Surprise 390

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Nr. 390 | 16. Dezember 2016 bis 5. Januar 2017 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.

Post für Sie!


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Helfen tut gut. Zeit, zuzuhören. Zeit, abzuwarten. Zeit für Rückschläge. Zeit, zu helfen. All das gibt es in der niederschwelligen Beratung, die in den Surprise Regionalbüros in Basel, Bern und Zürich stattfindet. Die Verkaufenden des Strassenmagazins erhalten hier nicht nur ihre Hefte, gratis Kaffee oder Internetzugang, sondern wenden sich mit ihren Sorgen und Fragen an die Surprise Mitarbeitenden. Ob bei der Wohnungs- und Arbeitssuche, Schulden, beim Umgang mit Behörden und administrativer Korrespondenz, bei familiären Krisen oder Suchtproblemen – für zirka 400 armutsbetroffene Menschen in der ganzen Schweiz ist diese umfassende Begleitung eine unentbehrliche Stütze im Alltag. Surprise hilft individuell und niederschwellig. Spenden Sie heute. Spendenkonto PC: 12-551455-3, IBAN: CH11 0900 0000 1255 1455 3


Titelbild: Priska Wenger

Briefe sind geteilte Momente und Gedanken, und das lässt sich auskosten. Ich habe es mit meiner Jugendfreundin ausprobiert. Wir schrieben Fan-Briefe an Uwe Ochsenknecht und machten uns einen Spass daraus, sie an seine Sekretärin zu richten. In den mitleiderregendsten Worten flehten wir sie an, sie möge uns nicht eine gestempelte Autogrammkarte zurückschicken, sondern Uwe unseren Brief persönlich übergeben, damit er ihn auch sicher lese. Wir schrieben uns natürlich auch gegenseitig Briefe. Es war die Ära der Fernsehserie «Miami Vice», und wir gingen in den Rollen unserer Helden auf. Meine Freundin wandte sich als Don Johnson an mich, ich antwortete als Philip Michael Thomas. Zusammen lösten wir etliche Fälle im Drogensumpf DIANA FREI von Miami/Neubadquartier Basel, indem wir uns täglich Beweismittel und REDAKTORIN unsere Schlussfolgerungen dazu in Couverts steckten. Die Windel der kleinen Schwester: verdächtig. Sie wurde brieflich analysiert und dem Schreiben beigelegt. Haare auf dem Badezimmerboden. Eine Zigarettenkippe vor der Tür. Alles Stoff für einen intensiven Briefwechsel. In unseren Zeilen gestanden wir uns auch unseren Beziehungsstress mit unseren Partnerinnen oder gaben endlich zu, dass Füsse stinken, wenn man Schuhe barfuss trägt. Wir lernten dabei: Post zu verschicken ist ein unendliches Feld der Kreativität, und Briefe können einen Empfänger genauso herausfordern wie beglücken. Deshalb erscheint jetzt, 30 Jahre nach «Miami Vice», endlich unser Sonderheft übers Briefeschreiben. Wir danken ganz herzlich auch Ihnen, denn Sie haben mitgeschrieben – siehe Seite 16.

BILD: WOMM

Editorial Was im Couvert steckt

BILD: ZVG

Herzlich Diana Frei

Die Illustrationen dieser Ausgabe stammen von Priska Wenger. Die Illustratorin gestaltet seit vielen Jahren die Bilder zu unserer Gerichtskolumne «Vor Gericht» und hat bereits mehrere Sonderhefte von Surprise bebildert. Priska Wenger lebt und arbeitet in New York und Biel.

04 Kriegshilfe Milch für den Präfekten SURPRISE 390/16

10 Eritrea Weihnachtsgrüsse aus Afrika

ILLUSTRATION: PRISKA WENGER

BILD: ZVG

BILD: ANNETTE BOUTELLIER

Inhalt 16 Begegnungen Post für Sie 30 Film Tintenfleck und Handlungsmotor 31 Musik Briefe singen 32 Moumouni … trifft Verschwörer 33 Piatto forte In der Tinte 34 Ein eigener Sache Impressum 35 Surplus Eine Chance für alle

26 Briefroman Natürlich ein Manuskript

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Kriegshilfe Milch für den Präfekten In den Fünfzigerjahren leistete die Zürcher Fabrikantentochter Liselotte Hilb Aufbauhilfe für das kriegsversehrte Griechenland. In ihrem damaligen Einsatzgebiet ist man ihr bis heute dankbar.

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VON SARA WINTER SAYILIR

richteten. Im Juni 1944 zogen sie endlich ab. Aber die Atempause dauerte nicht lange: Schon zwei Jahre später erreichte der griechische Bürgerkrieg die Region. Nun kämpfte Links gegen Rechts, Guerilla gegen Militär – und die Zivilbevölkerung mittendrin. 1949 endete der Bürgerkrieg mit dem Sieg der Rechten und hinterliess eine Bevölkerung in bitterer Armut. «Die Kinder haben wohl am meisten gelitten, viele Väter sind ums Leben gekommen», schrieb Liselotte Hilb im Dezember 1951 in einem ihrer Berichte über die Hilfsaktionen, die im Zürcher Sozialarchiv einzusehen sind. Hilb war damals von der Europahilfe nach Griechenland entsandt worden, unter deren Dach sich verschiedene Schweizer Hilfswerke zusammengeschlossen hatten, um den Kriegsgeschädigten in Europa zu helfen. Das Schweizer Arbeiterhilfswerk SAH war für Griechenland zuständig. «Gross war auch die Zahl der Flüchtlinge, die im Verlaufe der Jahre ihre Dörfer verliessen, sich jetzt wieder ansiedeln und nun auf ein erträgliches Leben hoffen», so Hilb weiter in ihrem Bericht. Kein Wunder, war die agile Zürcherin mit ihren Hilfsgütern ein Lichtblick für die Menschen der Region. «Unser Name ist Hilb, das heisst ‹hilf›, ohne zu fragen, wem und was», das hatte ihr der Vater gesagt, nachdem die kleine Liselotte ihn dabei beobachtet hatte, wie er einen Jungen vor dem Ertrinken rettete. Sieben Jahre alt war Liselotte, als der Vater verstarb. Hinterlassen hatte der Textilunternehmer eine gutgehende Fabrik, deren Verkauf der Mutter, Liselotte und ihrem Bruder das Auskommen sicherte. «Wir hatten keine Sorgen, es ging uns gut», erinnert sich Hilb heute. Die 95-Jährige mit den vollen weissen Haaren wohnt in einer Altbauwohnung in ZürichEnge ganz in der Nähe des herrschaftlichen Rieter-Parks, allein und immer noch unabhängig – wenn man von gelegentlicher Hilfe beim Saubermachen und Einkaufen absieht. So soll es auch bleiben, wünscht sie sich und lächelt. «Diese Wohnung soll mein Alterssitz sein.» Liselotte

Im Frühsommer 2005, Griechenland steckt noch nicht in der Krise, setzt sich Dimitrios Riggos hin und schreibt einen Brief. «Ich bin der Präfekt des Nomos Grevena», schreibt er, «und will Ihnen für die Ziege danken, die Sie uns 1952 gaben, als ich ein kleines Kind war. Ich trank genügend Milch zu jener Zeit. Danke.» Adressiert sind die wenigen Zeilen an eine alte Dame in der Schweiz, an die Riggos nur eine vage Erinnerung hat: Liselotte Hilb. Zwei Jahre zuvor hatte der 65-jährige Arzt seine Managerposition im Regionalkrankenhaus G. Papanikolaou aufgegeben, um seine Wahl zum Präfekten seiner Heimatregion Grevena im Norden Griechenlands anzunehmen, rund 100 Kilometer von der albanischen Grenze entfernt. Keine Selbstverständlichkeit, schliesslich hatte er die dortige Intensivstation selbst aufgebaut, die grösste in Nordgriechenland. Riggos’ Karriere als Pionier der griechischen Intensivmedizin und Lungenspezialist konnte sich sehen lassen, mit Forschungsaufenthalten in Schweden und Cambridge, drei medizinischen Monografien sowie 150 Artikeln in griechischen und internationalen Fachzeitschriften. Aber er liebt nicht nur die Medizin, sondern auch seine Heimat Grevena in der Region Westmazedonien: Zwei Bücher hat Riggos über die Folklore und vor allem die Musik der Gegend geschrieben, angereichert mit Audioaufnahmen. Deshalb will er sich nun als Präfekt um die politischen Belange der Präfektur kümmern, auch in der Politik ist Riggos bereits ein alter Hase. Schon 1985 trat er als Kandidat der Pasok, der griechischen Sozialdemokraten, fürs nationale Parlament an. All das verdankt er seinem Ehrgeiz, seinen Fähigkeiten und ein bisschen auch der frischen Ziegenmilch in seiner Kindheit, so kommt es Riggos zumindest vor. Denn ohne die Milch wäre er vielleicht nicht so weit gekommen. Viele Kinder in Nordgriechenland litten damals an schweren Erkrankungen wie Ohne die Milch wäre er vielleicht nicht so weit gekommen: Viele Kinder in Tuberkulose oder Sehstörungen, bedingt durch Nordgriechenland litten damals an schweren Erkrankungen wie TuberkuMangelernährung. Elf Jahre alt war Dimitrios lose oder Sehstörungen, bedingt durch Mangelernährung. Riggos, als seine Familie im November 1951 eine von drei Schweizer Ziegen im Dorf Sitara Hilb wirkt fröhlich, munter und fidel. Wenn sie aus ihrem Leben erzählt, bekam. Nur wenige hatten das Glück, so ein Tier geschenkt zu bekomist Griechenland ein Herzensthema geblieben. Und das, obwohl sie nach men. Sitara war eines der kleineren Dörfer Grevenas, die gebirgige Prä1959 nie in den Norden zurückgekehrt ist, wo sie so viel Hilfe geleistet fektur im Norden war gross, aber nur dünn besiedelt. hatte. Über die Gründe dafür schweigt sie beharrlich. Lieber erzählt sie von ihren späteren Engagements, dem Aufbau der Krebsliga Zürich und Zuerst die Nazis, dann der Bürgerkrieg der Teilzeitvermittlungsstelle, dem Frauensekretariat. Eine ewige PioRiggos’ Erinnerungen an die Zeit verschwimmen ein bisschen – er nierin mit einem erfüllten, unabhängigen Leben, ohne Heirat, ohne Kinverortet die Ankunft seiner Familien-Ziege ein Jahr später –, aber wem der, mit einem unbeugsamen Willen, Gutes zu tun. seine Dankbarkeit gilt, ist klar: Liselotte Hilb. Die damals 28-Jährige hatte die Idee zur Ziegenverteilung und die Aufsicht darüber. Für Riggos Die Hölle der Kinder markierte ihre Ankunft so etwas wie die Wende zum Guten nach den Ihr Drang nach Unabhängigkeit kommt nicht von ungefähr: Hilbs Schrecken der vorangegangenen Jahre. Als er 1940 auf die Welt kam, Mutter war zwar nicht berufstätig, wünschte sich aber, dass ihre Tochstiess das faschistische Italien gerade nach Nordgriechenland vor. Ein ter ihr Brot selber verdiene. Ihr zuliebe bemühte Hilb sich in der Schuhalbes Jahr später marschierten die Nazis ein. Bis heute erinnert eine le und schloss 1940 mit 19 Jahren die Töchterhandelsschule ab. «Ich haGedenktafel in Grevena an das Massaker, das die Deutschen dort anSURPRISE 390/16

