Surprise 386

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Nr. 386 | 21. Oktober bis 3. November 2016 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.

Das gute Leben Der Soziologe Hartmut Rosa über unsere Beziehung zur Welt


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Wann haben Sie, liebe Leserin, lieber Leser, zuletzt einen Baum umarmt? Auf einer Schaukel so stark geschwungen, bis Sie das Gefühl hatten, mehr geht nicht? Wann haben Sie Ihre letzte Seifenblase gemacht? Die Seifenblase ist etwas unglaublich Unnützes. Sie entsteht, schwebt zielund antriebslos herum und zerplatzt dann, ohne einen weiteren Zweck zu erfüllen, als hier gewesen zu sein. Die Seifenblase ist aber auch etwas unglaublich Schönes. Für Kinder sowieso, bei ihnen ist die Freude darüber offensichtlich. Ich wage aber zu behaupten, dass auch wir Erwachsene uns dem Zauber dieser vergänglichen kleinen Wunder nicht entziehen können. Zuerst die Ungewissheit, ob es klappt: Ob unsere Puste aus dem Seifenwasser tat- AMIR ALI sächlich eine Blase hervorbringt, ist nie garantiert. Dann die komplett fehlen- REDAKTOR de Kontrolle darüber, wohin die Blase schwebt und wann sie zerplatzt. Der daraus resultierende Zwang, sich dem Augenblick zu ergeben. Und die Freude allfälliger Zuschauer an dem winzigen Alltagsspektakel. Tief in uns drin wissen wir: Es sind die Seifenblasenmomente, für die wir leben. Der deutsche Soziologe Hartmut Rosa nennt es Resonanz – die Verbindung, die sich zwischen uns und unserer Umwelt herstellen kann. Und er behauptet, dass sich an der Fähigkeit zur Resonanz entscheidet, ob gutes Leben gelingen kann. Auf Seite 10 finden Sie das Interview, das unsere Autorin Martina Kammermann mit Rosa geführt hat. Um die Beziehung zu ihrer Umwelt geht es auch den Menschen, die in den Basler Schlemmergärten anpflanzen, jäten und ernten. Das Projekt gibt vielen Langzeitarbeitslosen und anderen Armutsbetroffenen jene Gemeinschaft, die ihnen häufig fehlt. Und ganz nebenbei erarbeiten sie sich jene gesunden Lebensmittel, die sie sich oft nicht leisten könnten. Die Reportage von Mara Wirthlin und Roland Schmid finden Sie auf Seite 18.

BILD: WOMM

Titelbild: istockphoto

Editorial Seifenblasenmomente

Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre – und machen Sie mal wieder Seifenblasen! Amir Ali

10 Resonanz «Sich auf die Welt einlassen» SURPRISE 386/16

BILD: ROLAND SCHMID

BILD: TJEFA WEGENER

BILD: JÜRGEN BAUER

Inhalt 04 Randnotiz Unmündigkeit des Unverbindlichen 04 Vor Gericht Nichts gedacht 05 Die Sozialzahl Hin und weg? 06 Wir alle sind #Surprise Sonne im Gesicht 07 Challenge League Der Doktorand 08 Porträt Der letzte Bücherstapel 16 Surprise Strassenfussball Fairplay über alles 22 Moumouni Zürcher, Basler, Schwaben 23 Zürich liest Literatur ohne Grenzen 24 Kultur Gewissen versus Gesetz 26 Ausgehtipps Fessenheim und anderes 28 Verkäufer-Porträt Roger Meier 30 In eigener Sache Impressum

14 Solidarität Das Märchen von Dr. Nur

18 Armut Im Schrebergarten Eden

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Randnotiz Ankommen Im Bildungsroman ist das Leben des Protagonisten eingeteilt in Jugendjahre, Wanderjahre und Meisterjahre. Meine Jugendjahre waren für mich ein Warten auf die Freiheit. Dann, endlich freigelassen, führten mich die Wanderjahre an unterschiedlichste Orte. Es war eine Odyssee, in der ich als Held der Geschichte einiges erlebte und durchmachte. Ich lernte viele Menschen, Orte und Welten kennen. Irgendwann wuchs in mir der Wunsch, irgendwo anzukommen. Wäre das Leben so planbar wie ein Roman, wäre die Reise automatisch in die Meisterjahre übergegangen. Inzwischen bin ich aber 42, und ich habe es immer noch nicht geschafft. Aus dem Wunsch ist ein dringendes Bedürfnis geworden: Ich möchte mich niederlassen und ein Zuhause aufbauen, ohne dabei unbeweglich zu werden. Ist das Ziel einer Suche nicht das Finden? Wenn ich ankommen will, muss ich mir überlegen, ob ich überhaupt bereit bin, aus der Unmündigkeit des Undefinierten und der Unverbindlichkeit in die Mündigkeit zu treten: Ich muss bereit sein, mich in der Grenzenlosigkeit der Möglichkeiten für etwas zu entscheiden und dafür die Verantwortung zu übernehmen. Denn ich werde nie ankommen, solange ich stets denke, dass es irgendwo anders etwas Besseres geben könnte. Anzukommen bedeutet, mich von vielem zu lösen. Ich muss Grenzen ziehen und anfangen, manches auszuschliessen. Dabei ist es weniger die Frage, ob ich das darf; ich muss es, wenn ich mich wirklich entscheiden will. Ich muss weiterziehen lassen, was nicht mehr passt. Ich muss mich abgrenzen von Einflüssen, die mir nicht mehr entsprechen. Ich darf mich endlich von Darstellungen lösen. Anders zu sein hat nichts mit langen Haaren zu tun. Pinke Haare machen aus mir keinen speziellen Menschen. Ein teurer Blazer macht mich nicht attraktiver als Wesen. Ich muss mich von Vorstellungen wie schlimmer Spiessigkeit und freiem Lebenskünstlertum lösen, Entscheidungen treffen und sie verändern, wenn sie sich als falsch erweisen. Es fällt mir nicht leicht, es zu akzeptieren, aber ankommen kann ich nicht von heute auf morgen. Es ist eine Reise für sich, die aus der Reise des Ausprobierens hervorgeht, wenn ich es zulasse und die Kraft habe, geduldig zu sein. Florian Burkhardt war erfolgreicher Sportler, Model und Internetpionier. Sein Leben wurde im Film «Electroboy» dokumentiert.

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Vor Gericht Der Räuber, das Opfer Nennen wir ihn Kumaran. Nächsten Monat wird er 26, er ist ganz in Schwarz gekleidet, das Gesicht von schwarzem Haar und Bart umrahmt. Angeklagt ist er wegen bandenmässigen Raubs, sein Vorstrafenregister umfasst acht Gewaltdelikte. Die letzte Verurteilung mit Bewährungsstrafe lag keine fünf Monate zurück, als er im Mai 2015 beim Zürcher Limmatplatz auf seinen Freund Praveen traf. Der Mittwochabend begann mit Bier, Kokain und der Entscheidung, Leute «auszunehmen», und er endete mit fünf Raubüberfällen und fünf verletzten Opfern. Das Pech traf Herrn Müller, der sich um halb zwölf vor der Pizzeria Santa Lucia von Bekannten verabschiedete. Plötzlich hielt ihm Praveen ein Messer vor den Bauch, bedrohte ihn und verlangte sein Portemonnaie. Müller weigerte sich, da schlug Kumaran zu, und als er darauf bloss zwei 20er-Noten und eine Handvoll Münz erhielt, prügelte er grad nochmals auf seinen Kopf ein. Und so ging’s im Viertelstundentakt weiter. Die Ausbeute des nächtlichen Raubzugs: 109 Franken, macht im Schnitt 10 Franken und 90 Rappen pro Räuber und Überfall. Die alarmierte Polizei fand die beiden schliesslich hinter einem Gebüsch versteckt. Der 17-jährige Praveen wurde bereits nach Jugendstrafrecht verurteilt. Der Staatsanwalt hält Kumaran zugute, «nicht treibende Kraft» hinter der Raubserie zu sein, hält ihm aber «krasse Unbelehrbarkeit» vor. Zwei Monate zuvor war Kumaran – noch während seiner Bewährungszeit – drei Wochen in U-Haft, weil er mit seiner TamilGang «Schlange» einen Passanten an der Kernstrasse attackiert hatte.

«Was haben Sie sich dabei gedacht, so kurz nach Ihrer letzten Verhaftung wieder zu delinquieren?», fragt die Richterin den Angeklagten. «Nichts», sagt er mit leiser Stimme. Einen Beruf hat er nie erlernt, seit Schulende ist er von der Sozialhilfe abhängig. «Wieso machten Sie das? Dachten Sie nie an die Opfer? Haben Sie sich entschuldigt?», fragt ihn die Richterin. «Ich bin selbst Opfer», erwidert Kumaran. Von der konkurrierenden Tamil-Gang namens «Baby Tigers» sei er fast getötet worden. Auch des Verteidigers Strategie zielt darauf ab, aus dem Schläger ein hilfsbedürftiges Geschöpf zu machen. Als Achtjähriger kam Kumaran als unbegleiteter Flüchtling in die Schweiz, die Eltern blieben in Sri Lanka. Anfänglich lebte er bei einem Onkel, danach wurde er ins Heim abgeschoben, wo er in schlechte Gesellschaft geriet. «Keine Umstände, die die Entwicklung einer stabilen Persönlichkeit erlauben», analysiert der Verteidiger und diagnostiziert «emotionale Verwahrlosung». Die Richterin kommt der Forderung des Staatsanwalts wie auch des Verteidigers nach, dass die vierjährige Gefängnisstrafe zugunsten einer Massnahme für junge Erwachsene aufgeschoben werde. Kumaran kann im Massnahmenzentrum Uitikon eine Ausbildung beginnen, erstmals in seinem Leben. «Das ist», sagt sie, «Ihre allerletzte Chance, einen Turnaround zu schaffen.» * alle Namen geändert

Isabella Seemann ist freie Journalistin in Zürich und porträtiert monatlich die kleinen und grossen Fische, die es in die Gerichtssäle geschwemmt hat.

Priska Wenger ist Illustratorin in Biel und New York. SURPRISE 386/16


BILD: WOMM

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15. Bern.

der Berner Fachhochschule hat für 14 unterschiedlich grosse Gemeinden und Städte untersucht, wie viele Personen mit Sozialhilfebezug aus anderen Gemeinden im Laufe eines Jahres zugezogen sind und wie viele mit Sozialhilfebezug in andere Gemeinden weggezogen sind. Dabei wurde auch noch unterschieden, ob es sich um Gemeinden desselben Kantons oder eines anderen Kantons handelte. Das Forschungsteam kann Entwarnung geben. Gerade mal acht Prozent der neuen Sozialhilfefälle sind aus anderen Gemeinden zugezogen und wurden auch dort schon vom Sozialdienst unterstützt. Die überwiegende Mehrheit der neuen Bezügerinnen und Bezüger wohnte also bereits zuvor in derselben Gemeinde, in der sie dann Sozialhilfe bezieht. Schaut man sich die grossen Städte wie Zürich, Basel oder Bern etwas genauer an, so erkennt man, dass sich hier die Zuzüge und die Wegzüge sogar nahezu die Waage halten. Offenbar heben sich sogenannte Pull-Faktoren – wie zum Beispiel die besseren Möglichkeiten, eine Stelle oder wenigstens mehr Hilfeangebote zu finden – und Push-Faktoren – wie der teurere Wohnraum oder die engeren Erholungsräume – gegenseitig auf. Zudem zeigen die Daten auch, dass die Zu- und Wegzüge innerhalb des Kantons und über die Kantonsgrenzen hinweg fast ausgeglichen sind. Von einem Hin-und-her-Schieben der Sozialhilfefälle kann r nach dieser Studie keine Rede mehr sein. Es sind offenba rkAufme e medial grosse hrend Einzelfälle, die eine ungebü samkeit auf sich ziehen. Die freie Wohnsitzwahl ist auch ein Recht von Sozialhilfebeziehenden. Das muss so bleiben. Prof. Dr. Carlo Knöpfel ist Dozent am Institut Sozialplanung, ule Organisationaler Wandel und Stadtentwicklung der Hochsch iz. für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschwe

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Daniel Stutz ist sehr freundlich und zuvorkommend, weiss immer, wenn ich eine Surprise-Ausgabe verpasst habe, und bei Gelegenheit kriege ich dann ein Musterexemplar. Ich freue mich jedes Mal, wenn er mein Angebot annimmt, einen Kaffee an meinem Arbeitsort zu trinken. Ich wünsche ihm viel Glück. Nicole Lerch, Zürich

Wir alle sind #Surprise Wer das Strassenmagazin kauft, tauscht mehr als Geld gegen Ware: Fast immer gibt es ein Lächeln dazu, oft werden ein paar Worte ausgetauscht – und manchmal sogar gegenseitiges Vertrauen aufgebaut. Viele Leserinnen und Leser berichten uns von ihren Begegnungen mit den Verkaufenden. Und sie schreiben der Redaktion, was sie gut gefunden haben und was weniger. Wir bedanken uns herzlich für diese Rückmeldungen – und teilen hier einige davon mit Ihnen.

Stadtrundgang

Der Stadtrundgang mit Heiko Schmitz war sehr erlebnisreich, humorvoll und beeindruckend. Herzlichen Dank! Claudia Fetzer, Muttenz

Roma Weldu hat ihre eigene Sonne im Gesicht. Mit ihrer ehrlichen Herzlichkeit lässt sie niemanden unberührt. Trotz wahrscheinlich schwierigen Lebensumständen strahlt sie eine Zuversicht aus, die man nicht oft antrifft. Ihre Anteilnahme und Freundlichkeit sind echt. Der Platz, an dem sie Surprise anbietet, ist durch sie viel menschlicher geworden, ein Platz der Begegnung und des Gesprächs. Starrer Vorwärtsblick und anonymes Vorbeihasten sind seltener geworden. Jürg Deller, Wallisellen

Milos Novakov steht, selbst

Stadtrundgang

bei widrigsten Bedingungen, mit einem Lachen im Gesicht im zugigen Eingang der Migros Rüschlikon Parkside. Ich wünsche ihm, dass sein Traum in Erfüllung geht und er einen Ausbildungsplatz bekommt. Vielleicht sogar in der Migros Rüschlikon.

