Surprise 373

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Man ifest liebt a Surp rise

Vermessen Wie die Schweiz Asylsuchende älter macht Haltung durch Tanz: Ein Ballettmeister bringt Obdachlose auf die Bühne

Stadtrundgang trifft Kunst: Surprise und Manifesta-Kurator Christian Jankowski auf Tour

Nr. 373 | 22. April bis 5. Mai 2016 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.


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Eintritt Surprise Zwei bezahlen, einen spendieren Inspiriert von der Idee Café Surprise bietet der bird’s eye jazz club in Kooperation mit dem Verein Surprise den Eintritt Surprise an. Der Eintritt Surprise ermöglicht Menschen mit wenig Geld einen kostenlosen Eintritt zu einem Konzert im bird’s eye (Di, Mi, Do ganzer Abend; Fr, Sa 1 Set). Der/Die Gönner/in bezahlt zusätzlich zum eigenen Eintritt 10 Franken und ermöglicht damit einer anderen Person einen freien Eintritt. An der bird’s-eyeKasse kann gefragt werden, ob noch ein Eintritt Surprise zur Verfügung steht.

BILD: BENNO HUNZIKER

Machen Sie mit, beziehen Sie oder spendieren Sie einen Eintritt Surprise im bird’s eye jazz club!

the bird’s eye jazz club Kohlenberg 20, 4051 Basel www.birdseye.ch

Ein Projekt des Vereins Surprise. www.vereinsurprise.ch


Titelbild: ZVG

Editorial Vermessen und eingestuft BILD: TOBIAS SUTTER

Von einem Augenblick auf den anderen um drei Jahre altern? Keine angenehme Vorstellung. So erging es Farid S., einem 15-jährigen afghanischen Jugendlichen, als er im Zuge seines Asylantrags in der Schweiz geröntgt wurde und aufgrund der Grösse seiner Handknochen vom Staatssekretariat für Migration kurzerhand für volljährig erklärt wurde. Farid hatte Glück: Weil ihm sein Originalausweis aus der Heimat rechtzeitig zugestellt werden konnte, darf er aufgrund seiner Minderjährigkeit vorerst in der Schweiz bleiben. Aber warum arbeitet das SEM mit einer Methode zur Altersbestimmung, die derart grosse Fehler zulässt? Dieser Frage sind meine Kollegen Simon Jäggi und Beat Camenzind nachgegangen, zu lesen ab Seite 10. Was tun Leute für Geld? Einige stehen auf der Strasse und verkaufen ein Magazin, SARA W INTER SAYILIR stellte Christian Jankowski fest, seines Zeichens Kurator der Kunstbiennale Manife- REDAKTORIN sta 11. Und so ging er mit unseren Stadtführern Hans Peter Meier und Ewald Furrer auf einen Sozialen Stadtrundgang, um auszuloten, was Surprise und die Kunstbiennale gemeinsam veranstalten können. Meine Kollegen Diana Frei und Philipp Baer waren dabei, ab Seite 14. Kann Tanz etwas bewirken? Das fragte sich der koreanische Ballettprofi James Jeon und lud Verkaufende des dortigen Strassenmagazins The Big Issue ein, mit ihm zu tanzen. Das Ergebnis: Schon nach kurzer Zeit strafften sich die Rücken, wurde die Haltung wieder aufrecht, der Gang selbstbewusster. Der Autor Samuel Schläfli hat den Tänzer in Basel getroffen, ab Seite 18. Wir danken unserem Kollegen Simon Jäggi für die tolle Zusammenarbeit auf der Redaktion in den letzten Monaten und hoffen, dass er uns als freier Mitarbeiter erhalten bleibt. Und gleichzeitig begrüssen wir herzlich unseren neuen Kollegen Beat Camenzind, der seit diesem Monat die Redaktion komplettiert. Eine anregende Lektüre wünscht Sara Winter Sayilir

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 oder vereinsurprise.ch/spenden-surprise Ihre Meinung! Wir sind gespannt auf Ihre Kritik, Ihr Lob oder Ihre Anmerkungen. Schreiben Sie uns! Auf leserbriefe@strassenmagazin.ch oder an Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, 4051 Basel. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion trifft eine Auswahl und behält sich vor, Briefe zu kürzen. Oder diskutieren Sie mit uns auf www.facebook.com/ vereinsurprise SURPRISE 373/ 16

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10 Asylverfahren Zeigt her eure Händchen Wer als Minderjähriger in der Schweiz Asyl beantragt, muss sich zur Altersbestimmung meist einer Handknochenanalyse unterziehen. In Fachkreisen ist die Methode jedoch umstritten. Der Grund: Es kann zu Abweichungen von bis zu zwei Jahren kommen, was im Asylverfahren über Wegweisung oder Aufenthalt entscheiden kann.

BILD: MIRIAM KÜNZLI

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Inhalt Editorial Unangemessen Basteln für eine bessere Welt Zum Fegen und Reiten Aufgelesen Erfolgsmodell Strassenmagazin Vor Gericht Verwahrt – ob klein oder gross Leserbriefe Integration gelungen Starverkäufer Ralf Rohr Porträt Ein Punk in Myanmar Wörter von Pörtner Das Dienstleistungslächeln Auawirleben Warten auf die Liebste Kultur Auf den Fuchs gekommen Ausgehtipps Helsinkis Hausband Sängerinnenporträt «Klar und voll kreativer Ideen» Projekt SurPlus Eine Chance für alle In eigener Sache Impressum INSP

14 Manifesta auf Tour Überraschung! Christian Jankowski, Kurator der Kunstbiennale Manifesta 11, die diesen Sommer in Zürich stattfindet, war auf der Surprise Stadtführung im Zürcher Langstrassenquartier zu Besuch und fragte uns: «Wollen wir zusammen eine Geschichte erzählen?» Wir fanden: «Klar!» Die Geschichte wird folgen, einen ersten Einblick gibt es jetzt schon.

BILD: PHILIPP BAER

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BILD: LUCIAN HUNZIKER

18 Tanz Ballett für Obdachlose

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Der Koreaner James Jeon ist Leiter des Seoul Ballett Theater und gibt sonntags Tanzworkshops für die Verkaufenden von Big Issue Korea – eine unserer internationalen Partnerzeitungen. Eben wasr er in Basel, um die Profis am Ballett Theater Basel zu trainieren: Eine gute Gelegenheit, den Ballettmeister zu fragen, wie Tanz dem Menschen seine Haltung zurückgibt. Und wie durch das soziale Netz Gefallene damit wieder auf die Bühne ihres eigenen Lebens zurückfinden.

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ILLUSTRATION: WOMM

Basteln für eine bessere Welt Entschleunigtes Saisonalgebinde Es ist mal wieder Zeit zum Frühjahrsputz. Anstatt sich aber von der vielen Arbeit verrückt machen zu lassen, lassen Sie es dieses Jahr doch mal langsam angehen, wie Beppo der Strassenkehrer aus Michael Endes «Momo»: Beginnen Sie gemächlich mit dem Binden eines eigenen Besens. Und denken Sie beim Grossreinemachen nur an den nächsten Schritt, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Denn, wie Beppo erklärt: «Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut.»

1. Sie brauchen: Reisig von der Birke (Länge ca. 50 cm), Besenstiel, Draht, Schnur, Messer, Gartenschere, Drahtschneider, Spanngurt.

2. Nehmen Sie eine Handvoll Reisig und verdrillen Sie

3. Umwickeln Sie ein Bündel etwa eine Handbreit vom

4. Umwickeln Sie das ganze Bündel nun mit dem

die Enden miteinander, ausgehend von den dicken

dicken Ende entfernt mit Draht, fixieren diesen und

herausstehenden Draht. Nehmen Sie den Spanngurt

Enden hin zu den dünnen. Weichen Sie die Bündel an-

lassen ein Ende lang stehen. Ordnen Sie weitere Rei-

ab und wiederholen Sie den Wickelvorgang noch

schliessend kurz in Wasser ein.

sigbündel ringsherum an, bis der gewünschte Besen-

ein paar Mal in Abständen von 3 – 5 cm.

umfang erreicht ist, und fixieren Sie das ganze Bündel fest mit dem Spanngurt.

5. Treiben Sie den Stiel mit der Spitze voran durch leichtes Drehen in das Reisigbündel, bis er etwa 10 cm tief feststeckt. Wer will, kaschiert den Draht mit etwas Schnur und reitet nach getaner Arbeit an Walpurgisnacht auf dem Besen zum Blocksberg.

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Aufgelesen News aus den 115 Strassenzeitungen und -magazinen in 35 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Wehrhaft Hannover. Die Niedersachsen rüsten auf, obwohl die Zahl der Straftaten 2015 nur um 2,8 Prozent gestiegen ist. Über 30 Bürgerwehren gibt es in dem norddeutschen Bundesland. Auch die Anträge für Waffenscheine haben zugenommen: Von Dezember 2015 bis Februar 2016 erhielten 1100 Personen einen, so viele wie sonst in einem halben Jahr. Gleichzeitig steigt die Anzahl der Straftaten von Rechtsextremen. Allein im vierten Quartal 2015 wurden 489 Delikte vermeldet – ein Höchststand.

Fabelhaft Glasgow. 27 000 Frauen und Männer verkaufen weltweit Strassenzeitungen. Diese Zahl hat das International Network of Street Papers (INSP) ermittelt, ein Zusammenschluss von 112 Strassenzeitungen aus 35 Ländern, zu dem auch Surprise gehört. 2015 brachten die Verkaufenden weltweit 23,5 Millionen Strassenzeitungen an die Frau und den Mann und nahmen damit rund 34 Millionen Franken ein. Seit es Strassenzeitungen gibt, haben etwa 300 000 Menschen mit deren Verkauf Geld verdient.

Schauderhaft Hamburg. Die 62 reichsten Menschen besitzen so viel wie die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Und der Graben zwischen Arm und Reich vertieft sich, wie die Hilfsorganisation Oxfam Anfang des Jahres veröffentlicht hat: In den vergangenen fünf Jahren wurden die Armen um eine Billion (1000 Milliarden) Euro ärmer, während das Vermögen der Reichsten um eine halbe Billion Euro wuchs. Der Grund: Steueroasen und unzureichende Besteuerung von Gewinnen und Vermögen.

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Vor Gericht Lebendig begraben Extreme Gewalt ist schwer zu fassen, wenn Mordlust das einzige Motiv ist. Wie bei der sogenannten Parkhausmörderin. Kürzlich stand «die gefährlichste Frau der Schweiz», wie sie in den Medien genannt wurde, wieder im Gerichtssaal. Ob sie sich jemals konkret mit ihren Taten beschäftigt habe, fragt der Richter. «Kalt lässt mich das nicht», sagt sie. «Einen Menschen zu zerstören, nur um seine Bedürfnisse zu befriedigen, ist rücksichtslos.» Gewaltfantasien hat sie noch immer. Sie denkt an nackte Frauen, die sie töten könnte. Und sagt: «Die sadistischen Gedanken sind einfach da, damit muss ich leben.» Wann die Tötungsfantasien einsetzten, weiss sie nicht mehr. Nur dass sie immer konkreter wurden, und quälender. Mehrfach hatte sie sich bei der Polizei gemeldet: «Ich werde jemanden umbringen!» Dann, im Frühsommer 1991, erstach die damals 18-Jährige im Parkhaus Urania eine 27-jährige Frau. Sechs Jahre später erdolchte sie eine 65-Jährige. Ein Jahr danach schnitt sie einer 75-jährigen Buchhändlerin die Kehle durch. Das Opfer überlebte – und identifizierte die Täterin. Seit 17 Jahren ist sie nun auf der höchsten Sicherheitsstufe verwahrt. Jegliche Interaktion mit Betreuerinnen, Therapeuten oder dem Seelsorger erfolgt durch Gitterstäbe hindurch. In einem Bericht aus dem Jahr 2010 hielt die nationale Kommission zur Verhütung von Folter fest: «Das Niveau der Isolation ist fast unmenschlich.» Die Verwahrte sagte einmal: «Ich bin lebendig begraben.» Inzwischen wurden die Haftbedingungen gelockert. Am Wochenende darf sie mit den an-

deren Insassinnen essen, manchmal einen Film schauen. Das sei «ein Stück Normalität», sagt die Frau. Nun muss das Zürcher Bezirksgericht entscheiden, ob die Verwahrung in eine Massnahme nach Artikel 59 StGB umzuwandeln sei: in die «kleine» Verwahrung. Auch diese gilt zeitlich unbeschränkt, doch wird intensiv therapiert. Entscheidend für die Anordnung ist die Aussicht auf eine markant verminderte Rückfallgefahr innert fünf Jahren. Der Staatsanwalt hält sich kurz. Er sehe «keinen Raum für einen 59er». Noch immer sei die Frau nicht bereit, über ihre Taten zu sprechen. «Die Prognose», folgert er, «ist zu vage.» Der Verteidiger erinnert an die Diagnose: Borderline und Zwangsstörungen. Und an rechtsstaatliche Vollzugsgrundsätze: Psychisch schwer gestörten Tätern muss eine Therapie verordnet werden, wenn zwischen Tat und Krankheit ein Zusammenhang bestehe. Was hier der Fall sei. Er nennt zwei «Zäsuren»: Erstens ist ihre Schuld verbüsst. Die Legitimation für die Haft liegt nunmehr bei der Reduktion des Rückfallrisikos. Zweitens wertet er den Umstand, dass die Inhaftierte nun über ihre Gewaltfantasien spricht, als «Quantensprung»: Damit würden sie bearbeitbar. «Meine Klientin muss statt einer kriminellen eine gesunde Identität aufbauen», sagt er. Die Isolation verbaue diesen Weg. Für die Bezirksrichter ist die Sache noch nicht spruchreif. Ein psychiatrisches Ergänzungsgutachten soll Klarheit schaffen. Die Frau wird zeigen müssen, dass sie therapierbar ist. Sie selbst sagt: «Ich will mich öffnen.» Aber auch: «Ich werde nie wieder selbständig leben können.»

