Surprise 404

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Strassenmagazin Nr. 404 14. bis 27. Juli 2017

CHF 6.–

davon gehen CHF 3.– an die Verkaufenden

Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass

Literaturausgabe

Endlich Zeit Lesen Sie sich in den Sommer, mit Kurzgeschichten von Martina Caluori, Daniela Dill, Marco de las Heras, Milena Keller, Lou Meili, Remo Rickenbacher und Maria Ursprung


GESCHICHTEN VOM FALLEN UND AUFSTEHEN

Porträts der Surprise Verkaufenden in Buchform

Kaufen Sie jetzt das Buch «Standort Strasse – Menschen in Not nehmen das Heft in die Hand» und unterstützen Sie einen Verkäufer oder eine Verkäuferin mit 10 CHF. «Standort Strasse» erzählt mit den Lebensgeschichten von zwanzig Menschen, wie unterschiedlich die Gründe für den sozialen Abstieg sind – und wie gross die Schwierigkeiten, wieder auf die Beine zu kommen. Porträts aus früheren Ausgaben des Surprise Strassenmagazins ergänzen die Texte. Der Blick auf Vergangenheit und Gegenwart zeigt selbstbewusste Menschen, die es geschafft haben, trotz sozialer und wirtschaftlicher Not neue Wege zu gehen und ein Leben abseits staatlicher Hilfe aufzubauen. Surprise hat sie mit einer Bandbreite an Angeboten dabei unterstützt: Der Verkauf des Strassenmagazins gehört ebenso dazu wie der Strassenfussball, der Strassenchor, die Sozialen Stadtrundgänge und eine umfassende Beratung und Begleitung.

156 Seiten, 30 farbige Abbildungen, gebunden, CHF 40 inkl. Versand, ISBN 978-3-85616-679-3 Bestellen bei Verkaufenden oder unter: surprise.ngo/shop Weitere Informationen T +41 61 564 90 90 | info@surprise.ngo | surprise.ngo | Facebook: Surprise NGO 2

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TiteLbild: Priska Wenger

Editorial

Error 404 Der Sommer ist meine liebste Jahreszeit. Nicht wegen der hohen Temperaturen an sich, sondern wegen ihrer Folgen: Alles wird etwas langsamer. Der Sommer ist eine Insel der Ruhe, des Beinahe-Stillstands in unseren schnell vorbeiziehenden Jahren. Und deshalb ist der Sommer auch: eine gute Zeit zum Lesen. All die Romane, Krimis und Sachbücher, die sich neben unseren Betten und in unseren Gestellen angehäuft haben – wenn wir sie jetzt nicht lesen, wann dann? Ob auf dem Balkon oder im Garten, am Strand oder auf der Alp: Um Ihnen den Übergang von der Atemlosigkeit des Alltags in den Lesesommer zu erleichtern, haben wir wie jedes Jahr zwei Ausgaben mit Kurzgeschichten zusammengestellt. Die erste davon halten Sie in den Händen. In den letzten Jahren haben wir uns bemüht, junge, noch unbekannte Wortkünstler für dieses Projekt zu gewinnen. Weil wir damit

4 Remo Rickenbacher

Alles eine Frage der Perspektive 5 Lou Meili

Übers Erwachsen 10 Martina Caluori

weg. 12 Marco de las Heras

Fluchtwege

18 Daniela Dill

Und wir spiegeln mich 20 Maria Ursprung

Sie klicken doch nur rum 23 Milena Keller

Connection not found 26 Rätsel

Kreuzworträtsel mit Wettbewerb

gute Erfahrungen gemacht haben, geben wir jetzt ein Heft ausschliesslich mit Geschichten des Literatur-Nachwuchses he­raus. Da es sich um die 404. Ausgabe von Surprise handelt, lag die thematische Vorgabe auf der Hand: Error 404. Wir alle kennen die Fehlermeldung aus dem Internet. Sehen Sie selbst, wie vielfältig die Assoziationen der Autorinnen sind. In der nächsten Ausgabe werden Sie wiederum Kurzgeschichten finden, dann von etablierten Schreiberinnen wie Milena ­Moser, Klaus Merz und Franz Hohler. Nachbestellen können Sie beide Hefte unter info@surprise.ngo. Und ab der Ausgabe 406 sind wir zurück mit Reportagen, Interviews und Porträts, die einen etwas anderen Blick auf die Gesellschaft bieten. Ich wünsche Ihnen einen schönen, beinahe stillstehenden Sommer. Amir Ali  Redaktor

28 Surplus

Illustrationen

29 Wir alle sind Surprise Impressum Surprise abonnieren 30 Verkäuferporträt

«Herzlichen Dank» Die Zeichnungen in dieser Ausgabe stammen von Priska Wenger, die bereits mehrere Sonderhefte von Surprise illustriert hat. Sie lebt und arbeitet in New York und Biel.

27 Rätsel

Sudoku

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Alles eine Frage der Perspektive Von  Remo Rickenbacher

Letzten Sonntag erwachte ich mit einem brutalen Hang­ over und erinnerte mich nicht mehr daran, was ich den Abend und die Nacht zuvor genau getan hatte. Ich war an einer WG-Party gewesen, musste ich auf Facebook erfahren. Und anscheinend hatte mich dort ein Studienkollege dabei gefilmt, wie ich betrunken von ei­ nem Fettnäpfchen ins nächste getorkelt bin, und das Vi­ deo dann ungefragt online gestellt. Etliche Personen hat­ ten es bereits geliked, mit anderen geteilt oder spöttische Kommentare hinterlassen. Der Schaden war angerichtet: Was konnte ich dagegen tun? Lange Zeit sass ich in meinem Zimmer und grübelte an einer Lösung aus dieser Misere. Meine Gedanken wan­ derten zu meinem Onkel Rudolph aus dem Deutschen, 4

der mir in der Vergangenheit stets mit Rat und Tat zur Seite gestanden war. Und da erinnerte ich mich plötzlich an ein Erlebnis, das er mir vor einigen Monaten erzählt hatte: «Jedes Jahr, lieber Remo», sprach er damals, «jedes Jahr vergesse ich den Hochzeitstag, und jedes Jahr be­ straft mich meine Gertrud damit, dass ich mit ihr eine DVD unserer Hochzeit anschauen muss. Und da schlug ich ihr das letzte Mal – als Abwechslung und aus reinem Spass – vor, die DVD einmal rückwärts abspielen zu las­ sen. Und stell dir nun vor, wie wir im Video gemeinsam in der Kirche vor dem Pfarrer standen und uns tief in die Augen blickten und wie ich ihr dann den Ring langsam vom Finger zerrte und lächelnd aufs Samtkissen zurück­ legte. Potz Blitz, da verliess Gertrud wütend das Zimmer, und ich konnte endlich wieder Bundesliga schauen! Du siehst also, Remo, alles ist eine Frage der Perspektive. Der vermeintlich schönste Tag deines Lebens kann rückwärts abgespielt zum schlimmsten Albtraum werden.» Beinahe entwich mir ein lautes «Heureka!», als ich an diese Schilderung meines Onkels dachte: Das war die er­ sehnte Lösung meines Problems! Denn wenn sich ein po­ sitives Erlebnis rückwärts abgespielt in ein negatives ver­ wandeln kann, dann muss doch auch das Gegenteil möglich sein: Meine peinlichen Verfehlungen an der WGParty müssten sich rückwärts abgespielt in etwas Positi­ ves verwandeln! Ich lud mir also das Video der WG-Party von Facebook herunter und spielte es rückwärts ab. Am Anfang des Videos liege ich schlafend in einer Bierpfütze. Doch auf einen Schlag öffne ich die Augen und werde – wie von Marionettenhand – senkrecht in die Höhe gezogen. Gleichzeitig sammeln sich die herumlie­ genden Glassplitter am Boden und manifestieren sich zu einer Flasche. Die Bierpfütze springt vom Boden in die Flasche, während diese in die Höhe schnellt, und mit ei­ ner mit diesem Alkoholpegel unmöglichen Reaktionsfä­ higkeit packe ich die Flasche einhändig und ohne hinzu­ schauen. Ich torkle rückwärts ins benachbarte Zimmer und stehe plötzlich vor einer mir wildfremden Studentin. Sie streichelt mir mit einer Hand die Wange und macht dann eine ausufernde Geste. Zum Dank für diese Zärtlichkeit küsse ich sie auf den Mund. Ich folge der Kamera in das Zimmer eines Studenten. Neben seinem Fernseher befindet sich ein Regal, das ko­ mischerweise eine grosse Lücke aufweist. Da würden ei­ nige DVDs gut reinpassen, denke ich mir spontan. Und per Zufall habe ich gerade einige meiner Lieblingsfilme dabei. Ich nehme die DVDs aus meinem Jutebeutel und schiebe sie nacheinander in die Lücke im Regal: Sie pas­ sen perfekt rein! In der Mitte des Zimmers liegt auf dem Perserteppich eine grosse Lache Erbrochenes. Das muss doch jemand sauber machen, denke ich mir, und da ich gerade einen leeren Magen habe, kann ich das gleich selber tun. Ich beuge mich über das Erbrochene und – einen Staub­ sauger imitierend – atme ich so fest ein, dass sich die Kotze nach und nach vom Teppich löst und in meinem Rachen verschwindet. Das war anscheinend keine gute Idee. Am Schluss stehe ich kreidebleich wieder auf: Mir Surprise 404/17


