Nr. 387 | 4. bis 17. November 2016 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.
Adrenalin am Gleis Leben retten an Mexikos gefährlichster Bahnstrecke
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Helfen tut gut. Zeit, zuzuhören. Zeit, abzuwarten. Zeit für Rückschläge. Zeit, zu helfen. All das gibt es in der niederschwelligen Beratung, die in den Surprise Regionalbüros in Basel, Bern und Zürich stattfindet. Die Verkaufenden des Strassenmagazins erhalten hier nicht nur ihre Hefte, gratis Kaffee oder Internetzugang, sondern wenden sich mit ihren Sorgen und Fragen an die Surprise Mitarbeitenden. Ob bei der Wohnungs- und Arbeitssuche, Schulden, beim Umgang mit Behörden und administrativer Korrespondenz, bei familiären Krisen oder Suchtproblemen – für zirka 400 armutsbetroffene Menschen in der ganzen Schweiz ist diese umfassende Begleitung eine unentbehrliche Stütze im Alltag. Surprise hilft individuell und niederschwellig. Spenden Sie heute. Spendenkonto PC: 12-551455-3, IBAN: CH 11 0900 0000 1255 3 2
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Tag für Tag reiht sich eine Gruppe Frauen im mexikanischen Bundesstaat Veracruz entlang der Bahnlinie in den Norden auf und verteilt Essen an jene, die auf den Güterzügen in Richtung USA fliehen. Obwohl ihr Einsatz für die Migranten bereits nationale Anerkennung erfuhr, stösst der Altruismus der Frauen in ihrem Dorf La Patrona nicht bei allen auf Bewunderung. Mehr dazu ab Seite 14. Jeden Morgen dieselbe Frage: Was ziehe ich heute an? Was viele bisweilen als Qual der Wahl empfinden, ist eigentlich ein Privileg. Denn die freie Wahl haben nur jene, die in von der Industrie festgelegte Standardgrössen passen und über ein gewisses Einkommen verfügen. Wer hingegen wie Surprise-Verkäufer Özcan Ates¸ im Rollstuhl sitzt, muss länger suchen, bis er erschwingliche Kla- SARA WINTER SAYILIR motten findet, die passen, gefallen und alltagstauglich sind – von rollstuhlgän- REDAKTORIN gigen Ankleidekabinen und modischen Ansprüchen ganz zu schweigen. Selbst ist die Frau, dachte sich die Mutter eines Rollstuhlfahrers und machte kurzerhand ihr eigenes Atelier für behindertengerechte Kleidung auf. Ob Özcan Ates¸ dort fündig wurde, lesen Sie ab Seite 10. Und Sie, liebe Leserinnen und Leser, bitten wir ebenfalls um Eigeninitiative: Schreiben Sie uns einen Brief! Stadtführer Hans Rhyner hat auf Seite 22 bereits vorgelegt.
BILD: TOBIAS SUTTER
Titelbild: Patrick Tombola
Editorial Initiative zeigen
Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre. Sara Winter Sayilir
10 Mode Das gewisse Etwas SURPRISE 387/16
14 Mexiko Tortillas für ein wenig Würde
BILD: BEAT CAMENZIND
BILD: LUCIAN HUNZIKER
BILD: PATRICK TOMBOLA
Inhalt 04 Aufgelesen Gratulation 04 Vor Gericht Eins, zwei oder drei 05 Basteln für eine bessere Welt Gehen Sie stempeln! 06 Porträt In der Sackgassenküche 08 Challenge League Tanzen statt Sprechen 09 Hausmitteilung Danke für den Rückenwind 22 Briefeschreiben Post für Surprise 24 Wörter von Pörtner Yogisches Schwingen 25 Kurzfilmtage «Und wieso bist du nicht gesprungen?» 26 Ausstellung Von PET und PLA 27 Storytelling Wahre Geschichten 28 Ausgehtipps Allianz gegen Rassismus 30 Verkäuferporträt International «Der feste Wohnsitz hat mein Leben verändert» 31 In eigener Sache Impressum
20 Strassenchor Voller Einsatz für die Kamera
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Aufgelesen News aus den 115 Strassenzeitungen und -magazinen in 35 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.
Weniger Wohnraum Dortmund. 20 Euro mehr als vor zwei Jahren muss ein Dortmunder für seine 40-Quadratmeter-Wohnung heute berappen. Da die Region neuerdings wieder wächst, verknappt sich der Wohnraum. Das betrifft besonders das untere Preissegment. Allein letztes Jahr verschwanden 1600 Wohnungen, die Sozialämter und Jobcenter als angemessen eingestuft hatten, vom Markt. Inzwischen gilt dieser bereits im mittleren Preissegment als «angespannt», bei durchschnittlichen Kaltmieten von 6 Euro pro Quadratmeter.
Mehr Magazine London. Es gilt als Mutterschiff der Strassenmagazine und feiert Jubiläum: «The Big Issue» aus Grossbritannien. 25 Jahre ist es her, dass Gründer John Bird sich vornahm, Entscheidungsträger und Gesellschaft mit dem Verkauf eines Strassenmagazins regelmässig an ihre Verantwortung für die Ärmsten von uns zu erinnern. Birds Idee machte Schule, heute besteht das Internationale Netzwerk der Strassenzeitungen INSP, zu dem neben The Big Issue auch Surprise gehört, aus mehr als 100 Zeitschriften in 35 Ländern.
Schlaue Sprache Nürnberg. Jenische wissen mehr: Die Sprache dieser Fahrenden basiert auf dem deutschen Wortschatz des Mittelalters, der durch verfremdete, erfundene und anderen Sprachen entlehnte Wörter angereichert wurde. Ziel war es, nicht von allen verstanden zu werden, da die Sprechenden ihr Brot auf allerlei Weise verdienen mussten, teils legal, teils illegal. Das Wort Jenisch selbst leitet sich wohl auch deshalb vom Romanes-Wort «džan» für «wissen» ab, da die Sprecher mehr wussten als NichtEingeweihte.
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Vor Gericht Eins, zwei oder drei Die Sache ist eine Prügelei unter jungen Männern im Rahmen eines Bar- und Pubfestivals in der Eishalle einer Zürcher Kleinstadt. Mit dem typischen Verletzungsbild: Mehrere blaue Augen, bei zwei Beteiligten gab es Schnittwunden zu nähen. Der Angeklagte soll einem Widersacher eine Bierflasche über den Schädel gezogen haben – was er aber kategorisch in Abrede stellt. Gegen drei Uhr musste der Angeklagte aufs Klo und bahnte sich seinen Weg durch die Menge in Richtung WC im hinteren Teil der Halle. «Nein, sorry, ich ging Richtung Ausgang.» – «Allein oder in Begleitung?», will der Gerichtsvorsitzende wissen. Mit seinem Kollegen, sagt der Angeklagte. Der sei vorausgegangen. Oder nein, korrigiert er sich. Sein Bruder habe ihn begleitet, und der sei vor ihm gegangen. Der als Auskunftsperson vorgeladene Bruder war sich aber sicher, dass er dem Angeklagten mit einigem Abstand gefolgt war und «die Situation», als er ihn eingeholt hatte, bereits «hitzig» gewesen sei. Er sei mit zwei, also nein, eigentlich nur einem Kollegen da gewesen. – «Wie jetzt?», fragt der Richter. «Also schon zwei Personen, aber nur einer war ein Kollege, der andere eher ein Bekannter.» Fest steht zumindest, dass sich der Angeklagte und der Geschädigte seit der Schulzeit auf dem Kieker haben. Als sie im Getümmel aufeinandertrafen, tauschten sie ein paar Nettigkeiten aus. «Scheiss-Jugo» habe das mutmassliche Opfer dem seit Kindesalter Eingebürgerten ins Ohr geflüstert. Dieser erklärt dem Gericht mit breiter Zürischnurre: Der Typ habe Glück, dass er, der Angeklagte, so «en liebe Siech» sei. Denn, so der Angeklagte weiter, Kläger und Konsorten würden in rechts-
extremen Gruppen rumhängen und seien ihm schon öfter so gekommen. «Haben Sie Alkohol konsumiert?», fragt jetzt der Richter, und der Angeklagte sagt verdutzt: «Hä?» – «Fühlten Sie sich alkoholisiert?», hakt der Richter nach. «Angetrunken», schätzt der Angeklagte. Etwa vier oder fünf Wodkas seien es schon gewesen, an die Anzahl Biere könne er sich nicht erinnern. Dies dürfte der durchschnittliche Pegel der Besucherinnen und Besucher gewesen sein. Entsprechend schwanken die Zeugenaussagen: Sie beschreiben ein Gerangel, an dem zwei oder vier oder fünf Personen beteiligt waren. Mal liegt am Schluss der eine, dann wieder der andere am Boden. Nur in einem waren sich die Zeugen, alles Kolleginnen und Kollegen des Klägers, sicher: Der mit der Flasche, das war der Angeklagte. Dass ein anderer Handverletzungen hatte, die man sich typischerweise zuzieht, wenn man jemandem eine Flasche über den Kopf haut, konnte sich niemand erklären. Diese Frage stellte sich dem erstinstanzlichen Richter offenbar gar nicht, der in seinem Urteil dafür mahnend das Bundesgericht zitiert: «Bei der Prüfung von Aussagen steht deren kritische Analyse im Vordergrund.» Er spricht den Angeklagten so glatt schuldig, dass der Schluss naheliegt, dass auch er, der Richter, betrunken war und mit seinem Verdikt schönste, wenn auch teure, Realsatire liefert. Immerhin beeilte sich die zweite Instanz: In weniger als drei Minuten war der Angeklagte vollumfänglich freigesprochen und dessen Glauben an den Rechtsstaat wieder einigermassen hergestellt.
Yvonne Kunz ist seit 2008 als akkreditierte Gerichtsberichterstatterin wöchentlich an den Gerichten des Kantons Zürich unterwegs.
Priska Wenger ist Illustratorin in Biel und New York. SURPRISE 387/16
ILLUSTRATION: WOMM
Basteln für eine bessere Welt Gehen Sie stempeln! Wer arbeitslos ist, geht im Volksmund «stempeln», auch wenn die Pflicht, wöchentlich bei der Arbeitslosenkasse vorstellig zu werden und einen Stempel abzuholen, in dieser Form heute nicht mehr existiert. Zu Unrecht abgestempelt fühlen sich viele trotzdem, sobald sie auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Wir wollen dem entgegenwirken und zeigen, wie schön das Stempeln sein kann.
Sie brauchen: 1 Chinakohl oder Radicchio 1 grosses Stempelkissen in der Farbe Ihrer Wahl 1 Messer Haushaltspapier Briefpapier oder Postkarten, unbedruckt
2. Pressen Sie die Schnittseite auf das Stempelkissen und bestempeln Sie nach Lust und Laune Briefpapier, Postkarten oder Briefumschläge. (Variationen mit dem Strunk anderer Kohlarten sind möglich.)
1. Schneiden Sie mit einem scharfen Messer den Strunk vom Kohlkopf und lassen Sie diesen 5 Minuten mit der Schnittseite nach unten auf einem Haushaltspapier trocknen.
3. Verarbeiten Sie den Kohlkopf zu einem leckeren Gericht.
Zu guter Letzt: Schreiben Sie uns auf Ihrem frisch bedruckten Papier einen Brief! Wohin und warum, lesen Sie auf S. 22.