YVONNE KUNZ ( YVONNE. KUNZ@ GMAIL. COM) ILLUSTRATION: PRISKA WENGER ( PRISKAWENGER@ GMX. CH) SURPRISE 373/ 16


Leserbriefe Erstaunlich gut entwickelt Ausgabe Nr. 369, Interview mit Andreas Bosshard «Die Abhängigkeiten sind enorm»

Ausgabe Nr. 371, Interview mit Ulrich Tilgner «Wir unterschätzen den Orient»

«SVP keine Bauernpartei» Das Interview mit Andreas Bosshard ist etwas vom Besten, das ich je zur schweizerischen Agrarpolitik gelesen habe. Präzis und sachlich ist die Beschreibung unserer Interessenpolitik und des Opportunismus darin. Man müsste meinen, dies wäre das ideale Thema für die «Bauernpartei» SVP. Bei solchen Teufelsspiralen hätten die Bauern allen Grund, gegen den Staat zu initiieren. Der Artikel macht deutlich: Die SVP ist keine Bauernpartei, sondern wird von jenen geführt, die von den Abhängigkeiten profitieren. Ich bin Co-Betriebsleiter im Naturgarten Männedorf. Gerade das Thema Einsatz von Pestiziden ist auch uns ein Anliegen. Der Artikel hat mich diesbezüglich aufgeklärt, warum in der Schweiz so viel Chemie in der Landwirtschaft eingesetzt wird. Ich schätze es sehr, dass Sie soziale Themen mit Beiträgen zu Umwelt und Lifestyle erweitern.

«Ganz grosser Wurf» Meine Frau kauft Surprise immer, und zwar bei ihrem stets freundlichen «Lieblings-Verkäufer». Sie liest jedes Heft von A-Z. Ich begnüge mich mit einzelnen Artikeln, hin und wieder sind mir die Beiträge doch etwas zu linkslastig. Als ganz grossen Wurf sehe ich aber das Interview mit dem bekannten Orient-Korrespondenten Ulrich Tilgner. Wo in der Welt es brenzlig oder gefährlich ist, ist er zugegen. Tilgner nennt die Dinge stets fundiert und brillant recherchiert beim Namen, ohne ausfällig zu werden. In Hinblick auf den Nahen Osten erwähne ich als sehr lesenswert auch das vor Jahren geschriebene Buch «Das Schwert des Islam» des verstorbenen Journalisten Peter Scholl-Latour. Dieser wird da oft noch etwas deutlicher als Tilgner. Und vor allem hatte der Mann Visionen! Zum grossen Teil haben diese sich bereits unheilvoll bewahrheitet. Die heutige Entwicklung des Geschehens folgt erschreckend dem manchmal fast prophetisch geschriebenen Buch.

Mischa Kaufmann, Männedorf

Hugo Enz, Adliswil

Ausgabe Nr. 371, Porträt «Zwei Arten von Schönheit» «Lob ans Strassenmagazin» Erstaunlich, wie gut sich Surprise von seinen Anfängen her entwickelt hat. Das Porträt «Zwei Arten von Schönheit» hat mir am besten gefallen. Solche mutigen Jungunternehmen sollte es weiterhin geben, dies belebt die Zukunft. Es funktioniert gut, beides zu vereinen: seinen Glauben zu wahren und sich in der Schweiz anzupassen.

Nominieren Sie Ihren Starverkäufer! Schreiben Sie uns mit einer kurzen Begründung, welche/n Verkäufer/in Sie an dieser Stelle sehen möchten: Verein Surprise, Redaktion Spalentorweg 20, 4051 Basel F +41 (0)61 564 90 99 redaktion@vereinsurprise.ch

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BILD: ZVG

Martin Fischer, Worb

Starverkäufer Ralf Rohr Renate Wiebel aus München schreibt: «Als treue Leserin des Münchner Strassenmagazins BISS habe ich in Zürich am Montag bei Herrn Rohr vor der Buchhandlung Orell Füssli ein Magazin gekauft. Wir kamen ins Gespräch, und als er feststellte, dass ich aus dem Nachbarland kam, hat er mir sofort noch eine zweite, frühere Ausgabe dazu geschenkt. Beide habe ich auf der Heimreise im Zug mit grossem Interesse gelesen. Ihr Magazin ist wirklich gut und dieser Verkäufer ein sehr gutes ‹Aushängeschild›.»

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Koordiniert Nothilfe und macht viel L채rm: Entwicklungshelfer und Schlagzeuger Lukas Frohofer im Myanmar.

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Porträt Mit No Future in die Zukunft Der Zürcher Lukas Frohofer, 35, koordiniert für die Welthungerhilfe Entwicklungsprojekte in Myanmar. In seiner Freizeit spielt der Vollblut-Musiker in einer der ältesten Punkrock-Bands des Landes. VON OLIVIER JOLIAT ( TEXT) UND RUBEN HOLLINGER ( BILD)

zum Studium der Politikwissenschaften im einstigen Kult-Club Abart. Vor allem aber spielt Frohofer seit frühster Jugend Schlagzeug. Seine erste Band Snitch galt um die Jahrtausendwende als grosse Schweizer Punkrock-Hoffnung. Frohofer trommelte mit dem Trio quer durch Europa und sogar jenseits des grossen Teichs in Kanada. «Snitch wurde immer grösser. Als Ausgleich gründeten der Bassist und ich 2008 Überyou, eine etwas simplere und abgefucktere Variante, um unkompliziert wieder auf kleinen Bühnen spielen zu können», erinnert sich Frohofer und ergänzt lachend: «Doch seit ich bei denen ausgestiegen bin, geht es dort richtig los. Nun touren sie auf der ganzen Welt.» Frohofer stieg 2012 aus, als er nach zahlreichen internationalen Praktika seine erste richtige Stelle beim Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen in Laos antrat. «Ich versuchte auch dort eine Band zu finden, aber in Vientiane ist viel weniger los als in Yangon. Da sucht man vergebens nach Subkultur.» Die Zeit in Laos war die erste seit seinem zwölften Lebensjahr, in der er nicht mehr Schlagzeug spielte. Zumindest nicht an regulären Trommeln. Denn wenn Frohofer sich hinsetzt, dauert es nicht lange und er «böpperlet» mit den Fingern auf Tisch und Bierflasche. Musik war auch ein Grund, warum es ihn nach eineinhalb Jahren wieder nach Zürich zog. «Ich liebte Laos, aber noch mehr vermisste ich die Familie, meine Freunde und die Szene.» Doch Frohofer blieb nur kurz. Kaum hatte er sein Nachdiplomstudium in Entwicklung und Zu-

«Kultureshock» heisst die Lärmkapelle, bei der Lukas Frohofer am Schlagzeug prügelt. Der Name passt gut zum Zustand von Myanmar, das nach über 50 Jahren Militärdiktatur auf dem Weg zu einer modernen Demokratie ist. Denn noch viel schneller als der politische ist der wirtschaftliche Wandel. Telefonierte man vor drei Jahren nur über vereinzelte öffentliche Telefone, klebt heut an jedem Ohr ein Handy. Auch Geldautomaten suchte man bis vor Kurzem vergebens. Heute stehen sie überall – sogar mitten in der Shwedagon-Pagode in der Hauptstadt Yangon, dem religiösen Zentrum des stark buddhistisch geprägten Landes. Im entlegenen Norden des Landes hat man vom Erdrutschsieg der bekannten Dissidentin Aung San Suu Kyi im November kaum etwas mitbekommen. «Dort wissen die Menschen weder, dass sie zu einem Land namens Myanmar gehören, noch dass sie Bürger mit Rechten sind», sagt Lukas Frohofer. Der 35-Jährige arbeitet als Programmkoordinator für die Welthungerhilfe in Myanmar. In dem Land, das früher Burma hiess und nordwestlich von Thailand zwischen Himalaya und Indischem Ozean liegt, leben 135 verschiedene Ethnien. Es ist eines der ärmsten Länder Asiens. Die Menschen im unterentwickelten Norden arbeiten fast ausschliesslich in der Landwirtschaft. Hier zeigt die Welthungerhilfe den Bauern verbesserte Anbaumethoden, um Bodenerosion zu vermindern und so langfristig die eigene Ernährung zu sichern. Oder wie man dank Lagerung der Ernte «Im Ausland werde ich zum Lokalpatrioten», sagt der Zürcher Lukas höhere Erträge beim Verkauf erzielt. Weiter Frohofer. «Allerdings vermisse ich mehr die vertraute Umgebung als südlich, im Flussdelta des Irrawaddy, stehen die Stadt an sich.» Jahre nach dem verheerenden Zyklon Nargis, der 2008 über 100 000 Todesopfer forderte, der Wiederaufbau und die langfristige Entwicklung im Mittelpunkt. Frohosammenarbeit an der ETH abgeschlossen, meldete er sich auf die Anfer schildert: «Erst ging es um Nothilfe. Nun versuchen wir, in Kooperazeige für die Stelle in Myanmar. «Kein Land hat mich so gereizt wie dietion mit den Dorfkomitees etwas anzustossen, das die Menschen vor Ort ses, da hier grad alles im Wandel ist.» Das Heimweh holt ihn aber auch weiterentwickeln, wenn wir wieder weg sind.» Hilfe zur Selbsthilfe ist hier manchmal ein. An seinem Briefkasten in einem Innenstadtquartier das Motto, Nachhaltigkeit das Ziel. Yangons klebt ein Zürichwappen und die Wohnung ziert seit dem letzMeist dauern die Einsätze länger als die üblicherweise für Entwickten Heimatbesuch über Weihnachten ein Poster der Limmatstadt. «Im lungsprojekte veranschlagten drei Jahre. Frohofer besucht die einzelnen Ausland werde ich zum Lokalpatrioten. Allerdings vermisse ich mehr Projekte regelmässig vor Ort, den Grossteil seiner Arbeit leistet er aber die vertraute Umgebung als die Stadt an sich.» am Schreibtisch seines Büros in Yangon. Seit gut eineinhalb Jahren lebt Wobei Frohofer sich bestens in Yangon eingelebt hat. Er fand sogar er im Sechs-Millionen-Gewusel, dessen Zentrum infolge der politischen eine Punkband, die einen Drummer suchte. Der brachiale Crustcore von und wirtschaftlichen Öffnung derzeit eine einzige grosse Baustelle ist. Kultureshock war ihm zwar nicht so vertraut wie der melodiöse Chörli«Yangon ist trotz allem keine international durchmischte Metropole, Punkrock seiner bisherigen Bands. Aber hier ist nicht nur der Sound, selbst wenn man zusehen kann, wie der Touristenstrom stetig zusondern auch die Szene anders: «Daheim hiess es: proben, packen, tounimmt», so Frohofer. Auch die Expat-Szene, bestehend vor allem aus ren, Party. Hier sind Konzertabende kleine Festivals, wo acht Bands quer Lehrern und anderen NGO-Mitarbeitern, bleibt überschaubar. «Ich hab durch alle Stile je 15 Minuten spielen.» Das reicht kaum, um richtige hier sehr gute Freunde gefunden. In meiner Freizeit versuche ich aber, Konzerteuphorie zu entfachen. Aber wie so vieles dort steckt auch die nicht in die Expat-Welt abzudriften. Lieber erfreue ich mich am lokalen Subkultur des Landes noch im Aufbau. So sitzen Kultureshock, immerLeben.» hin eine der ältesten Punkbands des Landes, erst jetzt an den AufnahDie Kulturinteressierten der Stadt kennen sich, ihre Wege kreuzen men eines Debütalbums. Mit der Platte hofft die Band mehr Gehör zu sich bei den wenigen Konzerten andauernd. Und Konzerte sind das befinden, damit der Traum vom Touren – auch im Ausland – endlich in Ervorzugte Habitat von Frohofer. Daheim in Zürich arbeitete er parallel füllung geht. ■ SURPRISE 373/ 16

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Asylverfahren In einer Woche um drei Jahre gealtert Reisen minderjährige Asylsuchende ohne gültige Dokumente in die Schweiz, prüft der Bund im Zweifelsfall deren Alter. Die Behörden verwenden dazu unter anderem die Handknochenanalyse. Allerdings: Die Methode ist stark umstritten.

VON SIMON JÄGGI ( TEXT) UND MIRIAM KÜNZLI ( BILDER)

Beobachtungen in einem Buch fest, dem «Atlas of Skeletal Development of Hand and Wrist». Lange Zeit ein Standardwerk, ist die darin beschriebene Methode unter heutigen Ärzten stark umstritten. Die zentrale Kritik klingt einleuchtend und simpel: Abhängig von Gesundheit, Ernährung und Abstammung der Jugendlichen wachsen die Knochen unterschiedlich rasch, woraus Abweichungen von bis zu zwei Jahren möglich sind. Deshalb entschied im Jahr 2000 die damalige Asylrekurskommission des Bundes, dass sich anhand von Röntgenaufnahmen nicht mit «entscheidender Sicherheit feststellen lässt, ob eine Person noch minderjährig ist». In den Schweizer Medien sorgte das Grundsatzurteil für viel Aufmerksamkeit: «Knochenaltersanalyse im Asylverfahren untauglich»,