ist kotzübel! Ich wanke zurück und lande in einer hitzigen Diskussion einiger Physikstudenten über Quanten­ mechanik. Da schreie ich laut hörbar: «Wenn man die Von-Neumann-Entropie mit der Boltzmann-Konstante multipliziert, erhält man eine Restentropie der dritten Dimension.» Vor Verblüffung stoppte ich kurz das Video. Ich wusste gar nicht, dass mein betrunkenes Lallen rückwärts abge­ spielt so intelligent tönt. Auch wenn das Gesagte aus wis­ senschaftlicher Perspektive nicht wirklich der Wahrheit entsprach. Zurück im Video verlasse ich die Physikstudenten und gehe ins Wohnzimmer. Dort hat sich die Stimmung regel­ recht abgekühlt. Alle schweigen betreten, etliche schauen mich wütend an. Andrea, die die Party veranstaltet, drückt mir plötzlich ein Buch in die Hände. Lautstark rezitiere ich daraus einige Stellen und versuche so, die Stimmung wieder zu heben. Es klappt! Als die Stimmung wieder auf dem Höhepunkt ist, höre ich mit Lesen auf und verstaue Andreas Tagebuch wieder dort, wo ich es zuvor in ihrem Zimmer gefunden habe. Ich mische mich unter die Tanzwütigen und muss feststellen: Auch rückwärts abgespielt sehen meine Dance­Moves scheisse aus. Als mein T-Shirt keine sichtbaren Schweissflecken mehr aufweist, höre ich mit dem Tanzen auf und schlurfe rückwärts in die Küche. Irgendein Idiot hat die Vorderseite des Kühlschranks mit Guacamole ver­ schmiert. Ich nehme meine Hand und fahre so lange über die Guacamole, bis alles an meinen Händen klebt und die Aussenseite des Kühlschranks sauber ist. Dann verlasse ich die Küche, gehe ans Buffet und lege den Avocado-Dip zurück in die Schüssel, wo er herkam. Ich schaue schnell von links nach rechts. Keiner hat etwas bemerkt. Je länger die Party dauert, desto nüchterner werde ich. Ich pumpe literweise Bier aus meinem Körper über den Mund zurück in leere Flaschen. Ich verschliesse diese und lege sie in den Kühlschrank, damit andere auch noch et­ was davon haben. Getreu dem Motto: «Sharing is caring!» An dieser Stelle endete das Video beziehungsweise nahm es seinen Anfang. Und ich muss zugeben: Im Rückblick sah die ganze Geschichte also recht positiv aus. Abgesehen von den Dance-Moves. Ich postete das Video auf Facebook als Kommentar zum ursprünglichen, und dazu schrieb ich #wincompilation #alleseinefrage­ derperspektive. Remo Rickenbacher,  geboren 1986, lebt in Thun. Als Spoken-Word-Poet hat er zahlreiche Poetry-Slams im deutschs­ prachigen Raum gewonnen. Er organisiert den Thuner Slam im Café Mokka und ist regelmässig solo oder mit seiner Spoken-­ Word-Gruppe «Thun ist Nirgends» unterwegs.

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Übers Erwachsen Von  Lou Meili

In meiner klarsten Kindheitserinnerung sitze ich unter einem Stuhl. Ich sehe die Socken meines Vaters, höre sein Zeitungsrascheln über mir, und die nackten Beine meiner Mutter gehen hin und her, tragen ihren Körper, der den Tisch deckt. Sie sind frisch rasiert und haben wütende rote Pünktchen, wo die Haare sein sollten. Ich weiss, dass ich mich bis fünfzehn geweigert habe, auf einem anderen Stuhl als meinem Kindertripptrapp zu sitzen, da mir Stuhlflächen zu gross und erwachsen vorkamen. Also müssen wir Besuch gehabt haben in meiner Erinnerung, denn dann assen wir immer am Wohnzimmertisch und ich sollte auf einem richtigen Stuhl sitzen, weshalb ich mich darunter versteckte, so­ lange es ging. Aus dieser kleinen Höhle sah ich dann, wie meine Mutter Büschel nach Büschel ihrer Blumen aus dem Gar­ ten hereintrug und auf dem Tisch arrangierte. Jedes Mal, wenn sie an mir vorbeiging, waren ihre Hände etwas ro­ ter und geschwollener. Wir sind beide allergisch auf ihre Blumen, meine Mut­ ter und ich. Sie machen uns die Haut prickeln und die Augen tränen. Und trotzdem arbeitet meine Mutter seit ich mich erinnern kann jeden Tag im Garten und umsorgt sie liebevoll. Und jedes Mal, wenn Besuch kommt, schmückt sie stundenlang den Tisch mit ihnen, obwohl sie Besuch nicht ausstehen kann. Es ist nur mein Vater, der Leute einlädt, meine Mutter sagt, sie habe nie Zeit gehabt, irgendwen kennenzulernen mit dem Garten und mir, die so viel Aufmerksamkeit brauchten. Mein Vater freundete sich aber immer nur mit Leuten mit festem Händedruck und lauten Stimmen an. Meine Mutter litt dann still unter ihnen, schüttelte die Hände, die ihr wehtaten mit ihrer wunden Haut, und ertrug die Stimmen, die sie zusammenzucken liessen. Jetzt ist die Welt in Schnee gehüllt und leiser als sonst. Nichts blüht, so haben wir auch keine Schmerzen, und meine Mutter kann ihre Hände in Handschuhe ein­ hüllen. Besuch hatten wir schon lange nicht mehr, ich habe meinen Vater gebeten, nur noch Leute einzuladen, die feine Wangenküsschen geben und mit weichen, mil­ den Stimmen sprechen. Er weiss nicht, dass ich für meine Mutter gefragt habe, und ich sage es ihm nicht. So streicht er mir nur traurig über die Haare, und niemand besucht uns mehr. In der Ruhe kann ich mich sammeln und vorbereiten und endlich zu meinen Eltern sagen: Ich ziehe aus. Ich brauche diese langen Nächte, in der mich die Welt nicht beschallt, um Abschied zu nehmen und anzukom­ men. Mein Vater versteht nicht, dass ich gerade jetzt gehe, um alleine zu wohnen, er findet die Dunkelheit ohnehin 5


schon einsam. Aber er hilft mir trotzdem, meine Möbel zu schleppen und Lampen anzuschliessen. Meine Mutter ist ganz eingewickelt, als wir uns zum Abschied umarmen. Ich suche durch die Schichten den Körper, den ich kenne und gegen den ich mir manchmal erlaubte mich anzulehnen, wenn meine Mutter nicht im Garten gewesen und ich sehr müde war. Aber da ist nur Polster und Isolation. Ich will, dass meine Mutter ihre Handschuhe nochmals auszieht, da ich plötzlich Angst habe, ihre Hände schon vergessen zu haben. Aber sie streicht mir mit von Wolle geschützten Fingern über die Wange und es kratzt. Früher wollte ich immer verstehen, wie sich die Hände meiner Mutter fühlen. Einmal im Sommer habe ich mich in den Badehosen zwischen die Blumen ins gemähte Gras gelegt, bis meine Haut rot prickelte und meine Nase lief. Am Abend liess ich mich von meinem Vater umarmen. Jede Brise und besonders die sonst so beruhigenden Arme meines Vaters bissen gegen meinen Körper, als ob da keine Haut und nur noch rohes Fleisch wäre. Ich ver­ stand trotzdem nicht. Ich stelle mir einen Kaktus ins Zimmer, einen ohne Stacheln. Er hat keine Blüten und ich habe keine allergi­ schen Reaktionen. Die Floristin hat gesagt: «Der liebt Ver­ nachlässigung, echt, dem geht’s am besten, wenn du ihn vergisst.» Das hat mir gefallen, das ist so ganz anders als all die Pflanzen, die ich sonst kenne. Aber ich bin nicht gut darin, ihn zu vergessen, und immer wieder, wenn seine Erde zu trocken ist, will ich ihm Wasser geben. Ich erlaube es mir dann, nur ein bisschen, ein kleines bisschen. Aber es ist zu oft, der Kaktus wird matschig und schliesslich schimm­ lig, und ich muss ihn entsorgen. Mit dem Kaktus in der Abfalltüte erinnere ich mich daran, wie ich meine Mutter angebettelt habe, ihre Blumen zu entsorgen, abzuschnei­ den, vertrocknen zu lassen. Aber meine Mutter sagte, die Blumen seien viel zu schön dafür, genau wie ich. Für euch ertrage ich gern etwas Schmerz. Ich wollte nicht, dass die Hände meiner Mutter wegen mir schmerzten, und ich wusste nicht, wie genau ich neben den Blumen dazu beitrug. Ich versuchte, so wenig als möglich zu at­ men, meine Mutter so wenig als möglich anzufassen und schon gar nicht zu küssen, aus Angst vor allergischen Re­ aktionen ihrerseits. Ich überlegte mir, die Blumen aus eigener Kraft zu zerstören, sie auszureissen und wegzulaufen und somit meine Mutter vor uns zu schützen. Aber ich wusste nicht wie ohne meine Mutter, und meine Mutter wusste nicht wie ohne die Blumen, und ich hatte grosse Angst, ein fei­ nes Gleichgewicht zu stören und mein Leben ins Chaos zu stürzen. Ich, die ein verspätetes Frühstück oder ein neuer Sitznachbar ins Zittern und ausser Atem brachten,

