Surprise 398

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Nr. 398 | 21. April bis 4. Mai 2017 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.

Gezeichnet Wie Gang-Aussteiger vom normalen Leben träumen


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GESCHICHTEN VOM FALLEN UND AUFSTEHEN Kaufen Sie jetzt das Buch «Standort Strasse – Menschen in Not nehmen das Heft in die Hand» und unterstützen Sie einen Verkäufer oder eine Verkäuferin mit 10 CHF. «Standort Strasse» erzählt mit den Lebensgeschichten von zwanzig Menschen, wie unterschiedlich die Gründe für den sozialen Abstieg sind – und wie gross die Schwierigkeiten, wieder auf die Beine zu kommen. Porträts aus früheren Ausgaben des Surprise Strassenmagazins ergänzen die Texte. Der Blick auf Vergangenheit und Gegenwart zeigt selbstbewusste Menschen, die es geschafft haben, trotz sozialer und wirtschaftlicher Not neue Wege zu gehen und ein Leben abseits staatlicher Hilfe aufzubauen. Surprise hat sie mit einer Bandbreite an Angeboten dabei unterstützt: Der Verkauf des Strassenmagazins gehört ebenso dazu wie der Strassenfussball, der Strassenchor, die Sozialen Stadtrundgänge und eine umfassende Beratung- und Begleitung. 156 Seiten, 30 farbige Abbildungen, gebunden, CHF 40 inkl. Versand, ISBN 978-3-85616-679-3 Bestellen bei Verkaufenden oder unter: surprise.ngo/shop Weitere Informationen T +41 61 564 90 90 | info@surprise.ngo surprise.ngo | Facebook: Surprise NGO


Die Annahme, dass wir Menschen lernfähig sind und uns ändern können, ist Teil unseres Rechtssystems: Wer einen Fehler begeht und diesen ernsthaft bereut, bekommt mit der allfälligen Bestrafung auch die Chance auf einen Neustart. Was rechtlich garantiert ist, erweist sich im direkten gesellschaftlichen Austausch als weitaus schwieriger. Wem seine kriminelle Vergangenheit als Tätowierung ins Gesicht geschrieben steht, für den gestaltet sich der Neustart mit Job- und Wohnungssuche harzig. Manch einer wünscht sich eine reine Haut zurück. Fotograf Steven Burton hat ehemaligen Gangmitgliedern in Los Angeles diesen Wunsch erfüllt, wenn auch nur virtuell, zu sehen ab Seite 10. Hilfe und Unterstützung bei der Reintegration in die Gesellschaft bietet den SARA WINTER SAYILIR US-amerikanischen Gang-Aussteigern die Organisation Homeboy Industries, REDAKTORIN die sich grossenteils über Spenden finanziert. Spender, die den Idealen des Effektiven Altruismus anhängen, werden ihr Geld jedoch anderswo investieren. Denn Sozialarbeit und Langzeitbetreuung sind den Anhängern dieser jungen Bewegung nicht wirksam genug. Warum, lesen Sie ab Seite 18.

Inhalt 04 Randnotiz Zurück zur Basis 04 Vor Gericht Käse oder Fleischkäse 05 Basteln für eine bessere Welt Spielen, bis Godot kommt 06 #WirAlleSindSurprise «Eine Sache der Lebensreife» 07 Challenge League Zwei Tränen 08 Porträt Mit Luxusseife Leben retten 22 Moumouni ... ist eine Frau am Sein 23 Kunst «Jeder Mensch ist ein Buchstabe in einem unendlichen Alphabet» 26 Buch Ein himmlischer Sommer 26 Ausgehtipps Notizen einer Odyssee 28 Verkäuferinnenporträt International Vickie 29 Surplus Eine Chance für alle 30 In eigener Sache Impressum BILD: REUTERS

BILD: STEVEN BURTON

Ich wünsche Ihnen eine effektive Lektüre Sara Winter Sayilir

10 Aussteiger Bilder der Unschuld SURPRISE 398/17

18 Altruismus Die Logik des Helfens

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BILD: TOBIAS SUTTER

Titelbild: Steven Burton

Editorial Aussteigen


Randnotiz Zurück zur Basis Ich behaupte, dass meine Heimat da ist, wo die Welt für mich in Ordnung ist. Ist sie da, wo ich aufgewachsen bin? Jahrzehntelang hätte ich diese Frage mit einem klaren Nein beantwortet. Ich fühlte mich eingeengt von den hohen Bergen. Vom Nebel, den engen Grenzen. Die unendlich langen und kalten Jahre meiner Kindheit und Jugend sassen mir in den Knochen, und ich suchte die Wärme, den endlosen Sommer, die grosse Freiheit. Nach der Ausbildung tauschte ich den engen Raum gegen die Weite der ganzen Welt ein. Ich zog in riesige Städte in fernen Ländern. Lange hielt ich es aber nirgends aus, es war, als sei es meine Bestimmung, unterwegs zu bleiben. Wäre ich des Reisens nicht müde geworden, hätte ich wohl nie daran gedacht, sesshaft zu werden. Bei jedem Besuch in der Schweiz begannen sich meine Eindrücke und Gefühle mehr und mehr zu verändern. Das kleine, enge Land fühlte sich für mich langsam an wie ein gemütliches Nest, in dem man geborgen und sicher ist. In der weiten, grossen Welt glaubte ich mich zu verlieren, in der Schweiz hingegen war alles überschaubar. Hier kenne ich die Kultur und die Gepflogenheiten. Ich spreche den Dialekt der Einheimischen. Hier finde ich meine Ordnung. In der Schweiz bin ich aufgewachsen, sie hat mich geprägt. Ich habe realisiert, dass ich diese heimatliche Schweiz mitnehme, egal wohin ich gehe. Auch wenn ich meine Herkunft nicht immer mag, sie ist ein elementarer Teil von mir, wenn nicht gar die Basis. Ich musste die Heimat verlassen, um meine Vergangenheit aufzuräumen. Bei mir dauerte das sehr lange. Ich musste langwierig eine persönliche Ordnung in die Ordnung meiner Herkunft bringen. Wie weit und lange lassen sich Wurzeln dehnen? Bei mir sehr weit und sehr lange, aber es wuchs stetig der Druck, dieses Bedürfnis, doch endlich anzukommen. Irgendwo, wo die Welt in Ordnung ist. Ich suchte weltweit und fand sie dort, wo meine Flucht begonnen hatte. Ich wage an eine Heimkehr zu denken. Es ist der Zeitpunkt in meinem Leben, nicht mehr länger vor dem wegzurennen, was ich nicht verlassen kann. Es ist Zeit, wieder nach Hause zu kommen.

Florian Burkhardt war bis zu einer schweren Erkrankung erfolgreicher Sportler, Model und Internetpionier. Ende April erscheint sein autobiografisches Buch «Das Kind meiner Mutter» im Wörterseh-Verlag.

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Vor Gericht Käse oder Fleischkäse Sokrátis* scheint nicht die hellste Kerze auf der Torte zu sein. Da liess er sich eine geschlagene Stunde mit dem Taxi durch Zürich und Agglo chauffieren, so dass der Fahrer auch genügend Zeit hatte, sich sein Aussehen zu merken. Bis Sokrátis, inzwischen in Schlieren angekommen, dem Chauffeur Pfefferspray vor die Augen hielt. «Das ist ein Überfall, her mit der Geldbörse», sagte er. Worauf ihm der Taxifahrer widerstandslos – er hatte das Unheil geahnt – sein Portemonnaie mit 450 Franken plus 150 Euro überreichte. Eine halbe Stunde später wurde Sokrátis festgenommen. Es sei nicht so, dass sein Mandant nichts studiere, sagt der Pflichtverteidiger. Im Gegenteil, solche Ideen kämen von zu viel Nachdenken. Wenn einer, der dafür viel zu intelligent sei, tagaus tagein bei einer Grossbäckerei Sandwichs belege und die einzige Abwechslung zwischen Käse und Fleischkäse bestehe, dann … «Also mir, meine Damen und Herren, würde das auch aushängen.» Herr Sokrátis sei nicht dumm, nur unreif für sein Alter. Mit 24 Jahren habe er den Ernst des Schweizer Lebens noch nicht erfasst. Sokrátis wuchs in Deutschland auf und kam vor vier Jahren in die Schweiz zu seinem Onkel, der ihn zwar in seinem Imbisslokal anstellte, aber faktisch als Leibeigenen behandelte, weswegen Sokrátis seiner Wege ging. Aber wo er auch hinging, es klappte nicht mit der Pünktlichkeit oder überhaupt mit dem Aufstehen. Mit dem Alkohol kamen auch die Schnapsideen. Als Jugendlicher hatte er schon mal Autos im Ruhrgebiet ausgeraubt. 14 oder 15 sei er damals gewesen, so genau

wisse er das nicht mehr. Aber seither habe er sich nichts Gröberes mehr zuschulden kommen lassen. Was ihm Trost in der Tristesse bot, war die Liebe. Aber als er in den Tagen vor dem Überfall von seiner Freundin verlassen wurde und sein ganzes Erspartes in Clubs verprasst hatte, da sei ihm spontan diese dumme Idee mit dem Pfefferspray gekommen, das er eigentlich zu seiner eigenen Verteidigung im Ausgang bei sich gehabt habe. Zunächst machte er noch weis, «aus Versehen auf den Auslöser des Pfeffersprays» geraten zu sein, doch schliesslich gibt er zu, draufgedrückt zu haben, «aber nur kurz». Mehr als rote Augen hat der ältere Taxifahrer nicht davongetragen. «Herr Sokrátis ist kein Krimineller», stellt sein Verteidiger klar, «nur ein Kindskopf.» Sokrátis sieht nur äusserlich aus wie ein Mann mit seinen schwarzen Locken und der athletischen Figur. Sonst aber denkt und fühlt er wie ein unreifes Bürschchen und nimmt jetzt mit der gleichen Nonchalance, mit der er seine Arbeitszeiten festlegt, auch sein Urteil entgegen. Wegen Raubes bekommt er 18 Monate mit Bewährung auf vier Jahre, wie von der Staatsanwaltschaft gefordert. «Taxifahrer sind doch kein Freiwild!», hämmert ihm der Richter ein. Mit der Rückzahlung des geraubten Geldes an den Taxifahrer hat Sokrátis bereits angefangen, zudem verurteilt ihn das Gericht noch zur Zahlung einer Genugtuung von 500 Franken wegen des nächtlichen Überfalls. So muss Sokrátis noch viele Brötchen belegen. * persönliche Angaben geändert Isabella Seemann ist freie Journalistin in Zürich und porträtiert monatlich die kleinen und grossen Fische, die es in die Gerichtssäle geschwemmt hat.

Priska Wenger ist Illustratorin in Biel und New York. SURPRISE 398/17


ILLUSTRATION: WOMM

Basteln für eine bessere Welt Spielen, bis Godot kommt Die letzten bunten Eier sind gegessen, die Hasen für den Rest des Jahres zurück in die Malschule geschickt. Was bleibt, sind Eierkartons. Und wer nicht gerade seinen Schlagzeugproberaum damit auspolstert, wird die lustigen Pappgeräte dem Altpapier zuführen. Wir haben einen besseren Vorschlag: Basteln Sie sich eines der ältesten Taktikspiele der Welt: Kalaha. Es verkürzt das Warten auf bessere Zeiten.

