Surprise 392

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Nr. 392 | 20. Januar bis 2. Februar 2017 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.

Der Elefant Wie Bestseller-Autor Martin Suter recherchiert


#VendorWeek Surprise auf Tour – Kommen Sie vorbei! 6. bis 10. Februar 2017 Eine Woche pro Jahr stellen wir mit öffentlichen Aktionen die Lebenswelt der Verkaufenden des Strassenmagazins in den Mittelpunkt. Damit beteiligt sich Surprise an der weltweiten Vendor Week des Internationalen Netzwerkes der Strassenmagazine. Dieses Jahr sind wir unter dem Motto «Begegnungen im öffentlichen Raum – zusammen unterwegs gegen soziale Ausgrenzung» mit einem VW-Bus auf Tour.

Unsere Tour Montag, 6.2. Basel, Barfüsserplatz | Dienstag, 7.2. Basel, Claraplatz (17 Uhr Auftritt des Surprise Strassenchors) | Mittwoch, 8.2. Bern, Waisenhausplatz | Donnerstag, 9.2. Zürich, St. Jakobskirche | Freitag, 10.2. Zürich, St. Jakobskirche (17 Uhr Auftritt des Surprise Strassenchors)

Kommen Sie vorbei, lernen Sie unsere Verkaufenden kennen und erfahren Sie mehr über ihre Geschichten.

Jeweils von 9 bis 17 Uhr Weitere Informationen auf vereinsurprise.ch oder auf facebook.com/VereinSurprise

Wir freuen uns auf Sie.

Ist gut. Kaufen! Trendige Surprise Taschen in bunten Sommerfarben! Gemeinsam mit dem Secondhand-Shop Zweifach aus Basel haben wir diese trendigen Surprise Taschen entworfen! Die Taschen werden umweltfreundlich aus nicht mehr gebrauchten Lastwagenplachen genäht und mit Autogurten versehen. Sie sind geräumig und verfügen innen über ein grosses Zwischenfach. Erhältlich sind sie in den Farben Rot, Blau, Grün, Orange und Schwarz. Je nach Vorrat kann die Lieferung bis zu drei Wochen in Anspruch nehmen. Zweifach ist ein Betrieb der Eingliederungsstätte Baselland und bietet jungen und erwachsenen Menschen mit einer Behinderung die Möglichkeit, im beruflichen Alltag Fuss zu fassen. Tun Sie sich, Zweifach und auch Surprise etwas Gutes und bestellen Sie noch heute Ihre Tasche in Ihrer Lieblingsfarbe!

Surprise City-Taschen (24,5 x 35,5 cm); CHF 45.– (exkl. Versandkosten) schwarz orange grün blau rot

Der Surprise Schriftzug soll folgende Farbe haben schwarz weiss silber

Farben nur solange der Vorrat reicht. Wir sind dabei unser Sortiment umzustellen.

Anzahl Taschen

Vorname, Name

Telefon

Strasse

E-Mail

PLZ, Ort

Datum, Unterschrift 392/17

*gemäss Basic 2008-2. Seite bitteMACH heraustrennen und schicken oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, 4051 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch


Wenn man etwas verstehen will, nimmt man am besten Kontakt mit jemandem auf, der Bescheid weiss. So wie Bestsellerautor Martin Suter: Für die Recherche zu seinem frisch erschienenen Roman «Elefant» fragte er bei den Surprise-Stadtführern Hans Peter Meier und Ewald Furrer nach. Denn der Schriftsteller wollte das Leben auf der Strasse kennenlernen und verstehen. Noch heute trifft Suter sich hin und wieder auf einen Kaffee mit Meier. Worüber sie dann sprechen, lesen Sie ab Seite 10. Hind Zkhiri aus Marokko ist Spezialistin für Glaubens- und Frauenfragen. Als eine der ersten staatlich ausgebildeten weiblichen Religionsgelehrten des Landes ist sie zu einer festen Institution im Leben vieler Frauen in Marrakesch ge- SARA WINTER SAYILIR worden. Zkhiri und ihre Kolleginnen sollen mit ihrer Arbeit auch der Radika- REDAKTORIN lisierung junger Muslime entgegenwirken, so die Hoffnung. Wie, lesen Sie ab Seite 14. Bald ist wieder Vendor Week! In der zweiten Februarwoche haben Sie in Basel, Bern und Zürich die Gelegenheit, es Martin Suter gleichzutun: Treffen Sie unsere Verkaufenden, fragen Sie, was Sie schon immer fragen wollten, und erfahren Sie mehr über das, was Strassenmagazin-Verkaufende bewegt. Mehr dazu ab Seite 20.

BILD: TOBIAS SUTTER

Titelbild: Miriam Künzli

Editorial Den Experten begegnen

Ich wünsche Ihnen viel Spass beim Lesen Sara Winter Sayilir

BILD: PATRICK TOMBOLA

BILD: MIRIAM KÜNZLI

10 Literatur Auf Recherche SURPRISE 392/17

BILD: ISTOCKPHOTO

Inhalt 04 Randnotiz Wer ist A? 04 Vor Gericht Entblösst 05 Basteln für eine bessere Welt Verkettet 06 Wir alle sind #Surprise «Neues Lebensgefühl» 07 Challenge League In zwei Sprachen zuhause 08 Porträt «Helfen ist ein grosses Wort» 22 Moumouni … wünscht sich was 23 Stadtforschung Denken Sie sich die Stadt neu 24 Buch Territoriale Minidramen 24 Ausstellung Fantastischer Pflanzenkosmos 25 Piatto Forte Von Kopf bis Fuss 26 Ausgehtipps Dystopie 28 Sängerporträt «Sprung ins kalte Wasser» 29 Surplus Eine Chance für alle 30 In eigener Sache Impressum

14 Marokko Eine Frau Gottes

20 Vendor Week Intensive Begegnungen

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Randnotiz Wer ist A? A hat wieder einen furchtbaren Tag. Als er auf das iPhone starrend zum Café läuft, weicht ihm eine Frau nicht rechtzeitig aus. Blinde Kuh. Das Lokal ist natürlich schon fast voll. Wieso müssen auch alle Aargauer nach Zürich ziehen? Auf seinem Lieblingsplatz sitzt ein Typ mit Laptop. Können Hipster nicht wie alle anderen im Büro arbeiten? Ein kleines Mädchen rennt durchs Café. A sucht mit bösen Augen nach der Mutter. Die Eltern von heute erziehen ihre Kinder einfach nicht mehr. Er setzt sich und entdeckt mit Schrecken, dass der Typ neben ihm NikeSchuhe trägt. Unglaublich, dass jemand Kinderarbeit unterstützt. Noch schlimmer: Er löffelt ein Ei. Was für ein Tierquäler. A blickt ihn angeekelt von der Seite an. Diese Nase! Sicher ein Ausländer. Es ist wirklich eine Qual, dass er gezwungen ist, in dieses Café zu gehen, weil alle anderen Lokale noch beschissener sind. Die Kellnerin stellt ihm den verlangten Americano hin. Obwohl er es schon bemängelt hat, gibt es hier immer noch keine ungezuckerte Sojamilch. Soll er sich etwa wegen der Unfähigkeit des Cafés noch mehr im Fitnessstudio abrackern? A konzentriert sich auf sein Handy. Er öffnet eine Social App nach der anderen. Seine Freunde posten nur Schwachsinn auf Facebook, und auf Instagram hat sein neues Foto nur zwölf Likes gekriegt. Weil der Kaffee zu heiss ist, liest A online einen Zeitungsartikel. Echt schlecht geschrieben, wie immer. Noch schlimmer sind die Leserkommentare. Wie dumm und irre doch die Leute sind. Jetzt ist der Kaffee kalt. Ein Penner fragt ihn nach Geld, als A aus dem Lokal flüchtet. Als ob man es sich leisten könnte, nach einem Cafébesuch in Zürich noch Geld zu spenden. Was das Fass zum Überlaufen bringt ist die Werbung im Briefkasten, obwohl da dieser fette «Bitte keine Werbung»-Sticker klebt. A überlegt sich, ob er die Firma auf dem Flyer dafür anzeigen kann. Wie immer war es ein Fehler, die Wohnung überhaupt zu verlassen. Das Leben in Zürich ist einfach schrecklich. Aber auf dem Land würde A sofort sterben, davon ist er überzeugt. Der arme A.

Florian Burkhardt war erfolgreicher Sportler, Model und Internetpionier. Sein Leben wurde im Film «Electroboy» dokumentiert.

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Vor Gericht Entblösst Das letzte Wort vor der Urteilsberatung hat stets der Angeklagte, doch auch vor dem Bezirksgericht bringt er das Onanieren und das Urinieren durcheinander, sagt, er meine das andere, nicht dieses, verhaspelt sich und errötet über beide Ohren. Aber der Richter hat derlei Ausflüchte ohnehin schon zu oft gehört: «Es ist immer derjenige, der austritt und beim Verpacken des Ganzen missverstanden wird», sagt er bei der Urteilsverkündung mit einem Anflug von Sarkasmus, spricht den 41-jährigen Handwerker wegen «exhibitionistischer Handlungen» schuldig und verurteilt ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 30 Franken, bei einer Probezeit von zwei Jahren, sowie zu einer Busse von 600 Franken. Der Tatort ist über das Limmattal hinaus einschlägig bekannt: Nämlich just beim übel beleumdeten Rastplatz Oberengstringen wollte Rolf B.* vorletzten Sommer nach eigenen Angaben Wasser lassen und sich dann ein bisschen die Beine an der Limmat vertreten. Das mit dem Urinieren am Parkplatzrand hat Frau K. zunächst genauso gesehen. Als sich der massige Mann mit den Stoppelhaaren auf der anderen Seite des Parkplatzes zu ihr umgewandt habe, sei es zwischen seinen Beinen dann aber zu ganz anderen Manipulationen gekommen. Die 33-jährige, in der Kosmetikbranche tätige Vertreterin stand im Auto auf dem Parkplatz, weil sie telefonieren wollte. Sie hatte das Telefon schon zur Hand, als der Angeklagte mit offener Hose bis auf wenige Zentimeter herangekommen sei und sie durchs Fenster angestarrt habe. «Er füllte das Seitenfenster aus», erinnert sich die Zeugin, habe

am erigierten Penis gespielt und verlangt, dass sie das Fenster runterlasse. Da habe sie die Polizei angerufen und dies auch lautstark so angekündigt. «Ist doch nichts dabei», soll der Exhibitionist gesagt haben. «Ich will mich doch bloss ein bisschen selbst befriedigen!» Doch als sie drohend mit einer gefüllten Pet-Flasche wedelte, stieg Herr B. zügig in sein Auto und suchte das Weite. Die Polizei spürte den Mann anhand der Autonummer auf, die sie notiert hatte. Dem folgenden Strafbefehl der Staatsanwaltschaft über 30 Tagessätze hatte Herr B. widersprochen und es auf einen Prozess ankommen lassen – obwohl dieses Strafmass nach Ansicht des Richters «ein Schnäppli» gewesen wäre. «Das muss die Frau geträumt haben», sagt Rolf B. So was würde er nie tun. Er habe nur onaniert, «äh, uriniert». Der Verteidiger versucht, wegen der Entfernung zwischen der Frau und dem Angeklagten, wegen der schon tief stehenden Sonne und wegen vergleichsweise vager Beschreibungen dessen, was zwischen den Beinen des Mannes zu sehen war, Zweifel an der Beobachtung der Zeugin zu säen. Beim Richter keimt aber höchstens der Ärger: «Was soll’s denn sonst gewesen sein?», fragt er und verdoppelt die Tagessätze aus dem Strafbefehl, die auf ein angenommenes Geständnis hin berechnet worden waren. * alle Namen geändert

Isabella Seemann ist freie Journalistin in Zürich und porträtiert monatlich die kleinen und grossen Fische, die es in die Gerichtssäle geschwemmt hat.

Priska Wenger ist Illustratorin in Biel und New York. SURPRISE 392/17


ILLUSTRATION: WOMM

Basteln für eine bessere Welt Verkettet In Erdog˘anistan wird derzeit im Minutentakt verhaftet. Falls es hierzulande auch einmal zu solchen Zuständen kommen sollte, ist es ratsam, die entsprechenden Vorkehrungen getroffen zu haben.

Sie brauchen: 3 Meter Metallkette aus dem Baumarkt 1 stabiles Vorhängeschloss 1 gutes Versteck 1 Smartphone

1. Sobald Sie ahnen, dass die Polizei bald anrückt, wickeln Sie sich gut in die Kette ein, so dass Sie nicht so einfach mitzunehmen sind. Vergessen Sie nicht, einen Bettpfosten oder sonst ein schwer verrückbares Möbelteil mit einzubinden.

2. Verschliessen Sie die Kette mit dem Vorhängeschloss und lassen Sie den Schlüssel verschwinden.

3. Sobald Sie die Polizei vor der Tür hören, schreiben Sie per Smartphone Ihrer Familie, Ihren Freunden sowie Ihren Social-Media-Kontakten eine Nachricht über Ihr bevorstehendes Schicksal und bitten diese um Unterstützung. Manchmal hilft’s.

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Leserbrief Ausgabe 390, «Milch für den Präfekten»

Ewald Furrer

Ein sehr schönes Porträt einer eindrücklichen Frau.

begrüsst alle mit einem warmherzigen Lächeln und einem freundlichen Gruss. Die kurzen Gespräche mit ihm über Gott und die Welt sind am Morgen ein Aufsteller und ermöglichen einen erfolgreichen Start in den neuen Tag.

S. Brügger, Zürich

J. Cuenca, Winterthur

Wir alle sind #Surprise Wer das Strassenmagazin kauft, tauscht mehr als Geld gegen Ware: Fast immer gibt es ein Lächeln dazu, oft werden ein paar Worte ausgetauscht – und manchmal sogar gegenseitiges Vertrauen aufgebaut. Viele Leserinnen und Leser berichten uns von ihren Begegnungen mit den Verkaufenden. Und sie schreiben der Redaktion, was sie gut gefunden haben und was weniger. Wir bedanken uns herzlich für diese Rückmeldungen – und teilen hier einige davon mit Ihnen.

Stadtrundgang Ich möchte mich bei Ihnen und besonders bei Stadtführer Heiko Schmitz für die sehr spannende, bewegende und eindrückliche Führung bedanken. Heiko Schmitz war sehr kompetent und hat uns alle sehr beeindruckt. Er hat es geschafft, über zwei Stunden einen Spannungsbogen aufrechtzuerhalten und eine gute Mischung zwischen persönlichen Erlebnissen und allgemeinen Informationen zu finden.

