Surprise 384

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Nr. 384 | 23. September bis 6. Oktober 2016 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.

Punks und Pagoden Wie Myanmars Subkulturen den Wandel vorantreiben


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Der Surprise Schriftzug soll folgende Farbe haben schwarz weiss silber

Vorname, Name

Telefon

Strasse

E-Mail

PLZ, Ort

Datum, Unterschrift

Anzahl Taschen

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*gemäss Basic 2008-2. Seite bitteMACH heraustrennen und schicken oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, 4051 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch

Lassen Sie – Surprise singen. Unterstützen Sie uns mit Ihrem Beitrag an den Freundeskreis Surprise Strassenchor! Infos: www.vereinsurprise.ch/strassenchor oder Telefon 061 564 90 40.

Verein Surprise, Spalentorweg 20, 4051 Basel Spendenkonto PC 12-551455-3

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In dieser Ausgabe nehmen wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, mit auf eine Reise. Vielleicht waren Sie sogar wirklich schon in Myanmar – das Land wird als Destination für Schweizer Ferienreisende immer wichtiger, seit vor einigen Jahren ein Prozess der demokratischen und wirtschaftlichen Öffnung eingesetzt hat. Unser Autor Olivier Joliat und der Fotograf Ruben Hollinger sind tief in diesen Prozess eingetaucht – nicht im Parlament oder in Parteizentralen, sondern auf der Strasse, wo sich Punks, Sprayerinnen und Breakdancer mit der Frage beschäftigen: Wie bauen wir die Gesellschaft, in der wir leben wollen? Beim Lesen der Reportage ab Seite 10 wurde mir klar: Die Rebellion der Jugend AMIR ALI gegen die Generation ihrer Eltern ist für einen nachhaltigen Wandel unab- REDAKTOR dingbar. Die Subkultur wird hier zur Stütze der neuen Ordnung, die möglicherweise am Entstehen ist. Freiheit besteht aus Räumen, in denen man frei sein kann. Diese Räume muss man sich nehmen, bauen und verteidigen. «Alles wird gut», stand gross und bunt auf der legendären Zürcher Hausbesetzung im Wohlgroth-Areal. Damit brachten die Besetzer das Versprechen auf den Punkt, das jeder Freiraum in sich trägt: Räume, die frei sind von Vorschriften und Zwängen, frei vom Bestehenden und somit offen für Anderes und Neues – nur dort kann alles gut werden. «Wie kann ich überhaupt noch in dieser Gesellschaft leben?» Diese ähnliche, aber doch ganz andere Frage als die Punks in Myanmar stellt sich Benjamin von Wyl im Essay ab Seite 19. Er verarbeitet darin seine Eindrücke aus einer Art Zukunftslabor, für das sich ein paar Dutzend junge Menschen in ein Tessiner Bergtal zurückgezogen haben. Dass dabei auch der Solgan «Alles wird gut» eine Rolle spielt, dürfte kein Zufall sein.

BILD: WOMM

Titelbild: Ruben Hollinger

Editorial Räume mit Potenzial

Ich wünsche Ihnen eine erhellende Lektüre. Amir Ali

10 Myanmar Bewegte Jugend SURPRISE 384/16

BILD: ZVG

BILD: ISTOCKPHOTO

BILD: RUBEN HOLLINGER

Inhalt 04 Randnotiz Beweglich sein 04 Vor Gericht Nur für den Pedro 05 Die Sozialzahl Schleichende Prekarisierung 06 Wir alle sind #Surprise Neuer Katechismus 07 Challenge League Der Schachmeister 08 Porträt Durch den Dschungel 22 Moumouni Psssst! 23 Kino Mr. Gaga und die Suche nach dem verlorenen Paradies 24 Kultur Kritisch zelebriert 26 Ausgehtipps Lagos in Zürich 28 Fussballer-Porträt David Aellen 29 Projekt SurPlus Eine Chance für alle 30 In eigener Sache Impressum 31 Mehr als ein Magazin Interaktiver Gesang

16 Lebenskrisen Wenn keiner hinschaut

19 Generation Y Alles kaputt?

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Randnotiz Ballast abwerfen Ich war süchtig nach materieller Bereicherung. Ich sprengte meinen Kreditrahmen und lieh mir Geld von meinem Partner. Ich konsumierte und merkte gar nicht, dass die Produkte, die ich mir kaufte, nur kurzzeitige Platzhalter waren. Alle Objekte, die ich zum Leben benötige, hatte ich längst. Was ich wirklich brauchte, konnte ich nicht kaufen. Ich war orientierungslos und stopfte das Loch in mir mit materieller Bereicherung. Ich fühlte mich innerlich leer und glaubte, keine richtige Aufgabe im Leben zu haben. Als ich wieder Erfüllung in einer Tätigkeit fand, fiel die Kaufsucht wie eine Hülle von mir ab, und ich sass in einer Überfülle an Material. Doch auch wenn es mir gut geht, fällt es mir nicht leicht, auf Unnötiges zu verzichten, denn Kaufen gibt mir einen Kick. Dabei weiss ich, dass ich nicht mehr bin, wenn ich mehr besitze. Auch ich habe «Haben oder Sein» von Erich Fromm gelesen. Ich bin 42 Jahre alt, und es hat sich eine Menge angesammelt – was ich als Ballast empfinde, weil es mich unbeweglich macht und unnötig viel Raum einnimmt. Ich erinnere mich an die Jahre, als ich die Welt bereiste. Mein gesamter materieller Besitz hatte in zwei Taschen Platz. Unnötiger Besitz kommt mir vor wie der verkeilte Anker eines Schiffes. Es ist Zeit, Ballast abzuwerfen, damit das Schiff wieder Fahrt aufnehmen kann. Wieso ist es schwer, sich von Materiellem zu lösen? Die Frage ist doch einfach: Brauche ich das wirklich? Ich habe keine Wahl mehr; vieles muss weg. Auch was das In-Verbindung-Bleiben mit Leuten betrifft, die mein Leben einmal gekreuzt haben. Ich verkaufe oder verschenke das Unnötige und gehe meine Facebook-Kontakte durch. Wenn ich sterbe, lasse ich alles zurück. Bis dahin gilt es, keinen neuen Ballast anzusammeln, denn jetzt habe ich Platz und damit Freiraum geschaffen, den ich nicht einfach mit neuer Materie füllen darf. Nützlicher und notwendiger Besitz ergibt sich aus echten Bedürfnissen. Ich frage mich, ob ich etwas wirklich brauche. Kaufe ich etwas Neues, kommt das Alte weg. Ich komme nackt auf die Welt und gehe nackt. Dazwischen möchte ich beweglich sein.

Florian Burkhardt war erfolgreicher Sportler, Model und Internetpionier, bis er an einer Angsstörung erkrankte. Sein Leben wurde im Film «Electroboy» dokumentiert.

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Vor Gericht Alles für die Liebe Liebe kann gefährlich sein. Wenn Frauen vor die Schranken des Gerichts stöckeln, dauert es jedenfalls meist nur zwei, drei Sätze lang, bis sie auf den Mann zu sprechen kommen, der sie vermeintlich zu kriminellen Handlungen trieb. «Ich hatte Angst, den Pedro zu verlieren», antwortet Sandra B.*, 45, auf die Frage der Richterin, weshalb sie als Verantwortliche für die Finanzen eines Verbands Rechnungen fälschte sowie Mitgliederbeiträge und Spendengelder abzweigte. 133 000 Franken sackte sie im Laufe dreier Jahre ein. Nach Untersuchungshaft, Selbstmordversuch und «Klapsmühli» sitzt sie nun in ihrem besten Hosenanzug aus grauem Polyester vor dem Bezirksgericht: eine blasse Frau mit dünnem Pferdeschwanz, das Gesicht von Medikamentenmissbrauch gezeichnet. «Alles hätte ich getan, dass der Pedro bei mir bleibt. Ich war ja nie eine attraktive Frau. Und als ich die Stelle als Verbandssekretärin erhielt, erwartete er, dass ich jetzt für die Familie aufkomme, damit er endlich sein eigenes Leben führen kann.» Die Richterin braucht einige Zeit, um die Verhältnisse zu entwirren. Offenbar hängen Sandras Delikte untrennbar mit ihrer inzwischen gescheiterten Ehe zusammen. Mit 18 wurde sie schwanger, brach ihre Ausbildung zur Krankenschwester ab und wurde Hausfrau; der Mann, ein südamerikanischer Koch mit Hang zum Alkohol- und Drogenkonsum, sorgte notdürftig für den Unterhalt, hatte aber schon früh Affären mit anderen Frauen. Der plötzliche Wohlstand sollte ihre Ehe retten; sie unterschlug erst kleinere Summen, später aber Einzelbeträge von bis zu 10 000

Franken. Sandra ermöglichte ihrem Mann den Weg in die Selbständigkeit und bezahlte ihm Fernreisen; sie selbst kaufte sich Kleider und Kosmetik, um für ihn attraktiver zu sein. Ihre Verteidigerin rekapituliert den Werdegang der Angeklagten, beschreibt die Kluft zwischen deren hochgesteckten Ambitionen und den Niederungen ihres alltäglichen Lebens («Der grösste Traum meiner Mandantin war, künstlerisch tätig zu sein») und zitiert aus dem psychiatrischen Gutachten. Die Richter hören konzentriert zu, die Gymischüler auf den Publikumsrängen schreiben auf ihre Blöcke, und man glaubt einen Moment lang zu erkennen, dass Sandra B. diese Aufmerksamkeit geniesst, einmal im Leben im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. Fast gerät das Plädoyer der Verteidigerin zu einer Lobrede auf Sandras Trotzallem-Erfolge als fürsorgliche Mutter eines wohlgeratenen Sohnes, als beliebte Mitarbeiterin, als freiwillige Helferin in einem Verein. Im Bezirksgericht Zürich steht am Ende dieser Erzählung jedoch nicht der Applaus, sondern eine Strafe. Sandra B. wird wegen mehrfacher Veruntreuung und Urkundenfälschung zu einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 110 Franken verurteilt sowie zu einer Busse von 1800 Franken plus Schadenersatzzahlung, die sie bereits angefangen hat abzustottern. Beim Hinausgehen löst sie den Pferdeschwanz und zieht ihr Gesicht mit einem mattblonden Haarvorhang zu. * alle Namen geändert

Isabella Seemann ist freie Journalistin in Zürich und porträtiert als akkreditierte Gerichtsreporterin monatlich die kleinen und grossen Fische, die es in die Gerichtssäle geschwemmt hat.

Priska Wenger ist Illustratorin in Biel und New York. SURPRISE 384/16


BILD: WOMM

Anteile Sozialleistungen nach Funktionen 2014 (in Prozent) 0,5 2,8

1990 (in Prozent) 0,9 0,7 1,9

3,6 6

43

29,7

5,1

7,5 6,7

Krankheit-/Gesundheitsversorgung Invalidität Alter Hinterbliebene Familie/Kinder Arbeitslosigkeit Wohnen Soziale Ausgrenzung

29,8

9,5 9,3 43

Total 1990: CHF 72,4 Mia.

Total 2014: CHF 157,3 Mia.

Quelle: Bundesamt für Statistik: Die Sozialleistungen Neuchâtel, 2016.

Die Sozialzahl Verschiebungen im Kleinen Der Sozialstaat ist gebaut. Er deckt alle sozialen Risiken ab und seine Funktion ist im Wesentlichen die materielle Unterstützung von Betroffenen, wenn diese – aus welchem Grund auch immer – kein eigenes Erwerbseinkommen erzielen können. Diesen Eindruck gewinnt, wer auf die Entwicklung der letzten 25 Jahre zurückblickt. Die Sozialleistungen haben über diesen Zeitraum zwar deutlich zugenommen, von 72,4 auf 157,3 Milliarden Franken, wenn die Teuerung mitberücksichtigt wird. Aber schaut man sich die Liste und die Anteile der verschiedenen Sozialleistungen nach ihren Funktionen für das System der sozialen Sicherheit an, so zeichnen sich diese, zumindest auf den ersten Blick, durch eine erstaunliche Konstanz aus. Keine einzige neue Sozialversicherung ist in diesen Jahren geschaffen worden (die Finanzierung des Mutterschaftsurlaubs wurde über die Erwerbsersatzordnung geregelt). Auf ein Obligatorium bei der Krankentaggeldversicherung hat man verzichtet, eine nationale Krankenversicherung für alle wurde mehrfach abgelehnt, die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens unlängst deutlich verworfen. Wenn Veränderungen stattfinden, dann innerhalb des bestehenden Systems der sozialen Sicherheit. Ein Aus- oder Umbau war und ist offenbar nicht möglich. Wie sieht es bei den Anteilen für die verschiedenen Funktionen des Sozialstaates aus? Die Sozialleistungen zur materiellen Sicherheit im Alter absorbieren nach wie vor den grössten Teil der gesamten Sozialausgaben. Doch im Ver-

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betrugen 24.5% des BIP. Gesamtrechnung der Sozialen

Sicherheit 2014.

gleich zwischen 1990 und 2014 ist der Anteil mit 43 Prozent immer noch genau gleich hoch. Der demografische Wandel hat also nicht zu einer Gewichtsverschiebung zugunsten der älteren Menschen geführt. Der zweitgrösste Ausgabenposten findet sich bei der finanziellen Deckung von Krankheit und der Gesundheitsversorgung. Auch hier das gleiche Bild. 1990 betrug der Anteil 29,8 Prozent, 25 Jahre später 29,7 Prozent am Gesamt der Sozialleistungen. Verschiebungen muss man im Kleinen suchen. So geringfügig diese erscheinen mögen, sie signalisieren eine schleichende Prekarisierung der Gesellschaft. Auf der einen Seite nehmen die Anteile für Familien und Wohnen ab, auf der anderen Seite steigen die Ausgaben für die Funktionen Arbeitslosigkeit und die soziale Ausgrenzung. So hat sich der Anteil zur Unterstützung von arbeitslosen Personen zwischen 1990 und 2014 vervierfacht, jener für armutsbetroffene Menschen um 50 Prozent erhöht. Diese Entwicklung spiegelt die strukturellen Verwerfungen der Neunzigerjahre auf dem Arbeitsmarkt. Der massive Umbau der Schweizer Wirtschaft in diesen Jahren hat zu einer Sockelarbeitslosigkeit geführt, welche das Land immer weiter vom einstigen Ziel der Vollbeschäftigung weggeführt hat. Die seitdem gestiegenen Ausgaben in der Sozialhilfe sind das späte Echo auf diese Veränderungen. Damit rückt eine neue Funktion des Sozialstaates in den Vordergrund: die arbeitsmarktliche Integration. Diese fehlt in der Gesamtrechnung der Sozialen Sicherheit des Bundesamtes für Statistik. Prof. Dr. Carlo Knöpfel ist Dozent am Institut Sozialplanung, Organisationaler Wandel und Stadtentwicklung der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz.

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Hagos Tesfagabr

Ghide Gerezgihier

verzaubert uns mit seinem warmherzigen Lächeln den Morgen. Als treue Surprise-Leser kaufen wir das neue Heft gerne am Samstag bei ihm vor der KramgassPost in Bern. Steht er einmal nicht da, so vermissen wir ihn.

ist aus Biel-Bienne kaum mehr wegzudenken.

K. & P. Jequier-Hadorn, Ostermundigen

P. Blaser, Biel

Wir alle sind #Surprise Wer das Strassenmagazin kauft, tauscht mehr als Geld gegen Ware: Fast immer gibt es ein Lächeln dazu, oft werden ein paar Worte ausgetauscht – und manchmal sogar gegenseitiges Vertrauen aufgebaut. Viele Leserinnen und Leser berichten uns von ihren Begegnungen mit den Verkaufenden. Und sie schreiben der Redaktion, was sie gut gefunden haben und was weniger. Wir bedanken uns herzlich für diese Rückmeldungen – und teilen hier einige davon mit Ihnen.