ich wusste nur, dass es ohne die Blumen eine grosse Ver­ änderung geben würde, und Veränderungen mochte ich nicht. Der Frühling kommt und ich bekomme keine Aus­ schläge in meiner pflanzenlosen Wohnung. Es ist eine Befreiung, aber eine kurze. Der Blütenstaub muss mir über die Jahre die Haut dünngefressen und die Lunge ver­ stopft haben. Ich habe keinen Widerstand gegen die Welt. Mein Vater war schon als ich ein Kind war der Mei­ nung, dass etwas mit mir nicht stimmte, dass ich zu oft weinte, zu lange dieselben Klötzchen sortierte und mich zu oft mit den Händen über den Augen versteckte. Er wollte helfen. Ich durfte auf meinem Kinderstuhl sitzen bleiben und meine Erbsen der Grösse nach aufessen. Ich wurde nicht angeschrien, nie, auch wenn ich angeschrien werden wollte. Heute habe ich das Gefühl, dass meine Mutter glücklicher über die Stille und Eintönigkeit war als ich. Ich glaube, sie war dankbar für meine Angst vor der Welt. Ich beginne, Samen und Filter zu sammeln. Löwen­ zahn und Kaffeefilter, exotische Chilisamen und Luftfilter einer Gasmaske reihen sich alle an der Wand in meinem Wohnzimmer. Zwischen Schlafen und Aufwachen träume ich manchmal von wunderbaren Gebilden aus all den dünnen Membranen, die ich um mich hüllen würde, die machen würden, dass mir die Welt die Haut nicht mehr aufreiben würde. Dann würde ich mein Zimmer mit Erde füllen und alle meine Samen pflanzen und die Luft in meiner Wohnung würde immer nach feuchter Erde schmecken und wäre frisch. Dann würde ich meiner Mut­ ter einen Filteranzug bringen und wir könnten gemeinsam im Garten liegen. Mein Vater hätte mir immer einen solchen Anzug gewünscht. Er hat Nachforschungen angestellt, er wollte gerne ein normales Kind, das fest Hände drückte und Leuten in die Augen schaute und eine dicke Ele­ fantenhaut hatte, an der alles ab­ prallte. So fand er heraus, dass wir versuchen sollten, unsere Ernährung umzustellen, dass es Allergien gab, die nicht rot machten, aber dünn­ häutig und weinerlich. Da gab es kein Gluten mehr und somit keine Butter­ brote. Meine Welt veränderte sich nicht, nur weinte ich noch öfter, weil ich Hunger hatte, aber Hunger nur auf Butterbrote. Und meine Mutter schrumpfte ohne das Brot. Sie wurde nicht nur leichter, sie wurde dünner, ohne dass ihre Haut mitschrumpfte, und so warf sie plötzlich Falten. Da hörten wir auf mit dem Versuch und assen wie­ der Brot. Aber Mutter wuchs nicht zurück, sie blieb faltig und ist es heute noch, bis auf ihre Hände, die geschwollen sind und somit straff gespannt. Im Sommer bekomme ich einen Anruf von meiner Mutter. Ihre Stimme, die sonst flach ist, um sich selbst nicht zu erschrecken, überschlägt sich. Es ist Begeisterung

Ich wollte nicht, dass die Hände meiner Mutter wegen mir schmerzten, und ich wusste nicht, wie genau ich neben den Blumen dazu beitrug.

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und Schrecken und das Lebendigste, was meine Mutter in einer langen Zeit getan hat. Fast versöhnt es mich mit den Blumen, dass sie so viel Leben in meine Mutter ge­ steckt haben. Sie erzählt, dass der ganze Garten jetzt rot und gelb, vor allem so viel gelb ist. Selbst im morschen Holz der Veranda haben sich die Farben eingenistet. «Und dein Baumhaus, du solltest dein Baumhaus sehen, ganz voll!» Ich kenne jede Ritze meines Baumhauses, habe tau­ send Mal darübergestrichen, damit mich die Trockenheit und Splitter aus einer Aufregung abholten. In meinem Baumhaus hat mir zum ersten Mal jemand die Lippen wundgeküsst. Und auch wenn die Blumen eigentlich das­ selbe tun, mir wunde, splittrige Haut geben, so bin ich doch wütend auf sie. Das Baumhaus ist der Ort, an dem ich mir die Wunden und die Splitter ausgesucht habe. Ich lege ab­ rupt auf und stelle mir vor, wie meine Mutter erleichtert das Telefon nie­ derlegt, das scharfe Kanten hat und ihr in die Haut geschnitten haben muss. Meine eigenen Hände haben Hornhaut angesetzt. Ich weiss, dass die Hornhaut nichts bringt. Als Kind schon fand ich heraus, dass Elefanten mir gar nicht unähnlich waren und dass es gar nichts zur Sache getan hätte, wenn meine Haut weniger dünn und weni­ ger schnell blau gefleckt gewesen wäre. Denn Elefanten spüren viel, so­ gar Insekten auf der dicken Haut, und sie vergessen nicht. Ich durfte einem Elefanten eine Banane füttern, und er tastete lange auf meiner Hand, aber ganz vorsichtig, be­ vor er sie nahm und sie sich freudig in den Mund steckte. Ich bettelte fortan bei meiner Mutter, mit mir in den Zoo zu kommen, denn die Elefantenberührung war so sanft, dass sie selbst meiner Mutter nicht wehtun würde. Und vielleicht würde sie die Berührung so mögen, dass sie aufhören würde, ihre Blumen anzufassen, um harte, raue Elefantenhaut streicheln zu können. Aber meine Mutter wollte nicht in den Zoo, es war ihr zu viel, das wusste ich, weil sie mir sagte, es sei mir zu viel und sie wolle nicht, dass ich wieder keine Luft bekam zwischen all den Menschen. Ich bin selten bei meinen Eltern zu Besuch. Und wenn ich gehe, lasse ich meine Welt draussen. Ich will sie mei­ nen Eltern nicht antun, nicht meinem Vater, der sie gierig aufsaugen und zu schwerer Trauer machen würde, und nicht meiner Mutter, der sie scheppernd durch die unge­ schickten Finger rutschen würde. Und mir will ich sie nicht mit Blütenstaub besudeln. Mit ein paar Worten darf sie mitkommen, in «ich mochte besonders die Pflaster­ steine in Rom», in einer Beschreibung des scharfen Currys, das ich gekocht habe, in einem «ich habe mich verliebt». Bei meinen Eltern ist die Milch lauwarm und mein Vater spricht leise und meine Mutter geht leise. Ich schenke ihnen keine Chilisamen, ich stelle ihnen meine

Freundin nicht vor. Nur von meiner Asienreise bringe ich eine kleine Holzfigur eines Elefanten mit, die keine schar­ fen Kanten hat und sanft schaut. Lange versuchte ich, selbst wie ein Elefant zu werden. Ich wollte so dicke Haut, dass mein Vater glücklich wäre, und so sanfte Berührungen, dass ich meiner Mutter nicht wehtun würde. Ich lernte alles was ich konnte über Elefanten. Ich stapfte mit schweren Schritten durch den Garten, so schwer, dass sie Abdrücke hinterliessen, aber wie ein Ele­ fant war ich vorsichtig, zerstampfte nichts. Die Frau, in die ich mich verliebe, ist nicht leise und auch nicht schön, nicht einmal für mich. Aber sie ist wun­ derbar anzufassen, weich und mit samtigen Händen. Ich sitze hinter ihr in einem Vor­ trag über archäologische Funde in unserer Umgebung. Sie haben Dino­ saurierknochen ausgegraben, riesig schwere, und ich kann nur auf ihre Wirbelsäule starren und denken, wie klein diese ist, wie kurz. Wie über ihr Haut ist und auf der Haut Härchen, fast Flaum. Ich will meine Finger da­ rüberstreichen lassen, so wie ich meine Knöchel über jede raue Mauer streichen lassen will, obwohl ich weiss, dass sie dann bluten. Ich bleibe sitzen nach dem Vortrag und lasse meine Finger stattdessen über die Eindrücke meines Kugelschrei­ bers auf dem Papier gleiten. Sie bleibt auch sitzen, dreht sich irgendwann um und sagt: «Ich habe einmal eine versteinerte Muschel gefunden, das war meine Archäologinnenkarriere, aber ich hab sie verloren.» Sie sagt es laut und ich zucke und vor lauter Zucken rutscht mir raus, dass ich nie auf den Steinbruch durfte, weil ich Steine lutschte, alle, Kiesel und Schiefer, und die auf dem Steinbruch, die waren bröckelig und so­ mit gefährlich im Kindermund. Sie lacht und mir fällt auf, dass sie wirklich keine schöne Frau ist und schiefe Zähne hat. Aber meine Finger wollen immer noch ihre Nacken­ härchen. Also gehe ich mit ihr Kaffee trinken und später spazieren und später küssen und dann darf ich endlich ihren Nacken anfassen und nichts an ihr tut weh und nichts ist hart und eckig und ich verliebe mich. Es ist neu, jemanden so fein anfassen zu dürfen. Denn sobald ich in die Schule kam, funktionierte das Elefant­ sein nicht mehr gut. Die anderen Kinder wollten keine sanften Rüsselberührungen auf ihren Armen, sie wollten raufen. Ich musste auf Stühlen sitzen, die keine Kinder­ sitze waren und auf denen ich hin und her schaukeln musste, was keiner verstand und was mich hintenüber­ fallen und mir den Rücken wundstossen liess. Mein Vater konnte mir keine Welt mehr machen, die mir alles gab. Er bekam traurige Augen. Aber er ist nicht wie all die anderen Menschen mit traurigen Augen, die ich kenne. Im Gegensatz zu ihnen weiss er genau, dass er traurige Augen hat. Das führt dazu, dass sie ihm keine

Ich bin selten bei meinen Eltern auf Besuch. Und wenn ich gehe, lasse ich meine Welt draussen. Ich will sie meinen Eltern nicht antun.