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C. Roost und die Klasse F1c, Gymnasium Münchenstein

Leserbrief

ein neues Lebensgefühl geschenkt. Er erzählte, wie sein Wohnwagen von einem Blitz getroffen wurde und er seither auf der Strasse lebt. Einfach grandios zu sehen, wie er trotz dessen mir ein so wundervolles Lächeln schenken konnte. Danke dafür. Dieses Gespräch prägte mich, die Welt mit anderen Augen zu sehen. M. Schwab, Brügg

P. Jud, Stühlingen

Roger Meier hat mir

verkauft Surprise vor dem Coop in Sissach. Die Baselbieter Künstlerin Heinke Torpus kauft ihm hier regelmässig das Heft ab. Mit der Idee, ihn zu porträtieren, war Victor rasch einverstanden. Torpus machte ein Foto von ihm und setzte sich an den Zeichentisch. Das entstandene Porträt veröffentlichte sie Anfang des Jahres in der «Volksstimme», einer Baselbieter Lokalzeitung. «Als guten Beginn für alle, die von wo anders sind und hier ankommen wollen», schreibt Torpus dazu.

Die heutige Surprise-Stadtführung mit Markus Christen war ein grosser Erfolg. Herzlichen Dank dafür, dass solche Führungen stattfinden können und das Bewusstsein junger Schülerinnen und Schüler erweitern.

Surprise und die Woz sind die letzten beiden anständigen Presseerzeugnisse der Schweiz.

A. Geilinger, Mission 21, Basel

Victor Mat Uchenna Ona

Stadtrundgang

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 oder vereinsurprise.ch/spenden-surprise Schreiben auch Sie uns – oder schicken Sie uns Bilder von Ihren Begegnungen mit Surprise! leserbriefe@vereinsurprise.ch oder Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, 4051 Basel SURPRISE 392/17


BILD: PATRICK HEGGLIN

Challenge League In zwei Sprachen zuhause

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Freunde und Kollegen: Prend Buzhala und Bardhec Berisha am Woerdz-Festival in Luzern.

malige Geliebte und heutige Frau, mit der er vier Kinder hat. «Ich mische die albanische Literatur mit der deutschen. Der Gedichtband ist auch eine Mischung von beidem.» Prend Buzhala, der neben Bardhec sitzt, redigiert dessen Bücher auf Albanisch. Im vergangenen Oktober waren sie bereits einmal zusammen hier in Luzern am Woerdz-Festival. «Wir lasen dort Gedichte und Geschichten», sagt Bardhec. Seine erwachsenen Töchter Rosa und Blerta übersetzten ins Deutsche. Literatur helfe dem Menschen, die Welt zu erforschen und in verschiedenen Richtungen besser kennenzulernen, meint Prend Buzhala. Es stimme ihn jedoch nachdenklich, dass die Jüngeren immer weniger Bücher konsumierten: «Die neue Generation liest kaum Gedichte und Romane

mehr, das schadet der Literatur und auch der Gesellschaft.» Doch Prend Buzhala schreibt weiter. Sein neuer Gedichtband auf Deutsch und Albanisch erscheint bald. Den Namen verrät er noch nicht.

BILD: FLURIN BERTSCHINGER

Es ist Ende Oktober, feiner Regen fällt und zwei Männer unter schwarzen Regenschirmen laufen in ein Gespräch vertieft über die Strasse. Bardhec Berisha (55), neben ihm sein Freund Prend Buzhala. Sie gehen vom Bahnhof Luzern durch den Torbogen auf den See zu, geradeaus weiter zum Seebistro und setzen sich auf zwei freie Stühle. Der Mann mit dem grossen Schnurrbart klagt über das nasse Wetter, das er nicht gewohnt ist. Bardhec schüttelt den Kopf und sagt, Wasser sei das wichtige Element des Lebens und zum Glück gebe es in der Schweiz viel davon. Bardhec ist im ehemaligen Jugoslawien aufgewachsen, dort wo heute die Republik Kosovo liegt. 1981 beteiligte er sich an den Studentenunruhen, die unter anderem die Gründung eines unabhängigen Staats forderten. Die Demonstrationen wurden von der jugoslawischen Führung mit Gewalt aufgelöst und es gab viele Opfer. Zu dieser Zeit studierte Bardhec an der Universität von Priština albanische Literatur. Im Seebistro spricht er mit seinem alten Freund auf Albanisch über die Unruhen und übersetzt nebenbei für mich: «Die Demonstrationen wurden von vielen anderen Gruppen, wie Arbeitern und Lehrern, unterstützt. Aber leider wurden sie mit Gewalt niedergeschlagen.» In Folge der Demonstrationen wurde er von der Polizei verfolgt. 1983, Bardhec befand sich im letzten Jahr seines Studiums, flüchtete er aus seiner Heimat und gelangte über Österreich und Italien in die Schweiz. Hier fand er zunächst Arbeit auf dem Bau. «Die ersten dreizehn Jahre habe ich als Hilfsarbeiter und Maurer gearbeitet.» Daneben schloss er am Goethe-Institut ein Studium in Deutscher Sprache ab. In seiner restlichen Zeit beschäftigte er sich mit albanischund deutschsprachiger Literatur. Während seine Freunde um die Häuser zogen, habe er in seiner freien Zeit Gedichte geschrieben oder Bücher berühmter deutscher Schriftsteller gelesen. «Ich war bereits als Student begeistert von deutscher Literatur, las die Werke von Goethe und Brecht», sagt Bardhec. Doch erst nachdem er in der Schweiz die Sprache gelernt hatte, konnte er sich ganz darin vertiefen. Lernte Schriftsteller wie Schiller, Hesse, Dürrenmatt, Grass und Frisch kennen, die ihn in seiner eigenen Arbeit inspirieren. Bardhec arbeitet heute als Übersetzer in Emmenbrücke. Und hat inzwischen selber mehrere Bücher geschrieben und einige übersetzt. Ins Albanische zum Beispiel «Durst» von Beat Portmann, «Der Kanun», ein Buch über albanisches Gewohnheitsrecht, ins Deutsche. 2006 veröffentlichte er den Gedichtband «Mirëdita Liebste» («Guten Tag, Liebste») beim Brunner-Verlag. Darin sammelte er Gedichte an seine da-

Der kurdische Journalist Khusraw Mostafanejad, 31, floh 2011 aus dem Iran und lebt heute in der Schweiz. In Luzern besucht er häufig einen Freund, der in einer Wohngemeinschaft mit Bardhec Berisha wohnt. Dort hat er eines Tages auch Prend Buzhala kennengelernt.

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Porträt «Helfen ist ein grosses Wort» Als Kind mit der Familie vor den Nazis geflohen, engagiert sich Roga List nun bereits über die Hälfte ihres Lebens für die Menschenrechte. Heute entflieht die 77-Jährige nur noch dem Alltag auf ihren Zugfahrten ins Blaue. VON ANNEKATRIN KAPS (TEXT) UND LUCIAN HUNZIKER (BILD)

Elternbildung Baselland im Bereich Erziehung. Bald ging Roga List für Amnesty International auf die Strasse und informierte in Schulen Kinder über Menschenrechte. Die 1968er haben sie und ihren Mann geprägt. Während sie sich für das Asylkomitee Baselland engagierte, machte sich ihr Mann für den Naturschutz stark. «Meine persönlichen Erfahrungen sind nicht der Grund, aber der Link» für ihren jahrelangen Einsatz, meint Roga List. Einmal nahmen die Lists eine junge kurdische Familie für ein halbes Jahr bei sich auf, ebenfalls daheim pflegte sie einen jüngeren Mann, auch er Kurde, nach einer schweren Operation. Für sonderlich altruistisch hält sie sich nicht. Sie könne sehr wohl auch egoistisch sein und Raum für ihr eigenes Leben beanspruchen, sagt sie in ihrer pragmatischen Art. Fürs Lesen oder die Acrylmalerei beispielsweise nimmt sie sich Zeit. Und einmal im Monat ist «Roga-Tag», wie sie es nennt, dann löst sie eine Tageskarte für den Zug. «Vor Olten entscheide ich mich, ob es nach Bern, Luzern oder in die Berge gehen soll.» Themen wie Konfliktbewältigung, Rassismus, emotionale Intelligenz sowie die klassischen Frauenthemen treiben List besonders um. Zudem ist sie ein Sprachtalent: Neben Türkisch spricht sie auch Englisch, Französisch, Italienisch und Griechisch. Und sie beobachtet genau, kulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede faszinieren sie. «‹Deine Hände mögen gesund sein›, sagen sowohl die Griechen als auch die Türken zum Koch nach dem Essen», erzählt sie, denn obwohl sich die beiden Völker angeblich nicht sonderlich mögen würden, benutzten sie dennoch dieselben Redewendungen. Fünf Asylgesetzrevisionen hat sie inzwischen miterlebt. «Die rechtliche Situation hat sich verändert, das heisst verschlechtert», konstatiert sie. Es gebe zwar mehr Varianten von Aufenthaltsbewilligungen als frü-

«Es war mein Engagement für Amnesty International, das mich in die Asylarbeit hineinkatapultiert hat», sagt Roga List. Seit über 40 Jahren engagiert sich die agile Frau mit dem silbergrauen Lockenschopf für die Nichtregierungsorganisation, früher arbeitete sie zudem für das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) und das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz (HEKS). So begleitete sie ab der zweiten Hälfte der Achtzigerjahre Asylsuchende zur Befragung im Kanton und nach Bern. Bei der ersten Befragung, es ging um eine Frau aus der Türkei, habe sie gemerkt, wie wichtig es sei, selbst zu verstehen, was gesprochen werde, erzählt List. Das Protokoll sei zwar korrekt gewesen, doch nicht immer der Stil der Befragung. Durch Ton, Lautstärke oder durch Abschneiden der Worte wurde versucht, auf die Asylbewerberin Druck auszuüben. Als Hilfswerksvertreterin durfte Roga List in solchen Fällen intervenieren und lernte deshalb für weitere Begleitungen Türkisch. «Ich muss mir keine Sorgen um das tägliche Brot machen, das verpflichtet mich, solidarisch zu sein», sagt Roga List in ihrer geradlinigen und herzlichen Art. Sie sieht sich als privilegiert, allein weil keine existenziellen Sorgen sie bedrohen. Solidarität mit Verfolgten und Bedrohten ist für List kein Lippenbekenntnis. Beim SRK leistete List vor allem praktische Lebenshilfe – so etwa half sie Geflüchteten bei der Wohnungssuche oder erklärte rudimentäre Dinge wie die Abfallentsorgung. Letztlich sei sie vor allem eine Begleiterin gewesen. «Helfen ist ein grosses Wort», findet List. An ihre eigene Flucht als Kind hat die gebürtige Deutsche und heutige Baselbieterin keine Erinnerung mehr. An die Angst allerdings schon, als sie, mit der älteren Schwester und ihrer Mutter auf einem Hof im österreichischen Salzkammergut versteckt, die letzten fünf Kriegsjahre unter den Nazis überAn ihre eigene Flucht als Kind hat die gebürtige Deutsche und heutige stehen mussten. Der Bauer selbst war weg und Baselbieterin keine Erinnerung mehr. An die Angst allerdings schon. in den Krieg gezogen, aber die Tatsache, dass er ein glühender Nazi-Verehrer war, gab der jüdischen Mutter mit ihren Töchtern eine gewisse Sicherheit, dass man sie her, die einzelnen Varianten wirkten dafür aber einschränkender, so auf seinem Hof nicht vermuten würde. Wegen der Rassengesetze hatten List. Die Situation der Sans-Papiers findet sie unhaltbar: «Sie sind illegal Lists Eltern – sie Jüdin, er nicht – nicht heiraten dürfen. Der Vater, ein seit Jahr und Tag und damit ständig auf der Flucht.» Münchner Jurist, war ebenfalls eingezogen worden. Integration funktioniere gut über Freizeitangebote, sagt die erfahrene Der Neuanfang nach Kriegsende jenseits der deutsch-österreichiAktivistin. So lud das Asylkomitee Baselland einmal einen Jodlerklub, schen Grenze, in «der finstersten, katholischen Ecke Bayerns», war für eine Schweizer Volkstanzgruppe und eine türkische Tanzgruppe gedie wiedervereinte Familie nicht einfach. Aufatmen konnte List erst meinsam ein. Leute, die ein Leben lang gejodelt hatten, bewunderten 1953, als sie nach Traunstein umzogen, einer Kreisstadt nahe dem die türkischen Tänzerinnen und Tänzer, deren Kinder versuchten sich Chiemsee. In München liess sich die junge Frau zur Hotelfachfrau ausam Alphorn. «Es war oberwitzig», schwärmt Roga List. Solche Begegbilden und arbeitete später dort, wo andere Ferien machen. In Obernungen könnten ein Ansatz sein, damit der Brückenschlag gelinge, bayern beispielsweise, aber auch in London. Ihren Mann, eine Jugendmeint List. «Aber man könnte diesbezüglich sicher noch mehr machen.» liebe aus dem Norden Deutschlands, kannte sie schon von einer Reise Von ihrem Engagement abbringen oder entmutigen lässt sich die coumit 15. 1963 heirateten sie, die beiden Söhne kamen ein und vier Jahre ragierte Dame nicht. Ein Mensch bleibe ein Mensch, egal woher er komspäter auf die Welt. me, ist sie überzeugt. «Ich habe zwar nie versucht, jemanden in die Anfang der Siebziger zogen die Lists aus beruflichen Gründen in die Schweiz zu holen, doch wenn die Leute vor mir standen, habe ich mich Schweiz. Als die Kinder aus dem Gröbsten raus waren, begann Roga List immer gekümmert.» Und die Lachfältchen in ihrem Gesicht zeigen, dass eine Ausbildung als Erwachsenenbildnerin und arbeitete fortan in der es ihr gut damit geht. ■ SURPRISE 392/17

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Literatur «Zu viel Kontrolle. Zu wenig Kreativität» Der neue Thriller von Martin Suter rund um das Thema Gentechnologie verhandelt auch das Leben auf der Strasse und die Alkoholsucht. Bei der Recherche geholfen hat ihm Surprise-Stadtführer Hans Peter Meier. Wir haben mit ihnen im wahrsten Sinne des Wortes über Gott und die Welt gesprochen – und natürlich über rosa Elefanten.