«Ich bin 15 Jahre alt», sagt der junge Mann dem Beamten im Basler Empfangszentrum für Asylsuchende. Im Barackenbau am Rande der Stadt ist die Reise des Jungen – nennen wir ihn Farid S. – nach vier Wochen zu einem vorläufigen Ende genommen. Zuvor hat der im Iran aufgewachsene Afghane die türkischen Berge und das Mittelmeer überquert, immer weiter westwärts zu seinem Onkel in der Schweiz. Doch der Beamte hinter seinem breiten Schreibtisch zweifelt an den Altersangaben des jungen Mannes – weil Farid S. keinen Ausweis vorlegen kann und weil er «widersprüchliche Angaben zu seinem Alter macht». So steht es im Bericht des Staatssekretariats für Migration. Also tut der Beamte das, was er in solchen Fällen meistens tut, und schickt den Asylsuchenden zum Arzt. «Wir Fachärzte sind der Meinung, dass diese Methode Gemeinsam mit sechs weiteren Jugendlichen unbrauchbar und ethisch bedenklich ist.» steigt Farid S. in einen Kleinbus. Ein MitarbeiKinderradiologe Georg Eich ter fährt sie zu einer Basler Arztpraxis. Dort muss einer nach dem anderen die linke Hand unter den Röntgenapparat halten, dann dürfen sie wieder gehen. Später an diesem Tag hängt titelte die Neue Zürcher Zeitung, «Asylrekurskommission stoppt die Prader Arzt das Röntgenbild von Farid S. vor seinen Leuchtkasten, bexis des Bundesamtes für Flüchtlinge», schrieb die Basler Zeitung. Und trachtet die Hand, schaut sich die Knochen an, vergleicht immer wieder die Medienstelle des damaligen Bundesamts für Flüchtlinge kündigte mit Abbildungen aus einem Fachbuch. Und fällt eine folgenschwere an, man werde in Zukunft auf Handknochenanalysen verzichten. WesDiagnose: Das Knochenwachstum ist abgeschlossen, der Untersuchte halb der Bund die Methode entgegen der damaligen Ankündigung gemäss den Vergleichsbildern volljährig. Er teilt seinen Befund dem Beweiterhin einsetzt, will das Staatssekretariat für Migration auf Anfrage amten mit, dieser passt das Geburtsdatum im Zentralen Migrationsinnicht näher beantworten. «Ich bitte um Verständnis», schreibt die Meformationssystem an. Alter 18, geboren am 1. Januar 1997 in Afghanidiensprecherin, «wenn wir nicht auf eine Aussage reagieren können, die stan. Innerhalb nur einer Woche ist Farid S. um drei Jahre gealtert. mittlerweile fast 16 Jahre zurückliegt.» Für minderjährige Asylsuchende ist das Alter von besonders grosser Bedeutung. Wer ohne Begleitung seiner Eltern in die Schweiz kommt, Fachärzte verweigern sich hat Anrecht auf eine gesonderte Unterbringung, auf einen Beistand, je Zumindest auf dem Papier zeigte das Urteil der Asylrekurskommisnach Alter auf Schulunterricht. Ist er bereits in einem Drittstaat regis sion Konsequenzen: Gemäss Gesetz darf die Handknochenanalyse nur triert, darf er zudem nicht in jedem Fall alleine dorthin zurückgeschickt noch dann zur Altersbestimmung genutzt werden, wenn weitere Indiwerden. Mehr Volljährige bedeuten für den Bund somit weniger Kosten katoren die Diagnose stützen. Dazu gehören unter anderem die «An und weniger Flüchtlinge mit Anspruch auf Asyl. gaben des Gesuchstellers» oder «dessen physische Erscheinung». Die Um das Alter von Aslysuchenden zu bestimmen, stützt sich der Bund Beweislast für die Minderjährigkeit tragen dabei die Asylsuchenden selseit vielen Jahren auf die sogenannte Handknochenanalyse. Die Grundber. Wie häufig das Staatssekretariat in den vergangenen Jahren Knolage der Methode stammt aus dem Anfang des vergangenen Jahrhunchenanalysen veranlasst hat, darüber gibt es keine Angaben. Vor dem derts: In den Dreissigerjahren untersuchten zwei Ärzte die Hand Urteil der Asylrekurskommission zählte der Bund jedes einzelne Röntknochen von Kindern nordeuropäischer Abstammung und hielten ihre

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Referenzbilder im Standardnachschlagewerk: Ein Menschenalter l채sst sich nur begrenzt genau vermessen. SURPRISE 373/ 16

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genbild, in der Zwischenzeit wurden diese Erhebungen eingestellt. Tatsache ist: Von 2013 bis 2015 stiegen die Asylgesuche von unbegleiteten Minderjährigen von 346 auf 2736. Zwei Drittel dieser Geflüchteten gaben an, sie seien zwischen 16 und 17 Jahre alt. Der Kinderradiologe Georg Eich vermutet, dass mit der steigenden Zahl von Asylgesuchen auch die Zahl der Knochenanalysen steigt. Eich ist leitender Arzt am Kantonsspital Aarau und Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie. Seit zwei Jahren, sagt er, kontaktieren ihn vermehrt Ärzte, die im behördlichen Auftrag das Alter von Asylsuchenden bestimmen sollen. «Weil keine Kinderradiologen dazu bereit sind», sagt Eich, «werden vermehrt Allgemeinpraktiker involviert. Diese sind jedoch häufig überfordert und senden die Röntgenbilder zur Beurteilung an mich.» Doch Hilfe können sie von ihm keine erwarten. «Wir Fachärzte sind der Meinung, dass diese Methode unbrauchbar und ethisch bedenklich ist.» Wer etwas von Knochenalter verstehe, müsse zu diesem Schluss kommen. Deshalb hat die Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie zusammen mit der Gesellschaft für pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie Anfang April in der Schweizerischen Ärztezeitung eine Stellungnahme veröffentlicht, in der sie einen Stopp von Knochenanalysen zur Altersbestimmung fordert. Die Ärzte kritisieren, die Methode sei dafür entwickelt worden, das biologische, nicht das tatsächliche Alter zu bestimmen.

Und wiederholen, was die Asylrekurskommission bereits festgehalten hatte: Eine Abweichung von über zwei Jahren ist möglich. «Es ist verführerisch zu meinen, wir halten das Alter objektiv und eindeutig fest», sagt Eich. «Aber diese Objektivität und scheinbare Präzision ist ein Trugschluss und somit falsch.» Für Farid S. hätte diese «Scheinpräzision» drastische Folgen haben können. Ihm drohte die Rückschaffung nach Osteuropa, wo er zuerst registriert worden war. Schliesslich suchte er Hilfe bei einem Anwalt. Dieser stellte fest, dass Farid S. im Iran einen Flüchtlingsausweis hinterlassen hatte, der sein angegebenes Alter bestätigt. Der Vater in Teheran fand das Dokument in einem Schrank, machte ein Foto davon und schickte es per SMS in die Schweiz. Doch das Staatssekretariat für Migration wies den Antrag auf eine Altersanpassung zunächst ab, mit der Begründung, dass eine Kopie als Beweis nicht ausreiche. Vermutlich wäre Farid S. auf dem Papier heute immer noch volljährig, hätte sich kurz darauf sein Vater nicht auf den Weg nach Europa gemacht. Einen Monat später erreichte er die Schweiz und übergab dem Sohn seinen Ausweis. Dessen Anwalt schickte das Original an die Behörde, der schliesslich kaum eine andere Möglichkeit blieb, als das Geburtsdatum zu korrigieren: Geboren am 15. November 2000, Farid S. ist wieder 15 Jahre alt. Das Staatssekretariat hatte sich in seinem Fall um mehr als drei Jahre verrechnet. ■

Asylverfahren «Eingriff in die körperliche Integrität» Der Bund macht mit fragwürdigen Methoden aus minderjährigen Asylsuchenden Erwachsene. Seraina Nufer von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe plädiert dafür, im Zweifelsfall die Minderjährigkeit der Jugendlichen anzunehmen. VON BEAT CAMENZIND ( INTERVIEW )

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe fordert, w issenschaftliche Methoden w ie die Handknochenanalyse zur Bestimmung des Alters von Jugendlichen aus dem Gesetz zu streichen. Weshalb? Die Asylrekurskommission kam bereits im Jahr 2000 zum Schluss, dass die Handknochenanalyse nur beschränkt aussagekräftig ist, um das Alter eines Menschen zu bestimmen. Die Kommission war damals die Beschwerdeinstanz für Asylentscheide des Bundes. Heute ist dies das Bundesverwaltungsgericht. Diese Entscheide gehen über den Einzelfall hinaus und machen auch allgemeingültige Aussagen. Hinzu kommt, dass solche Methoden einen Eingriff in die körperliche Integrität der Jugendlichen darstellen und medizinisch nicht gerechtfertigt sind. Welche Alternativen gibt es denn zur Altersbestimmung? Laut Bundesverwaltungsgericht ist das Resultat der Handknochenanalyse nur ein Indiz. Um über die Volljährigkeit eines Menschen zu entscheiden, muss das Staatssekretariat für Migration (SEM) weitere Aspekte berücksichtigen wie: Was sagt die Person, wie verhält sie sich, welche Dokumente hat sie eingereicht und sind diese echt? Es gibt Fälle, in denen das Gericht, gestützt auf diese Elemente, glaubhaft findet, dass die Person minderjährig ist, und den Entscheid des SEM aufhebt. Der Bund verlässt sich trotzdem in einigen Fällen stark auf die umstrittene Handknochenanalyse. Weshalb? Das SEM sagt oft, die Angaben der Person seien nicht glaubhaft, weshalb man auf die Analyse zurückgreife.

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Es gibt ja noch andere Methoden zur Bestimmung des Alters. Werden diese in der Schweiz auch angewandt? Es gibt ja das sogenannte Dreisäulen-Modell, bei dem die Entwicklung des Schlüsselbeins, der Zähne und die Geschlechtsreife bewertet werden. Wir haben von Fällen gehört, in denen dieses Modell angewandt wurde. Allerdings ist auch diese Methode umstritten, da sie je nach Entwicklung des Jugendlichen ebenfalls sehr ungenau ist. Sie ergibt nur ein vages Bild über das Alter eines Menschen. Die Beurteilung der Geschlechtsreife ist zudem ein Eingriff in die Intimsphäre, der nicht gerechtfertigt ist. Unser Standpunkt ist, man sollte im Zweifel von der Minderjährigkeit der Jugendlichen ausgehen. Gilt denn bei den jugendlichen Asylsuchenden der juristische Grundsatz «im Zweifel für den Angeklagten» nicht? Nein, es handelt sich ja nicht um ein Strafverfahren. Das SEM stellt sich einfach oft auf den Standpunkt, es gebe ja die Handknochenanalyse, somit seien alle Zweifel ausgeräumt. Die Resultate der Handknochenanalyse ergeben jeweils eine Bandbreite von plus/ minus zwei Jahren. Über Farid S. zum Beispiel schreibt das SEM, er könnte «im besten Fall ungefähr 16 Jahre alt sein». Ist der Ermessensspielraum des Beamten in solchen Fällen riesig? Es ist natürlich völlig unhaltbar, dass man da irgendeinen Mittelwert nimmt. Die Verwendung wissenschaftlicher Resultate durch die Behörden ist ein Grundproblem dieser Tests. Die Mediziner machen Aussagen wie: «Der Jugendliche ist wahrscheinlich zwischen 17 und 20 Jahren SURPRISE 373/ 16


alt.» Das stützt sich auf gewisse Normwerte der Handknochenent wicklung. Die Juristen verlangen aber nach einer fixen Zahl – volljährig oder nicht.

Asylverfahren Abwehr vor Schutz?

Prallen da zwei Welten aufeinander, die nicht miteinander kompatibel sind? Ja, diese Analysen sind nicht tauglich für den verwendeten Zweck. Das beobachten wir auch beim Dreisäulen-Modell. Es gibt Fälle, da ergeben die einzelnen Tests verschiedene Resultate. Das zeigt die Ungenauigkeit. Das Bundesverwaltungsgericht korrigiert immer wieder Entscheide des SEM, die sich auf die Handknochenanalyse stützen. Gerade im März 2016 hat es zugunsten eines Mädchens entschieden und das SEM korrigiert. Das SEM hatte befunden, das Mädchen sei volljährig aufgrund einer Handknochenanalyse. Das Bundesverwaltungsgericht hingegen verliess sich auf die Aussagen des Mädchens, die sich mit denjenigen ihrer Schwester deckten. Auch hat das SEM ihre eingereichten Dokumente nicht geprüft.

Das Völkerrecht verlangt eine bevorzugte Behandlung von Minderjährigen. Tests zum Bestimmen des Alters stehen häufig im Widerspruch dazu. Selbst das Staatssekretariat für Migration (SEM) schreibt auf Anfrage über unbegleitete minderjährige Asylsuchende: «In Zweifelsfällen ist von der behaupteten Minderjährigkeit auszugehen.» In der Praxis hält sich das SEM aber nicht immer an diesen Grundsatz und ritzt damit das Völkerrecht. Denn Minderjährige sind besonders schutzbedürftig. «Es gibt einen Grundsatz im Völkerrecht: Bei Zweifeln über das Alter eines Jugendlichen ist dieser solange als Kind zu behandeln, bis das Gegenteil nachgewiesen ist.» Das sagt Nula Frei, Assistentin am Institut für öffentliches Recht der Universität Bern. Der Schutz der Kinder ist ein allgemeines Prinzip in der Kinderrechtskonvention, welche die Schweiz auch unterzeichnet hat. Diese hält unter anderem das Recht auf Gesundheit, Bildung, Spiel, Familie oder Privatsphäre fest. Tests wie die Handknochenanalyse haben laut Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts nur einen geringen Beweiswert und sollten daher nur ein Notbehelf zur Bestimmung des Alters sein. «Oft wendet der Bund die Methode an, um herauszufinden, ob eine Person nun 17 oder 19 Jahre alt ist», sagt Frei. «Doch die Analyse bietet genau in diesen Fällen durch die mögliche Abweichung von bis zu zwei Jahren keine wirkliche Entscheidungshilfe.» In der Praxis sähe es aber so aus: Dokumente sind keine vorhanden, die Aussagen werden angezweifelt, also verlassen sich die Behörden auf die Analyse. Nula Frei betreibt auch Forschung zum Asylrecht und stellt dabei «einen hohen Grad an Professionalisierung» bei den Beamten fest. Sie müssten sich ans Gesetz halten, was zu harten Entscheiden für die Betroffenen führt. Denn das Gesetz wird laufend verschärft. Hier ortet Frei ein generelles Problem im Umgang mit Asylsuchenden: «Ihnen wird häufig von vornherein Missbrauch unterstellt.» Als Grund dafür vermutet sie das Bedürfnis nach Kontrolle: Man wolle die Einwanderung im Griff haben. Die Asylsuchenden kämen aber trotzdem: «Das fördert die Angst vor Kontrollverlust.» Die Medien steigerten diese Angst, wenn sie immer wieder über «Kriminelle» und «Glücksritter» berichten, die aus dem Ausland zu uns kommen. Darauf reagiere wiederum die Politik und verschärfe die Ausländer- und Asylgesetzgebung. «Ein Teufelskreis», sagt Frei und fügt an: «Inzwischen ist das Asylgesetz an vielen Stellen zu einem reinen Missbrauchsbekämpfungsgesetz geworden.» Die Schweiz ist damit nicht allein. Derzeit schottet sich die EU nach aussen ab, während die Grenzen nach innen gefallen sind und der freie Personenverkehr Tatsache ist – eine paradoxe Situation. Es wird möglichst genau kontrolliert, wer in den Schengenraum kommen darf und wer nicht. Nula Frei sieht hierin ein Wohlstandsphänomen: «Je besser es uns geht, desto mehr wehren wir uns gegen die Zuwanderung, wohl aus Angst, dass durch die Immigration die Lebensqualität und der Wohlstand abnimmt.» (bc)

Gibt es viele Fälle, bei denen ein Beamter aus einem Minderjährigen einen Erwachsenen macht? Wir erhalten häufig Anfragen von den Rechtsberatungsstellen für Asylsuchende dazu, und das seit Jahren. Aber es gibt dazu keine Zahlen. Da in den letzten zwei Jahren mehr unbegleitete minderjährige Asylsuchende in die Schweiz gekommen sind, haben auch die Anfragen zur Altersbestimmung zugenommen. Sind das Einzelfälle oder steckt da ein System dahinter? Das SEM stützt sich häufig stark auf unzuverlässige wissenschaftliche Abklärungen und macht die Jugendlichen im Zweifel eher zu Volljährigen. Müssen sich denn die Behörden um Minderjährige intensiver kümmern? Ja, unbegleitete Minderjährige erhalten eine Vertrauensperson, die sie unterstützt. Auch ist es schwieriger, einen Wegweisungsentscheid zu fällen, weil die Betreuung im Heimatland gewährleistet sein muss. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen voll- und minderjährigen Asylsuchenden auch in den Fällen, die unter das Dublin-Abkommen fallen: Kommt ein minderjähriger Asylsuchender ohne Begleitung in die Schweiz, kann er nur dann in ein Land zurückgeschickt werden, das zum Dublin-Abkommen gehört, wenn er dort Angehörige hat. Sonst ist die Schweiz zuständig. Für Erwachsene gilt das nicht. Kommt das SEM also zum Schluss, dass ein Jugendlicher nicht 16 sondern 18 ist, hat das gravierende Folgen. Der Asylsuchende kann dann in ein anderes DublinLand geschickt werden.