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zitternden Hände geben, sondern einen noch stärkeren Händedruck und ganz liebevolle Worte für mich in den Mund. Die Frau, deren Hässlichkeit ich bald vergesse, weiss gut, wie man Dinge vernachlässigt. Sie legt mir eine Kak­ teensammlung auf dem Fenstersims an. Sie meldet sich manchmal ein paar Wochen lang nicht. Wenn mich das schmerzt, dann erinnert es mich an den Schmerz meines Baumhauses. Nicht überwältigend und absehbar. Ich be­ obachte diesen Schmerz gerne, drehe ihn in meinem Kör­ per hin und her. Er ist eine willkommene Ablenkung. Und wenn sie zurückkommt, darf ich ihrer Wirbelsäule ent­ langfahren. Sie ist unvorsichtig beim Sprechen, ihre Schritte sind leicht. Sie hat auch Angst vor gewissen Dingen, aber vor der Welt hat sie keine Angst. An guten Tagen, wenn sie bereit ist, mehr Rücksicht auf mich zu nehmen als sonst, setzen wir uns zusammen auf den Balkon und schreiben Briefe an die Welt, die wir zu Papierfliegern gefaltet in sie entlassen. Nach solchen Tagen ist es leicht, einkaufen zu gehen und durch die Stadt zu laufen, weil ich das Gefühl habe, dass all die Geräusche und Lichter meine Worte im Ohr haben. An schlechten Tagen schreit sie, aber ich lerne, zu­ rückzuschreien. Schreie haben für mich immer fremd ge­ schmeckt, weil meine Mutter Schreie hasste und niemand je schrie bei uns. Aber ich bin unterdessen genug gereist und habe schon Stierhoden hinuntergewürgt, da kriege ich auch Schreien hin. Ich lerne überhaupt, sie nachzuahmen. Meine Bewe­ gungen werden leichter, weil ich vergesse, ob ich traurige Augen habe oder nicht. Ich habe keine Angst mehr, mich in Falten zu legen wie meine Mutter, denn was ich tue, fühlt sich mehr nach Wachsen als nach Schrumpfen an. Ich versuche, den Garten meiner Eltern zu vergessen. Im Laufe meiner Kinderjahre nahm er immer mehr Platz ein, wurde wilder und wilder. Die Blumen meiner Mutter mochten warme, sumpfige Sommer und verteilten fruchtbar ihre Samen überall, wucherten in die Rasenflä­ che hinein. Sie waren schöne Farbtupfer, und Leute von der Strasse starrten oft mit einem Lächeln über den Zaun. Ich war dankbar, dass die Blumen so viel Aufmerksamkeit verlangten, dass sie nicht sahen, wie ich zusammenge­ faltet an der Hauswand kauerte und meine Füsse an­ starrte. Weil mein Vater keinen Besuch mehr hatte, schnitt meine Mutter keine Blumen mehr, und so blühten sie noch wilder und länger, bis das Blühen faulig und über­ reif wurde. Dann lief mir ununterbrochen die Nase und die Schwellung meiner Mutter dehnte sich auf ihre Hand­ gelenke aus. Meine Telefonate mit meinen Eltern werden immer seltener, aber einmal rufe ich an, um meinen Vater zu fra­ gen, weshalb er und meine Mutter die Welt für den jeweils anderen nicht mehr gefiltert haben, wieso sie so weit aus­ einander standen, dass dazwischen Dinge wachsen konn­ ten. Mein Vater sagt mir, das passiere nun halt mal, wenn man jemanden mehr liebe als sich selbst. Ich weiss nicht, ob er damit mich oder meine Mutter meint. Ausserdem, 8

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sagt er, sei es schön, Dinge wachsen zu sehen und dabei so viel zu fühlen, dass es die Hände schwellen und die Augen tränen lasse. Ich beschliesse, selbst so sehr zu wachsen, dass kein Platz mehr wäre für etwas anderes, das ich lieben müsste, bis mir die Hände schwellten. Mit geschwollenen Händen lassen sich so schlecht Nackenhärchen streicheln und Erbsen sortieren. Ich sage meiner Freundin, dass ich mich mehr liebe als sie, und sie findet das gut. Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich meiner Mutter jemanden wie meine Freundin wünsche und denke, dass mein Vater etwas falsch gemacht hat. Ich gleiche meiner Mutter sehr und erschrecke manchmal, wenn ich mich im Spiegel sehe. In dem Som­ mer, in dem mein Körper begann, sich zu verändern, fiel mir zum ersten Mal auf, dass er mehr und mehr aussah wie der meiner Mutter, bevor sie Falten geworfen hat. Als ich zum ersten Mal Blut in der Toilette fand, er­ klärte ich meinen Eltern, dass ich bald sterben würde. Sie sagten mir, nein, ich würde nur erwachsen, und mein Va­ ter wollte das gerne feiern. Er hatte wohl befürchtet, das würde bei mir nie passieren, weil ich immer noch auf mei­ nem Kinderstuhl sass und kleine Kinderfüsse hatte. Aber ich sagte, nein danke, ich sterbe lieber. Mein Vater sah schockiert aus, meine Mutter traurig. Ich floh in den Gar­ ten, weil ich schreien wollte, aber es damals noch nicht konnte. Ich wollte nichts Fremdes mehr an diesem Tag. Draussen setzte ich mich zwischen die Blumen und starrte meine Hände an. Ich war ganz sicher, dass sie jetzt auch anschwellen müssten oder dann ganz hart werden, aber sie taten nichts davon und blieben feine Kinder­ hände. Die Blumen bissen mir nur an den Unterschen­ keln, und ich wollte, dass mich der rote Ausschlag der Allergie auffressen würde, von unten und innen, mich auflösen zusammen mit der Sonne. Meine Eltern werden mehr und mehr zu Vergangen­ heit und mit ihnen die Blumen. Manchmal, wenn ich von ihnen erzähle, denke ich bereits, ich hätte sie erfunden, um meine Dünnhäutigkeit zu erklären. Es ist ein ange­ nehmes Vergessen, weil es so viel Platz aufmacht. Ich ver­ suche, mehr zu schlafen und zu essen, anstatt mir jeden Abend Blütenstaub von der Haut zu schrubben. Ich lerne Leute mit festem Händedruck kennen, die ich meist nicht mag, aber die mir nicht wehtun. Als mir aber im Frühling wieder die Nase zu laufen beginnt, beschliesse ich, meine Eltern zu besuchen. Ich steige in einen Zug, nehme meine Freundin mit, weil mich der Geruch ihrer Haut beruhigt und weil ich keine Angst mehr habe, dass sich der Blütenstaub auf ihr fest­ setzen könnte. Sie lässt solche Dinge nicht an sich heran, sie hat keine Allergien, und wenn sie sie hätte, würde sie, ohne Bedenken wegen der Chemie, Tabletten dagegen schlucken. Das Haus meiner Eltern ist wunderschön und fast nicht mehr erkennbar. Ganz überwuchert ist es von den Blumen, die es geschafft haben, sich an den Mauern hi­ naufzuhangeln und vom Balkon zu hängen. Die Klingel ist so überwachsen, dass ich nicht an sie herankomme, egal, wie fest ich an den Blättern und Blüten Surprise 404/17