VON AMIR ALI (INTERVIEW) UND MIRIAM KÜNZLI (BILD)

«Komm dann aber nicht im Anzug»: Martin Suter lacht, als er sich an die nicht ganz ernst gemeinte Aufforderung von Surprise-Stadtführer Ewald Furrer erinnert. Furrer und sein Touren-Partner Hans Peter Meier begleiteten den Schweizer Schriftsteller im vergangenen Jahr bei der Recherche zu seinem neuen Roman, der soeben erschienen ist. Denn einer der Protagonisten in «Elefant» ist ein Zürcher Obdachloser, und es dürfte wenige Leute geben, die sich bei diesem Thema besser auskennen als Meier und Furrer: Beide kennen das Leben auf der Strasse und Probleme mit Alkohol aus eigener Erfahrung. Sie zeigten Suter seine Heimatstadt Zürich aus ihrem Blickwinkel und halfen dem Ex-Werbetexter und Bestseller-Autor beim Eintauchen in diese Welt, von der wir alle wissen und die uns doch weitgehend unbekannt ist. Das hat sie gemeinsam mit Genforschung und Biotechnologie, dem Überthema von Suters «Elefant». Der obdachlose Schoch, der in einer Höhle am Limmatufer schläft, findet eines Morgens einen kleinen, rosa leuchtenden Elefanten. Einen lebenden, nota bene. Schnell wird klar, dass die Erscheinung nichts mit seinem Alkoholkonsum zu tun hat, sehr wohl aber mit der Leiche, die im Fluss bei Schochs Schlafplatz gefunden wird. Es entspinnt sich ganz in gewohnter Suter-Manier ein Thriller, der den Leser unterhält und dabei ein angenehmes Mass an Tiefe nie verliert. Mit Surprise-Stadtführer Hans Peter Meier trifft sich Martin Suter noch heute ab und zu. Suter, der in Zürich Hottingen lebt, kommt oft an Meiers Verkaufsplatz am Bellevue vorbei, wo die beiden jeweils zusammen einen Kaffee trinken und sich unterhalten. Und zumindest einen entscheidenden Teil der Biografie haben Suters Protagonist und der

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Surprise-Stadtführer gemeinsam: Wie Meier hatte Schoch einen gut bezahlten Job in einer Boom-Branche, bevor der Absturz kam. Hans Peter, wie findest Du den Roman von Martin Suter, was das Thema Obdachlosigkeit angeht? Hans Peter Meier: Sehr präzis. Wer sich in der Zürcher Obdachlosenszene etwas auskennt, erkennt sogar die eine oder andere Figur im Buch. Oder zumindest, von welcher realen Person sie inspiriert ist. Martin Suter: (lacht leise) Das ist gut. Meier: Ganz allgemein habe ich den Eindruck, dass das Buch sehr genau recherchiert ist. Auch was das Feld der Genmanipulation und Biotechnologie angeht. Ich finde es sehr gut, dass Martin diese Themen aufgegriffen hat. Herr Suter, weshalb haben Sie sich einen Obdachlosen als Protagonisten ausgesucht? Suter: Das entsteht bei mir aus dem Stoff heraus. Ich wollte zunächst einmal die Geschichte dieses Elefäntleins schreiben, die ich schon lange mit mir herumtrage. Vor etwa zehn Jahren zeigte mir ein AlzheimerForscher sein Labor, und in einem Nebensatz erwähnte er, dass es gentechnisch überhaupt kein Problem wäre, einen lebenden kleinen, rosaroten Elefanten herzustellen. Der im Dunkeln leuchtet? Suter: Das habe ich dazugedichtet. Jedenfalls ging mir die Bemerkung nicht mehr aus dem Kopf, und als ich mich dann an die Geschichte SURPRISE 392/17


machte, war für mich klar: Sie musste damit beginnen, dass der kleine Ist es eine Illusion? Elefant in einem Versteck von jemandem gefunden wird. Und wer sieht Meier: Natürlich kann dir kein Amt Vorschriften machen, wenn du auf schon rosa Elefanten? Von da war es nur noch ein kleiner Schritt zum der Strasse lebst und keine Leistungen beanspruchst. Aber wenn es obdachlosen Alki. Manchmal fallen die Puzzleteile beim Schreiben einfach an ihren Platz. «Ich glaube nicht, dass ich näher rangekommen wäre, wenn ich un-

dercover in die Szene eingetaucht wäre.» Martin Suter, Schriftsteller

Wie intensiv haben Sie auf der Strasse recherchiert? Suter: Nur auf den Stadtrundgängen und in privaten Gesprächen mit Hans Peter und Ewald. Ich glaube nicht, dass ich näher rangekommen wäre, wenn ich undercover in die Szene eingetaucht wäre. Man kann noch so sehr versuchen mitzumachen, man bleibt ein Aussenseiter.

Was unterscheidet einen Obdachlosen oder Randständigen vom Rest der Gesellschaft? Suter: Der Mangel an Sicherheit. Nie zu wissen, was der nächste Tag bringt. Was denkst Du, Hans Peter? Meier: Das ist sicherlich ein Faktor, insbesondere bei jenen, die wirklich draussen leben und auf Sozialhilfe verzichten. In Schweizer Städten ist das Angebot an sozialen Einrichtungen sehr gross, man kann sich ziemlich sicher sein, dass man nicht hungern muss. Aber abgesehen davon weiss man wirklich nie, was kommt. Leute, die auf der Strasse leben, suchen aber häufig genau das. Sie nennen es die absolute Unabhängigkeit. Aber wie unabhängig ist man, wenn man darauf angewiesen ist, dass einem jemand gratis Essen und Kleider gibt?

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draussen kalt ist, dann willst du dich irgendwo reinsetzen, und das geht nur, weil die Leute in den Einrichtungen ihre Arbeit machen. Da hört die Freiheit relativ schnell auf. Du hattest jahrelang einen gutbezahlten Job in der IT-Branche, später wurdest Du obdachlos. Wann hattest Du mehr Freiheit? Meier: Heute, als Strassenverkäufer und Stadtführer bei Surprise. Als ITSpezialist hatte ich zwar Geld, machte aber zum Teil jahrelang keine Ferien. Heute habe ich ein Zuhause und alle Zeit der Welt. Ich kann mir zwar keine grossen Sprünge leisten, aber immer wieder kleinere Reisen. So ist es gut. Herr Suter, an einer Stelle in Ihrem Roman schreiben Sie von der «Freiheit, kein reicher Mann zu sein». Sind reiche Menschen unfrei? Suter: Da geht es um die Figur des Tierarztes Dr. Reber. Nach der Scheidung von seiner Frau entscheidet er sich gegen die Karriere und für seine wenig lukrative Leidenschaft, die Elefanten. In einer Lebenskrise sagt man sich oft: Jetzt muss ich das nicht mehr machen. Das habe ich selbst auch schon erlebt. Als junger Mann hatte ich einen Job in einer Werbeagentur. Als dann meine Beziehung in die Brüche ging, musste ich nicht

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mehr so viel Geld verdienen. Ich schmiss den Job hin und bewarb mich als Reisereporter bei Geo. In so einer Situation lebt man viel eher das, was man will. Das kann auch gefährlich sein. Suter: Ja. Alkohol wird dann sofort auch zum Thema. Es wartet ja niemand mehr zuhause und wird sauer, wenn ich heimkomme und einen sitzen habe. Das ist eine kritische Situation, diese Mischung zwischen Freiheit und Verzweiflung, da muss man aufpassen. Kann es jeden treffen? Suter: Sagen wir: Wer in dieser Beziehung nicht gefährdet ist, hat sonst ein Problem. Was für eins? Suter: Zu viel Kontrolle. Zu wenig Kreativität. Was meinst Du, Hans Peter? Meier: Wenn immer alles nach Plan läuft, ist kaum Entwicklung möglich. Da braucht es etwas äussere Einwirkung. Wenn immer alles schön vor sich hinplätschert, weshalb sollte man dann etwas ändern? Suter: Das Risiko zum Absturz besteht, glaube ich, bei allen Menschen. Man schmeisst aus irgendeinem Grund den Bettel hin, lebt eine Zeit lang vom Ersparten, lässt sich gehen. Irgendwann ist man auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr erste Wahl. Das reicht. Meier: Meist kommen mehrere Faktoren zusammen: Man verliert den Job, die Beziehung geht in die Brüche, die Frau behält die Wohnung, und schon stehst du auf der Strasse. Das kann in der heutigen Zeit wahnsinnig schnell gehen. Ein Totalabsturz aufgrund von nur einem einzigen Faktor ist aber selten. Der Obdachlose Schoch im Buch sieht an der Tramstation, an der er sein Bier trinkt, manchmal Leute aus seinem früheren Leben. Ist Dir das auch schon passiert, Hans Peter? Meier: Früher, als ich noch am Paradeplatz verkaufte, gab es das manchmal. Man wechselt dann ein paar Worte, aber ziemlich distanziert. Es gab aber auch solche, die auf die andere Strassenseite wechselten.

Deckt sich dieses literarische Mittel mit der Realität? Sind die Menschen am interessantesten, wenn es ihnen schlecht geht? Suter: Es muss ihnen nicht unbedingt schlecht gehen. Statt Krise kann man es auch Umbruch nennen: Situationen, in denen wir unsere Identität in Frage stellen. Wenn jemand den Job verliert oder aufgibt und auf die Gasse geht, ist das ein radikaler Wandel. Aber es gibt auch eine Lust am Spiel mit den Identitäten. Bis vor wenigen Jahrzehnten wurde man in eine soziale Situation hineingeboren, und da blieb man. Ein Bäckersohn wurde Bäcker, fertig. Da konnte sich ein Schmied nicht als Ratsherr anziehen. Heute ist diese Freiheit gross. Anlageberater röhren am Wochenende mit der Harley in Lederkluft über den Gotthard. Krisen sind einerseits ein Tabu, das man nicht mit allen teilt. Gleichzeitig nimmt es uns bei anderen sehr wunder. Wie ist das, wenn die Leute auf den Stadtrundgängen persönliche Fragen zu euren Geschichten stellen? Meier: Viele Leute kommen auf die Tour, weil sie Rat suchen. Wenn sie in der Familie ein Problem mit Alkohol haben, fragen sie mich, wie ich weggekommen bin. Die Leute wollen etwas erfahren. Wir haben die Freiheit, so viel preiszugeben, wie wir wollen. Am Anfang der Tour sagen wir jeweils, dass die Leute fragen können, was sie wollen. Wir können auch Nein sagen. Aber bisher habe ich jede Frage beantwortet. Suter: Alles, ausser die Frage nach dem Schlafplatz! Ist das die eherne Regel: Schlafplätze verrät man nicht? Meier: Früher wusste dein Umfeld, wo du schläfst, und man respektierte das gegenseitig. Aber heute sind mehr Auswärtige da, auch Migranten. Die kennen diese ungeschriebenen Regeln nicht und halten sich entsprechend auch nicht daran. Deshalb hütet man dieses Geheimnis heute noch besser. Wie viel gibst Du auf den Rundgängen von dir preis? Meier: So viel, wie für das Thema relevant ist. Die persönlichen Erfahrungen gehören ja zum Konzept. Nimm zum Beispiel die Vorstellungsrunde zu Beginn einer Führung. Da halte ich mich kurz, denn der Bruch kam in meinem Leben ja relativ spät. Bei meinem Touren-Partner Ewald hingegen hat es bereits in der Jugend angefangen. Seine heu-

«Wenn immer alles nach Plan läuft, ist kaum Entwicklung möglich.» Die meisten Hauptfiguren im Buch sind Männer. Hat das einen Grund? Suter: Ich habe bei der Recherche nicht viele Frauen auf der Gasse gesehen.

Hans Peter Meier, Surprise-Stadtführer

Meier: Auf den Rundgängen sagen wir den Leuten: Es gibt in der Stadt Zürich 380 Plätze für betreutes Wohnen, 80 davon sind von Frauen besetzt. Das spiegelt ungefähr das Verhältnis. Ich kann mir vorstellen, dass es bei den Genforschern, um die es im neuen Roman von Martin geht, nicht viel anders ist. Fast alle männlichen Figuren im Buch sind auf ihre Art gescheitert oder gerade im Scheitern begriffen. Warum faszinieren Sie die Brüche im Leben? Suter: Es hat mit Identität zu tun. Mich hat schon immer interessiert: Wer bin ich und wer könnte ich sonst noch sein? In einer Krise treten auch die verborgenen Persönlichkeiten hervor, die in jedem von uns stecken. Erzählerisch gesehen sind Figuren ohne Krise langweilig. Alle meine Figuren befinden sich an einem Wendepunkt. Das war ja in der altgriechischen Dramatik nicht anders: Eine Figur ist am Ende eines Stücks nicht dieselbe wie zu Beginn. Mich interessiert diese Entwicklung. Die Art, wie eine Figur auf die Krise reagiert.

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tige Situation hat eine längere Vorgeschichte, also erzählt er auch mehr. Ich muss den Leuten ja keine Details aus meiner Zeit als Informatiker liefern. Herr Suter, welche verschiedenen Rollen spielen Sie in Ihrem Alltag? Suter: Ich lebte lange in Guatemala und auf Ibiza. Wenn wir dann auf Heimaturlaub nach Zürich kamen, war ich ein viel urbanerer Mensch als im Rebberg oder im Olivenhain. Ich habe auch eine Vergangenheit in der Werbung, bin immer wieder in das Metier ein- und wieder ausgestiegen. Als Werber in Zürich war ich eine ganz andere Person, als ich es als Geo-Reporter in Wyoming oder Montana war. Ist das anstrengend, dieser Wechsel? Suter: Ich konnte gut in Anzug und Krawatte bei einem Werbekunden sein und danach hemdsärmlig in der Gartenbeiz eine Wurst essen und dabei ein völlig anderes Lebensgefühl haben. Ich fand das immer toll.