Seraina Nufer ist Juristin bei der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. Sie ist für die Themen Dublin-Verfahren und Europarecht zuständig und beantwortet dazu rechtliche Anfragen. Sie beschäftigt sich seit Jahren mit den Rechtsfällen von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden in der Schweiz.

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BILD: SFH/ BERND KONRAD

Mehr Volljährige bedeuten für den Bund also weniger Kosten und weniger Asylsuchende? Grob könnte man das so sagen, wobei es natürlich immer auf die genauen Umstände der Fälle ankommt. ■

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«Wohin gehen wir jetzt?» – Manifesta-Kurator Christian Jankowski mit Stadtführer Hans Peter Meier.

Manifesta auf Tour «Erzählen wir eine Geschichte zusammen?» Der deutsche Konzept- und Videokünstler Christian Jankowski ist der Kurator der Kunstbiennale Manifesta 11, die dieses Jahr in Zürich stattfindet. «What People Do for Money: Some Joint Ventures» heisst das Thema, das Jankowski mit seinen Künstlern verfolgen will. Auf der Suche nach Inspiration kam er auch bei Surprise vorbei. VON DIANA FREI ( TEXT) UND PHILIPP BAER ( BILDER)

Die Surprise-Stadtführer Hans Peter Meier und Ewald Furrer nehmen Christian Jankowski mit auf ihre Tour durch das Zürcher Langstrassenquartier. Mit dabei sind Nora Hauswirth, Presseverantwortliche der Manifesta 11, Carmen Berchtold, Verantwortliche für die Stadtrundgänge, und Diana Frei, Redaktorin bei Surprise. Vor dem Surprise-Büro an der Kanzleistrasse. Christian Jankowski (zu Nora Hauswirth): «Deine Idee war’s, nicht?»

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Nora Hauswirth: «Ich hatte die Idee, dass Chris tian die Stadt aus einer anderen Perspektive kennenlernt. Aber ich hatte nie Zeit, weil ich immer am Arbeiten bin. Jetzt dachten wir, wir nutzen unsere Arbeitszeit. Und da sind wir.» Christian Jankowski: «Es ist auch eine Recherche. Ich bin natürlich neugierig und möchte das alles gerne sehen. Aber vielleicht kann man auch sagen: Es wäre eigentlich eine logische Zusammenkunft, um zusammen eine Story zu entwickeln. Wir könnten fragen: Was wäre eine interessante Geschichte, die man gerne im Surprise lesen würde? Oder ihr könntet euch überlegen: Wenn ihr in eine Kunstausstellung

geht, gibt es Themen oder Kunstwerke, die ihr gerne sehen möchtet? Die vielleicht mit eurer Arbeit hier, dem Heftverkauf, zu tun haben?

«Nora, deine Idee war’s, nicht?» SURPRISE 373/ 16


Diana Frei: «Wir haben ja auch ein gemeinsames Thema: die Arbeit. Und die Frage: Was ist Arbeit? Ist Surprise verkaufen eine Arbeit oder nicht? Wir sagen, es ist Arbeit, aber für viele andere ist das nicht so klar. Auch die rechtliche Lage ist nicht in allen Kantonen gleich. Am einen Ort wird der Heftverkauf als Arbeit gewertet, am anderen nicht.» Christian Jankowski (zu Hans Peter Meier): «Kommst du denn dazu, beim Verkaufen die Hefte auch zu lesen? Hans Peter Meier: «Beim Verkaufen komme ich nicht dazu. Aber ich helfe immer am Donnerstag, wenn die Hefte angeliefert werden, beim Hereintragen und habe den Rest des Tages frei. Dann lese ich das Magazin.» Christian: «Als Stadtführer seid ihr Profis. Ihr zwei schmeisst euch jeweils die Bälle zu? – Okay, dann fangen wir mal an. Wohin gehen wir jetzt?» Hans Peter: «Auf die Kanzlei.» Hans Peter: «Der Sinn der Stadtführung ist es, Zürich aus einem Blickwinkel zu zeigen, den man so nicht jeden Tag sieht. Dabei erzählen wir auch viel von uns selbst. Ich habe bis 2003 in der IT-Branche gearbeitet. In dieser Zeit trank ich zu viel und verlor dann in der Wirtschaftskrise den Job. Ich sagte dann, wenn wir schon eine Wirtschaftskrise haben, machst du am besten mal Ferien, vielleicht ist die Krise danach wieder vorbei. Neun Monate später war die Krise nicht vorbei und die Regionale Arbeitsvermittlung hatte keine grosse Freude dran, dass ich mich so lange nicht um einen

Job gekümmert habe. Seit 2008 arbeite ich als Surprise-Verkäufer und mache diese Stadtführungen.» Auf dem Kanzleigelände. Ewald Furrer: «Ich bin 49 und im Wallis aufgewachsen. Ich habe aber als Junge ein Hobby entwickelt, das mich sehr schnell in ein Jugendheim nach Zürich brachte: Ich knackte jedes Schloss. Später wurde ich Zeitungsfotograf und arbeitete drei Jahre lang durch. Um das zu bewältigen, kam der Alkohol dazu. Nach drei Jahren schnappte ich mein Fahrrad und fuhr durchs Rhonetal hinunter durch Frankreich nach Spanien. Ich lernte da die Freiheit kennen und schätzen. Als ich wieder nach Zürich zurückkam, sagte ich mir: Diese Freiheit gebe ich nicht wieder her. Ich lebte über 20 Jahre lang hier in dieser Stadt freiwillig als Obdachloser. – Wir machen jetzt eine kleine Zeitreise und gehen ins Jahr 1963. Damals fror in Zürich der See zu. Das war der Startschuss für Pfarrer Sieber, sich für die Obdachlosen einzusetzen. Hinter uns ist die Notschlafstelle Bunker, hier übernachteten zwischen 40 und 60 Menschen in sehr engen Verhältnissen.»

Christian: «Ach. Was fragen dich die Leute denn jeweils? ‹Sind Sie ein Randständiger?›» Ewald: «Nein, die Frage ist immer, ob das ein schlechter Begriff sei. Und unsere Antwort ist dann die mit dem Superreichen.»

Unterwegs. Hans Peter: «Wenn ich auf den Touren gefragt werde: Was ist denn randständig? Dann sage ich immer: Randständig ist alles, was nicht in der Mitte angesiedelt ist. Ein Superreicher ist also auch ein Randständiger. Der steht einfach an einem anderen Rand als wir. Eigentlich sind es diese Randständigen, die die Gesellschaft steuern.»

Christian: «Der typische Ort auch für den Künstler. Der Rand.» Am Helvetiaplatz. Christian: «Sind das hier alte Zigarettenautomaten oder gibt’s hier auch noch was zu kaufen? Stadt Zürich? Präv … – ach, das ist … Ach so, hier gibt’s zwei Spritzen.» Ewald: «Ihr seid sicher schon täglich an diesen Automaten vorbeispaziert und habt euch gefragt: Was ist das, diese Automaten? Das sind sogenannte Flash-Automaten. Die sind an zehn verschiedenen Standorten der Stadt Zürich aufgestellt und werden vom stadtärztlichen Dienst unterhalten, damit die Drogensüchtigen auch nachts die Möglichkeit haben, an saubere Spritzen zu kommen.» Hans Peter: «Den grössten Kokainkonsum hat in Europa London, Zürich ist Nr. 2. Im Winter verlieren wir den zweiten Platz Europas allerdings an die Millionenstadt St. Moritz.» Christian: «… Nein!! (lacht) Das gibt’s ja nicht, St. Moritz?!» Hans Peter: «Der Drogenkonsum wird anhand des Abwassers gemessen, und laut Statistik sind es über 50 Prozent der Leute, die regelmässig Kokain konsumieren.»

Ewald Furrer und Hans Peter Meier geben auf ihren Stadtführungen auch viel Persönliches über sich preis. SURPRISE 373/ 16

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Christian: «Wie viel Prozent?» Hans Peter: «Über 50.» Christian: «Von was? Von wem?» Hans Peter: «Von der Stadtbevölkerung.» Christian: «50 Prozent der Bevölkerung …» Hans Peter: «Man muss natürlich auch wissen, dass jeden Tag eine halbe Million Leute hierherkommen, um zu arbeiten, und es gibt auch Touristen hier, deren Abwasser ist natürlich mitgerechnet. Aber die Zahlen sind wirklich sehr sehr hoch.» Zurück im Surprise-Vertriebsbüro.

Carmen Berchtold (links) organisiert die Touren.

Christian: «Die Tour war schon ganz spannend, es ist ja auch eine Art von Show. Ist jede Führung ein bisschen anders? Weil auch viel Biografisches drin steckt?» Hans Peter: «Ja, je nach Gruppe ergibt sich auch eine andere Dynamik.» Christian: «Es ist etwas ganz anderes als der Heftverkauf. Obwohl, ein Magazin zu verkaufen, ist auch eine spezielle Art der Kommunikation. Da muss innerhalb von ein paar Sekunden etwas überspringen, damit sich die Leute für das Magazin interessieren. Bei einer Tour stellt man sich dafür darauf ein, wirklich Zeit miteinander zu verbringen.»

Christian: «Das Konzept der Strassenzeitung kenne ich aus Hamburg. Als ich da Anfang der Neunzigerjahre an der Kunsthochschule studierte, sah ich die Verkäufer auf der Strasse. Sind euch die Hamburger ein Begriff?» Carmen Berchtold: «Hinz&Kunzt? Wir waren sogar zur Weiterbildung für die Stadtführungen bei ihnen. Sie machen solche Rundgänge seit 13 Jahren.» Christian: «Ich finde das Format eines solchen Magazins interessant. Surprise – euer Titel ist eigentlich spannend. Obwohl ich dazu auch gleich eine Frage habe: Wie beschreibt ihr das, Surprise? Wo ist für euch die Überraschung?» Diana: «Ich finde den Titel manchmal schwierig, weil er eine gewisse Beliebigkeit suggeriert.» Christian: «Werdet ihr denn gerne überrascht? Oder würdet ihr gerne überrascht werden? Aus einer Arbeitsroutine rauszugehen ist ein grosses Thema für die Manifesta. ‹What People Do for Money› wird manchmal auch missverstanden. ‹Was Leute für Geld tun› – das wirft schnell mal Fragen nach Arm und Reich auf, und danach, wie gut ein Job bezahlt ist. Für mich war das aber eine Formulierung, die gar nicht so moralisch gemeint war. Es geht darum, wie Menschen ihr Leben organisieren. Egal, was man macht. Auch wenn man zum Arbeitsamt geht. Es gibt ja den Begriff des professionellen Arbeitslosen, der alle Formulare richtig ausfüllt und keine Deadlines verpassen darf wie ein anderer Manager auch. Mein Bruder ist schon sehr lange arbeitslos, und ich sehe, wie intensiv das ist. Fast eine Beschäftigung im Sinn von Arbeit. ‹What People Do for

Money›, das heisst: Womit beschäftigen sich Menschen eigentlich? Und da geht es natürlich auch darum, was Menschen machen, ohne das nur für Geld zu tun.» Diana: «Aus der Arbeitsroutine rauszugehen, ist auch für uns interessant. Man neigt schnell mal dazu, alles mit dem gleichen Blick abzuhandeln.» Christian: «Ein grosses Thema der Manifesta ist auch die Zusammenarbeit. Bei uns sucht sich ein Künstler jemanden aus, der einen Beruf ausübt. Der ist sein Gastgeber. Der Berufstätige erzählt von den Möglichkeiten, die es vor Ort gibt, und der Künstler schaut, was

Ewald: «Beim Verkauf baut man zwar eine Stammkundschaft auf, mit der man mit der Zeit auch sehr tiefe Gespräche führt. Ich kenne die Krankengeschichte und die Lebensumstände vieler Leute. Das nimmt man alles mit.» Hans Peter: «Ich sage immer: Wir haben als Verkäufer auch eine soziale Funktion.» Ewald: «Ich habe am Bahnhof ja den ganzen Pendlerverkehr, und es gibt Leute, die extra einen Zug früher kommen, damit sie noch ein bisschen mit mir diskutieren können.»

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man aus einer Situation machen kann. Spannend wär’s nun, wenn ein paar der ManifestaBesucher fänden, eine bestimmte Ausgabe von Surprise ist besonders Surprise. Das ist vielleicht ein Kunstwerk in sich selbst. Oder wir erzählen eine Geschichte zusammen.» Diana: «‹What People Do for Money› finde ich eine interessante Vorgabe. Bei meiner Arbeit bei Surprise habe ich gemerkt, dass doch etliche Verkäufer sagen: Ich habe mir mein Leben mit dem Heftverkauf gut eingerichtet, ich bin damit selbständig erwerbend und nicht von der Sozialhilfe abhängig. Der Blick von aussen ist oft der, dass man sich denkt: Das ist ein Notfallprogramm, bis die Leute wieder einen sogenannten richtigen Job haben. Zum Teil sind die Verkaufenden aber Leute, die sich den gängigen Strukturen bewusst entziehen. Sie wählen aus einer eigenen Entscheidung heraus eine Position, aus der man die Gesellschaft aus einer anderen Perspektive betrachtet als die meisten anderen. Da sehe ich eine gewisse Verwandtschaft mit der Kunst. Auch Stadtoriginale, die mit Musikkassetten und Katzen im Kinderwagen durch die Strassen ziehen und die Leute irritieren: Das ist ein ganz eigener Blick, den man bei den sogenannten Randständigen findet. Oder eben bei Künstlern.»

