöhnlichen Welten an», meint Gauld, und so setzt er seine Roboter in die Steinzeit, ins Mittelalter oder die ferne Zukunft und skizziert so eine quasi unentdeckte Geschichte der Roboter-Evolution. Mit seinen charmanten Cartoons hat er sich Fans auf der ganzen Welt geschaffen. Er zeichnet für The New Yorker oder The Guardian und veröffentlicht Comicbücher mit Titeln wie «You’re All Just Jealous of My Jetpack» (so heisst die Sammlung an Cartoons, die für den Guardian entstanden sind). Ein Panorama seiner Bilderwelt findet sich jetzt am Comic-Festival Fumetto in Luzern. Gaulds Roboter sind mal harmlos, mal bedrohlich, mal verzweifelt oder sarkastisch. Er sieht seine maschinellen Kreaturen als ironische Mischung aus Anti-Mensch und Alter-Ego: «Ich finde Roboter an sich schon lustig und tragisch zugleich. Wahrscheinlich, weil sie irgendwo zwischen Gebrauchsgegenstand und intelligentem Wesen stehen. Sie sind einerseits genau wie wir, anderseits aber eben gerade wieder nicht.» Seine Roboter vergräbt Gauld fürs Fumetto dann auch konsequent in den Archiven der menschlichen Geschichte. Genauer: Im Historischen Museum Luzern, wo er die Zeichnungen in der Sammlung verstecken wird. Dort warten sie dann wie immer darauf, dass vielleicht doch irgendwann einmal etwas passiert.

Infografiken von no.parking. Folio Verlag 2015. 28.90 CHF

Fumetto – Internationales Comix-Festival Luzern, 16. bis 24. April; Tom Gauld: Historisches Museum Luzern, Pfistergasse 24, Luzern; Vortrag (auf Englisch): So, 24. April, 11 Uhr, Maskenliebhabersaal, www.fumetto.ch

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Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.

Dieses Gemüse mag traurig aussehen. Aber nur, bis ein kundiger Koch kommt.

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Imbach Reisen AG, Wanderreisen, Luzern

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Institut und Praxis Colibri, Murten

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Scherrer & Partner GmbH, Basel

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Fischer + Partner Immobilien AG, Otelfingen

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Petra Wälti Coaching, Zürich

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Bachema AG, Schlieren

07

Pro Lucce, Eschenbach SG

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Mcschindler.com GmbH, Zürich

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Burckhardt & Partner AG, Basel

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Schluep & Degen Rechtsanwälte, Bern