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Porträt In der Sackgassenküche Das Berner Dead End ist Partylokal, Notschlafstelle und Gassenküche in einem. Seit 25 Jahren steht Hobby-Boxer Ueli Schürch hier vor der Tür – und zweimal die Woche auch am Kochtopf. VON GISELA FEUZ (TEXT) UND ANNETTE BOUTELLIER (BILD)
Strassenmusiker, die jedes Jahr kommen, Menschen, die hoffen, irgendwo Arbeit zu finden, und manchmal bringt die Polizei Flüchtlinge, die aus irgendeinem Grund aus den Aufnahmezentren geflogen sind», sagt Schürch. Wer eine Nacht im Sleeper verbringt, der kann auch am nächsten Abend sein Bett behalten und seine Habseligkeiten tagsüber deponieren. Selber muss man die Räumlichkeiten allerdings nach dem Frühstück um zehn Uhr verlassen. «Wir sind kein Zuhause», sagt Schürch bestimmt. «Wer zu uns kommt, der ist wirklich unten angekommen und muss schauen, dass er den Aufstieg wieder schafft.» Trotzdem habe es auch schon Menschen gegeben, welche über ein Jahr lang im Sleeper übernachtet hätten – anders als in den anderen Berner Notunterkünften gibt es im Dead End keine Obergrenze, was die Übernachtungsdauer anbelangt. «Wenn jemand arge gesundheitliche Probleme hat oder sich für eine andere Wohnlösung anbietet, dann nehmen wir mit Behörden oder Ämtern Kontakt auf. Ansonsten aber lassen wir die Leute in Ruhe», erklärt Schürch. Das niederschwellige Übernachtungsangebot – wer ins Dead End kommt, muss sich nicht ausweisen, sondern einfach die fünf Franken bezahlen und darf auch einen Hund mitbringen – wird rege genutzt. Im Winter beträgt die Auslastungsrate stets 100 Prozent, im Sommer meist auch. Klar, der Musik- und Partylärm vom Club unten sei natürlich beträchtlich. «Aber spätestens ab der zweiten Nacht ist jeder so müde, dass er in jedem Fall schlafen kann», sagt Schürch. Während oben 18 Menschen froh sind um ein Dach über dem Kopf, toben sich unten im Club Partyfreudige aus. Der Club Dead End öffnet seine Pforten immer erst um Mitternacht, hat dafür aber bis sechs Uhr, an den Wochenenden manchmal noch länger geöffnet. Wer Einlass ins Dead End begehrt, der muss im Besitz einer Mitgliederkarte sein oder eine solche für 30 Franken erwerben. «Man bekommt es als Türsteher natürlich
Nein, bei ihm habe sich noch nie einer beschwert, sagt Ueli Schürch und rührt energisch im grossen Suppentopf. «Bei meinen 120 Kilo Körpergewicht überlegt man es sich vielleicht auch zweimal, ob man wirklich über das Essen meckern will», sagt er und lacht schallend. Seit rund 25 Jahren arbeitet Ueli Schürch im Dead End, dem berühmtberüchtigten Lokal in der Berner Innenstadt, welches Partyraketen bis in die frühen Morgenstunden Unterschlupf gewährt. Was viele nicht wissen: Das Dead End, benannt nach dem englischen Begriff für Sackgasse, erfüllt auch für Menschen in Not eine wichtige soziale Funktion. Mit den Bareinnahmen des Clubs werden nämlich eine Gassenküche und eine Notschlafstelle im gleichen Haus mitfinanziert – ganz ohne staatliche Unterstützung. Der Betrieb ist zudem auf Spenden angewiesen, und das obwohl Ueli Schürch, wie alle andern der rund 20-köpfigen Dead-EndBelegschaft, ehrenamtlich arbeitet – einzig Spesen werden ausbezahlt. Schürch erledigt in dem dreistöckigen Haus beim Henkerbrünnli gleich mehrere Jobs: Zum einen ist er an den Wochenenden im Club als Türsteher tätig, zum anderen kocht er zweimal die Woche in der Gassenküche. Ursprünglich hat der 50-Jährige eine kaufmännische Lehre absolviert und bei einem Temporärbüro Arbeitssuchenden Jobs vermittelt. Ein furchtbarer Sklaventreiber-Job sei das gewesen, sagt Schürch, aber verdient habe er dabei gut. Dummerweise habe er die Steuern nicht einkalkuliert. Als er dann zu Lohnpfändung verdonnert worden sei, habe er mit der ehrenamtlichen Arbeit im Dead End begonnen. In der Gassenküche kann man sich jeden Abend für fünf Franken verköstigen, wobei sich Ueli Schürch mit seinen Kochkünsten nicht zu verstecken braucht. Auf dem Menuplan stehen an diesem Dienstag Blumenkohlsuppe, Omelette mit Hackfleisch und Gemüsefüllung, gemischter Salat mit Spinatküchlein, und zum Dessert gibt es Aprikosenkuchen. Seine Gäste seien sehr durchmischt, sagt Ueli Schürch. Viele seien Junggesellen, die nicht «Wir könnten unsere 18 Betten jeden Abend mit Flüchtlingen kochen könnten oder nicht alleine essen wollfüllen. Aber wir wollen ein Ort sein, wo auch Einheimische in ten. Dann kämen natürlich auch einige Leute, Not Unterschlupf finden.» die auf der Gasse leben, teilweise schauen Studenten mit kleinem Budget vorbei, und von der hauseigenen Belegschaft ist auch immer der eine oder die andere vor mit allerlei Leuten in den unterschiedlichsten Zuständen zu tun», sagt Ort. 15 bis 30 Männer und Frauen werden so jeden Abend im Dead End Ueli Schürch. Manchmal werde man ordentlich angepflaumt, wenn man bekocht, gibt es Reste, werden diese wiederverwertet oder aber in der jemandem den Eintritt versagt. Aber Beleidigungen können den 1,85 Notschlafstelle Sleeper im ersten Stock deponiert, wo ab 22 Uhr diejeMeter grossen Schrank von einem Mann, der in seiner Freizeit regelnigen Leute eintrudeln, welche ein Bett für die Nacht brauchen. mässiger Gast in einem Boxkeller ist, kaum aus der Fassung bringen. «Wir haben ein Zimmer für Schweizer, eines für Ausländer und eines Es ist fraglich, wie viele von den Leuten, die sich im Dead End verfür Frauen. Die Einteilung mag komisch erscheinen, hat aber mit der akgnügen, überhaupt wissen, dass sich im ersten Stock eine Notuntertuellen Lage zu tun», sagt Ueli Schürch. «Wir könnten unsere 18 Betten kunft befindet. Es scheint, als hätten diese zwei Welten kaum Berühjeden Abend mit Flüchtlingen füllen. Aber wir wollen ein Ort sein, wo rungspunkte. Bindeglied sind einzig Leute wie Ueli Schürch, die hier Tag auch Einheimische in Not Unterschlupf finden. Darum diese Einteilung», für Tag unentgeltlich ihre Arbeit verrichten. Viele der Mitarbeiter und erklärt er. In den drei schmalen Gästezimmern stehen mehrere zweiMitarbeiterinnen sind schon seit über 20 Jahren dabei. Dadurch herrsche stöckige Kajütenbetten. Auf manchen Betten herrscht Chaos und Unordeine sehr familiäre Atmosphäre unter der Belegschaft, so Ueli Schürch. nung, in Plastiksäcken stecken dreckige Kleider. Andere Betten wiede«Ist jemand in Not in der Dead-End-Familie, dann wird ihm geholfen. rum sind fein säuberlich gemacht, auf dem Kopfkissen liegt einzig ein Das gibt einem ein saugutes Bauchgefühl und ist eine Erfahrung in meiKoran. «Wenn Schweizer bei uns landen, dann ist oft Drogen- oder Alnem Leben, die ich nie und nimmer missen möchte», sagt Schürch bekoholmissbrauch ein Thema. Leute aus dem Ausland kommen meistens stimmt, bevor er schwungvoll ein paar Zucchetti mit dem scharfen Mesaus ganz anderen Gründen zu uns», erklärt Ueli Schürch. «Da gibt es die ser zu Leibe rückt. ■
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BILD: FLURIN BERTSCHINGER
Challenge League Tanzen statt Sprechen
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Spricht schneller Deutsch als der Kolumnist schreiben kann: Marina Ivanova.
dern umgegangen wird: «Man darf nicht nur den Sprachunterricht fördern, sondern muss auch die Lehrpersonen als interkulturelle Vermittler schulen, um bessere Integration zu schaffen.» Man könne die Schüler besser erreichen über Alternativen zur Sprache wie Tanz oder Musik. Damit weiche man das grosse Hindernis Sprache auf und bringe Ausländer und Einheimische zusammen. In ihrem Verein gibt es auch russische Volksmusik und Tanzgruppen, die an kulturellen Anlässen in der Zentralschweiz teilnehmen. Anfang Jahr besuchten sie eine Unterkunft für minderjährige Asylsuchende und machen bis jetzt Tanzprojekte mit ihnen. «Jugendliche aus verschiedenen Ländern im Asylheim haben mit
russischen Teenagern ohne Sprache und nur durch das Tanzen kommuniziert», erzählt Ivanova. «Das geht auch zwischen einheimischen und ausländischen Kindern in der Schweiz.»
BILD: FLURIN BERTSCHINGER
Den Blick auf die Strasse gerichtet sitzt Marina Ivanova auf einer grünen Bank im Luzerner Café Mövenpick, wo sie sich sonst oft mit Freunden trifft. Vornübergebeugt, die Unterarme auf den kleinen Holztisch gestützt, hält sie ihr Smartphone in den Händen und schreibt sehr schnell. Aus den Augenwinkeln beobachtet sie ihre Umgebung, manchmal hebt sie den Kopf und schaut auf die Strasse, ehe sie ihre Aufmerksamkeit schnell wieder dem Handy widmet. Marina habe ich über einen kirgisischen Freund kennengelernt, der wie ich Journalist ist und in Luzern wohnt. Sie stammt aus der südrussischen Grossstadt Rostow am Don. Nach dem Gymnasium reiste sie 1986 zum Pädagogikstudium nach Jena, damals noch DDR. Nach dem Abschluss ihres Bachelors ging sie zurück in ihre Heimatstadt, wo sie doktorierte und an der Pädagogischen Hochschule als Professorin unterrichtete. «Ich liebe Kinder», sagt sie, «deshalb habe ich Kinderpädagogik studiert.» 2007 kam sie mit ihren zwei Töchtern in die Schweiz. Ihr Ex-Mann, der damals als Geschäftsführer in Luzern arbeitete, zog die Familie nach. Nach zwei Jahren in der neuen Heimat trennten sie sich. Während sie ein SMS schreibt, hebt Marina Ivanova den Kopf und erzählt: «Ich habe mich während fast zwei Jahren auf Stellen als Lehrerin oder Pädagogin bei vielen Schulen beworben, aber immer Absagen bekommen.» Statt zu arbeiten, gründete sie 2009 den Russischen Verein der Zentralschweiz und die russische Schule Chayka/Möve für Kinder und Erwachsene in Luzern. «Ich wollte nicht mit all diesen Absagen zuhause sitzen und mich als gescheitert empfinden.» Sie ist Präsidentin des Vereins, der im Kanton Luzern offiziell Kurse in «heimatlicher Sprache und Kultur» anbieten darf. Diese richten sich als freiwilliges Angebot an zweiund mehrsprachige Kinder und Jugendliche und sind komplementär zur Volksschule. Seit 2011 hat Ivanova zudem den langersehnten Job als Lehrerin: An der Volksschule der Obwaldner Gemeinde Lungern unterrichtete sie Deutsch als Zweitsprache für ausländische Kinder. Am Anfang sei es nur eine 20-Prozent-Stelle gewesen, sagt sie. Aber der Schulleiter sei so positiv überrascht gewesen, dass nach drei Monaten auf 60 und schliesslich auf 100 Prozent aufgestockt wurde. «Ich habe wirklich mit dem Herzen gearbeitet», sagt Ivanova und lächelt schelmisch. Mittlerweile arbeitet Ivanova im näher gelegenen Horw, ebenfalls als Lehrerin für Deutsch und Englisch als Fremdsprache. Ihr Traumberuf aber wäre es, an der pädagogischen Hochschule im Bereich Interkulturelle Kompetenz zu dozieren. Sie äussert feine Kritik daran, wie im Bildungssystem mit Auslän-
Der kurdische Journalist Khusraw Mostafanejad, 31, wurde 2015 in der Schweiz vorläufig aufgenommen. Während des Interviews mit Marina korrigierte sie seine grammatikalischen Fehler im Deutschen.
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Lange haben wir uns gefragt: Wieso kaufen unsere Leserinnen und Leser unser Magazin? Sie wollen die Verkaufenden unterstützen, war unsere Vermutung. Auch wenn wir uns für genau diese Solidarität immer einsetzen, haben wir an das Strassenmagazin einen Anspruch, der darüber hinausgeht: Wir möchten dank guter Qualität eine wichtige Stimme innerhalb der Schweizer Medienlandschaft sein. Aber nehmen Sie, liebe Leserinnen und Leser, uns so wahr? Wir wollten es wissen und führten diesen Sommer eine grosse Leserbefragung durch. Deren Ergebnisse haben wir Ihnen Anfang Oktober in Ausgabe Nr. 385 vorgestellt. Wir wissen nun mehr darüber, für wen unser Redaktionsteam schreibt. Und wir haben noch viel mehr erfahren. Die vielen frei formulierten Rückmeldungen lassen sich grob in drei Gruppen unterteilen: Erstens loben Sie häufig die thematische Vielfalt und Originalität. «Ihr behandelt Themen, die ich sonst nirgendwo finde», lasen wir da beispielsweise. Das Strassenmagazin wird sogar als Trendsetter wahrgenommen: «Oft liest man bei euch Themen, die kurz darauf plötzlich in anderen Medien erscheinen.» Zweitens loben Sie die Qualität der journalistischen Arbeit. Typisch dafür sind Äusserungen wie: «Das erste Heft habe ich nur aus Solidarität gekauft und dann überrascht festgestellt, dass der Inhalt sehr spannend ist.» Und drittens nutzten viele Leserinnen und Käufer die Gelegenheit, ihre persönliche Wertschätzung für die Surprise-Verkaufenden zu äussern. Dieses Feedback gibt Hinweise auf die Gründe für den Erfolg des Strassenmagazins. Wir sind eines der wenigen Schweizer Printmedien mit steigenden Verkaufszahlen. Wie schafft man das in Zeiten des kostenlosen Zugangs zu In-
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formationen und der Dominanz der digitalen Kommunikation? Wir haben von Ihnen zwei erfreuliche Antworten darauf erhalten: Indem man die seriöse Recherche nicht aufgibt und ein eigenes Profil behält. Es stimmt offenbar nicht, dass Menschen nicht mehr bereit sind, für journalistische Arbeit etwas zu zahlen. Aber dann muss es sich eben auch lohnen. Die am häufigsten genannte Kaufmotivation bleibt der persönliche Kontakt zu den Verkaufenden und der Wunsch, diese direkt zu unterstützen. Das ist manchen von Ihnen so wichtig, dass Sie sich sogar darüber beschweren, dass wir «bei jeder Gelegenheit» für SurpriseAbos werben: «Mir ist doch der persönliche Kontakt so wichtig», schreibt ein Leser, «warum sollte ich Surprise denn abonnieren?!» Offensichtlich fördert (wiederkehrende) Begegnung den Wunsch unserer Kundschaft, solidarisch zu handeln. Sie interessieren sich aufrichtig für die Geschichten der Verkaufenden und möchten noch mehr über sie lesen. Dennoch legen die Umfrageergebnisse nahe, dass die Solidarität allein den Erfolg des Strassenmagazins nicht erklärt. Über 74 Prozent der Befragten nannten auch das Interesse an den Inhalten als Kaufmotivation. Qualität und persönlicher Kontakt sind also die zwei starken Standbeine des Strassenmagazins. «Weiter so», ist die dominierende Botschaft aus der Leserbefragung. Keine Sorge, falls Ihnen langsam mulmig wird: Es gab auch Kritik, die wir uns zu Herzen nehmen. Zum Beispiel bleibt es eine Herausforderung, das positive Image unserer Verkaufenden zu stärken: Mit dem Heftverkauf gehen sie einem Job nach und übernehmen Verantwortung für sich selbst. Die Erkenntnisse aus der Befragung spornen uns weiter an. Und wir meinen es ernst mit der
BILD: TOBIAS SUTTER
Hausmitteilung Danke für den Rückenwind!