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Was unterscheidet den Werber Suter vom «Wenn es in der Natur des Menschen läge, Dinge einfach zu akzepReporter oder Schriftsteller Suter? tieren, dann gäbe es gar keine Medizin. Dann würden wir immer Suter: Als Werber muss man, wie in anderen noch mit Mitte 20 sterben.» Martin Suter Berufen auch, sehr freundlich sein zu Leuten, mit denen man am liebsten gar nichts zu tun auf den Lippen in den Tod. Das war für sie einfach ein Übergang in eihätte. In so einer Berufssituation, das weiss Hans Peter sicher auch ne andere Phase. Beneidenswert. noch, kann man seinen Kunden oder den Vorgesetzten nicht sagen, was man denkt. Der entscheidende Unterschied ist: Als Schriftsteller formuHaben Sie Angst vor dem Tod? liere ich meine eigenen Gedanken und Anliegen. Suter: Vor dem Tod anderer Menschen, die mir nahe sind. Der ist sehr bedrohlich. Über meinen eigenen mache ich mir weniger Gedanken. Sprechen wir über rosa Elefanten: Macht die Genforschung unsere Wenn es fertig ist, bekomme ich ja nichts mehr mit. Da lasse ich mich Hirngespinste wahr? gerne überraschen. Aber wissen Sie, das ist eigentlich gar nicht das TheSuter: Unsere Hirngespinste und unsere Hoffnungen. Die Möglichkeit, ma meines Buches. Ich wollte einfach eine spannende Geschichte um so tief in die Natur eingreifen zu können, ist sehr brisant. In China gibt einen kleinen, rosa leuchtenden Elefanten, ein zauberhaftes Zufallsproes bereits Fabriken, die Rinder und Schweine in riesigen Mengen klodukt eines gentechnischen Experimentes, erzählen. nen. Mit Menschen darf man das natürlich nicht machen, gleichzeitig eröffnen sich medizinische Möglichkeiten, die theoretisch bis zur UnZum Abschluss noch die Gretchenfrage: Hat jemand hier am Tisch sterblichkeit reichen. Das Ganze ist unglaublich paradox. schon mal einen rosa Elefanten gesehen? Meier: Bestimmt keinen lebenden. Neulich hingen zwei Schlagzeilen am Kiosk aus. Die eine versprach, ■ dass uns die Zellforschung bald 125 Jahre alt werden lasse. Die andere berichtete, dass die Zahl der Sterbehilfefälle massiv zunehme. Weshalb können wir nicht einfach akzeptieren, dass mit 80 oder 90 Schluss ist? Suter: Nun, wir Menschen sind nicht sonderlich gut im Akzeptieren. Wenn es in der Natur des Menschen läge, Dinge einfach zu akzeptieren, dann gäbe es gar keine Medizin. Dann würden wir immer noch mit Mitte 20 sterben. Die Weigerung, Dinge zu akzeptieren, ist der Motor jeder Entwicklung. Gibt es keine Grenzen? Suter: Die müsste es geben. Aber nehmen wir das Beispiel der Kernenergie: Da hiess es zuerst auch, man dürfe das nur für friedliche Zwecke nutzen. Irgendwann bauten einige dennoch Bomben und zogen daraus einen Vorteil. Gentechnisch wäre es heute bereits möglich, die Genome aller Menschen zu bestimmen und eine Art genetischer Landkarte zu erstellen. In China arbeitet man derzeit an einer solchen Datenbank. Man könnte dann chemische Waffen herstellen, die nur auf Personen mit bestimmten genetischen Eigenschaften wirken. Das ist keine reine Utopie mehr. Ich glaube, man kann das nicht kontrollieren. Meier: Ich denke, der Einzelne kann sich Grenzen setzen: Bis hier gehe ich und nicht weiter. Aber der Mensch an sich drängt immer nach Neuem. Die Forscher, die solche Entdeckungen machen, idealisieren ihre Innovationen oft. Und Leute, die sich über ethische Regeln hinwegsetzen, wird es immer geben. Diese Eigenschaft, die Herr Suter angesprochen hat, dass man sich nicht abfindet mit Situationen: Hast Du das damals gespürt, als Du in der Krise warst? Meier: Ich realisierte einfach irgendwann, dass ich mich in einer Abwärtsspirale befand. Und irgendwann sagte ich mir, so kann es nicht weitergehen. Ich habe die Ursachen analysiert und Gegensteuer gegeben. Der Antrieb ist der freie Wille. Sagen zu können: Ich mach das oder ich mach das nicht. Im Buch gibt es einen Dialog, in dem der rosa Elefant gleichzeitig als Beweis dafür dient, dass es Gott gibt und nicht gibt. Was für einen Unterschied würde es für Sie persönlich machen, ob es ihn gibt oder nicht? Suter: Der Glaube an Gott würde das Sterben natürlich unglaublich erleichtern. Weil das auch bedeutet, dass es nach dem Leben etwas gibt. Meine Grossmutter hat daran geglaubt, und sie ging mit einem Lächeln SURPRISE 392/17

Martin Suter: Elefant Roman, Diogenes-Verlag, 2017. 352 Seiten. Ca. 32.00 CHF Surprise verlost 10 Exemplare des Buches. Senden Sie eine Email mit dem Betreff «Verlosung Elefant» mit Name und Adresse an redaktion@strassenmagazin.ch Einsendeschluss ist der 9. Februar. Die Gewinner werden benachrichtigt.

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Marokko Eine Frau Gottes Marokko ist eines der wenigen islamischen Länder, in denen auch Frauen als Religionsgelehrte arbeiten. Sie sollen in der männerdominierten Gesellschaft die Rechte der Frauen stärken. Hind Zkhiri ist eine von ihnen, die erste Morchida von Marrakesch.

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VON FRITZ E. SCHAAP (TEXT) UND PATRICK TOMBOLA (BILDER)

rokko ist in dieser Region zwar fast eine Insel der Stabilität, und doch kommt es zu schweren Terroranschlägen. Als 2003 in Casablanca Selbstmordattentäter mindestens 40 Menschen töteten, traf König Mohammed VI., der als direkter Nachkomme des Propheten gesehen wird und auch religiöses Oberhaupt ist, eine revolutionäre Entscheidung: Um die Radikalen zu bekämpfen, beschloss er, Frauen in die Moscheen des Landes zu schicken, und gründete ein Institut zur Ausbildung der Morchidat. Sie sollen nicht nur in den Gotteshäusern, sondern auch in Schulen, Gefängnissen, in den Städten und Dörfern dafür sorgen, dass der Islam in Marokko liberal ausgelegt wird, das heisst: so liberal, wie es dem Königshaus gefällt. Über 500 Frauen bewarben sich damals, 50 wurden aufgenommen. Eine von ihnen: Hind Zkhiri. Die heute 36-Jährige war die erste Morchida in Marrakesch. Mittlerweile gibt es acht weibliche Religionsgelehrte in der Stadt, die jeweils acht Moscheen betreuen. Sie sind nicht direkt einem Imam unterstellt, sondern einer Behörde. An diesem Morgen spricht Zkhiri in der Nakhil-Moschee zu 18 Frauen im Alter zwischen 20 und Ende 70. Sie sitzen im ersten Stock der Moschee. An der

Wenn Hind Zkhiri an den Islam denkt, denkt sie an warme Nächte und süsses, schweres Gebäck. An ihren Vater, der sie als Mädchen mitnahm in die kleine Moschee im Osten Marrakeschs, jeden Abend, wenn im Ramadan die Sonne untergegangen ist und das Fasten gebrochen wird. Sie denkt an die Stille beim Gebet. An das Gelächter beim Festmahl. Und sie denkt an Blut. An einen abgetrennten Arm, der auf dem Boden liegt, mitten auf dem Djemaa el Fna, dem Platz der Gaukler und Schlangenbeschwörer in der Altstadt. Sie denkt an Verletzte und an weinende Kinder. An das Café Argana, in dem sie so gerne ihre freie Zeit verbrachte, das im April 2011 Ziel eines Sprengstoffattentats wurde. 17 Tote, so die offizielle Version. Ihr Vater und der Terror, das sind die Pole, zwischen denen sich ihre Gedanken bewegen. Und genau das ist der Grund, weshalb sie sich entschloss, eine Morchida zu werden, ein weiblicher Imam, eine Frau Gottes. Marokko ist eines der wenigen islamischen Länder, in denen Frauen als Religionsgelehrte arbeiten dürfen. Die Morchidat – so lautet die Mehrzahl im Arabischen – haben eine ähnliche Autorität wie die Imame, nur Predigten Dass sie in Saudi-Arabien immer wieder Probleme hat, weil sich dürfen sie nicht halten, ein Zugeständnis an Männer dort an ihrer Arbeit als Reiseleiterin stören, empört Hind die Traditionalisten. Laut dem Minister für reZkhiri sehr. ligiöse Angelegenheiten ist der Einfluss der Morchidat jedoch noch grösser als jener der Decke drei Kronleuchter mit Energiesparlampen, die leise summen. Imame, denn sie erreichen auch die Frauen, die bislang weitgehend vom Schwere Deckenventilatoren hängen still daneben. Eine Holzwand, die gesellschaftlichen und religiösen Leben ausgeschlossen waren und desich quer durch den Raum zieht, teilt das Gotteshaus auf in einen Beren Kinder nicht in die Hände der Extremisten geraten sollen. reich für Frauen und einen Bereich für Männer. Es ist undenkbar, dass Mittlerweile hat sich der sogenannte Islamische Staat (IS) von einer beide Geschlechter nebeneinander beten. Das würde die Männer davon Bürgerkriegspartei zu einer globalen Bedrohung entwickelt. Ob die Glauabhalten, sich auf Gott zu konzentrieren, heisst es. «Noch», erklärt Zkhibenskrieger jedoch allein mit Waffen zu besiegen sind, ist höchst fraglich. ri. «Das, was wir hier machen, ist erst der Anfang. Der Anfang vom EnMindestens ebenso wichtig ist es, dass junge Männer im Nahen Osten de des Patriarchats.» und in den Problemvierteln im Westen Zugang zu Bildung und Lebenschancen bekommen. Und dass es Islamgelehrte gibt, die den Hassparolen Pornos kein Grund zur Strafe des IS eine friedliche, mitfühlende Interpretation des Islams entgegensetHind Zkhiri liest aus dem Koran vor: «In die Gärten Edens, die der zen. Wer Hind Zkhiri ein paar Tage durch Marrakesch begleitet, lernt dieAllerbarmer Seinen Dienern im Verborgenen versprochen hat. Sein Versen Islam kennen. Und versteht, warum die marokkanische Regierung im sprechen wird bestimmt erfüllt. Sie hören darin keine unbedachte Rede, Kampf gegen den Terror auch auf die Morchidat setzt. Eine Gesellschaft sondern nur: ‹Frieden!›»* Viele der Frauen kommen seit Jahren in die mit starken Frauen, so der Gedanke, ist gegen den Fanatismus gefeit. Moschee, um Zkhiri zuzuhören. Sie kommen aber auch, weil da jemand ist, der ihnen zuhört. Ein Leben ohne ihre Morchida, sagen sie, können Mit dem Mofa zur Moschee sie sich nicht mehr vorstellen. Drei- bis viermal die Woche sitzen sie An einem Mittwochmorgen, der Himmel ist noch blassgelb von dem hier, reden über den Koran, über ihren Alltag und vor allem: ihre ProSandsturm, der in der Nacht über die Stadt hinweggezogen ist, sitzt bleme. Viele verliessen früher nie das Haus. Und auch heute ist Hind Zkhiri auf einer kleinen, grünen Yamaha. Der Fahrtwind zieht an ihrer Zkhiri für manche der wichtigste soziale Bezugspunkt ausserhalb der braunen Djellaba, dem traditionellen marokkanischen Gewand, und Familie. Mit ihr können sie offen reden. Die Gespräche sind ihnen oft dem braunen Kopftuch. Sie schlängelt sich durch den hektischen Verwichtiger als die Gebete. Nach gut einer Stunde fragt Zkhiri in die Runkehr Marrakeschs, schneidet Sammeltaxis, ignoriert rote Ampeln, ist gut de: «Braucht jemand Rat?» Eine junge Frau, Malika Farissi, hebt gelaunt. Zkhiri ist auf dem Weg zur Nakhil-Moschee, um eine der Frauschüchtern die Hand. Sie schaut unsicher in die Runde, spricht mit leiengruppen zu treffen, die sie betreut. ser Stimme. «Mein Sohn schaut Pornos», sagt sie. «Ich weiss nicht, was Hind Zkhiri ist eine gläubige Frau und kennt den Koran auswendig. ich tun soll. Habe ich ihn falsch erzogen?» Zkhiri lächelt beruhigend. Sie hat Islamwissenschaften studiert und arbeitet auch als Reiseleiterin «Du solltest ihn nicht bestrafen», sagt sie. «Er ist in einem Alter, wo das für Pilgergruppen, die nach Mekka reisen. «Meine schönsten Erinneganz natürlich ist. Er ist neugierig. Rede mit ihm.» Die Mutter nickt zörungen», sagt sie. Dass sie in Saudi-Arabien aber immer wieder Problegerlich. «Wenn du ihn bestrafst, treibst du ihn nur weiter von dir fort. me hat, weil sich Männer dort an ihrer Arbeit als Reiseleiterin stören, Pornos gucken kann er überall. Lass ihn machen.» Ein Ratschlag, den empört sie sehr. Zkhiri hat zwei Kinder, einen Vollzeitjob und lernt man von einer Sozialpädagogin erwartet, aber nicht von einer Art Prienebenbei Englisch. Den Haushalt teilt sie sich mit ihrem Mann, einem sterin: «Lass ihn.» Gymnasiallehrer. Sie will zeigen, dass es keinen Widerspruch darstellt, Hind Zkhiri wuchs in einer liberalen Familie auf. Der Vater Franzöden Worten des Koran zu folgen und im 21. Jahrhundert glücklich zu sischlehrer, die Mutter Hausfrau. Und auch wenn der Vater selten ein sein. Sie will ihren Glauben nicht den Fanatikern überlassen. Gebet verpasste, liess er seinen Töchtern viele Freiheiten. Der Glaube Nordafrika ist eines der Epizentren des islamischen Terrors. In Liwar für ihn etwas sehr Persönliches. Seine Töchter sollten studieren und byen, einem sogenannten gescheiterten Staat («failed state»), gibt es selbständige Menschen werden. Hind entschied sich für ein Studium der mächtige Milizen, die sich zum IS bekennen. Auch in Tunesien bekamen Islamwissenschaften – auch weil sie verstehen wollte, was dem geliebSalafisten nach der Jasminrevolution 2011 mehr Macht. Mehrere tauten Vater daran so wichtig war. Damals konzentrierte sie sich ganz auf send Tunesier sind an den Kämpfen im Irak und in Syrien beteiligt. Ma-

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Drei- bis viermal die Woche sitzen die Frauen mit Hind Zkhiri hier und reden. Früher haben viele nicht einmal das Haus verlassen.