zerre. Auch die Türklinke ist fest im Griff der Ranken und lässt sich nicht bewegen. Wir beschliessen, es bei der Ter­ rasse zu versuchen. Das Gartentor klemmt, aber wir bringen es mit ver­ einten Kräften auf. Der Garten ist eine Flut von leuchten­ dem Gelb, ich schliesse die Augen und kämpfe mich durch, mit jeder Blume, die ich ausreisse, tun mir die Hände mehr weh und ich habe Angst, dass sie genauso aussehen werden wie die meiner Mutter, sobald wir beim Haus ankommen. Ich niesse und weine und meine Freun­ din reisst die Blumen wütend und büschelweise aus. Die Hintertür ist offen. Auch die Blumen haben das bemerkt und sich in einem Blütenteppich ins Haus er­ gossen. Wir gehen leise hinein, das Haus wirkt ruhig und unberührt, die Blumen schlucken jedes Geräusch, und die Luft ist mit Blütenstaub gesättigt. An den hölzernen Möbeln haben sich Blumen festgekrallt, aus dem Lavabo spriessen sie. Ich rufe nach meinen Eltern. Nur ein leises Bienensummen kommt zur Antwort. Das grosse Ehebett wächst gelb, fast bis zur Decke geht es. Ich beginne, die Blumen wegzureissen, ignoriere meine allergischen Re­ aktionen, lasse Blütenblätter in der Luft wirbeln wie Kon­ fetti. Meine Finger kann ich schon fast nicht mehr bewe­ gen. Bevor ich es durch das Gewächs schaffe, zieht mich meine Freundin weg. «Komm, wir gehen», sagt sie, «das bringt nichts.» Ich weiss nicht, ob sie Angst hat, dass ich Asthma bekomme oder, wie ich, dass ich unter all den Blumen die Skelette meiner Eltern finden würde, aufge­ löst vom Blütenstaub, so wie ich es mir einmal ge­ wünscht habe. «Vielleicht sind sie ja umgezogen, geflohen», sage ich und sie nickt, packt mich am Handgelenk, um mich hin­ auszuführen. Wir sitzen auf einer Bank in der Nähe des Hauses, so lange, bis meine Hand wieder so weit abge­ schwollen ist, dass sie sie halten kann. Bevor wir gehen, nehme ich für meine Samensamm­ lung noch ein paar Samen der Blumen mit. Zuhause werde ich sie säuberlich in ein Kästchen legen. Die Vor­ stellung, ihnen das Keimen zu versagen, gefällt mir. Lou Meili  ist 1996 in Zürich geboren und auch da aufgewachsen. Seit 2015 wohnt Lou in Biel und studiert dort am Schweizerischen Literaturinstitut.

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weg. Von Martina caluori

Error 404. ich versuche es nochmals. error 404. abermals rufe ich Den Link auf. error 404. tot. Der tote Link. Ein bislang ungelöstes problem – der link, Zu dir. Tot. Im hypertext, Da die lineare informationsdarstellung zu komplex ist, die Informationseinheit nicht Redundant ist Darum nicht weggelassen werden kann. Weg. der Link. und damit Kann auch die deinige integrität niemals sichergestellt werden. wie auch. Error 404. Die informationssicherheit schlicht versagt. der link einfach weg – weg. Aufstehen Nur aufstehen Geschafft. der erste Schritt in den tag. der tag, der verdammte tag. nicht ein tag. nein der tag. der Deiner beerdigung. Bereits um 7 uhr in der früh könnte ich mich übergeben. Doch dort ist nichts. Weiter unten Auch nicht. vielleicht etwas tiefer¹? nein. kaffee – k-kacke du a-affe Du sowas von verficktem scheiss, ich will nicht, dass heute Heute ist und Gestern auch nicht und vorgestern, das gestern vor heute auch nicht. nein. tag. Der tag. kein tag. zum henker mit den tagen, nieder sollen sie gehen gemeinsam Mit dieser toten zeit. stopp. ein schluck kaffee und Doch eine zigarette. nie Wieder wollte ich eine nieder rauchen Ohne dich. los, schnell. die eine. dann ab unter die Dusche. es wird bestimmt Nicht diese eine sein, die die zellen² verändert. übel. mir ist so richtig übel. der Qualm beruhigt. waschen, abwaschen, tränen, der kalte schweiss. haare Zum turban, blick in den spiegel. scheisse. mit schminke schnell die schwarzen

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Fugen überdecken, extra waterproof maskara. besser. einen scheiss ist es Besser. ich sollte gefasster sein. dir mit stolz und ehr­ furcht deine letzte ehre erweisen. letzte ehre? pfeif drauf! scheiss drauf! ich will das nicht. nicht jetzt, Morgen nicht, übermorgen auch nicht und die kommen­ den morgen nach diesem Morgen auch nicht. so viele ehren konnte ich dir gar noch nicht geben Für das es nur annähernd die letzte wäre. können wir diesen tag nicht Überspringen und alle So tun als würde es deine beerdigung einfach nicht ge­ ben? einfach. einfach Anziehen, atmen und dahin gehen. einfach. atmen, tief ein, aus, atmen. irgendwas, Das mich atmen lässt. kippe, ja, jetzt. noch eine. etwas parfüm, schuhe an, ein Letzter blick in den spiegel. scheisse. los. «du zerdrückst mir gleich die hand.» «tschuldigung», meine ich mit einem verkappten lächeln zu meiner klei­ nen schwester. schwester. deine schwester Steht alleine. Da. da stehst du nicht. oder doch? irgendwie schon. da­ neben. Aufgestellt auf einem sockel. in der urne. Gleich dem hypertext Bietet die urne gegenüber Der linearen informationsdarstellung Tod Leben In der urne Vergleichsweise redundanzarm. Speicher gespart Wartung vereinfacht. In der urne. wie um himmels willen passt du denn bitte­ schön in diese urne? Nein. nein. Nein. ich will die tränen nicht. und all diese fragen in Meinem kopf nach sinn und unsinn und wertigkeit des lebens auch nicht. und Das gezittere auch nicht. man stirbt. dann ist man tot. punkt. kein komma, keine Klammer, kein strichpunkt, einfach nur punkt. atmen, ein, aus. Luft. wir halten Uns fest, ganz fest. wir, deine freundinnen. wir? wie wir? unser wir – das wir Mit dir und mir, uns – ist fort. weg. einfach weg. weg? weg ist wohl das Bekloppteste wort – weg– oder doch weg? Für mich bist du weg, für dich hoffentlich auf einem weg. Weg. Error 404.

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¹Tiefer Tief Ganz tief In die weiten hinab Schwarz Grau Blau Wirbelnd Sprudelnd Still

Da ist er Der Schmerz Tief Ganz tief Weit weit unten Schwarz Grau Blau Wirbelnd Sprudelnd Magenhöhe Da ist er Der Schmerz Hochkommend Langsam Schneller Würgend Zum kotzen Alles draussen Der Schmerz bleibt Irgendwo Da unten Ganz tief Unten

²zellen Leise Tappen sie Heran Da Sind Sie Die veränderten Zellen

Leicht Sanft Vegetierst du Heran Da Dahin Ich gleite Dazwischen Doch du Bist Er auch Er Der Krebs Mit all seinen zellen In between Somewhere Nowhere But There

Martina Caluori,  geboren 1985, ist in Chur aufgewachsen und lebt seit ihrem Studium der Publizistikund Filmwissenschaften in Zürich. Sie ist in allen Arten des Schreibens tätig – kommerziell und literarisch.

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Fluchtwege Von Marco de las Heras

«Ich bin sicher, wir sterben mehrmals im Leben», hattest du auf Jonas’ Feier in die Runde geworfen, und ich erin­ nere mich noch, wie wir alle mit einem Lächeln darüber­ geflogen sind, um die Stimmung nicht kippen zu lassen. Oberflächliche Gespräche konntest du noch nie leiden, aber das hätte wirklich nicht sein müssen. Nicht in Ge­ sellschaft, nicht unter Freunden. Bekannten, wie du mich an dieser Stelle korrigieren würdest. «Die Frau hat grosse Probleme», flüsterte Emily, nachdem sie mich an meiner Krawatte in die Küche ge­ zogen hatte. «Wie meinst’n das?», hakte ich nach, im Wissen dar­ über, wie sie es meinte. «Na ja. Hör sie dir doch an! Was willst’n mit der?», zuckte sie die Schulter und lutschte weiter an ihrem re­ genbogenfarbenen Lollipop, den sie sodann, einige Se­ kunden verstreichend, gegen die Innenseite ihrer Wange drückte. «Nicht hier!», konterte ich ihre Andeutung, aber da hatte sie mir auch schon in den Schritt gegriffen. Später – viel später, als ich mit dir im Auto sass und heimfuhr, hing ein Nachthimmel über uns, wie ich ihn schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen hatte. Voller Sterne, voller Zauber. «Das war ein schöner Abend», sag­ test du aus dem Nichts, unglaublich nüchtern. Mich über­ kam ein schlechtes Gewissen. Bezüglich allem. Zum ers­ ten Mal. Am darauffolgenden Wochenende hatte ich mich mit den Jungs im Irish Pub verabredet. Ich machte mich ge­ rade vor dem Spiegel fertig und gelte mir das Haar nach hinten. Auf deinem MacBook spielte «Cornerstone» von Benjamin Clementine in Dauerschleife. Du lagst auf dem Sofa, starrtest an die Decke und hattest zu blinzeln ver­ lernt. «Warum interessiert es dich nicht, wie es mir geht?», fragtest du leise. Es kostete enorme Anstrengung, dir eine erwachsene Antwort in festem Tonfall zu geben. Deswe­ gen sagte ich nichts. Hatte keinen Nerv mehr. Ich parfü­ mierte mich. «Wann reden wir endlich? Wir müssen reden!» «Hab doch bereits alles gesagt», erwiderte ich. Der Satz schmerzte meinen Ohren, so oft hatte ich ihn bereits verwendet. Bloss nicht erweichen lassen, dachte ich, gleich hast du’s geschafft! «Lass uns wann anders darü­ ber sprechen. Morgen oder so», rettete ich mich mit der letzten Energie, die mir übrig blieb, bevor ich zum Schlüs­ sel griff und startklar war. Du hattest dich zur Sofalehne gedreht. Ich zog die Tür hinter mir zu. Klack. Mein Herz entkrampfte sich. Das Fiddlers war ein mit dunklem Eichenholz getä­ felter Raum, mit roten Sitzpolstern und einer Bar dämm­ rigen Lichts. Wir aber standen überwiegend im Raucher­ hof, überwiegend wegen mir, denn in dieser Phase meines Lebens kam mir jede Zigarette zu kurz vor. 12