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SURPRISE 390/16 BILD: MIRIAM KÜNZLI


be sofort die Schulbücher verkauft, damit 30 Franken verdient und mir davon ein Velo gekauft. Mit dem bin ich dann herumgefahren, ich hatte ja Zeit und wusste nicht, was ich tun soll», erzählt sie. Durch Zufall entdeckte sie einen Aushang des Schweizer Hilfswerks für Emigrantenkinder, stellte sich vor und blieb acht Jahre. Die erste Zeit arbeitete sie ehrenamtlich. Doch die Arbeit mit den Flüchtlingskindern, grossenteils Juden aus Nazi-Deutschland, war ihr zu wichtig, als dass sie wegen der fehlenden Bezahlung wieder aufgehört hätte. Später kam auf ihre Nachfrage ein kleiner Lohn hinzu. «Meine Mutter drängte darauf, sie meinte, so könne es ja wohl nicht weitergehen.» Als die Vizepräsidentin der Europahilfe Liselotte Hilb an einer Konferenz in Bern fragt, ob sie als Delegierte nach Griechenland gehen wolle, «da habe ich in Gedanken einen riesigen Luftsprung gemacht», erinnert sich Hilb. Griechenland und die dortige Armut waren der Tatendurstigen bereits ein Begriff, die junge Frau hatte den Erlebnisbericht «L’Enfer des enfants» der Athenerin Lilika Nakos über die Hungersnot gelesen. Ende Januar 1950 ging es los: mit dem Zug nach Rom und von dort mit dem Flugzeug nach Athen. «Überrascht» war Hilb von der «modernen und lebendigen Hauptstadt». Ihr Einsatzgebiet lag im Norden, im Landesteil Westmazedonien. Ohne klar umrissenen Auftrag sollte Hilb mit dem gesammelten Geld der Europahilfe und des Schweizer Arbeiterhilfswerks SAH die Not von Bauerskindern lindern, welche die ausländische Hilfe bisher nicht erreicht hatte. Also verschaffte sich Liselotte Hilb vor Ort einen Überblick: Als sie sah, dass die wenigen Väter, die die Kriege überlebt hatten, ihre Kinder in die Schule trugen, weil es an festem Schuhwerk fehlte, passte sie den Kindern Schuhe an. «Ich glaube, dass ich Tausende Kinderfüsse in den Händen hielt», schrieb Hilb in ihrem Bericht dazu. Ausserdem verteilte sie Unmengen an Schulmaterial und Wäschestoff. Auf dem Maultier zwischen Minen hindurch Ganz im Sinne Pestalozzis bedachte Hilb alle Kinder gleichermassen, egal ob diese aus regierungstreuen oder Partisanenfamilien stammten. Wenn die Bewohner eines Dorfes «nicht einverstanden waren, dann habe ich das Dorf verlassen», erzählt Hilb rückblickend. Sie wollte nicht um ihre Sicherheit fürchten müssen. «Hin und wieder haben mich die Als Dank für die Aufbauhilfe benannte man im ehemaligen Flüchtlingslager IgoumeFrauen dann gefragt: ‹Wieso bist du gegangen?› Dann habe ich gesagt: nitsa eine Strasse nach Liselotte Hilb und taufte den mit Schweizer Geldern gebau‹Wegen euren Männern›, und sie antworteten: ‹Écheis díkio, du hast ten Stadtteil Nea Elvetia: Neue Schweiz. recht.›» Hilb sind ihr Ruf und ihre Integrität bis heute ein wichtiges Anliegen. «Sonst hätte sich herumgesprochen: Mit der kann man machen, was man will», ist sie überzeugt. Vielerorts wurde ihre Ankunft gefeiert: pumptes aus der Zisterne. Nachts wurde sie von Wanzen und Flöhen «Ich wurde fast wie ein Heilige behandelt. Die glaubten, da kommt jezerstochen. «Meine Mutter schickte mir DDT für den Schlafsack», ermand vom Himmel herunter: Die kann alles, die weiss alles und die innert sie sich. kann überall Abhilfe schaffen.» Hilb machte sich viele Gedanken, wie sie das Leid der Kinder, von deMal mit dem Jeep, mal auf dem Maultier reiste die zart gebaute Linen viele unterernährt waren, am besten lösen könnte. Von Projektselotte Hilb von Dorf zu Dorf. «Als junge unverheiratete Frau war es unterstützern an der ETH hörte sie, dass Hausziegen in solchen Fällen nicht ganz einfach, ist ja klar», sagt sie heute und lacht. «Man ist ja auch die besten Dienste leisteten, weit vor Schafen oder Hühnern. Auch Alnur ein Mensch und schliesst auch Freundschaften. Aber ich würde bert Schweitzer habe dies bei seiner Arbeit in Lambarene im damaligen doch sagen: Sie hatten schon Respekt.» Sie meint die Männer, denen sie damals in GrieHilb hatte ein Hungerödem und Gelbsucht. Nachts wurde sie von Wanzen chenland begegnete. Auf ihren Touren wurde und Flöhen zerstochen. «Meine Mutter schickte mit DDT für den SchlafHilb von einem Dolmetscher und, auf den Reisack», erinnert sie sich. sen mit dem Auto, auch von einem Fahrer begleitet. Die unzugänglichen Bergpfade mit den steil abfallenden Hängen, die vielen verbliebenden Minen im Boden soFranzösisch-Äquatorialafrika festgestellt, erzählte ihr dessen Nichte. wie das Reiten auf dem Maultier verursachten der Städterin HerzklopHilb beschloss, Schweizer Ziegen nach Griechenland zu schicken. Am fen. Oft vertraute sie nur ihrem Instinkt. «Ich hatte eine gute Nase. Ich 31. Oktober 1950 verliess ein Zug mit über 350 Ziegen – Toggenburger wusste ja nicht wohin, und es gab keine Landkarte und keinen Wegund Saanenziegen – die Schweiz mit Ziel Thessaloniki. weiser. Wegen des Krieges, damit die Deutschen sich nicht noch besser auskannten.» Untergebracht war sie eher schlecht als recht, das Essen Die Ziegen sind los war knapp, Hilb litt an einem Hungerödem und hatte später auch mit Anders als heute, wo wahrscheinlich jede einzelne Ziege über einen Gelbsucht zu kämpfen. Die persönliche Hygiene beschränkte sich auf GPS-Chip verfolgbar wäre, erreichte der damalige Transport nur durch das Nötigste, da es kein fliessendes Wasser gab, nur kaltes, selbstgeeinen Zufall wohlbehalten seine Bestimmung. Hätte Liselotte Hilb nämSURPRISE 390/16

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In ihrem Fotoalbum sammelte Liselotte Hilb Eindrßcke von der Ziegenverteilung. Mit der Liste in der Hand (Bild oben rechts) kontrollierte sie akribisch, welche Familie welche Ziege bekam und wie alt diese war. Ratschläge zur Haltung und Pflege der Tiere gab es gleich dazu.