Von Herzen wollte ich mich für die Führung bedanken. Herr Christen hat es geschafft, sämtliche Mitglieder unserer Gruppe zu begeistern. Obwohl er eigentlich über ein sehr trauriges Thema gesprochen hat, konnte er uns alle mit seiner Art immer wieder zum Schmunzeln und Staunen bringen. Er hat uns ein grosses Geschenk auf menschlicher Ebene bereitet und gezeigt, dass es sich lohnt zu kämpfen. Wir wünschen ihm von Herzen auch weiterhin viel Erfolg. Schön, solch tolle Menschen kennenlernen zu dürfen.

A. Bargezi, Horgen

C. Sacher, Basel

Urs Habegger steht immer mit einem Lächeln in der Bahnhofunterführung und versucht, seine Heftli zu verkaufen. Gerne kaufe ich ihm eins ab, da er nie schlecht gelaunt ist und seine Arbeit mit viel Effort macht. Super Typ. Danke, dass es solch nette Menschen gibt. Florian Hürlimann, per Email

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Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 oder vereinsurprise.ch/spenden-surprise Schreiben auch Sie uns – oder schicken Sie uns Bilder von Ihren Begegnungen mit Surprise! leserbriefe@vereinsurprise.ch oder Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, 4051 Basel SURPRISE 386/16


BILD: GREG CLÉMENT

Challenge League Via Balkanroute zum Doktorat

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«Die Schweiz ist ein Wunder», sagt Politikwissenschaftler Mohammad Aghdam

Als Politikwissenschaftler ist Aghdam von seiner eigenen Geschichte geprägt. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören etwa Machtverhältnisse zwischen Ethnien in schwachen Staaten. «In Iran haben die Perser die Macht, und sie konzentrieren sie auch geografisch, zum Beispiel in der Stadt Teheran. Andere Regionen haben nicht die gleichen Ressourcen», erklärt er. Natürlich beobachtet Aghdam das kurdische Projekt in Nordsyrien genau. «Es ist eine erfolgreiche Kopie des Schweizer Systems», findet er. «Sie haben Kantone gegründet und die Macht verteilt, und jede Volksgruppe spricht ihre eigene Sprache. Kurden auf Kurdisch, Araber auf Arabisch, Turkmenen auf Türkisch.» Es sei ein Anfang. Um zu sehen, wohin dieser Versuch einer Demokratie führe, müsse man das Ende des Krieges abwarten.

Aghdam lernt jetzt Französisch. Eine romantische Sprache, findet er, trotz aller Schwierigkeiten. Er lacht: «Von einem Wort mit zehn Buchstaben werden nur drei ausgesprochen.» Aber verglichen mit den anderen fünf Sprachen, die er spreche – Deutsch, Kurdisch, Persisch, Arabisch und Englisch – sei Französisch eine herzige Sprache.

BILD: FLURIN BERTSCHINGER

Mohammad Aghdam spaziert langsam entlang des Genfer Sees und schaut häufig zum Horizont. Dann setzt er sich auf eine grüne Bank, auf die schon ein paar gelbe Oktoberblätter gefallen sind. Aghdam, 40, ist wie ich iranischer Kurde. Ich habe ihn hier in der Schweiz häufig bei Versammlungen der Demokratischen Partei des Iranischen Kurdistans gesehen. Er war unter den Mitgliedern sehr respektiert. Häufig hat er ein Lächeln auf den Lippen. Ich erinnere mich an unser erstes Treffen: statt Smalltalk gab es ein langes Gespräch. Auch heute diskutieren wir immer über Philosophie und Politik. Aghdam ist für Idealismus, ich für Materialismus. Unsere Ideen gehen auseinander und wir geniessen unsere Debatten. Aghdam war im Iran politisch aktiv, setzte sich gegen die Hinrichtung von politischen Gefangenen und gegen die Menschenrechtsverletzungen der Regierung ein. Was heute Balkanroute heisst, war vor fast 20 Jahren auch Mohammad Aghdams Weg: 1997 floh er in den Irak, wo er ein Jahr lang heimlich im Haus eines Bekannten in Erbil lebte. Dann, 1998, reiste er illegal über die Türkei und Griechenland in die Schweiz. Nach zwei Jahren wurde er hier als politischer Flüchtling anerkannt. Ab da startete er eine regelrechte akademische Laufbahn. «Ich fing schon im ersten Aufnahmelager mit dem Deutschlernen an», erinnert er sich. Und 2002 begann er an der Fachhochschule St. Gallen Wirtschaftsinformatik zu studieren. Später zog er nach Biel, wo er in einem Beschäftigungsprogramm als IT-Experte und Dolmetscher arbeitete, daneben studierte er im Fernstudium Internationale Politik an der Open University UK, einer Bildungseinrichtung, die die Eintrittshürden für Studienanfänger bewusst tief hält. 2014 schliesslich machte er an der Universität Bern seinen Master in Politikwissenschaft. Und prompt bot ihm letztes Jahr die Universität Genf eine Doktorandenstelle an. Seine Dissertation schreibt er über die Rolle von Ideologien bewaffneter Gruppen in Bürgerkriegen. Aghdam ist aber auch von der Schweizer Politik begeistert. «So viele Unterschiede in einem Land, vier Sprachen, verschiedene Kulturen und Parteien. In der Schweiz leben alle nebeneinander, fast niemand fühlt sich unterdrückt. Dieser Zusammenhalt und die Machtverteilung sind wirklich ein Wunder.» Aghdam findet zwar, die SVP habe in den letzten zwei Jahrzehnten die Gesellschaft gespalten und dem Ansehen der Schweiz im Ausland geschadet, «aber die Schweiz ist international immer noch hoch respektiert».

Der kurdische Journalist Khusraw Mostafanejad, 31, wurde 2015 in der Schweiz vorläufig aufgenommen. Er erzählt hier die Geschichten von Menschen, die in die Schweiz geflohen sind – und davon, wie sie sich ihren Platz in der neuen Heimat erarbeiten.

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Porträt Allein gegen den Branchengiganten Seit bald zehn Jahren führt Daniel Nufer in Zürich-Wiedikon den mittlerweile einzigen Buchladen für englischsprachige Literatur in der Stadt. Dabei will der ehemalige Sozialarbeiter mehr bieten als ein Warenhaus. VON LUKAS MEYER (TEXT) UND MIRIAM KÜNZLI (BILD)

beitete gern als Sozialarbeiter, doch nach 30 Jahren suchte er etwas Neues – und entschied sich, seine Leidenschaft für die Literatur auch im Beruf auszuleben. Damals machte er eine kleine Erbschaft. «Ich hätte auch ein paar Monate durch die Welt reisen können, aber ich nahm das Geld lieber als Startkapital.» Bei einem Spaziergang durch sein Wohnquartier fand er ein freies Ladenlokal, machte einen dreitägigen Kurs für Quereinsteiger beim Schweizer Buchhändler- und Verlegerverband und legte los. Zwei bis drei Jahre gab sich Nufer am Anfang: «Ich wusste ja nicht, ob das funktioniert.» Mittlerweile führt er den Buchladen im zehnten Jahr – ohne Verluste, wie er betont. «Aber reich wird man damit nicht, das ist klar.» Rasch konnte er Stammkunden gewinnen, die immer wieder bei ihm einkaufen, seinen Tipps vertrauen und ihm ihrerseits Bücher und Autoren empfehlen. In den Laden kommen Schweizerinnen und Expats, das Verhältnis ist etwa 60 zu 40. Viele sind aus dem Quartier, aber es kommen auch Interessenten von weiter her, die es schätzen, Englischsprachiges im Original zu lesen, die Regale zu durchstöbern und sich mit dem Buchhändler und anderen Kunden auszutauschen. Gern würde er sein Sortiment erweitern, doch er hat schlicht und einfach keinen Platz. Trotzdem sortiert er Titel, die sich nicht verkaufen, nicht sofort wieder aus. «Ich will eine breite Auswahl anbieten und behalte Sachen auch hier, wenn sie verstauben. Die grossen Häuser dagegen schicken Bücher schnell zurück, wenn sie nicht laufen, darum findet man dort kaum einen ausgefalleneren Autor.» Gut verkaufen sich vor allem Neuerscheinungen von bekannten Schriftstellern wie Ian McEwan, Julian Barnes oder John Irving – oft allerdings erst, wenn sie als Taschenbuch erhältlich sind. «Die Leute sparen. Die teuren Hardcover leisten sich nur noch wenige, viele warten auf die Paperback-Ausgabe.» Nufer möchte, dass sein Laden mehr ist als ein Warenhaus: ein Treffpunkt, wo sich Gleichgesinnte begegnen. «Das hat aber Grenzen», meint

In den Siebzigerjahren gab es in Zürich noch tolle Geschäfte für englische Literatur, zum Beispiel den Däniker in der Altstadt, gegenüber vom Restaurant Kropf. «Parterre und Keller waren vollgestopft, ein bisschen bieder zwar, aber alles da, fantastisch», schwärmt Daniel Nufer, damals Stammkunde und heute selber Inhaber eines solchen Ladens. Etwa 7000 Bücher, zwei Sessel und eine Kaffeemaschine stehen in und vor den Regalen der drei gemütlichen Räume von Pile of Books, zu Deutsch Bücherstapel, an der Zentralstrasse im Zürcher Quartier Wiedikon. «Immer ein bisschen zu viel, immer ein bisschen Unordnung», beschreibt der drahtige 60-Jährige sein Reich. Seinen eigenen Vorlieben folgend bilden Belletristik, Krimis und Musikbücher die Schwerpunkte im Sortiment. Ob er all diese Bücher gelesen habe, wird er oft gefragt. «Dann sage ich: einen Bruchteil. Manche haben die Erwartung, dass ich als Buchhändler alles kenne», sagt er. Das sei natürlich unmöglich und trotz aller Liebe zur Literatur auch nicht das Ziel. Nufer eröffnete Pile of Books 2007. Damals gab es nur noch den Bookshop von Branchengigant Orell Füssli an der Bahnhofstrasse, der kürzlich auch ins Hauptgeschäft integriert wurde. Der Däniker war da schon lange Geschichte. Das langsame Buchladensterben war denn auch einer der Gründe für Nufer, sein eigenes Geschäft zu eröffnen. Immerhin leben im Kanton Zürich über 27 000 Menschen, deren Hauptsprache Englisch ist, und viele von ihnen dürften in der Stadt zuhause sein. Ein zweiter Grund war: «Ich hasse schlechte Übersetzungen. Ich will den Leuten ermöglichen, die Sachen im Original zu lesen.» Nufer ist weder ausgebildeter Buchhändler noch englischer Muttersprachler noch Anglist, aber seine Liebe zur englischsprachigen Literatur begann früh. Und zwar mit einem Klassiker: Mit etwa 16 las er – auf Empfehlung seines Vaters, eines belesenen Arztes – «The Catcher in the Rye» von J.D. Salinger, natürlich im Original. Die Geschichte um den Herumtreiber Holden «Ich hasse schlechte Übersetzungen. Ich will den Leuten ermöglichen, Caulfield packte ihn, wie viele Jugendliche vor die Sachen im Original zu lesen.» ihm. Nach wie vor findet Nufer den kurzen Roman aus den Fünfzigerjahren nicht überholt. Richtig zu lesen begann er allerdings erst nach seiner Teenager-Zeit, zuder leger gekleidete Mann. «Wenn die Leute nur kommen, um zu plauvor war ihm die Musik wichtiger gewesen. Bis heute heisst einer seiner dern und Kaffee zu trinken, fühle ich mich manchmal nicht ernst gegrossen Helden Bob Dylan, über den der schlanke Brillenträger auch nommen. Einige haben das Gefühl, ich hätte eh nichts zu tun, weil grad Dichter wie Allen Ginsberg oder T.S. Eliot entdeckte. nichts läuft.» Tatsächlich gibt es auch Nachmittage, an denen kein einSeine Sprachkenntnisse vertiefte er, als er mit 19 ein halbes Jahr in ziger Kunde den Laden betritt. «Manchmal schlägt das aufs Gemüt und London verbrachte. Er fühlte sich wohl, und seine Liebe zur englischen ich frage mich: Was mache ich da eigentlich? Jetzt habe ich so viele tolSprache wuchs. Lange besuchte er die britische Hauptstadt jedes Jahr. le Bücher und niemanden interessiert’s.» Am meisten freut er sich desSeit einigen Jahren zieht es ihn und seine Frau mehr nach Irland. «Lonhalb auf den Samstag, denn da läuft es meistens gut, egal ob es regnet don ist immer noch toll, hat sich aber sehr verändert. Orte wie Camden oder die Sonne scheint. Auch wenn der Absatz nicht reissend ist, von Lock, früher die absolute Freak-Town, sind heute chic und teuer wie die Aufhören will Nufer nichts hören. «Ich mache sicher nicht einfach zu, ganze Stadt.» wenn in fünf Jahren die AHV kommt», sagt er. Beruflich hat er lange etwas ganz anderes gemacht: Nach einer Es könnte jedoch sein, dass der Bücherwurm einmal die Seiten wechkaufmännischen Lehre zog er von Weinfelden nach Zürich, wo er eine selt und sich selbst an ein literarisches Werk wagt. Nufer schliesst es Stellvertretung als Kanzlist im Sozialamt machte. Es folgte eine Festnicht aus. Damals, vor 30 Jahren, hat er einmal an einem Kurzgeschichanstellung, und mit der Zeit wurde er vom Verwaltungsbeamten zum tenwettbewerb teilgenommen. Ohne Erfolg. Und doch: «Der Gedanke Sozialarbeiter. Er übernahm sogar die Teamleitung beim begleiteten fasziniert mich immer noch. Sich hinsetzen mit der Schreibmaschine, Wohnen für Alkoholiker und Drogensüchtige. Zuletzt leitete er ein ‹chapter one› tippen und schauen, was kommt», sinniert Nufer. «Aber Arbeitsintegrationsprojekt im Restaurant Konter in Wetzikon. Nufer arich hätte wohl früher anfangen müssen, ernsthaft zu schreiben.» ■

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Resonanz «Wir verlernen das gute Leben» Wir und die Welt stecken in einer Beziehungskrise, sagt der Soziologe Hartmut Rosa. Er hat untersucht, was gutes Leben ist, und erklärt im Interview, weshalb es uns abhandenkommt – und warum auch Schrebergarten und Yogakurs kein Ausweg sind.