Die Schwarzwurzel hat nicht nur einen irreführenden Namen, sondern auch mit Vorurteilen zu kämpfen: dass sie kaum zu rüsten sei und langweilig schmecke. Das erste stimmt nicht, wenn Sie vor dem Rüsten Ihre Hände mit etwas Olivenöl einreiben und so verhindern, dass der milchig-klebrige Saft, der beim Rüsten ausritt, an Ihrer Haut haften bleibt. Und dass Schwarzwurzel aus der Dose oder unter einer Béchamelsauce uninteressant ist, liegt ja nicht an ihr. Überzeugen Sie sich also selbst davon, wieviel diese Wurzel neben sehr vielen Nährstoffen zu bieten hat. Die Schwarzwurzel ist von Ende Oktober bis knapp in den Mai des Folgejahres zu haben. Sie sollte aber erst kurz vor ihrem Genuss vorsichtig aus der Erde gegraben werden, wo sie bestens überwintern kann. Nicht gemütlich findet es die Wurzel im Keller oder Kühlschrank, wo sie bald zu treiben beginnt. Wer sie unbedingt noch ein paar Tage lagern muss, gräbt sie am besten im Garten wieder unter ein bisschen Erde ein. Nach dem Rüsten muss die elfenbeinfarbene Wurzel unverzüglich in eine Schüssel mit Zitronenwasser, sonst läuft sie augenblicklich schwarz an und macht ihrem Namen ungebührlich Ehre. Üblicherweise wird sie jetzt in Stücke geschnitten und im Salzwasser blanchiert, bis sie weich ist. Dann mit etwas frischem Schnittlauch, handgeriebenem Meerrettich, Olivenöl und mildem Essig angemacht, hat man bereits einen sehr kalorienarmen, aber schmackhaften Salat. Und so wird sie noch etwas raffinierter: Die Schwarzwurzeln halbieren und mit der Schnittfläche nach unten in die Pfanne legen. Mit Wasser auffüllen, bis die Stangen zu etwa zwei Dritteln mit Wasser bedeckt sind. Drei Lorbeerblätter und eine Knoblauchzehe zugeben und aufkochen. Köcheln lassen, bis das Wasser vollständig verdunstet ist, anschliessend die Hitze etwas reduzieren und braten, bis die Schwarzwurzeln rundum braun sind. Die Schwarzwurzeln fangen nach einiger Zeit zu karamellisieren an. In einer kleineren Sauteuse in etwas Butter eine fein gehackte Schalotte anziehen lassen und feine Streifen Federkohl dazugeben. Sobald der Kohl etwas von seinem Biss verloren hat, ein paar Esslöffel weissen Balsamico hinzugeben und mit Salz und Pfeffer abschmecken. Alles über die Schwarzwurzeln geben, einen mittelreifen Ziegenkäse darüber zerbröckeln und mit ein paar gerösteten Haselnüssen anrichten.

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AnyWeb AG, Zürich

12

TYDAC AG, Bern

13

InhouseControl AG, Ettingen

14

Hauswirth Privat-Pflege, Oetwil am See

15

Supercomputing Systems AG, Zürich

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Frank Blaser Fotograf, Zürich

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Balcart AG, Therwil

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Oechslin Architektur GmbH, Zollikerberg

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Kaiser Software GmbH, Bern

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Klinik Sonnenhalde AG, Riehen

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Doppelrahm GmbH, Zürich

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Maya-Recordings, Oberstammheim

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Hofstetter Holding AG, Bern

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CMF Zentrum für Achtsamkeit, Zürich

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Schweizerisches Tropen- und Public Health-

Bezugsquellen und Rezepte: www.piattoforte.ch/surprise

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Piatto forte Der Spargel des armen Mannes Wächst auch komplett unter der Erde, schmeckt aber total anders als Spargel: die Schwarzwurzel. VON TOM WIEDERKEHR

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Institut, Basel

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

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Visions du Réel Die Welt am Genfersee Visions du Réel, beheimatet in Nyon am Genfersee, zählt zu den wichtigsten Festivals für Dokumentarfilmproduktionen. Das Programm «Fokus» zeigt dieses Jahr, wie sich das Filmland Chile mit seiner Vergangenheit auseinandersetzt.