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Familien, deren Väter noch im Dorf waren, gingen bei der Ziegenverteilung leer aus. Schuhe, Wäschestoff und Schulmaterial aber bekamen alle, die es nötig hatten.

ten, Kolonne zu fahren und waren vor Hilb in Grevena angekommen. lich nicht am 4. November ihre Mutter angerufen – ihre einzige Tele«Der Direktor des Landwirtschaftlichen Amtes von Kozani schien – wie fonverbindung während der ganzen zwei Jahre in Griechenland –, sie es sich herausstellte – auf den Einfall gekommen zu sein, die Tiere hätte zu spät erfahren, dass die Ziegen bereits auf dem Weg waren. Als ihre Mutter ihr am Telefon berichtete, laut Radio seien die Ziegen schon unterwegs, setzte «Es gab keine Landkarte und keinen Wegweiser. Wegen des Krieges, daHilb in Griechenland alle Hebel in Bewegung, mit die Deutschen sich nicht noch besser auskannten.» damit die Tiere die Grenze passieren durften und mit 17 Militärcamions und den entsprekönnten auf dem Camion zu warm bekommen, und so liess er die Wachenden Helfern im Bahnhof von Thessaloniki in Empfang genommen gen öffnen und die Ziegen ausladen», schrieb sie in ihrem Bericht ans werden konnten. Am 6. November stand sie dann wirklich inmitten eiSAH. «Als grosse Feinschmecker hatten sie sich in den gepflegten Bluner Herde fröhlicher Schweizer Ziegen auf einem nordgriechischen Permengarten der Präfektur von Grevena plaziert. Glücklicherweise verron und war glücklich. standen sie noch immer ihr Schweizerdeutsch, und so gelang es, alle «Nun begann die eigentliche Ziegenverteilung, die fünf Tage dauerwieder herbeizulocken.» Ob der kleine Dimitrios Riggos diese Szene bete», schrieb sie 1951. Hilb wählte die Familien gut aus, die eine Ziege beobachtet hat, weiss man nicht. Er ist 2013 einem Krebsleiden erlegen. kamen. Sie teilte die Bedürftigen in zwei Kategorien ein: Waisenkinder Liselotte Hilb kannte ihn nicht persönlich, sein Dankesgruss aber rührund Kriegswitwen mit Kindern. Um den Beschenkten zu Beginn keine te sie sehr. grossen Mehrausgaben zu verursachen, zahlte das griechische Land■ wirtschaftsministerium allen Ziegenempfängerinnen einen Zuschuss für Futter und Stall. Hilb hatte an alles gedacht. Die grösste Anzahl Ziegen wurde in der Präfektur Grevena verteilt, insgesamt 138 Ziegen und sieben Böcke für 27 verschiedene Dörfer. Empfangen wurde der Treck aus Ziegentransportern, Hilb und Helfern vom dortigen Fürsorgeleiter, Herrn Mitsoulis, der «dankte mit freundlichen Worten der Schweiz, welche zum Schutze unschuldiger Kinder einen so schönen Beitrag leistet», wie Hilb später notierte. Unter den Empfängerfamilien, die aus ihren Dörfern zur Abholung ihres Tieres in die Stadt Grevena kamen, war auch die Familie von Dimitrios Riggos. Dass dieser später einmal Präfekt Grevenas werden würde, ahnte damals niemand. Zwei der Transportfahrzeuge mit den Ziegen hatten sich nicht an die Anweisungen gehalSURPRISE 390/16

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Eritrea/Äthiopien Weihnachtsgrüsse aus Addis Abeba Als Eritrea offiziell seine Unabhängigkeit von Äthiopien feiern konnte, wurde Yemane Tsegay zum Ausländer im eigenen Land. Er musste gehen, seine Frau konnte bleiben. Sie schickt ihm Jahr für Jahr Weihnachtskarten, die er in der Schweiz an seine Stammkunden verteilt.

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VON ISABEL MOSIMANN (TEXT) UND ANNETTE BOUTELLIER (FOTOS)

weitgehende Autonomie, mit eigener Regierung und eigener Verfassung. Doch dann schränkte Äthiopien die Eigenständigkeit schrittweise ein, was dazu führte, dass Eritrea ab 1962 nur noch eine Provinz von Äthiopien war. Diese Autonomieaufhebung bedeutete den Beginn eines 30 Jahre dauernden Befreiungskampfs. Im Mai 1993 wurde Eritrea schliesslich offiziell für unabhängig erklärt. Seither herrscht eine Übergangsregierung unter Staatsoberhaupt Isaias Afwerki, dem ehemaligen Führer der eritreischen Befreiungskämpfer. Freie Wahlen gab es im Land bis heute keine. In den ersten 30 Lebensjahren von Yemane Tsegay spielte die Herkunft seiner Eltern keine grosse Rolle. Er ging in Addis Abeba zur Schule und lernte danach in der Garage des italienischen Automechanikers Giovanni Autoelektriker. Weil er nicht nur dort arbeitete, sondern auch bei der Familie lebte, lernte er neben dem Handwerk sehr gut Italienisch. Doch nicht nur das: Giovanni schrieb seinen Kunden jedes Jahr zu Weihnachten Dankes- und Festtagskarten. «Das Kartenschreiben habe ich später, als ich selbst eine Garage hatte, von ihm übernommen.

Gewisse Dinge im Leben bleiben gleich, egal wo man ist. So hält es auch Yemane Tsegay mit dem Schreiben von Weihnachtskarten. Hier in der Schweiz verteilt und verschickt der Surprise-Verkäufer die farbenfrohen Karten mit den äthiopischen Schriftzeichen seinen Stammkunden, Freunden und Bekannten, genau wie er es vor Jahren in seiner Heimat Äthiopien getan hatte. Nur waren seine Kunden in Addis Abeba Leute, die ihre Fahrzeuge bei ihm in der Autogarage reparieren liessen. «Als ich meine eigene Werkstatt hatte, ging ich jeweils persönlich zu meinen Kunden und überreichte ihnen zum Dank und um schöne Festtage zu wünschen eine Weihnachtskarte», erzählt der 55-Jährige, der vor fünf Jahren als Flüchtling in die Schweiz kam. «Meinen Mitarbeitern und Freunden schrieb ich auch immer Weihnachtskarten und verteilte sie an sie bei einem ausgedehnten Schwatz während der Kaffeezeremonie.» In Äthiopien und im Nachbarland Eritrea ist die traditionelle Kaffeezeremonie ein wichtiger Bestandteil des sozialen Lebens, und eine Einladung dazu gilt als Zeichen der Freundschaft. Meist sitzt man zwei bis drei Stunden Yemane Tsegay ging in Addis Abeba zur Schule und lernte danach in der beisammen, weil die Kaffeebohnen zuerst geGarage des italienischen Automechanikers Giovanni Autoelektriker. Dort röstet und dann in einem Mörser zermahlen lernte er neben dem Handwerk sehr gut Italienisch. werden. Ist der Kaffee schliesslich fertig, verteilt man ihn in kleine Tassen. Nachgeschenkt Überhaupt habe ich viel von ihm gelernt, er war immer sehr hilfsbereit wird normalerweise zweimal, denn aller guten Dinge sind drei. In Adund unterstützte auch die Menschen auf der Strasse», erzählt Tsegay dis Abeba lud Yemane Tsegay jeweils gemeinsam mit seiner Frau Hirut heute noch mit Bewunderung für den verwitweten Italiener, der ihn dazur Kaffeezeremonie ein. Die Kaffeezeremonie ist seit jeher in Frauenmals in seinem Haus aufgenommen hatte. «Giovanni war wie ein Vater hand. In die Schweiz ist er alleine gekommen, denn obwohl er in der für mich, seine Söhne Marco und Davide wie meine Brüder.» äthiopischen Hauptstadt geboren und aufgewachsen ist, darf er seit der Unabhängigkeit von Eritrea offiziell nicht mehr in Äthiopien leben, weil Er begleitete Hilfstransporte in Uganda, Burundi, Ruanda er eritreische Wurzeln hat. In seiner Heimat könnte er höchstens in eiNach der Lehrzeit bei Giovanni arbeitete er beim World Food Pronem Flüchtlingslager wohnen. Dass er und seine Frau seit 1985 verheigramme, dem Welternährungsprogramm der UNO, das Mitte der Achtratet sind, ändert auch nichts daran. Als gebürtige Äthiopierin hatte sie zigerjahre die von Hungersnot betroffene Bevölkerung in Äthiopien keinen Grund zur Flucht und blieb deshalb in Addis Abeba, wo sie nun unterstützte. In der Provinz Wollo reparierte Yemane Tsegay rund acht mit ihrer Schwester zusammenwohnt. Jahre lang Autos und Lastwagen für die Nahrungsmitteltransporte – eiYemane Tsegays Eltern stammten aus Asmara, der heutigen Hauptne Zeit lang sogar unter einem Schweizer Werkstattchef, den alle nur stadt des seit 1993 eigenständigen Staates Eritrea, und zogen wegen bes«Mister Hans» nannten. «Leider weiss ich seinen Familiennamen nicht serer Chancen auf Arbeit zu Beginn der Sechzigerjahre nach Addis Abmehr», bedauert er, «sonst hätte ich hier in der Schweiz schon lange eba. In jener Zeit war dies kein Problem, da Eritrea damals noch zu nach ihm gesucht.» Äthiopien gehörte. Schwierig wurde es erst 30 Jahre später mit der Mitte der Neunzigerjahre, nach dem Völkermord in Ruanda, begleiStaatsgründung von Eritrea. Es ist ein Schicksal, das sehr viele Mentete Tsegay Hilfstransporte in Uganda, Burundi und Ruanda. Die Lastschen teilen, die in früheren Jahren vom «eritreischen» in den «äthiopiwagen mit Nahrungsmitteln und Medikamenten für die notleidende Beschen» Teil des Landes zogen: Plötzlich gehörte man nicht mehr dazu. völkerung gelangten oft nur über abenteuerliche Strassen und Pisten an ihre Zielorte, deshalb mussten sie von Mechanikern begleitet werden. 30 Jahre lang spielt die Herkunft keine Rolle Noch heute sichtlich betroffen erzählt er von seinen Erlebnissen: «Ich Mehr als 300 Jahre lang war Eritrea eine Kolonie des Osmanischen habe auf diesen Fahrten sehr viel Schlimmes gesehen, viele hungernde Imperiums, ab 1890 übernahmen die Italiener die Kolonialherrschaft. Kinder und Erwachsene, aber auch zig Tote. Auf der Fahrt mussten wir Während des Zweiten Weltkriegs wurden die Italiener vertrieben, und manchmal Leichen von der Strasse wegtragen, damit wir mit den Trucks Grossbritannien setzte vorübergehend eine Militärverwaltung ein. Nach weiterfahren konnten.» Wegen gesundheitlicher Probleme musste er seidem Krieg entschieden die Siegermächte und die Vereinte Nationen, nen Einsatz frühzeitig abbrechen und nach Addis Abeba zurückkehren. dass Eritrea zu Äthiopien gehören soll. Zu Beginn erhielt Eritrea noch SURPRISE 390/16