Diana: «Unsere Rahmenbedingungen sind im Normalfall ziemlich fix. Wir sollten niemanden schockieren, nicht provozieren, und oft wird von uns eine gewisse Art von Gutmenschentum erwartet.» Christian: «Die Rahmenbedingungen der Überraschung. Das ist doch schon mal ein schöner Gedanke. Kunst will ja auch überraschen. Etwas anders sehen als sonst.» Carmen: «Es ist eine Gratwanderung: Was darf man, was will man? Manchmal sind es die Leser, die uns zu verstehen geben: Wir wollen gar nicht überrascht werden. Sobald sie überrascht werden, ist das nicht mehr willkommen.»

Hans Peter: «Sie wollen schon überrascht werden, aber nur auf die schöne, positive Art.» Christian: «Und alle wollen schöne Kunst sehen. Aber was ist schöne Kunst? – Wichtig finde ich, dass eine Magie drin steckt. Ein Geheimnis muss bestehen bleiben.» ■

Was klar ist: Die Manifesta 11 findet vom 11. Juni bis 18. September in Zürich statt. Ob und wie wir uns und Sie diesen Sommer überraschen werden, werden wir noch sehen. www.manifesta11.org

Hans Peter: «Genau das hatte ich ursprünglich auch gedacht, dass man irgendwann wieder einen richtigen Job findet. Aber was ist denn ein richtiger Job? Ist es kein richtiger Job, wenn man zehn Stunden am Tag ein Magazin verkauft?» Christian: «Eben. Und Surprise ist doch auch ein kommerzielles Unternehmen? Vom Geld werden ja Löhne bezahlt? Es ist nicht staatlich subventioniert?» Diana: «Es ist natürlich eine Non-Profit-Organisation, ein soziales Projekt. Staatlich subventioniert ist es nicht, und ja, die Redaktoren und die anderen Festangestellten haben normale Löhne.» Hans Peter: «Was wir auch immer betonen: Dass wir und die anderen Stadtführer, aber auch viele andere, nur von Surprise leben. Wir müssen nicht aufs Sozialamt. Viele Leute denken, der verdient sich hier einfach was dazu, damit er auch mal Ferien machen kann. Wenn sie aber hören, dass das unsere Arbeit ist, dann verändert sich ihr Denken ein bisschen.» Christian: «Um daraus nun Kunst zu machen, wäre es toll, wenn eine Art von Überraschung drin stecken würde. Wären eure Stammkunden schockiert, wenn sie plötzlich ein völlig anderes Surprise in Händen hätten? Es gibt ja angenehme und unangenehme Überraschungen.» SURPRISE 373/ 16

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«One, two, chassé, plié …»: Der koreanische Ballettmeister James Jeon im Training mit den Profis.

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Tanz Zwischen Champagner und Billig-Wodka Für James Jeon, Ballettchef eines Ensembles in Seoul, ist Ballett kein museales Kulturgut. Deshalb öffnet er jeden Sonntag die Tore seines Studios für obdachlose Verkäufer des koreanischen Strassenmagazins The Big Issue. Wir haben den Choreografen in Basel getroffen.

VON SAMUEL SCHLÄFLI ( TEXT) UND LUCIAN HUNZIKER ( BILDER)

termine. Trotzdem sind Einladungen an europäische und amerikanische Balletthäuser für Jeon wie Urlaub. Rare Momente, während denen er sich voll und ganz auf den Tanz und die Kunst fokussieren kann. Anders als in Seoul, wo er für die Saläre einer 25-köpfigen Compagnie verantwortlich ist und ohne staatliche Unterstützung ein ganzes Tanztheater über Wasser hält. Seine von feinen Fältchen umrandeten Augen erzählen von langen Arbeitstagen und schlaflosen Nächten. Seit der Gründung seiner Compagnie vor 21 Jahren habe er praktisch ununterbrochen gearbeitet, gesteht er. Auch sonntags. Dann nämlich öffnet er die Türen seines Ballettstudios für eine Gruppe von Männern, die etwas älter und unbeweglicher sind als die Profis, die wir an diesem Morgen beim Tanzen beobachten. Eine Gruppe von Männern, die ihr Zuhause verloren haben und in der Umgebung des Hauptbahnhofs von Seoul auf der Strasse leben – isoliert vom pulsierenden Leben der Zehn-Millionen-Stadt. Einige haben schlechte Zähne oder fleckige Kleider, und keiner war vor der Begegnung mit dem Choreografen je im Ballett. In der Theaterkantine erzählt James Jeon von seinem Strassen-Ballett.

Mittwochmorgen, kurz vor 10 Uhr, irgendwo in den Eingeweiden des Theaters Basel. Wir irren in den Gängen umher und finden schliesslich das Studio, in dem der südkoreanische Tänzer und Choreograf James Jeon das Morgentraining für die Tänzerinnen und Tänzer vom Ballett Theater Basel geben wird. Klinisches Neonlicht, schwarzer PVC-Boden, ein langer Spiegel als Seitenwand. Um die 30 athletische Körper aus allen Ecken der Welt wärmen sich an den Barres, den hölzernen Ballettstangen, auf. Eine kosmopolitische Polyphonie erfüllt den Raum. Hier trägt man Jogginghose, Kapuzenpulli und ärmellose Shirts. Auch klobige Stoff-Moonboots scheinen angesagt; sie wärmen die Füsse und halten sie dehnbar. James Jeon kommt in den Raum, aufrecht und mit elastischem Gang. Seine drahtigen Hände greifen eine Barre. Durch die Gläser der schwarzgerahmten Designerbrille blicken dunkle Augen – ruhig und konzentriert. Nur wenn sie auf ein anderes Augenpaar treffen, huscht ein kurzes, freundliches Lächeln über sein Gesicht. Das Training beginnt: «One, two, chassé, plié; one, two, chassé, plié … Grand plié». Jeon geht in die Knie, schnellt «Wieso nicht den Obdachlosen in Seoul Ballett beibringen? Natürlich nicht wieder hoch, streckt einen Arm in die Höhe klassisches Ballett. Sondern Stretching, Bewegung, Rhythmus und grundund führt ihn sanft an die Hüfte. Dann blickt er legende Balletttechniken, die helfen, den Körper gesund zu halten.» zur Pianistin am schwarzen Flügel in der Ecke des Studios. Mit einem angedeuteten Knicks Jeon sprach die Verkäufer an der U-Bahn-Station an bittet er sie, «Madame...», das Klavier beginnt, die Tänzerinnen und «Wir begannen vor sechs Jahren. Ein grosses südkoreanisches UnterTänzer folgen dem Bewegungsablauf. Der Choreograf schreitet durch nehmen wollte zusammen mit Künstlern Kurzdokumentationen zum den Saal, den Rücken gestreckt, die Arme verschränkt, und röhrt wie ein Thema ‹Sharing talents› produzieren. Ich sass also mit der VerantwortOpernsänger aus voller Kehle: «Stretch …», «relax …», «yeah …, use lichen des Programms zusammen und erzählte ihr von meiner Ausbilyour body!» Es ist einer der seltenen Momente, in denen Jeon den Raum dung an der Julliard School in New York, wo ich anfangs der Achtzigervoll und ganz für sich einnimmt. jahre modernes Ballett lernte. Damals gab es in New York unglaublich viele Obdachlose; das beschäftigte mich sehr. Ich hatte nämlich immer Am Sonntag tanzen Obdachlose das Gefühl, jeder von uns könnte obdachlos werden – auch ich. Der VerDer Ballerino ist im Rahmen eines längerfristigen Kulturaustauschs lust eines Liebsten oder ein traumatisches Erlebnis, und schon ist es nach Basel gereist. Mit sechs Tänzerinnen und Tänzern des Basler Enpassiert. Wir meinen immer, wir seien stark. Doch in Wahrheit sind wir sembles übt er hier eine eigene Choreografie ein. Dasselbe tut Richard äusserst fragil. Ich dachte mir also: Wieso nicht den Obdachlosen in Wherlock, der Choreograf vom Ballett Theater Basel, mit sechs Tänzemeiner eigenen Stadt, Seoul, Ballett beibringen? Natürlich nicht klassirinnen und Tänzern aus Seoul. Am Wochenende sollen beide Stücke sches ‹Ballett-Ballett›, so wie man es kennt. Sondern Stretching, Bewewährend zwei Abenden vorgeführt werden. Jeons Programm in Basel ist gung, Rhythmus und grundlegende Balletttechniken, die helfen, den dicht: offene Übungssessions, Intensivtrainings mit den Basler TänzeKörper gesund zu halten. Wir kontaktierten die Leute vom Strassenmarinnen und Tänzern, daneben offizielle Empfänge, Dîners und PresseSURPRISE 373/ 16

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«Ballett ist eine Brücke zur Gesellschaft. Der Künstler hat eine Verpflichtung, solche Brücken zu bauen.»

Issue-Verkäufern hat mich bereichert. Ich habe daraus Inspiration für gazin The Big Issue, das in den Neunzigerjahren in England gegründet meine eigene Arbeit geschöpft. Später verarbeitete ich meine Erfahrunwurde und seit 2010 auch in Südkorea von Obdachlosen verkauft wird. gen im Stück ‹Soloist›, das von Einsamkeit und der Notwendigkeit geSie haben den Kontakt zu einigen Verkäufern hergestellt, die ich an ihliebt zu werden handelt. Ich hatte eine Idee: Während der Ferienzeit im ren Standorten bei U-Bahn-Stationen besuchte. Ich wollte wissen, worDezember wird bei uns jedes Jahr ‹Der Nussknacker› von Tschaikowski um es geht und wie sich das anfühlt, selbst auf der Strasse zu stehen und den Passanten eine Big-Issue-Ausgabe zu verkaufen. Ende 2010 hatten wir dann ein «Die Verkäufer konnten den Tänzerinnen nicht in die Augen schauen. Und Grüppchen von Verkäufern beisammen, das bei Berührungen zum Anleiten von Bewegungen zogen sie ihre Hand sich bereit erklärte, jeden Sonntagmittag zum gleich wieder zurück.» Training zu uns ins Theater zu kommen. Ich habe ihnen gesagt: ‹Ihr steht den ganzen Tag getanzt. Genauso wie in den USA, damit füllen die Balletthäuser ihre da draussen; das ist harte körperliche Arbeit. Dafür müsst ihr euren KörKassen. Ich dachte mir, wieso bringe ich nicht die Big-Issue-Leute auf per finden!› Am Anfang war’s schwierig: Die Verkäufer konnten den die Bühne? Ich habe sechs Verkäufer ausgewählt, die regelmässig beim Tänzerinnen nicht in die Augen schauen. Und bei Berührungen zum Training erschienen waren. Wir haben sieben Monate lang Sonntag für Anleiten von Bewegungen zogen sie ihre Hand gleich wieder zurück. Sonntag geübt. Dann haben wir sie eingekleidet, geschminkt und auf Zeichen eines zerstörten Selbstbewusstseins, vielleicht auch Scham und die Bühne gebracht. Das Publikum wusste nichts davon, aber sie waren Angst. Doch mit der Zeit kamen wir uns näher. Wir lachten und diskuvon der Vorstellung begeistert. Sie wurde ein grosser Erfolg. Doch vor tierten über Politik und die Gesellschaft. Ich habe die Big-Issue-Verkäuallem hättest du sehen sollen, wie stolz die Big-Issue-Leute waren!» fer nie nach ihren Geschichten gefragt, doch irgendwann begannen sie zu erzählen. Heute kenne ich sie alle. Meine Frau – sie ist die DirektoEngagement trotz Lachsbrötchen rin unserer Compagnie – kam eines Sonntags runter ins Training und 19 Uhr: Das Theater Basel hat zu einer Backstage-Ballettvorführung fragte mich erstaunt: ‹Was ist geschehen?› Sie bemerkte sofort: Die für den südkoreanischen Botschafter eingeladen – im selben Studio, in Strassenverkäufer hatten plötzlich eine andere Haltung und sie scheudem am Morgen noch trainiert wurde. Aufregung liegt in der Luft, eine ten den Augenkontakt nicht mehr. Ihr Selbstvertrauen war anders gesechsköpfige Entourage umschwirrt den südkoreanischen Botschafter worden. und dessen Frau. Flaggen hängen im Raum, das Botschaftspersonal verEnde 2010 war die Arbeit an der Kurzdokumentation abgeschlossen. teilt Werbeprospekte zur Winterolympiade 2018 in Pyeong-Chang. Ein Alle waren zufrieden und bedankten sich. Doch ich wollte weitermaRednerpult wird ins Studio gestellt, lange Grussworte werden gesprochen – auch für mich selbst; denn die Zusammenarbeit mit den Big-