Schnell war eine ganze Packung verqualmt. Jonas er­ zählte von seinem letzten Tunesienurlaub. Alles total westlich, sagte er, zwar von Touristen überlaufen, aber mit ein wenig Glück finde man abgelegene Strände, oder alte Bäckereien. Die Menschen wären dort sehr offen, das Essen vielfältig. Gefahr bestünde keine, man müsse sich eben zu verhalten wissen. Meine Gedanken drohten wie­ der und wieder abzuschweifen. Private Probleme nimmt man mit in die Arbeit, heisst es. Nun, bei mir verhielt sich das ein wenig anders, vielleicht weil ich Probleme über­ haupt nicht erst aufnahm. Ich schrieb die besten Werbe­ texte seit Langem. Um ehrlich zu sein, ich war froh, unter der Woche fern zu sein. Fern von dir. Und deshalb kam ich in diesem Monat, es war November, immer später nach Hause. Emily auch. Aber das ist eine andere Ge­ schichte. «Läuft da eigentlich etwas?», fragte Tim. «Zwischen dir und Emily, meine ich.» «Was?» «Läuft zwischen dir und Emily etwas? Eine Affäre?», wiederholte Jonas klar verständlich. «Nein! Natürlich nicht!» «Nein? Und warum sieht sie dich dann die ganze Zeit in etwa so an ...», sagte Tim und imitierte einen notgeilen Blick. Ich hielt meinen Mund. «Jetzt ist er sauer», sagte er. «Eiskalt erwischt!» «Uns kannst du es doch erzählen!», witzelte Jonas freundschaftlich. Sein Gesicht ähnelte dem einer Schlange. «Da läuft nichts, und jetzt hört auf damit! Ich bin mit Laura zusammen, basta!» Just in dem Augenblick raunte es von der anderen Ecke des Aussenbereichs. Das Pokalspiel Dortmund Schalke wurde auf einem grossen Flachbildschirm aus­ gestrahlt. Verpatzte Torchance. Ich witterte die Möglich­ keit, das Thema zu wechseln, und fädelte mit äusserstem Geschick eine Diskussion über die Spielerleistungen der laufenden Saison ein, denn weisst du Laura, ich glaube nämlich, genau diese Art von Belanglosigkeit ist es, mit der wir uns über den Tag hinwegretten. Es wurde ein richtig schöner Abend. Jonas erzählte, dass er gerne die grössten Wasserfälle der Welt sehen würde, Foz do Igu­ açu, und Tim erzählte von ungeklärten Fällen aus Akte X, die uns den Heimweg mit dem mulmigen Gefühl be­ schreiten liessen, jemand sei uns auf den Fersen. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich den passenden Schlüssel für die Wohnungstür fand. Der Bund rasselte. Ich stocherte am Schloss herum. Traf irgendwann das Loch. Schwankend trat ich hinein und hielt mich an der Wand fest. Das Licht liess ich aus. Als ich nach vorne blickte, standest du vor mir. Im Nachthemd. Die Kälte der Kacheln kroch deine nackten Füsse empor. Du jagtest mir einen Mordsschrecken ein. «Was machst du denn hier?», fragte ich verärgert. «Ich habe auf dich gewartet», sagtest du. «Wir müs­ sen reden!» «Geh schlafen!» «Ich halt’ das nicht mehr aus», setztest du fort. Ich lehnte mich gegen die Wand, ich war fertig. Surprise 404/17


«Dir sowieso egal, oder?» «Was denn?» «Dass ich es nicht mehr aushalte!» «Nein, das nicht», sagte ich gelangweilt. «Aber?» «Wir wollen es doch nicht.» «Damit ist das Thema für dich abgehakt? Und wenn ich es doch will?» Darauf sagte ich nichts. Darin war ich gut. «Sag mir, wer gibt uns das Recht, über Leben und Tod zu entscheiden?», fragtest du. «Mach doch nicht immer so ein Drama aus allem. Es lebt doch noch gar nicht richtig, kann nicht denken und nichts!» «Weisst du, was das für ein Gefühl ist, so ein Kind in sich zu tragen? Tag für Tag diese Verbindung wachsen zu spüren? Weisst du das?» «Nein Laura, weiss ich nicht! Es ist mir auch egal», sagte ich. Was kindisch war. Dann zog ich die Schuhe wie­ der an und machte kehrt. Du versuchtest nicht einmal, mich aufzuhalten. Im Nachhinein kann ich dir sagen, Laura, ich hatte Angst, fürchterliche Angst. Um meine Zukunft, um meine Freiheit, um meine Pläne und Träume, jenseits von dir und uns. Ich weiss, diese Wörter sind neu für dich. Und ja, ich erinnere mich, gleich nachdem wir uns kennenge­ lernt hatten, malten wir uns einen gemeinsamen Ort aus, an dem wir wohnen würden. Jeder seinen Traumjob aus­ übend. Ungemein glücklich, versteht sich. Kinder? Viel­ leicht. Und wenn, dann wären es wunderbare Geschöpfe mit aussergewöhnlichen Namen. Wie Aurelia. Du sagtest immer, du ver­ bändest Namen mit bestimm­ ten Assoziationen. Christian wäre für dich eine Säge, oder ein gross gewachsener Mann mit blondem Haar. Olaf wäre ein Drucker, oder ein gutmüti­ ger Mann mit Geheimrats­ ecken. Ich konnte dir nie fol­ gen. Wahrscheinlich, weil mir die dafür notwendige Sensibi­ lität fehlte. Meistens lachte ich dümmlich, fasziniert von deinen Wahrnehmungen. Manchmal, unter Leuten, sprachst du auch von Schwin­ gungen und Energien, die du fühlen könntest und die dich beeinflussen würden. Du machtest mich auf Ticks und Gesichtszüge sowie deren Bedeutungen aufmerk­ sam. Häufig von Menschen, die mir nahestanden und de­ nen ich danach nicht mehr unbefangen entgegentreten konnte. Stück für Stück nahmst du so mein Leben ausei­ nander, Laura, zerredetest mir jeglichen Sinn, bis zur Be­ wegungslosigkeit. Ich wählte Emilys Nummer. Sie hob unverzüglich ab. Ich sagte, ich wolle heute bei ihr schlafen, ob das in Ord­ nung ginge. Natürlich, sie sei gerade nach Hause gekom­

«Weisst du, wie es ist, ein Kind in sich zu tragen? Tag für Tag diese Bindung wachsen zu spüren?»