Seit sechs Jahren setzt Visions du Réel jeweils einen Länderfokus – in vergangenen Jahren auf Kolumbien, Bosnien und andere sich rasch entwickelnde Länder. 2016 ist es Chile. «Die Filmindustrie hat sich in den letzten Jahren in Chile stark entwickelt», sagt Festival-Direktor Luciano Barisone. «Die Demokratie beeinflusst Kunst und Kino positiv.» Das Festival zeigt nun 15 fertige Dokumentationen aus dem südamerikanischen Land und stellt fünf Filmprojekte in der Entstehungsphase vor. Das Land, von seiner Form her eigentümlich schmal, erstreckt sich über 4000 Kilometer und ist damit von einer geografischen wie sozialen Vielfalt geprägt. «Diese möchten wir am Festival entdecken», erklärt Barisone. Doch nicht nur die Diversität steht im Fokus der ausgewählten Dokumentarfilme. Viele Regisseure setzen sich mit der bewegten Vergangenheit des Landes auseinander: etwa mit dem Genozid an der Urbevölkerung durch die europäischen Einwanderer Ende des 19. Jahrhunderts und ihre bis heute andauernde Verdrängung. Oder mit der 17 Jahre dauernden Diktatur, die über 3000 Menschen das Leben kostete und während der 30 000 weitere verhaftet und gefoltert sowie Hunderttausende in die Flucht getrieben wurden. Erst Ende der Achtzigerjahre kam es zu einer vom Regime kontrollierten Demokratisierung. Die Regisseurin Macarena Aguilo zeigt, wie diese anderthalb Jahrzehnte Diktatur Land und Leute bis heute prägen. Zwei ihrer Filme werden in Nyon gezeigt. Ihr Debüt «The Chilean Building» erhielt vor fünf Jahren internationale Aufmerksamkeit und Auszeichnungen. Es erzählt von den Kindern, welche im Heim «Projekt Zuhause» in Kuba aufwuchsen; ihre Eltern kämpften als Anhänger des Movimiento de Izquierda Revolucionaria (MIR), der Bewegung der revolutionären Linken, gegen das Pinochet-Regime. Ein persönlicher Film: Durch die Recherche und Aufarbeitung versuchte die Regisseurin ihre eigenen Eltern zu verstehen. In ihrem neuen Dokumentarfilm «La Causa» begleitet Aguilo eine Frau, die als Kleinkind vom Geheimdienst aus ihrer Familie gerissen wurde. Jetzt wird

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VON EVA HEDIGER

«A Tale of Love, Madness and Death»: ein persönlicher Film über eine schwierige Familiensituation.

der Fall neu aufgerollt. Während das Gericht tagt, ermittelt die Protagonistin auf eigene Faust. Der Film zeigt nicht nur die Überzeugung, sondern auch die Kraft, welche die Frau aus Gedanken, Büchern und Träumen schöpft. «In den ausgewählten Dokumentarfilmen werden viele Fragen gestellt und beantwortet», erklärt Festival-Direktor Luciano Barisone. Doch nicht nur die thematische Sorgfalt des Programms ist ihm ein Anliegen: «Wir legen grossen Wert auf die Ästhetik der Filme.» Das Festival will speziell dem filmischen Nachwuchs eine Plattform bieten. Die meisten der chilenischen Regisseure sind jung und stehen am Anfang ihrer Karriere. So auch der 1991 geborene Mijael Bustos Gutiérrez, dessen Film «A Tale of Love, Madness and Death» – ein persönliches Werk über seinen schizophrenen Onkel und seine krebskranke Grossmutter – bereits international als bester DokumentarKurzfilm ausgezeichnet wurde, so zum Beispiel am Krakow Film Festival oder am australischen Flickerfest. In Nyon wird auch Bustos’ «The Last Journey of a Nomad» gezeigt, der die Geschichte von Carlos Éden erzählt: Éden ist

ein Kawesqar, einer der letzten Vertreter der Ureinwohner Feuerlands, die durch weisse Siedler Anfang des 20. Jahrhunderts fast vollständig ausgerottet wurden. Heute setzt er sich für sein Volk und dessen Rechte ein und arbeitet als Aktivist in New York. Die schlechten Lebensbedingungen der Ureinwohner führen den Mann in den südlichen Teil des Landes. Während seiner Reise entdeckt Éden sein Heimatdorf neu, er spricht mit den Bewohnern und wird mit dem Verschwinden seiner Leute und Kultur konfrontiert. Am 19. April werden fünf aktuelle Projekte von chilenischen Regisseuren und Produzenten vorgestellt. Die vielversprechendste Idee erhält den «Prix visions sud-est» dotiert mit 10 000 Franken. Mit dieser Summe und der Aufmerksamkeit soll die unabhängige chilenische Filmindustrie gestärkt werden, die bereits heute eng mit europäischen Kreativen arbeitet – und trotzdem über eine eigene, faszinierende Identität verfügt. ■ Visions du Réel, 15. bis 23. April, Nyon www.visionsdureel.ch SURPRISE 372/16


BILD: ANDY TOBLER

BILD: FISCHTEICH BILD: ZVG

Ausgehtipps

Kritisch nachdenken mit dem Sektkübel zu Füssen.