Sie brauchen:

1. Stellen Sie den Eierkarton quer zwischen den beiden Spielenden auf.

1 Eierkarton mit 12 Mulden

2. Legen Sie je sechs Kugeln in jede der zwölf Mulden.

72 kleine Steine, Murmeln, Muscheln, Perlen, Ostereierfolienkügelchen

3. Stellen Sie nun Ihr Schälchen, Kalaha genannt, ans rechte schmale Ende

2 Schälchen oder Becher

des Kartons und fordern Sie Ihren Mitspieler auf, dasselbe zu tun.

1 Mitspielenden

4. Spielen Sie los.

Und so geht’s: Gewinner ist, wer bei Spielende die meisten Kugeln in seinem Schälchen hat. Wer am Zug ist, leert eine seiner Mulden und verteilt die Kugeln, jeweils eine, reihum gegen den Uhrzeigersinn in die nachfolgenden Mulden. Dabei wird auch das eigene Schälchen gefüllt. Das gegnerische Schälchen wird ausgelassen. Fällt die letzte Kugel ins eigene Schälchen, ist der Spieler nochmals am Zug. Fällt die letzte Kugel in eine leere Mulde auf der eigenen Seite, wird diese Kugel und alle Kugeln in der Mulde gegenüber, ins eigene Schälchen gelegt und der Gegner hat den nächsten Zug. Das Spiel ist beendet, wenn alle Mulden eines Spielers leer sind. Dann wird gezählt, und wer mehr Kugeln in seinem Schälchen hat, gewinnt. SURPRISE 398/17

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Stadtrundgang

Stadtrundgang

Professionelle, interessante und berührende Führungen.

Berührt, entsetzt und erstaunt kam ich aus Markus Christens etwas anderer Führung heraus. Es war sehr schön, auch einmal die anderen Kulissen am Bahnhof wahrzunehmen und nicht nur darüber zu spekulieren. Ein grosses Lob für die lebendige, witzige Führung mit einem erfolgreichen, wortgewandten und mit grossem Wissen ausgestatteten Guide.

K. Appenzeller, Basel

#WirAlleSindSurprise Wer das Strassenmagazin kauft, tauscht mehr als Geld gegen Ware: Fast immer gibt es ein Lächeln dazu, oft werden ein paar Worte ausgetauscht – und manchmal sogar gegenseitiges Vertrauen aufgebaut. Viele Leserinnen und Leser berichten uns von ihren Begegnungen mit den Verkaufenden. Und sie schreiben der Redaktion, was sie gut gefunden haben und was weniger. Wir bedanken uns herzlich für diese Rückmeldungen – und teilen hier einige davon mit Ihnen.

L. Nägeli, SBB AG, Basel

Leserbrief

Leserbrief

Grosses Kompliment für Surprise! Lese jede Nummer mit grossem Interesse und bin froh um diese wertvollen Beiträge – ein Muss im Strauss der sonstigen Zeitungslektüren.

Vielen herzlichen Dank für diese tolle Zeitschrift. Ich kaufe sie regelmässig bei Maryan Jama Siyad an der Migros Burgfelderplatz in Basel. Maryan ist immer so freundlich und fragt mich jedes Mal, wie es mir und meiner Familie geht. Ein schöner Kontakt ist entstanden.

R. Gerber, Basel

L. Peng, Basel

Stadtrundgang

Leserbrief Kolumne, Moumouni … schaut unter die Burka

Ich möchte mich im Namen meiner ganzen Gligge vom WVC-SCHPIIL ganz herzlich für die eindrückliche Führung mit Heiko Schmitz bedanken, die uns alle sehr bewegt hat. Heiko hat uns sehr gut und kompetent durch die zwei Stunden geführt. Was wir gehört und gesehen haben, hat uns alle etwas nachdenklich gestimmt, und wir sind um eine Erfahrung reicher. J. Tröndle, Allschwil

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Frau Moumouni, Sie sind noch ziemlich jung! Wenn fremde Kulturen, sehr fremde, dauernd motzen in der neuen «Heimat», wieso kommen sie denn dann? Wegen unseres guten Geldes, des tollen, tollen Sozialamts? Auf Kosten von uns allen? Bringen sie ihre Länder in Ordnung, dann sind die lebenswert! Wir haben einst dieses wunderbare Land aufgebaut, heute werden wegen des Zulaufs immer mehr grüne Ecken wegbetoniert, provisorische Bunker anstatt Schulhäuser gebaut. Ich kaufe Surprise nur noch zum Brot meines langjährigen Schweizer Verkäufers, blättere lose darin, obwohl Ihr durchaus lesenswerte Artikel habt. Aber die dauernde einseitige Hackerei gegen die «rechte» Politseite, schon etwas pubertär. Es ist eine Sache der Lebensreife, zwei Seiten der Medaille anzuschauen. Sie, Frau M., sind ja noch lernfähig (hoffe ich doch). Im Tram und Bus wechsle ich den Platz, wenn derart verhüllte Naturen kommen. Ich habe Angst, es ist unheimlich. Für die Plakate der SVP hege ich auch nicht immer Sympathie. Anonym, Zürich Anm. der Red.: Normalerweise drucken wir keine anonymen Einsendungen ab. Hier haben wir uns ausnahmsweise dafür entschieden, um dem Vorwurf der Einseitigkeit umgehend entgegenzuwirken.

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 oder vereinsurprise.ch/spenden-surprise Schreiben auch Sie uns – oder schicken Sie uns Bilder von Ihren Begegnungen mit Surprise! leserbriefe@vereinsurprise.ch oder Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, 4051 Basel SURPRISE 398/17


BILD: WIKICOMMONS/UREK MENIASHVILI

Challenge League Zwei Tränen

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Auch der literarische Khusraw aus dem persischen Liebesepos «Khusraw und Schirin» muss zunächst alleine Feste feiern, bis er schliesslich seiner Geliebten würdig ist: Miniatur aus dem 16. Jahrhundert.

Mal bei ihrer Familie vorsprach, fragte die Mutter nach meinem Beruf. «Was? Journalist und Dolmetscher?», reagierte sie überrascht. Die Familie war sehr reich, ganz im Gegensatz zu mir. Zunächst war das für meine Liebste kein Problem, aber mit der Zeit wurde sie immer zurückhaltender. Ich habe viele Nächte durchwacht und über die Liebe nachgedacht. Auch habe ich viele Gedichte, literarische und religiöse Texte und einiges an Philosophie in verschiedenen Sprachen über die Liebe gelesen, um sie zu verstehen. Aber auch dieses Jahr am 21. März, an Newroz, hatte ich wieder meinen Tag. Konnte

weder richtig denken noch schlafen, sondern versank tief in meinen Erinnerungen. Wie immer flossen zwei Tränen aus meinen Augen. Eine für die erste Liebe. Und eine für mich. Der kurdische Journalist Khusraw Mostafanejad, 31, floh aus dem Iran und lebt heute in der Schweiz. Seinen Rucksack mit Erinnerungen trägt er immer bei sich.

BILD: FLURIN BERTSCHINGER

Ich habe diesen einen Tag, an dem ich traurig werde und mein Herz blutet. Der Tag weckt die Erinnerung an meine erste Liebe, und ich fühle mich dann ganz alleine auf dieser Welt mit ihren Milliarden Menschen. Jede Musik, alle Melodien und Instrumente klingen falsch und unausstehlich und all die Texte und Gedichte über die Liebe wie die Ausreden von Verlierern. Als ich 18 war, floh ich aus Iran in das nordirakische Kurdistan. Das war 2004, ein Jahr nach dem Sturz Saddam Husseins durch die Amerikaner. Alles lag am Boden, und die irakischen Kurden hatten gerade begonnen, auf den Ruinen ihre Häuser wieder aufzubauen. Ich fand bald einen Job bei einer Zeitschrift, und etwas später bekam ich an der Universität Sulaimaniya unerwartet einen Studienplatz für Informatik. Vor der Fakultät gab es einen kleinen Garten, der «Quelle der Liebenden» genannt wird. Da sassen wir oft und genossen die Sonne. Am 21. März 2005 – ich erinnere mich genau, denn es war Newroz, kurdisch-persisches Neujahrsfest, und mein Geburtstag – sass ich mit meinem Freund Rizgar auf einer Bank. Wir assen Torte, und gegenüber sassen zwei elegante Frauen. Mit einer von ihnen tauschte ich seit Längerem bedeutungsvolle Blicke aus. Sie studierte an derselben Fakultät. Mit ihrem zum Pferdeschwanz zusammengebundenen Haar, ihrem violetten Hemd, dem wallenden Kleid und den hochhackigen Schuhen war sie für mich der schönste Engel. Ich versuche mich immer noch zu erinnern, wie und warum wir ins Gespräch kamen. Ich sprach mit ihr einfach über alles, wie ein dummer Mann, und sie liess sich schmunzelnd und mit Koketterie darauf ein. Aphrodite hätte von ihr lernen können. Nach einiger Zeit – es fühlte sich wie Stunden an – merkte ich, dass mein Freund und ihre Freundin uns interessiert zuschauten. Rizgar sagte: «Du bist heute sympathischer als je zuvor.» Ich hingegen merkte, dass mein Herz verrückt geworden war. Am Abend zuhause fühlte ich mich so leicht, als könnte ich mit einem kleinen Sprung abheben. Mein Herz schlug schneller, ich war wärmer und frisch. Das Gefühl der Leichtigkeit, des Glücks, des Hoffens und Wollens liess alles aus meinem Herz in die anderen Organe fliessen. Es war keine Neugeburt, wie viele Literaten dieses Gefühl bezeichneten, sondern der Höhepunkt meines Lebens. Höher als da, wo, wie sie sagen, Gott stehen sollte. Und noch höher als Eros, der Gott der begehrlichen Liebe. Die kurdische Gesellschaft ist zwar patriarchalisch geprägt, aber bei der Heirat hat oft die Mutter das letzte Wort. Zumindest bei den Töchtern. Als ich, wie bei uns üblich, zum ersten

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Porträt Mit Luxusseife Leben retten Dorothée Schiesser sammelt mit ihrem Unternehmen gebrauchte Seifen aus Edelhotels und recycelt sie für Hilfswerke in Europa und Afrika. Ihre Idee ist einfach und wirksam: Wer Seife verwendet, verringert das Risiko von Infektionskrankheiten. VON MARA WIRTHLIN (TEXT) UND TJEFA WEGENER (BILD)

Aus diesem Grund erscheint es Schiesser auch nicht verwerflich, den Ärmsten ausgerechnet mit den Resten der luxusverwöhnten Reichen zu helfen: «So funktioniert unsere Welt», sagt sie, «auf der einen Seite wächst der Reichtum. Leute wollen immer mehr Luxus und Komfort. Und dann die Armut und prekären Verhältnisse auf der anderen Seite.» Im Gegenteil, die beiden Extreme zu verbinden, schafft aus ihrer Sicht eine Win-win-Situation: «Die Hotels können ihren ökologischen Fussabdruck ein bisschen verringern. Und Menschen, die darauf angewiesen sind, kommen zu mehr Hygiene.» Laut Unicef sterben jährlich 1,5 Millionen Kinder an Krankheiten, die durch regelmässiges Händewaschen mit Seife hätten vermieden werden können. Natürlich reiche das Verteilen von Seife nicht aus, sagt Dorothée Schiesser. «Das Wissen um die Wichtigkeit des Händewaschens ist zentral.» Deshalb ist es von Bedeutung, dass die Partner die Seifenspenden in ihre sonstige Projektarbeit integrieren. Manchmal begeistert Schiesser andere Leute so mit ihrer Idee, dass diese ihr gleich auch die Seifenreste von zuhause spenden wollen. Für Sapocycle leider unnütz: «Das Recycling funktioniert erst ab fünf Kilo derselben Seifensorte, daher können wir mit Einzelspenden nichts anfangen», so Schiesser. Dass sie mit Sapocycle nicht die Welt retten kann, ist ihr bewusst. «Manchmal, vor allem wenn ich in meiner Herkunftsstadt Paris bin, bin ich ernüchtert von all der Armut», sagt sie. «Dann kommt mir mein Engagement nahezu lächerlich vor. Ich denke dann: Man müsste mehr machen, den Menschen direkter helfen», sagt sie nüchtern. Soziales Engagement war für die heute 56-Jährige schon früh ein Thema: Als Studentin in Paris unterstützte sie ehrenamtlich Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen. Zudem war sie damals politisch aktiv, wenn auch nicht in einer Partei: «Es war eine spannende Zeit, wir waren fest davon überzeugt, dass Francois Mitterrand einen funktio-