VON MARTINA KAMMERMANN (INTERVIEW)

Herr Rosa, Sie untersuchen in Ihrem neuen Buch das gute Leben. Auf die Frage, was das ist, würden die meisten Leute wohl antworten: gute Freunde, ein spannender Job, eine intakte Familie und gute Gesundheit. Einverstanden? Nein. Denn auch mit einem tollen Haus, einem attraktiven Körper, viel Geld und vielen Freunden kann man tief deprimiert sein. Ich sage: Ob unser Leben gelingt, hängt von unseren Beziehungen zur Welt ab. Wir sollten also nicht fragen: Was brauchen wir zum guten Leben, sondern: Wie geht gutes Leben? Wir sollten uns fragen: Welches sind die Momente, in denen Leben gelingt? Fast immer erzählen Menschen dann von einer Erfahrung, bei der sie von etwas ergriffen oder überwältigt wurden und gleichzeitig etwas dazu beitragen konnten. Das kann ein Leuchten in den Augen anderer Menschen sein, das kann bei der Bandprobe oder bei der Arbeit passieren. Etwas berührt mich so stark, dass in mir etwas passiert. Dieses Verbundensein ist meiner Meinung nach das Gelingen. Ich nenne es Resonanz. Eins mit sich und der Welt sein: Die Psychologie nennt das Flow. Beim Flow geht es um das Subjekt und seine Gefühle. Die Resonanz hingegen ist kein Gefühl, sondern ein Beziehungsmodus, ein Prozess zwischen zwei Seiten. Was für eine Beziehung habe ich zu den Dingen, zu meiner Arbeit oder zur Natur? Wie könnte so eine Beziehung denn aussehen? Nehmen wir unsere Wohnungen: Wir versuchen sie so einzurichten, dass sie uns etwas sagen, uns ansprechen. Wenn wir zu unseren Möbeln eine Beziehung haben, tragen sie Spuren des Austausches und des Lebens. In blitzblanken, makellosen Wohnungen fühlen wir uns nicht heimisch.

sie aber verlernen. Viele Menschen tun das, zum Beispiel wenn sie traumatische Erfahrungen machen und die Welt in der Folge als etwas Feindliches sehen, in das sie hineingeworfen sind. Die Welt selbst muss aber auch so gebaut sein, dass Resonanz gefördert wird oder wenigstens möglich bleibt. Momentan ist das Gegenteil der Fall. Sie sprechen gar von einer Resonanzkrise. Praktisch alle Sphären unserer Gesellschaft unterliegen den Prinzipien der Steigerung und Konkurrenz. Egal, wie viel die Schweizerinnen und Schweizer dieses Jahr leisten, 2017 müssen sie einen Zahn zulegen. Immer muss man optimieren, beschleunigen, wachsen, und zwar aus reinem Selbstzweck: Es geht nicht mehr darum, das Leben besser zu machen, sondern den Status quo zu erhalten. Eine Vision, wie wir leben wollen, geht dabei verloren. Wir verlernen das gute Leben. Wie meinen Sie das? Bildlich gesagt stehen wir alle auf Rolltreppen, die nach unten fahren. Innehalten bedeutet abwärts gleiten. Niemand kann sich heute seines Jobs sicher sein, und mit Routine kommt man kaum mehr durch, denn die Wellen der Erneuerung kommen immer schneller. Wir wissen schlicht nicht, was auf uns zukommt. So rüsten wir uns unablässig mit Ressourcen: Denn mehr Vermögen, mehr Gesundheit, mehr Freunde und mehr Bildung zu haben, ist in jedem Fall vorteilhaft. Da wir so beschäftigt sind, Ressourcen zu vermehren, verpassen wir also das Leben selbst. Ein Sprachkurs oder Sport kann aber auch sehr erfüllend sein. Natürlich! Gerade der Sport hat grosses Resonanzpotenzial und wird für viele Menschen immer wichtiger. Geist und Körper treten in Dialog und können sich verwandeln – darauf kommt es mir an. Allerdings können wir unsere Muskeln im Fitnessstudio auch lustlos optimieren. Ich nenne das Verdinglichung.

«Wichtig ist das Moment der Unverfügbarkeit: Man weiss nie, was daSie vergleichen den Menschen und die Welt mit zwei Stimmgabeln. In einer gelingenden bei herauskommt. Resonanz kann eintreffen, aber man kann sie nicht Beziehung schwingen sich die beiden aufbewusst herstellen oder steigern.» einander ein. Können Sie das konkreter beschreiben? Es ist wie in einem Gespräch: Es gelingt, wenn beide Seiten es schaffen, Dann ist man selber schuld. die andere zu erreichen. Ein gutes Gespräch verändert beide Parteien. Nein, eben nicht. Unser Optimierungswahn ist ein Ausdruck gesellAm Anfang weiss man aber nicht, was dabei herauskommt, und das ist schaftlicher Verhältnisse. Wenn man sich nicht permanent erneuert und ein sehr wichtiger Punkt: Resonanz kann eintreffen, aber man kann sie erweitert, fällt man zurück. Das heisst man muss es tun, um seinen nicht bewusst herstellen oder steigern. Platz in der Welt zu halten. Kann man Resonanz lernen? Menschen sind von Natur aus resonante Wesen. Kleine Kinder verkümmern schnell, wenn sie keine Antworten zum Beispiel in Form von Berührung bekommen. Man muss Resonanz also nicht lernen, man kann SURPRISE 386/16

Der Soziologe Alain Ehrenberg sagt, dass uns nicht das Leben überfordert, sondern die Selbstverwirklichung. Das kommt hinzu. Alle denken: Ich muss produktiv und kreativ sein, um glücklich zu werden. Wenn man Leute fragt, was ihnen im Leben

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BILD: JÜRGEN BAUER

«Direkte Demokratie ermöglicht die Erfahrung von Selbstwirksamkeit», sagt Soziologe Hartmut Rosa.

am wichtigsten ist, beschreiben sie allerdings fast nie Momente der Selbstverwirklichung, sondern im Gegenteil solche des Autonomieverlusts. Durch Kinder zum Beispiel verlieren wir ja ganz viel Freiheit, aber das macht uns nichts aus. Die Idee des Lebens bedeutet, offen zu sein, sich auf die Welt einzulassen. Wir allerdings konzentrieren uns ganz auf uns selbst.

Also Urban-Gardening-Therapie für alle? Das Problem ist, dass der Schrebergarten oder der Yogakurs nur als kleine, persönliche Oasen dienen – der Alltag wird trotzdem von Schnelligkeit und Effizienz regiert. Dieses Hin-und-her-Kippen zwi-

«Wir sollten aufhören, den Fokus immer auf das Individuum zu legen. Was müssen wir tun, um besser zu leben? Wir glauben, dass wir ganz alleine für unser Glück und Scheitern Das Problem liegt bereits in der Frage. Als Erverantwortlich sind.» stes sollten wir aufhören, den Fokus immer auf das Individuum zu legen. Wir glauben, dass schen Resonanzinseln und der totalen Verdinglichung der Welt ist ein wir ganz alleine für unser Glück und Scheitern verantwortlich sind. Das gesellschaftliches Problem. Entschleunigung ist reine Symptombegeht so weit, dass wir uns individuell für Dinge verantwortlich machen, kämpfung und ändert nichts daran, dass wir auf ein kollektives Burndie man nur kollektiv kontrollieren kann, zum Beispiel für Umweltproout zulaufen. bleme, wenn wir nicht richtig einkaufen. Dadurch wird Erschöpfung begünstigt. Ich sage: Es braucht zwei Seiten. Die Welt muss so gebaut sein, Bei Burnout-Patienten ist die Furcht vor dem nächsten Arbeitstag ein dass Resonanz möglich ist. zentrales Symptom. Die Angst spielt auch in Ihrer Theorie eine grosse Rolle. Liegt dort der Zusammenhang? Gärtnern, backen, Kinder kriegen: Ist die neue Häuslichkeit eine ReDas Burnout ist ein Zustand, in dem jede Hoffnung auf eine entgegensonanzsuche? kommende Welt verschwunden ist – man könnte es Radikalfall von ReAbsolut, das gilt auch für den ganzen Achtsamkeitstrend. Beim Gärtsonanzverlust bezeichnen. Burnout-Kranke und Depressive fühlen nern treten wir in Dialog mit der Natur, die sozusagen eine eigene Stimsich innerlich tot, da schwingt gar nichts mehr. Viele von uns, die nie me hat. Man kann Pflanzen immer gleich pflegen, aber nicht immer ein Burnout hatten und diesbezüglich auch gar nicht gefährdet sind, wächst was. Auch jeder Bäcker, der noch von Hand bäckt, sagt dir: Der reagieren sehr sensibel auf das Thema – weil wir uns sehr wohl Teig hat ein Eigenleben, er reagiert auf dich. Wichtig ist dabei das Mobewusst sind, dass das Burnout eine Gefahr ist, die uns allen droht. ment der Unverfügbarkeit: Am Anfang weiss man nicht, was dabei herDeshalb möchte ich unseren Alltag auf seine Resonanzqualität hin auskommt. Resonanz kann eintreffen, aber man kann sie nicht bewusst untersuchen. herstellen oder steigern.

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Das Smartphone prägt unseren Alltag sehr stark. Das Smartphone ist vor allem eine Hoffnung auf Resonanz. Dieses Gerät eröffnet uns viele neue Weltaussschnitte: neue Musik, mehr Freunde, bessere Fotos, tollere Spiele. Die Werbung gibt uns ständig solche Resonanzversprechen. Es heisst: Kauf dir dieses Müesli, dann hast du das Gefühl, du stehst direkt neben einem Apfelbaum. Oder kauf dieses Deo, dann hast du eine ganz neue Körpererfahrung. Das ist es, was wir eigentlich wollen: Mit uns und der Welt in Kontakt treten. Diese Hoffnung wird dann aber oft enttäuscht.

Klingt nach einem linken Programm. Das Grundeinkommen sehe ich nicht als linkes Programm. Aber so oder so: Wir sind längst an einem Punkt angelangt, an dem wir nicht mehr von Rechts oder Links reden müssen. Die etablierten Parteien unterscheiden sich nur in der Art und Weise, wie sie Ressourcen steigern und verteilen wollen. Es geht in der Politik nicht mehr darum, die Welt zu gestalten – dabei wäre genau das dringend nötig. Wo könnte man ansetzen? Wie gesagt: Es ist sehr schwierig, einzelne Massnahmen vorzuschlagen, solange unser Alltag von der Steigerungslogik dominiert wird. Aber die Bildung wäre vielleicht ein Punkt: Schulen sollen nicht nur reine Kom-

Aber Kontakt ist ja der Kern der Sozialen Medien. Studien zeigen, dass Teenager nach Whatsapp oder Facebook süchtig werden, weil sie dort immer Feedback erhalten. Soziale Medien haben eigentlich eine hohe Resonanzqualität: Man möchte wahrgenommen «Mauern bauen, abschliessen, ausweisen: Das Unbekannte wird als werden und sich seiner Weltposition vergeBedrohung wahrgenommen, und das ist das Gegenteil einer resonanwissern. Diese Art von Resonanz ist aber ganz ten Beziehung.» offenbar nicht nachhaltig: Wir brauchen die Likes und Kommentare schnell und immer petenzen vermitteln, sondern eine Auseinandersetzung mit der Welt erwieder aufs Neue. Eine Schwäche daran ist, dass alles über den Bildmöglichen. Was auch einen Bezug ermöglichen kann, sind direktdemoschirm läuft. Wir kommunizieren da immer über dieselben Symbole, kratische Mittel, das ist in der Schweiz sehr interessant. das ist eintönig und sinnlich sehr kümmerlich. Es ist mehr ein Touchieren als ein Erreichen. Was trägt die direkte Demokratie zum guten Leben bei? Direkte Demokratie ermöglicht die Erfahrung von Selbstwirksamkeit: Wirklich ergriffen sind viele Menschen, wenn sie zusammen FussDie Welt, in der wir leben, kann von uns mitgestaltet werden, sie antball gucken: Public Viewings haben grossen Erfolg. Was passiert da? wortet in der Tat auf uns. Selbstwirksamkeit wiederum ist ein zentrales Wir haben da unmittelbares Resonanzerleben, das auf geteilter AufElement jeglicher Resonanzbeziehung. Es gibt tatsächlich Forschungsmerksamkeit basiert. Hunderte starren auf den Ball, der von links in ergebnisse, die nahelegen, dass Menschen, die ihre Umwelt demokraden Strafraum kommt, und haben die Angst oder Hoffnung, dass er tisch mitgestalten können, glücklicher sind als solche, die das nicht oder reingehen könnte. Was wir selber fühlen und denken, können wir auch weniger können. bei anderen beobachten, deshalb fühlen wir uns mit ihnen verbunden. Wenn es ein Tor gibt, brandet ein Jubel auf, zu dem wir auch selber beiDie direkte Demokratie führt auch zu Initiativen oder politischen tragen. Auch Menschen in Paris oder Ankara jubeln mit; so stiftet das Entscheiden, die an den Menschenrechten rütteln. Public Viewing eine Art globales Resonanzsystem. Die Gefahr ist, dass Natürlich. Direkte Demokratie kann auch dazu dienen, Entfremdung dabei auch eine Art von Gemeinschaft entstehen kann, die in sich verzum Ausdruck zu bringen. Dann wird Demokratie als Kampf begriffen, schmelzen will und anderes oder andere ausschliesst. in dem es darum geht, sich durchzusetzen und es den anderen zu zeigen. Das ist das Gegenteil von Resonanz, in der es darum geht, das anWas meinen Sie damit? dere zu hören und ihm zu antworten. Nehmen Sie eine Pegida-Demonstration in Deutschland: Diese Bürger gehen auf die Strasse, weil sie das Gefühl haben, dass die Politik sie Sollten sich Politiker einer Resonanz-Beratung unterziehen? nicht wahrnimmt, sie fühlen sich abgetrennt. Das ist der Inbegriff des Bloss nicht! (lacht) Es graut mir davon, dass mein Buch als Ratgeber Resonanzverlustes, und das spielt dem Rechtspopulismus in die Hände missverstanden wird. – dieser allerdings trägt nicht zu Resonanz bei. Ich glaube, dass es momentan eine vergleichbare Kollektivreaktion überall auf der Welt gibt. Was war dann Ihr Antrieb, über das gute Leben zu schreiben? Man will Mauern bauen, abschliessen, ausweisen. Das Unbekannte Mein Gefühl, dass etwas an der Art und Weise, wie wir uns in der Welt wird als Bedrohung wahrgenommen, und das ist das Gegenteil einer reaufhalten, nicht richtig ist. Und immer auch die Hoffnung, dass es doch sonanten Beziehung, die auf Offenheit beruht. auch anders möglich sein müsste. Dieses «anders» wurde nie auf den Punkt gebracht. Über Entfremdung wurde sehr viel geschrieben, aber Wie würde die Welt resonanzfreundlicher werden? ich wollte wissen, was das Gegenteil ist. Damit wir uns auf die Welt um uns herum einlassen können, muss sie ■ auch so gebaut sein, dass man offen sein kann. Es ist wie in einer Liebesbeziehung: Da muss man sich auch mal fallen lassen können, sich verwundbar machen dürfen. Geht es etwas konkreter? Man sollte sich nicht ständig fürchten müssen, abzustürzen, wenn man im Steigerungswahn nicht mithalten kann oder will. Im jetzigen Sozialsystem ist das so: Da bekommen Menschen von der Gesellschaft Almosen. Sie sind abgeschnitten von der Logik der Verteilung und haben keinen Platz mehr – Sozialhilfebezug ist ein sozialer Tod. Mein Vorschlag ist hier das bedingungslose Grundeinkommen. Es würde jedem einen Platz in der Welt garantieren und ist meiner Ansicht nach mit dem kapitalistischen System vereinbar. SURPRISE 386/16