Basel Im Auge des Sturms

Hier können auch Schulversager punkten.

Zürich Populär und unnütz Laut, schrill und schräg ist dieser Spielabend der etwas anderen Art – wie Popkultur eben auch. Und er fordert Kinogängern, TV-Glotzern, Musikkennern, Comic-Fans, Klatschheftli-Lesern und Kunstliebhabern alles ab. Dabei dreht sich alles um die grossen und kleinen Protagonisten aus 100 Jahren Populärkultur. Gefordert sind universales Wissen, mutiges Schätzen und blitzschnelles Um-die-EckeDenken – denn oft punkten nur die Schnellsten. Und manchmal auch die Lautesten. In Gruppen bis maximal vier Personen spielen sich die Besucher durch 11 Kategorien: So sollen etwa bei «Effekthascher» Geräusche aus Film und Fernsehen erkannt oder bei «Lost In Translation» Songs erraten werden, deren Lyrics zuvor durch den Google-TranslatorFleischwolf gedreht wurden. Bei «Ordnungsamt» werden Dinge sortiert wie zum Beispiel Promis nach Anzahl ihrer Verhaftungen und bei «Skype Channel» Werke aus der Popkultur gesucht, dargestellt ausschliesslich durch Skype-Emoticons. Prämiert werden die erfolgreichsten Teams ebenso wie die besten Individuen. Alle anderen werden zumindest viel Unnützes gelernt und einen äusserst vergnüglichen Abend verbracht haben. (ami)

Behüt uns Gott – aber wovor eigentlich?

Aarau Das Böse von hinten

Sa, 23. April, 20 Uhr, Karl der Grosse, Kirchgasse 1,

Das Böse boomt: Am Bildschirm huldigen wir ihm in Gestalt von Krimis, Horrorfilmen oder der Tagesschau. Und in der nüchternen Sphäre der Politik wollen die einen dem Abendland den Flaschengeist der Islamisierung austreiben, während sich andere mit Julius Streicher und nochmals andere mit Hermann Göring herumschlagen. Was aber ist das Böse? Um dieser schon oft gestellten und ebenso oft unterschiedlich beantworteten Frage nachzugehen, schleicht sich die Ausstellung «In Teufels Küche» von hinten an und richtet den Blick nicht auf das Böse selbst, sondern darauf, wie wir es uns vom Leibe halten. Das Böse ist immer ein Konstrukt seiner Zeit und kommt in mannigfaltiger Gestalt von Mephisto bis IS-Kämpfer daher. Ebenso vielfältig sind die kollektiven und individuellen Abwehrmethoden. Am Ende steht auch die Frage: Sind unsere Abwehrmethoden selbst Teil des Schreckens? Führt die Flucht vor dem Bösen in Teufels Küche? Entlang verschiedener Sammlungen und Inszenierungen sucht die Ausstellung nach Antworten und wirft neue Fragen auf. (ami)

Zürich. www.karldergrosse.ch

«In Teufels Küche. Abwehrmethoden gegen das

Weitere Termine: Sa, 30. April, Mahogany Hall, Bern;

Böse», noch bis So, 29. Mai, jeweils Mi, Fr und

Sa, 28. Mai, Sääli zum Goldenen Fass, Basel;

Sa 12 bis 17 Uhr, Do 12 bis 20 Uhr, So 11 bis 17 Uhr,

Sa, 10. Sept., Neubad, Luzern.