Dorothée Schiesser stellt sich in selbstbewusster Pose vor die Kamera. Die Hände seitlich abgestützt, der Oberkörper gerade. Offen, sicher, souverän. Und so spricht die gebürtige Französin auch. Über ihre Vergangenheit und ihre Arbeit an der Schnittstelle zwischen Luxus und Armut. Dorothée Schiesser ist die Frau von Rudolph Schiesser, des ehemaligen Direktors des Hotel Les Trois Rois in Basel. An seiner Seite reiste sie um die Welt. Doch die Hotellerie interessierte sie nicht, stattdessen arbeitete die studierte Politikwissenschaftlerin viele Jahre im Marketing, als Journalistin und in der Administration. Davon profitiert sie nun in ihrem Projekt Sapocycle, das seit über einem Jahr benutzte Seifen aus Luxushotels wiederverwertet. Geistig Behinderte der Basler Stiftung Wohnwerk verarbeiten die weggeworfenen Reste, die neu entstandenen Seifen werden an Hilfsprojekte in Europa und Afrika verteilt. Auf die Idee kam sie über die Arbeit ihres Mannes: «Hotels haben ein Nachhaltigkeitsproblem, denn es muss alles immer zur Genüge da sein», sagt Schiesser. «Die Seifen zum Beispiel werden von den Gästen ein bis zwei Mal gebraucht und vom Personal täglich entsorgt und ausgewechselt.» Die Abfallverbrennung von Seifen verursacht gefährliche Dämpfe und belastet das Klima. Muss nicht sein, dachte sich Schiesser. Und informierte sich darüber, welche Schritte zur chemischen Reinigung und Wiederverwertung von Seifen nötig sind. «Ich hatte keine Ahnung von diesem Bereich», sagt sie – eine willkommene Herausforderung. Bei den Hotels traf sie einen Nerv: «Viele sind sich der Nachhaltigkeitsproblematik ihrer Branche bewusst und würden im Grunde gerne etwas dagegen tun», sagt sie. «Mit Sapocycle ist dies ohne grossen Aufwand möglich.» Der grösste Abnehmer der Organisation ist das Schweizerische Rote Kreuz, das die Recycling-Seifen an seine Projekte in Osteuropa weitergibt. Auch kleine Vereine in Rumänien und Griechenland gehören zu ihren «Manchmal, vor allem wenn ich in meiner Herkunftsstadt Paris Partnern, sowie ein Projekt in Kamerun. Den bin, bin ich ernüchtert von all der Armut. Dann kommt mir mein Einwand, ob es nicht ökologischer wäre, ein Engagement nahezu lächerlich vor.» ähnliches Projekt vor Ort aufzubauen und lokale Arbeitsplätze zu schaffen, anstatt die Seifen um die halbe Welt zu schiffen, lässt Schiesser nicht gelten. «Mein nierenden Sozialismus einführen würde. Es gab viele Demonstrationen primäres Ziel ist es, die hier in der Schweiz weggeworfene Seife zu verund feurige Diskussionen unter Studierenden.» Wenn sie sich an die werten und damit hier Arbeitsplätze für Behinderte zu schaffen», sagt Euphorie von damals erinnert, glänzen ihre Augen. Allerdings würde sie. Lokale Initiativen wie die Schweizer Tafel und Tischlein Deck Dich sie sich heute nicht mehr als überzeugte Sozialistin bezeichnen. «Ich zählten zur Hauptzielgruppe ihrer Organisation. verorte mich immer noch irgendwo Mitte-Links. Aber hier in der Aber sie hängt nun mal an Kamerun, wo sie in den Achtzigerjahren Schweiz diskutiere ich eher selten über Politik», sagt sie. Schiesser mit ihrem Mann lebte. «Es wäre schön, in Zusammenhang mit dem Seifürchtet, sie könnte andere mit ihrem Temperament vor den Kopf stosfen-Projekt einmal zurückgehen zu können», sagt Schiesser. Sie empsen: «In Frankreich schreit man sich in politischen Diskussionen auch fand ihre Zeit dort als vorwiegend positiv: «Viele Europäer sehen nur die mal an und bleibt trotzdem gute Freunde», das sei hier doch deutlich Armut Afrikas und stellen die Menschen dort als Opfer dar», sagt sie. anders. «Aber wir lernten eine wunderbare Kultur kennen und hatten eine tolle Also konzentriert Schiesser sich lieber auf ihr soziales Engagement. Zeit.» Eine wichtige Lektion, welche sie in ihr jetziges Engagement einWie wichtig ihr das ist, hat sie auch ihren Kindern vermittelt. «Beide hafliessen lässt: «Die Menschen sind nicht primär Opfer, sondern können ben ebenfalls eine grosse soziale Ader», sagt sie stolz. «Ich glaube immer ihr Leben selber in die Hand nehmen!» noch, dass der Mensch das Wichtigste ist. Nicht Geld oder Kapital.» ■ SURPRISE 398/17

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Marcos Luna: «Die Tätowierungen bedeuten mein Leben mit den Gentlemen, meinen Kumpels. Bringt eine Menge Tod, Traurigkeit, Hass und Zerstörung mit sich … krank. Einfach ausser Kontrolle. Aber was du da siehst, ist kein Wilder, sondern eine Person, die eine Menge durchgemacht hat, sein eigenes Meisterwerk durchlebt hat. Ich bezeichne es als Buch. Die Tätowierungen da sind mein Buch.»

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Aussteiger Bilder der Unschuld Fotograf Steven Burton verbrachte mehr als 400 Stunden damit, Tätowierungen von ehemaligen Bandenmitgliedern auf Fotos zu entfernen. Über seine Serie «Skin Deep: Looking Beyond Tattoos» ermöglichte der Künstler den Porträtierten einen kleinen Moment der Befreiung von ihrer Vergangenheit.

INTERVIEW VON JIM DOWNEY

Die Fotoserie «Skin Deep: Looking Beyond Tattoos» des britischen Fotografen Steven Burton erzählt von der Wirkung, die Tätowierungen auf Ex-Gangmitglieder in den USA haben. Mithilfe von retouchierten Fotografien möchte Burton diesen Menschen, die wegen ihres Aussehens von der Gesellschaft geächtet und gefürchtet werden, ihr humanes Antlitz zurückgeben. Die meisten der Porträtierten haben sich seit Jahrzehnten nicht mehr ohne Tätowierungen gesehen. Viele sind zudem bemüht, sie entfernen zu lassen, in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Fotograf Burton will eine breite Öffentlichkeit dazu motivieren, hinter die Fassade aus Tinte zu schauen und die Ex-Gangmitglieder samt ihren persönlichen Geschichten und losgelöst von ihrer äusseren Erscheinung zu sehen. Als die, die sie heute sind. Steven Burton, wie kamen Sie darauf, die Tattoos von Ex-Gangmitgliedern wegzuretouchieren? Ein Freund von mir zeigte mir die Dokumentation «G-Dog». Darin geht es um Pfarrer Greg Boyle, der die Nichtregierungsorganisation Homeboy Industries gegründet hat und leitet. Ich war bewegt von den Homeboys und -girls, so nennen sich die ehemaligen Gangmitglieder. Und ich war inspiriert von Pfarrer Greg, der sich bemühte, das Leben der Aussteiger allen Widrigkeiten zum Trotz zu ändern. Ich wollte etwas dazu beitragen. Und das Entfernen der Tattoos ist ein wichtiger Teil beim Austritt aus einer Gang. Wie viele Personen haben Sie für dieses Projekt fotografiert? 27. Als ich auf die Idee mit dem Retouchieren kam, ging ich nach Hause und testete sie an Bildern von tätowierten Gangmitgliedern aus dem Internet. Ich wandelte die entstandenen Vorher- und Nachher-Porträts in GIFF-Bilder um, auf denen die Tattoos einmal sichtbar und einmal unsichtbar waren. Das lud ich auf mein Handy und rannte damit zu Homeboy Industries. Fabian Debora, als Drogenberater und Künstler bei Homeboy tätig, war begeistert. Dann überzeugte ich vier Homeboys davon, sie fotografieren zu dürfen. Nach einer Woche kam ich zurück, um ihnen die Bilder zu zeigen und sie zu interviewen. Ich wusste nicht, wie sie reagieren würden. SURPRISE 398/17

Was haben sie gesagt? Marcos Luna war der erste Befragte. «Ich bin so wie du, eh?», sagte er. «Ein Mensch.» Seine Reaktion machte mir bewusst, wie stark die Wirkung war. Es machte die Runde, dass ich digital Tattoos entfernte, aber es brauchte Zeit, bis ich die richtigen Personen fand. Welche Herausforderungen gab es beim Fotografieren? Die Herausforderung lag darin, die richtigen Personen zu finden und sie davon zu überzeugen, dass ich ihnen nichts Böses wollte. Es war das erste Mal, dass ich Interviews führte, und mein nordenglischer Akzent machte es nicht leichter. Später, nachdem ich viel Zeit damit verbracht hatte, die Porträts am Computer nachzubearbeiten, war es sehr schwierig, die Personen wieder ausfindig zu machen, die ich fotografiert hatte. Die meisten hatten ihre Telefonnummern geändert, was sie oft machen, manche waren verschwunden oder wieder zurück in der Gang und oder auf Drogen. Ich sass viele Stunden in meinem Auto vor Homeboy Industries oder im Homeboy Café in der Hoffnung, dass ich ein bekanntes Gesicht wiedersehe. ■ Übersetzt aus dem Englischen von Claudia Flanner.

Homeboy Industries Die in Los Angeles ansässige Nichtregierungsorganisation Homeboy Industries hilft ehemaligen Gangmitgliedern und Ex-Häftlingen bei der Reintegration in die Gesellschaft. Jedes Jahr suchen über 10 000 Menschen die Hilfe von HI. Die Organisation bietet umfassende Beratung, von Erziehungstipps und Rechtsberatung über kostenlose TattooEntfernung bis zu Kursen in Aggressionsbewältigung, sowie ein 18monatiges Jobtraining für derzeit 200 Personen.