konkreten Unterstützung der Verkaufenden: Erst kürzlich haben wir durch eine Lohnerhöhung den Erfolg des Strassenmagazins an sie weitergegeben. Wir danken allen Leserinnen und Lesern, die an der Umfrage teilgenommen haben, für den Rückenwind! Paola Gallo Geschäftsleiterin Surprise
Falls Sie die Ausgabe mit den Ergebnissen der Leserumfrage verpasst haben und neugierig geworden sind: Sie finden diese auch online unter www.strassenmagazin.ch
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Weil sie keine passenden Klamotten für ihren an Muskeldystrophie erkrankten Sohn fand, griff Anneli Cattelan selbst zu Nadel und Faden. Mittlerweile führt sie ein erfolgreiches Modeatelier für Menschen mit Behinderung.
Mode Das gewisse Etwas
VON ANNEKATRIN KAPS (TEXT) UND LUCIAN HUNZIKER (BILDER)
Einstieg vor sechs Jahren. Mit ihrer damaligen Geschäftspartnerin präsentierte sie ihre Kindermode im Schweizer Paraplegiker-Zentrum, einer Spezialklinik für Querschnittgelähmte im luzernischen Nottwil. Nicht nur fanden die Hosen und Jacken Anklang, die beiden Frauen wurden auch nach Kleidung für Erwachsene gefragt. Die Zusammenarbeit mit der ehemaligen Partnerin scheiterte zwar, aber Anneli Cattelan liess sich nicht beirren. «Ich wollte nicht gleich wieder aufhören.»
«Unser Sohn fällt auf, doch wenn er schon auffällt, dann soll er wenigstens schön sein», sagt Anneli Cattelan mit einem Lächeln. Der 18jährige Mattia trägt stolz seine neue Lederjacke. Das Muster des weichen Vintage-Leders verweist auf den Anfangsbuchstaben seines Vornamens. Aber es sind andere Details, die das Kleidungsstück besonders machen: zum Beispiel der zusätzlich an den Armen verlaufende Reissverschluss. Kunden in der ganzen Schweiz Denn wenn man wie Mattia im Rollstuhl sitzt, sind solche Extras enorm Heute leitet Cattelan den gemeinnützigen Verein Amiamo. Mit viel hilfreich. Der junge Mann leidet an Muskeldystrophie des Typs DuchenHerzblut führt sie auch die Geschäfte. Unterstützt wird sie von der Mone. Die Erbkrankheit tritt sehr selten auf, betroffen sind nur Männer. dedesignerin Rahel Motschi und einem Buchhalter. Die Suche nach ProDie Muskelschwäche beginnt in den Beinen und greift mit zunehmenduzenten, Administration und Kundenbesuche gehören zu Cattelans dem Alter auch auf die Muskulatur der Arme und Schultern über. Aufgaben. Dies führte sie schon bis in die Westschweiz und ins Tessin, In seinem Elektro-Rollstuhl ist Mattia mit dem dichten braunen Haarweil nicht alle Kunden selbst zur Anprobe kommen können. Cattelan schopf relativ selbständig unterwegs. Für das Anziehen ist er jedoch auf sucht auch die Grafiker und Fotografen aus, welche die Messeprospekfremde Hilfe angewiesen. Das gilt auch für die Körperpflege. Für jeden Toilettengang braucht er eine helfende Person – und praktische Klamotten. Das begrenzte An«Ich wollte Kleider zu sozialverträglichen Preisen entwerfen, gebot liess seine Mutter selbst zu Nadel und welche die Persönlichkeit des Menschen und nicht seine BeSchere greifen. «Je grösser er wurde, umso imhinderung betonen.» mobiler wurde er auch», erinnert sich Cattelan. Praktische Hosen mit einem rundum verlaute von Amiamo gestalten. «Messen sind unser Aushängeschild, wir hafenden Gummizug beispielsweise gebe es für Kinder ab zehn Jahren ben keinen Katalog oder Onlineshop», erklärt Anneli Cattelan. nicht mehr, abgesehen von Trainerhosen. Eine massgeschneiderte Hose Der Löwenanteil ihrer Arbeitszeit geht jedoch fürs Fundraising drauf, für Mattia hätte im Schnitt 250 Franken gekostet, zu viel, fand Anneli wie man die Mittelbeschaffung für gemeinnützige Organisationen auf Cattelan. Ihre Notlage verwandelte die 48-Jährige in eine Geschäftsidee: Neudeutsch nennt. Allein ein Messestand bei der «Swiss Handicap», der «Ich wollte Kleider zu sozialverträglichen Preisen entwerfen, welche die Schweizer Warenmesse für «Menschen mit oder ohne Behinderung», Persönlichkeit des Menschen und nicht seine Behinderung betonen.» schlägt mit 8000 Franken zu Buche. Die massgefertigten Kleider werden Anfangs arbeitete die gebürtige Münchnerin überall in ihrem geräumiebenfalls zu einem Teil über das Fundraising finanziert. Das funktioniegen Einfamilienhaus in Münchenstein. Auf dem Boden im Wohnzimmer re unter anderem, weil sie ehrenamtlich arbeite, sagt Anneli Cattelan, rollte sie die Stoffbahnen aus, schnitt sie anschliessend auf dem langen ihr Mann Sven amte als Präsident des Vereins. Zudem zahle das Atelier Esstisch zu. Fürs Nähen ging sie ins obere Stockwerk, im Schlafzimmer keine Miete, da der Raum durch die private Hypothek der Familie gestand die Nähmaschine. «Das ganze Haus war mein Atelier», beschreibt deckt ist. Dafür haben die Cattelans ihre Garage zur Schneiderwerkstatt die rotblonde Frau mit den vielen Lachfältchen den handwerklichen SURPRISE 387/16
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Will wie alle Jugendlichen cool aussehen: Mattia Cattelan in seiner neuen Lederjacke.
da geboren, einer Fehlbildung der Wirbelsäule und des Rückenmarks. mit Lichtschacht umbauen lassen. Mehrere Nähmaschinen stehen auf Zusätzlich ist sein Rücken durch eine Skoliose seitlich verkrümmt. Weil den Tischen an der Seite, in einer Ecke ein Bügeleisen auf einem groser sich nicht durch eigene Muskelkraft gerade aufsetzen kann, wurde sen Plättbrett. Unter dem quadratischen weissen Tisch in der Mitte sind der Rücken operativ stabilisiert. Als Rollstuhlfahrer ist der Thurgauer Stoffe gestapelt, weitere liegen in einem Regal an der Wand. An einem selbständig unterwegs, der 1,67 Meter grosse Mann ist trotz schmaler Kleiderständer hängen Winter- und Regenjacken sowie verschiedene Taille kräftig gebaut, hat aber eher kurze Arme und Beine. Das macht Hosen. Anneli Cattelan greift nach einer lindgrünen Jeanshose. Diese es für ihn schwierig, passende Kleidung zu finden. hat auf Wunsch des Kunden am Bauch einen extratiefen Bund und ist am Rücken höher geschnitten. So engt sie vorn nicht ein und hält hinten trotzdem warm. Die «Wir Rollstuhlfahrer wollen auch modisch aussehen, Anneli Cattelan Hosenbeine sind extralang, damit die Beine des hat das begriffen», sagt Surprise-Verkäufer Özcan Ates¸. im Rollstuhl sitzenden Kunden gut abgedeckt sind. Der habe sich zusätzlich einen ReissverNormalerweise kauft Ates¸ Hosen und Pullover im normalen Detailschluss gewünscht, erklärt Cattelan, der entlang der Oberschenkel verhandel. Für die Anprobe muss ihm jedoch ein Freund helfen, oder er läuft. So kann er nämlich eine Urinflasche benutzen, statt für den aufkann die Kleidungstücke nur zuhause anprobieren und tauscht sie dann wendigen Transfer zur Toilette auf die Hilfe einer anderen Person angegegebenenfalls um. Selten verfügen die Läden über rollstuhltaugliche wiesen zu sein. Umkleidekabinen. Die Funktionalität der Modelle zeigt sich auch in anderen Details. Ates¸ zieht den Amiamo-Regenschutz «Rainbow» über und ist begeiWie die Lederjacke von Mattia laufen die meisten Kittel am Bauch breistert von der Passgenauigkeit. Da herkömmliche Regencapes meist voter aus. Viele der Kunden sitzen im Rollstuhl, die fehlende Bewegung luminös geschnitten sind, «haben Rollstuhlfahrer oft das Problem, dass lässt sie oft in der Leibesmitte zunehmen. Reissverschlüsse funktioniedie Kleider in die Räder kommen», sagt der 36-Jährige. Diesen Regenren bei Amiamo-Modellen grundsätzlich in zwei Richtungen, was beischutz könne er dagegen unter die Füsse klemmen, die Farben gefallen spielsweise die Ernährung einer Person per Magensonde vereinfacht. ihm ausserdem. «Wir Rollstuhlfahrer wollen auch modisch aussehen, Die Jacken haben ein zusätzliches Bündchen am Handgelenk, um die Anneli Cattelan hat das begriffen», sagt Özcan Ates¸ mit einem Lächeln. Kälte fernzuhalten. Denn immobile Personen frieren schneller, das Mittlerweile gebe es zwar auch andere Anbieter für Behinderten-CouWarmhalten ist ein wichtiges Thema. Ob abnehmbare Kapuzen oder zuture, «aber schweineteuer», erklärt der Dialyse-Patient freimütig. Er besätzliche Klettbänder an den Ärmeln: «Wir arbeiten nach den Bedürfkommt eine IV-Rente, Kleidergeld gehört nicht dazu. Dreimal die Woche nissen der Kunden», erklärt Cattelan. arbeitet Ates¸ als Surprise-Verkäufer am Zürcher Hauptbahnhof, wohnt Surprise-Verkäufer Özcan Ates¸ hört Anneli Cattelan interessiert zu aber in Bern. und will gern selbst mal etwas anprobieren. Ates¸ wurde mit Spina bifi-
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Passt genau und kommt nicht in die Räder: Surprise-Verkäufer Özcan Ates¸ mit dem Regenschutz von Amiamo.