Hartmut Rosa (50) ist ein deutscher Soziologe und Politikwissenschaftler. Beschleunigung, Entfremdung und Weltbeziehung sind seine wichtigsten Forschungsfelder, und seine Publikationen stossen auf grosses Echo. Sein neuestes Buch «Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung» ist jüngst im Suhrkamp Verlag erschienen. Er lehrt an der Universität Jena.

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Solidarität Der Phantomschmerz Surprise-Verkäufer Ali Nur Mohammed wurde von Al-Shabaab-Terroristen in Somalia schwer verletzt und trägt seither eine Prothese, die ihn schmerzt. Als in den USA eigens für ihn eine Stiftung gegründet wurde, schien ein Märchen wahr zu werden.

VON BEAT CAMENZIND (TEXT) UND TJEFA WEGENER (BILD)

Ali Nur Mohammed ist Surprise-Verkäufer in der Baselbieter Gemeinde Allschwil. Früher war der 60-jährige Somalier Tierarzt. Nur kann er nicht mehr in diesem Beruf arbeiten. Das liegt vor allem daran, dass er bei einem Angriff von Al-Shabaab-Terroristen in Somalia schwer verwundet wurde. Mohammed überlebte als Einziger, weil er sich totstellte. Seither hat er eine Prothese am rechten Bein. Manchmal lässt das Ali Nur Mohammed verzweifeln. Sein Bein schmerzt ihn und seine Berufserfahrung von rund 30 Jahren als Tierarzt – unter anderem für das Schweizer Hilfswerk Tierärzte ohne Grenzen – gilt hier nichts. Trotzdem hat er seinen Humor nicht verloren. Und es gibt Grund zur Hoffnung. Ein Porträt über ihn im Strassenmagazin Surprise hat seinen Weg in die USA gefunden: Dort wurde das Veterinary Information Network (VIN) auf ihn aufmerksam, ein Netzwerk für Tierärzte. Die Ärzte beschlossen, dem Berufskollegen zu helfen, und gründeten eine Stiftung. Mit dem Geld wollen sie ihm eine neue Prothese bezahlen. Denn die aktuelle wiegt 15 Kilo. Mittlerweile sind rund 23 000 Franken zusammengekommen – aber noch immer fehlen rund 5000 Franken. Ronnie Schenkein lacht viel. Die 61-jährige Tierärztin betrieb eine Praxis in Pennsylvania in den USA. Vor einem Jahr musste sie sich pensionieren lassen. Schenkein hat sich mit Lyme-Borreliose angesteckt. Die Krankheit verursachte Gedächtnislücken. Inzwischen hat sie eine neue Aufgabe gefunden. Schenkein kümmert sich beim VIN um die AliNur-Mohammed-Stiftung. Grund für dieses Engagement ist auch ihre eigene Geschichte. Ihr Grossvater hat als Einziger von 13 Geschwistern den Zweiten Weltkrieg überlebt. Er zog schon vor dem Krieg aus Estland in die USA. Wegen des Kriegs und des Eisernen Vorhangs hat er aber nie erfahren, was mit seinen Geschwistern geschehen ist. Hinzu kommt, dass sich Ronnie Schenkeins Mutter wegen einer schweren Krankheit kaum bewegen konnte. Sie war aber geistig hellwach. Das hat Schenkein gelehrt: Das Schicksal kann einen Menschen stärken oder brechen. Sie glaubt, dass Ali Nur Mohammed zu den Menschen gehört, die einen ausserordentlichen Lebenswillen haben. Als Ronnie Schenkein kürzlich für eine Konferenz in England nach Europa kam, beschloss sie, danach Mohammed in Basel zu besuchen. Wir waren beim Treffen dabei. Surprise: Wann haben Sie zum ersten Mal voneinander gehört? Schenkein: Das Veterinary Information Network hat eine Newssite. Da las ich den Artikel über Ali. Ich kontaktierte ihn und er fand, er wäre froh, mit anderen Tierärzten in Kontakt zu sein. Mohammed: Durch den Artikel in Surprise erfuhr der Tierärzteverband von mir. Ein Journalist vom VIN kontaktierte mich. So erfuhr Ronnie von mir. Seither schreiben wir einander. Jetzt ist sie hierhergekommen und ist Teil meiner Familie geworden.

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Könnten Sie noch als Tierarzt arbeiten? Mohammed: Ich war in Somalia von 1982 bis 2010 Tierarzt. Hier in der Schweiz könnte ich Schreibarbeit erledigen, ich habe eine B-Bewilligung. Harte Arbeiten kann ich aber nicht mehr ausführen wegen der Prothese. Als Tierarzt braucht man viel Kraft, vor allem wenn es um grosse Tiere geht. Schenkein: Ich versuche ihm eine Stelle vermitteln. Er hat grosse Erfahrung im Umgang mit Tieren in Afrika. Ich finde es schade, dass all sein Wissen brachliegt. Ali weiss viel über die Administration von Hilfsprogrammen und wie man diese in Gang setzt. Das könnte er weiterhin tun. Er spricht gut Englisch. Ali könnte auch seine Geschichte erzählen und hier die Leute auf die Situation in Somalia aufmerksam machen. Aber dazu müsste er noch besser deutsch sprechen. Aber immerhin spricht er Somalisch, Italienisch, Arabisch und Englisch. Sie sprechen Italienisch? Mohammed: Tu parli l’italiano? Non credo che tu parli l’italiano. Ma sì, un po! Mohammed: La lingua tedesca è molto difficile. Molto? Mohammed: Sì. E difficile da imparare. Sie lachen viel. Hat sich das nicht geändert nach dem Überfall? Mohammed: Nein, das war immer so. Hilft das im Leben? Mohammed: Ja, ich lache viel. Das hilft Ihnen auch im Umgang mit der Prothese? Mohammed: Ja, aber manchmal schmerzt es stark in der Nacht, wenn ich mich bewege. Mein rechtes Bein endet mitten im Oberschenkel. Den Schmerz spüre ich auch im Fuss, den ich gar nicht mehr habe. Ein Phantomschmerz. Schenkein: Ein Hirnforscher hat eine Therapie dafür herausgefunden: Er liess Patienten in einen Spiegel schauen. So versucht man das Hirn zu überlisten. Sie dachten, der Arm sei wieder da, weil ja alles spiegelverkehrt ist. Wenn jemand etwa den Arm verlor, weil er zu stark nach hinten gebogen wurde, bogen sie ihn wieder nach vorne. Wenn die Person das sah, verschwand der Phantomschmerz. Mohammed: Das haben sie bei mir auch versucht, aber der Schmerz ging nicht weg. Das ist ein Nervenproblem. Ronnie Schenkein, Sie setzen sich aufgrund Ihrer Geschichte für Ali Nur Mohammed ein. Oder gibt es noch andere Gründe? Schenkein: Etwas vom Wichtigsten im Leben ist, die Welt durch die Augen eines anderen Menschen zu sehen. Sobald ich die Geschichte eines SURPRISE 386/16


Ronnie Schenkein (l.) hat bereits über 23 000 Franken für Ali Nur Mohammed gesammelt: Zu Besuch auf dem Balkon in Basel.

Menschen kenne, kann ich ihn nicht mehr so einfach verurteilen. Wenn das alle Menschen tun würden, gäbe es vermutlich keinen Krieg. Wieso denken nicht alle Menschen so? Schenkein: Manche Tiere haben andere Sinne als Menschen. Hunde nehmen die Welt durch die Nase wahr. Wer das weiss, kann Hunde besser verstehen. Das gilt für alle Wesen. Wer den anderen verstehen will, muss versuchen, seine Wahrnehmung zu verstehen. Wieso das nicht alle Menschen tun, weiss ich nicht. Menschen töten einander, wenn sie zu wenig Wasser oder Essen haben. Das stimmt aber nicht in jedem Fall. Im KZ gab es Leute, die ihr Essen teilten, obwohl sie fast nichts hatten. Andere wiederum leben in einer Welt, in der sie denken, wenn sie sich nicht holen, was sie brauchen, werden sie nie bekommen, was sie wollen. Also müssen sie hart sein. Löst man so die Probleme der Welt? Ronnie Schenkein, als Tierärztin muss man Tiere auch festhalten. Wie macht man das? Schenkein: Es braucht viel Wissen, aber auch Kommunikation, Passion und Schlauheit. Man lernt mit der Zeit, was ein Tier erschreckt. Bei Katzen soll man die Augen schliessen, damit sie keine Angst haben, bei Pferden muss man sich von der Seite annähern, Schweine mögen es, gestreichelt zu werden, Hunde kann man von unten anheben. Solcherlei Wissen sammelt sich über eine Karriere an. Ali hat mir erzählt, wie toll es ist, mit Kamelen zu arbeiten. Wie wird man als Tierarzt Freund eines Kamels? Mohammed: Kamele sind in Somalia sehr wichtig. Sie liefern Milch, dienen als Transportmittel oder sind als Wachtier im Einsatz. Die Milch ist weniger fetthaltig als Kuhmilch. Sie enthält Phosphor und Kalzium und SURPRISE 386/16

ist fermentiert einen Monat haltbar. Bis ein Kamel drei Jahre alt ist, trinkt es Milch. Danach muss man es an die Menschen gewöhnen. Das geht nur mit viel Training. Akzeptiert es die Befehle von Menschen, können sogar Kinder mit ihm umgehen. Sie spreizen etwa ihre Beine, damit man besser aufsteigen oder melken kann. Kamele gehorchen dann allen Menschen, nicht wie Hunde, die nur auf ihr Herrchen hören. Im Frühling muss man sich aber vor den Männchen in Acht nehmen. Dann ist Paarungszeit, sie riechen die Pheromone und sind nervös. Manche Männchen kämpfen und töten einander. Oder sie greifen Menschen an. Dienen Kamele noch als Zahlungsmittel? Mohammed: Früher galt: Wenn ein Mann um die Hand einer Frau anhält, muss er 50 Kamele bezahlen. Heute bezahlt man noch zwei oder fünf Kamele für eine Frau. Manche bezahlen auch mit Kühen. Kühe oder Ziegen sind nicht so viel wert wie Kamele. Wenn man jemanden getötet hat, muss man Blutgeld bezahlen. Das kostet 100 Kamele. Das muss man dem Clan bezahlen, dem der Getötete angehört hat. Sie haben viele Kamele verarztet. Die lieben Sie also? Mohammed: Als Tierarzt muss man einen Weg herausfinden, wie die Tiere einem erlauben, sie zu behandeln. Das ist nicht immer einfach. Manche wollen Rache, weil man ihnen weh getan hat. ■

Weitere Informationen zur Spendensammlung und dem Dr. Nur-Fund der VIN Foundation finden Sie unter www.vinfoundation.org oder bei der Geschäftsstelle des Vereins Surprise unter info@vereinsurprise.ch

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Surprise Strassenfussball Die Liga 2016 Die Schweizermeistersch aft vom 25. September au f dem Bundesplatz in Be bei idealem Fussballwett rn ging in drei Kategorien er über die Bühne. Fairp lay, Respekt und Solida sportlichen Skills im Zentr rität standen neben den um. Beim Mittagsmatch besiegte die Surprise Na beim Homeless World Cu ti, die die Schweiz im Jul p in Glasgow vertreten i hatte, mit 9:7 die All-St Gander begrüsste die Sp ar Mannschaft. Thomas ieler im Namen der Swiss Football League bei der innerte nochmals an die Siegerehrung und erWichtigkeit des Fairplays in der Fussballwelt. Mehr zur Liga und Natio nalmannschaft unter ww w.strassenfussball.ch un Strassenfussball. d auf Facebook: Surprise

Die Rangliste Fairplay-Sieger mit maximaler Punktezahl Glattwägs United Züri Kategorie A 1. Surprise Basel 2. Team ÖSA Basel 3. Team Olten 4. CSA Sélection Aarau 5. United Colours Basel

Kategorie B 1. Thun United 2. Multipuls Thun A 3. Multipuls Thun B 4. Free Kickers Basel 5. Azatlaf Ticino

Kategorie C 1. Dragons Basel 2. Glattwägs United Züri 3. Surprise Streetsoccer Bärn 4. TASCH Schaffhausen 5. Surprise Züri

Surprise Coaches

Nati-All-Star-Teamportrait

Azatlaf Ticino

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CSA Sélection Aarau

Dragons Basel SURPRISE 386/16


BILDER: RUBEN HOLLINGER

Free Kickers Basel

Multipuls Thun B

Surprise Streetsoccer B채rn

Team Olten SURPRISE 386/16

Glattw채gs United Z체ri

OESA Basel

Multipuls Thun A

Surprise Basel

Surprise Z체ri

TASCH Schaffhausen

Thun United

United Colours Basel

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Wer knapp bei Kasse ist, spart meist beim Essen. In den Basler Schlemmergärten pflanzen Armutsbetroffene deshalb Gemüse und Früchte an, die sie sich nicht leisten können – und ernten gleich den sozialen Anschluss mit, den sie sonst verpassen.