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chen, von «cosmopolitan ballet» ist die Rede und dem Potenzial grenzüberschreitender Zusammenarbeit. Auch Sponsoren des Kulturaustauschs sind anwesend und Leute, von denen die Organisatoren finden, dass es gut wäre, wenn sie sich kennen würden. Hände werden geschüttelt und Visitenkarten ausgetauscht. Die Herren tragen schwarze Anzüge und rote Krawatten, die Damen Kostüme und Seidenfoulards. Einige Tänzerinnen und Tänzer mischen sich nach dem Auftritt unters Publikum und senken den Altersdurchschnitt um Jahrzehnte. Das Servicepersonal in weissen Hemden schenkt Prosecco und Weisswein aus. Auf Etagères werden Canapés, Lachsbrötchen und Patisserie gereicht. Auch Jeon trägt nun Anzug, komplett in Schwarz, mit grau-glänzender Krawatte. Nichts deutet darauf hin, dass er der Hauptprotagonist des Abends ist. Vor der Aufführung verharrte er in stoischer Ruhe auf seinem Stuhl und blätterte in einem Katalog. Für den Applaus erhob er sich nur kurz und leitete diesen sofort an seine Tänzer und Tänzerinnen weiter. Am Apéro diskutiert er lange im gleichen Grüppchen, während andere vielversprechende Kontakte abgrasen. Jeon ist kein Grossspuriger, kein Entertainer und gewiefter Netzwerker. Wie bringt er die beiden Welten nur zusammen: die elitären Empfänge und sein menschliches Engagement? Liebe heisst sich durchkämpfen «Natürlich gibt es das Eliten-Ballett, ‹Schwanensee›, Tutus und so weiter … Das ist schön, es gefällt mir, ich will das gar nicht schlecht machen. Aber es gibt auch ein anderes Ballett, ein Ballett des Austauschs zwischen Menschen. Ballett war für mich nie wie ein Museum, das man sich sonntags zum Vergnügen anschaut. Ballett ist Leben, es ist wie die Luft zum Atmen! Als wir 2010 begannen, mit den Big-Issue-Verkäufern zusammenzuarbeiten, habe ich den Tänzerinnen und Tänzern meines Ensembles erklärt: ‹Ballett ist mehr als der Auftritt auf der Bühne; es ist auch eine Brücke zur Gesellschaft. Der Künstler hat eine Verpflichtung, solche Brücken zu bauen.› Natürlich ist es herrlich, Champagner zu trinken, und natürlich soll man sein Leben geniessen. Aber genauso muss man den Billig-Wodka kosten, der für die Menschen auf der Strasse wichtig ist. Das Leben hat immer eine helle und eine dunkle Seite – Künstler sollten beide kennen. Das Wichtigste im Leben ist die Liebe, egal ob zu einem Menschen oder zu deiner Arbeit. Doch Liebe heisst sich abmühen, sich durchkämpfen. Sie erfordert Ausdauer, Leidenschaft und Geduld. Doch genau das treibt mich immer wieder von Neuem an. Eine Idee, die mich schon länger begleitet, ist die Eröffnung eines Balletts für benachteiligte Kinder. Ein Ort, an dem Kinder gleichzeitig eine Schul- und Tanzausbildung erhalten. Wir müssen jungen Menschen eine Perspektive bieten, wenn wir nicht wollen, dass die Kriminalität in den Städten weiter zunimmt. In den vergangenen Jahren kamen Hunderttausende Gastarbeiter aus Indonesien und Thailand nach Südkorea. Oft kehren sie irgendwann heim und hinterlassen Frauen mit Kindern. Diese Kinder sehen anders aus, sie werden schlecht behandelt und finden keinen Platz in unserer Gesellschaft. Ich war mit meiner Compagnie in Kolumbien und habe dort selbst gesehen, wie aus Strassenkindern Tänzer werden. Wie eine Schule in Cali Ballerinas und Ballerinos ausbildet, die heute auf der ganzen Welt Jobs finden.» Die Vorführung am Samstagabend ist ein voller Erfolg. Vier Stunden Ballettspektakel mit Auszügen aus dem 15-jährigen Schaffen Richard Wherlocks am Theater Basel – darunter auch James Jeons Stück «Voice in the Wind». Das Publikum steht in den Rängen, klatscht und johlt. Das gesamte, rund 40-köpfige Ensemble des Abends entfaltet zu den abschliessenden Klezmersounds einen farben- und lebensfrohen Zirkus auf der Bühne. Wherlock geniesst das Rampenlicht sichtlich und sinkt theatralisch vor seiner Compagnie auf die Knie. Auch Jeon ist auf der Bühne, in der hintersten Reihe, im schwarzen, schnittigen Anzug. Er läuft mit dem bunten Reigen mit, öffnet seine Arme immer wieder weit in Richtung Publikum und verneigt sich tief. Ganz ruhig – als sei er nur zufällig auf diese Bühne geraten. ■ SURPRISE 373/ 16

James Jeon trainiert die Obdachlosen nicht nur …

… er bringt sie auch auf die Bühne.

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BILD: GUIDO SÜESS

Wörter von Pörtner Bitte recht freundlich Vor Kurzem entschied ich mich, ein HandyAbonnement zu lösen, nachdem ich über ein Jahr lang Prepaid-Kunde war. Weil ich ein paar Fragen hatte, ging ich in eine der Filialen meines Anbieters. Ich wurde herzlich empfangen, mit Wasser und Kaffee bewirtet und gut bedient – inklusive schmeichelhafter Bemerkungen zu meinem fortgeschrittenen, aber kaum sichtbaren Alter, von denen ich wusste, dass sie nicht stimmten – und das, obwohl ich entgegen dringlicher Empfehlung die günstigste Variante wählte. Ich verliess das Geschäft mit einem guten Gefühl und voller Sympathie für den Verkäufer, die, wie ich mir einzubilden genehmigte, auf Gegenseitigkeit beruhte. Etwa zehn Tage später bewarb der Anbieter per E-Mail ein viel günstigeres Angebot für Umsteiger von Prepaid auf das von mir gewählte Abo. Obwohl ich kein sonderlich preisbewus-

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ster Konsument bin, wurmte mich das. Mir fiel das vom Verkäufer erwähnte Rücktrittsrecht ein. Ich rief den Kundendienst an und schilderte meine Lage. Der Mitarbeitende meinte, das sei doch ein etwas komplizierter Vorgang, ich solle mich bei der Vertragsabteilung melden, da finde man bestimmt eine kulante Lösung. Dort wurde mir erklärt, ich könne nur in einer Filiale vom Vertrag zurücktreten. Also fuhr ich hin, und zu meiner Freude war der nette Mann da. Ich bat ihn, meinen Vertrag zu annullieren. Da war der nette Mann nicht mehr nett. Erst versuchte er mich loszuwerden, indem er behauptete, ich könne den Vertrag nur online auflösen, dann riet er dringend davon ab, weil ich meine Nummer nicht behalten könne und das Angebot ohnehin nur für Kunden anderer Anbieter gelte, wie er mir anhand einer Bildschirmmaske zu beweisen versuchte. Auf der E-Mail mit dem Angebot stand eine Nummer, die ich wählte, um zu fragen, ob dem tatsächlich so sei. Dem war nicht so. Widerwillig annullierte der ehemals nette Mann meinen Vertrag und wandte sich grusslos dem nächsten Kunden zu. Es ist klar, dass die Freundlichkeit von Verkaufspersonal, Servicemitarbeitenden und anderen Dienstleistenden zweckgebunden ist. Daran ist nichts Verwerfliches, es ist Teil des Jobs. Ohne die Branchen vergleichen zu wollen, erinnerte mich diese Episode an die Zeit,

in der ich in Zürichs Vergnügungsviertel lebte. Im Sommer waren die Stimmen von der Strasse hinauf gut hörbar und verständlich. Am früheren Abend, wenn die Vergnügungssuchenden ankamen, wurden sie von den Prostituierten mit «Schätzeli» angesprochen, von den Dealern mit «Amigo» oder «my Brother», von potenziellen Mitzechern mit «Chef», «Kolleg» oder dem altertümlichen «Kamerad». Dass die Sympathie nicht der Person, sondern seiner Kaufkraft galt, wurde wenige Stunden später offensichtlich, wenn die Barschaft aufgebraucht war und der sich in bedauernswertem Zustand befindliche Kerl nur noch einen Namen hatte, der ihm dafür umso eifriger nachgerufen wurde: «A…loch». Mitunter wurden die wahren Gefühle der Person gegenüber auch mit Faustschlägen und Fusstritten ausgedrückt. Mag auch der Geist derselbe sein, bin ich doch froh, dass die Sitten im Handygeschäft zivilisierter sind. Ausser ein paar Kratzern an der Eitelkeit habe ich keinen Schaden erlitten.

STEPHAN PÖRTNER ( STPOERTNER@ LYCOS. COM) ILLUSTRATION: SARAH W EISHAUPT ( SAVVE@ VTXMAIL. CH) SURPRISE 373/ 16


Auawirleben Einer Nachricht entgegenschmachtend BILD: RAPHAEL HADAD

Das Berner Theaterfestival Auawirleben macht deutlich, was Beziehungen heute mehr denn je sind: ein aufregendes Spannungsfeld in einem von Misstrauen geprägten Alltag. VON MONIKA BETTSCHEN

Der 50. Geburtstag, schon ein halbes Jahrhundert auf dieser verrückten und wunderschönen Welt! Das möchte der finnische Performancekünstler Juha Valkeapää während des Theaterfestivals Auawirleben an mehreren Abenden gebührend feiern. Auf der Eintrittskarte zu «Juha Valkeapää 50 yrs» erfahren maximal 20 Gäste die Adresse einer Berner Privatwohnung, wo die Party steigen soll. Dort macht man es sich im Wohnzimmer gemütlich und erfährt, dass noch jemand fehlt, eine Frau, mit der der Beziehungsstatus zu Valkeapää noch nicht geklärt scheint. Und schon ist man mitten drin. «Juha Valkeapää nimmt seinen runden Geburtstag zum Anlass, um über den Zauber ganz am Anfang einer Beziehung nachzudenken, über die Sehnsucht und über das quälende Warten auf eine Antwort, wenn zwischen zwei Menschen noch alles offen zu sein scheint», sagt Nicolette Kretz, Leiterin des Theaterfestivals. Der Performancekünstler mischt sein Bühnenstück mit dem Album «21» der britischen Sängerin Adele und zeigt Liebe als ein universelles Gefühl, das einen in der Mitte des Lebens genauso heftig und unvermittelt treffen kann wie Anfang 20. In der Sehnsucht sind alle Verliebten gleich. Geschickt zeigt Valkeapää, wie in Zeiten von Social Media gerade das Warten auf Antwort eine neue Dimension erhalten hat, wenn man zum Beispiel auf WhatsApp einer Nachricht entgegenschmachtet, genau wissend, dass der andere doch gerade noch online war. Warum meldet sie sich nicht? Hat sie einen anderen? Manchmal trübt leises Misstrauen das zarte Glücksgefühl wie ein Tropfen Tinte ein Glas Wasser. Und vom Misstrauen ist es nur ein kleiner Schritt bis zur Überwachung. Denn die vielen neuen Kommunikationswege gehen einher mit einer nicht minder grossen Anzahl an Möglichkeiten, die Schritte anderer zu verfolgen. Eltern installieren heimlich Tracking-Apps auf den Smartphones ihrer Kinder. Im öffentlichen Raum sollen Kameras für mehr Sicherheit sorgen. In Flughäfen und im Zug beäugen wir uns gegenseitig, versuchen, trotz der aufgezwungenen Nähe Distanz zu wahren, um im Ernstfall schnell das Weite suchen zu können. «Der Terror der vergangenen Monate hat uns zu ängstlichen Menschen gemacht. Wir wollen unter unserem Motto ‹fear less love› die Leute SURPRISE 373/ 16

Ist das hier Theater oder realer Nebenjob? Egal – Hauptsache, Daniel Hellmann befördert Fantasien.

dazu ermutigen, wieder vermehrt furchtlos zu lieben, dem Gegenüber generell vorbehaltlos zu begegnen», sagt Nicolette Kretz. Dass es für viele Mitglieder der Gesellschaft noch ein sehr weiter Weg ist, bis sie akzeptiert werden, zeigt der Zürcher Künstler Daniel Hellmann in seinem Theaterstück «Traumboy». Von der romantischen Paarbeziehung bei Juha Valkeapää spannt sich hier der Bogen frech bis zu jenem (Tief-)Punkt, an dem Menschen ihre aktuelle Lebenssituation infrage stellen oder ihre sexuellen Bedürfnisse mangels Alternative gegen Bares befriedigen lassen. An diesem anderen Ende der Skala der Liebesdramaturgie ist diese eigenwillige Darbietung angesiedelt. Unverblümt und direkt berichtet Hellmann von seinem Nebenjob als Prostituierter, wobei er mit dem Mysterium spielt, ob er wirklich dieser Tätigkeit nachgeht oder ob alles nur Show ist. Nüchtern erzählt er von der Kundenakquise und dass er für seine Klientel verschiedene Figuren entwickelt hat, die er nach Bedarf anbieten kann. So erfüllt er zum Beispiel als Footballspieler in voller Montur eine weit verbreitete Fantasie. Indem er die Parallelen zwischen seiner Selbstvermarktung und dem klassi-

schen Marketing aufzeigt, deckt er die Schwachstellen einer von totaler Käuflichkeit dominierten Gesellschaft auf. Und die Provokation geht noch weiter: Der junge Mann steht auf der Bühne und outet sich als ein Mensch, der Lust nicht nur geniesst, sondern auch anderen Menschen dabei helfen möchte, solche zu empfinden. Er präsentiert sexuelle Lust als ein Grundbedürfnis und verdeutlicht, wie doppelmoralisch es ist, Sexworker für ihre Dienstleistungen abzuwerten und zu verurteilen. Die Message, Menschen so zu akzeptieren, wie sie sind, kommt nicht nur in den Aufführungen zum Ausdruck: Denn wer zu seinem eigenen Ticket noch ein Suspended Ticket kauft, ermöglicht damit einem Arbeitslosen oder einer Asylbewerberin am Festival einen Theaterbesuch. ■

Theaterfestival Auawirleben, 11. bis 22. Mai, Festivalzentrum PROGR, Speichergasse 4, Bern, verschiedene Spielorte www.auawirleben.ch

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BILD: ZVG

BILD: ZVG

Kultur

Schatzi, warum hast du so spitze Ohren?

Fröhliches Beisammensein. Bis eine Jüngere auftaucht.

Buch Frau Füchsin

Kino An der Grenze der Gemeinsamkeiten

«Dame zu Fuchs» erzählt die berührende und tragische Geschichte einer wundersamen Verwandlung.

In den frühen Siebzigerjahren wurden gerne neue Formen des Zusammenlebens erprobt. Zum Beispiel: die Wohngemeinschaft. Thomas Vinterbergs neuer Film unterzieht sie nun dem Härtetest.

VON CHRISTOPHER ZIMMER VON THOMAS OEHLER

David Garnett (1892–1981) war Buchhändler, Verleger, Kritiker sowie Autor und Mitglied der «Bloomsberries», einer Gruppe von Intellektuellen und Künstlern, zu der auch die Schriftstellerin Virginia Woolf zählte. Der bisexuelle und in promisken Kreisen verkehrende Garnett widmete seinen ersten, 1922 veröffentlichten Roman «Lady into Fox» dem Maler Duncan Grant, zu dem er eine homosexuelle Beziehung pflegte. So kommt es durchaus aus berufenem Mund, wenn Garnett darin von den Irrungen und Wirrungen der Liebe erzählt. Dafür wählte er die Form einer Novelle über die Verwandlung einer englischen Dame in eine Füchsin. Wie die zehn Jahre früher entstandene Erzählung «Die Verwandlung» von Franz Kafka gibt sich auch dieser Roman als Tatsachenbericht aus, der das Ungeheuerliche als reale Begebenheit schildert. Eben noch hat sich das jung verliebte und frisch verheiratete Ehepaar Tebrick in das beschauliche Oxfordshire zurückgezogen. Da verwandelt sich Silvia Tebrick auf einem Spaziergang ohne Vorwarnung in eine Füchsin. Doch trotz ihrer neuen Gestalt hält ihr Gatte treu an ihr fest und unternimmt alles, um sie zu schützen. Er entlässt seine Angestellten, erschiesst seine Hunde und stört sich auch nicht daran, dass die Nachbarn ihn bald schon für verrückt halten. Anfangs versuchen beide noch, ihre Beziehung aufrechtzuerhalten. Silvia lässt sich kleiden, gegen den strengen Geruch parfümieren, vorlesen und Toast servieren und sie unterstützt ihren Gatten bei der Haushaltung. Doch ihre innerliche Verwandlung ist nicht aufzuhalten. Sie schielt begierig nach den Enten, reisst und verschlingt einen Hasen und versucht zu fliehen. Schliesslich muss ihr Mann sie ziehen lassen, trotz der Gefahren einer feindlichen Welt. Dennoch gibt er Frau und Füchsin nie auf, auch wenn er bis zu ihrem tragischen Ende noch oft genug Anlass dazu hat, an der Liebe und an seinem Menschsein zu zweifeln. David Garnett hat eine berührende und packende Geschichte geschrieben, die nach 1952 nun zum zweiten Mal auf Deutsch erschienen ist – und hoffentlich nicht so bald wieder in Vergessenheit gerät.