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men, sie würde sich freuen. Als ich dort ankam und sie mir die Tür öffnete, umarmte sie mich. Das tat gut. Dann setzte ich mich aufs Sofa und Emily zog sich aus. Sie stol­ zierte splitternackt zum Herd und nahm den Wassertopf. Ihr Hintern war knackig, aprikosenartig, zum Vergessen schön. Ihre Brüste waren gross, wölbten sich zu den Sei­ ten, wie Halbmonde. Sie stand leicht im Hohlkreuz. «Tee?», fragte sie mit einem Blick über die Schulter und biss sich auf die Lippen. Ich aber wollte etwas ganz an­ deres. Am nächsten Tag feierte Jonas erneut. Alle trafen sich, plauderten, tratschten. Die gleichen Gesichter, die glei­ chen Themen. So wie immer eben. Es überraschte mich, dass auch du da warst. Ich war tagsüber nicht nach Hause gekommen, und ohne mich gab es für dich eigentlich kei­ nen Anlass, zu erscheinen. Du trugst dein schwarzes Kleid, hattest dich dezent geschminkt, sahst bezaubernd aus. Als ich ins Wohnzimmer kam, warfst du mir ein La­ chen zu, aus der Ecke des Raumes, in der du und Jonas einander zugewandt standet. Ihr machtet den Eindruck zweier Dorfschwätzer. Ich war überrumpelt von diesem Lachen. Welchen Grund dazu hättest du auch haben sol­ len. Ich nickte nur kurz zurück und machte dann die Runde, um alle zu begrüssen. Im Laufe des Abends hielten wir Distanz. Du unter­ hieltest dich mit sämtlichen meiner Freunde, brachtest sie zum Lachen, zeigtest Humor und Gesellschaftsfähig­ keit. Du warst wie ausgewechselt. Ein kleiner Funke glühte an jenem Abend in mir auf. Ich glaube, Laura, das war Liebe. Als unsere Blicke sich schlussendlich durch die Terrassentür trafen, gleich nachdem du eine von unseren abenteuerlichen Geschichten erzählt hattest, worüber sich die Zuhörer mächtig amüsierten, wurden meine Au­ gen feucht. «Weinst du etwa?», fragte mich Emily harsch, mit der ich am Geländer stand und die mich von der Seite beob­ achtete. «Nein, tu ich nicht», sagte ich und schluckte kräftig. «Sah so aus», sagte Emily und blickte von meinem Gesicht wieder in die Ferne. Gegen zwölf Uhr löste ich mich von der Meute, ich wollte allein sein. Ich beschloss, in Jonas’ Arbeitszimmer zu gehen. Dort lehnte ich mich an den Schreibtisch und fixierte den Boden. Ein leises Klopfen an der Tür, und du tratest vorsichtig herein. «Hi», sagtest du und tapptest wie eine Diebin zu mir hinüber «Ich habe Sie schon den ganzen Abend beobach­ tet», flüstertest du, «und wollte mich bei dieser Gelegen­ heit nach Ihrem Namen erkundigen. Sie scheinen mir ein äusserst interessanter Mann zu sein.» «Lass den Quatsch, Laura», sagte ich, «das ist pein­ lich», wie bei manchen Filmszenen, die das Gefühl der Fremdscham hervorriefen. Du hörtest sofort damit auf, standest wieder wie gebrochen vor mir. Die verschissene Wanduhr knallte ihre Sekunden in die Stille. «Jonas steht auf dich», sagte ich, «der verfolgt dich schon den ganzen Abend!» Du legtest den Kopf zur Seite. «Das fällt dir erst jetzt auf? Tut er seit einem Jahr.» 13


«Heute ist es besonders auffällig», sagte ich. «Keine Angst, er beisst auf Granit», beteuertest du. Darauf sagte ich nichts mehr. Du auch nicht. Wir sahen uns einfach an. Lange. In die Augen. Von einem zum an­ deren. Eine Linie. Dann ein Dreieck, beide Augen und der Mund. Dann allumfassend. Haare, Nase, Mund, Augen, Hals, Schultern. «Willst du mir etwas sagen?», fragtest du sanft, mit einer leicht rauchigen Stimme. Ich schwieg. Deine Hände wanderten von meinem Kragen hoch zu meiner Wange, streichelten sie mitfühlend. Dann hinunter, bis sie auf meinem Herzen zur Ruhe kamen. Sie ruhten und ruhten, bis mir warm wurde und ein Beben meinen Brustkorb erschütterte. Mein Kopf schüttelte unaufhörlich. Dein Zeigefinger ertastete meine nassen Lippen, nass von mei­ nen Tränen. «Schhhh», machtest du leise, als wolltest du mich be­ ruhigen. Mein schutzloses Gesicht vergrub sich in meine Hände. Du streicheltest mir durch das Haar. Ein letztes Mal. Wie eine Mutter. Meine Schluchzer wurden kräftiger. Ich verspürte den Drang, an deine Brust zu sinken, doch du gingst. Wortlos. Liesst mich allein. Liesst mich zurück. Alles was blieb, war der nachhallende Klang von Endgül­ tigkeit, nachdem du die Tür hinter dir zugezogen hattest. Ein langgezogenes Kratzen ertönte, wie eine Katze, die eintreten möchte. Die Klinke wurde langsam nach un­ ten gedrückt. Es war Emily. Eine halbe Stunde lag zwi­ schen dir und ihr. «Hier bist du also», sagte sie, trat ein und sperrte ab. Ich stand mit dem Rücken zu ihr und blickte durch das Fenster, das den Raum spiegelte. Sie kam näher.

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«Ist Laura noch da?», fragte ich. «Nein. Aber ich.» «Mach das Licht aus», befahl ich ihr. Befehle mochte sie, das machte sie heiss. Sie tat, was ich ihr sagte. Einzig das Laternenlicht von der Strasse drang herein. Ich wandte mich ihr zu. Sie zog sich aus, öffnete meine Hose. Ich nahm sie mir, härter als sonst, schlug ihr dabei ge­ waltvoll auf den Hintern, einmal, zweimal, dreimal, bis er wund war, dann drehte ich sie um und würgte sie mit beiden Händen. Immer wieder rang sie nach Luft, doch ehe sie zu ersticken drohte, lockerte ich meinen Griff, so­ dass es ein Spiel hätte sein können. Ich kam in ihr, zog meine Hose hoch, verliess das Zimmer und liess sie auf dem Schreibtisch zurück. Ich eilte nach draussen, zum Auto. Fuhr los. Viel zu schnell, über rote Ampeln. War ver­ wirrt. Zuhause alles dunkel. Die Rollläden waren herun­ tergelassen. Ich rief einige Male deinen Namen durch die Wohnung. Ich ging in unser Schlafzimmer. Deine Sachen waren noch da. Ich versuchte es auf deinem Handy. The person you’ve called is temporarily not available. Ich durchquerte alle Zimmer, streunte im Dunkeln herum, wusste nicht wohin mit mir. Mal war mir nach Schreien, mal nach Aufatmen. Einmal schlug ich gegen die Wand und meine Fingerknöchel schwol­ len an. Dann sackte ich zu Boden und stierte den Flur entlang, geradewegs auf das Sofa, auf dem du immer elendig gelegen hattest. Ich hörte plötzlich den Song von Benjamin Clementine in meinen Ohren, den du im­ mer und immer wieder auf deinem MacBook abspielen hast lassen:

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I am lonely alone in a box of my own And this is the place, I now belong It’s my home, home, home, home, home. It wasn’t easy getting used to this I use to scream It’s not true, that it’s only when the door is locked That nobody enters Cause mine has been open till your demise But none had come, well who am I, What have I done wrong? Und langsam, ganz langsam dämmerte mir der Schmerz. Dein Schmerz, Laura. Dein Schmerz aufgrund meiner Hand, die sich nie auf deinen Bauch gelegt hatte, aufgrund meines Ohres, das kein einziges Mal versucht hatte, ein zweites Herz in dir schlagen zu hören. Allmählich klarte sich etwas in mir auf, denn es war nicht so, dass ich das Kind nicht wollte, Laura, hörst du? Sondern weil ich schlicht und ergreifend nicht an diese Familiengeschich­ ten auf den Plakaten oder in den Fernsehwerbungen glaubte, an dieses überzogene Glück, das stets vermittelt wurde und für jenen Irrglauben ich die Mitschuld trug, denn ich, Laura, ich schrieb die Texte dafür! Und du? Du behieltest den Mut, daran zu glauben, nicht wahr? Die Zu­ versicht, die mir abhandenkam. Die Hoffnung, die in mir zugeschüttet lag, jene Hoffnung, die du freizuschaufeln versuchtest, um mir das zu zeigen, was du schon lange vor mir gesehen hattest: Eine gemeinsame Zukunft. Mein iPhone vibrierte auf dem Dielenboden. Ich zuckte zusammen, als wäre ich von heissen Nadeln gestochen worden. Auf dem Display erschien dein Name und ich hob unmittelbar ab. Ein Rauschen am anderen Ende der Lei­ tung. Dann dein Atem. Nur dein Atem. Sonst nichts. «Laura?», sagte ich, ich sagte «Laura? Es tut mir leid.» Ich sagte: «Es tut mir so unendlich leid!», und ich schwöre bei Gott, ich wollte dir noch so viel erzählen, wollte dir alles beichten, wirklich alles. Aber dein fürch­ terliches Wimmern unterbrach mich. Also lauschte ich deiner Trauer. Zum ersten Mal. Bis zum Schluss, als du auflegtest und ich wusste: Es war zu spät. Nach diesem Abend wechselten wir die Seiten, ver­ tauschten geradezu die Rollen. Nicht mehr du warst es nun, die auf dem Sofa mit Schlafanzughose kauerte und sich mit Gewissensbissen herumplagte, sondern ich. Du warst diejenige, die sich mit Freunden traf, auch mit Jo­ nas, du diejenige, die auf denselben Fluchtwegen entkam, auf denen ich dir entflohen war. An diesem Tag fuhr nicht ich das Auto – du fuhrst es. Ich sass schweigend auf dem Beifahrersitz, mit ein paar Kilo weniger auf den Rippen. Deine Entscheidung blieb unumstösslich. Es war sinnlos, mit dir zu diskutieren. Ich bemerkte, wie schadenfroh du zu mir herüberblicktest, als würdest du mithilfe der Abtreibung ein Messer in meine Brust rammen wollen. Und dir gleich mit. Wie bei einem Kamikazeangriff. Ich musste mich an deinen Satz erinnern, auf der Party, als du sagtest, man sterbe mehrmals im Leben. Du behieltest recht, Laura, in mir war nicht mehr viel Leben­ diges zu finden. Die Klinik war in der ersten Etage eines Surprise 404/17