Mit freundlicher Genehmigung von The Curbside Chronicle / INSP.ngo

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Dennis Zamran: «Mein Vater hatte nichts mit Gangs zu tun, aber er war mit den mexikanischen Kartellen verstrickt. Er hat Drogen verkauft und gekokst. Aber wenn er da war, war er der beste Vater. Er kaufte uns, was immer wir wollten und schlug uns nie. Aber er war immer im Gefängnis. Die ganze Zeit. Er wurde wegen eines Mädchens umgebracht. Sie haben ihm in den Kopf geschossen, ihn in einen Müllbeutel gesteckt, dann in einen Schlafsack und ihn dann irgendwo in der heissen Wüste gelassen. Als man ihn schliesslich fand, war er zu verwest, um eine Bestattungszeremonie für ihn abzuhalten. Es ist verrückt: Ich dachte immer, dass mein Vater unsterblich sei. Ich dachte, er könnte 20 Mal erschossen werden und würde trotzdem nie sterben. Aber ich kann nicht verstehen, warum man sich nicht ändern kann. Mein Vater hasste Tattoos. Er hasste sie mit Leidenschaft. Wenn er mich jetzt sehen könnte, wäre er sicher verletzt, verärgert. Aber er ist ja tot. Wenn ich im Bus sitze, möchte sich niemand neben mich setzen. Sie stehen lieber, als dass sie sich neben mich setzen. Das Bild ohne Tattoos gibt mir das Gefühl, ein gewöhnlicher Zuschauer zu sein, ein normaler Mensch. Das andere erinnert mich an die ganze Scheisse, die ich erlebt habe. Der Typ ohne Tattoos ist ein Spiesser, eine durchschnittliche Person. Wahrscheinlich einer, der fleissig arbeitet. Und der andere … Ich weiss nicht. Ich bedaure diesen Mist. Ich bedaure die Tätowierungen, ich bedaure alles. Ich habe mich verändert. Ich versuche jetzt, jemand zu sein.» SURPRISE 398/17

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Erin Echavarria: «Heute bin ich weder im Gefängnis aufgewacht, noch in einem Sarg. Jeder Tag birgt Versprechen: Einfach frische Luft atmen. Wenn man rausgeht und sich wirklich umsieht, ist das Leben schön. Ich sage immer, dass ich versuche, mich zu ändern. Und dann hänge ich wieder mit meinen Homeboys rum. Trinke ein Bier, quatsche ein bisschen und geh wieder. Aber wer weiss? Eines Tages stehe ich da und quatsche, wenn die Bullen eine Razzia machen, und ich komme ins Gefängnis wegen Mitgliedschaft in einer Gang. Oder einer fährt vorbei und knallt uns ab. Alles ist möglich. Ich habe Schwierigkeiten, dieses Leben komplett aufzugeben. Es ist schwierig, echt schwierig.»

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Calvin Hastings: ÂŤNach all dem, was ich durchgemacht habe: Wenn ich das Foto von mir ohne die Tattoos anschaue, sehe ich den Anfang meines Lebens vor mir.Âť (Anm. d. Red.: Calvin Hastings ist inzwischen verstorben.) SURPRISE 398/17

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Mario Lundes: «Auf meinen Augenlidern steht ‹The End›, das Ende. Der Tod macht mir Angst, ich habe der Gemeinschaft noch etwas zu geben, ich möchte helfen und meine Kinder aufwachsen sehen. Ich möchte meine Enkel sehen. Ich hoffe, ich lebe noch sehr lang. Homeboy Industries hat mich sehr verändert. Jedes Mal, wenn ich die Türen durchschreite, lasse ich zuerst Gott eintreten und folge ihm dann, überlasse ihm die Führung. Aber draussen im Alltag ist es wirklich schwierig. Die Menschen auf der Strasse starren mich oft an. Ich bin ein guter Mensch, ich habe ein gutes Herz. Leute, die mich nicht kennen, denken womöglich, dass ich Drogen rauche, eine Waffe trage oder gewalttätig bin, aber ich bin nicht mehr so. Ich habe all das hinter mir gelassen.»

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David Williams: «Ich liebe es, meinen Jungen zu sehen. Er ist fünf Jahre alt. Ich liebe ihn über alles und würde alles für ihn tun. Er flippt jetzt bereits über meine Tattoos aus. Er fragt mich, warum ich Hörner habe. Ich weiss nicht, was ich ihm sagen soll. Manchmal denke ich mir, wenn ich nicht da wäre, würde er nicht so wie ich. Er würde niemals so sein wie ich, weil er mich nicht so sehen würde. Und dann wiederum denke ich, ein Kind braucht seinen Vater. Mein Vater hatte überall Tattoos, er sah gross und böse aus. Ich sah ihn mit Waffen und anderen Dingen herumrennen. Ich hatte das Gefühl, ich müsste so sein wie er, weil er mein Vater ist. Er wollte nicht, dass ich so aussehe, aber er nahm immer Drogen, also konnte er mich nicht davon abhalten.»

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Sie nennen sich Effektive Altruisten und glauben zu wissen, wie man richtig hilft. Dabei folgt die Bewegung einer streng rationalen Logik. Und fordert mehr wissenschaftliche Basis für unser Spendenverhalten.

Altruismus Die Logik des Helfens

VON SIMON JÄGGI (TEXT)

Blindheit heilen. So rechnen es Effektive Altruisten weltweit vor. Nur Hilfe, die etwas bewirkt, ist auch gute Hilfe, lautet ihre Botschaft. Eine Sichtweise, die auf den ersten Blick einleuchtet. Die jedoch Fragen aufwirft, welche auch die Anhänger der Bewegung nicht so leicht beantworten können. Zuerst einen Blick zurück. Als einer der Ideengeber der Effektiven Altruisten gilt der australische Philosophieprofessor Peter Singer. Er stellte in den Neunzigerjahren die Frage, nach welchen Grundsätzen

Halb drei Uhr morgens in Zürich Unterstrass. Stefan Huber sitzt an seinem Computer und arbeitet. Das geht bei ihm so: Karten nehmen, blind setzen, mitgehen, erhöhen. Und im besten Fall alles gewinnen. Der 30-Jährige ist einer von wenigen professionellen Pokerspielern in der Schweiz. In langen Nächten, die am frühen Abend beginnen und bis zum nächsten Morgen dauern, spielt er bis zu sechs Turniere gleichzeitig. Mit am virtuellen Tisch sitzen Tausende, vor ihren Bildschirmen verteilt rund um den «Ein Arzt rettet durch seine Tätigkeit insgesamt durchschnittlich Globus. Das Ziel von Huber ist dasselbe wie das seiner Gegenspieler. Er will gewinnen. Die 20 Menschenleben. Den gleichen Effekt erreicht man mit einer Preissumme beträgt an manchen Turnieren Spende von 100 000 Franken an die richtige Organisation.» mehr als 100 000 Franken. In einer entscheidenden Sache jedoch unterscheidet sich Stefan Huber von vermutlich allen anderen Mitspielern. Huber spielt nicht nur wir eigentlich helfen. Widerhall fand er damit unter anderem an der für sich. Er spielt auch, um zu helfen. Von seinem Gewinn spendet er Oxford University, wo Studierende nach der Jahrtausendwende die Beim Schnitt rund 20 Prozent. «Nur für mich selber zu pokern» sagt er, wegung des Effektiven Altruismus gründeten. Weitere Zentren entstan«darin würde ich auf Dauer zu wenig Sinn sehen.» Zu Beginn seiner Karden bald darauf in San Francisco, Australien und in Basel, wo der riere behielt er seine gesamten Gewinne noch für sich. Bis er vor vier Student Jonas Vollmer vor fünf Jahren die Stiftung für Effektiven AlJahren auf jene Bewegung stiess, die sein Denken grundlegend veräntruismus gründete. derte: den Effektiven Altruismus. Jenen helfen, die es am dringendsten brauchen – so lautet etwas verViel verdienen heisst viel spenden kürzt das Ziel der noch jungen Bewegung. Eine Herzensangelegenheit, Eigentlich wollte Vollmer Arzt werden. Stattdessen beendete er sein könnte man meinen. Die Logik der Effektiven Altruisten ist jedoch Medizinstudium vorzeitig. Er sei überzeugt davon, dass er mit der Stifnüchtern. Methoden, Evaluation, Effizienz und Impact sind zentrale Betung mehr zu einer besseren Welt beitragen könne als im Arztkittel, sagt griffe. In dieser Logik ist die Linderung von Leid nicht schwieriger als der 26-Jährige und rechnet vor: «Laut einer englischen Untersuchung eine Rechengleichung. Mit 3340 Dollar lässt sich durch Schutz vor Marettet ein Arzt durch seine Tätigkeit durchschnittlich 20 Menschenleben, laria ein Menschenleben retten. Mit dem Geld, das ein Akademiker währespektive verschafft er seinen Patienten insgesamt etwa 600 gesunde rend seiner Laufbahn verdient, könnte man rund 80 000 Menschen von Lebensjahre. Den gleichen Effekt erreicht man mit einer Spende von

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BILD: ROLAND SCHMID

Aus Sicht der Effektiven Altruisten ist es sinnvoller, Geld für die Verteilung von Moskitonetzen zu spenden als eine Gassenküche zu unterstützen. SURPRISE 398/17