Hans Rhyner

auf dem Fronwagplatz in Schaffhausen anzutreffen, macht mich glücklich. Immer freue ich mich auf die Begegnung mit diesem Menschen. Er strahlt eine solche Freundlichkeit aus, die ansteckt. Diesmal sagte ich ihm, dass ich ihn einfach nicht angetroffen und so das letzte Heft wohl verpasst hätte. Kein Problem, sagte er: «Ich habe Sie auch vermisst und drum noch ein Heft dabei. Wissen Sie, Sie geben ja immer zu viel, so könnte man sagen, dieses Heft ist auch bezahlt.» Lächelnd wünschte er mir noch einen schönen Tag im wohlklingendem Glarnerdialekt, und ich zog mit zwei Ausgaben weiter. Kompliment! Surprise gibt mir eine neue Wahrnehmung der Welt, danke. Ich finde es grossartig, in Ausführung und Haltung!

Ausgabe 382

«Höchst gehaltvoll»

Bei meinen Bahnfahrten sehe ich regelmässig den sympathischen Surprise-Verkäufer in der Unterführung des Bahnhofs Rapperswil. Vor etwa einem Jahr habe ich ihm ein Surprise abgekauft und war jedoch von der Lektüre bitter enttäuscht. Es wurde der ewig gleiche linke Katechismus heruntergebetet. Nun habe ich dem gleichen Verkäufer die Ausgabe 382 abgekauft. Die Lektüre ist vom Editorial über das Interview mit Yanis Varoufakis bis zu «EU-Kritik – und dann» eine höchst gehaltvolle und spannende Lektüre. Bitte machen Sie weiter so! Jürg Streuli, Wetzikon

R. Wacker, Flurlingen

Amina Mohamed ist freundlich und nicht aufdringlich. Im Sommer steht sie draussen, im Winter zwischen den zwei automatischen Türen und wartet auf ihre Kunden. Auch ein Kompliment an das Management des Coop Grüze in Winterthur, das der Dame einen Standplatz draussen und drinnen offeriert. U. Luginbühl, Weisslingen

Ausgabe 382

Yusuf Mahamud steht Stunde für Stunde vor dem

«Billige Pauschalisierung» Der Artikel über

Center in Einsiedeln und lächelt in die Welt hinaus. Ich freue mich jedes Mal, ihn zu sehen. Ich glaube, das geht vielen Leuten so. Viele begrüssen ihn herzlich und betreiben ein bisschen Small-Talk mit ihm. Dann ist es immer sehr schön zu sehen, wie er aufblüht.

Sozialhilfestatistiken auf Seite 5 ist meiner Meinung nach sonderbar gelayoutet. Man sieht einfaches/billiges Essen, Bierdose, Aschenbecher und eine Fernbedienung. Was genau wollen Sie damit bezwecken? Soll dies der gewöhnliche Standardtisch eines Sozialhilfeempfängers sein? Es ist mir durchaus klar, dass dies bestimmt immer wieder so anzutreffen ist. Aber gewiss auch in anderen Haushalten wird man dies so vorfinden. Mein Eindruck ist eher, dass hier mit billigen Pauschalisierungen und Stigmatisierungen umgegangen wurde. Der rauchende, sich schlecht ernährende, den ganzen Tag fernsehschauende und dabei Büchsenbier trinkende Sozialhilfeempfänger. Hiermit wird ein Bild und eine Meinung unterstützt, die Ihre Zeitung eigentlich nicht propagieren sollte! Wenn ich sowas haben will, kann ich mir auch den Blick antun. F. Baum, Basel

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P. Birrer, Einsiedeln

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 oder vereinsurprise.ch/spenden-surprise Schreiben auch Sie uns – oder schicken Sie uns Bilder von ihren Begegnungen mit Surprise! leserbriefe@vereinsurprise.ch oder Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, 4051 Basel SURPRISE 384/16


BILD: FLURIN BERTSCHINGER

Challenge League Integration mit Dame

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Neue Kolumne

Sharif Mansoor, 40, aus Afghanistan.

Mansoor glaubt, Schach sei in seiner Heimatregion entstanden. Deshalb stammten viele Begriffe aus dem Persischen. «Ich fühle mich wie im echten Krieg, wenn ich die Schachfiguren Elefant und Pferd nenne, wie Läufer und Springer auf Persisch heissen – eine Anlehnung an die alte asiatische Kavallerie, die aus Pferden und Elefanten bestand.» Wie gesagt: Für Sharif Mansoor ist Schach mehr als ein Spiel.

Der kurdische Journalist Khusraw Mostafanejad, 31, floh 2011 aus Iran und lebt heute in der Schweiz. «Wenn wir früher Schach spielten, mussten wir jeweils richtige Massaker veranstalten, bis jemand von uns gewann», erinnert er sich. Als er jetzt gegen Mansoor spielte, setzte der ihn innert zwei Minuten schachmatt – ohne eine einzige seiner Figuren zu schlagen.

BILD: FLURIN BERTSCHINGER

Die Hände hat er auf dem Tisch gefaltet, den Blick auf das Brett und die Figuren darauf gerichtet. Nach jedem Zug tippt er die Schachuhr am Rand des Tisches an, manchmal schaut er in die Augen seines Gegners. Für Sharif Mansoor ist Schach mehr als ein Spiel. Mansoor, 40 Jahre alt, floh vor 18 Jahren mit seinen Eltern und den vier Geschwistern vor den Taliban aus Afghanistan. An der Grenze zu Usbekistan habe er sich von der Familie getrennt, erzählt er, und sei von dort alleine in die Schweiz gekommen. Die Familie brauchte vier Jahre länger bis nach Europa und entschied sich dann für Holland, wo sie immer noch leben. Nach wenigen Wochen im Aufnahmezentrum in Kreuzlingen kam Mansoor nach Zürich. Bei der Integration hier habe es nur eine Schwierigkeit gegeben, sagt er: die Sprache. «Ich hatte nur zwei Stunden pro Woche Deutschkurs und kaum Kontakt mit Schweizern. So hat es Jahre gedauert, bis ich richtig Deutsch lernte.» Er erinnert sich, wie er und seine afghanischen Freunde oft an Orte wie den Zoo oder in Museen gingen, um mit Schweizern in Kontakt zu kommen. Zum Glück aber gibt es Schach. Mansoor spielte bereits in Afghanistan, mit Freunden und zum Spass. Im Jahr 2000 dann fing er im Thalwiler Schachclub Zimmerberg an. Er sagt: «Ich konnte nur ein Jahr dabeibleiben, und wegen meiner Nachtarbeit in einem Hotel spielte ich für längere Zeit nicht und hatte auch keinen Kontakt zu den anderen Spielern.» Seither wechselte er oft den Club, doch er hörte nie wieder auf zu spielen. Aus dem Hobby wurde Ehrgeiz: 2014 gewann er die Zürcher Stadtmeisterschaft in der Kategorie Promotion. Weil ihm der Chef des Hotels, in dem er arbeitet, entgegenkam, kann Mansoor heute zwei Abende pro Woche spielen. Und hat seine Schach-Heimat gefunden. Seit vergangenem Jahr spielt er im Akademischen Schachclub Réti in Zürich, der sein Lokal ausgerechnet an der Asylstrasse im Quartier Hottingen hat. «Ein Club mit sehr gutem Niveau, in dem viele Schachmeister spielen», schwärmt Mansoor. Er selbst steht im Ranking 2015 und 2016 ebenfalls an der Spitze. «Ich werde das Turnier auch 2016 gewinnen und meine Schachpunkte erhöhen», sagt er selbstbewusst. Durch das Schach sei er mit Schweizern in Kontakt gekommen und habe recht gut Deutsch gelernt, sagt er. «Ich kannte niemanden, bevor ich mit dem Schach angefangen habe. Jetzt habe ich viele Schweizer Freunde, und wir besuchen uns oft zuhause, um miteinander zu spielen oder zu reden.»

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Porträt Sie schafft den Durchblick Weil sie nicht untätig rumsitzen wollte, richtete die blinde Annelies Djellal eine Anlaufstelle für Asylsuchende und Flüchtlinge ein. Seit zwei Jahren bietet sie Unterstützung – und sieht das als Win-win-Situation. VON GISELA FEUZ (TEXT) UND ANNETTE BOUTELLIER (BILD)

nen Kontakt mehr zu ihrem ersten Mann, obwohl sie im Guten auseinandergingen. Ihren zweiten Mann, einen gebürtigen Algerier, lernte sie in Dietikon an einem Kebab-Stand kennen, erzählt Djellal lachend. Aus dieser Ehe stammt ihr heute sechsjähriger Sohn Rachid. Doch auch diese Verbindung hielt nicht. «Unsere Auffassungen bezüglich unserer Lebensziele waren zu unterschiedlich», erklärt Djellal. «Darum bin ich seit wenigen Monaten glücklich geschieden.» Nach dem Abbruch des Übersetzerstudiums absolvierte die damals frisch gebackene und bald schon alleinerziehende Mutter eine zweijährige KV-Lehre. 2013 schloss sie mit einem guten Schnitt ab – obwohl ihr vorher viele prophezeit hatten, dass sie ohne Augenlicht keine Buchhaltung führen könne. «Und ob ich das kann», sagt sie bestimmt. Doch sie fand keine Anstellung, trotz des eidgenössischen Fähigkeitszeugnisses und einem Prüfungsschnitt von 5,2. Untätig zuhause zu sitzen kam für Djellal jedoch nicht infrage, und so rief sie gemeinsam mit den inter-

«Das ist dermassen selbstgerecht und verlogen», empört sich Annelies Djellal und haut mit der flachen Hand auf den Tisch, dass die Kaffeetassen scheppern. Wenn es etwas gibt, das die 37-Jährige in Rage bringt, dann die öffentliche Debatte um «echte» und «Scheinflüchtlinge». «Wir in unseren gesicherten Verhältnissen sind nicht berechtigt, Leute zu verurteilen, welche doch nur das Gleiche wollen wie wir, nämlich eine einigermassen gesicherte Zukunft. Viele, die in der aktuellen Flüchtlingsdebatte mitreden, scheinen nicht zu wissen, dass das Leben eben nicht immer nach Lehrbuch verläuft.» Menschen und ihre Schicksale liegen Annelies Djellal am Herzen. Und dass das Leben einem Hindernisse in den Weg legen kann, weiss sie selbst nur zu gut: Von Geburt an stark sehbehindert, erblindete sie mit neun Jahren vollständig an grünem Star. Djellals Händedruck ist fest, die Ausdrucksweise offenherzig, der Umgang unkompliziert. Trotz ihrer Behinderung «Ich weiss, wie undurchdringlich der Schweizer Bürokratie-Dschungel sieht sich die junge Frau nicht in der Opferrolsein kann. Wie ergeht es da jemandem, der die Sprache nicht versteht?» le, sondern ist mit ihrem Leben im Reinen. Zielstrebig marschiert sie mit ihrem Blindenstock drei Mal die Woche vom Bahnhof Schönbühl ins nahe gelegene kulturellen Übersetzern Yohannes Berhane und Yahya Dalib die AnlaufBüro. Ausser einem Magazin in Punktschrift und einer kleinen Holzstelle Give A Hand ins Leben. «Ich habe selber oft mit der IV und der konstruktion, mit der Djellal ihr Smartphone auf einer gewissen Höhe Ausgleichskasse zu tun und weiss deshalb, wie undurchdringlich der fixieren kann, so dass ihr eine App die darunterliegenden Dokumente Schweizer Bürokratie-Dschungel sein kann. Wie muss es da erst jemanvorzusprechen vermag, deutet nichts darauf hin, dass hier eine blinde dem ergehen, der auch noch die Sprache nicht versteht», erklärt sie ihFrau ihre Arbeit verrichtet. re Motivation. Und in diesem Dschungel schafft Annelies Djellal für ihSoziale Gerechtigkeit und Interesse für fremde Kulturen seien ihr re Klienten den Durchblick. Seit der Verein Give A Hand 2014 gegründet quasi in die Wiege gelegt worden, erklärt Annelies Djellal. Zuhause hätwurde, haben dort insgesamt 300 Menschen über 1000 Dienstleistungen ten die Eltern oft stundenlang mit ihren drei Kindern das Weltgeschehen in Anspruch genommen. Meist kommen die Ratsuchenden mit einem diskutiert. Bis in die 8. Klasse besuchte die blinde Annelies eine normale für sie unverständlichen Brief, sagt Annelies Djellal. Mit ihren beiden öffentliche Schule und wechselte dann an ein Gymnasium für SehbeMitarbeitern hilft sie aber nicht nur beim Ausfüllen und Übersetzen von hinderte. «Eigentlich wollte ich ja Übersetzerin werden», sagt sie. Das Formularen, sondern auch bei der Wohnungs- und Stellensuche, bietet Studium gestaltete sich dann aber schwieriger als erwartet. «Ich war die Begleitung zu Terminen an und vermittelt zwischen Amtsstellen und einzige Blinde und musste mir die Unterlagen selber organisieren oder Asylsuchenden. Alles unentgeltlich. «Ich bin nicht geschäftstüchtig», übersetzen lassen.» Es war eine schwierige Zeit, auch weil die Spätfolhält Djellal nüchtern fest, «aber für mich ist es ein No-Go, aus dem Leid gen der vielen Augenoperationen als Kind ihr zu schaffen machten. «Ich verzweifelter Menschen Profit zu schlagen.» Finanziert wird der Verein hatte über 90 Vollnarkosen, das verfolgt mich bis heute», sagt sie. Die über Mitgliederbeiträge, Stiftungen, Spenden und den Förderbeitrag der Traumatisierung in der Kindheit und der Stress mit den Unterlagen forGesundheits- und Fürsorgedirektion. Djellals 60-Prozent-Stelle bleibt derten ihren Tribut: Djellal wurde mit Erschöpfungsdepression diagnosunbezahlt, sie muss mit den Ergänzungsleistungen der IV über die Runtiziert und brach das Studium ab. den kommen. Noch vor ihrem Versuch, an der Uni das Übersetzerinnendiplom zu «Meine tägliche Arbeit gleicht nicht selten einem Kampf gegen Winderwerben, war Djellal von zwei intensiven Reiseerfahrungen schwer bemühlen», fasst Djellal zusammen. «Die Asylgesetzgebung wird immer eindruckt worden. Einerseits verschlug es sie 2001 in den kriegsverrestriktiver, was oft zu persönlichen Dramen führt. Es ist manchmal sehrten Kosovo, wo sie mithalf, eine Punktschriftdruckerei aufzubauen, schwierig, dabei nicht zynisch zu werden.» Dafür sei die Freude dann andererseits flog sie im Alter von gerade mal 20 Jahren nach Nigeria. umso grösser, wenn ab und zu ein positiver Entscheid verbucht werden «Geplant war, dass ich an einer Blindenschule soziale Arbeit verrichten könne, sagt sie. Zwischenmenschlich werde sie reichlich belohnt. «Die sollte. Vor Ort war allerdings alles komplett unorganisiert und ich fühlMenschen, welche zu mir in die Beratung kommen, sind dankbar und te mich abhängig und ausgeliefert. Seitdem kann ich mich bestens in jerespektvoll. Meine Blindheit ist in diesen Begegnungen kein Thema. Ich manden hineinversetzen, der alleine in einem fremden Land strandet, werde an dem gemessen, was ich kann», sagt Djellal und lächelt. «So dessen Kultur und Sprache er nicht versteht.» gehe ich am Abend nach Hause und habe das Gefühl, etwas Sinnvolles Zurück in der Schweiz traf Djellal am Zürichsee ihren ersten Mann, getan zu haben. Eine Win-win-Situation.» ■ einen irakischen Kurden. Die Ehe hielt drei Jahre, heute hat Djellal kei-

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Myanmar Die Kulturrevolution Myanmars junge Musikerinnen und Künstler bauen an der Zukunft des sich öffnenden Landes. Denn im Leben nach der Diktatur sollen nicht nur die Märkte frei sein.