Forum Schlossplatz, Schlossplatz 4, Aarau.

www.quizderpopulaerkultur.ch

www.forumschlossplatz.ch

«Das grosse und lange Quiz der Populärkultur»,

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Es ist erst ein paar wenige Wochen her, da diskutierte man wieder mal angeregt am konkreten Fall darüber, was gute und schlechte Kunst sei. Wir hatten mit Philipp Ruch ja schon unser eigenes Skandälchen entfacht, als er bei uns im Heft die Idee in den Raum stellte, wie die Welt ohne Roger Köppel wäre, nun hat er die Schweiz auch noch per Exorzismus zu entköppeln versucht. Und wir stellen fest: Nicht alle finden die gleiche Kunst gut. Wenn nun im Rahmen der Kunstbiennale Manifesta11 in Zürich auch noch Fäkalien zu Installationen verarbeitet werden, dann kann man jetzt schon sicher sein, dass auch das nicht ganz alle gut finden werden. Cathrin Störmer und Andreas Storm nehmen sich aber in ihren «Worst Case Szenarios» schlechter Kunst noch so gerne an, auch wenn sie sich dabei eher um scheussliches oder peinliches Machwerk kümmern als um provokatives. Anhand von illustren Fallbeispielen zeigen sie, dass der Weg von schlechter Kunst zu guter Unterhaltung nicht weit ist. Und da der Kunstmarkt boomt, wenden sich Storm/Störmer im aktuellen Programm der, wie sie es nennen, «schwierigen Seite der bildenden Kunst» zu. Eins ihrer Fallbeispiele hierfür: Sylvester Stallones Gemälde, die im Hotel Dolder in Zürich aufgehängt wurden. (dif) «Worst Case Szenarios: Bildende Kunst – Schlechte Kunst. Vorträge mit Fallbeispielen» (Lecture Performance), Di, 26. April, 20 Uhr, Rossstall 2, Kaserne Basel www.kaserne-basel.ch

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Verkäuferporträt «Immer wieder Autostop» René Senn, 64, verkauft seit zwölf Jahren Surprise an den Zürcher Stadtbahnhöfen Wiedikon und Enge. Er schlug sich ein Leben lang mit Gelegenheitsarbeit durch – bis es eines Tages hiess: Du bist zu alt.

«Als ich 16 war, hatte ich genug. Ich packte meine Sachen, hielt am Strassenrand den Daumen hoch und mit dem erstbesten Auto, das anhielt, fuhr ich mit. Die Reise führte mich durch ganz Westeuropa, bis sie mich irgendwo in Deutschland aufgriffen und wieder zurück in die Schweiz brachten. Ich war gleich nach der Geburt zu einer Pflegefamilie gegeben worden. Als ich sieben war, kam ich wieder zu meinen leiblichen Eltern. Aber als sich diese drei Jahre später scheiden liessen, bekam ich einen Vormund. Der stellte mich vor die Wahl: Erziehungsanstalt oder Arbeit auf einem Bauernhof. Da ich schon zuvor oft auf Bauernhöfen etwas für mich und meine Familie dazuverdient hatte, entschied ich mich für letzteres. Vier Jahre war ich Verdingbub bei einem Bauern im St. Galler Oberland. Das hiess: arbeiten am Morgen, arbeiten am Abend, arbeiten an den Wochenenden. Wäre die Schule nicht obligatorisch gewesen, hätte ich wahrscheinlich nicht einmal die grundlegendste Bildung genossen. Danach konnte ich zwei Jahre in einem Kurhotel in der Küche arbeiten. Das gefiel mir sehr, und ich hätte gerne die Lehre zum Koch gemacht. Aber mein Vormund hatte anderes vor: Eine Lehre im Autoservice, das habe Zukunft. Ich begann die Lehre, aber nach einem Monat hielt ich es nicht mehr aus und haute ab. Als man mich wieder zurückgebracht hatte, setzte sich meine Mutter dafür ein, dass ich nicht in eine Erziehungsanstalt musste. Ihr neuer Mann wurde mein Vormund. Der gab mir meinen Pass und sagte, ich solle es als Matrose versuchen. Das klang nach Abenteuer, und schon bald heuerte ich auf einem Öltanker an, der nach Kuwait fuhr. Das war 1968, der Suezkanal zwischen dem Mittelmeer und dem Roten Meer war wegen der Spannungen in der Region blockiert. Wir mussten um ganz Afrika herumfahren, was sehr schnell langweilig wurde. 1969 landete ich zum ersten Mal in Zürich. Und fing bald an, Drogen zu konsumieren, auch harte. Aber auch wenn ich süchtig war: Immer wieder brachte mich das Reisen per Autostopp zurück ins Gleichgewicht. Kaum sass ich in einem Auto und hatte die Grenze passiert, dachte ich nicht mehr an die Drogen. Später ging ich nach Holland, wo ich in einer Wohn- und Arbeitsgruppe des französischen Ordensbruders Abbé Pierre den Entzug schaffte. Ich blieb in Holland, und wie durch ein Wunder bekam ich eine Arbeitsbewilligung und konnte legal bei einer Versicherung als Archivar arbeiten. Das war damals als Schweizer in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft fast unmöglich, wenn man nicht top-ausgebildet war. Irgendwann zog es mich dann an die Sonne, das Wetter in Holland ist ja nicht das beste. Ich trampte ein halbes Jahr durch die USA, und als die Kohle zu Ende ging, ging ich nach Mexiko. Als ich dort ankam, hatte ich noch etwas über 400 Dollar in der Tasche. Und doch blieb ich am Ende vier Jahre dort. Ich lebte bei Leuten in den Slums und schlug mich irgendwie durch. Sammelte liegengebliebene Comics in der U-Bahn und