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100 000 Franken an die richtige Organisation.» Vollmers nüchterne habe das Bedürfnis, daraus etwas zu machen, das auch anderen zugutSchlussfolgerung: Wenn er dafür sorge, dass möglichst viele Menschen ekommt», sagt er zu seinem Antrieb. Auch aus ganz egoistischer Perzehn Prozent ihres Einkommens an die richtigen Organisationen spenspektive mache das Spenden für ihn Sinn. «Es gibt mir Klarheit, lässt den, könne er mehr bewegen als im Arztberuf. Und es sieht danach aus, mich weniger mit meinem Leben hadern. Und es gibt mir das sichere als könnte seine Rechnung aufgehen. Allein im letzten Jahr sammelte Wissen, dass ich, auch wenn ich einen schlechten Tag hatte, etwas Gudie Stiftung 2,2 Millionen Schweizer Franken für Hilfsprojekte. tes erreicht habe.» Wohin die Spendengelder fliessen, ist dabei für die Effektiven AltruAls Effektiver Altruist achtet Hutter genau darauf, welche Projekte er isten die entscheidende Frage. Denn Hilfsprojekte müssen aus ihrer unterstützt. Darüber, wo das Spendengeld am meisten bewirkt, diskuSicht vor allem eines sein: effektiv. «Es geht darum, mit welcher Art von tiert er mit anderen Mitgliedern der Bewegung, von denen es in London Hilfe man den grössten Impact haben kann», sagt Vollmer. Und erklärt einige gibt. Allein in seinem Unternehmen arbeiten gut zehn weitere Efauch gleich, was er unter Altruismus versteht. «Kurz und knapp: anderen Personen helfen.» «Spenden lässt mich weniger mit meinem Leben hadern. Und es Welche Hilfe als effektiv gilt, bestimmt gibt mir das sichere Wissen, dass ich, auch wenn ich einen massgeblich die amerikanische Stiftung Givewell. Vor rund zehn Jahren von einer Gruppe schlechten Tag hatte, etwas Gutes erreicht habe.» von Finanzanalysten gegründet, erforscht sie, welche Stiftungen pro Spendendollar am meisten Leben retten oder die Lebensqualität deutlich verbessern, und erfektive Altruisten. Oder er orientiert sich an den Empfehlungen von Gistellt ausgehend davon eine jährlich aktualisierte Liste mit knapp zehn vewell. So fliesst ein grosser Teil seines Geldes an Stiftungen wie die Organisationen. Die meisten setzen sich gegen Malaria ein, für EntwurAgainst Malaria Foundation und die Deworm the World Initiative. Beide mungsprogramme oder ermöglichen Direktspenden an ArmutsbetroffeOrganisationen engagieren sich mit Moskitonetzverteilung und Entwurne im südlichen Afrika. mungskampagnen ganz konkret für die Eindämmung lebensbedrohEin Hilfswerk, das gegen Malaria vorgeht, gilt beispielswese deshalb licher Krankheiten. als effektiv, weil Malarianetze wenig kosten und damit relativ einfach viele Menschenleben gerettet werden können. Geld für Blindenhunde Kein Geld für die Suppenküche zu spenden hingegen gilt unter Altruisten als wenig effizient. BlindenNebst Zustimmung und Interesse stossen die Effektiven Altruisten hunde sind teuer und retten nur selten Leben. auch immer wieder auf Kritik. Vor einigen Jahren sorgte besonders ein Weil effektives Helfen eine komplizierte Sache ist, sammelt Jonas Beitrag im renommierten Stanford Social Innovation Review für Wirbel, Vollmer mit seiner Stiftung nicht nur Geld. Er und seine neun Mitarbeials zwei bekannte Experten im Bereich der Entwicklungszusammentenden bieten auch Spendenberatung an und zeigen, wie aus ihrer Sicht arbeit die Bewegung attackierten. Sie bezichtigten die Effektiven AltruEinzelpersonen am meisten zu einer Welt mit weniger Leid beitragen isten einer eiskalten Logik, die wahren Altruismus zerstöre. Dazu zikönnen. Rationales Spenden ist dabei nur ein Ansatz. Direkte Mitarbeit tierten die Autoren unter anderem Eric Friedmann, einen der Vordenker in einem effektiven Projekt gilt ebenfalls als wirksames Engagement, der Bewegung, der implizit davon abrät, nach einem Tsunami oder anebenso Forschung im Bereich der Armutsbekämpfung oder ein Engagederen Naturkatastrophen Geld zu spenden, weil die meisten der Opfer ment in der Politik. damit nicht gerettet werden können. Die Autoren kritisierten, die Bewegung würde Menschenleben gegeneinander abwägen, in richtige Mindestens zehn Prozent des Einkommens und schlechte Hilfe unterteilen und so die Wirkung all jener Hilfe disDie Tätigkeitsbereiche der Stiftung sind so vielfältig, dass sie sich kreditieren, die nicht in das begrenzte Schema der Effektiven Altruisten nicht so leicht fassen lassen. Im Kern, sagt Jonas Vollmer, gehe es aber passe. immer um dasselbe: «Wir wollen helfen, das Leben für möglichst viele Die zentrale Kritik dreht sich immer um dieselben Punkte: zu ratioMenschen besser zu gestalten.» Mit ihrer Botschaft stossen die Effektinal, zu berechnend, zu herzlos. Wenn alle nur noch an ein paar wenige ven Altruisten im deutschsprachigen Raum auf grosses Interesse. In Stiftungen spenden, die sich für die Weltärmsten einsetzen, so eine über einem Dutzend Städten von Bern bis Hamburg sind Regionalgrupwiederkehrende Frage, was passiert dann mit den anderen, die keine pen entstanden. Im vergangenen Jahr hat die Stiftung zudem ihren Unterstützung mehr erhalten, Strassenkindern, Behinderten und ObHauptstandort von Basel nach Berlin verlegt, um die Bewegung in dachlosen? Auch für Jonas Vollmer ist klar: Einer Suppenküche oder eiDeutschland weiter aufzubauen. nem Waisenhaus in der Schweiz würde er kein Geld spenden. Wenn das Für besonders viel Aufmerksamkeit sorgen die Effektiven Altruisten jemand anders tue, verurteile er dies jedoch nicht. «Diese Stiftungen ermit ihrer Empfehlung zum sogenannten professionellen Spenden. Als füllen in unserer Gesellschaft eine zentrale Funktion und sind deshalb professioneller Spender gilt, wer mindestens zehn Prozent seines Einsinnvoll. Wir würden es aber sinnvoll finden, wenn mehr Gelder an kommens an Hilfsprojekte weitergibt. Und im besten Fall seinen Beruf hochwirksame internationale Hilfsprojekte fliessen.» danach auswählt, wo er am meisten verdient und folglich auch am Provokation sei allerdings nicht die Absicht der Stiftung. Er wünsche meisten spenden kann. Zu den professionellen Spendern gehört neben sich eine konstruktive Diskussion darüber, welche Art von Hilfe am Pokerspieler Stefan Huber, der während den letzten vier Jahren mehr als meisten Sinn ergebe. «Wir laufen nicht mit dem Rotstift rum und sagen: 100 000 Franken Gewinn für Hilfsprojekte gespendet hat, auch der Das ist gut und das nicht.» Auch der Pokerspieler Stefan Huber erinnert Schweizer Adrian Hutter. Anstelle einer akademischen Laufbahn entsich noch an die eigene Skepsis, als er das erste Mal vom Effektiven Alschied sich der promovierte Physiker vor zwei Jahren für einen Job in truismus gehört hatte. In der Zwischenzeit ist diese Philosophie zu eider Finanzbranche. Auch deshalb, weil er der Ansicht war, dass er mit nem wichtigen Antrieb seines Lebens geworden. Sein Ausstieg aus dem einem hohen Einkommen am meisten zu einer besseren Welt beitragen Pokern, über den er einmal nachgedacht hatte, sei inzwischen kein Thekönne, sagt der 30-Jährige am Telefon aus London. Seit einem Jahr arma mehr. Und auch wenn es sich für Laien nicht immer so anhöre, für beitet er in der britischen Hauptstadt als Börsenhändler und spendete ihn sei die Idee des Effektiven Altruismus einfach: Es gehe letztlich daim vergangenen Jahr 20 Prozent seines Einkommens an Hilfsprojekte. rum, wie jeder Einzelne mit den eigenen Möglichkeiten etwas zur BeWenn sein Lohn steige, sagt er, werde er auch seinen Spendenanteil weikämpfung des Elends beitragen könne. Ohne dabei selber auf ein erfüllter erhöhen. «Ich bin in einer privilegierten Situation aufgewachsen und tes Leben zu verzichten. ■

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Interview «Beim Helfen zählt nicht nur die gute Absicht» Lieber zehn Malariakranke retten als einen Obdachlosen? Stiftungsgründer Jonas Vollmer über die ethische Grundlage des Effektiven Altruismus. Herr Vollmer, ist es besser, Menschen in einem Entwicklungsland vor Malaria zu retten als einen Obdachlosen in der Schweiz vor dem Erfrieren? Wenn Sie damit meinen, dass man zehn Menschen vor dem Tod durch Malaria rettet, was einer Spende von etwa 75 000 Franken an die Against Malaria Foundation entspricht und nicht dasselbe ist, wie sie vor Malaria zu schützen: Ja, das scheint mir ethisch besser. Beim Helfen zählt nicht nur die gute Absicht, sondern auch die Wirkung, die man herbeiführt. Ich fände es toll, wenn sich mehr Leute für effektive Projekte engagieren würden. Im Idealfall würden sich alle stärker engagieren und man hätte genug Ressourcen, um alle diese Projekte umzusetzen. Welche ethischen Überlegungen liegen Ihrer Maxime zugrunde? Wenn du nicht weisst, welchen Platz du in der Welt einnehmen wirst, solltest du so handeln, dass möglichst vielen Menschen geholfen wird. Denn damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass dir geholfen wird. Kurz gesagt: So vielen Personen so viel wie möglich helfen. Die Menschen, deren Leben Sie durch gespendete Malarianetze und Entwurmungen retten, brauchen zum Beispiel Bildung und Schutz vor Gewalt, damit sie aus ihrem geretteten Leben auch etwas machen können. Trägt Ihr Messbarkeitsschema dem Rechnung? Diese Kritik blendet aus, dass die Entwicklungszusammenarbeit nur einen kleinen Beitrag zur Entwicklung leisten kann. Sie wird finanziell in den Schatten gestellt durch den globalen Handel, lokale Regierungen, private Investitionen und die Rücküberweisungen von Familienangehörigen. Entwicklungsorganisationen müssen nicht alle Probleme angehen, sondern sollten dort einen Beitrag leisten, wo sie dies am besten tun können. Der Teufelskreis der Armut kann an verschiedenen Stellen durchbrochen werden: Die Prävention ansteckender Erkrankungen reduziert Gesundheitsausgaben, Schulabsenzen, Erwerbsausfälle und langfristig auch die Geburtenrate. Oft sind es gerade die lebensrettenden medizinischen Massnahmen, die längerfristige Entwicklungen einleiten und die das Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe am besten respektieren. Das Interview wurde schriftlich geführt.

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BILD: ZVG

Moumouni … … ist eine Frau am Sein Ich wurde nicht geboren. Schon gar nicht nackt, ihr perversen Spanner! Ich fand mich selbst auf einem Stein, atméte aus, atméte ein, Lernte «ja» und lernte «nein» Und stieg hinab, um ich zu sein. Es gibt tatsächlich noch Leute, die finden, Feminismus sei unnötig und die thematisierten Probleme eine Erfindung. Das habe ich zumindest in den letzten Wochen in Kommentarspalten im Internet unter Beiträgen zu Trump, Weltfrauentag, «rape culture», Janusz KorwinMikke und political correctness gelesen. Deshalb hier meine eigene Geschichte, wie ich dazu kam, Feminismus wichtig zu finden. Diese Geschichte fängt für mich noch lange vor demütigenden und sexistischen Sprüchen und ungewollten Berührungen von männlichen Mitmenschen an. Noch bevor es Frauen in meinem Umfeld gab, die vergewaltigt worden sind, und noch bevor ich mich selbst noch so manches Mal unwohl gefühlt habe als Frau in dunklen Gassen, auf Volksfesten oder auch nur in vollen Zügen. Sie fängt bei mir damit an, dass ich schon als Kind Probleme damit hatte, Frau oder sagen wir, Mädchen zu sein. Nicht weil ich etwa das Gefühl hatte, im falschen Körper geboren worden zu sein – nein, eher weil ich nichts anfangen konnte mit dem, was Mädchen in meinem Umfeld als Mädchensein definierten: Nägel lackieren, Pferde striegeln, Angst vor Cellulite und ein gespaltenes Verhältnis zu Schokolade haben, sich auf die Suche nach einem Mann machen, der Glühbirnen schrauben und Klimmzüge machen kann, und so weiter. Ich hatte keine «Jungs sind doof»-Phase, eher eine «Mädchen sind doof»-Phase, weil ich das Getue der Mädchen um mich herum blöd fand und vor allem den Druck, auch so sein zu müssen. So spielte ich hauptsächlich mit Jungs und durfte die Ninja Turtles und Power Rangers cool finden, während die Mädchen nach und nach zu grazilen Einhörnern wurden. Jungs wurden erst nervig, als es zum Problem wurde, wenn man Dinge besser beherrschte als sie selbst. Es gab mal einen riesen Eklat in meiner Grundschule, als ich den besten Fussballspieler der Schule getunnelt und besiegt hatte. (Heute erlebe ich

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derlei Ausschreitungen nur noch selten, zum Beispiel, wenn ich jemandes Männerehre verletze, weil ich beim Grillieren besser weiss, wie man ohne Spiritus Feuer macht.) Irgendwann wurde die Schere immer grösser zwischen dem, was meine männlichen Kollegen konnten oder können sollten, und dem, was meine weiblichen Kolleginnen einfach nicht lernten: eine Flasche ohne Flaschenöffner öffnen, Joints drehen, Fahrräder flicken, einen Akkubohrer bedienen, ein Feuer machen, die Meinung sagen. Und ja, einige Frauen können all das. Aber die, die das nicht können, stechen dadurch nicht heraus. Ich bin wirklich froh, dass Schuhe binden keinem Gender zugeordnet ist, sonst könnten einige von uns vielleicht noch nicht einmal vor die Tür, ohne ihren Kumpel oder Nachbarn um Hilfe zu fragen oder sich dafür einen Freund zuzulegen. Man könnte meinen, das seien jeweils individuelle Probleme. Ich bin der Meinung, dass es ein gesellschaftliches Problem ist, dass wir Frauen immer noch zu infantilen Schönheiten heranziehen. Mädchenhaft (und wir wissen eben alle noch, was gemeint ist, wenn «mädchenhaft» gesagt wird: unsicher, naiv, mit wenig Determination, schwach, vielleicht noch grazil). Durch Rollenideale, Objektifizierung, Schubladisierung. In Frauenzeitschriften, «locker room talks», in der Werbung, in Büchern, in der Uni, am Arbeitsplatz, in Beziehungen.