VON OLIVIER JOLIAT (TEXT) UND RUBEN HOLLINGER (BILD)

dem spirituellen Zentrum des Landes. Die Menschen laufen mit Smartphones durch die Strassen, bis vor Kurzem gab es nur ein paar Tische mit öffentlichen Telefonen. Das Zentrum der Millionenmetropole Yangon mutierte zur Grossbaustelle. Die alten Kolonialhäuser mit Flechten- und Schimmel-Patina machen Geschäftsbauten mit Glasfassaden Platz. Die Gentrifizierung grassiert. Die Mieten haben sich versechsfacht. Gegen diesen Bau-Boom malt Thaiddhi Graffitis: Bagger, deren zahnbewehrte Schaufeln den Politikern das Gehirn wegfressen. «Im Parlament sitzen Menschen, die keine Erfahrung mit Demokratie haben. Der Kapitalismus ist verlockend für die neuen Leute an der Macht.» Der 32-jährige Thaiddhi, der ältere Bruder von Musiker Eaiddhi, ist ein kritischer Geist. Den Revoluzzer sieht man dem frisch Vermählten mit dem Gemütlichkeitsbäuchlein nicht an. Doch er geht die Probleme nicht nur intellektuell an: «Man muss die Leute hier wachrütteln», sagt der Sprayer. «Und ich brauch wohl einfach den Kitzel des Illegalen.» Von Verboten liess er sich noch nie abschrecken. Als Filmemacher

Der Bass knarzt. Das ist nicht der gewünschte Klang für das Debütalbum von Kultureshock, der ältesten Punkband Myanmars. Mit einem Schulterzucken schlauft Toningenieur Eaiddhi das Instrument direkt ins Mischpult: «Wir müssen mit den vorhandenen Möglichkeiten arbeiten», sagt er. Von seinem Praktikum in Deutschland kennt Eaiddhi besser ausgerüstete Studios. Der 29-Jährige tourte mit seiner Band als Vorprogramm der legendären deutschen Punkrockband Die Ärzte. «Wir spielten vor zehntausenden Menschen. Aber ich wusste nie, ob das Publikum nur aus Höflichkeit applaudierte.» Darum flickt Eaiddhi lieber das Equipment in seinem Proberaum in Yangon, der grössten Stadt Myanmars. Sein Studio stellt er auch anderen Bands zur Verfügung. Eaiddhi will die Menschen in Myanmar bewegen. Von den Wänden blicken Kurt Cobain und die Sex Pistols neben Ko Ba Hein, der in den Dreissigerjahren als Studentenführer an der Seite von Landesvater Aung San für die Unabhängigkeit des Landes kämpfte. Von einem weite«Die ältere Generation interessiert sich für Traditionelles, die Jungen ren Poster lächelt die heute mächtigste Politifür importierten Kommerz.» Thaiddhi, Filmemacher und Graffiti-Künstler kerin des Landes: Sans Tochter Aung San Suu Kyi. Eaiddhi hat es aber satt, über die Situation Myanmars zu reden. «Wenn du über ein Land wie unseres singst, bist hält er das Geschehen in Myanmar seit zehn Jahren mit der Kamera fest. du automatisch politisch. Als Musiker beschäftigen wir uns aber mit anNoch unter der Militärjunta drehte er 2008 illegal seinen Debütfilm deren Problemen, als dies das Parlament tut.» «Nargis – When Time Stopped Breathing» über den verheerenden ZyDie Stadt Yangon hat sechs Millionen Einwohner. Es gibt weder Clubs klon, der das Land verwüstete und über hunderttausend Todesopfer fornoch Labels oder Veranstalter, die Subkultur fördern. Darum leistet derte – auch weil das damalige Regime die Grenze für ausländische HilEaiddhi Basisarbeit: Mit seinem Label Jam It organisiert er Konzerte fe geschlossen hielt. Der Dokumentarfilm wurde an internationalen quer durch alle Stilrichtungen und unterstützt als Tonmischer und GeldFestivals gezeigt, etwa in Prag, wo Thaiddhi studierte. Dort lief der Film geber Bands, die sich mit dem Wandel im Land beschäftigen. unter einem Pseudonym. In Myanmar feierte die Doku erst 2012 PreDieser Wandel läuft rasant. Und spiegelt sich etwa im Namen des miere, als Thaiddhi für das Filmfestival, das er organisierte, RückendeLandes: Im Zuge der demokratischen Reformen begann man den umckung von einer Menschenrechtsorganisation erhielt. Aung San Suu Kyi fassenderen Begriff Myanmar statt des veralteten Burma zu verwenden kam als Besucherin. – Letzteres bezieht sich eigentlich nur auf die grösste Volksgruppe im Land und schliesst die zahlreichen Minderheiten aus. Ein Nachlass für die Zukunft Doch nach 50 Jahren Abschottung und Unterdrückung durch das MiWährend in der Politik Aung San Suu Kyi als Tochter von Staatsgrünlitär brachen mit der Öffnung auch Konflikte zwischen den 135 Ethnien der Aung San zur fast religiös verehrten Hoffnungsträgerin der Moderaus: Nationalistische Buddhisten hetzen gegen Muslime – und der Kanisierung wurde, liegt in der Kulturszene viel auf den Schultern von pitalismus kapert das religiös geprägte Land der Tempel und Pagoden. Eaiddhi und Thaiddhi – den Söhnen von Myanmars bekanntestem Gab es vor drei Jahren nirgends Geldautomaten, leuchtet heute sogar eiKomponisten Maung Thit Min. Spricht man mit Kulturschaffenden in ner im Glanz der 105 Meter hohen Goldstupa der Shwedagon Pagode, Yangon, fällt irgendwann einer der beiden Namen. Doch fehlt es nach eiSURPRISE 384/16

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«Automatisch politisch»: Musiker Eaiddhi (Mitte).

nem halben Jahrhundert der Abschottung nicht nur an Strukturen – auch das Publikum muss überzeugt werden. Thaiddhi: «Die ältere Generation interessiert sich für Traditionelles, die Jungen für importierten Kommerz.» Die Brüder nutzen den Nachlass ihres 2011 an Krebs verstorbenen Vaters, der über 1000 Songs für burmesische Sänger schrieb. Mit den Tantiemen fördern sie kritische und zeitgenössische Kultur. Gerade finanzierten die Brüder das Debütalbum des Frauen Hip-HopDuos Y.A.K. «Immer mehr junge Leute hören Hip-Hop. So finden wir Gehör und können Myanmar bewegen», prophezeit Rapperin T-Zin. Die selbstbewusste junge Frau scheut entgegen den asiatischen Konventionen keine klaren Worte: «Die Menschheit nach Geschlechtern zu trennen ist so unsinnig wie Kriege zwischen Volksgruppen und Religionen.» Für sie und und ihre Mitrapperin Triple-A sind Frauenrechte das dominierende Thema. «Die Zeit der Mauerblümchen ist vorbei. Wir lassen unser Talent nicht durch Tradition erdrücken.» Um die Gesellschaft zu verändern, setzen die Politaktivisten von Generation Wave schon länger auf Musik. Gegründet wurde die Organisation von einem Hip-Hopper, einem Rocksänger und zwei Poeten während der Safran-Revolution im Herbst 2007, als erst die Studenten, dann die Mönche, gefolgt von zehntausenden Zivilisten, gegen das Militärregime auf die Strasse gingen. An die 100 Mitglieder zählte Generation Wave damals. Ihr heutiger Vize-Präsident Bobo erinnert sich: «Wir verteilten Gedichte und Musik mit kritischem Inhalt. So bleiben die Aussagen besser hängen, als wenn man nur ein Flugblatt liest.» Das Militär tötete Tausende der Protestierenden und steckte noch mehr in Gefängnisse, darunter auch 37 Mitglieder von Generation Wave. Bobo flüchtete mit weiteren Aktivisten über die Grenze nach Thailand. Nach der Begnadigung der Inhaftierten kehrten sie 2012 aus dem politischen Exil zurück.

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«Wir müssen eine eigenständige moderne Kultur entwickeln»: Regisseur Thaiddhi.

Heute empfängt er den ausländischen Besuch im Büro von Generation Wave in Yangon. Zwei Aktivisten tippen an alten Computern, an den Wänden hängen politische Parolen, Karten der aktuellen Konfliktgebiete sowie eine in Ketten gelegte Friedenstaube. «Wir setzen uns für einen gewaltfreien Umsturz ein», so Bobo. Im weissen Hemd und dem traditionellem Longhi-Wickelrock wirkt er älter als 27. «Wir können auch heute nicht frei agieren. In den letzten zwei Jahren gab es rund 400 Anklagen gegen uns.» Drei Aktivisten sitzen seit einem Jahr im Gefängnis, weil sie für bessere Ausbildungsbedingungen protestierten. Hoffnung ohne Vertrauen Für die euphorischen internationalen Berichte über den demokratischen Wandel hat Bobo nur ein müdes Lächeln übrig. «Wir trauen der neuen Regierung noch nicht. Die Verfassung ist vom Militär diktiert und die Generäle ziehen weiter die Strippen.» Zwar politisiert mit Zayar Thaw auch ein Gründungsmitglied von Generation Wave im Parlament. Der Rapper sass nach der Safran-Revolution drei Jahre im Gefängnis – und jetzt für die NLD-Partei von Aung San Suu Kyi im Parlament. Da gehört der Mittdreissiger altersmässig zur Minderheit. Die Kräfte des alten Regimes behalten per Verfassung die Kontrolle über die Armee, die Polizei und den Grenzschutz. Mit einem garantierten Anteil von 25 Prozent der Parlamentssitze können sie zudem Verfassungsänderungen blockieren. So können Bürger mit ausländischen Wurzeln oder Ehepartnern nicht Präsident werden. Deshalb ist Suu Kyi trotz dem Erdrutschsieg ihrer Partei mit über 80 Prozent der Stimmen nicht Staatsoberhaupt: Sie war mit einem Engländer verheiratet. Die letzten Wochen an der Macht nutzten die alten Machthaber zudem, um sich vor der Verfolgung ihrer Verbrechen zu schützen. Daneben wurde das letzte Staatseigentum verscherbelt: Sogar die historische SURPRISE 384/16


«Die Regierung interessieren nur die Geldmaschinen. Wir kümmern uns um die Armen in den Gassen»: Punks beim Einkauf für Esspakete.

Polizeiwache nahe der Sule-Pagode im Herzen Yangons wurde an chinesische Investoren verkauft. Ganz in der Nähe dieser Pagode treffen sich jeden Montag um sechs Uhr die Strassenpunks. Sie sind nicht zum Schnorren hier: Mit Wasser, Bananen und Reis kümmern sie sich um die Obdachlosen. Dabei ist auch Min Zaw Win. Seit zwei Jahren kocht er jeden Montag Lunchpakete. Er weiss, wo im Wirtschaftszentrum des Landes die Ärmsten sitzen. «Die Regierung interessieren nur die Geldmaschinen in den Gebäuden. Wir kümmern uns um die Armen in den Gassen dazwischen.» Einem jungen Paar vor dem Hauptbahnhof konnte das Kollektiv die Geburt des ersten Kindes im Spital finanzieren. Ein Jahr später lebt die Familie auf demselben Stück Karton. Trotzdem freuen sich alle über das Treffen. Die Punks herzen das Baby, und Min Zaw Win sagt beim Weitergehen: «Wir können immerhin punktuell helfen. Das Kind ist jedenfalls gesund.» Eine Ecke weiter amüsiert sich eine Gruppe Strassenkinder hysterisch über die Stachelfrisuren der Punks. Min Zaw Win wirkt niedergeschlagen. «Die schnüffeln Leim. Das billigste Mittel, um Kummer und Hunger zu vergessen. Ihr Hirn ist kaputt, bevor sie gelernt haben, es zu benutzen.» Das Schicksal der Kinder nimmt nicht nur den Vater einer einjährigen Tochter mit. Die Punks kochen auch einmal im Monat ausserhalb Yangons in Waisenhäusern und musizieren mit den Kindern. Dann ist auch Kyaw Kyaw am Start, der mit seiner Band The Rebel Riots vor drei Jahren die Essensrunde initiierte. «Früher wollte ich nur gegen das System kämpfen. Heute frag ich mich, was wir entgegen dem System für die Gesellschaft tun können», sagt er. Auslöser für das Umdenken war eine kleine Tour der Band durch den Inselstaat Indonesien. «Dort haben wir gesehen, dass zur Punkkultur auch Kreativität und Engagement gehören.» SURPRISE 384/16

Schlagzeuger Zarni betreibt nun ein Tattoo Studio, Bassist Oaker produziert Nietenjacken und Kyaw Kyaw druckt T-Shirts. Sogar die Mutter und den jüngeren Bruder spannt er beim Siebdrucken in der Wohnung ein, auch wenn sie sehr selten zu Besuch sind. «Meine Familie lebt in Yangon, jedoch in einer ganz anderen Welt», erzählt Kyaw Kyaw. «Mein Vater ist Polizist. Der kommt höchstens an ein Konzert, wenn es geräumt wird.» Die Tränen der Eltern Der Vater ist in Asien die unstreitbare Autorität. Die Hierarchien zu durchbrechen, ist für die jungen Kulturschaffenden ein noch grösserer Schritt als der Sprung vom Leben in der Tradition zur Moderne. Emanzipation ist hier keine Geschlechterfrage. Street Dancer Jimmy Ko Ko etwa hat nach seinem Studium in traditionellem burmesischem Tanz als erster Burmese ein Tanzstipendium in Singapur erhalten. Dort perfektionierte der Endzwanziger seine Breakdance Skills, die er sich mit Youtube angeeignet hatte. «Länger als das Lernen der Moves dauerte oft das Laden der Movies.» Zurück in seiner Heimat trainiert der B-Boy täglich auf ein paar Quadratmetern polierten Betons unter der Trasse einer Hochstrasse beim Dagon Center. Die Beats aus der Boom Box mischen sich mit dem Gehupe der Autos im Dauerstau Yangons. Die Luft ist abgasgeschwängert. Doch Ko Ko ist nicht darum aus der Puste. Er ist erkältet, sollte sich eigentlich schonen. Nur steht bald der erste Auslandtrip seiner Truppe an, die in Singapur an einem Wettbewerb teilnimmt: «Wir haben zwar keine Chance, aber diese internationale Erfahrung ist für die Szene hier ein riesiger Gewinn.» Das wilde Drehen auf dem Kopf und die akrobatischen Verrenkungen der Tänzer sind neu im Land. Und nicht überall erwünscht. Jimmy Ko

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Sein Vater spricht seit sechs Jahren nicht mehr mit ihm: Street Dancer Jimmy Ko Ko beim täglichen Training.