Armut Gärtnern gegen die Einsamkeit VON MARA WIRTHLIN (TEXT) UND ROLAND SCHMID (BILDER)

Der 42-Jährige Jose Maria lebt seit fünf Jahren in Basel. Mit einem Touristenvisum eingereist, ist er schlussendlich geblieben – «wie das halt so ist, es hat mir gefallen», sagt er lachend. Seither schlägt er sich mit Gelegenheitsjobs durch, bei denen er mal mehr, mal weniger verdient. Vor etwa einem Jahr fand er den Weg in den Schlemmergarten. Dank dem Rinorosa-Garten könne er auch seine Deutsch- und Englischkenntnisse verbessern.

Eine afrikanische Frau hat Beignets mitgebracht, das sind süsse, frittierte Teigbällchen. Daneben stehen als Zvieri-Snacks in der Mitte des Gartentischs: Trauben und Zwetschgen aus Eigenproduktion. Um den Tisch herum sitzen eine Handvoll Leute, eine multikulturelle Truppe, die sich jeden Donnerstag hier im geschäftigen Treiben der Schrebergärten trifft, um die anstehende Gartenarbeit zu besprechen. Der Garten als soziales Netz Zusammen gärtnern, eigenes Gemüse anpflanzen und dem StadtleAuch Gaby arbeitet im Rinorosa-Garten mit. Von einem Velounfall ben kurz entfliehen, ohne die Stadt dafür wirklich zu verlassen: Darum vor 13 Jahren hat sie eine Behinderung davongetragen. «Ich bin seither geht es beim Projekt Schlemmergarten. langsamer, brauche für alles mehr Zeit», sagt sie. Früher unterhielt sie Hier finden ganz unterschiedliche Menschen zusammen. Das Projekt mit ihrem Lebenspartner einen kleinen Garten in Frankreich, in dem sie richtet sich vor allem an Arbeitslose, IV-Bezüger und Armutsbetroffene, vor allem für das Jäten zuständig war. Nach dem Tod ihres Partners wursteht aber grundsätzlich allen offen. de es für sie schwierig, soziale Kontakte zu knüpfen. Koordiniert werden die Schlemmergärten über die Kontaktstelle für Deshalb informierte sie sich und stiess zu den Schlemmergärtnern. Arbeitslose Basel. Die Gärtnerinnen und Gärtner organisieren sich in Hier schätzt sie das Draussensein und die frischen Früchte. Allerdings zwei Gruppen: Die eine gärtnert im Hagnau-Schrebergarten bei Birsfelden, die andere bewirtschaftet den RinorosaGarten bei der Burgfelder Grenze. Dort küm«Bei Menschen mit knappem Budget ist das Essen leider oft der einzige mern sie sich gemeinsam um Gemüse, Früchte Hebel, um Ausgaben einzusparen.» und Unkraut. Sarah Lötscher, Projektleiterin Projektleiterin Sarah Lötscher sagt: «Das Spannende an diesem Projekt ist, dass die Teilnehmenden sehr unterschiedlich sind. Denn es gibt sehr unterschiedlimüsse sie ihren Platz in der Gruppe noch finden, sagt sie. Denn bis vor che Gründe, weshalb jemand arbeitslos wird.» Migranten seien ebenso wenigen Wochen hatte sie am gemeinsamen Garten-Gruppennachmitgefährdet wie die Altersgruppe der über 50-Jährigen oder alleinerzietag immer einen wichtigen Termin. Erst seit Kurzem trifft sie sich regelhende Mütter, aber auch Studierende oder Uniabsolventen, die Mühe mässig mit den anderen. «Ich hoffe wirklich, dass ich hier noch mehr mit dem Berufseinstieg haben. Gemeinsam ist den Teilnehmenden, dass sozialen Anschluss finde», sagt sie. sie froh sind über die soziale Einbettung. Auch für Ifigenia ist der Hagnau-Garten ein soziales Netz: «Ich bin Zum Beispiel der Bolivianer Jose Maria: Er freue sich, im Garten «eiwahnsinnig froh, ein bisschen unter die Leute zu kommen.» Die Baslene kleine Familie» gefunden zu haben, wie er sagt. Zurzeit denkt er darrin mit türkischen Wurzeln ist seit drei Jahren dabei. Aus gesundheitüber nach, das kleine Gartenhäuschen frisch zu streichen. Es wird in der lichen Gründen kann sie nur Teilzeit arbeiten. «So wie mir geht es den Gruppe darüber diskutiert, welche Farbe sich dafür am besten eignet. meisten hier: Soziale Kontakte sind keine Selbstverständlichkeit.» SURPRISE 386/16

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Im Garten hat die gelernte Pflegefachfrau einen Ort der Zerstreuung gefunden: «Es tut gut, draussen zu sein und sich körperlich zu betätigen.» Wegen ihrer Prothese ist sie eingeschränkt, sie kann weder jäten noch ernten. Daher widmet sich Ifigenia ganz dem Heranziehen von Setzlingen. Vor allem der Tomatenzucht, die dieses Jahr besonders gut gekommen sei: «Erstmals habe ich eine neue, grosse Tomatensorte namens Ochsenherz gepflanzt», sagt sie stolz. Froh ist sie auch über die gesunden Nahrungsmittel aus dem Garten, die bei ihr zuhause auf den Tisch kommen. Einmachen für die Gassenküche Denn der soziale Aspekt steht zwar im Vordergrund, aber die Ernteerträge sind alles andere als marginal. Alle dürfen jeweils mitnehmen, was geerntet wird – Kartoffeln, Trauben, Tomaten, Kürbisse, Brombeeren, Äpfel und vieles mehr. «Das Projekt leistet einen wichtigen Beitrag zur gesunden Ernährung der Teilnehmenden», sagt Projektleiterin Lötscher. Das Ziel sei, ein Drittel des Gemüse- und Früchtebedarfs der Teilnehmenden selbst zu produzieren. Zum Projekt gehören neben den Schrebergärten auch mehrere Obstbäume sowie Reben. Dieses Jahr fiel die Obsternte besonders gut aus: Über 600 Kilogramm Äpfel und Zwetschgen pflückten die Gärtnerinnen und Gärtner. Überschüssiges Material wird in einer dafür gemieteten Küche zu Chutneys, Marmeladen oder Obstkompott verarbeitet, wodurch die Schlemmergärtner das ganze Jahr über von ihrer Eigenproduktion zehren. Was nicht verarbeitet werden kann, wird von den Teilnehmenden an Bekannte oder an soziale Institutionen weiter verteilt, zum Beispiel an die Basler Gassenküche, wo Obdachlose ein kostenloses Frühstück und ein Abendessen für drei Franken erhalten.

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Lötscher sagt: «Bei Menschen mit knappem Budget ist das Essen leider oft der einzige Hebel, um Ausgaben einzusparen.» Das führe oft zu einer einseitigen, ungesunden Ernährung. Das sagt auch Hazima. Ihre persönliche Gartengeschichte geht weiter zurück als der Start des Schlemmergartenprojekts: Die Bosnierin flüchtete 1995 mit ihrer Familie nach Basel. Vor allem in den ersten Jahren in der Schweiz lebten sie und ihre Familie mit wenig Geld. Bald übernahm sie den Hagnau-Schrebergarten von einem älteren Ehepaar und sorgte so für eine wertvolle Ergänzung des Speiseplans. Noch wichtiger wurde der Garten aber als Rückzugsort: «Ich konnte mich hier vom ganzen Stress erholen: Familie, Sprache lernen, Arbeitssuche und danach Arbeit. Dieser Garten war meine Konstante, und ich liebte ihn immer!» Irgendwann war die Gartenarbeit für die inzwischen alleinstehende Hazima eine zu grosse Last. Sie machte deshalb gemeinsam mit der Kontaktstelle für Arbeitslose einen Schlemmergarten daraus und ist heute froh, dass der Garten nicht verwahrlost und einer guten Sache dient: «So ein Garten ist wirklich viel Arbeit, vor allem, wenn man wirklich Gemüse will.» Kraut aus dem «Mamma Africa»-Beet Jede Gruppenzusammensetzung habe eine ganz eigene Dynamik, stellt Projektleiterin Sarah Lötscher fest: «Hier treffen unterschiedlichste Menschen aufeinander, die meisten befinden sich in einer schwierigen Lebenssituation.» Um dies zu koordinieren, braucht es viel Fingerspitzengefühl – eine Aufgabe, die ihr gefällt und sie herausfordert. Denn die Stimmung im Team könne schnell kippen: «Gartenarbeit ist sehr emotional. Alle stecken viel Liebe, Zeit und Zuwendung hinein und haben manchmal unterschiedliche Vorstellungen, wie etwas gemacht werden soll.» SURPRISE 386/16


und ob diese die Ernte positiv oder negativ beeinflussten», sinniert SaSie selbst erachtet Konflikte als Qualitätsmerkmal: «Konflikte sind rah Lötscher. sehr wichtig, denn darin steckt immer die Chance zur Besserung.» Die Einer der letzten warmen Herbsttage wird von der Gartentruppe für Teilnehmenden könnten sich durch Streit persönlich weiterentwickeln, eine kleine, gemeinsame Feier genutzt. Auf dem Buffet spiegelt sich das und nicht zuletzt entstünden so auch neue Ideen für den Garten. TrotzWissen aus einem Kurs über essbare Blüten wider, den die Gärtnerinnen dem achte sie stets darauf, eine gute Balance zu halten. «Wichtige Prozusammen besucht haben: Kapuzinerblüten mit Ziegenkäse gefüllt, Sibleme und Unzufriedenheiten diskutieren wir zwar gemeinsam, aber solche Momente sollen nicht überhand nehmen.» In erster Linie soll der Garten ein ent«Hier schleppt jeder irgendetwas mit sich herum. Und das vergisst man spannter Ort bleiben. alles bei zwei, drei Stunden Gartenarbeit.» Lötscher steht zur Beratung und KonfliktlöGartengründerin Hazima sung immer bereit, aber die eigentliche Gartenarbeit planen die Teilnehmenden selbständig. rup aus den eigenen Rosen und weitere Spezialitäten aus dem Garten Für die meisten bedeutet dies «learning by doing». In den Gärten gibt es stehen dort bereit. Hazima, die den Garten der Kontaktstelle zur Verfüdaher Platz zum Experimentieren, ohne hohe Ansprüche auf Perfekgung gestellt hatte, fühlt sich hier anscheinend noch immer ganz in der tion. Die individuellen Wünsche spiegeln sich in den Gärten wider. So Rolle als Gastgeberin: Sie eilt umher, bietet Getränke und Essen an. gibt es im Rinorosa-Garten etwa ein «Mamma Africa»-Beet, das vor Zurzeit arbeitet Hazima an einer Dokumentation ihrer persönlichen allem eine Gambierin bewirtschaftet, die dort exotisches, krautartiges Gartengeschichte. Darauf sieht man sie als junge Frau mit Mann und Gemüse anbaut. Kindern, danach mit Enkelkindern und schliesslich beim Gärtnern mit Die bosnische Gartengründerin Hazima sieht den Garten als eine Art den Schlemmergärtnern. Bald will sie ein ähnliches Projekt in ihrem Arbeitstherapie: «Hier schleppt jeder irgendetwas mit sich herum. Und Herkunftsland Bosnien starten. Dort bedeuten Gärten nicht nur Zeitverdas vergisst man alles bei zwei, drei Stunden Gartenarbeit.» Dann auch treib und Sparmassnahme, sondern sind Teil des Überlebens. Sie selbst noch zu sehen, wie das eigenhändig Angepflanzte gedeiht, sei ein Erwill für das geplante Projekt ihr eigenes Grundstück in Bosnien der Orfolgserlebnis und mit sehr viel Freude verbunden. ganisation Ingenieure ohne Grenzen zur Verfügung stellen und somit So wird auch der Bezug zu den Nahrungsmitteln wieder hergestellt: die lokale Bevölkerung unterstützen. Doch ans Zurückziehen denkt sie Früchte und Gemüse aus dem eigenen Garten sind nicht nur Konsumnicht. Sie selbst hat ihren Platz in Basel gefunden – auch dank dem Haggüter, sondern haben eine lebendige Geschichte. «Wenn wir zum Beinau-Garten. spiel eine Tomate aus dem Garten in der Hand halten, dann erinnern wir ■ uns an das viele Giessen und daran, wie die Wetterverhältnisse waren SURPRISE 386/16

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BILD: ZVG

Moumouni … ... feiert nicht mit Ich möchte mich in dieser Ausgabe über Zürcher aufregen. Und nein, liebe restliche Deutschschweiz, es geht nicht um den Dialekt. Den finde ich schön. Es geht um den Zürcher Bahnhof. Und nein, liebe Deutsche und sonstige Ausländer, es geht nicht darum, dass jedes einzelne Getränk oder Gipfeli mehr als das Dreifache kostet als sonstwo in Europa. Darin sehe ich fast einen Vorteil, weil ich mich immer wie eine Königin fühle, wenn ich mal im Ausland zum Bäcker gehe. Ich muss mich zurückhalten, nicht einfach mit einem 20-EuroSchein wedelnd «alles bitte, ich nehme alles!» zu rufen. Meist nehme ich dann einfach ein belegtes Irgendetwas mit fancy Namen, weil es lecker aussieht und drei Euro kostet, anders als der Rest des Sortiments, der lecker aussieht und die Hälfte kostet. Nein, nein, auch darum soll es nicht gehen. Ich rege mich auf über Zür-