Ein Jahr tüftelte Anneli Cattelan gemeinsam Reissverschlüsse funktionieren bei Amiamo-Modellen grundmit einem Klienten am Modell «Rainbow». Das sätzlich in zwei Richtungen, was beispielsweise die Ernährung fröhliche Ziegelrot wird von einem weissen Stoff einer Person per Magensonde vereinfacht. ergänzt, der selbstreflektierend ist. So ist der Träger tags und nachts gut sichtbar. Das Klei50 Prozent ihrer Zeit arbeitet die quirlige Powerfrau für Amiamo, den dungsstück ist atmungsaktiv und waschbar, die Weite von Ärmeln und Rest bei anderen ehrenamtlichen Projekten. Dem «Red Eagle Basel» beiKapuze lässt sich verstellen. Nach Cattelans Vorgaben hergestellt hat es spielsweise, der als Hockeyclub für Elektro-Rollstuhlfahrer mittlerweile die Rukka AG, ein auf zweckmässige und modische Regenbekleidung in der Nationalliga B mitmischt. Den Sportverein entwickelte sie gespezialisiertes Schweizer Unternehmen. «Funktionalität und Ästhetik meinsam mit einer Freundin, auch Sohn Mattia trainiert dort. sind für unsere Kunden gleich wichtig«, weiss Anneli Cattelan. Ihre KunAuch die Online-Plattform «Duchenne Schweiz» geht auf ihre Initiadinnen würden ob der schönen Materialien ihrer Kleider bewundert. tive zurück, bei der Schweizerischen Muskelgesellschaft ist sie die Ansprechperson in der Elterngruppe. «Und Giacumin ist auch noch da», Einmal im Jahr eine Auszeit antwortet sie lächelnd auf die Frage, wie sie das alles unter einen Hut Die Geschäftsführerin kauft von den Stoffen jeweils nur wenige Meter bringe. Mattias 15-jähriger Bruder ist aktiver Triathlet. Auch Therapieein, dafür immer wieder neue, was die Auswahl erhöhe. Die Kundschaft hund Bunny, ein neugieriger Labrador, sorgt für zusätzliche Arbeit. – Querschnittgelähmte, Multiple-Sklerose-Betroffene oder auch halbseiMöglich sei das durch eine straffe Organisation, aber vor allem, weil tig gelähmte Fussgänger – schätze es, dass sie die Stoffe anschauen und «die Pflege ein guter Selbstläufer geworden» sei. Und einmal im Jahr anfassen oder sogar nach ihren Vorstellungen auswählen könne. nimmt Cattelan sich zwei Wochen aus allem raus, diesen Mai tankte sie Wurde einem Kunden ein Entwurf angepasst, lässt Cattelan diesen in bei einer Ayurveda-Kur in Sri Lanka neue Energie. zwei Lehrateliers zu einem fertigen Kleidungsstück verarbeiten. In Sierre ■ werden die Jacken gefertigt, die Hosen in Willisau. Falls danach noch Änderungen nötig sind, erfolgen diese wieder im Atelier in Münchenstein. Hosen sind am gefragtesten, circa 100 Stück werden pro Jahr angefertigt. Bis Mitte September 2016 wurden bereits 30 Regencapes verkauft, und «mit 20 verkauften Jacken haben wir unser Jahresziel schon fast erreicht», sagt Cattelan froh. Die Preise für die Kleidungsstücke variieren je nach Aufwand, der Preis für eine Hose liegt zwischen 150 und 320 Franken. Viele Kunden können sie über die Stiftung Cerebral verrechnen, teilweise übernimmt die IV anteilige Kosten. SURPRISE 387/16
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Mexiko Tortillas für ein wenig Würde Weit im bitterarmen Osten Mexikos helfen Dörflerinnen den Migranten, die auf Güterzügen ihr Leben riskieren, um in die USA zu gelangen. In den Medien werden sie gefeiert, vom Staatspräsidenten haben sie einen Preis erhalten – die eigenen Nachbarn aber misstrauen ihnen.
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VON PATRICK WITTE (TEXT) UND PATRICK TOMBOLA (BILDER)
Eine Möglichkeit, um nach Norden an die mexikanisch-amerikanische Grenze zu kommen, sind Güterzüge. Frühmorgens, noch im Dunkeln, klettern Männer und Jugendliche, aber auch Mütter mit Kleinkindern auf die meterhohen Dächer der Zugwaggons, quetschen sich in die schmalen Zwischenräume, nicht mehr als eine kleine Metallbox mit kniehohem Gitter. 100 US-Dollar zahlen die Migranten den Narco-Gangs, nur um auf die Züge aufsteigen zu dürfen. Kontrollierende Polizisten halten ebenfalls die Hand auf. Dazu Entführungen, vor allem von Migrantin-
Wenn die Güterzüge sich dem Dorf nähern, Richtung Norden, Richtung USA, dann schwärmen die Schwestern Norma, Rosa und Bernarda aus. Einsatz, im Laufschritt die 150 Meter von der Küche über den Hof, auf den staubigen, von Schlaglöchern übersäten Dorfweg bis zum ungesicherten Bahnübergang mitten in der mexikanischen Einöde. Ausgerüstet mit weissen Plastiktüten und Wasserflaschen reihen sie sich mit ihren Helfern am Gleis auf. Nach links, nach rechts – ein Spalier der Hilfe. Unterhalb Migranten sind Freiwild für korrupte Polizisten und Drogenkartelle. des Gleisbetts, im Schotter, nehmen die Frauen dann die heranpreschenden Güterzüge ins ViDie Hoffnungen der einen sind das perverse Einkommen der anderen. sier. Mal zu viert, mal zu zehnt. Jeden Tag, seit 20 Jahren. Das ohrenbetäubende Pfeifen der nen: Bis zu 2000 US-Dollar fordern die Gangster von den bereits völlig Güterzüge durchdringt hier jedes Haus, jede Hütte in diesem Viertel des verarmten Familien in den Heimatländern. Wer nicht zahlen kann, wird 3500-Seelen-Ortes La Patrona in Mexikos Bundesstaat Veracruz, weit im umgebracht. Oder vergewaltigt und zur Prostitution gezwungen. Osten des Landes. Nur eine Armlänge entfernt sind sie dann von den Stahlwänden der Am Anfang war eine Packung Milch Waggons, die in Schmutziggelb, Türkis, dann wieder in Rostbraun an Auf den Zügen sind die Migranten der gleissenden Sonne am Tag und ihnen vorbeirollen. Mal zwei, mal fünf Minuten, je nach Länge des Zuder beissenden Kälte in der Nacht ausgeliefert. Sie nennen den Zug nur ges. Norma reckt wie all die anderen den Kopf, fast bis in den Nacken, «La Bestia», und das Ungeheuer verzeiht keinen Fehler. Auf dem Wagkneift wegen des Fahrtwinds die Augen zusammen und hält Ausschau: gon erschöpft einzuschlafen, vom Zug herunterzufallen, kostet viele Arnach einer Baseballkappe, einer Schulter, einem Arm, der sich zwischen me, Beine oder das Leben. Dazu hat kaum jemand passende Kleidung, den Waggons herausschiebt und eine der Tüten oder Flaschen haben die Vorräte in den kleinen Rucksäcken sind schnell aufgebraucht. Die möchte. Haben muss: Denn das Wasser und die mit Bohnen, Tortilla Migranten reisen ohne Hilfe. Bis sie den ungesicherten Bahnübergang und Reis gefüllten Plastiksäcke sind für diese Passagiere die erste Mahlvon La Patrona passieren. zeit seit Langem. «Sie klebten wie Fliegen an den Zügen», erinnert sich Norma. Die 44Las Patronas nennt sich die Gruppe um die Schwestern, in AnlehJährige ist Sprecherin und Aushängeschild der Patronas. Streng nach hinnung an den Namen ihres Dorfes. Aber auch als Aufgabe: Patrona beten gebundenes schwarzes Haar, in ihrem vollen, freundlichen Gesicht deutet auf Spanisch Schutzheilige. Und für die blinden Passagiere auf schimmern Sommersprossen. Es fällt nicht schwer, sich die jugendliche den Zügen sind sie genau das. Wochen- und monatelang sind sie unterNorma vorzustellen, wie sie vor 20 Jahren mit ihren Schwestern Rosa wegs, Hunderttausende waren es allein im Jahr 2014. Sie kommen vor und Bernarda Milch und Brot für das Frühstück kaufen sollte. «Wir musallem aus Guatemala, El Salvador und Honduras, alle mit dem gleichen sten an diesem Morgen am Bahnübergang warten, der Zug war wieder Ziel: die USA. voller Menschen. Vom ersten Waggon rief uns ein Mann zu. Dann einer vom dritten. Als schliesslich noch einer rief: ‹Madre, gib mir etwas, ich Erpressung, Vergewaltigung, Prostitution habe seit drei Tagen nichts gegessen!›, warfen wir einfach unser Brot Sie sind Flüchtlinge. Wollen weg aus ihren Ländern, von den Banund unsere Packung Milch auf den Zug», sagt Norma. denkriegen, von der Armut. Hoffnungen und Träume, aber auch ganz Die Hilfe ist einfach, doch in diesem Landstrich Mexikos bedeutet sie konkret Todesdrohungen und die eigene Familie schicken sie auf die geviel. Die Bewohner von La Patrona sind bitterarm, wie in so vielen Dörfährliche Reise. Honduras und El Salvador? Die Armenhäuser Zentralfern des Landes. Viele haben selbst nicht mehr als ein paar Bohnen und amerikas werden seit Jahren zerfetzt von den Massakern der Gangs. Reis pro Tag, leben mit grossen Familien in zu kleinen, dunklen HäuWer sich weigert, Mitglied zu werden, steht auf der Abschussliste. Als sern. Ohne Einkäufe kommt hier besser kein Kind nach Hause. Doch Rettung bleibt vielen nur die Flucht. Dazu die Löhne in den USA: 20 statt Ärger gab es von Doña Leonilla, der Mutter von Norma, Rosa, Dollar die Stunde für harte Arbeit auf dem Bau. Mindestens. Das weiss Bernarda und acht weiteren Kindern, ein dickes Lob. Gut und richtig man nicht nur in Guatemala, wo der Lohn gerade einmal 2 Dollar behätten sie gehandelt. Mehr noch: Von nun an sollten sie jeden Tag den trägt. Pro Tag. Leuten auf den Zügen helfen. «Von Nächstenliebe kann man nicht imDie Migranten verbrennen ihre Pässe und überqueren zu Fuss die mer nur reden. Man muss sie auch leben», sagt die heute 78-jährige Dogrüne Grenze zwischen Guatemala und Mexiko. Den Weg durch das ña Leonilla. Land machen die Flüchtlinge ohne Papiere, und das bedeutet: möglichst Die Zeiten, in denen nur die Familie im Schatten ihres Avocadounsichtbar, ziemlich pleite und ohne Rechte, ohne Schutz. Migranten baums im kleinen Hof ein paar Tüten mit Bohnen, Reis und Tortilla füllsind in Mexiko Freiwild. Für korrupte Lokalpolizisten, aber vor allem für te, sie sind längst vorbei. Heute steht dort ein rosa-türkis gestrichener die Drogenkartelle, die man hier Narcos nennt. Erpressung, Entführung, Betonbau mit offener Küche. Auf den drei Flammen des modernen GasMenschenhandel: Die Hoffnungen der einen sind das perverse Einkomherds köchelt täglich bereits morgens das Wasser in den Töpfen. An der men der anderen.
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Undurchsichtige Frauen seien sie ...
... sagt man im Dorf über Rosa Romero Vazquez und ihre Schwestern, ...
... die den Migranten Tag für Tag entlang der Züge Essen und Wasser reichen. SURPRISE 387/16
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Alles begann mit einer Packung Milch, die sie einem Hilferufenden zuwarf: Seit 20 Jahren versorgt Norma Romero Migranten auf den Güterzügen in den Norden.
langen, geplättelten Arbeitsfläche rollen und packen Schwestern und Helfer Tortillas in Plastiksäcke, auf die der Slogan der Patronas gedruckt ist: «Las Patronas – die Verteidigerinnen der Würde des Migranten».