alten Königsstadt. Die Medina ist eine Mischung aus Shoppingmall und den Koran, die einzelnen Suren, die Debatten über die Auslegung der Museum. Zkhiri fährt an Touristen in Muskelshirts und Hotpants vorbei. Worte. Heute ist die Religion für sie auch ein Mittel zum Zweck. Am EnAn den Ständen der Strassenhändler, die Kitschprodukte verkaufen, de der Gebetsstunde sagt sie zu ihren Zuhörerinnen: «Es geht um euch. Dolche, Lampen, Schnitzereien, die alt aussehen sollen und doch am Die Religion ist nicht dazu da, euch Dinge aufzuzwingen. Sie soll das LeFliessband produziert wurden. In Marrakesch stehen sich Tradition und ben einfacher machen. Ihr müsst es so machen, wie es bei euch passt.» Moderne so nah gegenüber wie an keinem anderen Ort in Marokko. Eine mutige Forderung in einem Land, in dem Frauen nicht als Marrakesch ist die letzte Metropole vor der Sahara-Wüste und konsergleichberechtigt gelten. Vielen Männern gelten sie nicht als Individuen, vativer als die Küstenstädte des Nordens. Westliche Touristen, die durch sondern als Besitztum. Erst 2014 wurde der Artikel 475 des marokkanidie Altstadt gehen, werden nicht nur von Händlern bedrängt, sondern schen Strafgesetzbuchs aufgehoben, der es einem Vergewaltiger erlaubte, der Strafe zu entgehen, indem er sein minderjähriges Opfer heiratete. Auf dem Gender«Das, was wir hier machen, ist erst der Anfang. Der Anfang vom Equality-Ranking des Weltwirtschaftsforums Ende des Patriarchats.» Hind Zkhiri, Morchida landete Marokko auf Platz 129 von 136. Es gibt viele Feministinnen in der arabischen Welt, die bekommen auch wütende Blicke ab und gezischte Beschimpfungen. Vor behaupten, dass Frauen nur Gleichberechtigung erlangen werden, wenn allem von jungen Männern. Und wer sich wundert, dass die Jungs, die Staat und Religion strikter getrennt werden. Hind Zkhiri aber sagt, aggressiv auftreten, doch bunte Turnschuhe und Smartphones haben, Emanzipation könne es nur im Rahmen der Religion geben. Den Einhat nichts verstanden. wand, dass Frauen im Islam weniger Rechte als Männer haben, überHind Zkhiri weiss, dass Alltagsprobleme wie schlechte Noten, Pergeht sie. Im Jahr 620 waren die Frauenrechte, wenn man das Erb- und spektivlosigkeit, Neid und Drogen der Nährboden des Extremismus Scheidungsrecht so nennen möchte, die der Islam einführte, tatsächlich sind. Sie weiss, dass Fundamentalistenführer auf der ganzen Welt vereher progressiv. Die Frauen erbten zwar weniger als die Männer, aber suchen, den Frust und die Energie von jungen Männern, die keinen Ausimmerhin bekamen sie etwas – das war damals nicht selbstverständlich. bildungsplatz und keine Karrieremöglichkeiten bekommen, für ihre ZieDas ist allerdings auch mehr als 1000 Jahre her. Ganz aus dem Korsett le zu missbrauchen. Und sie weiss auch, dass es nicht ausreicht, nur in des Koran kann Zkhiri nicht ausbrechen. die Moscheen zu gehen. Deswegen sitzt Zkhiri jetzt beim «Scientific Board», der Behörde, welcher die Morchidat unterstellt sind. Der Leiter ist Gefahr droht aus dem Internet ein alter Mann, der einen kleinen, roten Hut trägt, den traditionellen Sie verlässt die Frauengruppe und schwingt sich auf ihre Yamaha. Sie Fez. In seinem Büro stehen ein monströser Schreibtisch und ein Wandhat einen Termin bei ihrem Chef. Die wöchentliche Lagebesprechung. schrank voller religiöser Texte. Vor den Fenstern der lichtdurchflutete Sie fährt durch das Tor zur Altstadt, mitten hinein in das Gewusel der SURPRISE 392/17

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Bild oben: Der Leiter des «Institut Mohammed VI für die Ausbildung von Imamen», Abdesselam Lazaar (Mitte), im Gespräch mit Besuchern: Inzwischen ist das Konzept der Hochschule so erfolgreich, dass auch andere Regierungen ihre zukünftigen Religionsgelehrten zum Studium hierher schicken. Bild unten: Auch der Religionsunterricht in den Schulen fällt in den Zuständigkeitsbereich von Hind Zkhiri und ihren Kolleginnen.

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Junge Frauen auf dem abendlichen Marktplatz Djemaa el Fna in Marrakesch: Durch die Politik von Mohammed VI. hat sich die Lage der Frauen in Marokko merklich verbessert. Nun sind sie seine Hoffnung im Kampf gegen den Radikalismus.

Hof. «Wir müssen mehr Internetaufklärung betreiben», sagt Hind Zkhiri. «Dort werden die Jugendlichen heute radikalisiert. Nicht in den Moscheen!» Die Propagandavideos und IS-Rekrutierer sind nicht die einzigen Gefahren, die im Netz lauern. «Die Jugendlichen versacken im Internet», sagt Zkhiri, «wir müssen uns auch um diese Sucht kümmern.» Der alte Behördenleiter schaut sie ungläubig an. So viel ist neu: WLAN, pornhub.com, Frauen, die sagen, was zu tun ist. Zkhiri lässt sich nicht beirren, redet weiter. Am Ende lässt er sich überzeugen. Zkhiri dankt, steht abrupt auf, sagt, sie müsse nun schnell gehen und ihr Kind stillen. Die Morchidat gibt es seit gut zehn Jahren. Es ist schwer, den Effekt des Programms genau zu ermessen. Aber mittlerweile bildet der Staat in Rabat auch Frauen und Männer aus Frankreich und Mali sowie anderen afrikanischen Ländern aus. Aus dem kleinen Institut, in dem die ersten Frauen ihre Ausbildung absolvierten, ist ein repräsentativer Gebäudekomplex geworden. Weisse Ornamente schmücken das Gebäude, in dem sich Schlafsäle für hunderte Studentinnen und Studenten befinden. Natürlich gibt es auch Kritik an den Morchidat. Sie kommt erstaunlicherweise weniger von konservativen Islamgelehrten, sondern aus dem linken und liberalen Lager. Es gibt Leute, die fürchten, dass die Morchidat nur die «Ohren von Mohammed VI.» in den Moscheen sind. Dass die weiblichen Imane, die der König auf seinen Kodex eingeschworen hat, dem Volk beibringen sollen, so zu glauben, wie er es will. Auffällig ist, dass es nicht einfach ist, eine Morchida bei ihrer Arbeit zu begleiten. Das Ministerium für religiöse Angelegenheiten reguliert jede Form von Berichterstattung. Einer der wenigen, die es wagen, Kritik öffentlich zu äussern, ist Mohamed Douioui, ein pensionierter Gelehrter. «Die Leute beziehen sich direkt auf den Propheten, auf einen 1400 Jahre alten Text», sagt er in seiSURPRISE 392/17

nem Haus am Stadtrand. «Die Zeiten haben sich geändert, wir müssen uns ändern.» Auch die Prophetenüberlieferung sei durch viele Münder gegangen: «Warum sollten wir den Text nicht weiter verändern?» Im Grunde fordert Douioui nichts anderes als eine Art Aufklärung für den Islam. Aber das ist nichts, was ein König verordnen kann. Das ist ein Prozess, der langwierig ist und teilweise schon stattfindet: Die afro-amerikanische Islamgelehrte Amina Wadud, die schon 2005 damit für Aufruhr sorgte, dass sie in New York als erste Frau ein Freitagsgebet leitete. Die vielen Muslime, die nach den Attentaten des IS in den sozialen Netzwerken posten: «Not in my name». Zusammenschlüsse wie das Schweizer Forum für einen fortschrittlichen Islam oder der deutsche LiberalIslamische Bund, die sich der Förderung einer innermuslimischen Debatte verschrieben haben. Und natürlich Menschen wie Hind Zhkiri, die ihren Job machen, Tag für Tag. Zkhiri erklärt jungen Frauen, dass es kein Gesetz gibt, das sie zum Heiraten zwingt. Sie erklärt jungen Männern, wie moderne Frauen ticken. Sie redet und hört zu und spricht von Frieden statt von Krieg. Und oft ist sie eher Sozialarbeiterin als Missionarin. Sie sagt: «Es ist mir egal, wie gläubig ein Mensch ist. Wer weiss schon, wie jemand wirklich ist? An der Kleidung kann man das nicht erkennen. Vielleicht ist die Frau da vorne mit den wehenden Haaren und der engen Jeans ein viel besserer Mensch als ich?» ■

* Übersetzt und zitiert nach: Abdullah as-Samit Frank Bubenheim und Nadeem Elyas, «Übersetzung der Bedeutungen des edlen Qur'a¯ ns in die deutsche Sprache», Sure 19, Ayat 61, 62.

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International Vendor Week Von Pannenstreifen und Überholspuren Mit der Vendor Week, der Verkäuferwoche, stellt das Internationale Netzwerk der Strassenzeitungen INSP Anfang Februar weltweit die Verkaufenden von Strassenzeitungen in den Mittelpunkt des Interesses. VON DIANA FREI

stelle werden, die auch den Blick auf das eigene Leben und auf unser Letztes Jahr schlüpften in der Vendor Week Leser und Prominente Zusammenleben im öffentlichen Raum verändern kann. So wird beiaus der ganzen Schweiz für einen Tag in die Rolle der Verkaufenden, um spielsweise die Heftausgabe an die Verkaufenden in dieser Woche am am eigenen Leib zu erleben, was es heisst, auf der Strasse zu stehen und Bus stattfinden. ein Heft zu verkaufen. Verkäuferinnen und Verkäufer auf Zeit froren, Um Ihnen on the road Einblick in die Surprise-Welt bieten zu könaber hielten durch, sie liessen sich von den Passanten ignorieren, sie nen, haben wir unser Archiv geplündert und stellen Ihnen in Soundprobierten ihre genialsten Verkaufsstrategien aus. Sie erlebten spontane stationen alte Radiosendungen und eigene Surprise-Dokumentationen Begegnungen und gingen der Frage nach, ob ein soziales Gefälle spürbereit: Da ist etwa die Geschichte von Marlies Dietiker, die im Arbeitsbar wird, wenn einem als vermeintlich Randständigem ein Bankmanaleben pausierte, um das Kind ihrer Tochter zu betreuen. Sie fand, es sei ger ein Heft abkauft. Das Ganze wurde damit zu einem sozialen Experiwichtiger, dass die Tochter wieder arbeiten gehen könne, fand danach ment. aber selbst keine Stelle mehr. Und da ist der gebürtige Kambodschaner, Dieses Jahr fährt in der Zeit vom 6. bis 10. Februar ein VW-Bus under von seiner Flucht erzählt: davon, wie er als Neunjähriger von zwei ter dem Motto «Begegnungen im öffentlichen Raum – zusammen unterwegs gegen soziale Ausgrenzung» von Stadt zu Stadt. Verkaufende erzählen darin ihre Le«Ich habe nie so viel Solidarität erlebt wie unter Obdachlosen.» bensgeschichten, der Strassenchor singt, und Stadtführer Heiko Schmitz die Verkäuferporträts aus den letzten Jahren geben Einblick in Lebensläufe, die manch eiMännern der Roten Khmer abgeholt wurde, um dem Staat zu dienen, nem nur auf den ersten Blick fremd erscheinen. Bei genauerem Hinseund wie er von ihnen geflohen ist. Mit der Konsequenz, dass er als Kind hen stellen sie nicht selten Fragen, die einen selbst umtreiben. Zum Beiseine Familie verloren hat, sich allein in Bäumen versteckte und mit spiel: Geht es im Leben darum, Erwartungen der anderen zu erfüllen, dem Angeln von Fischen überlebte. Da ist der somalische Flüchtling oder darum, seinen eigenen Weg zu suchen? Der Bus soll zur Anlauf-

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Cabdisalan, der über das Verhältnis von Afrika und der Schweiz nachdenkt: Er erzählt, wie er hier Dinge lernt, die er eines Tages zurück in seine Heimat tragen will, weil dort keine Leute dazu ausgebildet würden, das Land voranzubringen. In einem Radiogespräch von Radio RaBe aus dem Jahr 2004 denkt eine Runde von Surprise-Verkaufenden und dem damaligen Berner Vertriebsleiter darüber nach, wie man sich innerhalb der Gesellschaft positioniert und wessen Blick bestimmt, wo man im Leben steht: Wo ist in der allgemeinen Wahrnehmung der Unterschied zwischen einem Surprise-Verkäufer und einem Unternehmer? Wieso haben Leute Mitleid mit jemanden, der selbständig sein Geld verdient? Für eine DRS1-Sendung war die Radiofrau Barbara Bürer auf Besuch in der Redaktion Basel und sprach mit ehemaligen Redaktionsmitgliedern über Surprise als soziale Institution und über die journalistische Arbeit in diesem Rahmen. Die Redaktion produzierte damals Heft Nr. 187; die Nummer, die Sie in Händen halten, ist 392. Eine weitere Radiosendung gibt Einblick in den Verkaufsalltag von Anka Stojko, die vor der Basler Hauptpost Surprise verkauft. Und der Basler Stadtführer Heiko Schmitz führt uns nicht nur vor Augen, wie der Abstieg vom gewöhnlichen Arbeitnehmer ins Leben eines Obdachlosen zustande kommen kann, sondern stellt auch fest: «Ich habe nie so viel Solidarität erlebt wie unter Obdachlosen. Die Gemeinschaft ist sehr sozial. Alles wird geteilt. Das gibt es sonst nirgends.» Der Zürcher Verkäufer Herbert Engeler beschreibt, wie er im Übergang zum Rentenalter freiwillig aus dem Arbeitsleben ausstieg und Surprise zu verkaufen begann – und dabei einen neuen Blick auf die Menschen erlangte, weil er sich auf der Strasse mit ganz anderen Menschen austauscht und «draussen auf der Strasse die ganze wunderbar breite Palette der Menschheit

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trifft: all die, die man nicht sieht, wenn man immer nur im Geschäft sitzt». Der Zürcher Stadtführer Ruedi Kälin erklärt, wieso er statt Eishockey-Torhüter Surprise-Verkäufer wurde. Und lässt dabei spüren, dass er den Heftverkauf genauso strategisch angeht, wie es ein professionelles Eishockeyspiel verlangen würde. Es sind Materialien, die persönliche Geschichten erzählen und ansatzweise auch die Geschichte des ganzen Projekts aufrollen. Den unterschiedlichsten Menschen, die man hier kennenlernt, ist eines gemeinsam: Sie haben einen Bruch im Leben erlebt, aber den Willen, einen neuen, anderen Weg zu gehen. Es sind Geschichten, nach denen man normalerweise in der Bettlektüre oder im Kino sucht. Geschichten von Menschen, die mit Problemen umgehen müssen, die sich ihnen in den Weg stellen, und die sich auf eine Reise nach einem neuen Leben machen müssen. Das ist klassisches Drehbuch: Menschen, die ihren Blick aufs Leben verändern müssen. Menschen, die auch unseren Blick ein bisschen verändern können. Und: die Helden dieser Geschichten kann man persönlich kennenlernen. Jeden Tag, draussen auf der Strasse. ■