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cher, die das Oktoberfest mögen. Also einerseits die, die auf den hässlichen Abklatsch namens «Züri-Wiesn» im Bahnhofsgebäude gehen müssen und mir den Weg zum Zug versperren. (Warum ist der Scheiss im Bahnhof??*, ICH MUSS DA DURCH UND HAB’S EILIG!) Aber noch viel mehr rege ich mich über die auf, die mir auf der Fahrt in meine Heimatstadt München Gesellschaft leisten: laut, stinkend, Trinkspiele spielend, verkleidet. Da sitzen sie also, diese sonst so wohlerzogenen, rücksichtsvollen Schweizer, die sonst kaum einen Pieps im Zug machen und empört gucken, sollte jemand in normaler Lautstärke auf Hochdeutsch telefonieren. Dass ich zuvor schrieb, dass es um Zürcher geht, hat übrigens nur damit zu tun, dass ich von denen am meisten mitbekomme. Mit denen steige ich ein. Den Anfang bis zum Ende der Fahrt muss ich mit ihnen teilen. Dabei kann ich mich kaum auf die Ostschweizer konzentrieren, die auf dem Weg noch zusteigen. Aber ich bin mir sicher, die sind genauso schlimm. Oder Basler. Die fahren einfach eine andere Strecke. Über Karlsruhe. Zufällig musste ich letztens eine nächtliche Verbindung München–Karlsruhe–Basel–Zürich nehmen. Ich musste. Und das war der absolute Horror. In Stuttgart stiegen nämlich noch die Idioten vom Cannstatter Wasen (ein weiterer Abklatsch von der Wiesn) ein. Und das hat mir bestätigt: Die Schwaben! Das sind die aller-

schlimmsten. Vielleicht lag es aber auch dran, dass um 4 Uhr nachts einfach noch lautere, noch besoffenere und sexuell noch frustriertere Idioten einsteigen als um 0 Uhr nachts. Ach ja, das ist auch der Grund, warum ich von Zürchern, Baslern, Schwaben schrieb und nicht von Zürcherinnen, Baslerinnen und Schwäbinnen. Ich bin eben noch nie von Frauen im Dirndl dumm angemacht, angesabbert oder angegrapscht worden. Die erbrechen sich meist einfach leise in der Ecke oder trällern laut Schlagersongs mit. Nerven tun sie aber alle. Und ich bin froh, dass das jetzt wieder für ein Jahr vorbei ist. *(Natürlich rege ich mich aber auch über den Weihnachtsmarkt auf, der in der Bahnhofshalle stattfinden muss – es gibt nichts Unbesinnlicheres, als auf dem Weg zur Arbeit fünf Leute umrennen zu müssen, die den protzigen Swarovski-Weihnachtsbaum bestaunen.)

Fatima Moumouni ist Spoken-Word-Artistin und hasst die Wiesn. Wahrscheinlich, weil sie selbst aus München kommt. Wenn die Familie ruft, stürzt sie sich trotzdem selbstlos in den Zug und leidet. www.fatimamoumouni.com

Rahel Nicole Eisenring ist freie Illustratorin. www.raheleisenring.ch SURPRISE 386/16


Zürich liest Träumen im Hallenbad Das Buchfestival «Zürich liest» kennt keine Grenzen. Am langen Wochenende finden die Lesungen nicht nur in der Buchhandlung, sondern auch im Hotel und in einem Erotikladen statt.

«Man muss fast am anderen Ende der Welt sein, um das Festival zu verpassen», erklärt Nora Zukker. Rund 180 Veranstaltungen werden während dem diesjährigen «Zürich liest» in Zürich, Winterthur und der Region stattfinden. Die 30-jährige Autorin und Moderatorin Zukker ist zum ersten Mal Teil der sechsköpfigen Programmkommission. Diese unterstützt die Festivalleitung bei der Auswahl der Autorinnen und Autoren. «Es ist spannend, von der ersten Sitzung bis zum letzten Anlass dabei zu sein», erzählt sie. «Auch schätze ich den Austausch sehr. Normalerweise arbeite ich alleine an meinen Projekten.» So zum Beispiel an ihrer wöchentlichen Sendung «Lesezunder» auf SRF 3. Am «Zürich liest» übernimmt sie beim Format «Über Grenzen hinweg schreiben» zwei Mal die Moderation: Sie wird das Gespräch zwischen den Schriftstellerinnen Dragica Rajcic und Meral Kureyshi (30. Okt, 16.30 Uhr) sowie jenes zwischen Irena Brežná und Melinda Nadj Abonji (30. Okt., 14 Uhr) leiten. Alle vier Autorinnen setzen sich in ihren Texten mit der eigenen Vergangenheit und Migrationsgeschichte auseinander. Die Gespräche finden im Landesmuseum und im Rahmen der Ausstellung «Flucht» statt. «Grenzen» – der thematische Schwerpunkt des «Zürich liest» – bezieht sich nicht nur auf das aktuelle Weltgeschehen. «In der Literatur und der Sprache gibt es grenzenlose Möglichkeiten», erklärt Zukker. Ebenfalls bei der Wahl der Lokalitäten lassen sich die Veranstalter nicht einschränken: «Wir wollen nicht nur die klassische Wasserglas-Lesung anbieten», so Zukker. «Wir bespielen auch Orte, die eigentlich nichts mit Literatur zu tun haben.» Deshalb finden Stadtrundgänge, Schiff- und Tramfahrten statt – und Lesungen an den exotischsten Orten. So ist das Hotel Rothaus in der Nähe der Langstrasse dabei: Der Autor Thomas Meyer wird sich in eines der Betten legen und Frédéric Zwicker empfangen (28. Okt., 21 Uhr). Der Journalist und Slam Poet Zwicker hat kürzlich sein Romandebüt veröffentlicht. In «Hier können Sie im Kreis gehen» lässt sich Herr Kehr in ein Pflegeheim einweisen. Eigentlich ist der 91-Jährige noch klar im Kopf. Doch um ein möglichst ruhiges Dasein zu führen, gibt Kehr an, unter Demenz zu leiden. Am Anfang kann er die Pfleger und Mitbewohner leicht täuschen: Unbescholten klaut er Desserts und versteckt Gehhilfen. Doch als seine Jugendliebe auftaucht, wird es komplizierter. Neben einer Lesung gibt es ein Konzert von Zwickers Band Knuts Koffer. Der Zürcher Erotikladen Special Moments steht ebenfalls auf der Veranstalterliste. «Die Betreiberin hat uns angefragt», so Zukker. Als «sinnlich-literarische Reise in erogene Gebiete» wird der Abend (28. Okt., 20 Uhr) mit der Geschichtenerzählerin Sibylle Baumann und der Inhaberin Alexandra Haas angekündigt. Letztere wird aus ihrem Buch «Speisekarte der Lustspiele» vorlesen. Das Buch ist 2009 erschienen und basiert auf Haas’ Verkaufs- und Lebenserfahrung. SURPRISE 386/16

BILD: ROLF CANAL

VON EVA HEDIGER

6000 Seiten über menschliche Regungen: Tim Krohn liest im Hallenbad.

Aber auch weniger pikante Orte haben ihren Reiz. Tim Krohn stellt im Hallenbad City (29. Okt., 12 Uhr) und im Zentrum Karl der Grosse (29. Okt., 23 Uhr) sein neustes Projekt vor: Der Schweizer Schriftsteller hat eine Liste von mittlerweile fast 1000 menschlichen Regungen erstellt. Unterstützt wurde er dabei von seinen Leserinnen und Lesern. Sie konnten über die Crowdfunding-Seite Wemakeit einen der gesammelten Begriffe reservieren und drei beliebige Wörter angeben. Mit diesen Angaben schreibt Krohn einzelne Geschichten, aus denen ein rund 6000 Seiten langer, mehrteiliger Roman entstehen wird. «Die ersten 200 Kapitel habe ich bereits geschrieben», erklärt Krohn. Einige davon werden nächstes Jahr im Band «Herr Brechbühl sucht eine Katze» erscheinen. Im Zentrum steht ein Genossenschaftshaus im Zürcher Kreis 5. Die Bewohner der acht Wohnungen sind überall in der Stadt anzutreffen. «Ich werde natürlich auch Geschichten lesen, in denen das Hallenbad und der Karl der Grosse vorkommen.» Wie sich Ort und Zeit auf die Lesungen auswirken werden, weiss Krohn nicht: «Vielleicht sind die Leute um elf Uhr nachts verträumter.» Er ist jedenfalls überzeugt, dass am Festival eine leichte Stimmung herrschen wird: «Die Leute brechen aus ihrem Alltag aus.» ■

«Zürich liest», Zürich, Winterthur und Region, Mi, 26., bis So, 30. Oktober. www.zuerich-liest.ch

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BILD: VINZENZ WYSER

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Kultur

Gefühle greifbar machen: Die Liebe verlangt nach Symbolen.

Ob 1942 oder 2016: Die Gewissenskonflikte bleiben dieselben.

Buch Liebesatlas

Theater Im Dilemma

Ein literarisches Kochbuch der Wiener Wortstätten macht Appetit auf Texte und Suppen.

In «Die Grenzgängerin» muss sich eine Frau während des Zweiten Weltkriegs entscheiden, ob sie einem illegalen Flüchtling Unterschlupf gewährt.

VON CHRISTOPHER ZIMMER VON MONIKA BETTSCHEN

Bäume müssten Facebook lieben, pardon, liken. Wurden früher peinvoll Herzen in ihre Rinde geritzt, so wird heute der Beziehungsstatus auf Facebook gepostet. Solche Wandlungen von Ritualen sind allerdings eher die Ausnahme. In der Regel sind Rituale als Teil des Brauchtums der Tradition verpflichtet und behaupten sich hartnäckig gegen die Anfechtungen der Moderne. Nicht zuletzt und vor allem, wenn es um die Liebe geht. Die Autorin Michaela Vieser hat solchen Bräuchen und Ritualen der Liebe in aller Welt nachgespürt, Traditionen aus Europa, Asien, Afrika und Polynesien sowie Newcomern aus dem Internet. Dabei führt sie chronologisch durch verschiedenste «Phasen» dieses menschlich allzumenschlichen und unverwüstlich magischen Aggregatzustands: von Pheromonen über Sex, Sehnsucht und Fernbeziehung, Liebe im Alter bis zum Valentinstag, dem Fest der Liebe und Retter aller Blumenläden. Zusammengekommen sind Rituale zum Entzücken, Erstaunen und teilweise auch Erschrecken. Letzteres vor allem, wenn diese allzu archaisch anmuten, wie etwa der Brautraub, der auch heute noch in Kirgistan gang und gäbe ist. Doch zum Glück sind die meisten der aufgeführten Beispiele eher rührend oder amüsant bis schrill: geschnitzte Holzliebeslöffel, in Achselschweiss getränkte Apfelschnitze (Stichwort Pheromone) oder das noch heute gefeierte Penisfest in Japan. Und eben zum Erstaunen, wenn das bei uns kulturell so Verankerte ausgehebelt wird, wie etwa bei der, sich auf die gemeinsamen Nächte beschränkenden, Besuchsehe der Mosuo in China. Die Autorin nimmt kein Blatt vor den Mund, bleibt jedoch stets sachlich und sachkundig, dabei aber auch unterhaltsam und humorvoll. Zudem finden sich nach jedem Kapitel Tipps für eigene Rituale sowie passende Kochrezepte. Das macht dieses Buch zu einem Liebesatlas und zum vergnüglichen Ratgeber, der es versteht, die Augen für fremde Kulturen und die eigene zu öffnen – und für die Vielfalt, in der die Liebe erobert, gelebt und gefeiert wird. Michaela Vieser, Irmela Schautz: Für immer und jetzt. Wie man hier und anderswo die Liebe feiert. Verlag Antje Kunstmann 2016. 22.90 CHF

Riehen bei Basel, Anfang der Vierzigerjahre. Täglich überqueren Menschen die Schweizer Grenze, doch sie werden ab 1942 auf Weisung des Bundesrats wieder zurückgeschickt, was für viele den sicheren Tod bedeutet. Dies ist auch Hanna, der Hauptfigur in Satu Blancs Theaterstück «Die Grenzgängerin» bewusst, als sie eines Tages bei sich zuhause einen Flüchtling vorfindet. Eigentlich wäre sie verpflichtet, den Mann bei den Behörden zu melden. Ausserdem ist sie die Ehefrau des Obergrenzwächters von Riehen. Doch die junge Frau zögert und ringt mit ihrem Gewissen und ihrem Pflichtbewusstsein, bevor sie eine Entscheidung trifft. «Wer damals Flüchtlinge versteckte, riskierte eine Gefängnisstrafe. Viele Bürger misstrauten und denunzierten einander», sagt Satu Blanc. Für «Die Grenzgängerin» hat sich die Basler Schauspielerin und Historikerin mit älteren Menschen unterhalten, denen das Klima der Angst während des Zweiten Weltkriegs noch immer sehr präsent ist. «Eine Frau erinnerte sich, als Kind ein Foto von KZ-Häftlingen gefunden zu haben. Ihre Eltern hätten ihr gegenüber aber die Hintergründe heruntergespielt. Man wusste genau, was jenseits der Grenze für Verbrechen begangen wurden, aber man befand sich in einem ständigen Dilemma zwischen Gewissen und Vorschriften.» Im Falle eines Einmarschs der Deutschen hätte die Schweiz die Gegend von Basel und Riehen ohne Gegenwehr aufgegeben. Viele Familien schickten ihre Kinder deshalb vorsorglich ins Landesinnere. Für Satu Blanc ist Geschichte eine nie versiegende Quelle der Inspiration. Sie recherchiert, schreibt und spielt all ihre Stücke selber und beleuchtet darin ganz unterschiedliche Epochen und Ereignisse. «Es geht mir weniger um die Facts als um den Menschen, und wie er auf äussere Ereignisse reagiert», sagt sie. «Mein Publikum soll Geschichte als etwas Greifbares erleben. Oft erhalte ich das Feedback, dass es ja damals so gewesen sei wie heute.» Mit ihren Stücken möchte sie ohne Mahnfinger auch aktuelle Diskussionen anstossen. «Die Figur der Hanna ist eine Art Alter Ego, das sich stellvertretend für mich mit der Frage auseinandersetzt, ob ich heute zum Beispiel eine syrische Familie bei mir aufnehmen würde.» «Die Grenzgängerin», Theater Lo Studiolo, St. Galler-Ring 160, Basel Di, 25. bis Sa, 29. Oktober, jeweils 19 Uhr; weitere Spieldaten und Anmeldung (erforderlich): www.satublanc.ch oder 061 261 47 50

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Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.