tagen nicht mehr besuchen, obwohl diese keine zwei Strassen von ihr entfernt wohnt. Der Sohn hat es verboten. Mit solch undurchsichtigen Frauen, sagt er, solle seine Mutter nichts zu tun haben. Anerkennung für die Patronas kommt von aussen. Und von oben. Ihre Arbeit wurde 2013 mit Mexikos renommiertem Preis der Nationalen Kommission für Menschenrechte ausgezeichnet. In dem spartanisch eingerichteten Aufenthaltsraum der Patronas hängen gerahmte Bilder von Norma mit Präsident Peña Nieto. Jetzt schreitet Norma in Jogginghose und einer Fleeceweste über dem T-Shirt durch den Innenhof, in jeder Hand ein Handy, eins zum Texten, das andere zum Telefonieren, und organisiert die Party zum Jubiläum von Las Patronas. Prominenz hat sich angekündigt, dazu die Presse, und Norma braucht noch eine Band. Die Frauengruppe aus der mexikani-
Der hohe Preis der starken Frauen Eine einfache gelbe Plane überdacht so gerade den Innenhof, durch kleine Löcher und Schlitze schiessen schmale Sonnenstreifen auf den zementierten Boden. Insgesamt 14 Frauen arbeiten hier. Schichtweise. Eine Mauer umgibt das Grundstück, in grossen Lettern prangt dort «Las Patronas». «Das ganze Dorf hält uns für verrückt», sagt Norma. «‹Warum helft ihr Wildfremden›, fragen sie uns. ‹Gebt lieber euren eigenen Leuten etwas zu essen!› Sie denken, wir machen Profit auf Kosten der Migranten, dabei sind wir nur reich im Herzen.» In Mexiko Heldinnen, sind die Patronas im eigenen «Das ganze Dorf hält uns für verrückt», sagt Norma. «Sie denken, Dorf Aussenseiter. wir bereichern uns auf Kosten der Migranten, dabei sind wir nur Norma sagt, die Türen zu den Patronas stünreich im Herzen.» den immer offen. Es trete nur niemand von den Dörflern ein. «Wir sind in Mexiko. Hier wollen schen Provinz ist auf der grossen Bühne angekommen. Ihre Einsatzpläne die Machos die Entscheidungen treffen.» Doch die Patronas verzichten aber schreiben sie noch immer mit Kugelschreiber am einfachen Holzmit Absicht auf Männer in ihrer Gruppe. Die können und sollen «zwar tisch in der Küche. gerne helfen, mit anpacken», aber Entscheidungen treffen die Frauen lieber alleine und einstimmig. Mehr Betten, weniger Tortillas Damit sind die Patronas nicht nur in ihrem Dorf eine Ausnahme, und Zwar weiss man nie genau, wann ein Zug durch das Dorf rauschen Norma ist sich sicher, die Rolle der Frau bereits verändert zu haben. wird. Doch mittlerweile rufen Unterstützer per Handy an. Und nach 20 Einerseits. Andererseits weiss sie aus eigener Erfahrung, dass «starke, Jahren erkennen die Patronas bereits am Pfiff eines Zuges, ob dieser nach selbständige Frauen in Mexiko einen Preis zu zahlen haben». Skepsis. Süden oder Norden fährt. «Manche Lokführer bremsen extra ab, wenn Misstrauen. Auch Gewalt. Norma darf ihre beste Freundin aus Kinder-
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sie durch unser Dorf kommen. Sie wissen, dass wir hier sind», sagt Norma stolz. Dass die Patronas Jubiläum feiern, hätte sie sich nie träumen lassen: «Wir dachten von Tag zu Tag, waren vor allem damit beschäftigt, genug Essen herbeizuschaffen.» Von Kauf auf Kredit und Abwaschhilfe gegen Essensreste haben sie sich schon lange verabschiedet. Heute können die Patronas von Spenden leben. Jeden Tag fährt Norma in ihrem Toyota-Pickup in die nächste Stadt, Córdoba, zu den übrig gebliebenen Torten und Muffins der Bäckereien, zu Fabriken, die ihr kiloweise Tortillas geben. Mit diesen Spenden laufen die Patronas zum Gleis. Halten die Tüten mit zwei Fingern an der Spitze hoch, damit sie nicht auf das Gleis gezogen werden. Sie freuen sich über das gebrüllte «Gracias!» der Migranten und über den Adrenalinkick am Gleis. Allerdings kommen sie immer häufiger mit vollen Körben zurück. Im Juli 2014 verabschiedete die mexikanische Regierung das «Programa Integral Frontera Sur». Die Bilder und Berichte über Hunderte von blinden Passagieren auf den Zügen stellten die gescheiterte Einwanderungspolitik Mexikos in ein grelles Licht. Kinder von gerade mal acht Jahren, allein auf den Zügen. Jugendliche, die Arme oder Beine verloren haben, die Entführungen von Frauen. All das wurde nicht zuletzt auch zu einem Problem für die mexikanische Regierung. Offiziell wurde der «Frontera Sur»-Plan also zum Schutz der Flüchtlinge verabschiedet. Doch in Wahrheit und mithilfe von schwarz gekleideten Sicherheitsleuten sorgt er vor allem dafür, dass statt 400 Migranten nur noch 40 pro Tag auf die Güterzüge steigen. Wenn überhaupt. Migranten und Informanten Dabei wollen nicht weniger Migranten durch Mexiko Richtung USA. Sie nehmen nur andere Wege. Auf Booten über den Ozean. Oder zu Fuss über das Land. Die Patronas müssen nun verdorbenes Essen aus den Tüten rauspicken, lagern Reis und Bohnen in grossen 30-Liter-Eimern. «Migration, die Hoffnung auf ein besseres Leben, wird niemals aufhören», da ist Norma sich sicher. «Es geht uns nicht um die Zahl, sondern ums Helfen.» Und tatsächlich fahren die Migranten nicht mehr an ihnen vorbei. Sondern kommen zu ihnen. Klopfen an das schwere, schwarz gestrichene Eisentor. Sie wissen: In dem rosa Haus der Patronas gibt es Stockbetten und mehr als achtzig Schlafmatten. Dazu Essen, medizinische Versorgung, Kleidung. Und falls einer der Migranten korrupte Lokalpolizisten oder Narcoerpresser anzeigen will, helfen die Patronas auch dabei. Dann fahren Norma oder Bernarda mit ihnen zu einer Wache der übergeordneten Federales, der Bundespolizei, die in Mexiko als nicht korrupt gelten. Damit lehnen sich die Frauen weit aus dem Fenster. Narcos oder Polizisten anzuzeigen, ist in Mexiko grundsätzlich keine gesunde Idee. Dass sie Migranten genau dabei unterstützen, wird die Patronas weiter ins Visier dieser Gruppen drängen. Norma weiss, dass es ein Risiko in dem Leben der Patronas gibt. Sie sagt: «Wir sind zu klein, zu unbedeutend, um Probleme mit den Kartellen oder der Politik zu bekommen.» Sie sagt wenig später aber auch: «Unsere Bekanntheit ist unser bester Schutz. Mit den Patronas will sich keiner so leicht anlegen.» Ob Norma und die Patronas den Spagat zwischen einfacher Hilfe am Bahndamm und grosser Politik richtig einschätzen, bleibt offen. «Uns ist 20 Jahre lang nichts passiert, warum sollte sich das in Zukunft ändern? Wir haben Erfahrung, erkennen, ob jemand ein Migrant ist oder ein Informant der Kartelle. Die lügen nämlich, erzählen mir das eine, meinen Schwestern etwas anderes. Wir halten einfach unsere Augen offen.» Gut möglich, dass die Patronas bald selbst eine Schutzpatronin brauchen. ■
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Ruhen sich von einem entbehrungsreichen Vier-Tages-Marsch aus: Migranten aus El Salvador im Hauptquartier der «Schutzheiligen».
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Strassenchor Voller Einsatz für die Kamera
Der Surprise Strassenchor erhielt Besuch vom Kultursender Arte. Das trieb die Sängerinnen und Sänger genauso zu Höchstleistungen an wie Moderator Knackeboul. VON BEAT CAMENZIND (TEXT UND BILDER)
«He, du, Schuhe ausziehen!», sagt ein junger Mann jedem, der den Saal am Basler Aeschenplatz betritt. Er stellt sich als David Kohler vor. Bekannter ist er unter seinem Künstlernamen Knackeboul. Der Langenthaler rappt, beatboxt, freestylt, tut seine Meinung kund und unterhält – als Beruf. An diesem Dienstagabend ist der 34-Jährige als Moderator unterwegs. Mit dabei ist Regisseurin und Kamerafrau Lilly Engel aus Berlin. Die beiden drehen für Arte – ein «öffentlich-rechtlicher europäischer Kulturkanal, der die Annäherung der Völker in Europa fördert» –
die Sendung «Stereotyp». Dabei wollen sie «Vorurteile über europäische Nationen ergründen, relativieren, bestätigen oder widerlegen». Ein Beispiel: «Es heisst ja, die Schweizer arbeiten viel. Aber die deutschen Drehtage sind um einiges länger als die hiesigen», stöhnt Kohler. Von den Schweizern wollen die beiden wissen, ob es hier auch Armut gibt. Denn das Klischee besagt, dass die Schweizer alle reich sind. «Was bedeutet das für nicht reiche Menschen?», schrieb ein Arte-Redaktor in seiner Ankündigungsmail wenige Tage vor dem Drehtag an den Verein Surprise. Der Plan: Engel und Kohler filmen den Surprise Strassenchor bei der Probe und reden mit Sängerinnen und Sängern
Action am Aeschenplatz: Surprise-Verkäufer Fabian Schläfli stellt sich den Fragen von Knackeboul.
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über Armut in der Schweiz. Möglichst wenig soll gestellt sein. Und: «Ich werde absichtlich naiv fragen», erklärt Kohler seine Strategie, während die Chormitglieder eine nach dem anderen den Probesaal betreten. Als Erste schnappen sich die Arte-Leute Paloma Selma, die bei Surprise den Chor organisiert. Sie muss die Geschichte und den Zweck des Chors erklären: «Er wurde 2009 gegründet, damit Surprise-Verkäufer soziale Kontakte knüpfen, ihre Sorgen vergessen und Glück erleben können.» Sänger Fabian Schläfli rennt vor die laufende Kamera, um sie zu unterstützen. Kohler stellt ihm gleich die Gretchenfrage: Kohler: Gibt es Armut in der Schweiz? Schläfli: Ja sicher, nur sieht man das hier nicht so gut. Kohler: Wieso, weil alle auf das Handy gucken? Schläfli: Nein, aber ohne uns Surprise-Verkäufer sieht man die Armut nicht. Das bringt Kohler auf die Idee, mit Schläfli am Aeschenplatz Surprise zu verkaufen. Schläfli stellt sich an die Strassenecke, Knackeboul preist lautstark das Heft an, Lilly Engel filmt die Szenerie. Die Passanten lächeln freundlich und lehnen ab oder sie behaupten: «Ich hab die Ausgabe schon.» Inzwischen ist auch Surprise-Geschäftsführerin Paola Gallo eingetroffen und wartet auf ihren Einsatz. Sie soll dem Sender erklären, was der Verein Surprise tut und wie die Situation der Randständigen in der Schweiz ist. Kohler: Gibt es Arme in der Schweiz? Gallo: Hier leben eine Million Menschen an und unter der Armutsgrenze. Rund 230 000 von ihnen beziehen Sozialhilfe. 60 Prozent aller Armutsbetroffenen in der Schweiz sind Kinder. Kohler: Wieso denkt man in Europa, dass alle Schweizer reich sind? Gallo: Man zeigt seine Armut nicht. Sie ist tabu. Die Leute werden stigmatisiert und schämen sich. Kohler: Wieso gibt es hier Arme? Gallo: Die Gesellschaft ist kapitalistisch geprägt und basiert auf Leistung. Hier gilt, ich arbeite, also bin ich. Auch 60 Prozent der Sozialhilfebezüger haben einen Job, verdienen damit aber einfach nicht genug zum Leben. Wer nicht mithalten kann, wird ausgegrenzt. Kohler: Sind die Schweizer gute Kapitalisten? Gallo: Die besten. Kohler: Wieso muss man die Armut zeigen? Gallo: Die Armut sieht hier anders aus. Niemand muss hungern, es gibt viele Institutionen, die Hilfe anbieten. Aber die Teilnahme am sozialen Leben ist für Armutsbetroffene schwierig. Drinnen im Saal hat sich der Chor warmgesungen. Kamerafrau Lilly Engel bringt sich in Stellung und filmt. Über 20 Menschen bewegen sich im Takt zu «Ayme», einem Roma-Lied. «Im Text beschreiben die Roma ihr Schicksal, dass sie überall vertrieben werden», erklärt Chorleiterin Ariane Rufino dos Santos in die Kamera. Etwas verspätet gesellen sich zwei Sängerinnen dazu. Die eine reiht sich ein und singt gleich mit, die andere redet nervös vor sich hin. Nach drei Liedern will Engel Aussenaufnahmen machen. Der Chor platziert sich auf dem Sockel der 13,5 Meter hohen Statue «Hammering Man» vor der UBS und singt das «Surprise-Lied». «Wir blühen auf in der Musik», lautet eine Zeile des Textes. Und das tut der Chor auch. Hier draussen singen alle noch ein bisschen lauter und bewegen sich ein wenig mehr zur Musik, Passanten spüren die Freude der Sängerinnen, bleiben kurz oder länger stehen und lächeln. Das spornt wiederum Knackeboul an. Er mischt sich unter die Sänger, sie sollen das gleiche Lied nochmal singen, damit er frisch von der Leber rappen kann. Das tut er mit Inbrunst, und Sängerin Claudia Wicki unterstützt ihn dabei. Später kann sich niemand mehr erinnern, was sie genau gesungen haben, aber gefallen hat die Freestyle-Einlage allen. SURPRISE 387/16
Müde vom Singen macht Kohler ein paar Selfies, mit einem Zuschauer kommt er sofort ins Gespräch. Dann ist Pause, die Chorsängerinnen bestürmen die Zuschauer und wollen wissen, ob es ihnen gefallen hat. Ein älterer Herr blickt ganz verzückt und nickt. Regisseurin Engel braucht noch zwei Chormitglieder für ein Gespräch: «Am liebsten Frauen, die Surprise verkaufen und nicht aus der Schweiz sind.» Bald stehen Jelena Hofer und Emsuda Loffredo-Cular zwischen ihr und David Kohler: Kohler: Gibt es Armut in der Schweiz? Loffredo-Cular: Ja, es gibt viele Arme in der Schweiz. Kohler: Aber hier sind doch alle reich? Hofer: Nein, es gibt Menschen erster, zweiter und dritter Klasse. Kohler: Wieso glauben denn im Ausland alle, dass die Schweizer reich sind? Loffredo-Cular: Das wissen wir auch nicht. Kohler: Helfen denn die Reichen den Armen? Loffredo-Cular: Ja, die Reichen geben den Armen hier genug. Es gibt hier viele arme Menschen, aber niemand muss hungern. Allen wird geholfen. Kohler: Also stimmt es doch, dass es hier wenig Armut gibt? Hofer: Ja. Zum Abschluss holen Engel und Kohler noch Renate Renz vor die Kamera. Die Frau lebt mit einer Behinderung und wenig Geld. Kohler: Gibt es Arme in der Schweiz? Renz: Ja, aber die Schweiz will gut dastehen, wahrscheinlich wegen der Touristen. Deshalb versucht man die Armut hier zu vertuschen und vertreibt die Armen. Hier in Basel hat die SBB einige Bänke vor dem Bahnhof abgeschraubt. Da sind immer Randständige gesessen. Kohler: Wie sind typische Schweizer? Renz: Arbeitsam. Bescheiden. Dann verabschieden sich die beiden Arte-Journalisten. Sänger Louis Nke hält sie auf. Er möchte noch ein Lied mit Knackeboul anstimmen. Kohler gibt die Human-Beat-Box, Nke rappt auf Französisch über den Rhythmus, das Lied klingt wie aus einem Guss – man könnte meinen, die beiden seien schon früher zusammen aufgetreten. Dabei haben sie sich eben erst kennengelernt. Der Chor ist fasziniert und applaudiert frenetisch. Chor-Leiterin Paloma Selma ist hocherfreut über den Abend. Ihr Fazit: «Die Sängerinnen und Sänger waren etwas aufgeregt, aber sehr präsent. Sie haben alles gegeben. Es sind alle in die Probe gekommen. Das ist selten. Die meisten wussten vom Drehtermin, aber niemand wusste, dass auch Knackeboul da sein wird. Nicht einmal ich.» Doch das hat auch keine Rolle gespielt. Denn vom Chor hat bisher kaum jemand den Rapper gekannt. ■ Die Sendung «Stereotyp» läuft ab Mai 2017 auf Arte.