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gung, um eine eigene Wohnung zu mieten – ein beinahe aussichtsloses Gallensteine wurden festgestellt und im staatlichen Spital operativ entUnterfangen für einen stellenlosen Flüchtling. Betrübt ist er auch, dass fernt. Nicht herausgenommen wurden jedoch eine Operationsschere er seine Cousinen – eine lebt in Deutschland, die andere in Italien – und Watte. Dass er heute noch hier ist, verdankt er dem Personal des nicht besuchen kann. Auslandreisen sind mit seiner Aufenthaltsbewillirussischen Rot-Kreuz-Spitals in Addis Abeba und einer Menge Bluttransfusionen – im staatlichen Spital hatte man sich seiner immer schlimmer werdenden BeNach der Lehrzeit arbeitete Yemane Tsegay beim Welternährungsproschwerden nicht mehr annehmen wollen. gramm der UNO, das die von Hungersnot betroffene Bevölkerung in ÄthioWieder auf den Beinen, kehrte Yemane Tsepien unterstützte. gay in seine Garage zurück, die er Jahre zuvor mit einem Arbeitskollegen vom World Food gung F nicht erlaubt. Gerne sähe Tsegay auch solche Dinge gelassen, Programme eröffnet hatte. Seine Gesundheit liess weitere Einsätze bei doch man merkt: Das gelingt ihm nicht immer. Ungern gibt er zu, dass den Hilfstransporten nicht mehr zu. Seine Frau und er konnten kurzihm dies zuweilen auf die Gesundheit schlägt: «Ich habe Stress. Kürzzeitig ein ruhiges Leben führen. Doch dann flammte 1998 ein heftiger lich wurde ich ohnmächtig, weil mein Zucker zu hoch war.» Grenzkrieg zwischen Äthiopien und Eritrea auf. Mit der Konsequenz, Aber Yemane Tsegay hadert nicht lange. Er ist einer, der sich selbst dass Äthiopien nun Menschen mit eritreischen Wurzeln definitiv losaufmuntern kann. Zum Beispiel, indem er Jahr für Jahr die Weihwerden wollte. Da Tsegays Vater in der Zwischenzeit gestorben war, entnachtskarten schreibt und verteilt, die ihm seine Frau Hirut aus Äthioschied er sich, mit seinen beiden kleinen Geschwistern und seiner Mutpien zuschickt. Und fröhlich wird er auch, wenn Guillaume Hoarau YB ter, genauer gesagt Stiefmutter – seine leibliche Mutter war gestorben, mit seinen Toren zum Sieg verhilft. als er zweijährig war – wie verlangt nach Eritrea zu ziehen. Dort ange■ kommen, wollte man Tsegay sofort zum Militärdienst einziehen. Für ihn wäre das ein Ding der Unmöglichkeit gewesen: «Ich konnte auf keinen Fall in die Armee – am Ende hätte ich noch auf meine äthiopischen Brüder schiessen müssen.» Yemane Tsegay verliess seine Mutter und die kleinen Geschwister und reiste nach Addis Abeba zu seiner Frau, die als Äthiopierin nicht nach Eritrea hatte mitgehen können. In der Zwischenzeit ist die Mutter gestorben, die Schwester und der Bruder leben heute ebenfalls im Ausland. Zurück in Äthiopien dauerte es nicht lange, da meldeten sich Behördenvertreter bei ihm: «Sie verlangten von mir, dass ich in ein Flüchtlingslager für Eritreer gehe. Anfangs konnte ich mich freikaufen, dann liessen sie mich eine Weile in Ruhe», erzählt er verschmitzt. «Doch dann Anzeige: kamen die Beamten immer und immer wieder.» Schliesslich entschied sich Tsegay mit der Hoffnung auf ein freies Leben zur Flucht nach Europa: «Ich wollte nicht in einem Flüchtlingscamp enden. Und nach Eritrea zu gehen war auch keine Option, denn dort wäre ich ins Gefängnis gekommen, entweder weil ich vor Jahren vor dem Militärdienst davongelaufen bin oder weil sie mich als äthiopischen Spion verdächtigen würden.» Nun heisst der Lebensradius Neuenegg Yemane Tsegay kann hier in der Schweiz auch nicht das freie und selbständige Leben führen, das er sich erhofft hat. Seine Kenntnisse als Autoelektriker und Mechaniker reichten nicht aus, um hier gleich in einer Garage Hand anzulegen. Aber da sind noch weitere Hürden: Einerseits musste er erst gut Deutsch lernen. Andererseits werfen ihn bei der Arbeitssuche gesundheitlichen Beschwerden immer wieder zurück. Er leidet an Kurzatmigkeit, ist Diabetiker und hat vermutlich deshalb auch Probleme mit den Augen. Die Augenklinik des Inselspitals kennt er nach vier Operationen bestens: Selbstverständlich erhält auch das Personal der Augenklinik jedes Jahr Weihnachtskarten von ihm. Weil er neben dem Heftverkauf keine weitere Arbeit hat und somit nicht selbständig für sich sorgen kann, ist er dazu gezwungen, in einer Flüchtlingsunterkunft zu wohnen. Die ersten vier Jahre war er dort, in seinem kleinen Zimmer in Neuenegg, sehr zufrieden und verstand sich gut mit den Mitbewohnern. Seit gut einem Jahr fühlt sich Tsegay aber nicht mehr wohl: «Viele Junge wohnen jetzt hier, und die machen Party und hören Musik bis spät in die Nacht. Ich finde kaum noch Ruhe, obwohl ich mein eigenes Zimmer habe.» Yemane Tsegay schildert sein bewegtes Leben meist in stoischer Ruhe. Er nimmt es als sein Schicksal hin, dass er und seine Frau nun schon seit Jahren auf verschiedenen Kontinenten leben. Er lacht und strahlt, wenn er als grosser Fussballfan über den BSC Young Boys spricht. Wenn er aber von seiner Wohnsituation erzählt, versiegt sein Optimismus. 400 Franken hat er zur VerfüSURPRISE 390/16

Warum immer nur in der Dusche singen? Singen Sie mit uns! 20. Dezember, 18 Uhr Auf dem Münsterplatz Basel beim Brunnen

Der Surprise Strassenchor und StimmVolk singt gemeinsam mit Ihnen Herzenslieder aus aller Welt. Kommen Sie vorbei – wir freuen uns auf zahlreiche Begegnungen und ein fröhliches Singerlebnis. Alle sind willkommen. Infos unter vereinsurprise.ch/strassenchor oder StimmVolk.ch 13


Äthiopische Schrift und Sprache Der Text auf den Weihnachtskarten ist in der offiziellen Amtssprache von Äthiopien geschrieben: auf Amharisch. Die Schrift ist die sogenannte «äthiopische Schrift», auch «Ge’ez-Schrift» genannt. Tigrinya, die am meisten verbreitete von neun Sprachen in Eritrea, wird ebenfalls in äthiopischer Schrift geschrieben. Amharisch und Tigrinya gehören zu den semitischen Sprachen, zu denen auch Hebräisch und Arabisch gehören. Semitische Sprachen sind in Nord- und Ostafrika, auf der Arabischen Halbinsel sowie in Vorderasien von Israel bis Syrien verbreitet und gehören in die afroasiatische Sprachfamilie. Im Unterschied zu den anderen semitischen Sprachen schreibt man Amharisch und Tigrinya von links nach rechts. Ursprünglich ist die äthiopische Schrift eine sogenannte Konsonantenschrift. Übertragen auf das Deutsche hiesse das, man würde nur «Hs» schreiben für «Hase» oder «Hose» – das Wort würde somit mehrdeutig. Bei Bedarf wird die Schrift mit beigefügten Vokalisierungszeichen ergänzt, um Missverständnisse auszuschliessen.

Weihnachten in Äthiopien In Äthiopien feiern die orthodoxen Christen immer am 7. Januar Weihnachten, dieses Jahr am 7. Januar 2009. Denn der äthiopische Kalender liegt knapp acht Jahre hinter dem hiesigen gregorianischen Kalender zurück. An Weihnachten geht man traditionell weiss gekleidet in den Gottesdienst, wo man auch die 40-tägige Fastenzeit beendet. Zu Weihnachten gehört eine Art Hockeyspiel namens «Genna-Spiel». Der Legende nach haben Hirten während dieses Spiels von der Geburt von Jesus erfahren, deshalb ist es Brauch, dieses Spiel mit Stöcken und einem Holz- oder Lederball an Weihnachten zu spielen. Die Spieler werden in zwei Gruppen eingeteilt. Wird jemand angerempelt oder verletzt, darf keiner dem andern böse sein, denn die Tradition besagt, dass man beim Genna-Spiel nicht streitet. Es gibt an diesem Tag auch andere Spiele wie «Gugs», bei dem sich Reiter auf Pferden miteinander messen. Das Festessen besteht bei den meisten äthiopischen Familien aus «Injera», dem Fladenbrot aus Sauerteig mit verschiedenen Gemüse- und Fleischsaucen. Viele trinken dazu Bier, das sie einige Wochen vorher selbst angesetzt haben. Man wünscht sich «Melkam Genna» – frohe Weihnachten!