Ko musste mit seinen Jungs schon vor Securities flüchten. Um Street Dance bei den Mädchen und anderen Jungs bekannt zu machen, organisiert Ko Ko Workshops in Schulen und landesweite Tanz-Battles. «Ich will eine Myanmar Crew aller Ethnien und Religionen.» Damit seine Truppe die Reise nach Singapur zahlen konnte, tanzte Ko Ko ein paar verhasste Promo-Shows an Werbeveranstaltungen. Daneben arbeitet er wie die ganze Familie im Papeteriegeschäft seines Vaters. Der spricht aber seit sechs Jahren kein Wort mehr mit dem jüngsten seiner vier Kinder – aus Missfallen über dessen Tanzleidenschaft. Die Eltern von Mai Kimmy weinten, als ihre Tochter nach Jahren in Yangon als Star in die zweieinhalb Flugstunden entlegene Chin Provinz zurückkehrte. Nicht aus Stolz über ihre Erfolge als Sängerin und Songwriterin der ersten Girlgroup Myanmars, die mit seichten Pop-Songs wie «Girl Strong» das selbstbewusste Auftreten junger Frauen fördern wollte. Die Eltern weinten inmitten all der Fans aus Scham über Kimmys rotes Kleid. «Ich trug eine traditionelle Seidentracht, hochgeschlossen, langärmlig, aber geschlitzt bis zu den Knien.» Das war den Eltern viel zu sexy. Mai Kimmy wuchs als jüngstes von vier Kindern in den Bergwäldern des nördlichen Chin-Staates auf. Der Vater war stolzer Jäger – da wurde auch mal ein Tiger verspeist –, bis seine Religiosität ihn in den Dienst der Baptistenkirche trieb. Dort wurde er Dirigent des Kirchenchors. Mai Kimmy mochte vor allem die Gospelgesänge: «Ich war aber zu scheu, um öffentlich zu singen.» Erst als sie zu ihrer ältesten Schwester zum Studium nach Yangon zog, traute sie sich was zu. Ermuntert von der Schwester, meldete sie sich 2010 zum Casting der Tiger Girls – der ersten Girl Group Myanmars. Der australische Produzent wählte sie für die Tanzparts. Ein ungeschriebenes Gesetz besagt: Frauen sollen entweder tanzen oder singen.

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Wer bei Auftritten beides tut, gilt als unsittlich. Die Tiger Girls wollten dieses Tabu brechen, weshalb Kimmy auch in Piano, Gitarre und Gesang geschult wurde. Mit zunehmendem Erfolg wurden die fünf Girls immer aufmüpfiger. Anders als die meisten kommerziell erfolgreichen Sänger wollten sie nicht nur bekannte Hits mit burmesischen Texten neu einsingen, sondern eigene Songs schreiben. Sie trennten sich vom Produzenten und nannten sich Me N Ma Girls. In der Formation spielten sie auch in Europa und Amerika, wo sie sogar einen Plattenvertrag abschliessen konnten. Heute sind sie nur noch zu viert unterwegs, haben sich von allen Verträgen gelöst und machen alles selbst. Kimmy ist für das Songwriting zuständig. Daneben forciert sie ihre Solo-Karriere. Entgegen den Fotos, wo sie sich in laszive Popstar-Posen wirft, frönt sie christlicher WorshipMusik mit Texten in Chin. «Mittlerweile akzeptiert Vater, was ich als Künstlerin mache, aber er mag es nicht.» Angst vor den Strassenhunden Dass Kimmy einen italienischen Freund hat, dürfen die Eltern allerdings nicht wissen. Das hat weniger mit dem über die Jahre geschürten Nationalismus der Burmesen zu tun als mit Machismus. Eaddhi erklärt das so: «Frauen mit westlichen Partnern gelten als Bitch. Wenn ich aber mit meiner französischen Freundin am Flughafen bin, klopfen mir die Zollbeamten anerkennend auf die Schultern.» Er lernte Elodie Sobczak am Französischen Institut kennen, als sie gemeinsam das erste Street Art Festival Myanmars organisierten. Der Botschaftsableger ist der wichtigste, weil praktisch einzige Veranstaltungsort für Subkultur in Yangon. «Hier ist französischer Boden, weshalb Veranstaltungen möglich sind, die früher der Zensur zum Opfer fielen und heute keine Sponsoren finden», so Sobczak. Doch die Freiheit kennt SURPRISE 384/16


«Die Zeit der Mauerblümchen ist vorbei»: Das Rapperinnen-Duo Y.A.K.

«Komplett unverdächtig»: Musikerin Mai Kimmy (l.) und Graffiti-Pionierin Ku Kue.

«Die Leute wachrütteln»: Graffito von Thaiddhi in Yangon.

«Kreativität und Engagement»: Punks gehen in Yangon Essen verteilen.

selbst hier Grenzen: «Wenn eine Veranstaltung religiöse Themen behandelt, muss man sehr sensibel sein.» Wie heikel der Umgang mit Religion ist, zeigt das Beispiel des Buddha-Bar-Besitzers aus Neuseeland, der zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde, weil er als Werbemassnahme online das Bild eines Buddhas mit Kopfhörern publizierte. Die 28-jährige Ku Kue hat weniger Probleme mit den Gesetzeshütern. Sie sprayt seit zehn Jahren, gehört damit zu Yangons Graffiti-Pionieren und ist definitiv die erste Frau in der Szene. «Als Frau bin ich für die Polizei komplett unverdächtig», erklärt sie. «Vor der fürchten sich nur meine Eltern. Sie sagten immer: Du bist das Mädchen in der Familie. Wegen dir sollten wir nicht auf die Polizeiwache müssen.» Über Ku Kue heisst es, sie sei die Einzige, die etwas kann. Der Respekt ihr gegenüber ist in Gesprächen spürbar, auch wenn sie ihre alte Crew verliess, als die Beziehung mit einem Sprayer in die Brüche ging. Heute sprayt sie allein und nur noch selten auf der Strasse. Denn: «Ich habe Angst vor den vielen Strassenhunden.» Zudem hat eine internationale Werbeagentur ihr Talent erkannt. Seit einem Jahr zeichnet sie Story Boards und Cartoons. Auch Popmusikerin Mai Kimmy hat sie für ihren neusten Videoclip engagiert. Nicht im Museum leben Genreübergreifende Kollaborationen sind typisch in Yangon. Die Subkultur ist noch klein, der Enthusiasmus der Einzelnen gross. Man kreuzt sich ständig bei kulturellen Anlässen und kennt sich. Grösser als das Klagen über den Mangel an Geld und Infrastruktur ist die Freude und Lust am Tun. Diese Aufbruchstimmung lockt nicht nur abenteuerlustige Kreative aus aller Welt. Immer mehr Einheimische kehren aus dem Exil zurück. So will Elektro DJ Ju Ki aus London das Clubleben in Schwung bringen. Auch SURPRISE 384/16

Regisseur Nagyi hat sein Studio lieber hier aufgebaut als in England. «Der Umbruch schafft eine kreative Freiheit. Die Energie und Inspiration will ich nutzen, um jedes Jahr mindestens einen Film, ein Musikalbum oder sonst etwas Kreatives zu produzieren.» Drei Filme sind es bislang schon. Sein riesiges Filmstudio, das er am Rand von Yangon aufgebaut hat, vermietet er an kommerzielle Produktionen, nutzt es aber auch für Veranstaltungen. Wer heute als Kulturinteressierter nach Myanmar reist, will sein Auge an den unzähligen Pagoden weiden. Man freut sich über die ursprüngliche Gesellschaft, wo die Männer Longhi tragen und die Frauen ihre Gesichter mit der Rinden-Paste Thanaka schminken. Die junge Generation will aber nicht in einem Museum leben. Sie hoffen, dass Myanmar vom rückständigen Armenhaus Asiens wieder wie einst die wirtschaftlich führende und kulturell fortschrittlichste Nation der Region wird. Sie wollen im eigenen Land etwas aufbauen und der neuen Regierung kritisch zur Seite stehen. Denn die Kulturschaffenden hier sind freier im Anprangern alter Missstände als die Politiker und übernehmen teils gar die aufdeckende, aufklärerische Rolle der Medien. Doch ihr wichtigster Einfluss ist, der neuen Nation Form und Farbe zu verleihen. Thaiddhi: «Wir müssen eine eigenständige moderne Kultur entwickeln, um in einer globalisierten Zukunft anzukommen, ohne unsere Identität zu verlieren. Sonst werden rückständige Nationalisten zunehmend Gehör finden.» Die Gefahr sieht der kritische Filmer mit Weitblick jedoch nicht nur im alten Regime, das im Hintergrund noch immer die Fäden zieht, die Wirtschaft in der Hand hat und Gruppen wie die nationalistischen Mönche in Mandalay unterstützt, um Unruhe zu stiften: «Trotz all dem Leiden unter dem Militär haben die Menschen das Lachen nicht verloren. Ich hoffe, sie behalten es auch unter dem Kapitalismus.» ■

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BILD: ISTOCKPHOTO

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Lebenskrisen Keiner mehr da Wer in eine persönliche Krise rutscht, entscheidet im Blindflug und wird von Emotionen überschwemmt. Das wichtigste wären dann gute Freunde – doch genau die brechen häufig weg.

VON BIRGIT LUDWIG

len die Gründe, warum man etwas bisher nicht versucht oder ausprobiert hat, nicht mehr – man muss zwangsläufig einen neuen Weg einschlagen. Oft, weil man von den Umständen zu einer Veränderung gezwungen wird, die sich bei ehrlichem Hinsehen schon lange angekündigt hatte.

Eine meiner grössten Lebenskrisen begann damit, dass ich auf jemanden wartete, der das gar nicht wollte. Ich war jung, für meinen ersten Job nach Hamburg gezogen und hoffte, dass mein holländischer Freund mir folgen würde. Doch das tat er nicht. Stattdessen schmiss ich Kreativ im tiefsten Tal meinen Job hin und zog nach Holland – nicht ohne zu hadern. Das Wort Krise stammt aus dem alten Griechisch und bezeichnet eiIm Nachhinein betrachtet zögerte ich wohl, weil der Bauch nicht mit ne problematische, mit einem Wendepunkt verknüpfte Entscheidungsdem Kopf mitzog. Ich wusste gar nicht mehr zu unterscheiden, was situation. Problematisch deswegen, weil eine Krise oft lange verdrängt Kopf war und was Bauch. Der Kopf rief: Der Mann deines Lebens! Was wird und häufig gar nicht alle Faktoren bekannt sind, die zu einer sorgso romantisch angefangen hat, muss was Besonderes sein! Der Bauch fältig abgewogenen Entscheidung führen könnten. Man muss praktisch sagte: Was zögert der Mann so? Wieso mache ich all die Schritte in seiim Blindflug entscheiden, und häufig wird man zusätzlich überne Richtung und er keinen einzigen auf mich zu? schwemmt von Emotionen, die das Hirn vernebeln. Sei es bei einer Natürlich ging es in die Hose. Nicht zuletzt deswegen, weil ich auf Scheidung oder plötzlichen Trennung, bei Job- oder Wohnungsverlust, einmal nicht mehr die freie Studentin war, sondern mich in einem neueinem psychischen Zusammenbruch, einer Krankheit. Der Tod eines en Job abrackerte, während er für eine Ausbildung nochmal ins Ausland zog. Den Umzug, die Trennung, den Stress mit Untervermietung und Jobsuche in Holland, die Wenn man nichts zu verlieren hat, zählen die Gründe nicht mehr, wapeinliche Rückkehr zu den Eltern und das rum man etwas bisher nicht versucht hat – man muss einen neuen Weg Übernachten bei Freunden auf dem Sofa – all einschlagen. das hätte ich mir sparen können. Holland war zwar toll, aber die Beziehung nicht. Am Ende kam ich mit fast nichts wieder in Hamburg an, überliess mein altes Auto Angehörigen, der Auszug eines Kindes, die Unternehmenspleite, der einem Schrotthändler und fing wieder bei Null an. Total gescheitert. Da Eintritt der Rente, die Betriebsübergabe an die Kinder. Die Psychotheragab es nicht mehr viele, die noch für mich da waren. peutin Verena Kast beschreibt das Suchen nach einer Lösung in ihrem Denn ich hatte mich ja in aller Deutlichkeit verabschiedet: mit einem Buch als «den kreativen Sprung», der vom Betroffenen auf der Höhe eihalben Jahr Lamento darüber, warum ich nach Holland wollte und ner Krise verlangt, eine kreative Leistung zu vollbringen und die RichHamburg nicht das richtige Pflaster für mich war. Und wer gibt schon tung zu wechseln und sich dadurch neue Lebensmöglichkeiten zu ergerne zu, dass er sich total geirrt hat, im Mann und in den grossen Zuöffnen. Denn das, was einem bisher irgendwie durchs Leben geholfen kunftsplänen? hat, funktioniert offensichtlich nicht mehr. Laut Kast entwickelt sich eiAls ich nach Hamburg zurückkam, hatte ich nicht mehr viel zu verne Krise in Phasen: Leugnen, Zusammenbruch, Akzeptanz, Auseinlieren. Ich kaufte von meinem letzten Geld einen PC und fing an, mir andersetzung und Neuanfang. freie Aufträge als Journalistin zu suchen. Etwas, das ich schon immer Die Auslöser können ganz unterschiedlich sein. Es gibt stille Krisen, machen wollte und mir bisher nicht zugetraut hatte. Noch heute bin ich die das Umfeld kaum bemerkt und bei denen sich der Betroffene mehr meiner ersten Auftraggeberin dankbar dafür, dass sie mir damals die und mehr zurückzieht und unauffällig vor sich hin leidet. Dann gibt es Chance gab, mein vollkommen zerrüttetes Selbstwertgefühl mit einem Überstimulierungskrisen, meist von einer Vielzahl externer Ereignisse holprigen Artikel wieder aufzupäppeln. Das ist vielleicht der positive verursacht, und Unterstimulierungskrisen, die durch einen plötzlichen Nebeneffekt einer Krise: Wenn man nichts mehr zu verlieren hat, zähMangel an Ereignissen und Stagnation verursacht werden. Die TrauerSURPRISE 384/16