In «Kollektivet» («Die Kommune») erbt ein nicht mehr so junges Ehepaar, Erik und Anna, eine Villa. Zusammen mit ihrer Tochter beschliessen sie, darin eine Kommune einzurichten. Wohnungsgenossen und -genossinnen sind schnell gefunden und durchaus bunt gemischt. Einig sind sie sich vor allem in der Offenheit gegenüber allen Formen gemeinsamen Wohnens. Und so wird entsprechend viel diskutiert, gelacht, geküsst und getrunken. Das geht so lange gut, bis Erik sich in eine viel jüngere Frau verliebt. Anna gibt sich anfangs bewundernswert tolerant und lädt die Konkurrentin sogar dazu ein, mit in die grosse WG einzuziehen. Schon nach kurzer Zeit muss sie sich, und mit ihr das ganze Kollektiv, eingestehen, dass das schöne Ideal des Alles-gehört-allen bei Liebesbeziehungen an seine Grenzen stösst. Ob «Festen», «Submarino» oder «Jagten» – Vinterbergs Filme beschäftigen sich immer wieder mit problematischen Familiengeflechten. So offenbart sich auch in «Kollektivet» ein ganz kleinfamiliäres Drama, zu dem es das Setting der Wohngemeinschaft erst mal gar nicht bräuchte. Tatsächlich rückt diese teilweise an den Rand des Geschehens und wird zu einer Art Kommentar im Hintergrund. Das erinnert an den Chor im griechischen Theater, was auch damit im Zusammenhang stehen mag, dass Vinterberg das Thema erst als Theaterstück realisiert hatte. Aber die Gemeinschaft hat auch noch einen anderen Nutzen, wie sich am Filmende zeigt: Sie kann nämlich auch Stütze bieten, um den persönlichen Schmerz etwas besser zu ertragen. Der Film kommt also letztlich um einiges heiterer daher, als man es bei Vinterberg gewohnt ist. Er endet zwar nicht mit der gleichen fröhlichen Unbedarftheit (man kann auch sagen: Naivität), mit der er anfängt, aber immerhin versöhnlich und mit einer dann doch wieder sehr privaten Szene. Dass sich das Ganze im detailversessenen Siebziger-Look abspielt, gibt dem Film seinen eigenen Reiz.

David Garnett: Dame zu Fuchs. Dörlemann 2016. CHF 24.90

Trine Dyrholm, Helene Reingaard Neumann u.a.

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Thomas Vinterberg: «Kollektivet», 111 Min., DK 2015, mit Ulrich Thomsen,

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BILD: DANNY CLINCH

Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, in dem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in pre kären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu be gleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.

«Die Republikaner würden uns ins Mittelalter zurückstossen.»

Musik Wie ein Revolutionär Der kalifornische Blueser Ben Harper kommentiert mit einem feurigen neuen Album die Zustände in den heutigen USA. VON HANSPETER KÜNZLER

Der Blues-Boom der Neunzigerjahre machte aus Ben Harper einen Weltstar. Heute ist der Gitarrist und Sänger 46 Jahre alt und wohnt in den Hügeln von Hollywood. Vor zwei Jahren wurde ihm für das Duett-Album mit dem Blues-Althasen Charlie Musselwhite, «Get Up!», bereits der dritte Grammy überreicht. Dieser Erfolg ist bemerkenswert in einem Geschäft, das berüchtigt dafür ist, Künstler in Schubladen zu stecken. Harper hat sich von Anfang an konsequent um keine Schranken gekümmert. So ist das auch bei seinem neuesten Wurf: Für die Aufnahmen hat sich seine langjährige Band The Innocent Criminals nach sieben Jahren Pause wieder zusammengefunden. «Wir mussten eine Weile allein sein, um uns als Individuen neu zu finden», sagt Harper heute. Das musikalische Spektrum von «Call It What It Is» reicht vom euphorischen rockenden «When Sex Was Dirty» bis zur stillen Slide-Gitarre von «All That Has Grown» und dem sonnigen Reggae von «Finding a Way». Und dann das Titelstück: eine furiose Beschreibung vom Umgang der US-Polizei mit Schwarzen. «Ich bin weder weniger zornig als früher noch zorniger», sagt Harper. «Ich bin bloss aktiv und engagiert. Ich bin wütend und traurig darüber, was rundum geschieht und will nicht schweigen. Aber ich bin auch optimistisch. Wir haben in den letzten Jahren viele Fortschritte gemacht, und Obama hat eine gewisse Würde und Integrität zurückgebracht. Die Republikaner würden uns ins Mittelalter zurückstossen.» Das Zusammenführen verschiedenster Einflüsse wurde Ben Harper ebenso in die Wiege gelegt wie sein politisches und soziales Engagement. Seine jüdischen Ur-Ahnen waren an der Russischen Revolution beteiligt, sein afro-amerikanischer Grossvater musste die Lehrtätigkeit während der Kommunistenhetze der McCarthy-Ära zeitweise einstellen. «Engagement hat in unserer Familie Geschichte», sagt Harper. Er führt diese nicht nur in Worten und Gesang weiter. Vor einigen Jahren hat er das «The Folk Music Centre & Museum» in Claremont, Kalifornien übernommen, das zuvor seiner Grossmutter gehörte und wo er in seiner Jugend viel Zeit verbracht hatte. «Es ist für mich noch heute das Schönste», strahlt er. «Mich in den Instrumenten zu verlieren, zu spielen und zu improvisieren und zu sehen, was sie mir offenbaren.

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Brother (Schweiz) AG, Dättwil

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Maya-Recordings, Oberstammheim

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Velo-Oase, Erwin Bestgen, Baar

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Imbach Reisen AG, Wanderreisen, Luzern

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Institut und Praxis Colibri, Murten

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Scherrer & Partner GmbH, Basel

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Fischer + Partner Immobilien AG, Otelfingen

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Petra Wälti Coaching, Zürich

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Bachema AG, Schlieren

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Pro Lucce, Eschenbach SG

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Mcschindler.com GmbH, Zürich

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Burckhardt & Partner AG, Basel

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Schluep & Degen Rechtsanwälte, Bern

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AnyWeb AG, Zürich

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TYDAC AG, Bern

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InhouseControl AG, Ettingen

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Hauswirth Privat-Pflege, Oetwil am See

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Supercomputing Systems AG, Zürich

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Frank Blaser Fotograf, Zürich

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Balcart AG, Therwil

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Oechslin Architektur GmbH, Zollikerberg

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Kaiser Software GmbH, Bern

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Klinik Sonnenhalde AG, Riehen

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Doppelrahm GmbH, Zürich

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Maya-Recordings, Oberstammheim

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

Ben Harper: «Call It What It Is» (Stax/Universal); Konzert Mo, 3. Okt., 20 Uhr, Hallenstadion Zürich 373/ 16 SURPRISE 373/ 16

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BILD: TIM DÜBBERT

BILD: STEFAN HAUER BILD: ZVG

Ausgehtipps

Mehr als eine flüchtige Berührung.

Basel Tanztag Hier wird die schöne neue Pflanzenwelt gebaut.

Zürich Klimawandel live Es sind die kleinen Geschichten, die den grossen Klimawandel fühlbar machen. Eine davon wird dieses Jahr im Alten Botanischen Garten in Zürich erzählt: Das Projekt Klimagarten 2085 zeigt, was globale Klimamodelle auf lokaler Ebene für die Schweiz bedeuten. Die hiesigen Lebensräume – Feld, Wald, Wiese, Garten – werden sich mit steigenden Temperaturen und sinkenden Wasserständen verändern. Welche Nutzpflanzen unsere Bauern künftig anpflanzen werden, welche Baumarten hinzukommen und welche verschwinden – diesen Fragen gehen Wissenschaftlerinnen und Künstler in einem öffentlichen Experiment nach. Dazu haben sie zwei Gewächshäuser aufgestellt: Eines mit dem Klimaszenario «Weitermachen wie bisher», das zweite simuliert eine Welt mit deutlich reduzierten CO2-Emissionen. Bis Mitte September kann man live mitverfolgen, wie Weizen, Mais oder Weidegras auf Hitze und Trockenheit reagieren. Eingerahmt wird das Projekt von zahlreichen Veranstaltungen und Angeboten, auch für Familien und Schulklassen. (ami) Klimagarten 2085: Die Pflanzenwelt unserer Zukunft, noch bis 18. September, Alter Botanischer Garten, Pelikanstrasse 40, Zürich. www.klimagarten.ch

Geflüchtete aus Afghanistan, Ruanda, dem Iran oder Gambia bringen die Themen Ausgrenzung und Angst, Mut und Solidarität tänzerisch auf die Bühne – anhand ihrer eigenen Fluchterlebnisse und Lebensgeschichten. Wer selbst gern tanzt, kann schon am Nachmittag kommen: Ab 14 Uhr locken verschiedene Unterrichts angebote von Flamenco bis Hip-Hop Bewe gungsbegeisterte auf den Kirchenboden. (win) Unesco International Dance Day 2016: Offene Kirche Elisabethen, Elisabethenstrasse 10, Basel, 29. April, Tanzkurse ab 14 Uhr, kostenfrei, Performance «Through the Open Door» um 20 Uhr, 15 CHF, www.dancersfortheworld.org

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Jenny Thieles Norden ist warm und bunt.

Auf Tour Mauern einreissen Sie ging in den Norden, kam zurück und gründete eine Band. So in etwa lässt sich die Bandgeschichte von Nunuk zusammenfassen, einem Projekt der deutschen Musikerin Jenny Thiele. Gemeinsam mit Julius Oppermann und seinem sensiblen Gespür für Groove und Vocals sowie dem spannenden SynthesizerKeys-Gespann Irene Novoa und Lucia Fumero schafft Thiele bezaubernd vielstimmige und warme Klänge zu deutschen und englischen Texten. Obwohl inspiriert von der kalten, rauen Natur Skandinaviens, tönt Nunuk auf ihrer «Tearin’ down Walls-Tour» warm und behaglich wie eine schnurrende Katze am Kamin, und nur die gelegentlichen Breakbeats erinnern ein wenig an das bisschen Nordwind draussen vor der Tür. (win) Live: «Tearing down the Walls», Do, 28. April, Schützi Olten; Fr, 29. April, La Catrina Zürich; Sa, 30. April, Kulturhaus Rose, Stein; Do, 12. Mai, Variobar Olten; Fr, 13. Mai, Barakuba Basel. Weitere Termine und Infos: www.nunuk-nunuk.com

Das Wohlbefinden am Arbeitsplatz und der tiefere Sinn des Tätig-Seins sind Thema dieses Buches. Die Autorin zeigt auf, wie mit gezielten Körperübungen tagsüber der Energiepegel aufrecht gehalten wird und wie an Hand der Yogaphilosophie mehr Schwung, Gelassenheit und Freude in den Berufsalltag kommt. Viele kleine Tipps, Tricks und Übungen verführen zum Ausprobieren und können kurz zwischendurch praktiziert werden.

Gertrud Hirschi, Yoga@Work 2016, 19 ×17,5 cm, 222 Seiten, reich illustriert, Hardcover, Synergia Verlag, CHF 38.40

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BILD: MARKUS FORTE/ FLURIN BERTSCHINGER

BILD: RETO OESCHGER

Das Trio from Hell vor Arbeitsantritt.

Leseratten sind bei Eberhardgalati unter sich.

Zürich Jeden verdammten Sonntag

Theater Zusammen lesen

«Der Helsinkiklub beim Bahnhof Hardbrücke in Zürich ist bis auf weiteres der beste Klub in Zürich, fasst 130 Leute und zeigt Shows aller Gattungen, ausser Mainstream.» Das schreibt das «Aad Hollander Trio from Hell» auf seiner Homepage. Der Grund für diese dezidierte Meinung: Das Trio ist die Hausband im «Helsinki» und spielt seit August 2004 jeden Sonntag ab 22 Uhr drei bis vier halbstündige Sets. Die Band besteht aus Heinz Rohrer an der Telecaster-Gitarre, Bice Aeberli am Bass und Aad Hollander am Schlagzeug. Die Songs sind strikt instrumental und bewegen sich zwischen Country, Rockabilly, Polka, Blues und Boogie. Zwischen den Sets rotieren DJs ihre Vinyl-Raritäten auf den Plattentellern. Bisweilen lässt sich das Publikum zu einem gepflegten Line-Dance hinreissen. Wer Geburtstag hat, darf dies der Band mitteilen und wird mit einem Song geehrt. Bedingung ist das Erscheinen auf der Bühne. Ab und zu tauchen am Sonntag auch Gastmusiker auf der Helsinkibühne auf. Die Legende geht, dass «Kool and the Gang» nach ihrem Zürich-Konzert noch zu einer Jam vorbeischauten. Auch Sophie Hunger lasse sich einmal pro Jahr zu einer Gesangseinlage überreden. Aber Vorsicht: Der Anlass hat hohes Suchtpotenzial. Das ist daran erkennbar, dass man schon beim zweiten Besuch das Gefühl hat, jeden zu kennen. (bc)

Lesen ist eigentlich asozial. Wer liest, kapselt sich von der Umwelt ab und ist manchmal für Stunden, ja Tage nicht mehr ansprechbar. Das kann zu Isolation oder – im schlimmsten Fall – zum Verlust des Soziallebens führen. Wer zu viel liest, verliert ganz sicher an Popularität unter seinen Freunden. Doch das muss nicht sein. Die Theatertruppe Eberhardgalati schafft hier Abhilfe. Die Schauspieler und Musiker lesen an ihren «Readme»-Anlässen ein Buch vor. Auf ihre Art: mit Sprechchören, musikalischer Untermalung und Einbezug des Publikums. Damit ganz sicher niemand einfach nur still dasitzt und vor sich hinstarrt – wie beim Lesen eben. In Winterthur tun Eberhardgalati dies am 28. April um 20 Uhr im Kraftfeld. Gelesen wird «Meine Stimme verstörte die Leute – Diva Assoluta Maria Callas» von Gunna Wendt. Und: Das Publikum soll Bücher mitbringen. Daraus losen die Schauspieler am Schluss der Aufführung eines für die nächste Show aus. (bc) Lesung «Readme», Sonntag, 24. April, 21 Uhr, Bundeshaus zu Wiedikon; Dienstag, 26. April, 20 Uhr, Neubad Luzern; Mittwoch, 27. April, 20 Uhr, Zum Goldenen Fass Basel; Donnerstag, 28. April, 20 Uhr, Kraftfeld Winterthur

Konzerte: Jeden Sonntag ab 22 Uhr, Helsinkiklub, Geroldstrasse 35, Zürich.