Quellen Yemane und https://abugidawien11.wordpress.com/2013/01/05/weihnachten-in-athiopien

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Yemane Tsegay verteilt seine Karten normalerweise persรถnlich an seine Kunden. Wem er nicht begegnet, der bekommt eine per Post. SURPRISE 390/16

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Begegnungen Post für Sie Der persönliche Kontakt zwischen den Verkaufenden und den Leserinnen und Lesern ist eine Besonderheit von Surprise. Immer wieder zeigen uns Zuschriften, welch reger Austausch hier besteht, was für Beziehungen sich aus scheinbar flüchtigen Begegnungen auf der Strasse ergeben und wie Verkaufende und Kunden sich gegenseitig schätzen. Surprise-Verkäuferinnen und -Verkäufer haben Ihnen deshalb Briefe geschrieben. Und Sie gebeten, zurückzuschreiben.

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Briefroman NatĂźrlich ein Manuskript Der Briefroman entstand im 18. Jahrhundert aus der privaten Lust am Briefeschreiben heraus und wurde zur erfolgreichsten Gattung seiner Zeit.

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VON DIANA FREI

die Rührung des Publikums ab. So geht es in Samuel Richardsons «Pamela, or Virtue Rewarded» von 1740/41 um die Sorgen und Nöte eines tugendhaften Mädchens, das sich gegen aufdringliche Männer und scheinheilige Gesellschaftsdamen wehren muss. Das machte die besondere Beziehung zwischen Briefroman und Empfindsamkeit aus: «Man weinte gerne mit, wenn eine junge Frau schreibend in Melancholie verfiel», wie Thomas Rommel in «Grundbegriffe der Literatur» schreibt. Im 18. Jahrhundert haftete Romanen schnell einmal der Beigeschmack an, sie würden zum allgemeinen Sittenverfall beitragen. Möglicherweise deswegen verleugnete man gerne, dass es sich bei den Geschichten um Fiktion handelte und verkaufte sie – scheinbar seriöser – als Autobiografien oder Memoiren. Man beteuerte die Authentizität in Vorworten und stellte den Briefwechsel als Dokumentation echter Briefe dar. Aus heutiger Sicht ist diese Verwirrung von Fiktion und Realität allerdings derart durchschaubar, dass man sich fragen darf, ob es nicht auch schon damals einfach ein Spiel mit dem Leser (oder vor allem der Leserin) war. Briefromane waren nicht selten angeblich zufällig entdeckte Manuskripte, Übersetzungen aus einer fremden Sprache oder gefundene Briefe, in die ein Herausgeber nun endlich Ordnung brachte. Mit diesem Beglaubigungsgestus setzte in der Erzählliteratur eine Form ein, die als eine Art Leserprovokation oder Spiel mit dem Leser bis in die Postmoderne hineinreicht. 1980 verwendet Umberto Eco in «Der Name der Rose» eine ganze Buchseite, nur um anzukündigen: «Naturalmente, un manoscritto». Das klingt authentisch, aber macht uns an sich genau das Gegenteil klar: Natürlich hat Eco es erfunden.

«Liebe einzige Bertha! Dein lieber Brief hat mich so glücklich gemacht. Immer wenn wir Abschied nehmen, bin ich unglücklich und habe das Gefühl, dass ich meinen Halt verloren habe. Immer wenn ich Dir geschrieben habe, bin ich irgendwie erleichtert und gebe mir Rechenschaft ab über das, was ich tat und sagte.» Das ist der Ton von Marga Bercks «Sommer in Lesmona», und so ähnlich klangen Briefe aus jener Zeit oft – es steckte viel Gefühl und manches Ausrufezeichen drin. Im 18. Jahrhundert hat sich die Briefkultur stark ausgebildet, und es wurde geradezu zur Mode, seine persönlichsten Seelenregungen einem Gegenüber brieflich mitzuteilen. Der Verkehr und das Postwesen waren ausgebaut worden, das Briefeschreiben boomte in den oberen Gesellschaftsschichten. Auch der Inhalt der Briefe veränderte sich damit: Während Briefe im 17. Jahrhundert noch der gegenseitigen beruflichen Information dienten, tauschte man sich in der Aufklärung zunehmend über Lebensfragen und die eigene seelische Befindlichkeit aus. Briefe wurden zur Manifestation von Freundschaften. Es kam eine Lust am Formulieren auf, auch Frauen begannen exzessiv zu schreiben, und langjährige Freundschaften, der intellektuelle Austausch und/oder schriftliche Mann-Frau-Beziehungen wurden zum Zeichen der Zeit – der Briefwechsel zwischen Charlotte von Stein und Goethe gehört dazu. Der Brief wurde zum Mittel des Gefühlsausdrucks, die gesellschaftlich normierten, steifen Redeformen schmolzen dahin. Die Epoche der Empfindsamkeit trieb diese Tendenz weiter voran: Emotional gefärbte Texte kamen auf, überschwängliches Gefühl wurde verhandelt, und das Tränen, die auf das Papier tropfen Privatleben wurde zur wichtigen menschlichen Kategorie. Man wollte Im 18. Jahrhundert war es bis anhin üblich gewesen, dass der Autor anderen seine innersten Gefühle mitteilen. «Privat» verstand man dabei dem Leser den Zugang zur erzählten Wirklichkeit vorgegeben hatte. Erst allerdings relativ: Briefe wurden oft ausgetauscht, abgeschrieben oder in geselliger Runde vorgelesen. Und nicht wenige wurden von Anfang an in der Hoffnung Im Haus von Madame de Staël trieb man die Briefschreib-Manie so weit, verfasst, dass sie einmal publiziert würden. dass sich die Gäste nach dem Essen zurückzogen, um sich gegenseitig zu Die Grenze zwischen Austausch mit dem anschreiben. deren und Selbstdarstellung war fliessend. Im Haus der französischen Schriftstellerin Madaspäter, im 19. Jahrhundert, wurde es explizit zum literarischen Ziel, me de Staël trieb man die Briefschreib-Manie so weit, dass sich die Gäsdass der Leser über seine Rolle selbst nachdenken sollte, und zwar, um te nach dem Essen zurückzogen, um sich gegenseitig zu schreiben. Das das Bewusstsein für die tatsächlichen gesellschaftlichen Gegebenheiten Briefeschreiben wurde zum Gesellschaftsspiel und war in dem Sinn gar und die gängigen sozialen Normen zu schärfen. Er sollte dadurch eine nicht mehr bloss eine einsame, private Sache. kritische Wahrnehmung der gesellschaftlichen Gegebenheiten entwiVor dem Hintergrund der persönlichen Schreiblust entstand denn ckeln. Auch wenn dagegen der Briefroman des 18. Jahrhunderts erst auch der Briefroman, und er wurde zur erfolgreichsten literarischen einmal eine emotionale bis sentimentale Angelegenheit war, in die man Gattung des 18. Jahrhunderts. Samuel Richardson hatte mit «Pamela, or heulend und seufzend eintauchen konnte, war er auch eine erzähltechVirtue Rewarded» (1740/41) den Anstoss dazu gegeben, 1748 veröffentnische Herausforderung für das Publikum. Der fiktionale Erzähler wurlichte er mit «Clarissa, or, The History of a Young Lady» den längsten Rode mit dem Briefroman zur beliebten literarischen Figur. Damit gibt es man seiner Zeit – bestehend aus 547 Briefen. Aufklärer Jean-Jacques hier nicht mehr nur den Erzähler, der uns eine Geschichte präsentiert. Rousseau folgte mit «Julie ou la Nouvelle Héloïse» (1761), Johann WolfSondern es gibt Briefe, die innerhalb der Erzählung ihre Leser haben, gegang von Goethe mit «Die Leiden des jungen Werthers» (1774) und Chonauso aber auch ausserhalb der Geschichte – nämlich uns, die das Buch derlos de Laclos 1782 mit «Les Liaisons dangereuses». Auch ähnliche lesen. Der Herausgeber wiederum ist zwar Teil der Fiktion, und trotzGattungen wie Memoiren und Tagebuchromane waren beliebt. dem erliegen wir beim Lesen halbwegs der Illusion, dieser Herausgeber habe die Briefe eigens für uns zusammengestellt. Und irgendwo ist noch Vorworte beteuern die Echtheit der Briefe der wirkliche Autor, der sich hinter all den Briefen versteckt. Der Briefroman hat eine Unmittelbarkeit, weil der Erzähler scheinbar «Les Liaisons dangereuses», ein Buch, das von Beginn weg ein Skanabwesend ist und der Leser den Eindruck erhält, er habe einen direkten dalerfolg war, indem es mit der Schilderung intriganter sexueller SpielZugang zu den Figuren. Die Texte zielen oft auf die Emotionen und auf SURPRISE 390/16