Es gibt viele Gründe, Feminist_In zu sein. Beispielsweise diese Definition von Feminismus von bell hooks: «eine Bewegung, die Sexismus, sexistische Ausbeutung und Unterdrückung beenden soll». Ich wollte einfach damals schon nicht mit Einhörnern abhängen. Geschweige denn eines werden, um dem anderen Geschlecht zu gefallen. Ich will Frau sein, ohne dass das ein Nachteil für mich ist. In Fachdiskussionen, nachts alleine auf der Strasse, bei der Arbeit, in Beziehungen.

Fatima Moumouni hat keinen «Pussy Hat», weil sie Stricken doof findet. Stattdessen hat sie einen Molotov-Cocktail in der Hand und ruft «Brennt das Patriarchat nieder!»

Rahel Nicole Eisenring ist freie Illustratorin. SURPRISE 398/17


BILD: ITZIAR OKARIZ: IRRINTZI REPETITION (MUTE) 2009

Itziar Okariz ist raumgreifend – im wahrsten Sinn des Wortes.

Kunst «Jeder Mensch ist ein Buchstabe in einem unendlichen Alphabet» Die baskische Performance-Künstlerin Itziar Okariz ergründet das Verhältnis zwischen Sprache und Körper und beweist dabei Mut zur Lücke. Das Kunsthaus Baselland gibt einen Überblick über ihr bisheriges Schaffen.

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VON MONIKA BETTSCHEN

Eines wird gleich klar, wenn man Itziar Okariz, einer der international bedeutendsten Performance-Künstlerinnen, gegenübersteht: Diese Frau lebt mit jeder Faser ihres Körpers für ihre Kunst. Mehr noch: Sie ist ein Teil derselben, denn in ihren Arbeiten dreht sich alles um die Verbindung von Sprache und Körper und deren Wirkung in unterschiedlichen Umgebungen. Itziar Okariz hat eine jugendliche Ausstrahlung. Wenn sie spricht, fällt ihre raumgreifende Körperlichkeit auf, ihre Bewegungen haben fast etwas Tänzerisches. Ihre freundlichen Augen wandern aufmerksam über die Anwesenden, während sie Englisch mit spanischem Akzent spricht und ihre Ausführungen lebhaft gestikulierend unterstreicht. Die 1965 im baskischen San Sebastián geborene Künstlerin führt einen Tag vor der Vernissage ihrer ersten Einzelschau in der Schweiz Medienvertreter durch das Kunsthaus Baselland. Es ist die erste Ausstellung überhaupt, die einen Gesamtüberblick über ihr vielschichtiges Schaffen ermöglicht. Die Ausstellung umfasst Live-Performances, Video- und Soundarbeiten und wird im Anschluss nach Madrid und San Sebastián weiterziehen. Der erste Teil zeigt ältere Arbeiten, die sich mit Normierungen, Sprache und Körper befassen, der zweite beinhaltet neuere Arbeiten, in denen Okariz der Fragestellung nachgeht, wie Sprache an sich funktioniert. Itziar Okariz hat sich mit Themen wie Gender und Sprache weltweit etabliert, unter anderem mit Live-Auftritten im Guggenheim Museum Bilbao, im Museo National Centro de Arte Reina Sofía in Madrid, aber auch in den Strassen von New York, wo die Künstlerin 20 Jahre lang gelebt hat.

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Itziar Okariz, Sie beschäftigen sich seit den Neunzigerjahren mit Gender-Fragen. Und doch sei es zu einfach, Sie als feministische Künstlerin zu bezeichnen, sagen Sie. Warum? Feminismus ist ein wichtiger Bestandteil in meinen Arbeiten, greift für sich alleine aber zu kurz, um diese zu beschreiben. Ich beschäftige mich generell mit Zeichen und Ritualen, mit Sprache, Körper und Raum im Verhältnis zueinander und mit der Schnittmenge dieser Bereiche. Indem ich gegebene Abläufe und Normierungen leicht abwandle, entsteht eine andere Wahrnehmung. Können Sie dafür ein Beispiel geben? Meine Performance «To Pee in Public or Private Spaces», von der hier einige Videosequenzen zu sehen sind. Ich urinierte dafür zum Beispiel auf der Brooklyn Bridge in New York. Ich tat dies nicht, wie man erwarten würde, in der Hocke, sondern aufrechtstehend, wie dies ein Mann tun würde. Das irritiert natürlich, schärft

Baskenland, gibt es die Tradition des sogenannten Bertsolaritza, ein poetischer Gesang, der vorwiegend von Männern praktiziert wird. Es gibt verschiedene Wettbewerbe, und 2009 hat Maialen Lujanbio als erste Frau überhaupt die «World Bertso Championship in the Basque Country» gewonnen. Sie hat mir erzählt, wie erstaunt sie war, dass ihr Sieg derart zu reden gab, nur weil sie eine Frau ist – und das 2009. Geht es Ihnen eher um das Aufzeigen von gesellschaftlichen Phänomenen als darum, diese zu verurteilen? Ich möchte die Leute für abstrakte Themen wie zum Beispiel Gender oder Narzissmus sensibilisieren, indem ich einen «pop approach» wähle. Das heisst, ich rede nicht theoretisch über Systeme oder Strukturen, sondern zeige diese anschaulich mittels Sprache und Körper. Die Videoinstallation «Climbing Buildings» zeigt eine Kletterin, die in Bilbao die Fassade eines öffentlichen Gebäudes erklimmt. Etwas Ge-

«Nur schon die Tatsache, dass wir uns hier in diesem Kunsthaus befinden, sagt etwas aus: nämlich, dass wir privilegiert sind.» aber das Bewusstsein für die gegebenen Geschlechterrollen und auch für Konventionen, in welchen wir uns gegenwärtig bewegen. Es gab etwa eine Zeit, da war es Frauen ausschliesslich gestattet, im Stehen zu urinieren.

wohntes geschieht in einem ungewohnten Umfeld, was wiederum irritiert und dazu anregt, darüber nachzudenken, warum wir uns in welchem Kontext auf eine bestimmte Weise verhalten.

Ist es notwendig, gerade auch in der Kunst die Gender-Frage immer wieder aufzuwerfen? Ja, denn solange es immer noch nicht als normal angeschaut wird, wenn Frauen auf allen Ebenen vertreten sind, muss weiterhin dafür sensibilisiert werden. In meiner Heimat, dem

Verhalten ist auch Sprache. Und die Beschäftigung mit Sprache ist zentral in Ihren Werken. An Sprache fasziniert mich speziell der technische Aspekt, die Struktur und die einzelnen Bestandteile. Die Linguistik eröffnet mir eine VielSURPRISE 398/17


zahl an Möglichkeiten. Ich zerlege die Syntax und ordne die Worte eines Satzes neu. Oder ich zerlege ein Wort in seine kleinsten Einheiten, die Morphe, und stelle deren Reihenfolge um. So entsteht eine neue Bedeutung. Sie spielen nicht nur mit der Reihenfolge dieser Einheiten, sondern lassen auch schon mal eine ganz weg. Mich interessiert, was geschieht, wenn man innerhalb einer gegebenen Struktur ein Element hinzufügt oder weglässt. Das kann ein Buchstabe, ein Morph oder ein Klang sein. Ich arbeite gerne mit einem Zeichen, das ich dann verschiebe und so seine Aussage verändere. In fünf Videoprojektionen zeige ich alltägliche Dinge, die mich umgeben, zum Beispiel meine Zimmerdecke am frühen Morgen. Über den dokumentarischen Weg beginnen so die poetischen Momente des echten Lebens zu pulsieren. Ich zoome an einzelne Details heran, und darum herum entsteht eine Lücke, die der Betrachter mit seiner Vorstellungskraft füllt, die entstandene Leere also mit Bedeutung auflädt. Sprache tritt in Ihren Werken sowohl in schriftlicher als auch in gesprochener Form in Erscheinung. In Ihren Sound-Installationen vermögen einzelne Worte und Laute ganze Räume zu füllen. In meinem «Diary of Dreams» finden die Besucher an den Wänden aus einem Zeitraum von knapp zwei Monaten in Fragmente und Repetitionen zerlegte schriftliche Aufzeichnungen von Träumen. In jenen Nächten, in denen ich nichts geträumt habe, blieben die Blätter weiss. Über zwei Lautsprecher hört man, wie ich diese Textfragmente und die jeweiligen Daten laut lese. Sprache ist unendlich flexibel. Ein geschriebenes Wort hat eine andere Natur als ein gesprochenes. Wenn man die Sprache von der schriftlichen Ebene entkoppelt, ist ihre Struktur lockerer und sie ist in der Lage, Räume zu erfüllen.

Noch ein paar Worte über den Körper, der in Ihrer Arbeit neben Gender und Sprache so zentral ist. Wie begegnen Sie dem Körper als Bestandteil Ihrer Kunst? Wie auch an der Sprache interessiert mich am Körper der technische Aspekt. Jeder Körper, und damit auch jeder Mensch, ist ein Buchstabe in einem unendlichen Alphabet. Die Art, wie er im privaten oder öffentlichen Raum in Erscheinung tritt, macht eine Aussage über das System und die Normen, in denen er sich befindet. Sie benutzen Ihren Körper und die Sprache als kraftvolle Quellen, um Ihre Gedanken auszudrücken. Sollten die Menschen ganz allgemein mehr dazu ermutigt werden, ebenfalls Gebrauch davon zu machen? Ich öffne mit meiner Arbeit das Fenster für andere einen kleinen Spalt weit und zeige, was es alles für Möglichkeiten gibt, um den Raum um sich herum aktiv zu gestalten. Jeder soll sich dazu ermutigt fühlen, diese inneren Kräfte auf seine ganz individuelle Art anzuzapfen. ■

Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.

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Coop Genossenschaft, Basel

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Velo-Oase, Erwin Bestgen, Baar

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Maya-Recordings, Oberstammheim

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Scherrer & Partner, Basel

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Fischer + Partner Immobilien AG, Otelfingen

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ChemOil Logistics AG, Basel

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Schluep & Degen Rechtsanwälte, Bern

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Institut und Praxis Colibri, Murten

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Kaiser Software GmbH, Bern

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Klinik Sonnenhalde AG, Riehen

«Itziar Okariz», Di bis So 11 bis 17 Uhr, bis 16. Juli,

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Rechtsanwalt Peter von Burg, Zürich

Kunsthaus Baselland, Muttenz/Basel.