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krise, bei der es um den Verlust eines Menschen oder einer Situation nis zu den Kindern hat sich gebessert. Sabine hat sich rechtzeitig Hilfe geht, die suizidale Krise. In jedem Fall fordert eine Krise vom Beteiligten gesucht und damit eine grosse Krise abgewendet. Auch Psychiater Flach Akzeptanz der Situation und die Auseinandersetzung mit den eigenen hält es für essenziell, Themen, die in einer Krise entstehen, sofort zu beBedürfnissen. Krisen mit Stress und Zusammenbruch sind normaler als arbeiten. Sonst akkumulieren sie sich, bis es zum grossen Knall kommt. das Nichtzusammenbrechen, meint der Psychiater Frederic F. Flach. In Häufig sind auch gesundheitliche Probleme Auslöser für eine Krise. seinem Buch «Die Kraft, die aus der Krise kommt» schreibt er, dass es So wie bei Chris. Seit über 20 Jahren arbeitet er als freischaffender Konim Leben eines jeden Menschen längere gleichförmige Lebensphasen zertfotograf in einer Grossstadt. Er lebt allein, arbeitet allein und meist gibt, von der Kindheit über die Adoleszenz bis hin zum mittleren und verbringt er auch seine Freizeit allein. Seine einzige Beschäftigung behohen Alter, die durch sogenannte Übergangspunkte markiert werden. An solchen ÜbergänIn schweren Zeiten werden die Menschen schwierig, ungerecht, empgen sind wir besonders krisenanfällig, eine findlich wie eine Mimose, streitsüchtig, unattraktiv und unsouverän. Krise ist dann eher die Regel als die Ausnahme. Kommen an diesen Übergängen, wo sich der Mensch neu ein- und ausrichtet, noch externe Schicksalsschläge hinzu, steht darin, an Veranstaltungen Fotos zu machen, diese dann am heigerät das Leben leicht ins Wanken. Doch Krisen entstehen laut Flach mischen Computer zu verarbeiten und zu verschicken. Der direkte Konnicht nur durch plötzliche, unvorhersehbare Wendungen und Schicktakt mit Kollegen beschränkt sich meist auf ein Rempeln im Fotograben salsschläge. Jede Altersphase mit ihren besonderen Herausforderungen vor der Bühne. Als vor drei Jahren auf einmal seine Hornhaut auf einem verlangt vom Menschen, Neues zu lernen und daran zu reifen. Findet Auge einriss und er fast blind im Augenspital landete, gab es um Chris diese Reifung nicht statt, gestalten sich die Übergänge und auch die Beherum kaum Menschen, die ihn stützen konnten. Er nötigte eine alte Bewältigung der nächsten Lebensphase schwierig. kannte, in seiner völlig überfüllten Wohnung nach Wäsche und der Post zu suchen und sie ihm ins Krankenhaus zu bringen. Seine Rechnungen Bloss nichts aussitzen stapelten sich. Kollegen und Kunden mochte er von seiner Erkrankung So wie im Fall von Sabine. Die 52-Jährige hatte die Trennung von ihnichts sagen, sofort hätten sie ihren Vorteil auf dem heiss umkämpften rem langjährigen Ehemann und den fast erwachsenen Kindern eigentMarkt der freien Fotografen gewittert. Seine Eltern wollte er nicht in seilich erfolgreich überwunden. Sie suchte sich einen neuen Job, zog aus ne Wohnung lassen, weil er ihnen den Anblick ersparen wollte. Eine dem ländlichen Reihenhaus in eine schicke Altbauwohnung in der Freundin hatte er nicht. Stadt, richtete sich nach ihrem eigenen Geschmack neu ein und verNachdem das Spital ihn wieder notdürftig zusammengeflickt hatte, brachte endlich offiziell Zeit mit dem Mann, mit dem sie vorher bereits kehrte er in seine vollgestopfte Wohnung zurück und nahm sein Leben eine heimliche Liebschaft angefangen hatte. Doch irgendetwas machte wieder auf – alles wie gehabt. Den Fragen, wie er sich die Zukunft nun ihr zu schaffen. Sie konnte ihre neue Freiheit gar nicht richtig geniessen. vorstelle, sein Augenleiden sei ja nicht behoben, weicht er aus. Er will «Ich fühle mich so schlapp», klagte sie. Auf der Arbeit geriet sie ständig nichts an sich und an seinem Leben ändern und kann es vielleicht auch mit einer Kollegin aneinander. Und irgendwie hatte sie sich das neue nicht. Glück mit dem neuen Mann anders vorgestellt. Die gemeinsamen Urlaube waren nicht das, was sie sich erträumt hatte – sondern langweiAuf wen kann man zählen? lig. Und er rauchte weiter, während sie sich immer mehr Sorgen um Resilienz ist ein grosses Thema, wenn es um die Bewältigung von seine Gesundheit und ihre gemeinsame Zukunft machte. Die Kinder Krisen geht. Wer ist in der Lage, sich wieder zu erholen, und wer zermieden ihn, dem sie die Schuld an der elterlichen Trennung gaben. Und bricht an einem traumatischen Erlebnis? Ein wesentlicher Grund für Reals Sabine sich einer Bandscheibenoperation unterziehen musste, stellsilienz ist, ob man einen Freundes- oder Familienkreis hat oder einige te sie fest, dass er nicht einmal in der Lage war, ihr mit praktischer Hilwenige Personen, auf die man emotional zählen kann – in guten und in fe zur Seite zu stehen. Er war überfordert. schlechten Zeiten. Psychiater Flach rät dazu, sich rechtzeitig umzuseMittlerweile geht Sabine zu einer Psychologin. Sie bringt ihr bei, sich hen, auf wessen Mitgefühl man im Falle einer Krise zählen kann – und mehr um sich selbst und die eigenen Verletzungen, um ihr «inneres das am besten, bevor die Krise da ist. Kind» zu kümmern, als um die Befindlichkeiten des neuen Mannes. Nicht jeder ist in der Lage, einen Freund oder eine Freundin durch eiNun stabilisiert sich ihr Selbstwertgefühl langsam wieder. Sie lernt, sich ne schwierige Zeit und den damit einhergehenden Entwicklungsprozess mehr um sich zu kümmern und weniger um andere. Auch das Verhältzu begleiten. Es ist anstrengend und undankbar: Oft erinnern sich die Krisengebeutelten nicht mal daran, dass sie gestützt wurden. In schweren Zeiten werden die Menschen schwierig, ungerecht, empfindlich wie Anzeige: eine Mimose, streitsüchtig, unattraktiv und unsouverän. Auch das gehört zu den Kernerfahrungen der Krise: Wer ist Freund und wer nur Freizeitpartner gewesen? Gerade solche, die sich auf der Erfolgswelle wähnen: die Geschäfte laufen gut, der Freundeskreis ist locker, man hat ein Haus gebaut. Meilenweit vom Desaster entfernt. Sie wollen nicht daran erinnert werden, dass alles jederzeit auch anders laufen kann. Zeugen des früheren Lebens wollen sie auf der Erfolgsleiter hinter sich lassen. Da hat es schon etwas mit Liebe zu tun, wenn man eine Krise als Freund oder Freundin aushält und darauf vertraut, dass der andere sich aufrafft und wieder zu dem lustigen Menschen wird, den man mal gekannt hat. So wie meine Freundin Caren, die mich nach meinem Ausflug nach Holland aufnahm. Zwar bin ich nach zwei Wochen wieder in eine eigene Wohnung gezogen, aber Caren gab mir das Gefühl, immer noch dieselbe liebenswerte Person zu sein und nicht völlig allein zu schwimmen. Und das zählt. ■

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BILD: SILVAN GISLER

Generation Y Candides Garten für Städter Was machen junge Leute von heute, wenn sie wissen wollen, wie es weitergehen soll? Sie ziehen sich für zwei Monate in ein Bergtal zurück – und lassen einfach mal alles offen. Selbsterfahrungsbericht aus einem Zukunftslabor der anderen Art.

VON BENJAMIN VON WYL

Mein bester Freund hat gerade angerufen – und ehrlich gesagt habe ich ein paar Tage nicht an ihn gedacht: «Entschuldige, Sämi, ich muss Schluss machen. Hier wird gerade ein Tor zerdeppert.» Ich beende den Anruf, bin froh, dass ich gerade eben zum ersten Mal seit Tagen wieder Schuhe angezogen habe, und stelle mich neben den anderen auf. Es freut mich, dass ich direkt hinter dem Schild mit der Aufschrift «Mehr ist mehr» stehen darf. Ein Liberaler hat das gesprayt, und mir fehlt das Verständnis für diese Parole. Auf Kommando renne ich auf das Schild los, das zwar auf dem Boden landet, aber nicht zerbricht. Nach ein paar Sekunden Orientierungslosigkeit ordnen wir uns neu und reissen am Turm, von dem aus in den letzten acht Wochen Literatur rezitiert und SURPRISE 384/16

selbstironische Reden gehalten wurden. Der Turm stürzt ein. Wie im gleichnamigen Song von Ton Steine Scherben. Vorgestern vor 20 Jahren, am 20. August 1996, ist deren Sänger Rio Reiser gestorben. Das ist das Re/Fugium. Workshops im Brotbacken? Auch das ist das Re/Fugium. Genauso gehören Partys in einer ausgedienten Kapelle und nächtliche Diskussionen über Sexismus im Musikbusiness dazu. Dem Re/Fugium geht es um Fragen, wie sie sogenannte GenerationY-Essays mit Voliebe verhandeln: Von welchen Werten, Ereignissen und Erfahrungen ist unsere Generation geprägt? Welche Zukunftsträume teilen wir? Was können wir uns gegenseitig beibringen? So jedenfalls steht es auf der Website des Projekts. Fragen, die mich ansprechen – vielleicht noch erweitert um diese: Wie kann ich überhaupt noch in dieser Gesellschaft leben?

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Viele meiner Bekannten stellen sich diese Frage, da sie der Stakkato mich beruhigter und ausgeglichener fühle als in meinem Alltag, frage von Bataclan bis Brexit aus ihrer wohligen Bionische reisst. Oder liegt es ich mich, ob wir nicht einfach ein elitärer Haufen selbst- oder fremddaran, dass sie die vergangenen Jahre auf einen Traumberuf hingearernannter Trendsetter sind. Alle irgendwie bildungsnah, alle irgendwie beitet haben und jetzt ernüchtert sind? Auch wenn die letzte Frage nicht urban, links oder gesellschaftsliberal. auf der Re/Fugium-Homepage steht – sie schwingt in der Ankündigung Franziska Staubli, 29, will aktiv arbeiten und sucht Mitstreiter unter mit. Und da mich Generation-Y-Essays mit ihrer Orientierungslosigkeit uns Bürogummis. In Lausanne zur Jazzgitarristin ausgebildet, absolund der Suche dahinter nicht loslassen, interessierte mich das Projekt, viert sie jetzt einen Master in Transdisziplinarität in den Künsten. Und das die zwei Zürcher Lea Loeb und Max Stern initiiert haben. sieht sich als Macherin, als Schöpferin. Sie findet, hier im Re/Fugium Loeb, 29, ist studierte Theaterdramaturgin und kuratierte eine Weile kämen viele Kopf- und Konzeptmenschen zusammen. Sie schart ein mit einem Künstlerkollektiv den unabhängigen Ausstellungsraum PerlaGrüppchen von vier Leuten um sich, das sich zum vorgelagerten, freiMode an der Zürcher Langstrasse und daraufhin den Nordflügel des stehenden Haus aufmacht. Es ist eine ehemalige Militärküche, die jetzt Theaterhauses Gessnerallee. Jetzt beginnt sie als Dramaturgin am Theazum Atelier- und Musikraum umfunktioniert werden soll. Es gibt einiter Neumarkt. Der Politologe Stern, 30, hat den aussenpolitischen Thinktank Foraus mitgeJunge, urbane Menschen ziehen sich ins Bleniotal zurück, und das gründet. Die beiden wollten mit dem Re/FuWichtigste bleibt das Internet. Ich frage mich, ob wir nicht einfach ein gium Menschen zusammenbringen: aus der elitärer Haufen sind. Politik, aus der Kunst, aus den Medien. Und sie wollten Grenzen zwischen diesen Szenen aufweichen und überschreiten. Die Angefragten sollten wiederum Leuges zu tun: putzen, das Dickicht bei der Aussichtsplattform wegsägen, te mitbringen, die sie interessant finden – Kuration im SchneeballprinFässer mit der Aufschrift «Himbeere 1987» abtransportieren, Baumaterizip. Manche kommen nur für ein paar Tage, andere bleiben länger. Das al zusammentragen. Nach vier Stunden sind alle schweissnass, aber Re/Fugium hatte ein Ablaufdatum: Es existierte nur im Juli und August glücklich. Während der Medienverantwortliche von Operation Libero 2016. Und das Re/Fugium war – das ist essenziell – ergebnisoffen. Die sein Schlagzeug einrichtet und Franziska Staubli Mikrofone verkabelt, eingetretenen Schilder gehören ebenso zum Re/Fugium wie das Musikgeniessen die anderen ein Entspannungsbier – dank der geleisteten Arvideo, das auf den Überresten des Turms gedreht wird. beit zum ersten Mal mit Aussicht auf die Berge und das gegenüberliegende Dorf. Das Re/Fugium ist eher Candides Garten der Idylle als CanKopf- und Konzeptmenschen dides Eskapaden über den Globus. Das fühlt sich gut an. Das Re/Fugium ist aber nicht nur eine Idee, sondern auch ein Ort, eiVoltaires Satire erzählt vom titelgebenden Candide, dessen Lehrer ne ehemalige Schokoladenfabrik im Tessiner Bleniotal, die später vom Pangloss davon überzeugt ist, dass sie in der «besten aller möglichen Militär genutzt wurde: Cima Norma SA. Als ich da Anfang Juli spätWelten» leben. Nach einer Affäre mit der wunderschönen Prinzessin Kunachts mit dem Bus aus Biasca ankomme, suche ich erst einmal den Einnigunde wird Candide vom heimatlichen Schloss vertrieben. Er gerät in gang. Keine Klingel, nirgends Licht. Nach 100 Metern auf einer Strasse, Kriege, erlebt das verheerende Erdbeben von Lissabon und die Kolonidie bereits als Wanderweg markiert ist, komme ich zu einem freistealherrschaft in Südamerika, bis er schliesslich in Konstantinopel wieder henden Haus. Aber auch da ist alles dunkel und die Strasse biegt nach auf die mittlerweile verstümmelte Kunigunde und den ebenfalls mitgelinks ab. Grosse, leere Hallen, ein verrosteter Fussgängerübergang über nommenen Pangloss trifft. Gemeinsam mit weiteren Gefährten ziehen die Strasse, offene Garagentore, Industrie-Chic. Nirgends Licht. Die sie sich auf ein Landgut und in eine häuslich-landwirtschaftliche ExiStrasse wendet sich noch einmal, und dann bin ich auf dem Platz, den stenz zurück. Das Mantra der «besten aller möglichen Welten» begleitet ich spätestens ab dem zweiten Tag im Re/Fugium als Lebensmittelpunkt Candides Irrfahrt – ein Mantra, das ich jetzt nicht für mich in Anspruch annehmen werde. nehme. Aber auch wir haben unsere Mantras, die uns im städtischen Zwei Minuten nach meiner Ankunft treffe ich auf Franziska MeierGrösser-Weiter-Höher-Schneller-Alltag zu immer mehr Leistung antreihofer. «Kommst du aus einem gefüllten, stressigen Alltag?», fragt mich ben. Ein Mantra, das im Re/Fugium abgelegt werden kann. die 28-Jährige. Sie macht einen Master in Kulturpublizistik und arbeitet beim laut Selbstdeklaration «launischen Themenmagazin» Die Perspek«keine sorge. gute diskussion.» tive. Und sie ist Yoga-Lehrerin. Sie erzählt, dass sie in den zwei MonaDer Re/Fugium-Garten entwickelt sich organisch. «Wenn zwei Leute ten, die sie hier verbringt, einen Radio-Podcast zur «anderen Geschichgehen und drei neue dazukommen, ändert das die Dynamik und die te der Schweizer Schokolade» erstellen möchte. Aber nicht nur – denn Themen. Sie bringen ihre eigene Welt hier hoch», so Franziska Meierhoder Austausch mit anderen Re/Fugium-Teilnehmern reize sie. Morgens fer. Am sechsten Tag sprayt 24/7-Medienmensch Simon Jacoby sein ersum 9 Uhr sei Yoga. Erfahrung wird nicht vorausgesetzt. Dann verabtes eigenes Graffito an den eben gezimmerten Holzturm: «Alles wird schieden sich alle in ihre Zimmer und ich beziehe als erster ein Bett im gut». Der Turm wird fünf Wochen später fallen – und das ist auch gut so. Massenschlag für Kurzbesucher. Am Freitag verlasse ich die ehemalige Schokoladenfabrik im BlenioSimon Jacoby, 27, ist Journalist, Gründer des Newsportals tsüri.ch tal. Ende August will ich nochmals kommen. Simon Jacoby schreibt mir und stolzer Abbrecher des Kulturpublizistik-Masters an der ZHdK. An eine Woche später auf Facebook: «mit deiner frage nach der elite, die du meinem zweiten Tag im Re/Fugium ist er für mich aber primär derjeniuns gestellt hast, hast du noch einige diskussionen ausgelöst». ge, der sich neben mir zur vereinbarten Zeit im Yoga-Raum eingefunden Ist das Re/Fugium elitär? Das ist die naheliegende Negativerzählung: hat. Die ruhige Stimme von Franziska Meierhofer leitet uns für andertJunge, urbane Overachiever ziehen sich ins Tessin zurück, setzen sich halb Stunden vom Sonnengruss in den Herabschauenden Hund, bevor nicht mit der dortigen Umgebung auseinander, wollen Freiraum um zu Simon Jacoby beim Frühstück eine Diskussion über Native Advertising arbeiten, aber keinen Zwang zu einem Produkt (ergebnisoffen!) und anreisst. Danach geht es ins Büro, das halbernst Impact Hub genannt verdichten wie nebenbei ihr Kontaktnetzwerk. Eine andere, positive Erwird. Vier Leute setzen sich an Pulte und öffnen ihre Laptops. Der Komzählung könnte lauten: Das Re/Fugium ist ein Experimentierfeld dafür, munikationsverantwortliche der liberalen Bewegung Operation Libero wie man sich quer über alle Disziplinen gegenseitig befruchtet, wie man ist auch da und will wissen, ob das WLAN denn auch stabil sei. Er haseinen Alltag und Lebensraum gemeinsam gestaltet und wie die Gebe in einer Stunde einen Talk. Junge, urbane Menschen ziehen sich ins meinschaft der Zukunft aussehen könnte. Simon Jacoby schreibt einen Bleniotal zurück, und das Wichtigste bleibt das Internet. Obwohl ich Tag später: «keine sorge. gute diskussion.»