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BILD: AMI

AUFGEZEICHNET VON AMIR ALI

verkaufte sie dann in der Zona Roja in Mexiko-Stadt. Und ich unterrichtete Deutsch und Englisch, das brachte mir etwas Geld und viele gute Kontakte. Nach dem Erdbeben von 1985 kam ich zurück in die Schweiz und arbeitete, viel temporär, aber zum Beispiel auch sechs Jahre in der Betriebszentrale der Migros bei den internen Diensten. Als ich etwa 50 war, sagte man mir beim Vermittlungsbüro: Tut uns leid, aber du bist zu alt. Und dafür stellten Sie billige Marokkaner an. Das hat in mir eine riesige Wut auf dieses System ausgelöst. Nach zwei Jahren Arbeitslosigkeit landete ich in der Sozialhilfe. Jetzt bin ich pensioniert, und darüber bin ich nicht traurig. Als Sozialhilfebezüger muss man dauernd Belege liefern und Rechenschaft ablegen. Ich hoffe, dass ich es dieses Jahr nach Mexiko schaffe, um Leute zu besuchen. Und ganz ehrlich gesagt habe ich den Traum vom Auswandern noch nicht ganz aufgegeben. Mexiko wäre schön. Oder sonst ein Ort, wo ich das Rentnerdasein geniessen kann.» ■ SURPRISE 372/16


SurPlus – eine Chance für alle! Werden Sie Gotte oder Götti bei SurPlus Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten. Menschen, die kaum Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt wieder Struktur und mehr Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Das verdient Respekt und Unterstützung. Das Spezialprogramm SurPlus ist ein niederschwelliges Begleitprogramm für ausgewählte Surprise-Verkaufende, die regelmässig das Strassenmagazin

verkaufen und hauptsächlich vom Heftverkauf leben. Diese Verkaufenden erhalten nur geringe soziale Ergänzungsleistungen und werden im Programm SurPlus gezielt vom Verein Surprise unterstützt: Sie sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit, Nahverkehrsabonnement) und werden bei Problemen im oft schwierigen Alltag begleitet. Mit einer Patenschaft leisten Sie einen wesentlichen Beitrag für die soziale Absicherung der Verkaufenden und ermöglichen ihnen, sich aus eigener Kraft einen Verdienst zu erarbeiten. Vielen Dank für Ihr Engagement!