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chen moralische Normen sprengte, besteht aus 175 Briefen. Vicomte de Valmont stellt darin den Briefwechsel zwischen ihm und der Marquise de Merteuil selbst zusammen und lässt ihn Chevalier Danceny aushändigen, der in ebenjene Cécile de Volanges verliebt ist, die Valmont gezielt entjungfert hat. Danceny reicht die Briefe weiter, und zuletzt fügt sie der fiktive «rédacteur» zu einem Ganzen zusammen. Insofern wagte der Briefroman mit seinem Verwirrspiel um den Erzähler etwas Neuartiges. Er fächerte mit den Briefen von mehreren Leuten und dem vorgeschobenen fiktionalen Herausgeber das Rollenspiel zwischen Sender und Empfänger auf: Wer schreibt welche Briefe? Wer trägt sie zusammen? Wer versteckt sich hinter wem? Und wie verändert sich damit mein Blick als Leserin? Der Rezeptionsvorgang wird komplizierter, und die Frage, wie wir was wahrnehmen, fordert die Leser heraus. Die erdichteten Briefeschreiber haben ein Bewusstsein für ihr eigenes Werk, und ihre Perspektiven sind vielfältiger und vielleicht verwirrlicher als die eines einzelnen Erzählers. Dem Briefroman haftet damit natürlich auch etwas Gekünsteltes an. Das Briefeschreiben ist überpräsent und als Handlung natürlich redundant (es wird ja eigentlich nur geschrieben). Und die Tränen, die dem Verfasser beim Schreiben angeblich aufs Papier tropfen, bleiben immer behauptet, während wir im Buch eine makellose Seite vor uns haben. Für Briefe gilt grundsätzlich: Sie sind Zeugnisse von Gedanken, Wünschen, Hoffnungen. Sie sind gerichtet an ein Gegenüber, das einem vertraut ist. Und sie offenbaren eine ganz bestimmte Seite der eigenen Persönlichkeit. Man ist beim Schreiben – im Wortsinn – bei sich. Briefe sind unterdessen fast zu etwas Anachronistischem geworden. Heute teilt man seine persönlichsten Momente zwar immer noch mit anderen, per E-Mail, WhatsApp oder Instagram. Was wegfällt, ist das Nicht-Gleichzeitige, das Warten auf eine Antwort und das Überbrücken der Zeit mit

dem Gedanken daran, was der andere denkt. Der Raum zwischen Brief und Antwort ist mit WhatsApp sehr viel kleiner geworden, und damit vielleicht auch der Raum zum Träumen, Interpretieren und Spielen. Und weil auch kein Mensch mehr mit dem Tintenfass im Studierzimmer sitzt und Tränen vergiesst, ist der Briefroman heute als Gattung Geschichte. Lesen Sie über die Festtage: Pierre-Ambroise-François Choderlos de Laclos: Les Liaisons dangereuses (Gefährliche Liebschaften) Jean-Jacques Rousseau: Julie ou la Nouvelle Héloïse Johann Wolfgang von Goethe: Die Leiden des jungen Werthers Jane Austen: Lady Susan Marga Berck: Ein Sommer in Lesmona

Quellen Thomas Rommel: Grundbegriffe der Literatur, LIT Verlag 2012 Peter Nusser: Deutsche Literatur – Vom Barock bis zur Gegenwart, WBG 2012 Arata Takeda: Die Erfindung des Anderen – Zur Genese des fiktionalen Herausgebers im Briefroman des 18. Jahrhunderts, Königshausen & Neumann 2008

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Film Tintenfleck und Handlungsmotor Briefe gibt es auch im Kino. Wir haben die eindrücklichsten Filmbeispiele zusammengetragen. VON DIANA FREI

Ein Brief ist zwei Dinge auf einmal: Zum einen ist er Text. Das heisst, es steht etwas drin – Informationen, Gedanken, Gefühle. Zum andern ist er ein handfestes Requisit. Daher ist er als dramaturgisches Mittel unglaublich vielfältig einsetzbar. Leopold Lindtberg: Die missbrauchten Liebesbriefe, CH 1940, mit Paul Hubschmid, Anne-Marie Blanc, Alfred Rasser u. a. «Die missbrauchten Liebesbriefe» ist die Verfilmung der Literatursatire von Gottfried Keller und ein Schweizer Filmklassiker. Der Film parodiert das Bestreben eines MöchtegernSchriftstellers, seine privaten Briefe zu hoher Literatur zu machen. Gritli sollte als Ehefrau ihren Teil dazu beitragen, hat aber kein Flair dafür und lässt stattdessen den schönen neuen Lehrer im Dorf wohlformulierte Antworten verfassen. Doch das falsche Brieftäubchen fliegt natürlich auf. Vincente Minelli: Lust for Life, USA 1956, mit Kirk Douglas und Anthony Quinn Van Gogh war ein ebenso besessener Briefeschreiber wie Maler. Es existieren über 600 Briefe, die er an Freunde und Verwandte, vor allem aber an seinen Bruder Theo schrieb. Irving Stone hat auf ihrer Grundlage einen biografischen Van-Gogh-Roman verfasst, der 1934 erschien. Minelli hat den Roman adaptiert, Van Goghs Brieftexte führen als Voice Over durch den Film. Die authentischen Zeilen sind bereits gefühlsgeladen, und wenn dann noch die expressive Schauspielkunst von Kirk Douglas hinzukommt, ist das Pathos nicht mehr zu halten. Aber die Briefe sind spannend. Roger Vadim: Les Liaisons Dangereuses, F 1959, mit Jeanne Moreau, Gérard Philipe, Annette Stroyberg Stephen Frears: Dangerous Liaisons, USA 1988, mit Glenn Close, John Malkovich, Michelle Pfeiffer Miloš Forman: Valmont, USA 1989, mit Colin Firth, Annette Bening, Meg Tilly Choderlos de Laclos’ «Les Liaisons dangereuses» wurde etliche Male verfilmt, am bekanntesten sind diese drei Adaptionen. Roger Vadim hat die Handlung aus dem 18. Jahrhundert

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in die französischen Fünfziger verlegt, Formans und Frears’ Adaptionen sind Kostümfilme mit rauschenden Rüschenhemden, raschelndem Briefpapier und kratzenden Federn. Das Schreiben hat etwas Ungestümes, den Briefen haftet etwas Erotisches an. Valmont verführt die Damen und legt in seinen Briefen Zeugnis davon ab: Die Tinte auf dem weissen Papier wird hier quasi zum Entjungferungsblut auf dem frischen Bettlaken. Aber vor allem ist der Brief das Transportmittel der Intrigen. Quentin Tarantino: The Hateful Eight, USA 2015, mit Samuel L. Jackson, Kurt Russell, Jennifer Jason Leigh u. a. Abraham Lincoln war derjenige US-Präsident, der sich erfolgreich für die Abschaffung der Sklaverei einsetzte. Wenn man nun in einer Runde von acht Männern der einzige Schwarze ist und die anderen sieben unzimperlich, weiss und rassistisch sind, dann kann es hilfreich sein, man hat einen Brief von Abraham Lincoln persönlich in der Manteltasche. Er bringt den nötigen Respekt. Major Warren (Samuel L. Jackson) weiss das, und auch wenn «The Hateful Eight» nicht in erster Linie ein Brief-Film ist, so sind die Zeilen von Lincoln doch wesentlich, denn sie rücken die Machtverhältnisse zurecht. Egal, ob der Brief echt ist oder nicht. Joachim Trier: Louder Than Bombs, NO 2015, mit Jesse Eisenberg, Gabriel Byrne, Isabelle Huppert u. a. Auch kein Brief-Film, aber trotzdem erwähnenswert. Denn der nerdige Conrad hat das Wesen des Liebesbriefs noch nicht ganz verstanden und verfasst für seine High-SchoolAngebetete unwissentlich etwas viel Besseres: eine Selbsterklärung als eine Art Bewusstseinsstrom mit entsprechend rauschhaften Bildern, die vom Ich in Anzahl Unterhosen über die Bildanalyse von Zeitungsfotos bis hin zur Zersetzung von Kadavern reichen. Frei assoziierend schreibt sich Conrad durch die Themen, die ihm wichtig sind. Das Resultat: das Hirn eines Teenies in Briefform. Sein grosser Bruder rät ihm: Behalte deine Notizen für dich.

rigen Beziehung. Fast 20 Jahre lang schrieben sie sich hymnische Briefe, verfielen aber auch in Vorwürfe und Missverständnisse. Immer wieder fragt Bachmann in den Momenten der unklaren Beziehung: «Sind wir nur die Geträumten?». Der Film von Ruth Beckermann lässt die Musikerin und Schauspielerin Anja Plaschg und den Schauspieler Laurence Rupp die Brieftexte in einem Tonstudio aufnehmen und hält dabei auch die improvisierten Gespräche der Pausen fest: Die beiden Darsteller reden über die Briefe, über ihr Leben. Und immer steht die Frage im Raum, ob die Sätze, die sie den ganzen Tag vom Blatt ablesen, zu einem Teil ihrer selbst werden. ■

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Ruth Beckermann: Die Geträumten, A 2016, mit Anja Plaschg, Laurence Rupp Der Briefwechsel zwischen der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann und dem Lyriker Paul Celan ist ein berührendes Zeugnis einer schwieSURPRISE 390/16


Musik Briefe singen Briefe werden nicht nur geschrieben, sondern auch gesungen. Die Musik dazu ist oft zart und leise, denn Musiker schreiben vor allem Liebesbriefe. Aber nicht nur. VON BEAT CAMENZIND