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Bevor ich wieder ins Tessin fahre, treffe ich ihn in Zürich zum Gespräch. Er musste früher zurück: «Als ich vom Re/Fugium losgefahren bin, fühlte es sich wie ein Umzug an. In den ersten Stunden war die Stadt dann ein Kulturschock.» Was nimmt er mit von dieser Erfahrung? «Ich habe so gesund gegessen wie sonst nie. Ich habe nie den Drang gespürt, was zu kaufen. Sechs Wochen lang. Auch auf die tägliche Sitcom vor dem Einschlafen konnte ich verzichten.» Jacoby beschreibt eine neue Achtsamkeit, die er in seinen durch Verpflichtungen getakteten Alltag tragen möchte. «Kurz nachdem du gegangen bist, begann die Workshop-Epoche. Plötzlich wollten alle Kenntnisse teilen und Inputs von aussen gewinnen. Teilweise gab es drei am Tag, und fast alle wollten fast überall dabei sein. Ob Einführungen in Dramaturgie, ins Songwriting oder die Konzeptarbeit hinter politischen Kampagnen.» Ich freue mich auf die Rückkehr in die Idylle. Am Hauptplatz empfangen mich Ende August ein roter Teppich und ein Portal, das am bestehenden Turm andockt. 48 Stunden später wird es fallen. Die Zutaten in der Küche sind jetzt fein säuberlich angeschrieben, im Gang hängen Infoblätter für Neuankömmlinge. Ein Raum wurde zu einer Dauerausstellung, die den Charme von Kunst-am-Bau versprüht. Bekannte Gesichter aus der ersten Woche sind noch immer da, unter anderem die beiden Franziskas (Staubli, die Musikerin und Meierhofer, die Yoga-Lehrerin), aber auch viele neue. Alle erzählen, dass sie schockiert waren, wie harmonisch das Zusammenleben verlaufen ist. Diesen Prozess konnte ich nicht miterleben, und obwohl ich anfangs angesichts der Entwicklung ein paar Sprüche über Gentrifizierung nicht unterdrücken kann, fühle ich mich spätestens beim Abendessen wieder zuhause. Dauernde Veränderung bedeutet das Re/Fugium auch für die Dauerbewohner: Um die 50 Leute seien für kürzere oder längere Zeit hier geSURPRISE 384/16

wesen. «Ich habe mich immer an das, was gerade war, angepasst. Das genoss ich. Es ist erfüllend, sich für verschiedene Ideen zur Verfügung zu stellen. Es tat mir gut, zuzuarbeiten und Lücken zu füllen. Ich seh die Lücken einfach», beschreibt Franziska Staubli ihre Erfahrungen. Organische, planlose Sicherheit Die neue Welt wurde im Re/Fugium nicht kreiert, aber Leute, die an der neuen Welt bauen oder zumindest daran bauen wollen, konnten sich vertiefen, aufeinander und sich selbst einlassen. Candides Garten für Städter. «Hier ist alles organisch, stufenlos, planlos, aber es geschieht was», so Franziska Meierhofer. In diesem Spätsommer können sich das Franziska Meierhofer, Franziska Staubli und Simon Jacoby dauerhaft vorstellen: gemeinsam essen, gemeinsam arbeiten, gemeinsam leben. Alle drei würden ein Dauer-Re/Fugium eher in der Stadt verorten, nicht in einer ehemaligen Schokoladenfabrik im Bleniotal. In der Stadt könnte ein solcher Ort auch Sicherheit bieten, um den Herausforderungen der Alltags- und Nicht-Alltagswelt mit Haltung zu begegnen. Da könnte man keine Folie von Candides Garten über das Projekt legen. Obwohl Candides Garten, wenn man ihn als Kontrast zum urbanen Leben erlebt, auch etwas auslöst. Eine Erfahrung, die mich weiterbringt, auf dem Weg dahin dauerhaft das Interesse an Generation-Y-Essays zu verlieren. Das bleibt von der Suche nach einer neuen Gemeinschaft. Ebenso das Wissen darum, mit wem man auf diese Gemeinschaft hinarbeiten könnte: Mit allen, die hier waren. Meine frühe Frage nach dem elitären Charakter des Re/Fugium wirkt Ende August überholt. Das Gemeinschaftsgefühl ist so stark, dass klar ist, wie wenig diese zwei Monate mit einem überlangen Networking-Anlass gemeinsam haben. Und immerhin ein Turm stürzte auch ein. ■

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BILD: ZVG

Neue e n Kolum

Moumouni … ... sucht Popcorn Es fing alles damit an, dass keine anständigen Snacks verkauft wurden. Auch Leute mit Stil mögen Popcorn! Mein Stil an dem Tag, an dem ich mich dazu entschloss – oder eher breitschlagen liess –, mal wieder in eines dieser fancy, ach-so-alternativen Arthauskinos in Zürich zu gehen? Jogginghose. Afrofrisur. Gammelshirt. (Bewölkter Tag.) Nach circa fünf Minuten im Etablissement des Establishments schmückt mich zudem eine trotzig-schlechte Laune, eben weil es kein Popcorn gibt. Das ist bevormundend! Meinen die, ich kann nicht leise essen oder selbst entscheiden, wann der richtige Moment für ein genüssliches und krachendes Kauen während des Filmes ist? Ich mag eigentlich kein Popcorn. Aber im Kino, da will ich verdammt nochmal Popcorn! Also gehen meine Freundin, die Filmwissenschaften studiert und deshalb weniger Hemmungen hat, in ein solches Kino zu gehen, und ich noch einmal zum nächstbesten Supermarkt und holen uns andere laute Snacks. Ist eh billiger. Als wir in der letzten Minute vor Beginn der Kinowerbung in den kleinen Saal huschen, sind relativ wenige Leute dort. Wir werden mit Blicken be-

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grüsst, die ein gewisses Insiderfeeling vermitteln. Es ist wohl eine Art Anerkennung dafür, dass man auch zu den wenigen gehört, die wissen, dass der Film der neue Geheimtipp «der Szene» ist. Ja, man fühlt sich wie ein Mitglied «der Szene», wenn man sich den neuen heissen Scheiss der Arthausindustrie reinzieht. Man ist trendy, man hat Verve. Langsam füllt sich der Saal, wahrscheinlich mit denen, für die Kinowerbung zu mainstream ist. Das freudige, intime, erwartungsvolle «Wir fünf erleben jetzt Kunst», das da in der Luft liegt, schlägt plötzlich um in die förmlich riechbare Angst, einen Film ausgesucht zu haben, der vielleicht doch kein Geheimtipp ist. Es ist, als störten sich alle gegenseitig bei einem Date. Während nämlich Blockbuster-Konsumentinnen andere dazu nötigen, den Film ebenfalls zu gucken, oder ihnen den ganzen Plot mitsamt Explosionen, «cooler Dialoge» und Gänsehautmomente nacherzählen, wollen Arthausfilm-Schauende, dass möglichst wenige den Film gesehen haben – und gleichzeitig möglichst vielen mitteilen, dass sie selbst ihn natürlich geschaut haben. Es verlässt trotzdem niemand den Saal, und der wirre Film fängt an. Ich kann mich kaum konzentrieren, weil ich gegen den Drang ankämpfen muss, die elitäre Atmosphäre zu zerstören. Ich bin mir sicher, es sind gar nicht die Arthausfilme selbst, die sind bestimmt ganz toll – nein, das bin ich alleine, die sich in einen regelrechten Lümmel verwandeln möchte: aus kindischem Trotz popeln und das Ergebnis an die wunderschönen breiten, gepflegten Sessel schmieren, laut rülpsen und ab circa 10 Minuten rufen möchte: «Ich will mein Geld zurück!»

Bis auf ein paar Mal laut kauen, mit dem ich genervte Blicke in meine Richtung provozieren möchte, die tatsächlich kommen, bin ich aber still und halte aus. Irgendwann hört der Film endlich auf. Ich muss sagen, es gab einen schönen Moment während der Vorstellung. Als der Abspann anfing und man spüren konnte, wie alle im Saal entgeistert dachten: «Was?! Das war’s? So ein Scheiss!» Das war ein wunderbares Gefühl von Verbundenheit, ich hab mich fast wie ein gestandenes Mitglied «der Szene» gefühlt. Kurz darauf wird es allerdings abermals widerwärtig: Die einen bleiben sitzen und tun so, als könnten sie den chinesischen Abspann lesen. Die anderen stehen auf, holen sich ein Glas Champagner – den gibt es hier nämlich, im Gegensatz zu Popcorn – und schwärmen von den Farben und Kameraeinstellungen. Das macht man hier so, wenn man einen Film nicht verstanden hat. Aber ich muss zugeben: Als der Film irgendwann von Schwarz-Weiss auf Farbe gewechselt hat, waren die Farben wirklich toll!

Fatima Moumouni geht ausschliesslich mit guten Freundinnen ins Arthousekino. Die sind geduldig, psssschhten sie nicht an und erklären ihr, dass es tatsächlich auch coole Arthousefilme gibt – und dass es nicht darum geht, sie zu verstehen. www.fatimamoumouni.com

Rahel Nicole Eisenring ist freie Illustratorin. www.raheleisenring.ch SURPRISE 384/16


Kino Die Gaga-Gemeinschaft BILD: CINEWORX

Der Starchoreograf Ohad Naharin ist der Mann, mit dessen Technik sich Natalie Portman den «Black Swan» beibrachte. Den ersten Impuls für seinen Tanzstil Gaga fand er aber ganz woanders als auf der grossen Bühne – nämlich bereits in seiner Kindheit im Kibbuz. VON MONIKA BETTSCHEN

Eine Gruppe Tänzerinnen bewegt sich elastisch auf allen Vieren über die Bühne. Sie finden sich in der Mitte und schmiegen sich dort wie ein Wurf junger Katzen eng aneinander. Diese Szene in den ersten Minuten von Tomer Heymanns Dokumentarfilm «Mr. Gaga» drückt bereits aus, um was es dem israelischen Ausnahmechoreografen Ohad Naharin in seiner Arbeit geht: um die Gemeinschaft. In den Sechzigerjahren verbrachte er den ersten Teil seiner Kindheit mit seiner Familie in einem Kibbuz. Natur und Tiere waren allgegenwärtig, die Kinder spielten meistens zusammen im Freien. Diesen Ort zu verlassen habe sich angefühlt, wie von seinem siamesischen Zwilling getrennt zu werden, erinnert sich Naharin. «Für Ohad war der Kibbuz das Paradies», ergänzt sein Vater Eliav rückblickend. «Ohad Naharins Tanzkunst ist durchdrungen vom Wunsch, dieses Gefühl von enger Gemeinschaft, wie er es in seiner Kindheit erlebt hat, wiederzufinden», sagt der Regisseur Tomer Heymann, der anlässlich der Vorpremieren in die Schweiz gekommen ist, im Gespräch. Der preisgekrönte israelische Regisseur, der mit «Paper Dolls» und «Black Over White» bereits andere Filme über Aussenseiter gedreht hat, zeichnet in «Mr. Gaga» die aussergewöhnliche Biografie Naharins in einem fesselnden Rhythmus nach. Die paradiesische Kindheit, schwere Verluste und die Zeit als Soldat in einer Unterhaltungstruppe während des Jom-Kippur-Kriegs hinterlassen in Naharins Choreografien immer wieder tiefe Spuren. Körper, die in unnatürlicher Verrenkung auf dem Boden liegen oder wie von Schüssen getroffen zucken, sind Erinnerungen an die brennenden Fahrzeuge, Leichen und traumatisierten Soldaten auf den Golanhöhen. Nach der Armee meldete seine Mutter ihn fürs Vortanzen bei der Batsheva Dance Company in Tel Aviv an. Wie eine Katze habe er sich bewegt, erinnert sich eine seiner Lehrerinnen von damals. Er war bereits 22 Jahre alt, als er seine professionelle Tanzausbildung begann und schon bald von der berühmten Choreografin Martha Graham nach New York geholt wurde. Ohad Naharin hat die internationale Tanzszene nach einer Rückenverletzung mit seiner SURPRISE 384/16

Wie im Paradies: Der Choreograf Ohad Nahrin hat sich im Kibbuz bewegen gelernt.

eigenen schonenden Technik, Gaga, geradezu revolutioniert. Profitänzer auf der ganzen Welt schwören auf diese Methode, die Instinkt und bewusste Bewegung verbindet. Zahlreiche Hollywoodstars wenden die Technik an, um ihre Präsenz vor der Kamera zu verbessern. Natalie Portmann hat sich unter anderem mit Gaga auf ihre Oscar-prämierte Rolle in «Black Swan» vorbereitet und kommt in Heymanns Film ebenfalls kurz zu Wort. Mittlerweile gibt es überall auf der Welt für jedermann, auch für ältere oder behinderte Menschen, offene GagaLektionen, vergleichbar mit Pilates- oder YogaStudios. «Eine besondere Rolle nimmt in Ohads Leben Mari, seine erste Frau, ein. Als sie starb, durchlebte er neben der Trauer eine intensive Phase der Selbstkritik, er wollte ein besserer Mensch werden, ausgeglichener im Umgang mit anderen», sagt Tomer Heymann. «Dass Maris Tod der Schlüsselmoment im Leben des Choreografen war, kristallisierte sich für mich während den Recherchen deutlich heraus, und so entschied ich mich, ihr im Film den angemessenen Raum zu geben», so Heymann, der Naharins Karriere als Tänzer und Choreograf bereits seit über 20 Jahren verfolgt. «Nach meinem Militärdienst schenkte mir ein Familien-

mitglied Tickets für eine Batsheva-Tanzaufführung. Ich fühlte mich damals innerlich leer und verloren. Dann sah ich Ohad mit der Gruppe tanzen, und ich fing sofort Feuer für diese Ausdrucksstärke und Schönheit in den Bewegungen.» Heymann gelang es schliesslich, Schritt für Schritt ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Während acht Jahren begleitete er Naharin mit der Kamera, dieser gewährte ihm Einblick in seinen Werdegang und sein privates Filmund Fotoarchiv. Entstanden ist eine Dokumentation, die elektrisierend und explosiv ist in den Tanzszenen und von stiller Erhabenheit, wenn der Fokus auf zwischenmenschliche Momente gerichtet wird. ■ Tomer Heymann: «Mr. Gaga», 99 Min., Israel/Schweden 2015, Hebräisch, Englisch, deutsche UT. Der Film läuft derzeit in den Deutschschweizer Kinos.

Cineworx verlost je 4 Gaga-Tanzstunden in Basel, Bern und Zürich und 3 × 2 Filmtickets. E-Mail mit Betreff GAGA Tanz oder GAGA Film bis zum 6. Okt. an info@vereinsurprise.ch oder per Post an Verein Surprise, Spalentorweg 20, 4051 Basel. Mit Namen und Angabe der gewünschten Stadt. Die Gewinnerinnen und Gewinner werden benachrichtigt, die Kursdaten individuell mitgeteilt.

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BILD: RICO SCAGLIOLA & MICHAEL MEIER (AUSSCHNITT)

BILD: ZVG

Kultur

Der Pinguin mag Partys schon auch – solange sie nicht bei ihm stattfinden.

Schmiegt sich wie Seetang ins Wasser: «Aquaman».

Buch Antipoden-WG

Ausstellung Nackt und selbstbewusst

Das Kinderbilderbuch «Gordon und Tapir» erzählt vom Anderssein, von Toleranz und Freundschaft.