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Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich

www.kunsthausbaselland.ch

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Hofstetter Holding AG, Bern

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Hedi Hauswirth Privat-Pflege, Oetwil am See

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Echtzeit Verlag, Basel

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OpenTrack Railway Technology GmbH, Zürich

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Intercelix AG, Basel

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Naef Landschaftsarchitekten GmbH, Brugg

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Schweizerisches Tropeninstitut, Basel

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PS: Immotreuhand GmbH, Zürich

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Iten Immobilien AG, Zug

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Proitera GmbH, Basel

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Petra Wälti Coaching, Zürich

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Alfred Rappo-Kolenbrander, Breitenbach

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Botanica GmbH, Sins

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3,

Der Mensch kommuniziert über die Sprache hinaus aber auch mit anderen Mitteln. Sprechen ist die Verkörperung von Sprache schlechthin. Der Sprechende verrät durch die Art, wie er spricht, durch seinen Akzent, sehr viel über seine Person. Sprache wird Körper. Und auch der Klang einer Stimme ermöglicht es uns, einen Menschen zu verstehen. Aber nicht nur: Auch die Kleidung, die Art, wie wir gehen oder unser Alter sind Zeichen, die Rückschlüsse auf unser Wesen zulassen. Nur schon die Tatsache, dass wir uns hier in diesem Kunsthaus befinden, sagt etwas aus: nämlich, dass wir privilegiert sind. Solche Dinge können wir nicht beeinflussen. Unser Körper, an einem bestimmten Ort, macht mit seiner Präsenz bereits eine komplexe Aussage. SURPRISE 398/17

Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

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Ausgehtipps

DAVID ZEHNDER, 2016

BILD: ZVG

Kultur

Ein Stück Vergangenheit fliegt neu auf.

Buch Ein himmlischer Sommer Wenn man flüchtet, blättert man in seinem Leben so manche Seite um.

«Ein Monat auf dem Land» erzählt von den Verletzungen des Krieges und der Hoffnung, diese zu überwinden. VON CHRISTOPHER ZIMMER

Sommer 1920. Der junge Birkin, ein vom Ersten Weltkrieg versehrter Restaurator, kommt in das nordenglische Dorf Oxgodby, um in der Kirche ein mittelalterliches Gemälde freizulegen. Hier, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, hofft er nicht nur, wieder in seinem Beruf Fuss zu fassen, sondern auch auf Heilung, von den Zuckungen in seinem Gesicht, seinem Stottern, seinen Erinnerungen an die Schrecken der Schützengräben. Unter dem Verputz stösst er auf eine Darstellung des Jüngsten Gerichts, auf jenes biblische Endzeitereignis, in dem das letzte Urteil über die Menschen gefällt wird: Himmel oder Hölle. Das ist nicht ohne bittere Ironie, denn der Ich-Erzähler selbst hat die Hölle auf Erden bereits erlebt und nur knapp überlebt. Und während er das Bild Schicht um Schicht ans Licht bringt, legt er ebenso die Schichten seines Lebens frei. Bis er in das «Gemälde namens Oxgodby» hineingezogen wird. Und wenn es gegen Ende der Geschichte von ihm heisst, Oxgodby habe ihn wieder «zurechtgebügelt», dann hat er dies vor allem den Menschen in diesem Ort zu verdanken: Alice Keach, der Frau des Pfarrers, so schön wie von Botticelli gemalt; Moon, der Ausgrabungen vornimmt und in einem Erdloch haust, während Birkin auf seinem Gerüst herumturnt; und nicht zuletzt der kleinen Kathy Ellerbeck, der Tochter des Bahnhofvorstehers, und ihrer methodistischen Familie, die Birkin kurzerhand adoptiert. Dank ihnen wird dieser Sommer zu einem unerwarteten Stück Himmel auf Erden, auf das der Erzähler 50 Jahre später so wehmütig wie sehnsüchtig zurückblickt. J.L. Carr (1912 –1994), der Autor dieser feinfühligen Erzählung, die mit genauer Beobachtung, leisem Humor und einer stillen Liebesgeschichte berührt, ist im deutschsprachigen Raum bisher unbekannt. Was insofern erstaunt, als «Ein Monat auf dem Land» nicht nur 1980 für den Booker-Preis nominiert, sondern auch 1987 mit Colin Firth und Kenneth Branagh verfilmt wurde. Das nun erstmals ins Deutsche übertragene Buch ist jedenfalls eine lesens- und empfehlenswerte Entdeckung. Eine Novelle, die in eine vergangene Zeit entführt, in der die Felder noch mit Pflug und Pferd bestellt werden, und in eine ländliche Idylle, die die Schrecken des einen Weltkrieges gerade hinter sich gelassen hat und von den kommenden noch nichts weiss.

Bern Notizen einer Odyssee Als Erfan ein Jahr alt war, wurde sein Vater im afghanischen Bürgerkrieg getötet. 1996 flohen Erfan, seine Mutter und sein älterer Bruder in den Iran. Mit 16 Jahren entschied Erfan, ohne Familie nach Europa zu fliehen. An der türkischen Grenze wurde er von Grenzpolizisten verhaftet und fünf Monate ins Gefängnis gesperrt. Dort schenkte ihm ein Freund ein Notizheft. Erfan konnte zu diesem Zeitpunkt weder schreiben noch richtig lesen. In der Zelle brachte er sich mithilfe von Mitinsassen die lateinische Schrift und die englische Sprache bei. Der Videokünstler David Zehnder lernte Erfan im Durchgangszentrum Zollikofen BE kennen – die Arbeit «Erfan’s Notebook» entstand. Parallel zum Fortschritt von Erfans Sprachkenntnissen entfaltet sich die Geschichte seiner Flucht in die Schweiz. Leergelassene oder ausgerissene Seiten, eine rudimentäre Skizze Europas mit Länderbezeichnungen, Telefonnummern und Emailadressen erzählen vom Lebensalltag einer gefährlichen Reise. Vor diesem Hintergrund erhalten vermeintlich banale Lernsätze in Erfans Heft, wie «Can I see your passport?» und «Have a good trip», plötzlich eine ganz neue Tragweite. – Und Erfan spricht heute übrigens auch Berndeutsch. (dif) Ausstellung «David Zehnder: Erfan’s Notebook», Mi bis Fr, 14 bis 18 Uhr, Sa, 12 bis 16 Uhr, PROGR, Showroom videokunst.ch, bis 20. Mai. www.progr.ch

J.L. Carr: Ein Monat auf dem Land. Dumont 2016. CHF 26.90

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Anzeigen:

«Was blibt no übrig als Mänsch si?»

Das Matterhorn: fast wie das WTC der Schweiz.

Zürich «Ich bin kein Zombie!»

Luzern Rohstoff Poesie

«Ich schwör eu ich bin nonig gschtorbe und uferwacht! Ich bin kein Zombie!» So hören sich Texte aus dem neuen Stück des SchalkTheaters Zürichs an, und wir ahnen: Es geht hier ums Lebendige. Das darf man mit allem Recht behaupten: Das SchalkTheater ist ein Theaterprojekt für Menschen, die wegen psychischer Beeinträchtigungen an der Teilhabe am gesellschaftlichen und sozialen Leben gehindert sind. Diese Tatsache haben sie zusammen mit dem Dramatiker und Autor Guy Krneta in Texte, Gedichte und Dialoge gepackt und das Stück «Ich liege hier im Mittelpunkt des Lebens» daraus gemacht. Es sind leicht fiktionalisierte Lebenserfahrungen: Im Niemandsland, in einer Wüste, will jeder für seine Besonderheiten geachtet werden, aber Überleben geht nur im Kollektiv. Sieben Menschen verhandeln ihre Herkunft, ihre Vorlieben, Abneigungen und ihre ganz persönlichen Visionen für die Zukunft. Der Körper, seine Aussenwirkung und sein Innenleben, spielt dabei eine besondere Rolle. «Ich liege hier im Mittelpunkt des Lebens» ist eine von vier Laientheatergruppen, die ans Laien Lab im Miller’s eingeladen wurden. Neben dem SchalkTheater sind das Atelier Theater Meilen, das stattTheater (Stäfa) und das Theater REAKTIV (Männedorf) mit dabei. Sie bringen Stücke auf die Bühne, in denen sie zeigen, was sie zum Thema Migration zu sagen haben. (dif)

Es gibt Leute, die haben Geld, und es gibt Leute, die haben etwas zu träumen. Künstler gehören meistens zur letzteren Spezies, und Galeristin Evelyne Walker-Schöb wollte zum zehnten Geburtstag ihrer Galerie Vitrine nun die Träume aller Kunstschaffenden anzapfen, die je bei ihr ausgestellt haben. Sie hat die Träume allerdings auf ganz handfeste Werte eingegrenzt – aber wir sind sicher, dass sie einiges mehr als Hunderternötli, Gucci-Uhren und Sparsäuli wird ausstellen dürfen. Ein einziges Werk durften die Kunstschaffenden zum Thema «Geld, Gold und Diamanten» einreichen, und zurückgemeldet haben sich 111 Künstlerinnen und Künstler: von Ahmed Zaibi bis Werner Meier. Sie haben ihre Archive durchforstet und im Atelier gestanden und zeigen nun ihre Geburtstagsgeschenke: Bilder, Zeichnungen und Fotografien, Skulpturen aus Garnen, Steinen, Holz oder Glas – die Vitrine ist zur Schatztruhe geworden. Und Evelyne Walker bleibt nur noch, im Pressetext passend dazu den Souffleur Dog˘an Firuzbay zu zitieren: «Poesie ist der beste Rohstoff der Welt!» (dif) «Geld, Gold und Diamanten», bis 6. Mai, Mi bis Fr, 14 bis 18.30 Uhr, Sa 12 bis 16 Uhr (geschlossen über Ostern, 14. bis 17. April), Galerie Vitrine, Stiftstr. 4, Luzern. www.galerie-vitrine.ch

«Laien Lab – Miller’s Theatertreffen», 28. bis 30. April, Miller’s, Seefeldstrasse 225, Zürich, genaue Spieldaten und Programm online unter millers-studio.ch

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Verkäuferinnenporträt International «Ich will nur ein Zuhause» BILD: AMELIA FERRELL KNISLEY

Vickie verkauft The Contributor in East Nashville, Tennessee. Sie ist obdachlos. Sorgen macht ihr, dass bei ihr vor Kurzem zum zweiten Mal Krebs diagnostiziert wurde. Ihr oberstes Ziel: für ihre Kinder sorgen zu können. INTERVIEW: AMELIA FERRELL KNISLEY