«Give me a ticket for an aeroplane. Ain’t got time to take a fast train. Lonely days are gone, I’m a going home, my Baby just wrote me a letter, she couldn’t live without me.» Das singen wahlweise Joe Cocker, Al Green oder The Box Tops. Sie wollen alle möglichst schnell zu ihrer Geliebten nach Hause, denn sie vergeht vor Sehnsucht. Die Soulballade «The Letter» taugt perfekt für romantische Momente. Anders bei Frank Sinatra, Count Basie oder Nat King Cole: Sie schreiben im Swing-Stück «I’m Gonna Sit Right Down and Write Myself a Letter» selber einen Liebesbrief. Und zwar so, wie es die Geliebte tun würde, auch wenn das nicht dasselbe sei, finden sie mit einem Augenzwinkern. Oft sind Briefe in Songs mit Tränen benetzt. Johnny Cash machte das Augenwasser gleich zum Titel seiner Country-Ballade «Tear-Stained Letter»: Darin wünscht ein Verlassener seiner Verflossenen, dass sie auch weint, wenn sie den nassgeweinten Brief liest. Um sie zur Rückkehr zu überzeugen, habe er eine traurige Melodie für sie geschrieben. Auch Nick Cave ist ein Kind von Traurigkeit. In der orchestralen Ballade «Love Letter» setzt der Autor all seine Hoffnungen in den Brief, den er an seine Liebste geschrieben hat. Er nennt ihn Bitte, Petition, Gebet. Später im

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Lied weinen alle Beteiligten, und der Song endet mit «Komm zurück, komm zurück, komm zurück». Briefe dienen auch als Entschuldigung. The Cure entschuldigen sich in «Letter to Elise», auch dies eine orchestrale Ballade: «I thought, this time I’d keep all of my promises.» Der Mann konnte aber seine Versprechen nicht halten und geht. Tom Jones macht es besser im Duett «The Letter», ebenfalls eine Soulballade: Der Mann entschuldigt sich für seine Fehler und kriegt seine Frau zurück. Der Briefträger sieht es nüchtern Nobelpreisträger Bob Dylan zeigt sich in seinem Folk-Stück «Call Letter Blues» von der noblen Seite: Er versteht seine Frau, dass sie ihn wegen eines anderen verlassen hat. Er bietet ihr an, sie könne immer wieder zu ihm zurückkehren. Er habe auf keine andere Lust. Etwas verzweifelter ist David Bowie im Pop-Song «Letter to Hermione»: Er weiss schlicht nicht, was er noch machen kann, ausser seiner Geliebten einen Brief zu schreiben. Denn sie hat einen Besseren gefunden. Doch es gibt nicht nur Liebesbriefe in Songtexten: An Dramatik kaum zu überbieten ist Dolly Partons «Letter to Heaven». Die CountryLegende singt vom Grossvater, der gemeinsam mit der Enkelin einen Brief an ihre verstorbene Mutter schreibt. Die Kleine will Mama mög-

lichst bald wieder sehen. Sie bringt den Brief zur Post, wird angefahren und stirbt. «Straight up into heaven this letter did go. She’s happy up there with her Mommy, I know», findet der Briefträger, der den Brief findet. Die Musiker kennen auch politische, wütende und offene Briefe: Die Beastie Boys lobpreisen in «An Open Letter to NYC» ihre Heimatstadt, Rapper Jay Z entgegnet in «Open Letter» der Kritik an seiner Kubareise, und Mano Negra fordern in «Letter to Censors» die Zensoren heraus. Das tun sie mit einer Tirade an Fluchwörtern. Ganz offen in ihrem privaten Zorn zeigt sich die Deutsch-Folkerin Juliane Werding im Folk-Lied «Der Brief». Sie beschwert sich bei ihrer Mutter: «Ich will endlich von dir frei sein.» Wem die ganze Tränenseligkeit zu viel ist, kann sich vielleicht mit Rodney Carringtons Country-Song «A Letter to My Penis» anfreunden. Ein Mann schreibt an seinen Penis, er möge ihn nicht mehr, weil er ihm nicht mehr beim Rasieren zuschaue und nur noch auf den Boden starre. Es sei eine schöne Zeit gewesen zu zweit mit einem Schmuddelheft. Der Penis antwortet, er möge ihn auch nicht mehr. Denn immer wenn der Mann trinken gehe, lande er an Orten, wo er nie vorher war. Dennoch: Am Ende des Songs verstehen sich die beiden wieder. ■

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BILD: ZVG

Moumouni … … trifft Verschwörer

Zu Trump hat ja jetzt schon wirklich jeder und jede was gesagt. Die einen sind überrascht, die anderen sind es nicht. Die einen sind der Meinung, Hillary wäre die bessere Wahl gewesen, die anderen sind sich da nicht so sicher. Die einen sind betroffen, die anderen sind gleichgültig. Die einen können seit der Wahl nicht mehr schlafen, die anderen sagen, das Leben gehe weiter. Die einen warten nur auf den Tag, an dem Trump aus Versehen oder zumindest fahrlässig «den Knopf» drückt, die anderen glauben, eine Legislaturperiode tue den USA und der Welt vielleicht doch noch irgendwie gut. Die einen warten auf die Revolution, die anderen sind schon auf der Strasse und schrauben an irgendeinem Stromversorgungskasten herum. Ich? Ich bin ein wenig überrascht, dass Trump jetzt tatsächlich Präsident der USA wird, aber irgendwie auch nicht. Passt doch irgendwie zur Zeit. Ich glaube, Clinton wäre das kleinere sehr grosse Übel gewesen. Ich fühle mich betroffen: Als Muslima und Schwarze fühle ich mich generell bedroht von Rassisten, die politische Macht bekommen. Gleichzeitig, naja, bin ich sicher nicht auf dieselbe Art betroffen wie eine in den USA lebende Schwarze, Mexikanerin oder Muslima. Ich schlafe generell gut und muss ausserdem auch eine Arbeit für die Uni schreiben, deshalb: Das Leben geht weiter. Trump wird noch einige dumme und schlimme

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Dinge sagen und tun. Davon, den Knopf zu drücken, der die Atombombe auslöst, werden ihn seine Berater_innen ja wohl hoffentlich abhalten. Wahrscheinlich findet es aber auch Trump selbst nicht so schlau, eine Atombombe zu zünden … Ich warte derweil auf die Revolution, habe aber den letzten StrassenblockadenbauWorkshop verpasst. Dafür habe ich letztens das erste Mal einen waschechten Verschwörungstheoretiker getroffen: ein eigentlich ziemlich sympathischer Mann mittleren Alters, der das antirassistische Humorfestival in der Roten Fabrik besuchte. Nachdem er mehrere komische Äusserungen zugunsten der deutschen Reichsbürgerbewegung von sich gab, fragte ich ihn fasziniert, was er von Chemtrails halte. Er antwortete: «Nai, nai, das gits nöd – aber Konzentrationslager, diä häts au niä gäh!» Einen echten Holocaustleugner hatte ich da vor mir! Einer, der ohne Hemmungen, ohne Scham und vor allem ohne Zweifel erzählte, den Holocaust habe es nicht gegeben. Seine Quellen waren «echte» Youtube-Videos und «sogar» Wikipedia-Artikel. Ich muss zugeben: Es hat mich schon auch ein bisschen beeindruckt. Genauso, wie ich mir auch Trumps TVDuelle – leicht angewidert, aber eben auch ein wenig amüsiert – angesehen hatte. Der Verschwörungstheoretiker hatte Angst. Und er war schlecht informiert. Und er war

nicht imstande, die Quellen zu überprüfen, die er heranzog. Die Inputs aus dem antirassistischen Humorfestival hat er auf die gleiche Weise aufgesogen wie irgendwelche Verschwörungstheorien. Mit mir wollte er einfach über das Programm des Festivals diskutieren. Und darüber, ob es den Holocaust gegeben hatte oder nicht. Dabei hat er vergessen, dass es Dinge gibt, die nicht verhandelbar sind. Und damit ist er leider weder hier noch im Land der Freiheit allein.

Fatima Moumouni wartet auf die Revolution. Bis dahin diskutiert sie mit Verschwörungstheoretikern, gibt Antirassismusworkshops, versucht die Welt zu verstehen und schreibt Texte für den Weltfrieden.

Rahel Nicole Eisenring ist freie Illustratorin. www.raheleisenring.ch SURPRISE 390/16


BILD: ISTOCKPHOTO

Die hängen hier so traurig herum. Machen Sie das Beste aus ihnen.

Piatto forte In der Tinte Nicht immer ist etwas misslungen, wenn man in der Tinte sitzt. Ein Risotto wird damit erst richtig speziell. VON TOM WIEDERKEHR