Ein Ei kann man schlagen. Oder feinfühlig zu einem Ei Benedict machen.

01

Imbach Reisen AG, Wanderreisen, Luzern

02

mcschindler.com gmbh Online-PR, Zürich

03

Scherrer + Partner GMBH, Basel

04

Ingenieurbüro BEVBE, Bonstetten

05

Coop Genossenschaft, Basel

06

Treuhand U. Müller GmbH, Bern

07

Lions Club Zürich-Seefeld, Zürich

08

Supercomputing Systems AG, Zürich

VON TOM WIEDERKEHR

09

Fraumünster Versicherungstreuhand AG,

So wie das Ei sowohl jenes des Kolumbus sein, aber auch völlig belanglos dem nächsten gleichen kann, so ambivalent ist unser Verhältnis dazu. Die einen fürchten – offenbar zu Unrecht, wie vermehrt zu lesen ist – negative Einflüsse auf die Gesundheit, die anderen schätzen das Ei als eines der vielfältigsten Nahrungsmittel überhaupt. Jedenfalls begleitet es uns seit Menschengedenken in der Küche: War das Ei früher noch sehr stark mit allerhand Mythen rund um Fruchtbarkeit und Unsterblichkeit verbunden, so ist es heute zu einem Produkt verkommen, welches selten mit Hingabe und Leidenschaft hergerichtet wird. Wenn das Ei pur zubereitet wird, dann kommt es fast immer als Frühstücksei, gerührt oder gebraten, auf den Tisch. Am allerbesten bringt es seine Qualitäten jedoch als pochiertes Ei zur Geltung. Ohne Schale, das Eiweiss bereits ganz gekocht, sodass es das Gelbe des Eis – noch zartflüssig verlaufend – zugleich beschützend, aber auch verlockend umhüllt. Auf diese Art zubereitet, wird das Ei durch seinen Fettgehalt zum Aromaträger für weisse Trüffel, zum schmeichelnden Begleiter von Gemüse wie Spargel und Brokkoli oder zum Hauptakteur beim schon fast unanständig üppigen Ei Benedict. Viele fürchten sich vor dieser Zubereitungsart, da sie ein bisschen mehr Fingerspitzengefühl verlangt als das Aufschlagen eines Spiegeleis. Der wichtigste Faktor ist die Frische des Eis: Mit jedem zusätzlichen Tag verändert das Eiweiss seine Konsistenz und wird flüssiger. Verwenden Sie also nur Eier, welche nicht mehr als sechs Tage alt sind. Bringen Sie einen Topf mit ausreichend Wasser – sodass das Ei komplett darin schwimmen kann – zum Siedepunkt und geben Sie ein paar Esslöffel Essig hinzu, damit das Eiweiss noch schneller gerinnt. Schlagen Sie das Ei jetzt vorsichtig in eine Tasse auf. Bevor Sie das offene Ei von der Tasse in das nicht kochende Wasser gleiten lassen, rühren Sie das Wasser so lange, bis ein Wirbel entsteht. In dessen Zentrum lassen Sie jetzt vorsichtig das Ei gleiten. Nach drei bis maximal vier Minuten heben Sie das doch nicht verlorene Ei aus dem Wasser. In dieser Variante – nach dem New Yorker Financier LeGrand Benedict benannt – auf weichem Brioche und gebratenem Speck angerichtet und übergossen mit Sauce Hollandaise werden die Eier zu einer Speise, die einen glauben machen, dass das Leben ewig währen sollte.

10

VXL Gestaltung und Werbung AG, Binningen

11

AnyWeb AG, Zürich

12

A. Reusser Bau GmbH, Recherswil

13

Kreislauf 4+5, Zürich

14

Thommen ASIC-Design, Zürich

15

Proitera Betriebliche Sozialberatung, Basel

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Kaiser Software GmbH, Bern

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Hervorragend AG, Bern

18

Gemeinnütziger Frauenverein Nidau

19

Klinik Sonnenhalde AG, Riehen

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Frank Türen AG, Buchs

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Schweizerisches Tropen- und Public Health-

Piatto forte Das gefürchtete Ei Es gibt mehr Arten, Eier zuzubereiten, als wir uns vorstellen können. Die Königsdisziplin allerdings wird gefürchtet.

Zürich

Institut, Basel 22

Familie Iten-Carr Holding AG, Zug

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Brother (Schweiz) AG, Dättwil

24

Maya-Recordings, Oberstammheim

25

Velo-Oase, Erwin Bestgen, Baar

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

Bezugsquellen und Rezepte: http://www.piattoforte.ch/surprise 386/16 SURPRISE 386/16

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BILD: JOHN FLURY

BILD: AYSE YAVAS BILD: ZVG

Ausgehtipps

Wo Realität und Mythos verschmelzen.

Basel/Bern Göttertanz

So sieht es aus, das kreative Chaos.

So muss man sich Christoph Simons Alltag vorstellen.

Zürich Unordnung auslegen

Bern/Zürich Der Alltag und ich

«Klischee – Ideal – Wirklichkeit» steht auf dem Aufgabenblatt zum Thema Wahrnehmen und Darstellen. Wir sehen: Ein Automatenbild in Schwarz-Weiss, wie es sie noch gab, als wir jung waren. Die Aufgabe dazu: «Lasse ein ebensolches anfertigen. Füge deiner Person etwas hinzu, verändere dein Gesicht, deinen Ausdruck, verfremde dich – oder bilde dich einfach ganz ungewöhnlich ab.» Das war eine Aufgabe an der F+F Schule für experimentelle Gestaltung in Zürich, und es war vor der Facebook-Zeit. Es war in einer Zeit, als Selbstinszenierungen noch an Fragen und Aufgaben gebunden waren, die hiessen: «Betrachte das so entstandene Bild in seiner neuen Funktion.» Es kann also sein, dass man sich allerlei interessante Gedanken nicht nur zum Thema Ästhetik, sondern auch zum Wandel der Zeit macht, wenn man Arbeiten einer Kunstschule aus den Jahren 1983 bis 1987 ansieht. Eine «Art-AuslegeUnOrdnung» machen Ivo Benz und Raoul Meier und lassen mit Skizzen, Texten, mit Malerei, Kunstdrucken, Fotografie und Film das damalige Lebensgefühl wiederaufleben. Ein Rückblick «mit Wein, Weib und Gesang». Der Wandel der Zeit wird gezeigt – und so wird die Ausstellung am Ende nicht mehr die Gleiche wie zu Anfang sein. (dif)

Christoph Simon ist ein doch noch recht junger Autor («Franz oder Warum Antilopen nebeneinander laufen», «Spaziergänger Zbinden»), der ein bisschen aus der Zeit gefallen wirkt. In einer Zeit der Bologna-Punkte, in der einem an Schulen gelehrt wird, was relevante Themen und Geschichten mit News-Wert sind, erzählt Simon kleine Geschichten, die die Wahrheit übers Menschsein erfassen – und zwar so, wie sie nur einer beschreiben kann, der sich nie einfach stromlinienförmig durchs Leben schiffen wollte. Man könnte auch sagen: Christoph Simon kann Literatur. Er kann auch Slam Poetry, und vermutlich auch Solo-Kabarett. Auch wenn man ihm literarisch wie äusserlich sofort abnehmen würde, dass er der Sohn von Peter Bichsel wäre, stellt er nun Fragen, die so ähnlich schon Max Frisch gestellt hat. Nur stellt er die nicht in New York oder Athen, sondern daheim im Wohnzimmer, und sucht auch ebenda die Antworten. «Was wäre, wenn wir einmal am Tag die Chance hätten, zehn Minuten zurück zu spulen und eine andere Entscheidung zu treffen? Einen anderen Weg zu wählen?» «Zweite Chance» heisst das Stück folgerichtig, und Christoph Simon kämpft als Vater gegen die Tücken des Alltags – nach der generell angewandten Reparaturstrategie «Anschreien, draufschlagen, Sekundenleim». Doch dann ist da plötzlich dieser Fremde, und nichts ist mehr, wie es war. Aber Simon kämpft. Furchtlos, krisenfest und nervenschwach. (dif)

«Back to Forward«, bis Sa, 5. November, Dübendorfstrasse 339, nähe Bahnhof Stettbach. www.sunnigehof.ch

Der Himalaja ist natürlich auch eine geografische Kategorie: 3000 km lang, 350 km breit, 40 bis 50 Millionen Jahre alt und über 8000 Meter hoch. Der Himalaja ist aber mehr als ein Ort: Hier meditierte Shiva jahrtausendelang, wurde die Liebe unsichtbar, strömte die Göttin Ganga vom Himmel. In diese geheimnisvolle Welt, in der Realität und Mythos verschmelzen, führt der renommierte indische Choreograf D. Keshava anlässlich des 40-jährigen Jubiläums des schweizerisch-indischen Tanz- und Musikensembles Kalasri. Was zieht Menschen in diese Höhen? Weshalb wandern unzählige Pilger zum heiligen Fluss? Wie leben Mensch und Tier in dieser atemberaubenden, auch gefährlichen und gefährdeten Natur? Das Tanztheater «Himalaya» verbindet die Tanzstile Bharatanatyam und Kathak mit Elementen des Yoga. (ami) Kalasri, «Himalaya», Premiere: Fr, 21. Oktober, 19.30 Uhr, Humanushaus, Rubigen. Weitere Vorführungen: So, 23. Oktober, 18.30 Uhr, Theater am Käfigturm, Bern; Sa, 29. Oktober, 20.00 Uhr und So, 30. Oktober, 18.30 Uhr, Scala, Basel. www.kalasri.com

Anzeige:

«Zweite Chance», Di, 25. bis Sa, 29. Oktober, La Cappella, Allmendstrasse 24, Bern; Fr, 27. und Sa, 28. Januar, Hochhaus, Limmatstrasse 152, Zürich. Weitere Auftritte unter www.christophsimon.ch

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Mehr als ein AKW: In Fessenheim leben auch Menschen.

Warm, bunt – und eine saubere Sache.

Luzern Im Dreieck

Zürich Mal mal!

Rund um Basel versteht man «Dreieck» schnell mal im geografischen Sinn – nämlich als Dreiländereck, wo Frankreich, Deutschland und die Schweiz aneinanderstossen. Sich vielleicht die Hand geben oder auch aneinandergeraten. Man reibt sich auch aneinander in der Liebe, und so ist es irgendwie stimmig, dass die Fotoausstellung «Dreieck – Von der Liebe und anderen Abhängigkeiten» von drei Fotografen bestritten wird, die allesamt aus der Region Basel stammen. (Roland Schmid und Tjefa Wegener fotografieren regelmässig für Surprise.) Die drei haben es sich zur Aufgabe gemacht, eben diese Umgebung fotografisch zu untersuchen. Schauplätze ihrer «Forschungsfelder» waren das St.-ElisabethenKrankenhaus mit dem angrenzenden Orden der Barmherzigen Schwestern, das Dorf Fessenheim, das gänzlich im Schatten des umstrittenen AKWs steht, und der Claraplatz, der bei Baslern ambivalente Gefühle auslöst: Hier bewegen sich Durchschnittsbürger genauso wie sozial Ausgegrenzte, die auch nicht gewillt sind, ihr Schicksal zu verstecken. Liebe, Abhängigkeiten? Aus Bildern lässt sich vieles ablesen. (dif)

Man kennt es ja: Draussen vermischen sich Kälte und Nässe zu einem ungeniessbaren Etwas, und der innere Schweinehund sagt: Heizung rauf, Füsse hoch, Buch her. Wäre da nicht der geliebte Nachwuchs, dessen Abenteuerlust sich von den trüben meteorologischen Aussichten nicht bremsen lässt. Urbane Eltern sind in der Folge stets auf der Suche nach Alternativen zum Herumstehen auf dem spätherbstlichen Spielplatz. Eine solche findet sich jeden Donnerstagvormittag in der Maloase im Quartierzentrum Wipkingen. Unter dem Motto «Kleine Künstler ganz gross» können sich Kinder ab 1 Jahr dort mit Pinsel und Farbe austoben – zum überschaubaren Preis von 1.50 Franken pro Blatt Papier. Für Mütter und Väter gibt es nebenan das Kafi Tintenfisch. Und das Beste: Die kleinen Kunstwerke kommen mit nach Hause, die Kleckserei dagegen bleibt in der Oase. (ami) Maloase, jeweils Do, 9 bis 11 Uhr, GZ Wipkingen, Breitensteinstrasse 19a, Zürich. http://www.gz-zh.ch/gz-wipkingen

«Dreieck – Von der Liebe und anderen Abhängigkeiten», noch bis Fr, 2. Dezember,

BILD: ISTOCKPHOTO

Medienausbildungszentrum MAZ, Murbacherstr. 3, Luzern, www.mazgalerie.ch

Zürich Menschen ausleihen Im Rahmen des Literaturfestivals «Zürich liest» (siehe S. 23) nistet sich die Living Library für einen Abend im Zentrum Karl der Grosse ein. Dort kriegt man, was der Name verspricht: eine lebende Bibliothek. Anstelle von Büchern leiht man sich einen Menschen für ein Gespräch aus. Ganz wie im gängigen Pendant helfen die Bibliothekarinnen bei der Auswahl, im Lesesaal setzt man sich mit dem lebenden Buch an einen Tisch und unterhält sich eine halbe Stunde lang. Grundsätzlich sind alle Fragen erlaubt, auch persönliche oder kritische. Das Buch kann natürlich Gegenfragen stellen oder Antworten verweigern. Auf der Leseliste stehen durchwegs Menschen, die in irgendeiner Form stereotypisiert werden: ein Asylbetreuer, eine Sado-Maso-Praktizierende, ein eritreischer Flüchtling, ein Muslim, ein Journalist, eine Jüdin und ein Schriftsteller. Nach Ablauf der Ausleihfrist muss das lebende Buch im gleichen Zustand zurückgegeben werden, in dem es ausgeliehen wurde. (ami) Living Library, Sa, 29. Oktober, 16.30 bis 20.30 Uhr, Zentrum Karl der Grosse,

Fragen Sie Menschen statt Bücher. SURPRISE 386/16

Kirchgasse 14, Zürich. livinglibrary.ch

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Verkäuferporträt «Mein Traum: ein fahrbares Happy-Bett» Roger Meier, 55, hat in seinem Berufsleben schon den Beton des AKW Mühleberg saniert und eine Staumauer verputzt. Heute verkauft er Surprise, hilft Passanten auf dem Berner Bärenplatz – und spart für ein Wohnmobil der besonderen Art.