Das junge Künstlerduo Rico & Michael zelebriert Nacktheit, Schönheit und Körperkult mit kritischem Blick.

VON CHRISTOPHER ZIMMER

VON PHILIPP SPILLMANN

Gordon ist pingelig, ein Ordnungsfanatiker, dessen Fischvorräte im Kühlschrank in Reih und Glied stehen und dessen Konserven in der Vorratskammer wie mit dem Zentimetermass ausgerichtet sind – ein Pinguin vom Plattfuss bis zum Federschopf, dem die Pedanterie wie die Faust auf den Frack passt. Tapir ist das pure Gegenteil: sein Zimmer ein Dschungel aus Klopapier-Lianen mit lärmender Vogelanlage, Obst und Gemüse wuchern aus dem Kühlschrank oder matschen auf dem Boden, Chaos und Schlamperei, wo man nur hinschaut. Ausgerechnet diese beiden Antipoden teilen sich eine WG. Das kann ja nicht gut gehen, und das tut es auch nicht. Ärger und Konflikte sind vorprogrammiert, einer reibt dem anderen seine Eigen- und Unarten unter Schnabel und Nase: Gordons Fischmüll stinkt zum Himmel, und ausserdem lässt er Tapir nicht in seinen Club der Frackträger. Dafür wäscht Tapir nie ab, und seine Freundin, die Nilpferddame, besetzt unentwegt das Badezimmer. Der Streit eskaliert, und am Morgen nach einer für beide schlaflosen Nacht zieht Gordon aus, in ein Loft wie aus dem SchönerWohnen-Katalog, mit Designer-Möbeln und abstraktem Gemälde. War’s das? Nein, die Geschichte geht zum Glück gut aus. Denn jetzt beginnt die Freundschaft erst wirklich aufzublühen. Was in zu grosser Nähe nicht möglich war, gelingt aus der Distanz um so besser. Die beiden telefonieren miteinander und besuchen sich gegenseitig: Tapir als gesitteter Gast die geordnete Welt von Gordon, und Gordon die Party von Tapir, in der er sich vergnügt der wilden Sause anschliesst. Diese exemplarische Geschichte von den Gegensätzen, die sich erst trennen müssen, um sich wiederzufinden, wird von Sebastian Meschenmoser mit schlichten Sätzen und so zarten wie ausdruckstarken Blei- und Buntstift-Zeichnungen erzählt. Eine Geschichte vom Anderssein, von Toleranz und Freundschaft, in der vieles anklingt: von kindlichen Konflikten über leidvolle WG-Erfahrungen bis zu Szenen einer Ehe – reichlich Stoff für Jung und Alt.

Die beiden Künstler Rico Scagliola und Michael Meier fokussieren mitten auf die Problemzone: Sie inszenieren sich selbst als weibliche Bodybuilder, nackte Statuen oder Landschaften. Ihre Nacktheit ist akut, provozierend, subversiv. Ihre Schönheit will alles ausser gefallen. Jetzt sind sie zu Gast im ehemaligen Atelier des Schweizer Plastikers Hermann Haller, dessen nackte Frauenstatuen halb Zürich schmücken. Der ehemalige Werkplatz ist heute städtisches Museum, Memorandum und Monument für den verstorbenen Künstler, der vorzugsweise nackte bildungsbürgerliche Frauen seines Umfelds – Künstlerinnen, Schauspielerinnen, Musikerinnen – nackt als Statuen verewigt hat. Rico & Michael wirbeln dessen Frauenbilder gleich zusammen mit dem Staub der Bodenritzen auf: Die beiden haben den Parkettboden ihres eigenen Ateliers kurzerhand ausgebaut und quer über das Erdgeschoss des Ausstellungsraums ausgelegt. Es wird klar: Sie sind hier zu Gast, aber zu ihren eigenen Bedingungen. Einerseits nähern sie sich sehr respektvoll und feinfühlig dem Geist an, der immer noch in diesen Räumen haust. Hallers Skulpturen sind im Hauptraum grosszügig verteilt und verschiedentlich gruppiert, fast als ob der Künstler noch am Arbeiten wäre. Im Nebenraum qualmt noch eine Zigarette. Gleichzeitig durchbrechen sie aber so manche Konvention. So mischt das Duo seine eigenen Fotografien unter Hallers Bestand, etwa das Bild einer Stripperin oder eines Mädchens, das mit seiner Mutter gerade ein Geschäft verlässt und im Moment der Aufnahme unbewusst wie ein Model posiert. Auch ordnen sie einige von Hallers Arbeiten radikal neu an, zum Beispiel eine Reihe von Frauenbüsten starr nebeneinander auf einer Art Tribüne, fast wie Waren im Supermarkt – austauschbar, wiederholbar, mechanisch. Hallers Figuren irritierten damals, weil sie seine bürgerlichen Zeitgenossen mit selbstbewusster Nacktheit bombardierten. Rico & Michaels Fotografien irritieren heute, weil sie die konventionelle Darstellung von Nacktheit, Sexualität und Identität gleichermassen zelebrieren wie kritisch beäugen.

Sebastian Meschenmoser: Gordon und Tapir. Esslinger 2015 (4. Auflage). 21.90 CHF

Rico Scagliola & Michael Meier zu Gast im Atelier Hermann Haller, noch bis zum 30. Oktober, Fr und Sa, 12 bis 18 Uhr, So 12 bis 17 Uhr, Höschgasse 8a, Zürich, Eintritt frei. Öffentliche Führung am So, 9. Okt., 14 Uhr. www.stadt-zuerich.ch/atelierhermannhaller

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Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.

Jung und schön: Zucchetti im sommerlichen Look.

Piatto forte Züchtiges Junggemüse Zuverlässig begleiten uns Zucchetti den ganzen Sommer und sind jetzt in Hülle und Fülle verfügbar.

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MCSCHINDLER.COM, 8049 Zürich

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Scherrer + Partner GMBH, Basel

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Ingenieurbüro BEVBE, Bonstetten

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Coop Genossenschaft, Basel

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Treuhand U. Müller GmbH, Bern

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Lions Club Zürich-Seefeld, Zürich

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Supercomputing Systems AG, Zürich

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Fraumünster Versicherungstreuhand AG,

VON TOM WIEDERKEHR

Zürich 09

VXL Gestaltung und Werbung AG, Binningen

In immer neuen Gewändern von dunkelgrün bis hellgrün, über gelb bis gestreift leuchten uns Zucchetti am Gemüsestand an, doch wie das mit jungem Gemüse so ist, gibt sich die Zucchetti wild, ist aber sonst ziemlich unschuldig mild im Geschmack – was den «kleinen Kürbis» übrigens in Babybrei sehr beliebt macht. Das klingt wenig aufregend, doch ist dieses im botanischen Sinne unreif geerntete Gemüse extrem vielseitig und wie alle Junggebliebenen für jeden Spass zu haben. Im frühen Sommer spielen Zucchetti ihre wasserreiche Seite aus – roh geraspelt im Salat oder, ganz hip, in Spiralen geschnitten als Spaghettiersatz. In einem klassischen Ratatouille paart sich die Zucchetti mit all den anderen Gemüsen des Südens und lässt die Vorfreude auf die Ferien wachsen. Explodiert die Zucchettiernte im eigenen Garten, kann das spätsommerliche Gefühl in den Winter konserviert werden, indem man feingehobelte Zucchettischeiben mit Olivenöl, Knoblauch, Basilikum und Aceto bianco aufkocht und in Gläser einlegt. Ein Cake mit geraspelter Zucchetti wird wunderbar feucht und spart dazu noch Butter, also auch Kalorien. Steht die Sonne tief und werden die Abende kälter, lassen sich Zucchetti mit herzhafteren Aromen kombinieren, z.B. in einer Suppe, gekocht mit ein paar Kartoffeln in Bouillon und mit etwas Rahm püriert, serviert mit ausgelassenem Bratspeck. Selbstgebackenem Brot gibt Zucchetti eine weich-saftige Konsistenz, und genossen mit Fetawürfeln und Tomatensalat wird sie zum kleinen spätsommerlichen Nachtessen. Hat der Gaumen Fernweh, bieten sich Zucchettipuffer an. Dazu ca. 500 g Zucchetti raspeln, mit einem Teelöffel Salz mischen und 15 Minuten stehen lassen. Dann in ein Sieb geben und alle Flüssigkeit ausdrücken. Gemischt mit drei feingehackten Frühlingszwiebeln sowie je einem halben Bund Dill und Petersilie, zwei Eiern und 50 g Mehl, entsteht der Pufferteig. Gewürzt wird mit einem Teelöffel scharfem Paprikapulver und gemahlenem Pfeffer. In Olivenöl esslöffelweise braten. Dazu einen Schafjoghurt servieren, der mit einem halben Bund Minze, einer Tomate und einer Knoblauchzehe, Salz, Pfeffer und einem Esslöffel Zitronensaft angemacht ist. Eine kleine kulinarische Entdeckungsreise, die die sanfte Melancholie, dass ein wunderbarer Sommer zu Ende geht, zu verscheuchen vermag.

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AnyWeb AG, Zürich

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A. Reusser Bau GmbH, Recherswil

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Kreislauf 4+5, Zürich

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Thommen ASIC-Design, Zürich

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Proitera Betriebliche Sozialberatung, Basel

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Kaiser Software GmbH, Bern

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Hervorragend AG, Bern

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Gemeinnütziger Frauenverein Nidau

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Klinik Sonnenhalde AG, Riehen

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Frank Türen AG, Buchs

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Schweizerisches Tropen- und Public Health-

Bezugsquellen und Rezepte: http://www.piattoforte.ch/surprise

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Institut, Basel 21

Familie Iten-Carr Holding AG, Zug

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Brother (Schweiz) AG, Dättwil

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Maya-Recordings, Oberstammheim

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Velo-Oase, Erwin Bestgen, Baar

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Imbach Reisen AG, Wanderreisen, Luzern

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

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Von welchem Planeten kommt der?

Zürich Verbogene Zeit «Jojo Mayer dehnt und verbiegt die Zeit. Er kreiert eine Dichte, welche die Zeit zerreisst. Er könnte von einem anderen Planteten stammen.» Das sagt ein Kritiker über den Schlagzeuger aus Zürich. Der hörte in den Neunzigerjahren elektronische Musik mit absurd schnellen und vielschichtigen Rhythmen (Jungle, Drum & Bass). Diese wollte er auf seinem Schlagzeug nachspielen. Damit das möglich war, musste er neue Spieltechniken erfinden. Heute zeigt er diese in Workshops auf der ganzen Welt. Doch sein Erfindergeist beschränkt sich nicht nur auf sein Instrument: Mayer vereinigte als einer der ersten Musiker Live-Improvisation mit programmierter elektronischer Musik. Seine Mitstreiter in der Band Nerve stehen ihm in nichts nach. Über den Bassisten John Davis heisst es, er könne noch so abstruse programmierte Sequenzen auf seinem Bass nachspielen. Keyboarder Jacob Bergson ist in allen Stilen zuhause. Und Toningenieur Aaron Nevezie versteht sein Mischpult als Instrument. Er manipuliert den Sound von der Bühne während des Konzertes und nennt das Echtzeit-Ton-Dekonstruktion. Vor dem Konzert hat der Dokfilm «Jojo Mayer – Changing Time» von Alexis Amitirigala Premiere. Der Eintritt zum Film ist kostenlos. (bc)

BILD: ISTOCKPHOTO

© MU EINDHOVEN, ADDIE WAGENKNECHT Grenzen sehen statt setzen: Addie Wagenknecht.

BILD: HANNEKE WETZER

BILD: JOJOMAYER.COM

Ausgehtipps

Huch, was will denn das hier: Das Zika-Virus.

Basel Weltweit begrenzt

Zürich Reinlassen oder nicht?

Die amerikanische Künstlerin Addie Wagenknecht beschäftigt sich in ihrer Einzelausstellung «Liminal Laws» mit Grenzen – und Gesetzen. Beziehungsweise mit deren Schwellen oder deren Auflösung. Denn für wen Gesetze gelten und wen sie schützen, ist so klar nun auch wieder nicht. Auch wenn man meinen sollte, Gesetze seien dafür gedacht, Eindeutigkeiten herzustellen, wird man irgendwann festgestellt haben, dass das nicht immer so ist: beim Zugang zu Technologien nicht, bei der Rolle der Frau in der Gesellschaft nicht, bei der Situation von Flüchtlingen nicht und beim Internet nicht. Und weil Letzteres unser übergreifendes kulturelles System ist, reflektiert Addie Wagenknecht in ihrer Arbeit den Einfluss von Medientechnologien auf unsere Gesellschaft. (dif) zum 6. November, jeweils Mi bis So, 12 bis 18 Uhr,

Mein Sohn fragt mich derzeit oft, was wir denn tun, wenn ein Flüchtling vor der Tür steht und bei uns wohnen will. Aufmachen, schlage ich meist vor. Und was machen wir, wenn Räuber kommen? Lieber nicht aufmachen. Und woher wissen wir, wer was ist? Die Debatte darum, wer rein darf und wer draussen bleiben muss, beschäftigt offensichtlich Gross und Klein. Die Theatermacherinnen Ivna Žic und Natascha Gangl erweitern die Debatte um eine Erlebnisebene und brechen mit ihrer Theaterinstallation «Hausbruch. Eine Pandemie.» ganz real im Theater Winkelwiese ein und breiten sich aus. Mit einem Text, der den ganzen Raum einnimmt, und Musik, von einem zu grossen Orchester in einem zu kleinen Raum gespielt. Hier wird erforscht, welche Bilder und Assoziationen unsere Gedankengänge prägen, wenn wir von Eigentum sprechen. Die Festung Europa immer mitgedacht. (win)

HeK – Haus der elektronischen Künste Basel,

«Hausbruch. Eine Pandemie.», Fr, 30. September

Freilager-Platz 9, Münchenstein/Basel. www.hek.ch

(Premiere, ausverkauft) bis Fr, 14. Oktober, acht

«Addie Wagenknecht: Liminal Laws», noch bis

Vorstellungen, jeweils 20 Uhr, Theater Winkelwiese, Winkelwiese 4, Zürich. Reservationen: 044 261 21 79

Anzeigen:

www.winkelwiese.ch

Jojo Mayer & Nerve, Filmpremiere, Konzert und Aftershow-Party, Mi, 28. September, 20 Uhr, Kaufleuten, Pelikanplatz, Zürich. www.jojomayer.com

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© TEJU COLE/TIM KNOX

© RALPH FEINER (BOB GRAMSMA: «DRIFTED PIT, OI#16231», 2016) BILD:

Vor dem Stadthaus an der Masanserstrasse 2. Fahren Sie auch mal hin!

Teju Cole dachte in Zürich über Lagos nach.