Wenn du deinen Kunden einen einzigen Satz über dich sagen solltest, was würdest du sagen? Dass ich ein freundlicher und hart arbeitender Mensch bin. Ich nehme keine Drogen und trinke nicht. Ich bin hier, weil ich meine Familie unterstütze. Was gefällt dir an deinem Job als Verkäuferin von The Contributor? Ich treffe Leute, kann mir meine Zeit selbst einteilen und habe keine Angst, entlassen zu werden. So krank wie ich war, wäre ich bei einer normalen Stelle längst gefeuert worden. The Contributor hat mir Hoffnung zurückgegeben. Hast du Stammkunden? Ja, die suchen nach mir und fragen, wie es mir geht, wo ich gewesen bin. Mit denen kann ich über meine Situation reden. Sie laden mich zum Gottesdienst ein und ich gehe mit ihnen in die Kirche. Einmal hatte ein Kunde kein Geld dabei. Ich gab ihm die Zeitung trotzdem, und er kam am nächsten Tag zurück und gab mir 20 Dollar. Solche Kunden kennen mich und vertrauen mir. Wie war deine Kindheit? Ich war einsam, immer alleine. Meine Familie hat andauernd gestritten, ich blieb lieber oben in meinem Zimmer und hörte Radio. Mein Vater starb an einem Herzanfall, als ich noch klein war. Ich habe dann mit 18 geheiratet. Was passierte dann? Mein Ehemann war am Anfang gut zu mir, dann wurde er Mitglied einer religiösen Sekte. Die lehrten, dass die Frau dem Mann gehorchen müsse. Er hat mich und unsere drei Kinder misshandelt. Jemand von der Kirche kam und brachte mich zu meiner Mutter, aber dann schritten die Behörden ein und brachten uns in einer sicheren Unterkunft unter, weil mein Mann meiner Tochter gesagt hatte, er würde uns töten. Dort wohnte ich für drei Monate, aber dann wurde es sehr schwierig, ich musste arbeiten und gleichzeitig Betreuung für meine Kinder finden, deshalb ging ich zurück zu meiner Mutter. Mein Bruder war dagegen, dass ich dort noch länger wohnte, also ging ich zurück zu den Behörden und liess meine Kinder vom Staat in Pflege nehmen, weil ich ihnen das nicht länger zumuten wollte. Die Kinder blieben zwei Jahre in staatlicher Obhut. Was motiviert dich? Meine Kinder. Ich muss für sie sorgen und allen beweisen, dass ich das noch immer kann. Was gefällt dir daran, Mutter zu sein? Deine Kinder lieben dich, akzeptieren dich, egal was kommt. Kürzlich hast du zum zweiten Mal Krebs bekommen. Beim ersten Mal hatte ich Gebärmutterhalskrebs, aber sie haben meine Eierstöcke nicht rausgenommen. Jetzt habe ich Eierstockkrebs. Sie haben auch Metastasen im Gehirn gefunden.

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Nach allem, was du durchgemacht hast, was hast du gelernt? Hoffnung, Mut und nicht aufzugeben. Es gibt Tage, an denen ich heule, wenn ich Freunde sehe, die ein grosses Haus und eine Menge Sachen haben, und ich frage mich, wann ich so ein Leben haben werde. Aber ich brauche nicht eine Menge Sachen, ich will nur ein Zuhause. Wo würdest du gerne in fünf Jahren sein? In meinem Wohnwagen, gesund und einfach nur glücklich. Ich sorge mich nicht um Geld, solange ich glücklich bin. Ein Tages hoffe ich auch wieder zu heiraten, den Richtigen. Was machst du, um zu entspannen? Ich mag Country Musik. George Strait ist mein Held, ich habe seine Musik seit meiner Kindheit gehört. Er ist echt, macht kein Drama, Kerzenlicht und Tanz, er singt einfach nur. Ausserdem sorge ich gerne für Streunerkatzen. Denen geht es genauso wie mir: Sie brauchen Zuneigung. ■

Mit freundlicher Genehmigung von The Contributor / INSP.ngo SURPRISE 398/17


SurPlus – eine Chance für alle! Werden Sie Gotte oder Götti bei SurPlus Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten. Menschen, die kaum Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt wieder Struktur und mehr Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Das verdient Respekt und Unterstützung. Das Spezialprogramm SurPlus ist ein niederschwelliges Begleitprogramm für ausgewählte Surprise-Verkaufende, die regelmässig das Strassenmagazin

verkaufen und hauptsächlich vom Heftverkauf leben. Diese Verkaufenden erhalten nur geringe soziale Ergänzungsleistungen und werden im Programm SurPlus gezielt vom Verein Surprise unterstützt: Sie sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit, Nahverkehrsabonnement) und werden bei Problemen im oft schwierigen Alltag begleitet. Mit einer Patenschaft leisten Sie einen wesentlichen Beitrag für die soziale Absicherung der Verkaufenden und ermöglichen ihnen, sich aus eigener Kraft einen Verdienst zu erarbeiten. Vielen Dank für Ihr Engagement!

Elsa Fasil Bern

Kostana Barbul St. Gallen

Ralf Rohr Zürich

Marlis Dietiker Olten

Negasi Garahassie Winterthur

Josiane Graner Basel

Tatjana Georgievska Basel

Emsuda Loffredo-Cular Basel

Anja Uehlinger Baden

Andreas Hossmann Basel

Haimanot Ghebremichael Bern

Roland Weidl Basel

Daniel Stutz Zürich

Markus Thaler Zürich

Ja, ich werde Gotte/Götti und unterstütze das SurPlus-Programm von Surprise! 1 Jahr: 6000 Franken

1/2 Jahr: 3000 Franken

1/4 Jahr: 1500 Franken

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1 Monat: 500 Franken

398/17 Talon bitte senden oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, 4051 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch, PC-Konto 12-551455-3 SURPRISE 398/17

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Surprise – mehr als ein Magazin

Ich möchte Surprise abonnieren! 25 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.) Gönner-Abo für CHF 260.–

Geschenkabonnement für: Vorname, Name

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Bitte heraustrennen und schicken oder faxen an: Verein Surprise, Administration Spalentorweg 20, 4051 Basel F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch

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Hilfe zur Selbsthilfe Surprise unterstützt armutsbetroffene Menschen – beim Strassenverkauf, Strassenchor oder Strassensport, dem Sozialen Stadtrundgang oder Café Surprise: Der Verein fördert die soziale Integration der Betroffenen. Surprise gibt das vierzehntägig erscheinende Strassenmagazin heraus. Eine professionelle Redaktion produziert das Heft zusammen mit freien Journalisten, Fotografen und Illustratoren. Das Magazin wird auf der Strasse verkauft. Über 350 armutsbetroffene Menschen, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten über den Strassenverkauf eine Erwerbsmöglichkeit und eine Tagesstruktur. Die Hälfte des Magazinerlöses behalten die Verkaufenden. Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht sozial ausgegrenzten Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit z.B. mit dem Sozialen Stadtrundgang in Basel und Zürich. Die Surprise-Stadtführer sind Armutsbetroffene, Ausgesteuerte und Obdachlose. Sie erzählen aus ihrem Alltag in ihrer Stadt und zeigen Orte, an denen man sonst vorübergeht.

Stärken. Bewegen. Integrieren. Surprise fördert die Integration mit Sport. In der Surprise-Strassenfussball-Liga spielen Teams aus der Deutschschweiz um den Titel des Schweizermeisters. Einige Spieler nehmen am Homeless World Cup teil. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Strassenchor. Gemeinsames Singen und Auftritte ermöglichen Glücksmomente für Menschen, für die der gesellschaftliche Anschluss erschwert ist. Café Surprise ermöglicht es Menschen mit wenig Geld, am sozialen Leben teilzunehmen: Gäste bezahlen ihren Kaffee und spendieren einen weiteren. Über Surprise Der Verein Surprise unterstützt Armutsbetroffene ohne staatliche Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle Angebote ist Surprise auf Spenden, Sponsoren und Stiftungen angewiesen. Surprise ist Mitglied des internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP), dem über 120 Magazine in über 40 Ländern angehören.

Impressum Herausgeber Surprise, Spalentorweg 20, CH-4051 Basel, surprise.ngo Öffnungszeiten Sekretariat Nicole Mathys, Thomas Oehler T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 info@surprise.ngo, Mo bis Fr 9 bis 12 Uhr Geschäftsleitung Paola Gallo (Geschäftsführerin) Sybille Roter (Stv. Geschäftsleitung) Jannice Vierkötter (Mitglied der Geschäftsleitung) T +41 61 564 90 62/63/64 geschaeftsleitung@surprise.ngo Anzeigenverkauf Stefan Hostettler, 1to1 Media T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@surprise.ngo Redaktion Amir Ali (ami), Beat Camenzind (bc), Diana Frei (dif), Simon Jäggi (sim), Thomas Oehler (toe), Sara Winter Sayilir (win, verantwortlich für diese Ausgabe) T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 redaktion@strassenmagazin.ch leserbriefe@strassenmagazin.ch Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Marie Baumann, Florian Burkhardt, Rahel Nicole Eisenring, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Khusraw Mostafanejad, Fatima Moumouni, Stephan Pörtner, Isabella Seemann, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Tom Wiederkehr, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Monika Bettschen, Steven Burton, Jim Downey, Amelia Ferrell Knisley, Roland Schmid, Tjefa Wegener, Mara Wirthlin Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 22 200, Abonnemente CHF 189, 25 Ex./Jahr Marketing, Fundraising, Kommunikation Zaira Esposito, Nicole Huwyler, Katrin Pilling T +41 61 564 90 53/50, marketing@surprise.ngo

Geschäftsstelle Basel Vertrieb und Sozialberatung: Thomas Ebinger, Tarek Sayed Islami, Anette Metzner Spalentorweg 20, CH-4051 Basel T +41 61 564 90 83/90, basel@surprise.ngo Regionalstelle Zürich Vertrieb und Sozialberatung: Christian Sieber, Ralf Rohr Kanzleistr. 107, CH-8004 Zürich T +41 44 242 72 11, M+41 79 636 46 12 zuerich@surprise.ngo Regionalstelle Bern Vertrieb und Sozialberatung: Alfred Maurer, Negussie Weldai Scheibenstrasse 41, CH-3014 Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02, bern@surprise.ngo Café Surprise Zaira Esposito T +41 61 564 90 53, zaira.esposito@surprise.ngo Strassenchor Paloma Selma T +41 61 564 90 40, paloma.selma@surprise.ngo Strassenfussball Lavinia Besuchet (Leitung) T +41 61 564 90 10, lavinia.besuchet@surprise.ngo David Möller (Sportcoach) T +41 61 564 90 10, david.moeller@surprise.ngo Sozialer Stadtrundgang Gesamtleitung Basel und Zürich: Sybille Roter T +41 61 564 90 63, sybille.roter@surprise.ngo Koordination Basel: Paloma Selma T +41 61 564 90 40, rundgangbs@surprise.ngo Koordiniation Zürich: Carmen Berchtold T +41 44 242 72 14, rundgangzh@surprise.ngo Vereinspräsident Beat Jans

Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise nur mit Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt.

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Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen.

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Helfen tut gut. Zeit, zuzuhören. Zeit, abzuwarten. Zeit für Rückschläge. Zeit, zu helfen. All das gibt es in der Sozialberatung und -begleitung, die Surprise an seinen drei Standorten in Basel, Bern und Zürich anbietet. Die Verkaufenden des Strassenmagazins sowie die Stadtführer, die Strassenfussballer und die Chorsängerinnen erhalten hier nicht nur ihre Hefte, gratis Kaffee oder Internetzugang, sondern wenden sich mit ihren Sorgen und Fragen an die Surprise Mitarbeitenden.

Ob bei der Wohnungs- und Arbeitssuche, bei Schulden, beim Umgang mit Behörden und administrativer Korrespondenz, bei familiären Krisen oder Suchtproblemen – für rund 400 armutsbetroffene Menschen ist diese umfassende und niederschwellige Begleitung eine unentbehrliche Stütze im Alltag. Surprise hilft individuell und niederschwellig. Spenden Sie heute. Spendenkonto: PC 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 surprise.ngo/spenden



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