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BILD: GUIDO SÜESS
Wörter von Pörtner Yogisches Schwingen Die Schwingsaison geht dem Ende zu. Ohne ein ausgewiesener Fan oder Fachmann zu sein, interessiert mich das Schwingen. Ich besuche hin und wieder ein Schwingfest, meist ein kleines, Mega-Anlässe wie das Eidgenössische meide ich. Dieses Interesse stösst in meinem urbanen Umfeld oft auf Unverständnis, ja Ablehnung. Ich solle doch das Schwingen den Bauern überlassen, was ich mit dieser ländlichen Kultur am Hut habe, werde ich gefragt. Der Hinweis, dass der Schwingklub der Stadt Zürich einer der ältesten des Landes ist und das Schwingen auch in der Arbeiterbewegung praktiziert wurde, stösst auf taube Ohren. Wenn ich ans Zürcher Kantonale gehe, muss ich meist nicht weit reisen, es findet manchmal in unmittelbar an die Stadt grenzenden Gemeinden statt, einmal weniger als zwei Kilometer von meiner Haustür entfernt. Ich ziehe fürs Schwingfest kein Edel-
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weisshemd an, sondern das, was ich immer trage. Ich bin durchaus als Städter zu erkennen. Das Schwingervolk, das nur zu einem kleinen Teil aus Bauern besteht, hat es mir noch nie verübelt oder den Wunsch geäussert, von meinereins in Ruhe gelassen zu werden. Im Gegenteil, man ist froh um das Eintrittsgeld und den konsumierten Most. Kommt das Gespräch in denselben Kreisen auf Yoga, für das ich mich ebenfalls interessiere, das ich sogar aktiv betreibe, fand noch niemand, ich solle es doch lieber den Indern überlassen, niemand fragt, was ich mit dieser fremden Kultur am Hut habe. Etwas erstaunlich ist es schon, dass die Tätigkeit, die ihren Ursprung in meiner unmittelbaren Umgebung hat, als exotischer und fremder empfunden wird als jene, die tausende Kilometer entfernt entwickelt wurde. Viele der Leute, die ich kenne, stammen aus dem suburbanen Bildungsbürgertum und vollziehen in ihrer Lebenszeit den Abstieg ins urbane Bildungsprekariat. Fürchten sie, sich mit dem Stallgeruch jener undefinierbaren Gegenden zwischen den grossen Ballungszentren anzustecken, wo das Wohneigentum zwischen Bauernhäusern und Kuhwiesen gedeiht und dem so viele von ihnen entstammen, doch mühsam entflohen sind? Sich mit fremden Kulturen und deren Traditionen – je älter desto besser – zu beschäftigen, ist hochangesehen. Die eigene Kultur, so fremd sie einem auch sein mag, interessiert weniger.
Fremde Bräuche stehen für Weltoffenheit, heimische Traditionen für Rückschrittlichkeit. Dabei haben Schwingen und Yoga unter anderem gemeinsam, dass ihre Herkunft umstritten ist und beides schon fast untergegangen war, bevor sie von sich nach Urtümlichem und Unverfälschtem sehnenden Leuten wiederentdeckt wurden. Beide boomen seit geraumer Zeit. Schwingen wird gleichgesetzt mit der SVP und ihren Werten. Dass die nationalistischen Hindus Yoga für ihre Zwecke instrumentalisieren, stört weniger. Indien liegt den Stadtbewohnern näher als Mostindien, sie waren eher schon in Goa als in Gachnang. Weil ich davon überzeugt bin, dass die Menschen im Grossen und Ganzen überall auf der Welt gleich sind, kommt es mir nicht drauf an, woher die seltsamen Bräuche stammen, für die ich mich interessiere. Eine Weltoffenheit, die ignoriert, was vor der eigenen Haustür passiert, wird auch kaum erfassen, wie es auf der Welt zu- und hergeht.
Gegen urbane Scheuklappen empfiehlt der Zürcher Autor Stephan Pörtner, den Sonnengruss mal auf Sägemehl zu probieren.
Sarah Weishaupt ist freie Illustratorin aus Basel. SURPRISE 387/16
Kurzfilmtage «Und wieso bist du nicht gesprungen?» Ob ABBA-Rausch, eine Raumkapsel als Eigenheim oder das alte Persien im Keller: Die Kurzfilmtage Winterthur zeigen, was dabei herauskommt, wenn Skandinavien über sich selbst nachdenkt.
Der Norden hat eine prägende Filmtradition, und die grossen Themen haben sich bis heute gehalten: die Beschäftigung mit der Gesellschaft genauso wie mit sich selbst. Anschauen kann man sich dies derzeit an den Internationalen Winterthurer Kurzfilmtagen.Die Sensibilität für Fragen wie «Wer sind wir?», «Wer bin ich?», «Wie leben wir?» ist im nordischen Filmschaffen immer wieder zu spüren. Ruben Östlund hat ein besonders feines Sensorium dafür. Der Schwede zeigte mit seinem Langfilm «Force Majeure» (2014), wie eine niedergehende Lawine im Skiurlaub einer Familie zwar keine Verletzten fordert, aber ein gewaltiges emotionales Erdbeben verursachen kann. In seinem Kurzfilm «Scen nr. 6882 ur mitt Liv» aus dem Jahr 2005 sehen wir, dass er seine spezifische Filmsprache schon früh gefunden hat. Bereits hier zeigt er auf eindrückliche Art, wie sich Gefühle und ganze menschliche Gefüge zu verändern beginnen, wenn ein kleiner Zwischenfall die Perspektive verschiebt. Der Kurzfilm, der auch formal aus dem Rahmen fällt, braucht dazu: eine Gruppe von Menschen, eine Brücke, einen geplanten Brückensprung und einen alten Mann auf einem Mofa. Es ist eine Szene, die inszeniert ist, als ob sie zufällig aus der Ferne gefilmt worden wäre. Ein einfachstes Konstrukt mit einem Dialog aus dem Off, der konsequent zu Ende gedacht ist. Der Norden, der sich in vielen Belangen als kulturelle Einheit versteht, wird oft als Vorbild gesehen, etwa was den Wohlfahrtsstaat oder die Gleichberechtigung angeht. Auf der anderen Seite macht die Überalterung dem gesellschaftspolitischen Modell zu schaffen, und die Probleme mit der Integration von Immigranten sind gerade auch in diesen Ländern, die die Gemeinschaftlichkeit so gerne feiern, ungelöst. «Man lebt quasi in einer idealen Gesellschaft, ist aber auch ein bisschen gefangen darin», sagt Programmkurator Andreas Bühlmann. «Dieser Widerspruch bildet sich in den Filmen ab. Oft nicht auf explizit politische Art, sondern indem die Probleme aufbrechen, wenn man in den eigenen vier Wänden sitzt.» Zum Beispiel, wenn Kaveh Tehrani in «1994» eine iranische Familiengeschichte vor dem Hintergrund von Norwegens Ruhm und Glanz erzählt: 1994 fanden die olympischen Winterspiele in Lillehammer statt, worauf der iranische Familienvater fast so stolz ist wie auf seine Rekonstruktion des alten Persien, die er bei sich zuhause im Keller zusammenwerkelt. Das krude Mockumentary – die Iraner reden zwar, bleiben aber stumm und werden konsequent Norwegisch übersprochen – zerreisst einem in seinem abstrusen Witz letzten Endes auch irgendwo das Herz. Mika Taanila (in Finnland ein bekannter Videokünstler und Experimentalfilmer) zeigt uns im Film «Futuro – A New Stance For Tomorrow», was eine Wohnkapsel über die Träume der Menschheit erzählt: ein Experimentalfilm über eine reale architektonische Idee der späten SURPRISE 387/16
BILD: KAVEH TEHRANI («1994»)
VON DIANA FREI
Ist der iranische Familienvater in Norwegen wirklich so gut angekommen?
Sechzigerjahre mit viel Retro-Chic. Und Jonas Åkerlund, der etliche Werbespots und Musikclips für bekannte Stars realisiert hat (zum Beispiel für Madonna, Coldplay, Lady Gaga), bietet mit «ABBA World» eine Art Bandporträt, das im Clip-Rausch zu einer Abhandlung über den Erfolg als Phänomen wird. Sie läuft letzten Endes auf die Frage hinaus, wo sich die (Selbst-)Inszenierung der Band noch mit einer Art von Wirklichkeit trifft. «Im Allgemeinen ist der Norden aber auch sehr bekannt für die ‹Straight Forward Fiction› – also für die klare, klassische Dramaturgie im Erzählkino», sagt Andreas Bühlmann. «Das hängt auch mit den Fördermechanismen zusammen. Schweden, Norwegen und Dänemark sind sehr stark der klassischen Filmtradition verhaftet, welche sich auch in der grossen TV-Serienindustrie manifestiert. Das sind auch die Länder, in denen die Filmförderung stark ist.» Das schwedische und das norwegische Filminstitut fördern Filme auf dem ganzen Weg von der Produktion bis zur Distribution, wobei auch das Fernsehen massgeblich beteiligt ist. «Im Vergleich zur Schweiz gibt es dort eine breiter abgestützte Industrie, und auch der Kurzfilm hat eine gewisse Relevanz. Bei uns ist es oft so, dass man ein, zwei Kurzfilme macht und dann zum Langfilm wechselt», sagt Bühlmann. «Im Norden nimmt man den Kurzfilm viel stärker als eigenständige Kunstform wahr und nicht einfach als Sprungbrett, um möglichst schnell im Langfilm bestehen zu können.» Und daher, kann man anfügen, kommt dabei auch viel Spannendes heraus. ■ Internationale Kurzfilmtage Winterthur, 8. bis 13. November www.kurzfilmtage.ch
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Kultur
Ausstellung Von PET und PLA Im interaktiven Material-Archiv des Gewerbemuseums Winterthur kann man Stoffe sinnlich kennenlernen. Und die Ausstellung «Bio oder Kunststoff – oder beides?» zeigt, was Materialkunde auch ist: nämlich Aufklärung über globale Zusammenhänge.