«International Vendor Week» Mo, 6. bis Fr, 10. Februar Basel Mo, 6. Februar, 9 bis 17 Uhr, Station VW-Bus auf dem Barfüsserplatz; Di, 7. Februar, 9 bis 17 Uhr, Claraplatz, Auftritt Strassenchor ab 17 Uhr Bern Mi, 8. Februar, 9 bis 17 Uhr, Waisenhausplatz, Bern Zürich Do, 9. und Fr, 10. Februar, 9 bis 17 Uhr, Auftritt Strassenchor am 10. Februar ab 17 Uhr, vor der Kirche St. Jakob am Stauffacher, Zürich www.vereinsurprise.ch, www.facebook.com/VereinSurprise

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BILD: ZVG

Moumouni … … wünscht sich was Ich habe einige Aktivist_innen in meinem Freundeskreis. Menschen, die sich für die verschiedensten Anliegen einsetzen und meist sehr viel Lebenszeit dafür aufwenden. Manche davon aus eigener Betroffenheit, andere aus religiösem oder sozialem Pflichtgefühl. Menschen, die sich ernsthaft dafür engagieren, dass diese Welt eine bessere wird, auch wenn das ein bisschen naiv klingt. Was sie allesamt vereint? Jeder und jede von ihnen hat mindestens einen Elternteil, der sich sorgt: «Wer hat dir denn ins Hirn geschissen? Such dir mal lieber einen anständigen Job, statt in Idomeni rumzuhängen, du machst dich ja kaputt!» Oder ein Familienmitglied, das den Idealismus aufs Alter zurückführt: «Hah! Wer mit 20 kein Sozialist ist, hat kein Herz, wer mit 50 immer noch einer ist, hat kein Hirn!» Eine Kollegin, die meint, es sei ein Argument, im Verhalten des Gegenübers Inkonsistenzen zu suchen: «Aber du bist doch auch schon mal geflogen, und das ist schlecht für die Umwelt!» Unzählige Gesprächspartner, die Hirngespinste unterstellen: «Haha! Fahrradfahrer und FahrradfahrerINNEN» – man kann’s auch übertreiben, das ist ja ein regelrechter Wahn!» Mindestens einen Kollegen, der findet, es gäbe Wichtigeres: «Du hast Probleme … Als ob es keinen Rassismus gäbe, wenn ich jetzt nicht mehr Neger sage!» Eine Freundin, die steif und fest behauptet: «Ich kann gar kein Rassist sein, ich habe selbst schwarze Freunde!» und dabei nicht merkt, dass das ungefähr genau so dumm ist, wie zu sagen: «Ich bin kein Sexist. Ich hab selbst ‘ne Frau zuhause.» All diese Leute sind faul. Ich sage, alle Menschen, die sich nicht mit Rassismus, Sexismus, Feminismus, unserer Umwelt, der Armut und den unzähligen Problemen dieser Welt auseinandersetzen, sind faul und – zumindest hierzulande – meist privilegiert. Und nein, wenn nicht gerade das eigene Haustier im Sterben liegt, gibt es kaum Ausreden dafür, denn wichtig sind diese Dinge ja, das kann niemand leugnen. Ich sage nicht, dass wir nicht alle manchmal faul und privilegiert sein wollen und das vielleicht auch dürfen. Ich sage nicht, dass wir nicht alle diesen Affen in uns tragen, der findet, alles liesse sich damit erklären, dass die Welt eben so ist, wie sie ist,

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wir Menschen eben Triebe haben, von Jägern und Sammlerinnen abstammen und ausserdem «survival of the fittest» gelte. Aber damit machen wir es uns zu einfach. Über Gutmenschen lachen. «Political correctness» verteufeln. Ohne dabei die Umstände zu diskutieren, die diese beiden Phänomene bedingen: Sexismus und Rassismus zum Beispiel. Wir können froh sein um Leute, die Kraft und Elan haben, sich Gedanken zu machen über Probleme, die in unserer Gesellschaft tief verankert sind und tagtäglich Opfer fordern. Ich weiss natürlich auch, dass Aktivisten nervig sein können. Anstrengend. Das liegt wahrscheinlich an der Materie des Aktivismus. Aber der Status quo verschiedener nicht-privilegierter Lebensrealitäten ist für eine Menge Menschen ebenso anstrengend und nervig – nein, oft sogar unerträglich. Meine Aktivistenfreund_innen sehen allesamt müde aus. 2016 hat ihnen einige Gründe dafür geliefert. Ich mache mir manchmal Sorgen um sie. Eine Freundin von mir benutzte den Begriff «activist burnout». Das überwältigende Gefühl von Verbissenheit, Verzweiflung, Machtlosigkeit, Verletzlichkeit, das Gefühl, einem Zustand ausgeliefert zu sein, die Unausweichlichkeit des Problems – und die ignoranten Mitmenschen. Das raubt Kraft. Deshalb wünsche ich uns allen viel Energie für dieses

Jahr. Ich wünsche uns Empathie und das Vermögen zuzuhören. Geduld. Und Schutz vor Gewalt, struktureller wie physischer. Und Mut. Für all uns Feige und Faule.

Fatima Moumouni wünscht allen Surprise-Lesenden ein schönes neues Jahr. Und dass ihnen ihre PopIdole 2017 nicht wegsterben, wenn das letztes Jahr nicht schon passiert ist.

Rahel Nicole Eisenring ist freie Illustratorin. www.raheleisenring.ch SURPRISE 392/17


Stadtforschung Denken Sie sich die Stadt neu Der «Pavilleon» steht am Zürcher Werdmühleplatz zwischen städtischen Ämtern, Geldinstitutionen und einem Polizeigebäude. Das kleine Stadtlabor versucht von hier aus, die Ideen der Bevölkerung für einen lebenswerteren Ort hervorzukitzeln.

Im ehemaligen Ticketcorner auf dem Zürcher Werdmühleplatz – diesem Nicht-Ort, eingeklemmt zwischen Verwaltungsgebäuden und Bahnhofstrasse – ist jetzt ein kleines Stadtlabor heimisch, das sich «Pavilleon» nennt. Das Tickethäuschen war vom Tiefbauamt für zwei Jahre zur Zwischennutzung ausgeschrieben. Die beiden Mini-Thinktanks zURBS und Nextzürich taten sich für die Bewerbung zusammen und bekamen den Zuschlag. «Wir erforschen mit unterschiedlichen Formen und Methoden die Stadt», sagt Sabeth Tödtli von zURBS. «Wir wollen die Wahrnehmung der Leute verschieben oder die Imagination ankurbeln. Wir hinterfragen Entwicklungen, und vielleicht können wir die Stadt damit auch verändern.» Im Pavilleon haben sich bereits etliche Gruppierungen zusammengefunden, die sich alle mit Stadtentwicklung oder öffentlichem Raum beschäftigen. Und – man staunt – es sind nicht wenige: etwa Res Publik, die sich «Fabrik für Öffentlichkeit» nennt; lerjentours für experimentelle Spaziergänge; die Kulturbande, die sich damit beschäftigt, wovon der gesellschaftliche Wandel angetrieben wird; oder das internationale Hidden Institute, welches die Zukunftsfähigkeit von Städten erforscht und erprobt. Wahrgenommen werden zURBS und Nextzürich in der Kulturszene oder im akademischen Bereich, wo bereits Dissertationen zum Veränderungspotenzial von künstlerischer Stadtforschung geschrieben werden. zURBS arbeitet immer wieder mit dem Konzept der «unsichtbaren Stadt»: Auf Stadtspaziergängen lässt man das Publikum die unsichtbaren Ebenen der Stadt entdecken. Oder es kann sein, dass man als Zuschauerin eine öffentliche Führung durch ein Gebäude erlebt, das noch gar nicht dasteht. Dann stapft man eine Stunde lang durch Schutt und Geröll einer Brache und stellt sich dazu vor, in der Lobby des Prestigebaus eines Immobilienhais zu wandeln – und denkt sich in dem Moment vielleicht unwillkürlich aus, was hier sonst noch alles an Leben möglich wäre. Eine andere Methode der künstlerischen Stadtforschung sind die sogenannten Zeitkapseln – es werden Proben eines Gesellschaftszustandes oder einer Gefühlslage in einem ganz bestimmten GeSURPRISE 392/17

BILD: ZVG

VON DIANA FREI

Ob davor, darin oder darauf: Der Pavilleon bietet den Zürchern die Gelegenheit, ihre Stadt mitzugestalten.

biet gesammelt. Auch in der Zürcher Europaallee zog zURBS los und glich die Kritik, die im Vorfeld am Bauvorhaben geübt wurde, mit dem Resultat ab. Sabeth Tödtli und ihre Mitspieler stellten den Passanten Fragen: Wie fühlt ihr euch hier nun? Wofür seid ihr hergekommen? Haben sich eure Befürchtungen bestätigt? «Dazu haben wir Statistiken banaler Handlungen geführt: Wie viele der Leute, die hier vorbeilaufen, sind am Handy? Wie viele haben ein Skateboard? Wie viele Umarmungen pro Stunde kann man beobachten?» Meist finden im 21 m2 kleinen Pavilleon mehrmals pro Woche Konzerte, Food-WasteDinners und Diskussionsrunden mit geladenen Gästen statt. Drei bis vier Mal im Jahr wird ein Fokusthema gesetzt, zu dem spezifische Veranstaltungen stattfinden: Im März wird es um Verdichtung gehen, im Juni heisst das Thema «Territorien und Spielräume». Es stellt die Frage nach dem Verhältnis von Privateigentum und öffentlichem Raum. «Und im Spätsommer werden wir zum Thema ‹Utopien› Experimente in der Stadt machen», sagt Sabeth Tödtli. «Dabei versuchen wir, eine Brücke von den sehr intuitiven, imaginären, künstlerischen

Übungen und Spielereien hin zu konkreten Ideen für die Stadtplanung zu schlagen.» Der Projekte sind viele, bloss finanziert ist kaum etwas davon, die Arbeit wird gratis geleistet. Die Einnahmen durch die Vereine, die zURBS und Nextzürich beide sind, decken gerade mal die Nebenkosten der Zwischennutzung. Und wie wäre es, für die künstlerischen Veranstaltungen Eintrittsgeld zu verlangen? Tödtlis Antwort: «Jede Art von Eintrittshürde stört mich. Ich will keinen Ausschluss gewisser Leute.» Eine Stadt, die von den Ideen der Bewohner leben soll, ist eben immer noch die Stadt der Idealisten. ■

«Pavilleon», bis Juni 2018, verschiedene Veranstaltungen, z.B. So, 22. Januar, Konzert «unendlich & eins geht fremd» mit Kush Khazeela, Mi, 15. Februar, Res Publik Stammtisch, Sa, 4. Februar, Fundbüro2 (Fundbüro für Immaterielles, inszeniert von der Kulturbande), Mi, 22. März, «Ganz viel Platz! – Wie gelingen unsere Freiräume?», www.pavilleon.org

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BILD: LORENZ OLIVIER SCHMID

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Kultur

Niemandsländer: Traum oder traurige Realität.

Wissenschaftlich zerpflückt werden Pflanzen zur Kunst.

Buch Territoriale Minidramen

Ausstellung Fantastischer Pflanzenkosmos

Nick Middleton erzählt von Ländern, die es nicht gibt, und von ihrem Kampf um Anerkennung.

Eine Gruppenschau im Kunsthaus Grenchen setzt sich mit der Struktur und Beschaffenheit von Pflanzen auseinander.

VON CHRISTOPHER ZIMMER

VON MONIKA BETTSCHEN

Die Weltkarte ist nicht statisch, schreibt der Geograf Nick Middleton in seinem Kompendium über Länder, die es nicht gibt. Man denke nur an die neuen Staaten, die nach dem Zerfall der Sowjetunion entstanden, an die Wiedervereinigung Deutschlands oder die Aufsplittung der Tschechoslowakei. Aber, was ist das überhaupt: ein Land? Middleton beschränkt sich auf das Elementare – ein Nationalbewusstsein, eine Flagge, irgendeine Form von Regierung und territoriale Ansprüche – und listet dann eine Auswahl von Ländern rund um die Welt auf, die trotz dieser Basics um Anerkennung kämpften oder noch kämpfen. Daraus entsteht ein Lexikon der Absurditäten und Kuriositäten, Hoffnungen und Niederlagen, Träume und Extreme, und nicht zuletzt auch von Greueln und Blutvergiessen, Ausbeutung und Unterdrückung. Dennoch hat dieser aussergewöhnliche, mit 50 Karten aus aller Welt ausgestattete Atlas einen hohen Unterhaltungswert. Denn Middleton listet keine drögen Fakten auf bzw. diese nur ganz knapp, sondern erzählt zu jedem Land auf einer halben Seite die Geschichten hinter der Geschichte – lauter spannende und anschauliche territoriale Minidramen. Vom Kampf um Grenzen wie in Kaschmir, von Möchtegern- und isolierten Staaten, oder vom gesellschaftlichen Experiment im Geist der 68er in Christiania, Kopenhagen. Aber auch von Sonderfällen wie Forvik mit nur einem Einwohner oder Seborga in Italien, dessen Regierung in einer Bar tagt, bis hin zu Elgaland-Vargaland, einem ideellen Konstrukt, das sich aus den Grenzstreifen und Niemandsländern der Welt, aus der Vorhölle und sogar aus Träumen zusammensetzt. Ein Traum zu sein, ist allerdings für viele der beschriebenen Länder allzu oft traurige Realität, gerade für jene, in denen indigene Völker leben, denen Boden und Rechte geraubt wurden. Und so steht hinter den Fallbeispielen dieses wunderbar gestalteten Lexikons nicht selten der Kampf um die Anerkennung einer legitimen Eigenständigkeit.