Elsa Fasil Bern

Kostana Barbul St. Gallen

Ralf Rohr Zürich

Marlis Dietiker Olten

Negasi Garahassie Winterthur

Josiane Graner Basel

Tatjana Georgievska Basel

Emsuda Loffredo-Cular Basel

Anja Uehlinger Baden

Fatma Meier Basel

Haimanot Ghebremichael Bern

Oliver Guntli Bern

Roland Weidl Basel

Daniel Stutz Zürich

Ja, ich werde Gotte/Götti und unterstütze das SurPlus-Programm von Surprise! 1 Jahr: 6000 Franken

1/2 Jahr: 3000 Franken

1/4 Jahr: 1500 Franken

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1 Monat: 500 Franken

372/16 Talon bitte senden oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, 4051 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch, PC-Konto 12-551455-3 SURPRISE 372/16

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Surprise – mehr als ein Magazin

Ich möchte Surprise abonnieren! 24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.)

Hilfe zur Selbsthilfe Surprise unterstützt armutsbetroffene Menschen – beim Strassenverkauf, Strassenchor oder Strassensport, dem Sozialen Stadtrundgang oder Café Surprise: Der Verein fördert die soziale Integration der Betroffenen. Surprise gibt das vierzehntägig erscheinende Strassenmagazin heraus. Eine professionelle Redaktion produziert das Heft zusammen mit einem Netzwerk aus freien Journalisten, Fotografen und Illustratoren. Das Magazin wird auf der Strasse verkauft. Über 350 armutsbetroffene Menschen, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten über den Strassenverkauf eine Erwerbsmöglichkeit und eine Tagesstruktur. Die Hälfte des Magazinerlöses behalten die Verkaufenden. Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht sozial ausgegrenzten Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit z.B. mit dem Sozialen Stadtrundgang in Basel und Zürich. Die Surprise-Stadtführer sind Armutsbetroffene, Ausgesteuerte und Obdachlose. Sie erzählen aus ihrem Alltag in ihrer Stadt und zeigen Orte, an denen man sonst vorübergeht. Gemeinsam wollen sie Vorurteile abbauen.

Stärken. Bewegen. Integrieren. Surprise fördert die Integration mit Sport. In der Surprise-Strassenfussball-Liga spielen Teams aus der ganzen Deutschschweiz. Sie kämpfen um den Titel des Schweizermeisters und des Weltmeisters beim Homeless World Cup. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Strassenchor. Gemeinsames Singen und öffentliche Auftritte ermöglichen Glücksmomente für Menschen, für die der gesellschaftliche Anschluss sonst erschwert ist. Café Surprise schenkt Menschen mit wenig Geld einen kostenlosen Kaffee in einer Bar oder einem Café. So können sie am sozialen Leben teilnehmen. Für Gäste ist es eine einfache und charmante Gelegenheit, sich sozial zu engagieren: Sie bezahlen ihren Kaffee und spendieren einen weiteren. Über Surprise Der Verein Surprise unterstützt Armutsbetroffene ohne staatliche Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle Angebote ist Surprise auf Spenden, Sponsoren und Stiftungen angewiesen. Surprise ist Mitglied des internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP), dem über 120 Magazine in über 40 Ländern angehören.

Gönner-Abo für CHF 260.– Impressum Herausgeber Verein Surprise, Spalentorweg 20, 4051 Basel www.vereinsurprise.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Fr T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 Nicole Mathys, Thomas Oehler, info@vereinsurprise.ch Geschäftsführung Paola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (stv. GL) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@vereinsurprise.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Amir Ali (ami), Diana Frei (dif), Sara Winter Sayilir (win, Heftverantwortliche), Simon Jäggi (sim), Thomas Oehler (tom), redaktion@vereinsurprise.ch, leserbriefe@vereinsurprise.ch Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Florian Burkhardt, Rahel Nicole Eisenring, Shpresa Jashari, Carlo Knöpfel, Melanie Kobler (Grafik), Yvonne Kunz, Stephan Pörtner, Isabella Seemann, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Tom Wiederkehr, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Eva Hediger, Miriam Künzli, Kostas Maros, Roland Schmid, Philipp Spillmann Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 22 000, Abonnemente CHF 189, 25 Ex./Jahr Marketing, Fundraising T +41 61 564 90 50 Svenja von Gierke (Leitung), Zaira Esposito

Geschenkabonnement für: Vorname, Name

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Rechnungsadresse: Vorname, Name

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Bitte heraustrennen und schicken oder faxen an: Verein Surprise, Administration Spalentorweg 20, 4051 Basel F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch

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Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise nur mit Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt.

Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83/85 Thomas Ebinger, Anette Metzner, Spalentorweg 20, 4051 Basel, basel@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Zürich T +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12 Reto Bommer, Sara Huber, Kanzleistrasse 107, 8004 Zürich, zuerich@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02 Barbara Kläsi, Alfred Maurer, Fabian Steinbrink Pappelweg 21, 3013 Bern, bern@vereinsurprise.ch Strassenchor T +41 61 564 90 40 Paloma Selma (Leitung), p.selma@vereinsurprise.ch Strassensport T +41 61 564 90 10 Lavinia Besuchet (Leitung), l.besuchet@vereinsurprise.ch, David Möller (Sportcoach) www.strassensport.ch Sozialer Stadtrundgang Basel T +41 61 564 90 40 Sybille Roter (Leitung), s.roter@vereinsurprise.ch, Paloma Selma (Koordination), rundgang@vereinsurprise.ch Sozialer Stadtrundgang Zürich T +41 44 242 72 14 Sybille Roter (Leitung), s.roter@vereinsurprise.ch, Carmen Berchtold (Koordination), rundgangzh@vereinsurprise.ch Vereinspräsident Beat Jans Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen. Helfen macht Freude, spenden Sie jetzt: Spendenkonto PC 12-551455-3 SURPRISE 372/16


Surprise – Mehr als ein Magazin

Strassenfussball Als Street-Soccer-Coach Menschen unterstützen – etwas für dich? Grundvoraussetzungen Zwei Stunden pro Woche an einem fixen Wochentag, zum Beispiel Samstagnachmittag oder Donnerstagabend in der Dreispitzhalle: Helsinkistrasse 5, Basel/Münchenstein. Um einfach mal Street-Soccer-Luft zu schnuppern kannst Du unverbindlich im offenen Street-Soccer-Treff vorbeikommen, jeweils am Mittwochabend von 18 bis 22 Uhr. Info und Kontakt David Möller, Sportcoach Surprise Strassenfussball, d.moeller@vereinsurprise.ch oder 079/482 19 28, www.strassenfussball.ch facebook.com/surprisestrassenfussball

BILD: ZVG

In der Basler Dreispitzhalle trainieren Mannschaften der Surprise Liga Strassenfussball. Die Spieler sind meist sozial benachteiligte Menschen – Asylsuchende, Sozialhilfeempfänger, Suchtbetroffene. Sich selbst zu organisieren und eigene Kontakte zu knüpfen ist für Menschen in sozialen Schwierigkeiten oft eine Herausforderung. Surprise Strassenfussball bietet die Möglichkeit, gemeinsam eine gute Zeit zu haben, egal ob es Sprachbarrieren oder andere Probleme gibt. Damit wir möglichst vielen Spielern ein tolles Training bieten können, sind wir auf zusätzliche Coaches angewiesen. Was Du dazu mitbringen solltest: Offenheit gegenüber sozial benachteiligten Menschen, Freude am Organisieren eines Teams und natürlich am Fussball spielen. Beim Surprise Strassenfussball kannst du dafür sorgen, dass sozial benachteiligte Menschen durch den Fussball Lebensfreude teilen und durch das gemeinsame Erlebnis Selbstvertrauen tanken können. Neben dem Spiel erfahren die Spieler auch Zugehörigkeit durch Teambuilding – mit dir als Trainer, auf und neben dem Platz.

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