In Bezug auf sogenannte Biokunststoffe stellt sich die Frage: Wie öko sind sie wirklich? Biokunststoffe werden aus nachwachsenden Rohstoffen wie Holz oder Mais hergestellt. Aber welche Vor- und Nachteile haben diese Materialien? Antworten gibt es in der Ausstellung «Bio oder Kunststoff – oder beides?» im Gewerbemuseum Winterthur. In Ko-Produktion mit der Zürcher Hochschule der Künste entwickelt, hinterfragt die Ausstellung, ob und wie Biokunststoffe die Versprechen einlösen, die das Etikett «Bio» suggeriert. «Wenn aus Nahrungsmitteln Plastiksäcke hergestellt werden, kann durchaus die Gefahr bestehen, dass weltweit grosse Anbaugebiete für die Kunststoffproduktion wegfallen, mit Folgen wie Nahrungsmittelkonkurrenz, Monokultur und hohem Wasserverbrauch», sagt Mario Pellin, Co-Kurator der Ausstellung. Die Schau bietet eine Übersicht über das Feld. Eine Reihe von Informationstafeln mit Material-Beispielen führt in verschiedene Themenkomplexe ein und erklärt Phänomene wie die natürlich vorkommenden Polymere Naturlatex und Stärke. Gezeigt wird auch die Verwendung von Biokunststoffen jenseits von Verpackungsmaterialien, etwa in der Textilherstellung. Im Zentrum der Ausstellung steht der Vergleich von Biokunststoffen und ihren fossilen Gegenspielern: «Neben nachhaltigem Umgang sowohl mit fossilen als auch nachwachsenden Rohstoffen stehen Aspekte wie Entsorgung, Kompostierung und Recycling sowie ökonomische Zwänge zur Diskussion», so Kurator Pellin. Beispielhaft dafür stehen die Beispiele PET und PLA: PET ist grösstenteils erdölbasiert, nicht biologisch abbaubar und erfordert den Anbau von Zuckerrohr. Dafür ist es sehr gut wiederverwertbar. PLA hingegen ist ein Biokunststoff. Es wäre eigentlich kompostier- und recycelbar, wird in der Praxis aber herkömmlich entsorgt. Bisher gibt es keine Recycling-Anlagen für PLA. Auch Kompostierstellen nehmen das Material nicht in grossen Mengen an, da es Verarbeitungsprozesse blockiert und nur wenig in den Nährstoffkreislauf einbringt. Die Ausstellung zeigt, dass die Lösung nicht nur in den Händen von Ingenieuren oder Chemikern liegt. Auch Designer befassen sich mit Fragen der Nachhaltigkeit. «Wir alle sind in nächster Zukunft gefordert, als Konsumenten, Gestalterinnen oder Produzenten, denn es gibt noch immer keine eindeutigen und universalen Antworten», meint Pellin. Ein Stichwort dazu ist das sogenannte «Up-Cycling»: Gebrauchte Materialien werden zu qualitativ höherwertigen Produkten weiterverarbeitet, etwa in Form von dekorativen Objekten. Wertstoffe nennt man jene Materialien, die nach ihrem Gebrauch industriell wiederverwertet werden können. Schwierig dabei ist vor allem das Wort «können», denn was technisch machbar und wirtschaftlich rentabel ist, klafft häufig auseinander. Jenseits von Kosten-Nutzen-Rech-
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BILD: MICHAEL LIO/ALEXANDRA NOTH
VON PHILIPP SPILLMANN
Und plötzlich wird ein Stück Leder oder eine Keramikscherbe zur Offenbarung: Im Materialarchiv erfährt man jedes Detail. Über jeden Stoff.
nungen stellen sich zudem weitere Probleme. Die Recycling-Dachorganisation Swiss Recycling benennt in ihrem Leistungsbericht 2015 auch die Verfügbarkeit entsprechender Technologie oder Infrastruktur als bestimmende Faktoren für «sinnvolles» Recycling. Auch macht es wenig Sinn, ein Material zu recyceln, wenn der Umwandlungsprozess die Umwelt mehr belastet als das Herstellen neuen Materials. In der Ausstellung «Bio oder Kunststoff – oder beides?» berührt und beriecht man schon zahlreiche Materialien und erfasst dadurch einiges an ökologischen Zusammenhängen. Wer noch mehr begreifen und weiter schnüffeln will, geht weiter ins Material-Archiv des Museums. Das interaktive Labor stellt Materialien verschiedenster Art zum interaktiven Gebrauch zur Verfügung: So kann man etwa selber ertasten, wie wärmeleitend Metalle sind, oder herausfinden, wie Seide oder Banknoten riechen. Das Archiv gibt es bereits seit 2009, es wurde aber im Oktober grosszügig erweitert: «Der Umfang sowie die Dichte der Themen wurden vergrössert. Sie sind nicht nur anschaulicher aufbereitet, sondern auch stärker vernetzt», sagt Mario Pellin. Das Materialarchiv im Gewerbemuseum ist übrigens nicht das Einzige seiner Art, sondern mit anderen Institutionen über das Schweizerische Material-Archiv-Netzwerk verbunden. ■ Ausstellung «Bio oder Kunststoff – oder beides?», 2. Okt. bis 19. Feb. 2017, und Materialarchiv, Gewerbemuseum Winterthur, Kirchplatz 14, Di bis So, 10 bis 17 Uhr, Do, 10 bis 20 Uhr. www.gewerbemuseum.ch, www.materialarchiv.ch SURPRISE 387/16
BILD: CHRISTOPHER MARK GARSIDE
Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.
Jeder hat eine Geschichte zu erzählen. Hier wird sie zum bühnentauglichen Auftritt.
Storytelling Aus dem Nähkästchen des Lebens Seit 2014 sind in Zürich monatlich «Wahre Geschichten» zu hören. Im Fokus der Veranstaltungsreihe stehen Menschen, die Bewegendes aus ihrem Alltag preisgeben. VON MICHAEL GASSER
«Wir lieben Geschichten, die das Leben schreibt», betonen die Macher der Reihe «Wahre Geschichten». Und weil die beiden Initiatoren, Benedikt Vogel und Felix Kaiser, Leute wie Sie und mich dazu bewegen wollen, sich miteinander auszutauschen, richteten sie im Herbst 2013 einen Verein ein. Seit zwei Jahren bringt dieser einmal monatlich Menschen und ihre Storys auf die Bühne. Mit der Philosophie, dass jeder Bewegendes zu berichten hat. «Unser Vorbild war die Stiftung ‹The Moth›. Diese veranstaltet in den USA Storyslams und bietet Podcasts», erklärt Luzia Reutimann, die Mitbegründerin und Teil des achtköpfigen Veranstalterteams ist. Anders als die Menschen in den USA seien Schweizerinnen und Schweizer vielleicht etwas weniger gewohnt, sich vor der Öffentlichkeit zu produzieren. «Für manche unserer Erzählenden ist es alles andere als selbstverständlich, ihre Story vor fremden Leuten zum Besten zu geben. Mich faszinieren diese Auftritte fast am meisten.» Damit die Abende – bis dato waren es 23 – gleichwohl möglichst professionell daherkommen, treffen sich die Verantwortlichen zwei Wochen vor der Aufführung mit den Erzählwilligen, um an den Geschichten und den rund zehnminütigen Darbietungen zu feilen. In den Anfangstagen griffen die Veranstalter vor allem auf Erzählende aus ihrem Umfeld zurück. «Inzwischen ziehen wir den Kreis viel weiter», so Reutimann. Dass die Reminiszenzen nicht etwa erfunden sind, sondern auf einer tatsächlichen Begebenheit beruhen, könne man nicht garantieren, gesteht sie. «Wahr ist die Story für uns, wenn sie vom Auftretenden für wahr gehalten wird.» Wer einen ersten Eindruck erhalten möchte, kann auf der «Wahre Geschichten»-Webseite diverse Kostproben nachhören. Wie die Rückblende von Artemi Egorov, dem Selbstfindung wichtiger als Karriere war, oder Annika Richters Erinnerungen an ihre «Zwillingsscheidung». Die persönlichen Schilderungen generierten von Anfang an viel Publikumsinteresse. Nun wird die einstündige Show demnächst für einen Abend ins luzernische Schötz disloziert. Reutimann: «Auch um zu sehen, wie sich unser Konzept auf dem Land schlägt.»
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Maya-Recordings, Oberstammheim
02
noline.ch GmbH, Buus
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Imbach Reisen AG, Wanderreisen, Luzern
04
mcschindler.com GmbH, Zürich
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Scherrer + Partner GmbH, Basel
06
Ingenieurbüro BEVBE, Bonstetten
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Coop Genossenschaft, Basel
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Treuhand U. Müller GmbH, Bern
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Lions Club Zürich-Seefeld, Zürich
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Supercomputing Systems AG, Zürich
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Fraumünster Versicherungstreuhand AG, Zürich
12
VXL Gestaltung und Werbung AG, Binningen
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AnyWeb AG, Zürich
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A. Reusser Bau GmbH, Recherswil
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Kreislauf 4+5, Zürich
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Thommen ASIC-Design, Zürich
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Proitera Betriebliche Sozialberatung, Basel
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Kaiser Software GmbH, Bern
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Hervorragend AG, Bern
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Gemeinnütziger Frauenverein Nidau
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Klinik Sonnenhalde AG, Riehen
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Frank Türen AG, Buchs
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R. Geigy-Stiftung, Basel
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Familie Iten-Carr Holding AG, Zug
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Brother (Schweiz) AG, Dättwil
Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.
Der nächste Storytelling-Abend zum Thema «Zufall»: So, 13.11., 19 Uhr, The Hub, Zürich. www.wahre-geschichten.com SURPRISE 387/16
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BILD: ISTOCK
BILD: ZVG BILD: ZVG
Ausgehtipps
Wehrt sich: Mohamed Wa Baile
Zürich/Bern Für Gleichheit Weil Mohamed Wa Baile sich bei einer Polizeikontrolle im Zürcher Hauptbahnhof weigerte, den Beamten seinen Ausweis zu zeigen, steht er jetzt vor Gericht. Wa Baile ist Opfer von «ethnic profiling», einer Polizeipraxis, die auf Personen abzielt, die optisch von der Mehrheitsgesellschaft abweichen. Vor allem Menschen mit dunkler Hautfarbe, Schwarze, People of Color, nordafrikanische und arabischstämmige Personen, Roma, Sinti und Jenische sind betroffen. Diese Kontrollen werden häufig als erniedrigend, beschämend und entwürdigend erlebt. Anlässlich des Verfahrens gegen Wa Baile soll nun eine breitere Öffentlichkeit für dieses Thema sensibilisiert werden. (win)
Spielen zur Eröffnung am 11. November: Traktorkestar.
Aus der Zeit der Knetgummimännchen.
Basel Auf den Spuren eines Gefühls
Zürich Die Grosseltern unserer Smartphones
Beflügelt von Flüchtlingskrisen und Populismus gelangt seit einiger Zeit inmitten gesellschaftlicher Diskussionen ein alter Begriff zu neuer Aufmerksamkeit: Die Heimat. Magazine veröffentlichen Sonderausgaben, Dokumentarfilme befassen sich damit und auch die BuchBasel widmet sich dem Heimatgefühl. Dafür laden die Festivalmacher nebst internationalen Schriftstellern wie Bachtyar Ali auch Politikerinnen (Simonetta Sommaruga) und Historiker (Jakob Tanner) nach Basel zum Gespräch. Was heisst «Heimat» in einer Zeit, in der sich Ökonomie, Kultur und Mobilität immer stärker entgrenzen und der Ruf nach Mauern zunehmend anschwillt? Was heisst «Heimat» in einer Welt, in der man virtuell überall sein kann? Und wie komplex dürfen geografische und kulturelle Räume sein, damit sich der Mensch noch heimisch fühlt? Diese Fragen suchen die Macher der diesjährigen Basler Buchmesse in zahlreichen Veranstaltungen zu ergründen. Das Programm verspricht eine Messe am Puls der Zeit. (sim)
Univac 9400, Altair 8800, Commodore PET. So heissen einige der wichtigsten Vorfahren unserer heutigen Computer. Viele von ihnen sehen aus wie aus einer längst vergangenen Zeit. Und sind doch nicht älter als die eigenen Grosseltern. Wer die Ahnen seines Laptops, Tablets oder Mobiltelefons kennenlernen möchte, kann das am Vintage Computer Festival tun. In der Roten Fabrik zeigen die Veranstalter Originale und Replikationen der Urgesteine und geben so einen Einblick in die Geschichte der Computerentwicklung von den Fünfzigerjahren bis zur Jahrtausendwende. Sie wollen damit neugierig machen auf die rasante Entwicklung der Szene und sich zurückbesinnen «in diese aufregende Zeit, wo Geeks noch Geeks waren». Begleitend zur Ausstellung gibt es verschiedene Vorträge. Wer es interaktiv mag, kann Computerspiele spielen, in denen die Pixelzahl noch auf 50 beschränkt war. Party am Samstagabend mit garantiert elektronischer Musik. (sim)
BuchBasel, 11. bis 13. November 2016
12 bis 18 Uhr, Party 18 bis 23 Uhr; So, 20. November,
Basel, diverse Orte, www.buchbasel.ch
10 bis 17 Uhr, Rote Fabrik, Seestrasse 395, Zürich.