Als Albrecht Dürer 1503 das Aquarell «Das grosse Rasenstück» malte, markierte er mit der Darstellung von etwas so Unscheinbarem wie heimischer Flora, porträtiert auf Augenhöhe, einen Meilenstein der Kunstgeschichte: Waren Pflanzen in der Kunst zuvor bloss zur Zierde oder zur symbolischen Ergänzung religiöser Inhalte gedacht, zeigte Dürer in dieser Naturstudie die Pflanzenwelt in realitätsnaher Präzision und als eigenständige Einheit. Die Künstlerin Sonya Friedrich hat sich intensiv mit Dürers Aquarell auseinandergesetzt und präsentiert nun im Kunsthaus Grenchen auf neun Tabourettli jene Pflanzen im Original, die auf Dürers wegweisendem Gemälde zu sehen sind. Dafür hat sie die Halme und Blüten so konserviert, dass sie ihre Form und ihre Farben behalten haben. In dieser Dreidimensionalität ausgestellt, wird die Ästhetik und Zerbrechlichkeit jeder Pflanze und damit auch der Natur als Ganzes veranschaulicht. Lorenz Olivier Schmid tritt noch näher an die Gewächse heran und enthüllt deren fantastisches Innenleben, indem er sie zwischen Glas gelegt und in wissenschaftlicher Manier durchleuchtet hat. Im Auf- und Streiflicht entstanden Bilder, die an jene Aufnahmen erinnern, die das Hubble-Weltraumteleskop von Galaxien und Gaswolken zur Erde sendet. Auch Ursula Jakob und Jacqueline Baum haben einen naturwissenschaftlichen Ansatz gewählt, indem sie eine Magnetresonanztomografie zum Beispiel von einer Tulpe anfertigen liessen. Ihre Werke sind mitten im Spannungsfeld zwischen Natur und Künstlichkeit angesiedelt und hinterfragen subtil und bildgewaltig zugleich die sich aufweichenden Grenzen zwischen diesen beiden Bereichen. Die Künstlerin Béatrice Gysin weist mit ihren Installationen und Skizzen hingegen in die Zukunft und wirft darin eine Vielzahl von Fragen rund um den drohenden Klimawandel auf. Das Interesse an Natur und Pflanzenwelt verbindet diese fünf Schweizer Kunstschaffenden, von denen sowohl neue als auch bereits bestehende Werke ausgestellt sind. Ein Rahmenprogramm mit Führungen und einer musikalischen Lesung ergänzt diese abwechslungsreiche Gruppenschau.

Nick Middleton: Atlas der Länder, die es nicht gibt. Ein Kompendium über fünfzig nicht anerkannte und weithin unbekannte Staaten. Quadriga 2016. 44.90 CHF

«Über die Natur hinaus – in Transformation», Ausstellung noch bis 19. Februar, Mi bis Sa, 14 bis 17 Uhr, So, 11 bis 17 Uhr, Lesung «Klingende Texte», Mi, 25. Januar, 19 Uhr. www.kunsthausgrenchen.ch

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BILD: DIRK ZEHRT/GOURMET-BLOG.DE

Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.

Kochen mit Köpfchen: Das ganze Tier verwenden. Wenn schon.

Piatto forte Von Kopf bis Fuss Wir nehmen uns fürs neue Jahr nichts Geringeres vor, als das Tier ganz zu essen. Dazu gehört auch der Kalbskopf. VON TOM WIEDERKEHR

Ein Tier besteht nicht nur aus Filet, Kotelette und Braten, sondern hat für den Gaumen noch viel mehr zu bieten. Den Kalbskopf etwa, der in der Regel zur Unkenntlichkeit verarbeitet in die Wurst wandert. Wer seinen Gästen nach den Festtagen eine Alternative zum matschig gekochten Fleisch des Fondue Chinoise bieten will, überrascht sie mit einer selbstgemachten Kalbskopf-Terrine. Für zehn Personen lassen Sie sich vom Metzger eine Kalbskopfmaske vorbereiten – also den vorderen Kopfteil, enthaart und ohne Knochen, aber mit Zunge. Lassen Sie sich auch die Kalbsbäckchen geben. Geschmort kommt kein Braten an die Zartheit dieses Fleisches heran. Aus einer halbierten Zwiebel, zwei Rüebli, einem Stück Sellerie und einer viertel Stange Lauch machen wir ordentliches Suppengrün. Die Kalbskopfmaske gut waschen und zusammen mit dem Suppengrün, ein paar Petersilienstielen, 3 dl Weinessig, Salz, Lorbeerblättern, Pfefferkörnern und etwas Piment in einen Topf geben und mit kaltem Wasser aufgiessen, bis alles bedeckt ist. Aufkochen und dann etwa 2,5 bis 3 Stunden auf kleiner Flamme weichkochen. Die Zunge nach der Hälfte der Zeit herausnehmen. Sobald der Kalbskopf weich ist, mit kaltem Wasser abschrecken und in 1 cm grosse Stücke schneiden. Von der Zunge die Haut abziehen und ebenfalls in Würfel schneiden. Mit Salz, Pfeffer, Zucker und Essig kräftig abschmecken. Und keine Angst, der Geschmack des Essigs wird deutlich nachlassen. Die Kalbskopfwürfel in eine mit Klarsichtfolie ausgelegte Terrinenform füllen und beschweren. Das Ganze für einen Tag im Kühlschrank ziehen lassen. Durch die Gelatine verschmelzen die zart gekochten Stücke zu einem Stück. Die Terrine aus der Form stürzen, Folie entfernen und mit der Aufschnittmaschine oder einem scharfen Messer in dünne Scheiben schneiden. Die Scheiben jetzt kurz unter der Grillschlange des Backofens erwärmen und auf einem Teller anrichten. Aus dem aromatischen Fonds, in dem der Kalbskopf gekocht wurde, mit Zitrone, Essig, Salz, Pfeffer, Zucker, Olivenöl, Tomatenwürfeln, den gekochten Selleriewürfeln, etwas scharfem Senf und Frühlingszwiebeln eine delikate Vinaigrette machen und über die lauwarme Kalbskopf-Terrine verteilen. Sie macht nicht nur glücklich, weil sie wunderbar schmeckt, sondern auch, weil das Tier nicht nur für das Filet sein Leben lassen musste.

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Institut und Praxis Colibri, Murten

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Kaiser Software GmbH, Bern

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Klinik Sonnenhalde AG, Riehen

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Rechtsanwalt Peter von Burg, Zürich

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Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich

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Hofstetter Holding AG, Bern

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Hedi Hauswirth Privat-Pflege, Oetwil am See

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Echtzeit Verlag, Basel

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OpenTrack Railway Technology GmbH, Zürich

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Intercelix AG, Basel

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Naef Landschaftsarchitekten GmbH, Brugg

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Schweizerisches Tropeninstitut, Basel

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PS: Immotreuhand GmbH, Zürich

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Iten Immobilien AG, Zug

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Proitera GmbH, Basel

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Petra Wälti Coaching, Zürich

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Alfred Rappo-Kolenbrander, Breitenbach

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Botanica GmbH, Sins

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Brother (Schweiz) AG, Dattwil

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InhouseControl AG, Ettingen

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Maya-Recordings, Oberstammheim

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noline.ch GmbH, Buus

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Imbach Reisen AG, Wanderreisen, Luzern

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mcschindler.com GmbH, Zürich

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Scherrer + Partner GmbH, Basel

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

Bezugsquellen und Rezepte: www.piattoforte.ch/surprise 392/17 SURPRISE 392/17

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Ausgehtipps

Künstler ohne kalte Füsse.

Schweiz 2035. Nach dem Inländervorrang kommt der Männervorrang.

Schau mir auf die Leinwand, Kleines.

Aarau Das Kino und die Kunst Film und Kunst bilden seit jeher ein unzertrennliches Paar. Der Faszination am Kino widmet das Aargauer Kunsthaus deshalb seine neue Ausstellung «Cinéma mon amour». International bekannte Kunstschaffende zeigen Werke, welche sich mit unterschiedlichen Aspekten von Film in der Kunst befassen. Sie untersuchen, wie Kino, Film und Filmbusiness im zeitgenössischen Kunstschaffen Widerhall finden oder die Hintergründe und Mechanismen der Filmproduktion. Andere greifen die Sprache spezifischer Genres und konkreter Filme auf, ebenso den Kult um Stars und Hollywood. Ein Beispiel: Stan Douglas’ neueste Videoinstallation «The Secret Agent» (2015), in der sich auf sechs Leinwänden grosses Kino abspielt. Mit zahlreichen Referenzen von Film Noir über Hitchcocks Thriller-Ästhetik bis hin zur Persiflage von Detektivfilmen inszeniert der kanadische Künstler eine spektakuläre Neuadapation des Spionageromans «Der Geheimagent» von Joseph Conrad. Zeitgleich zu der Ausstellung im Aargauer Kunsthaus zeigen die Solothurner Filmtage in ihrem Spezialprogramm den Gegenschuss: die Darstellung von Kunst im Film. (sim)

Luzern Recht auf Hoffnung

Zürich Die Frauen-Dystopie

Die Zukunft kann in diesen Tagen bedrohlich wirken: Klimakatastrophen, Kriege, Nationalismus, Angriffe auf die Menschenrechte. Das Künstlerduo J&J hat entschieden, sich nicht länger von Angst regieren zu lassen, und will einen landesweiten Dialog starten. Die beiden Künstler fragen, was Angst mit uns macht und wo Hoffnung oder «Raum für das Potential» in unserer Gesellschaft zu finden sind. «Tender Provocations of Hope and Fear» im Südpol Luzern ist die erste öffentliche Veranstaltung und versammelt Performances, Lesungen und Musik zu Angst und Hoffnung. Zu Gast sein wird unter anderem eine christliche Priesterin, die angesichts ihrer kranken Tochter nicht immer die Hoffnung findet, die sie predigt. Über die nächsten Jahre soll aus dieser und allen folgenden Veranstaltungen ein «Archiv der Hoffnung» entstehen. Aus diesem Fundus wollen die Künstler dann einen Gesetzesartikel entwickeln, welcher in der Schweizer Verfassung eine «Kultur der Hoffnung» verankert. (sim)

Die Schweiz 2035. Eine Alt-Nationalrätin bricht bei einer Pionierin der Schweizer Frauenpolitik ein, um sie für eine Protestaktion gegen das frauenfeindliche Volksbegehren zu gewinnen. Denn die Sache ist die: Im Jahr 2035 hat sich die Schweiz weitgehend abgeschottet, die Arbeitsplätze sind knapp. Eine Initiative kommt zur Abstimmung, die den Männervorrang im Erwerbsleben gesetzlich verankern will. Die Prognosen erwarten 60 Prozent JaStimmen. Die Alt-Nationalrätin will diesen Backlash nicht einfach hinnehmen, und die erhoffte Mitstreiterin macht Probleme: Die beiden Frauen geraten aufgrund ihrer unterschiedlichen politischen Überzeugungen und ihrer persönlichen Erlebnisse aneinander. Die Frage ist: Werden die beiden Politpionierinnen für die gemeinsame Sache auf die Barrikaden steigen? Diese Handlung klingt abgefahren. Aber das düstere Zukunftsszenario entspringt einer Frage aus dem Hier und Jetzt: Warum gibt es immer weniger Frauen im Schweizer Parlament? Das haben sich die Theaterschaffenden der freien Zürcher Gruppe Amalgam gefragt – das Stück «Bleu éléctrique» ist das Resultat ihrer Überlegungen dazu. Sie lassen ein Stück Schweizer Frauengeschichte Revue passieren und werfen Fragen zur Gleichstellung auf. Es spielt mit: Eleni Haupt, die wir als Mutter im Kinofilm «Finsteres Glück» gesehen haben. (dif)

J&J, «The Art of a Culture of Hope», «Tender Provocations of Hope and Fear & Space for Hope», Fr, 20. Januar, 20 Uhr, Grosse Halle, Südpol Luzern, Arsenalstrasse 28, Kriens, www.sudpol.ch «A sharing», 5. Februar, 20 Uhr, Theater Gessnerallee, Gessnerallee 8, Zürich, www.gessnerallee.ch www.theartofacultureofhope.com

Theater Amalgam, «Bleu éléctrique», Fr, 3. Februar,

«Cinéma mon amour – Kino in der Kunst», Aargauer

20 Uhr, So, 5. Februar, Nachmittagsvorstellung mit

Kunsthaus, in Kooperation mit den Solothurner

anschliessendem Podiumsgespräch, 17 Uhr

Filmtagen, 22. Januar bis 17. April, Di bis So von

(Podiumsgespräch 18.30 Uhr, Moderation: Kaa Linder,

10 Uhr bis 17 Uhr, Do bis 20 Uhr

Kulturjournalistin Radio SRF), Fr, 10., Sa, 11. Februar,

www.aargauerkunsthaus.ch

je 20 Uhr, Maxim Theater, Ausstellungsstrasse 100, Zürich, So, 26. März 2017, 17 Uhr, Probebühne Turicaphon Uster, Turicaphonstrasse 33, Riedikon bei Uster, Reservation: 077 441 62 89 oder amalgam@gmx.ch

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BILD: DERKAUFFMANNCARACO, FRANCOISECARACO

Der Verwandte hilft bei der Rekonstruktion von Vergangenheit.

Was war zuerst da: Kunst oder Kleid?