Die Umgangssprache macht es sich meistens ein bisschen einfach. Daher ist, wenn man von Sepia spricht, erst mal ein bisschen Differenzierung nötig: Als Sepia wird einerseits der Farbstoff bezeichnet, welcher aus dem Tintenbeutel des Tintenfisches hergestellt wurde und früher in Tusche zum Zeichnen und Schreiben beliebt war. Andererseits ist Sepia neben dem Kalamar und dem Oktopus einer der am meisten verwendeten Tintenfische in der Küche. Wer beim Fischhändler einfach «einen Tintenfisch» bestellt, wird in den meisten Fällen einen Sepia bekommen. Sie sind in der Küche am vielseitigsten einsetzbar: Sepien kann man grillen, braten oder auch schmoren. Sie schmecken gefüllt und im Ofen gegart hervorragend. In mediterranen Ländern sind Sepien paniert und frittiert sehr beliebt. Das Fleisch der Kalmare hingegen ist fest und mager und lässt sich roh zum Beispiel als Sushi geniessen. Das Fleisch des Oktopus schliesslich ist zäher und muss lange geschmort werden, was sich dann aber durch viel Geschmack bezahlt macht. Ein Risotto, welches die Geschichte des Meeres und seiner Fischer erzählt, ist das Risotto al nero di sepia. Kaufen Sie 600 bis 800 Gramm kleine Sepien. Zuhause lösen Sie den Mittelknochen der Tintenfische heraus und entfernen die Innereien samt den Tintenbeuteln, welche Sie beiseite legen. Die Tintenfische anschliessend gründlich waschen und in feine Streifen schneiden. Eine Zwiebel, zwei Knoblauchzehen und ein Bund flache Petersilie fein hacken, danach in einer grossen Kasserolle in Olivenöl andünsten. Die Tintenfischstreifen kurz darin anbraten, danach mit einem Glas Weisswein ablöschen. Wenn dieser eingekocht ist, mit etwas Wasser und einem Esslöffel Tomatenpüree und dem Inhalt der Tintenbeutel ergänzen. Das Ganze 20 bis 30 Minuten bei milder Hitze garen, bei Bedarf etwas Fischfonds dazugeben. Wenn die Sepie fast gar sind, 300 Gramm CarnaroliRisotto zufügen und unter ständiger Zugabe von 1 bis 1.5 Litern heissem, kräftigem Fischfonds garen. Dabei ständig rühren, damit sich die Stärke aus dem Reiskorn lösen kann und diese typische Sämigkeit ergibt, die das Risotto ausmacht. Sobald Sie den ersten Löffel dieses Risottos essen und dabei die Augen schliessen, können Sie die Fischer hören, welche im kleinen Hafen direkt ab ihrer Barke die Tintenfische anpreisen. Und Sie erinnern sich an diesen Geruch von Fisch und Motorenöl, welchen man nur an den Fischerhäfen am Meer riechen kann. Bezugsquellen und Rezepte: www.piattoforte.ch/surprise SURPRISE 390/16

Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.

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Naef Landschaftsarchitekten GmbH, Brugg

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Schweizerisches Tropeninstitut, Basel

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PS: Immotreuhand GmbH, Zürich

04

Iten Immobilien AG, Zug

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Proitera GmbH, Basel

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Petra Wälti Coaching, Zürich

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Alfred Rappo-Kolenbrander, Breitenbach

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Botanica GmbH, Sins

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Brother (Schweiz) AG, Dattwil

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InhouseControl AG, Ettingen

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Maya-Recordings, Oberstammheim

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noline.ch GmbH, Buus

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Imbach Reisen AG, Wanderreisen, Luzern

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mcschindler.com GmbH, Zürich

15

Scherrer + Partner GmbH, Basel

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Ingenieurbüro BEVBE, Bonstetten

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Coop Genossenschaft, Basel

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Treuhand U. Müller GmbH, Bern

19

Lions Club Zürich-Seefeld, Zürich

20

Supercomputing Systems AG, Zürich

21

Fraumünster Versicherungstreuhand AG, Zürich

22

VXL Gestaltung und Werbung AG, Binningen

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AnyWeb AG, Zürich

24

A. Reusser Bau GmbH, Recherswil

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Kreislauf 4+5, Zürich

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

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Surprise – mehr als ein Magazin

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Hilfe zur Selbsthilfe Surprise unterstützt armutsbetroffene Menschen – beim Strassenverkauf, Strassenchor oder Strassensport, dem Sozialen Stadtrundgang oder Café Surprise: Der Verein fördert die soziale Integration der Betroffenen. Surprise gibt das vierzehntägig erscheinende Strassenmagazin heraus. Eine professionelle Redaktion produziert das Heft zusammen mit freien Journalisten, Fotografen und Illustratoren. Das Magazin wird auf der Strasse verkauft. Über 350 armutsbetroffene Menschen, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten über den Strassenverkauf eine Erwerbsmöglichkeit und eine Tagesstruktur. Die Hälfte des Magazinerlöses behalten die Verkaufenden.

Stärken. Bewegen. Integrieren. Surprise fördert die Integration mit Sport. In der Surprise-Strassenfussball-Liga spielen Teams aus der Deutschschweiz um den Titel des Schweizermeisters. Einige Spieler nehmen am Homeless World Cup teil. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Strassenchor. Gemeinsames Singen und Auftritte ermöglichen Glücksmomente für Menschen, für die der gesellschaftliche Anschluss erschwert ist. Café Surprise schenkt Menschen mit wenig Geld einen Kaffee in einer Bar oder einem Café. So können sie am sozialen Leben teilnehmen. Für Gäste ist es eine charmante Gelegenheit, sich sozial zu engagieren: Sie bezahlen ihren Kaffee und spendieren einen weiteren.

Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht sozial ausgegrenzten Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit z.B. mit dem Sozialen Stadtrundgang in Basel und Zürich. Die Surprise-Stadtführer sind Armutsbetroffene, Ausgesteuerte und Obdachlose. Sie erzählen aus ihrem Alltag in ihrer Stadt und zeigen Orte, an denen man sonst vorübergeht. Gemeinsam wollen sie Vorurteile abbauen.

Über Surprise Der Verein Surprise unterstützt Armutsbetroffene ohne staatliche Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle Angebote ist Surprise auf Spenden, Sponsoren und Stiftungen angewiesen. Surprise ist Mitglied des internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP), dem über 120 Magazine in über 40 Ländern angehören.

Impressum Herausgeber Verein Surprise, Spalentorweg 20, 4051 Basel www.vereinsurprise.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Fr T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 Nicole Mathys, Thomas Oehler, info@vereinsurprise.ch Geschäftsleitung Paola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (Mitglied der Geschäftsleitung), Jannice Vierkötter (Mitglied der Geschäftsleitung) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@vereinsurprise.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Amir Ali (ami), Beat Camenzind (bc), Diana Frei (dif, verantwortlich für diese Ausgabe), Simon Jäggi (sim), Thomas Oehler (toe), Sara Winter Sayilir (win) redaktion@vereinsurprise.ch, leserbriefe@vereinsurprise.ch Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Florian Burkhardt, Rahel Nicole Eisenring, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Khusraw Mostafanejad, Fatima Moumouni, Stephan Pörtner, Isabella Seemann, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Tom Wiederkehr, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Annette Boutellier, Miriam Künzli, Isabel Mosimann Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 39 000, Abonnemente CHF 189, 25 Ex./Jahr Marketing, Fundraising, Kommunikation T +41 61 564 90 50 Svenja von Gierke (Leitung), Zaira Esposito, Katrin Pilling Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise nur mit Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt.

Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83/85 Thomas Ebinger, Anette Metzner, Spalentorweg 20, 4051 Basel, basel@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Zürich T +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12 Sara Huber, Christian Sieber, Kanzleistr. 107, 8004 Zürich, zuerich@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02 Andrea Blaser, Barbara Kläsi, Alfred Maurer Scheibenstrasse 41, 3014 Bern, bern@vereinsurprise.ch Café Surprise T +41 61 564 90 50 Zaira Esposito (Leitung), z.esposito@vereinsurprise.ch Strassenchor T +41 61 564 90 40 Paloma Selma (Leitung), p.selma@vereinsurprise.ch Strassenfussball T +41 61 564 90 10 Lavinia Besuchet (Leitung), l.besuchet@vereinsurprise.ch, David Möller (Sportcoach), d.moeller@vereinsurprise.ch Sozialer Stadtrundgang Basel T +41 61 564 90 40 Sybille Roter (Leitung), s.roter@vereinsurprise.ch, Paloma Selma (Koordination), rundgang@vereinsurprise.ch Sozialer Stadtrundgang Zürich T +41 44 242 72 14 Sybille Roter (Leitung), s.roter@vereinsurprise.ch, Carmen Berchtold (Koordination), rundgangzh@vereinsurprise.ch Vereinspräsident Beat Jans Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen. Helfen macht Freude, spenden Sie jetzt: Spendenkonto PC 12-551455-3 SURPRISE 390/16


SurPlus – eine Chance für alle! Werden Sie Gotte oder Götti bei SurPlus Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten. Menschen, die kaum Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt wieder Struktur und mehr Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Das verdient Respekt und Unterstützung. Das Spezialprogramm SurPlus ist ein niederschwelliges Begleitprogramm für ausgewählte Surprise-Verkaufende, die regelmässig das Strassenmagazin

verkaufen und hauptsächlich vom Heftverkauf leben. Diese Verkaufenden erhalten nur geringe soziale Ergänzungsleistungen und werden im Programm SurPlus gezielt vom Verein Surprise unterstützt: Sie sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit, Nahverkehrsabonnement) und werden bei Problemen im oft schwierigen Alltag begleitet. Mit einer Patenschaft leisten Sie einen wesentlichen Beitrag für die soziale Absicherung der Verkaufenden und ermöglichen ihnen, sich aus eigener Kraft einen Verdienst zu erarbeiten. Vielen Dank für Ihr Engagement!

Elsa Fasil Bern

Kostana Barbul St. Gallen

Ralf Rohr Zürich

Marlis Dietiker Olten

Negasi Garahassie Winterthur

Josiane Graner Basel

Tatjana Georgievska Basel

Emsuda Loffredo-Cular Basel

Anja Uehlinger Baden

Andreas Hossmann Basel

Haimanot Ghebremichael Bern

Roland Weidl Basel

Daniel Stutz Zürich

Markus Thaler Zürich

Ja, ich werde Gotte/Götti und unterstütze das SurPlus-Programm von Surprise! 1 Jahr: 6000 Franken

1/2 Jahr: 3000 Franken

1/4 Jahr: 1500 Franken

Vorname, Name

Telefon

Strasse

E-Mail

PLZ, Ort

Datum, Unterschrift

1 Monat: 500 Franken

390/16 Talon bitte senden oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, 4051 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch, PC-Konto 12-551455-3 SURPRISE 390/16

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