Chur Pinseln bis zur Endstation Bob Gramsma hat einen Ford Taunus Ghia genommen und einen «gedanklichen Diskurs des Draussens und Drinnens» entstehen lassen, wie der Kuratorentext sagt. Nun, so kann man es auch nennen (siehe oben). Chur wird zurzeit künstlerisch reflektiert und musikalisch durchdrungen, und die Kunst fährt sogar im Stadtbus mit. Eine zentrale Frage dabei ist: Wie sieht das Verhältnis zwischen Öffentlichkeit, Architektur, freien Flächen und angrenzenden Räumen aus? So locken huber.huber mit 40 Vogelhäuschen gefiederte Stadtbewohner an, Michael Günzburger bepinselt im Bus Scheiben, wobei die Werke halt ebenso ruckeln wie das Fahrzeug selbst, und Roman Signer schützt den Springbrunnen im Fontanapark mit einem Holzzylinder vor der Öffentlichkeit, während das Künstlerduo frölicher | bietenhader im mittelalterlichen Innenhof – dem «Bärenloch» – Google Earth spielt. (dif) «Am Ort», Kunst und Musik im öffentlichen Raum Chur, bis zum 30. Oktober, diverse Standorte in Chur. www.am-ort.ch

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Zürich Schule des Sehens Teju Cole, 1975 in den USA geboren und in Nigeria aufgewachsen, war vor zwei Jahren als Writer in Residence in Zürich zu Gast und kehrt nun für eine Lesung mit seinem neuen Buch «Vertraute Dinge, fremde Dinge» im Gepäck zurück. Cole, der nicht nur Autor, sondern auch Dozent, Fotograf und Fotografie-Kritiker beim New York Times Magazine ist, denkt in seinen Texten über das nach, worin sich der Zustand des Menschseins und der Gesellschaft spiegelt: Literatur, Fotografie, Kunst, Politik. Er betrachtet dabei die Dinge, wie er Welt betrachtet: mit dem Blick eines unsystematischen Historikers, der zunächst beobachtet und das Offensichtliche beschreibt, um allmählich zu dem weniger Offensichtlichen vorzudringen, das darunter versteckt ist. Seine Essays handeln von der Erfahrung des Unterwegsseins und von politischer Moral, von Rassismus und davon, warum auch ein Präsident, der die «richtigen» Bücher liest, in seinem Amt Menschen tötet. Und er schreibt über das, was ihn geistig nährt: über Brasilien, Italien und Palästina genauso wie über die Ästhetik westafrikanischer Auftragsfotografie und über Instagram – und darüber, wie es ist, im wohlgeordneten Zürich über einen Ort wie Lagos nachzudenken. So werden scheinbar vertraute Dinge zu fremden Dingen und umgekehrt: Cole schickt uns in eine Schule des Sehens und lehrt uns, über die Welt nachzudenken. Eine ausführlichere Besprechung des Buchs folgt in einer der folgenden Surprise-Ausgaben. Die Lesung im Literaturhaus Zürich moderiert Lukas Bärfuss. (dif) «Teju Cole – Vertraute Dinge, fremde Dinge», Lesung und Gespräch, Mo, 3. Oktober, 19.30 Uhr, Literaturhaus Zürich. www.literaturhaus.ch

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Strassenfussballer-Porträt «Das ist mein kleines Paradies» Der Basler Surprise-Strassenfussballer David Aellen hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. In seiner Freizeit zieht er Tomaten und Zucchetti im Garten – und Fische aus dem Rhein.

«Der Homeless World Cup in Glasgow war genial. Das Team war friedlich, wir hatten es lustig miteinander und ich habe neue Freundschaften mit Menschen aus aller Welt geschlossen. Das war wichtiger, als verbissen um einen Pokal zu kämpfen. Ich wusste von vornherein, mit unserem Team werden wir wohl öfter verlieren. Doch das macht mir nichts aus. Es ist ja auch klar: In der Schweiz gibt es nicht so viele Strassenfussballer wie etwa in Mexiko oder Brasilien. Dort sind es vielleicht 20 000 bis 30 000 Spieler, bei uns knapp 200. Ich spiele seit 2003 in der Surprise-Liga. Ich bin über die Gassenküche und die Gassenarbeiter vom Verein Schwarzer Peter zu den Dragons Basel gestossen. In unserem Team gibt es nur noch zwei, drei andere Spieler, die auch schon länger dabei sind. Es ist ein Kommen und Gehen in der Liga. Ich bin FC Basel-Fan, aber ins Stadion gehe ich seit dem Umbau kaum mehr. Ich finde, das Flair ist weg. Früher konnte man sich im ganzen Stadion bewegen, heute bist du in deinem Sektor eingeschlossen. Die Tribünen waren auch nicht gedeckt, es gab Grillstände, die Stimmung war besser. Heute schaue ich mir die Spiele im Fernsehen an. Aber es gibt nicht nur Fussball im Leben. Ich schwimme, fahre Velo und fische. Im Rhein. Allerdings dauert es Tage, bis einer anbeisst. Jetzt im Sommer ist das schwierig, mit den Schwimmern. Da muss ich aufpassen, dass mir keiner in die Schnur schwimmt. Auch wenn ich reise, ist das Equipment immer dabei. Dabei muss ich nicht unbedingt weggehen. Mir reichen schon der Rhein und Basel. Beim Fischen entspanne ich mich. Die Ruhe, die Natur, das gefällt mir. Oder aber ich bleibe zuhause bei meinen zwei Katzen Glitzi und Mojo. Die habe ich von einem Freund übernommen, der in seiner neuen Wohnung keine Haustiere halten durfte. Wenn es das Wetter erlaubt, hänge ich im Schrebergarten ab, den ich mit einem Freund halte. Da ziehe ich Tomaten, Gurken, Zucchetti, das ist mein kleines Paradies. Aufgewachsen bin ich im Hirzbrunnenquartier in Kleinbasel. Mein Vater zog nach der Scheidung aus. Meine Mutter war dann wohl etwas überfordert mit uns drei Kindern. Mit 17 ging ich von zuhause weg. Das war eine Kurzschluss-Aktion. Ich hatte die Schnauze voll, sagte: «Ich gehe», und zog zu einem Freund. Es ging drunter und drüber, schliesslich half mir meine Mutter später, eine Wohnung zu finden. Gelernt habe ich Koch. Mein Lieblingsmenü? Saucisson mit Dörrbohnen und Kartoffeln. Ich liebe die einfache, währschafte Küche. Da kippst du alles in einen Topf, und schon ist es fertig. Als Koch finde ich derzeit aber keine Stelle. Ich arbeite mal da, mal dort, was gerade anfällt. Ich gehe ein bis zwei Mal pro Woche zum Schwarzen Peter, wo ich meine Bewerbungen schreibe. Dort gibt es PCs für Leute, die zuhause kein Internet haben. Mir haben die Gassenarbeiter auch geholfen, als es mir schlecht ging und ich keine Wohnung fand. Manchmal gehe ich da auch vorbei, um einfach nur Hallo zu sagen. Ich kenne praktisch alle Leute, die das Angebot nutzen. Denn ich verkehre oft an den soge-

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BILD: LUCIAN HUNZIKER

AUFGEZEICHNET VON BEAT CAMENZIND

nannten Brennpunkten der Stadt Basel: auf dem Claraplatz und vor dem Bahnhof. Da trinke ich ab und zu ein Bierchen. Vom Bahnhof hat sich die Szene wieder in die Rondelle bei der Elisabethenanlage verlagert. Der Park wurde nach dem Umbau gemieden, nun ist alles beim Alten. Nur ein paar Alteingesessene sitzen noch auf den verbliebenen Bänkli vor dem Bahnhof. Und wenn es zu laut wird in der Szene, verdrücke ich mich. Das gibt es ja ab und zu, dass einer nach ein paar Bierchen laut wird. Da hängt man zusammen ab, lacht, trinkt und plötzlich kippt die Stimmung. Das muss ich nicht haben.» ■ SURPRISE 384/16


SurPlus – eine Chance für alle! Werden Sie Gotte oder Götti bei SurPlus Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten. Menschen, die kaum Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt wieder Struktur und mehr Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Das verdient Respekt und Unterstützung. Das Spezialprogramm SurPlus ist ein niederschwelliges Begleitprogramm für ausgewählte Surprise-Verkaufende, die regelmässig das Strassenmagazin

verkaufen und hauptsächlich vom Heftverkauf leben. Diese Verkaufenden erhalten nur geringe soziale Ergänzungsleistungen und werden im Programm SurPlus gezielt vom Verein Surprise unterstützt: Sie sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit, Nahverkehrsabonnement) und werden bei Problemen im oft schwierigen Alltag begleitet. Mit einer Patenschaft leisten Sie einen wesentlichen Beitrag für die soziale Absicherung der Verkaufenden und ermöglichen ihnen, sich aus eigener Kraft einen Verdienst zu erarbeiten. Vielen Dank für Ihr Engagement!

Elsa Fasil Bern

Kostana Barbul St. Gallen

Ralf Rohr Zürich

Marlis Dietiker Olten

Negasi Garahassie Winterthur

Josiane Graner Basel

Tatjana Georgievska Basel

Emsuda Loffredo-Cular Basel

Anja Uehlinger Baden

Andreas Hossmann Basel

Haimanot Ghebremichael Bern

Oliver Guntli Bern

Roland Weidl Basel

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Ja, ich werde Gotte/Götti und unterstütze das SurPlus-Programm von Surprise! 1 Jahr: 6000 Franken

1/2 Jahr: 3000 Franken

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384/16 Talon bitte senden oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, 4051 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch, PC-Konto 12-551455-3 SURPRISE 384/16

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Surprise – mehr als ein Magazin

Ich möchte Surprise abonnieren! 24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.) Gönner-Abo für CHF 260.–

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Hilfe zur Selbsthilfe Surprise unterstützt armutsbetroffene Menschen – beim Strassenverkauf, Strassenchor oder Strassensport, dem Sozialen Stadtrundgang oder Café Surprise: Der Verein fördert die soziale Integration der Betroffenen. Surprise gibt das vierzehntägig erscheinende Strassenmagazin heraus. Eine professionelle Redaktion produziert das Heft zusammen mit freien Journalisten, Fotografen und Illustratoren. Das Magazin wird auf der Strasse verkauft. Über 350 armutsbetroffene Menschen, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten über den Strassenverkauf eine Erwerbsmöglichkeit und eine Tagesstruktur. Die Hälfte des Magazinerlöses behalten die Verkaufenden.

Stärken. Bewegen. Integrieren. Surprise fördert die Integration mit Sport. In der Surprise-Strassenfussball-Liga spielen Teams aus der Deutschschweiz um den Titel des Schweizermeisters. Einige Spieler nehmen am Homeless World Cup teil. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Strassenchor. Gemeinsames Singen und Auftritte ermöglichen Glücksmomente für Menschen, für die der gesellschaftliche Anschluss erschwert ist. Café Surprise schenkt Menschen mit wenig Geld einen Kaffee in einer Bar oder einem Café. So können sie am sozialen Leben teilnehmen. Für Gäste ist es eine charmante Gelegenheit, sich sozial zu engagieren: Sie bezahlen ihren Kaffee und spendieren einen weiteren.

Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht sozial ausgegrenzten Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit z.B. mit dem Sozialen Stadtrundgang in Basel und Zürich. Die Surprise-Stadtführer sind Armutsbetroffene, Ausgesteuerte und Obdachlose. Sie erzählen aus ihrem Alltag in ihrer Stadt und zeigen Orte, an denen man sonst vorübergeht. Gemeinsam wollen sie Vorurteile abbauen.

Über Surprise Der Verein Surprise unterstützt Armutsbetroffene ohne staatliche Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle Angebote ist Surprise auf Spenden, Sponsoren und Stiftungen angewiesen. Surprise ist Mitglied des internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP), dem über 120 Magazine in über 40 Ländern angehören.

Impressum Herausgeber Verein Surprise, Spalentorweg 20, 4051 Basel www.vereinsurprise.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Fr T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 Nicole Mathys, Thomas Oehler, info@vereinsurprise.ch Geschäftsleitung Paola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (Mitglied der Geschäftsleitung), Jannice Vierkötter (Mitglied der Geschäftsleitung) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@vereinsurprise.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Amir Ali (ami, verantwortlich für diese Ausgabe), Beat Camenzind (bc), Diana Frei (dif), Thomas Oehler (toe), Sara Winter Sayilir (win), redaktion@vereinsurprise.ch, leserbriefe@vereinsurprise.ch Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Florian Burkhardt, Rahel Nicole Eisenring, Carlo Knöpfel, Melanie Kobler (Grafik), Yvonne Kunz, Khusraw Mostafanejad, Fatima Moumouni, Stephan Pörtner, Isabella Seemann, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Tom Wiederkehr, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Flurin Bertschinger, Monika Bettschen, Annette Boutellier, Gisela Feuz, Ruben Hollinger, Lucian Hunziker, Olivier Joliat, Birgit Ludwig, Philipp Spillmann, Benjamin von Wyl Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 20 600, Abonnemente CHF 189, 25 Ex./Jahr Marketing, Fundraising T +41 61 564 90 50 Svenja von Gierke (Leitung), Zaira Esposito

Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83/85 Thomas Ebinger, Anette Metzner, Spalentorweg 20, 4051 Basel, basel@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Zürich T +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12 Sara Huber, Christian Sieber, Kanzleistr. 107, 8004 Zürich, zuerich@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02 Barbara Kläsi, Alfred Maurer, Fabian Steinbrink Scheibenstrasse 41, 3014 Bern, bern@vereinsurprise.ch Café Surprise T +41 61 564 90 50 Zaira Esposito (Leitung), z.esposito@vereinsurprise.ch Strassenchor T +41 61 564 90 40 Paloma Selma (Leitung), p.selma@vereinsurprise.ch Strassenfussball T +41 61 564 90 10 Lavinia Besuchet (Leitung), l.besuchet@vereinsurprise.ch, David Möller (Sportcoach), d.moeller@vereinsurprise.ch Sozialer Stadtrundgang Basel T +41 61 564 90 40 Sybille Roter (Leitung), s.roter@vereinsurprise.ch, Paloma Selma (Koordination), rundgang@vereinsurprise.ch Sozialer Stadtrundgang Zürich T +41 44 242 72 14 Sybille Roter (Leitung), s.roter@vereinsurprise.ch, Carmen Berchtold (Koordination), rundgangzh@vereinsurprise.ch Vereinspräsident Beat Jans

Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise nur mit Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt.

Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen. Helfen macht Freude, spenden Sie jetzt: Spendenkonto PC 12-551455-3 SURPRISE 384/16


Surprise – mehr als ein Magazin

Strassenchor Im Kanon mit dem Publikum Wetters gut besucht war. An Komplimenten aus dem Publikum hat es nicht gefehlt. Schon die Reise nach Bern zeigte uns einmal mehr, wie sehr das Singen verbindet: Mit einer uns unbekannten Pfadi-Gruppe aus England teilten wir einen Waggon, und als die Jugendlichen uns singen hörten, stimmten sie sofort mit ein. Darauf übernahm deren Leiter unsere Handorgel und trug mit der Gruppe eigene Lieder vor. Mit erfreulichen Auswirkungen auf die Stimmung des Strassenchors! Paloma Selma, Programmleitung Strassenchor Weitere Infos zu unseren Chor-Auftritten bei Paloma Selma, 061 564 90 40 oder http://www.vereinsurprise.ch/strassenchor

BILD: ZVG

Voller Elan startete der Surprise Strassenchor ins zweite Halbjahr. Auch während der heissen Sommertage zeigte er sich hochgradig motiviert und engagiert: Bereits drei Konzerte haben wir seit Anfang August bestritten. Mitte August traten wir am UNA Festival in Bern auf. Das Motto dieses Festivals heisst: Gemeinsame Vielfalt in Aktion – das könnte ebenso gut das Chormotto sein! Uns war es eine besondere Freude, ausserhalb unserer Region aufzutreten. Obwohl die Gruppe etwas reduziert war, sangen 13 Sängerinnen und Sänger aus sechs Nationen mit. In den rund 45 Minuten wurden Lieder aus der ganzen Welt vorgetragen. Am Ende verteilten sich die Chormitglieder unter den Zuschauern, um mit ihnen gemeinsam einen Kanon zu singen. Ein grossartiger Klang – und ein wunderbarer Anlass, der trotz des schlechten

20. August, Reithalle Bern: der Surprise Strassenchor vor seinem Auftritt am UNA Festival.

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Von Aarberg bis Zuoz. Surprise gibt es beim Strassenhändler Ihres Vertrauens. Oder im Abo per Post.

24 Ausgaben für 189 Franken oder als Gönner-Abo für 260 Franken. Gutes lesen, Gutes tun und gleich bestellen! www.vereinsurprise.ch, www.strassensport.ch, Spendenkonto PC 12-551455-3 Verein Surprise, Spalentorweg 20, 4051 Basel, T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99


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