Stopp rassistische Polizeikontrollen – Allianz gegen
Vintage Computer Festival, Sa, 19. November,
www.vcfe.ch
#RacialProfiling, Gerichtsverhandlung von Mohamed Wa Baile und Medienkonferenz, Mo, 7. November, 13 resp. 14 Uhr, Bezirksgericht, Wengistrasse 28, Zürich; Mediengespräch, Di, 8. November, 10 – 12 Uhr, Stube im PROGR, Bern. www.stop-racial-profiling.ch
Korrektur Ausgabe 386 «Zürich: Mal mal!»: Maloase für kleine Künstler ab einem Jahr, jeweils Mo (und nicht donnerstags, wie in der letzten Ausgabe behauptet), 9 bis 11 Uhr, GZ Wipkingen, Breitensteinstrasse 19a, Zürich. www.gz-zh.ch/gz-wipkingen
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Verkäuferporträt International «Der feste Wohnsitz hat mein Leben verändert»
BILD: PATRICK WITTON
Herr Oh wurde obdachlos, nachdem sein Familienbetrieb scheiterte. Seit vier Jahren verkauft er in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul das Strassenmagazin The Big Issue Korea. Das half ihm, ein Zuhause zu finden und sich wieder seiner Familie anzunähern. VON PATRICK WITTON
In weniger als fünf Jahren hat The Big Issue Korea nicht nur eine solide Leserschaft aufgebaut, das Magazin hat die Leben seiner Verkäufer in Südkorea verändert – einem Land, das zwar einen sehr schnellen wirtschaftlichen Aufstieg erlebte, aber gleichzeitig von Wohnungs- und Arbeitslosigkeit geplagt ist. Jede Nacht kann man in den U-Bahnstationen der Hauptstadt Seoul Wohnungslose dabei beobachten, wie sie mit Rattanmatten und Karton ihre Nachtlager abstecken. Die staatliche Unterstützung ist limitiert. Aber Organisationen wie The Big Issue Korea helfen den Verkäufern bei der Wohnungs- und Arbeitssuche und bieten kulturelle Aktivitäten wie Singen oder Ballettstunden an. (In der Surprise-Ausgabe Nr. 373/16 finden Sie eine Reportage über den weltberühmten Choreografen James Jeon, der diese Kurse mit den Big-Issue-Verkaufenden durchführt.) Herr Oh verkauft das Strassenmagazin in den Strassen von Seoul. Dies ist seine Geschichte: «Heute habe ich bereits sieben Stück verkauft, was wirklich gut ist. Im Durchschnitt verkaufe ich 30 Exemplare, wenn ich etwa um 17 Uhr beginne, wenn die Leute von der Arbeit kommen und ich am Ausgang 8 von Seouls Busbahnhof stehe. Manche Leute kennen The Big Issue bereits und kaufen es häufig. Sie fragen mich, wie der Verkauf läuft, und bieten mir manchmal einen Snack an – dann freue ich mich sehr. Ich komme ursprünglich aus Incheon, einer Hafenstadt an der Westküste. Ich habe 1986 die Mittelschule abgebrochen, und in der Zeit danach war ich sehr schlecht drauf. Es fiel mir schwer, rauszugehen und soziale Kontakte zu schliessen, so blieb ich für eine lange Zeit einfach nur daheim. Mein Vater sagte: «Warum gehst du nicht endlich raus?» Also arbeitete ich für eine Firma, aber die ging bankrott. Später machte ich meinen Führerschein – mein Vater machte Geschäfte mit Chilis, die er in ländlichen Gegenden kaufte, um sie dann in der Stadt wieder zu verkaufen. Weil ich fahren konnte, half ich ihm. Dann wurde mein Vater krank und das Geschäft ging den Bach runter. Eine Sache führte zur nächsten, schliesslich wurde ich obdachlos. Eines Tages lief ich durch die Strassen und versuchte, eine Mahlzeit zu ergattern. Da gibt es einen Ort, wo Essen ausgeteilt wird und da war jemand, der Prospekte über The Big Issue verteilt hat. Da stand drin, wie die Zeitung einem dabei helfen kann, die Kurve zu kriegen. Das hat mich sehr interessiert, und so rief ich das Büro an. Es ist jetzt vier Jahre her, seit ich begonnen habe zu verkaufen. Es gibt ein von der Regierung unterstütztes Programm, bei dem man Mietunterstützung beantragen kann, wenn man länger als sechs Monate für The Big Issue arbeitet und mehr als 1,5 Millionen Won (etwa 1300 Franken) spart. Ich schickte eine Bewerbung zum Bezirksbüro, die dann auch akzeptiert wurde. Jetzt miete ich eine Wohnung im Westen von Seoul. Von dort pendle ich zum Büro von The Big Issue, kaufe die Magazine für den Tag und gehe dann zu der Bushaltestelle vor dem Bahnhof, wo ich verkaufe. Der feste Wohnsitz hat mein Leben verändert. Ich habe meine eigenen Sachen in meiner Wohnung, kann die Dinge kaufen, die ich brauche, und vor dem Einschlafen kann ich an die Zukunft denken. In der SURPRISE 387/16
Vergangenheit habe ich das nicht getan, weil ich keine Hoffnung hatte. Das macht einen grossen Unterschied. Ich lebe alleine. Dank The Big Issue hatte ich die Chance, ins Fernsehen zu kommen. Dort sahen mich meine Brüder und nahmen Kontakt zu mir auf. Ich hatte sie für eine lange Zeit nicht gesehen. Aber dann traf ich sie und meine Mutter – es war fantastisch. Ich bin ein grosser Baseballfan, wenn ich frei habe, gehe ich ins Stadion. Meine Mannschaft sind die Nexen Heroes, ein lokales Team. Und ich nehme Ballettstunden an den Sonntagen, mit anderen Verkäufern. Mit Blick auf die Zukunft hat die Stadtverwaltung von Seoul The Big Issue angeboten, in der Metrostation ein Café zu eröffnen. Der Plan ist, die Verkäufer als Baristas auszubilden, damit sie in dem Café arbeiten können. Ich hoffe, ich lerne etwas über Kaffee und arbeite dann da, wenn es mal läuft.» ■ Aus dem Englischen von Anne Winterhager.
Mit freundlicher Genehmigung von INSP News Service www.street-papers.org / The Big Issue Australia
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Surprise – mehr als ein Magazin
Ich möchte Surprise abonnieren! 24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.) Gönner-Abo für CHF 260.–
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Hilfe zur Selbsthilfe Surprise unterstützt armutsbetroffene Menschen – beim Strassenverkauf, Strassenchor oder Strassensport, dem Sozialen Stadtrundgang oder Café Surprise: Der Verein fördert die soziale Integration der Betroffenen. Surprise gibt das vierzehntägig erscheinende Strassenmagazin heraus. Eine professionelle Redaktion produziert das Heft zusammen mit freien Journalisten, Fotografen und Illustratoren. Das Magazin wird auf der Strasse verkauft. Über 350 armutsbetroffene Menschen, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten über den Strassenverkauf eine Erwerbsmöglichkeit und eine Tagesstruktur. Die Hälfte des Magazinerlöses behalten die Verkaufenden.
Stärken. Bewegen. Integrieren. Surprise fördert die Integration mit Sport. In der Surprise-Strassenfussball-Liga spielen Teams aus der Deutschschweiz um den Titel des Schweizermeisters. Einige Spieler nehmen am Homeless World Cup teil. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Strassenchor. Gemeinsames Singen und Auftritte ermöglichen Glücksmomente für Menschen, für die der gesellschaftliche Anschluss erschwert ist. Café Surprise schenkt Menschen mit wenig Geld einen Kaffee in einer Bar oder einem Café. So können sie am sozialen Leben teilnehmen. Für Gäste ist es eine charmante Gelegenheit, sich sozial zu engagieren: Sie bezahlen ihren Kaffee und spendieren einen weiteren.
Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht sozial ausgegrenzten Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit z.B. mit dem Sozialen Stadtrundgang in Basel und Zürich. Die Surprise-Stadtführer sind Armutsbetroffene, Ausgesteuerte und Obdachlose. Sie erzählen aus ihrem Alltag in ihrer Stadt und zeigen Orte, an denen man sonst vorübergeht. Gemeinsam wollen sie Vorurteile abbauen.
Über Surprise Der Verein Surprise unterstützt Armutsbetroffene ohne staatliche Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle Angebote ist Surprise auf Spenden, Sponsoren und Stiftungen angewiesen. Surprise ist Mitglied des internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP), dem über 120 Magazine in über 40 Ländern angehören.
Impressum Herausgeber Verein Surprise, Spalentorweg 20, 4051 Basel www.vereinsurprise.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Fr T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 Nicole Mathys, Thomas Oehler, info@vereinsurprise.ch Geschäftsleitung Paola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (Mitglied der Geschäftsleitung), Jannice Vierkötter (Mitglied der Geschäftsleitung) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@vereinsurprise.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Amir Ali (ami), Beat Camenzind (bc), Diana Frei (dif), Simon Jäggi (sim), Thomas Oehler (toe), Sara Winter Sayilir (win, verantwortlich für diese Ausgabe), redaktion@vereinsurprise.ch, leserbriefe@vereinsurprise.ch Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Florian Burkhardt, Rahel Nicole Eisenring, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Khusraw Mostafanejad, Fatima Moumouni, Stephan Pörtner, Isabella Seemann, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Tom Wiederkehr, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Annette Boutellier, Gisela Feuz, Michael Gasser, Lucian Hunziker, Annekatrin Kaps, Philipp Spillmann, Patrick Tombola, Patrick Witte, Patrick Witton Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 21800, Abonnemente CHF 189, 25 Ex./Jahr Marketing, Fundraising, Kommunikation T +41 61 564 90 50 Svenja von Gierke (Leitung), Zaira Esposito, Katrin Pilling Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise nur mit Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt.
Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83/85 Thomas Ebinger, Anette Metzner, Spalentorweg 20, 4051 Basel, basel@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Zürich T +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12 Sara Huber, Christian Sieber, Kanzleistr. 107, 8004 Zürich, zuerich@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02 Barbara Kläsi, Alfred Maurer, Fabian Steinbrink Scheibenstrasse 41, 3014 Bern, bern@vereinsurprise.ch Café Surprise T +41 61 564 90 50 Zaira Esposito (Leitung), z.esposito@vereinsurprise.ch Strassenchor T +41 61 564 90 40 Paloma Selma (Leitung), p.selma@vereinsurprise.ch Strassenfussball T +41 61 564 90 10 Lavinia Besuchet (Leitung), l.besuchet@vereinsurprise.ch, David Möller (Sportcoach), d.moeller@vereinsurprise.ch Sozialer Stadtrundgang Basel T +41 61 564 90 40 Sybille Roter (Leitung), s.roter@vereinsurprise.ch, Paloma Selma (Koordination), rundgang@vereinsurprise.ch Sozialer Stadtrundgang Zürich T +41 44 242 72 14 Sybille Roter (Leitung), s.roter@vereinsurprise.ch, Carmen Berchtold (Koordination), rundgangzh@vereinsurprise.ch Vereinspräsident Beat Jans Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen. Helfen macht Freude, spenden Sie jetzt: Spendenkonto PC 12-551455-3 SURPRISE 387/16
SurPlus – eine Chance für alle! Werden Sie Gotte oder Götti bei SurPlus Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten. Menschen, die kaum Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt wieder Struktur und mehr Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Das verdient Respekt und Unterstützung. Das Spezialprogramm SurPlus ist ein niederschwelliges Begleitprogramm für ausgewählte Surprise-Verkaufende, die regelmässig das Strassenmagazin
verkaufen und hauptsächlich vom Heftverkauf leben. Diese Verkaufenden erhalten nur geringe soziale Ergänzungsleistungen und werden im Programm SurPlus gezielt vom Verein Surprise unterstützt: Sie sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit, Nahverkehrsabonnement) und werden bei Problemen im oft schwierigen Alltag begleitet. Mit einer Patenschaft leisten Sie einen wesentlichen Beitrag für die soziale Absicherung der Verkaufenden und ermöglichen ihnen, sich aus eigener Kraft einen Verdienst zu erarbeiten. Vielen Dank für Ihr Engagement!
Elsa Fasil Bern
Kostana Barbul St. Gallen
Ralf Rohr Zürich
Marlis Dietiker Olten
Negasi Garahassie Winterthur
Josiane Graner Basel
Tatjana Georgievska Basel
Emsuda Loffredo-Cular Basel
Anja Uehlinger Baden
Andreas Hossmann Basel
Haimanot Ghebremichael Bern
Roland Weidl Basel
Daniel Stutz Zürich
Markus Thaler Zürich
Ja, ich werde Gotte/Götti und unterstütze das SurPlus-Programm von Surprise! 1 Jahr: 6000 Franken
1/2 Jahr: 3000 Franken
1/4 Jahr: 1500 Franken
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1 Monat: 500 Franken
387/16 Talon bitte senden oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, 4051 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch, PC-Konto 12-551455-3 SURPRISE 387/16
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Eine Tasse Solidarität! Machen Sie mit: Zwei bezahlen, eine spendieren. Café Surprise gibt es hier: In Basel BackwarenOutlet, Güterstr. 120 Café Bohemia, Dornacherstr. 255 Café-Bar Elisabethen, Elisabethenstr. 10 Café Flore, Klybeckstr. 5 Café Restaurant Haltestelle, Gempenstr. 5 Kiosk Amann, Claragraben 101 Oetlinger Buvette, Unterer Rheinweg Quartiertreffpunkt Lola, Lothringerstr. 63 Rest. Les Gareçons, Schwarzwaldallee 200 Rest. Manger et Boire, Gerbergasse 81 Trattoria Bar da Sonny, Vogesenstr. 96 In Biel Treffpunkt Perron bleu, Bahnhofplatz 2d
In Bern Café Kairo, Dammweg 43 Café Tscharni, Waldmannstr. 17a Café-Bar das Lehrerzimmer, Waisenhausplatz 30 Luna Llena Gelateria Rest. Bar, Scheibenstr. 39 Rest. Genossenschaft Bras. Lorraine, Quartiergasse 17 Rest. Löscher, Gotthelfstr. 29 Rest. Sous le Pont – Reitschule, Neubrückstr. 8 Rösterei Kaffee und Bar, Güterstr. 6 Treffpunkt Azzurro, Lindenrain 5 Zentrum44, Scheibenstrasse 44 In Zürich Café Zähringer, Zähringerplatz 11 Sphères, Hardturmstrasse 66
In Rapperswil Café good, Marktgasse 11 In Schaffhausen Kammgarn Beiz, Baumgartenstr. 19
www.vereinsurprise.ch/cafesurprise Ein Projekt des Vereins Surprise.