Zürich Urgrossonkel Caraco

Rorschach Auf den Leib geschneidert

Video Window will die Vielfalt der Videokunst einem breiteren Publikum nahebringen: Der Kurator Bruno Z’Graggen bietet seit fünf Jahren Werkeinblicke in die Arbeiten von Schweizer Künstlerinnen und Künstlern, die inhaltlich und formal spannende Ansätze zeigen. Die Videos werden nicht nur ausgestellt, sondern von Werkgesprächen mit den Künstlern begleitet. «Do you remember?» heisst die an sich sechsteilige Veranstaltungsreihe, die noch bis Anfang März läuft und drei Arbeiten zeigt. Zum Beispiel «Der Kaufmann Caraco»: eine knappe, filmische Annäherung der Künstlerin Françoise Caraco an den nahezu vergessenen Spitzenhändler am Rennweg in Zürich. Die Existenz des Mannes, der ihr Urgrossonkel war, zeichnet sie im Video schemenhaft nach: Zu hören sind die Stimme der gleichnamigen Nebenfigur in Kurt Frühs Film «Hinter den sieben Gleisen», ein Interview mit einer inzwischen verstorbenen Angestellten des Spitzenhändlers und der Wortlaut von Caracos Zürcher Einbürgerungsakte. (dif)

Eva Margarita Hatschek, die Gattin eines wohlhabenden Industriellen, liess sich Zeit ihres Lebens mehrere Hundert massgeschneiderte Kleider nähen. Inzwischen befindet sich diese exquisite Kleidersammlung in Besitz der Swiss Textile Collection. Diese umfasst insgesamt 1200 Kleidungsstücke und konzentriert sich auf Couture, die aus Schweizer Stoffen hergestellt wurde; grösstenteils aus den Jahren von 1940 bis etwa 1995. Eine Auswahl dieser Sammlung zeigt derzeit das Würth Haus Rorschach in einer Sonderausstellung. Zusammen mit verschiedenen Accessoires, Modemagazinen sowie einigen Maschinen und Druckstöcken aus der Zeit der Wiener Werkstätten. Gegenübergestellt sind den Kleidungsstücken verschiedene Kunstwerke der Sammlung Würth, darunter sind Arbeiten von Eduardo Chillida, Andy Warhol, Alex Katz oder Victor Vasarely. Berühren der Kleidungsstücke ist ausdrücklich erlaubt. (sim)

«Do you remember?» Erinnerung an Zeit, Raum und Menschen, Di, 7. Februar

Dialog», Forum Würth Rorschach, Churerstrasse 10, noch bis zum 26. Februar,

Françoise Caraco, Di, 28. Februar RELAX (chiarenza & hauser & co), Di, 7. März

Di bis So, 11 bis 17 Uhr, www.wuerth-haus-rorschach.ch

«Prêt-à-toucher. Werke aus der Swiss Textile Collection und Sammlung Würth im

Veronika Spierenburg, je 19 Uhr, Galerie Lullin + Ferrari, Limmatstrasse 214, Zürich

BILD: ISTOCKPHOTO

www.lullinferrari.com//brunozgraggen.ch/video-window

Basel Politische Mitsprache zurückerobern Wie entsteht Demokratie, wem gehört sie, wer bedroht sie? Der Kongress «Reclaim Democracy» in Basel ist der Ort für Debatten zum Zustand unseres politischen Systems. In mehr als 50 Veranstaltungen diskutieren Philosophen, Wirtschaftswissenschafterinnen, Politologen, Kulturschaffende, Historikerinnen und Journalisten über die grossen Themen, die wir nicht ignorieren dürfen und es allzu oft trotzdem tun: über Menschenrechte, den Einfluss globaler Konzerne auf die politische Agenda, über Klimawandel, Flüchtende, wachsende gesellschaftliche Ungleichheit und zunehmenden Nationalismus. Das Leitprinzip für die Gesellschaft müsse das gute Leben für alle sein, nicht der Kampf aller gegen alle und die Akkumulation von Kapital und unermesslichem Reichtum in den Händen einer winzigen Minderheit, schreiben die Veranstalter Denknetz Schweiz und das Soziologische Seminar auf ihrer Webseite. Dem lässt sich ohne Zögern zustimmen. (sim) Kongress «Reclaim Democracy», Do, 2. Februar, 12 Uhr bis Sa, 4. Februar, 24 Uhr,

Jeder soll mitreden können. SURPRISE 392/17

Universität Basel, Petersplatz 1, www.reclaim-democracy.org

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Sängerporträt «Sprung ins kalte Wasser» Claudio Bucher (30) singt seit einem halben Jahr im Surprise Strassenchor mit. Der sonst eher zurückhaltende Logistiker aus Aesch liess sich spontan auf etwas Neues ein. Und wurde nicht enttäuscht.

«Das Singen begleitet mich schon immer, seit ich klein war. Meine Schwester und ich gingen zusammen in den Kinderchor in Liestal, und seither blieb die Musik immer irgendwie ein grosser Teil von mir. Dabei würde ich mich nicht einmal als besonders musikalisch beschreiben. Ich spiele kein Instrument und hatte auch nie Gesangsstunden zur Stimmbildung oder ähnliches. Ehrlich gesagt, reizte mich das auch nie. Ich wollte einfach nur singen. Es ist für mich etwas sehr Emotionales, Ausdruck von Freude sowie Therapie zugleich. Wenn es mir gut geht, dann singe ich, um das zu zeigen, und wenn es mir schlecht geht, dann singe ich auch, und schon es geht mir wieder besser. Letzten Sommer bin ich dann durch Zufall auf den Surprise Strassenchor gestossen oder besser gesagt, der Chor stiess auf mich. Zur Pensionierung meiner Mutter veranstaltete meine Familie ein Fest, es wurde viel gesungen und getanzt. Ich habe wie immer mit Begeisterung eingestimmt. Einer Freundin meiner Mutter gefiel mein Gesang und Elan so gut, dass sie kurz darauf Chorleiterin Ariane Rufino dos Santos von mir erzählte. Ariane leitet den Surprise Strassenchor seit 2011. Über meine Mutter liess sie mir ausrichten, ich solle doch einfach einmal vorbeikommen. Entgegen meines eher schüchternen Wesens habe ich das dann auch getan. Es war ein Sprung ins kalte Wasser, der sich aber gelohnt hat. Ich wurde herzlich aufgenommen, sowieso gehen alle immer sehr freundschaftlich miteinander um. Das war für mich nicht selbstverständlich, immerhin kommen viele Teilnehmer aus einem wenig privilegierten Umfeld. Trotzdem ist die Stimmung eigentlich immer gut, ja ausgelassen sogar. Natürlich gibt es vereinzelt Konflikte, wo es dann auch einmal laut wird. Am Anfang bin ich erschrocken, weil ich es nicht gewohnt bin, wenn ein Problem öffentlich und lautstark ausdiskutiert wird. An den Reaktionen der anderen habe ich allerdings schnell gemerkt, dass dies noch lange kein Grund zur Beunruhigung ist. Schon beim nächsten Lied war alles wieder vergessen. Wir haben Leute aus der Schweiz, aus dem Balkan, aus Afrika, ja sogar Kambodscha. Missverständnisse können halt auftreten, wenn man so viele verschiedene Kulturen vereint. Viel wichtiger ist, dass man gemeinsam versucht, die Probleme zu lösen. So vielseitig wie die Teilnehmer ist auch die Auswahl an Stücken, die wir singen. Ich glaube von den zehn Liedern, die wir für den letzten Auftritt geprobt haben, war ein einziges auf Deutsch. Mir gefällt das, Musik in einer anderen Sprache kann ungleich mehr befreiend oder ausdrucksstark sein, weil man selber mehr hineininterpretieren kann. Apropos interpretieren: In einem Workshop haben wir zusammen sogar ein eigenes Lied geschrieben und komponiert. Wir nennen es liebevoll das ‹Surprise-Strassenchor-Lied› und singen es seit jeher fast jedes Mal zum Aufwärmen und manchmal auch an einem Auftritt. Ich finde es nach wie vor erstaunlich, wie viele Auftritte wir haben. In dem halben Jahr jetzt waren es sicher zehn oder mehr. Beim ersten

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BILD: ZVG

AUFGEZEICHNET VON FELIX MÜLLER

Mal war ich super nervös. Aber als wir angefangen haben zu singen und ich an den Reaktionen der Zuhörer sah, dass es ihnen gefiel, fühlte ich mich sehr schnell viel besser. Es war dann wie eine Chorprobe, nur intensiver, besser. Meine schönste Erinnerung mit dem Chor ist aber unser Sommerausflug aufs Rütli. Es hat in Strömen geregnet, aber das störte nicht wirklich irgend jemanden. Wir haben auf der Wiese gepicknickt, ich habe mit den Kindern Fussball gespielt, und natürlich wurde viel gesungen. Ja, ich gehe wirklich sehr gerne in den Chor. Ich denke auch nicht, dass sich das in naher Zukunft ändert. ■ SURPRISE 392/17


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Bitte heraustrennen und schicken oder faxen an: Verein Surprise, Administration Spalentorweg 20, 4051 Basel F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch

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Hilfe zur Selbsthilfe Surprise unterstützt armutsbetroffene Menschen – beim Strassenverkauf, Strassenchor oder Strassensport, dem Sozialen Stadtrundgang oder Café Surprise: Der Verein fördert die soziale Integration der Betroffenen. Surprise gibt das vierzehntägig erscheinende Strassenmagazin heraus. Eine professionelle Redaktion produziert das Heft zusammen mit freien Journalisten, Fotografen und Illustratoren. Das Magazin wird auf der Strasse verkauft. Über 350 armutsbetroffene Menschen, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten über den Strassenverkauf eine Erwerbsmöglichkeit und eine Tagesstruktur. Die Hälfte des Magazinerlöses behalten die Verkaufenden.

Stärken. Bewegen. Integrieren. Surprise fördert die Integration mit Sport. In der Surprise-Strassenfussball-Liga spielen Teams aus der Deutschschweiz um den Titel des Schweizermeisters. Einige Spieler nehmen am Homeless World Cup teil. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Strassenchor. Gemeinsames Singen und Auftritte ermöglichen Glücksmomente für Menschen, für die der gesellschaftliche Anschluss erschwert ist. Café Surprise schenkt Menschen mit wenig Geld einen Kaffee in einer Bar oder einem Café. So können sie am sozialen Leben teilnehmen. Für Gäste ist es eine charmante Gelegenheit, sich sozial zu engagieren: Sie bezahlen ihren Kaffee und spendieren einen weiteren.

Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht sozial ausgegrenzten Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit z.B. mit dem Sozialen Stadtrundgang in Basel und Zürich. Die Surprise-Stadtführer sind Armutsbetroffene, Ausgesteuerte und Obdachlose. Sie erzählen aus ihrem Alltag in ihrer Stadt und zeigen Orte, an denen man sonst vorübergeht. Gemeinsam wollen sie Vorurteile abbauen.

Über Surprise Der Verein Surprise unterstützt Armutsbetroffene ohne staatliche Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle Angebote ist Surprise auf Spenden, Sponsoren und Stiftungen angewiesen. Surprise ist Mitglied des internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP), dem über 120 Magazine in über 40 Ländern angehören.

Impressum Herausgeber Verein Surprise, Spalentorweg 20, 4051 Basel www.vereinsurprise.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Fr T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 Nicole Mathys, Thomas Oehler, info@vereinsurprise.ch Geschäftsleitung Paola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (Mitglied der Geschäftsleitung), Jannice Vierkötter (Mitglied der Geschäftsleitung) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@vereinsurprise.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Amir Ali (ami), Beat Camenzind (bc), Diana Frei (dif), Simon Jäggi (sim), Thomas Oehler (toe), Sara Winter Sayilir (win, verantwortlich für diese Ausgabe), redaktion@vereinsurprise.ch, leserbriefe@vereinsurprise.ch Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Florian Burkhardt, Rahel Nicole Eisenring, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Khusraw Mostafanejad, Fatima Moumouni, Stephan Pörtner, Isabella Seemann, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Tom Wiederkehr, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Monika Bettschen, Lucian Hunziker, Annekatrin Kaps, Miriam Künzli, Felix Müller, Fritz E. Schaap, Patrick Tombola Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 21 400, Abonnemente CHF 189, 25 Ex./Jahr Marketing, Fundraising, Kommunikation T +41 61 564 90 50 Zaira Esposito, Katrin Pilling, marketing@vereinsurprise.ch Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise nur mit Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt.

Vertrieb Basel T +41 61 564 90 83/85 Thomas Ebinger, Anette Metzner, Spalentorweg 20, 4051 Basel, basel@vereinsurprise.ch Regionalstelle Zürich T +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12 Sara Huber, Christian Sieber, Kanzleistr. 107, 8004 Zürich, zuerich@vereinsurprise.ch Regionalstelle Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02 Andrea Blaser, Barbara Kläsi, Alfred Maurer Scheibenstrasse 41, 3014 Bern, bern@vereinsurprise.ch Café Surprise T +41 61 564 90 50 Zaira Esposito (Leitung), z.esposito@vereinsurprise.ch Strassenchor T +41 61 564 90 40 Paloma Selma (Leitung), p.selma@vereinsurprise.ch Strassenfussball T +41 61 564 90 10 Lavinia Besuchet (Leitung), l.besuchet@vereinsurprise.ch, David Möller (Sportcoach), d.moeller@vereinsurprise.ch Sozialer Stadtrundgang Basel T +41 61 564 90 40 Sybille Roter (Leitung), s.roter@vereinsurprise.ch, Paloma Selma (Koordination), rundgang@vereinsurprise.ch Sozialer Stadtrundgang Zürich T +41 44 242 72 14 Sybille Roter (Leitung), s.roter@vereinsurprise.ch, Carmen Berchtold (Koordination), rundgangzh@vereinsurprise.ch Vereinspräsident Beat Jans Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen. Helfen macht Freude, spenden Sie jetzt: PC 12-551455-3, IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 SURPRISE 392/17


Eine Tasse Solidarität! Machen Sie mit: Zwei bezahlen, eine spendieren. Café Surprise gibt es hier: In Basel BackwarenOutlet, Güterstr. 120 Café Bohemia, Dornacherstr. 255 Café-Bar Elisabethen, Elisabethenstr. 10 Café Flore, Klybeckstr. 5 Café Restaurant Haltestelle, Gempenstr. 5 Kiosk Amann, Claragraben 101 Oetlinger Buvette, Unterer Rheinweg Quartiertreffpunkt Kleinhüningen, Kleinhüningerstr. 205 Quartiertreffpunkt Lola, Lothringerstr. 63 Rest. Les Gareçons, Schwarzwaldallee 200 Rest. Manger et Boire, Gerbergasse 81 Trattoria Bar da Sonny, Vogesenstr. 96 In Luzern Jazzkantine zum Graben, Garbenstr. 8 In Rapperswil Café good, Marktgasse 11 In Schaffhausen Kammgarn Beiz, Baumgartenstr. 19

In Bern Café Kairo, Dammweg 43 Café MARTA, Kramgasse 8 Café Tscharni, Waldmannstr. 17a Café-Bar das Lehrerzimmer, Waisenhausplatz 30 LoLa Lorraineladen, Lorrainestr. 23 Luna Llena Gelateria Rest. Bar, Scheibenstr. 39 Rest. Genossenschaft Bras. Lorraine, Quartiergasse 17 Rest. Löscher, Viktoriastr. 70 Rest. Sous le Pont – Reitschule, Neubrückstr. 8 Rösterei Kaffee und Bar, Güterstr. 6 Treffpunkt Azzurro, Lindenrain 5 Zentrum44, Scheibenstr. 44 In Biel Treffpunkt Perron bleu, Bahnhofplatz 2d In Zürich Café Zähringer, Zähringerplatz 11 Sphères, Hardturmstr. 66

www.vereinsurprise.ch/cafesurprise Ein Projekt des Vereins Surprise.



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