«Anfang der Achtzigerjahre, kurz nach dem Abschluss meiner Lehre zum Müller, bin ich der Liebe wegen vom Kanton Aargau nach Bern gezogen. Die Liebe ist gegangen, Bern ist geblieben. Wie heute habe ich auch damals eine Zeit lang ohne Obdach gelebt. Weil ich die Leute auf der Gasse gut kannte, engagierte mich die Berner Suchthilfestiftung Contact, um auf der Kleinen Schanze und später im Kocherpark für Ordnung in der offenen Drogenszene zu sorgen. Ich habe Spritzen getauscht, Abfall entsorgt und dazu immer wieder Süchtige betreut, die eine Überdosis erwischt hatten. Schätzungsweise 400 bis 600 Leute habe ich in dieser Zeit ‹belüftet›, sprich wiederbelebt. Mitte der Neunzigerjahre wurde es etwas ruhiger. Meine damalige Partnerin und ich bekamen eine Tochter und zwei Söhne und wohnten etwas ausserhalb von Bern. Aus einer früheren, sagen wir mal ‹Begegnung›, habe ich noch einen Sohn, mit dem ich in losem Kontakt geblieben bin, obwohl er nicht bei mir aufgewachsen ist. Als die älteste Tochter der jüngeren drei Kinder gerade mal sieben Jahre alt war, brach unsere Familie auseinander. Ich arbeitete in jener Zeit viel und merkte zu spät, dass meine Ex-Partnerin überfordert war, immer mehr trank und sich nicht mehr genügend um die Kinder kümmern konnte. Ich ertrug die ganze Geschichte auch schlecht und erlitt schliesslich einen Nervenzusammenbruch. Damit die Kinder in einem stabilen Umfeld aufwachsen konnten, entschieden wir uns für eine Fremdplatzierung. Die folgenden zehn Jahre lebte ich zwar wieder ohne festen Wohnsitz, organisierte mich aber so, dass mich die Kinder jedes zweite Wochenende in der Wohnung einer Kollegin besuchen konnten. Und auch sonst war ich, heutigen Kommunikationsmitteln sei Dank, immer für meine Kinder erreichbar. Die letzten dreieinhalb Jahre habe ich in einem alten Wohnwagen auf dem Land eines Bauern gelebt. Letzten April ging der Wohnwagen bei einem Blitzschlag in Flammen auf. Im ersten Moment war ich schockiert, habe aber bald begriffen, warum das passieren musste: Weil ich wiederum obdachlos war, ging ich zurück in die Stadt, und dort fragten mich Leute der städtischen Interventionsgruppe Pinto, die mich schon von früher kannten, ob ich interessiert sei, für den Verein Surprise Stadtführungen zu machen. Surprise habe sich bei ihnen nach einem geeigneten Stadtführer für den sogenannten Sozialen Stadtrundgang in Bern erkundigt. Nach dem ersten Gespräch war klar: Sobald der Soziale Stadtrundgang in Bern fertig organisiert ist, werde ich Führungen machen, wie es sie schon in Basel und Zürich gibt. Und bis es so weit ist, verkaufe ich das Strassenmagazin. Nun bin ich seit Mai einer der Surprise-Verkäufer auf dem Bärenplatz und baue mir langsam meine Stammkundschaft auf. Daneben bin ich Zuhörer, Tröster oder Kummerkasten für wildfremde Leute und helfe auch sonst, wo ich kann. Einmal pro Woche kommt zum Beispiel eine ältere Dame, der ich jedes Mal das Billett löse und helfe, ins Tram einzusteigen. Einen gehbehinderten Herrn begleite ich jeden Tag über die Tramschienen. Für manche Leute passe ich auf die schweren Einkaufstaschen auf, während sie kurz etwas erledigen gehen. Früher habe ich meist auf dem Bau gearbeitet, als Akkord-Maurer, Dachdecker und Gerüstbauer. In Bern war ich schon zuoberst auf dem

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BILD: RUBEN HOLLINGER

AUFGEZEICHNET VON ISABEL MOSIMANN

Münsterspitz im Einsatz. Dazu kamen Jobs wie Beton sanieren im AKW Mühleberg oder tagelang an einem Seil hängend die Staumauer Grand Dixence im Wallis verputzen. Seit einem Arbeitsunfall vor sechs Jahren, bei dem mir ein Stapler über meinen Fuss gefahren ist, und mit der fortschreitenden Arthrose kann ich nicht mehr 100 Prozent arbeiten. Dafür baue ich für Bekannte mal eine Katzentreppe, streiche das Gartenhäuschen oder montiere Möbel und Lampen, wie in meiner allerersten Woche im neuen Surprise-Büro in Bern. Viel zum Leben brauche ich nicht, ich wohne ja unter freiem Himmel. Trotzdem versuche ich 500 bis 600 Franken auf die Seite zu legen, um mir meinen Traum zu erfüllen: ein fahrbares Happy-Bett! Ich will mir einen Veloanhänger bauen, wetterfest, mit einer bequemen Matratze drin, in dem ich gemütlich übernachten kann.» ■ SURPRISE 386/16


Buch: Standort Strasse Bewegende Lebensgeschichten

Standort Strasse – Menschen in Not nehmen das Heft in die Hand 152 Seiten CHF 40.– inkl. Versand- und Verpackungskosten ISBN 978-3-85616-679-3

Die belebten Plätze und Strassen der Deutschschweizer Innenstädte sind bekannt. Die Lebensgeschichten der Surprise-Verkaufenden, die hier arbeiten, jedoch nicht. Das Buch «Standort Strasse – Menschen in Not nehmen das Heft in die Hand» rückt diese Personen ins Scheinwerferlicht und zeigt eindrücklich, wie unterschiedlich die Gründe für den sozialen Abstieg sind – und wie gross die Schwierigkeiten, wieder auf die Beine zu kommen. Das Buch porträtiert zwanzig stolze Menschen, die trotz sozialer Not alternative Lebensentwürfe abseits staatlicher Hilfe gefunden haben. Die Angebote des Vereins Surprise haben ihnen dabei geholfen. Gastbeiträge sowie eine Fotoserie von Surprise-Standorten runden das Buch ab. Erfahren Sie mehr über die Lebensgeschichten unserer Verkaufenden und kaufen Sie jetzt das Buch «Standort Strasse – Menschen in Not nehmen das Heft in die Hand». Ein Teil des Geldes kommt direkt den Surprise-Verkaufenden zugute. Bestellen bei Verkaufenden oder unter: www.vereinsurprise.ch/shop

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Surprise – mehr als ein Magazin

Ich möchte Surprise abonnieren! 24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.) Gönner-Abo für CHF 260.–

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Hilfe zur Selbsthilfe Surprise unterstützt armutsbetroffene Menschen – beim Strassenverkauf, Strassenchor oder Strassensport, dem Sozialen Stadtrundgang oder Café Surprise: Der Verein fördert die soziale Integration der Betroffenen. Surprise gibt das vierzehntägig erscheinende Strassenmagazin heraus. Eine professionelle Redaktion produziert das Heft zusammen mit freien Journalisten, Fotografen und Illustratoren. Das Magazin wird auf der Strasse verkauft. Über 350 armutsbetroffene Menschen, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten über den Strassenverkauf eine Erwerbsmöglichkeit und eine Tagesstruktur. Die Hälfte des Magazinerlöses behalten die Verkaufenden.

Stärken. Bewegen. Integrieren. Surprise fördert die Integration mit Sport. In der Surprise-Strassenfussball-Liga spielen Teams aus der Deutschschweiz um den Titel des Schweizermeisters. Einige Spieler nehmen am Homeless World Cup teil. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Strassenchor. Gemeinsames Singen und Auftritte ermöglichen Glücksmomente für Menschen, für die der gesellschaftliche Anschluss erschwert ist. Café Surprise schenkt Menschen mit wenig Geld einen Kaffee in einer Bar oder einem Café. So können sie am sozialen Leben teilnehmen. Für Gäste ist es eine charmante Gelegenheit, sich sozial zu engagieren: Sie bezahlen ihren Kaffee und spendieren einen weiteren.

Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht sozial ausgegrenzten Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit z.B. mit dem Sozialen Stadtrundgang in Basel und Zürich. Die Surprise-Stadtführer sind Armutsbetroffene, Ausgesteuerte und Obdachlose. Sie erzählen aus ihrem Alltag in ihrer Stadt und zeigen Orte, an denen man sonst vorübergeht. Gemeinsam wollen sie Vorurteile abbauen.

Über Surprise Der Verein Surprise unterstützt Armutsbetroffene ohne staatliche Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle Angebote ist Surprise auf Spenden, Sponsoren und Stiftungen angewiesen. Surprise ist Mitglied des internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP), dem über 120 Magazine in über 40 Ländern angehören.

Impressum Herausgeber Verein Surprise, Spalentorweg 20, 4051 Basel www.vereinsurprise.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Fr T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 Nicole Mathys, Thomas Oehler, info@vereinsurprise.ch Geschäftsleitung Paola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (Mitglied der Geschäftsleitung), Jannice Vierkötter (Mitglied der Geschäftsleitung) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@vereinsurprise.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Amir Ali (ami, verantwortlich für diese Ausgabe), Beat Camenzind (bc), Diana Frei (dif), Thomas Oehler (toe), Sara Winter Sayilir (win), redaktion@vereinsurprise.ch, leserbriefe@vereinsurprise.ch Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Florian Burkhardt, Rahel Nicole Eisenring, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Khusraw Mostafanejad, Fatima Moumouni, Stephan Pörtner, Isabella Seemann, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Tom Wiederkehr, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Monika Bettschen, Greg Clément, Eva Hediger, Ruben Hollinger, Martina Kammermann, Miriam Künzli, Lukas Meyer, Isabel Mosimann, Roland Schmid, Tjefa Wegener, Mara Wirthlin Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 22 200, Abonnemente CHF 189, 25 Ex./Jahr Marketing, Fundraising, Kommunikation T +41 61 564 90 50 Svenja von Gierke (Leitung), Zaira Esposito, Katrin Pilling

Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83/85 Thomas Ebinger, Anette Metzner, Spalentorweg 20, 4051 Basel, basel@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Zürich T +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12 Sara Huber, Christian Sieber, Kanzleistr. 107, 8004 Zürich, zuerich@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02 Barbara Kläsi, Alfred Maurer, Fabian Steinbrink Scheibenstrasse 41, 3014 Bern, bern@vereinsurprise.ch Café Surprise T +41 61 564 90 50 Zaira Esposito (Leitung), z.esposito@vereinsurprise.ch Strassenchor T +41 61 564 90 40 Paloma Selma (Leitung), p.selma@vereinsurprise.ch Strassenfussball T +41 61 564 90 10 Lavinia Besuchet (Leitung), l.besuchet@vereinsurprise.ch, David Möller (Sportcoach), d.moeller@vereinsurprise.ch Sozialer Stadtrundgang Basel T +41 61 564 90 40 Sybille Roter (Leitung), s.roter@vereinsurprise.ch, Paloma Selma (Koordination), rundgang@vereinsurprise.ch Sozialer Stadtrundgang Zürich T +41 44 242 72 14 Sybille Roter (Leitung), s.roter@vereinsurprise.ch, Carmen Berchtold (Koordination), rundgangzh@vereinsurprise.ch Vereinspräsident Beat Jans

Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise nur mit Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt.

Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen. Helfen macht Freude, spenden Sie jetzt: Spendenkonto PC 12-551455-3 SURPRISE 386/16


Eine Tasse Solidarität! Machen Sie mit: Zwei bezahlen, eine spendieren. Café Surprise gibt es hier: In Basel BackwarenOutlet, Güterstr. 120 Café Bohemia, Dornacherstr. 255 Café-Bar Elisabethen, Elisabethenstr. 10 Café Flore, Klybeckstr. 5 Café Restaurant Haltestelle, Gempenstr. 5 Kiosk Amann, Claragraben 101 Oetlinger Buvette, Unterer Rheinweg Quartiertreffpunkt Lola, Lothringerstr. 63 Rest. Les Gareçons, Schwarzwaldallee 200 Rest. Manger et boire, Gerbergasse 81 Trattoria Bar da Sonny, Vogesenstr. 96 In Biel Treffpunkt Perron bleu, Bahnhofplatz 2d

In Bern Café Kairo, Dammweg 43 Café Tscharni, Waldmannstr. 17a Café-Bar das Lehrerzimmer, Waisenhausplatz 30 Luna Llena Gelateria Rest. Bar, Scheibenstr. 39 Rest. Genossenschaft Bras. Lorraine, Quartiergasse 17 Rest. Löscher, Gotthelfstr. 29 Rest. Sous le Pont – Reitschule, Neubrückstr. 8 Rösterei Kaffee und Bar, Güterstr. 6 Treffpunkt Azzurro, Lindenrain 5 Zentrum44, Scheibenstrasse 44 In Zürich Café Zähringer, Zähringerplatz 11 Sphères, Hardturmstrasse 66

In Rapperswil Café good, Marktgasse 11 In Schaffhausen Kammgarn Beiz, Baumgartenstr. 19 SURPRISE 386/16

www.vereinsurprise.ch/cafesurprise Ein Projekt des Vereins Surprise. 31



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