Anzeige:

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Sängerinnenporträt «Ich werde jedes Mal stärker» Laura Buser, 28, kam mitten in einem Tief durch Zufall zum Surprise Strassenchor. Die angehende Gärtnerin geniesst die Lockerheit des gemeinsamen Musizierens. Der gesellschaftliche Leistungsdruck ist ihr manchmal zu viel.

«Manchmal bin ich leise. Wenn mir alles zu viel ist, dann mache ich mich klein und unauffällig und habe fast keine Stimme mehr. Deshalb ist der Surprise-Strassenchor gut für mich: Er stärkt meine Stimme und hilft mir, ein bisschen lauter zu werden, auch im Leben. Ich bin erst vor ein paar Monaten durch Zufall dazugestossen. Ich war an einem Konzert, und einer der Sänger des Chors, der auch als Heftverkäufer arbeitet, erkannte mich als Käuferin des Strassenmagazins. Alle waren sehr sympathisch, und die Chorleiterin drückte mir einen Flyer in die Hand. Seither gehe ich regelmässig in die Proben. Ich wollte beruflich lange etwas mit Gestaltung machen, doch nach einigen Umwegen bin ich bei einer Lehre zur Staudengärtnerin gelandet: Im Anschluss an die Diplommittelschule habe ich den gestalterischen Vorkurs in Basel absolviert. Das war toll, ich konnte unterschiedliche Dinge lernen und ausprobieren. Danach begann ich, in Luzern Textildesign zu studieren, was sich aber als Enttäuschung herausstellte. Ich war mit dem selbständigen Arbeiten ziemlich überfordert. Dazu kamen psychische Probleme, die immer schlimmer wurden und eine schwere Depression auslösten. Nach einem Aufenthalt in der Tagesklinik Basel ging es mir nach einigen Monaten wieder besser. Ich habe vor vier Jahren dank eines Praktikums in einer Gemüsegärtnerei im Wiesental gemerkt, wie gut es tut, sich viel zu bewegen und draussen zu arbeiten. Ich entschied mich für diese berufliche Richtung und dachte mir, dass man ja nebenbei immer noch kreativ tätig sein kann. Ich fand eine Ausbildung in der Region und startete vor drei Jahren voller Energie und Wissensdurst ins erste Lehrjahr. Die Lehre ist spannend, vor allem fachlich lerne ich viel. Aber die menschliche Entwicklung kommt manchmal zu kurz: Man ist ständig am Funktionieren – essen, arbeiten, schlafen. So kam mir mein Leben in den vergangenen Monaten vor, die sozialen Kontakte blieben auf der Strecke. Nach einem Arbeitstag brauche ich zuerst einmal Zeit für mich. Ich mag es, am Abend zuhause Gitarre zu spielen und dazu zu singen. Das gibt mir neue Energie. Aber irgendwann war ich von dem vielen Arbeiten völlig ausgebrannt und hatte auch für meine Hobbys kaum mehr Kraft. Im Herbst und Winter hatte ich dann ein schlimmes Tief. Ich war immer müde, psychisch und körperlich. Und genau zu diesem Zeitpunkt begann ich mit dem Strassenchor, der mich sehr herzlich aufgenommen hat. Es tat mir gut, wieder andere Leute um mich zu haben, nicht nur die Kollegen vom Geschäft. Die Chorsängerinnen und -sänger stammen aus unterschiedlichen Ländern, und das merkt man zum Teil an ihrem Temperament. Eine Frau nahm mich zum Beispiel einfach in den Arm, obschon ich mit ihr gar nicht über meine Probleme geredet hatte. Es ist schön, diese Herzlichkeit zu spüren und sich aufgehoben zu fühlen. Wir teilen im Strassenchor die Freude an der Musik, auch wenn’s mal ein bisschen schief tönt. Trotz des Unterbruchs wegen der Krankheit werde ich die Lehre diesen Sommer hoffentlich abschliessen. Das macht mich natürlich ein

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BILD: TOBIAS SUTTER

AUFGEZEICHNET VON MARA W IRTHLIN

biss chen stolz. Vor allem finde ich es schön, dass ich mein Leben bald wieder selbst gestalten kann. In Zukunft möchte ich gerne weiterhin draussen arbeiten. Ich sehne mich aber auch nach einer kreativeren Arbeit, bei der ich selbst etwas auf die Beine stellen kann. Mich interessiert zudem das Thema Landwirtschaft und schonender Ressourcenverbrauch, ich würde gerne zur nachhaltigen Entwicklung beitragen. Oder ich könnte aufs Land ziehen und einen eigenen Garten haben. Zurzeit geht es mir wirklich gut. Alles, was mich über eine lange Zeit hinweg blockiert hat, ist wieder weg und mein Kopf ist klar, voller kreativer Ideen. Wahrscheinlich kommt wieder einmal eine Zeit, in der es mir nicht so gut geht, aber ich werde jedes Mal stärker. Nur mit dem Leistungsdruck in der Gesellschaft kann ich nicht so gut umgehen, da bin ich manchmal sehr dünnhäutig. Ich glaube, dass ich meinen Platz langsam finde. Und ich lerne, was gut für mich ist und was nicht.» ■ SURPRISE 373/ 16


SurPlus – eine Chance für alle! Werden Sie Gotte oder Götti bei SurPlus Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten. Menschen, die kaum Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt wieder Struktur und mehr Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Das verdient Respekt und Unterstützung. Das Spezialprogramm SurPlus ist ein niederschwelliges Begleitprogramm für ausgewählte Surprise-Verkaufende, die regelmässig das Strassenmagazin

verkaufen und hauptsächlich vom Heftverkauf leben. Diese Verkaufenden erhalten nur geringe soziale Ergänzungsleistungen und werden im Programm SurPlus gezielt vom Verein Surprise unterstützt: Sie sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit, Nahverkehrsabonnement) und werden bei Problemen im oft schwierigen Alltag begleitet. Mit einer Patenschaft leisten Sie einen wesentlichen Beitrag für die soziale Absicherung der Verkaufenden und ermöglichen ihnen, sich aus eigener Kraft einen Verdienst zu erarbeiten. Vielen Dank für Ihr Engagement!

Elsa Fasil Bern

Kostana Barbul St. Gallen

Ralf Rohr Zürich

Marlis Dietiker Olten

Negasi Garahassie Winterthur

Josiane Graner Basel

Tatjana Georgievska Basel

Emsuda Loffredo-Cular Basel

Anja Uehlinger Baden

Fatma Meier Basel

Haimanot Ghebremichael Bern

Oliver Guntli Bern

Roland Weidl Basel

Daniel Stutz Zürich

Ja, ich werde Gotte/Götti und unterstütze das SurPlus-Programm von Surprise! 1 Jahr: 6000 Franken

1/2 Jahr: 3000 Franken

1/4 Jahr: 1500 Franken

Vorname, Name

Telefon

Strasse

E-Mail

PLZ, Ort

Datum, Unterschrift

1 Monat: 500 Franken

373/ 16 Talon bitte senden oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, 4051 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch, PC-Konto 12-551455-3 SURPRISE 373/ 16

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Surprise – mehr als ein Magazin

Ich möchte Surprise abonnieren! 24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.)

Hilfe zur Selbsthilfe Surprise unterstützt armutsbetroffene Menschen – beim Strassenverkauf, Strassenchor oder Strassensport, dem Sozialen Stadtrundgang oder Café Surprise: Der Verein fördert die soziale Integration der Betroffenen. Surprise gibt das vierzehntägig erscheinende Strassenmagazin heraus. Eine professionelle Redaktion produziert das Heft zusammen mit einem Netzwerk aus freien Journalisten, Fotografen und Illustratoren. Das Magazin wird auf der Strasse verkauft. Über 350 armutsbetroffene Menschen, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten über den Strassenverkauf eine Erwerbsmöglichkeit und eine Tagesstruktur. Die Hälfte des Magazinerlöses behalten die Verkaufenden. Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht sozial ausgegrenzten Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit z.B. mit dem Sozialen Stadtrundgang in Basel und Zürich. Die Surprise-Stadtführer sind Armutsbetroffene, Ausgesteuerte und Obdachlose. Sie erzählen aus ihrem Alltag in ihrer Stadt und zeigen Orte, an denen man sonst vorübergeht. Gemeinsam wollen sie Vorurteile abbauen.

Stärken. Bewegen. Integrieren. Surprise fördert die Integration mit Sport. In der Surprise-Strassenfussball-Liga spielen Teams aus der ganzen Deutschschweiz. Sie kämpfen um den Titel des Schweizermeisters und des Weltmeisters beim Homeless World Cup. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Strassenchor. Gemeinsames Singen und öffentliche Auftritte ermöglichen Glücksmomente für Menschen, für die der gesellschaftliche Anschluss sonst erschwert ist. Café Surprise schenkt Menschen mit wenig Geld einen kostenlosen Kaffee in einer Bar oder einem Café. So können sie am sozialen Leben teilnehmen. Für Gäste ist es eine einfache und charmante Gelegenheit, sich sozial zu engagieren: Sie bezahlen ihren Kaffee und spendieren einen weiteren. Über Surprise Der Verein Surprise unterstützt Armutsbetroffene ohne staatliche Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle Angebote ist Surprise auf Spenden, Sponsoren und Stiftungen angewiesen. Surprise ist Mitglied des internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP), dem über 120 Magazine in über 40 Ländern angehören.

Gönner-Abo für CHF 260.–

Geschenkabonnement für: Vorname, Name

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Rechnungsadresse: Vorname, Name

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PLZ, Ort

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Datum, Unterschrift 373/ 16

Bitte heraustrennen und schicken oder faxen an: Verein Surprise, Administration Spalentorweg 20, 4051 Basel F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch

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Impressum Herausgeber Verein Surprise, Spalentorweg 20, 4051 Basel www.vereinsurprise.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Fr T + 41 61 564 90 90, F + 41 61 564 90 99 Nicole Mathys, Thomas Oehler, info@vereinsurprise.ch Geschäftsführung Paola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (stv. GL) Anzeigenverkauf T + 41 61 564 90 90, M + 41 76 325 10 60 anzeigen@vereinsurprise.ch Redaktion T + 41 61 564 90 70, F + 41 61 564 90 99 Amir Ali (ami), Beat Camenzind (bc), Diana Frei (dif), Simon Jäggi (sim), Thomas Oehler (tom), Sara Winter Sayilir (win, Heftverantwortliche) redaktion@vereinsurprise.ch, leserbriefe@vereinsurprise.ch Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Florian Burkhardt, Rahel Nicole Eisenring, Shpresa Jashari, Carlo Knöpfel, Melanie Kobler (Grafik), Yvonne Kunz, Stephan Pörtner, Isabella Seemann, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Tom Wiederkehr, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Philipp Baer, Monika Bettschen, Ruben Hollinger, Luzian Hunziker, Olivier Joliat, Hanspeter Künzler, Miriam Künzli, Samuel Schläfli Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 21 600, Abonnemente CHF 189, 25 Ex./ Jahr Marketing, Fundraising T + 41 61 564 90 50 Svenja von Gierke (Leitung), Zaira Esposito Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugs weise nur mit Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt.

Vertriebsbüro Basel T + 41 61 564 90 83/ 85 Thomas Ebinger, Anette Metzner, Spalentorweg 20, 4051 Basel, basel@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Zürich T + 41 44 242 72 11, M + 41 79 636 46 12 Reto Bommer, Sara Huber, Kanzleistrasse 107, 8004 Zürich, zuerich@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Bern T + 41 31 332 53 93, M + 41 79 389 78 02 Barbara Kläsi, Alfred Maurer, Fabian Steinbrink Pappelweg 21, 3013 Bern, bern@vereinsurprise.ch Strassenchor T + 41 61 564 90 40 Paloma Selma (Leitung), p.selma@vereinsurprise.ch Strassensport T + 41 61 564 90 10 Lavinia Besuchet (Leitung), l.besuchet@vereinsurprise.ch, David Möller (Sportcoach) www.strassensport.ch Sozialer Stadtrundgang Basel T + 41 61 564 90 40 Sybille Roter (Leitung), s.roter@vereinsurprise.ch, Paloma Selma (Koordination), rundgang@vereinsurprise.ch Sozialer Stadtrundgang Zürich T + 41 44 242 72 14 Sybille Roter (Leitung), s.roter@vereinsurprise.ch, Carmen Berchtold (Koordination), rundgangzh@vereinsurprise.ch Vereinspräsident Beat Jans Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen. Helfen macht Freude, spenden Sie jetzt: Spendenkonto PC 12-551455-3 SURPRISE 373/ 16


Eine Tasse Solidarität! Machen Sie mit: Zwei bezahlen, eine spendieren. Café Surprise gibt es hier: In Basel Café-Bar Aktienmühle, Gärtnerstrasse 46 Café-Bar Elisabethen, Elisabethenstrasse 10 Café Restaurant Haltestelle, Gempenstrasse 5 Quartiertreffpunkt Lola, Lothringerstrasse 63 Rest. Les Garçons, Schwarzwaldallee 200 Trattoria Bar da Sonny, Vogesenstrasse 96 In Bern Café Kairo, Dammweg 43 Café Tscharni, Waldmannstrasse 17a Café-Bar das Lehrerzimmer, Waisenhausplatz 30 Luna Llena Gelateria Restaurant Bar, Scheibenstrasse 39 Rest. Genossenschaft Brasserie Lorraine, Quartiergasse 17 Rest. Löscher, Gotthelfstrasse 29 Rest. Sous le Pont – Reitschule, Neubrückstrasse 8 Rösterei Kaffee und Bar, Güterstrasse 4 Treffpunkt Azzurro, Lindenrain 5

In Biel Treffpunkt Perron bleu, Bahnhofplatz 2d In Thun Joli Mont, Bälliz 60 In Schaffhausen Kammgarn Beiz, Baumgartenstrasse 19 In Zürich Café Zähringer, Zähringerplatz 11

www.vereinsurprise.ch/cafesurprise Ein Projekt des Vereins Surprise.



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