morbiden Plattenbaus untergebracht, am Rande der Stadt. Wir sassen im Wartezimmer. Du tipptest auf dei­ nem Smartphone herum und ich starrte auf den Boden. Ein Stuhl blieb zwischen uns frei, ebenjener leere Platz, der uns für immer trennen würde. Ein anderes Pärchen sass uns schräg gegenüber. Auch sie hatten sich offen­ sichtlich dagegen entschieden, jedoch gemeinsam, denn sie hielten sich liebevoll und unterstützend die Hände. Der Mann brachte seiner Frau sogar einen wassergefüll­ ten Pappbecher von dem Spender in der Ecke. Der Raum füllte sich. Die Wartenden kamen mir vor wie ein gehei­ mer Bund, der auf der Strasse anonym bleiben wollte. So sahen sie also aus, die Menschen, die ein neues Leben verweigerten. Der Ventilator über uns war zu stark einge­ stellt und wirbelte die Luft zu uns herunter. Sein Geräusch machte mich halb wahnsinnig. Der Arzt, der den Eingriff vornehmen würde, trug einen osteuropäischen Namen, und die Empfangsdame, welche die Wartenden aufrief, hatte einen Akzent. Russisch, polnisch, irgend so etwas. Jetzt wurde dein Name aufgerufen, Laura, und auch ich erhob mich, als wäre ich dir gleichnamig. Du stecktest dein Smartphone in die Tasche und liefst an mir vorbei, als würde ich überhaupt nicht dazugehören, als wäre ich irgendein Kerl, von dem alles aus deinem Leben entfernt werden musste. Wie ein Abgehängter sah ich dir noch auf dem Gang nach. Fast wollte ich dir ein paar miese Ab­ schiedsworte hinterherwerfen, kurz bevor du die Schwelle zum Operationssaal überwunden hattest, allein schon aus Rache, aber du warst bereits ausser Reichweite. Dafür beugte sich die Schwester zu mir herüber. «Zwanzig Minuten, dann können wiederkommen», sagte sie mit ihrem Akzent. Zwanzig Minuten, das war so lange wie die Autofahrt von Jonas zu uns, so lange wie der Sex mit Emily, so lange wie fünfmal das Lied «Corner­ stone». Zwanzig verschissene Minuten, und alles wäre vorüber. Ich ging auf die Toilette und wusch mir das Gesicht. Ich lief den Gang auf und ab und setzte mich wieder in das Wartezimmer. Ich nahm mir eine Zeitung und legte sie wieder weg. Ich zuckte unaufhörlich mit meinem rechten Bein und wechselte dabei die Haltung meines Oberkörpers. Das alles nahm fünf Minuten in Anspruch. Gerade schabten sie wahrscheinlich den Fötus heraus. Mit diesem Gedanken stürmte ich wieder aufs Klo und kotzte mir die dreckige Seele aus dem Leib und wünschte mir, ich wäre tot. Die Toilette roch nach Desinfektionsmittel und Medi­ kamenten. Meine Stirn verkrampfte sich und ich fing zu weinen an. Tiefe, krampfhafte Schluchzer stiess ich aus, dann fasste ich mich wieder, weil jemand an der Tür klopfte. Ich kontrollierte meine roten Augen im Spiegel, blinzelte ein paar Mal. Dann öffnete ich die Tür. Die Kran­ kenschwester stand davor und reichte mir auch schon ein Taschentuch. Ich dürfe jetzt zu dir in den Schlafsaal ge­ hen. Schliesslich wäre es schön, wenn man nicht alleine aufwachen würde, sondern jemanden an seiner Seite wüsste, sagte sie. Dann erklärte sie mir den Weg und ich war unsicher, ob ich ihrer Beschreibung folgen oder bes­ ser gehen sollte. 15


Der Wachsaal war ein Raum voller Betten, die mit grünen Schutzvorhängen voneinander getrennt waren. Hier und da ein Gemurmel von Patienten, die gerade aus der Nar­ kose erwachten. Ich spähte der Reihe nach zwischen den Vorhängen hindurch, stiess meine Nase in die Privat­ sphäre zahlreicher Frauen. Eine Schwester tippte mir auf die Schulter und fragte mich in tadellosem Deutsch, wen ich denn suchen würde. Dann checkte sie ihre Namenliste und führte mich zu dir. Du lagst zur Seite gelehnt auf dem Krankenbett. Ich zog den Vorhang hinter mir zu und setzte mich auf den Stuhl neben dich. Dein Atem ver­ zeichnete einige Aussetzer, ansonsten blieb er gleichmäs­ sig. Ich lehnte mich nach vorne, nah zu dir. Ich könnte dich jetzt erwürgen, dachte ich, oder küssen. Du warst wunderschön. Ich strich eine Strähne aus deinem Gesicht und spürte, wie lange ich dich schon nicht mehr berührt hatte. Du fühltest dich fremd an. Deine Haut war kälter und nicht mehr so weich und zärtlich wie einst. Ich dachte Anzeichen deines Bewusstseins zu erkennen und huschte zurück. Aber es waren nur deine Schlafzuckungen, die du dir niemals eingestehen wolltest, genauso wenig wie dein Schnarchen. «Tu ich doch gar nicht», hattest du immer gesagt – doch, Laura, tust du. Das Erwachen kroch in deine Finger, die sich langsam bewegten. Dann in deine Arme, dann in deine Augenlider, die alsbald zu flattern begannen. Du wälztest dich auf den Rücken. Ich rutschte mit dem Stuhl wieder zurück, um Distanz zu halten. Gleich würdest du zu dir kommen. Ich dachte an früher, als wir uns kennengelernt hatten, liess 16

uns im Zeitraffer abspielen, sah uns, als wir noch ein Team waren, du und ich, Laura. Als wir noch an gleichen Strängen gezogen hatten. Und am Ende diese Frage: Was nur war geschehen, warum schafften wir es diesmal nicht? Es war so weit. Du öffnetest die Augen. Sahst jenes Licht der Welt, das unser Kind nie erblicken durfte. Du starrtest an die Decke. Dann schlucktest du langsam, ehe du die Augen wieder verschlossest, ähnlich wie ein Tier, das sich tot stellte. Einige Minuten verharrten wir so. Wir sagten nichts. Absolut nichts sagten wir. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, wenn ich zuvor gegangen wäre. Ich überlegte mir, ob jetzt der passende Moment gekom­ men war, um zu verschwinden. Aber natürlich blieb ich. Irgendwann kam die Krankenschwester und half dir, dich aufzurichten, während ich wie ein unbeholfener Volltrot­ tel daneben stand. Sie fasste um deine Taille, mit dem Rücken zu mir. Dein Kinn stützte sich währenddessen auf ihre Schulter, und du musstest mich ansehen. Deine zarte Augenpartie wurde von tiefen Falten zerkratzt, deine Mi­ mik war hart wie Stein. Dein rechtes Augenlid fiel lang­ sam herab und zwinkerte mir zu, wie unter Komplizen, die etwas Schreckliches vollzogen hatten. «Sie muss sich ausruhen! Kein Sport, viel trinken!», sagte die Kranken­ schwester zu mir, weil sie offensichtlich der Meinung war, du wärest nicht aufnahmefähig. Ein freches Grinsen brei­ tete sich auf deinen Lippen aus, in deinen Augen aber bildeten sich Tränen. Dann übergab die Schwester mir deine Hand. Ich griff sie und stützte dich zur Tür. Es kam mir vor, als würdest du dich extra schwer machen. Dann Surprise 404/17


die Treppen hinunter. Du und ich. Gemeinsam. Stufe für Stufe. Ein Fuss nach dem anderen. Ich hielt dich dabei am Arm fest und du dich am Geländer. Ich blickte dich von der Seite an, du sahst zu Boden. Einmal bliebst du kurz stehen und wischtest mit deinem Ärmel über dein Ge­ sicht. Deine Haare versperrten mir die Sicht, aber ich ver­ mutete Tränen, denn der Stoff an deinem Ärmel war da­ nach nass geworden. «Ich liebe dich, wir kriegen das schon hin», wären Sätze gewesen, die andere Menschen mit anderen Vorgeschichten an dieser Stelle zueinander gesagt hätten, ich aber seufzte nur und forderte: «Gib mir die Schlüssel, ich fahr uns.» Wir befanden uns gerade im letzten Abschnitt des Treppenhauses, rasteten auf einer Zwischenebene, von der aus man die Ausgangstür sehen konnte. Plötzlich wolltest du deine Hand von meinem Griff befreien. Ich liess dich gewähren. Du kramtest in deiner Hosentasche, die viel zu eng genäht worden war und dir den Handrücken dabei aufrieb. Diese Hose war schon immer eine Nummer zu klein für dich ausgefallen, schon als du sie damals gekauft hattest. Die Autoschlüs­ sel kamen zum Vorschein, rasselten zwischen deinen Fin­ gern. Du reichtest sie mir am Bund. Jetzt sah ich dein Gesicht. Die roten Ränder um deine Augen, die trockenen Lippen. Ich hatte richtig vermutet, du hattest geweint. «Schon in Ordnung», sagtest du, «fahr alleine.» Wir waren die Einzigen im Treppenhaus, und das Wort «al­ leine» hallte noch nach. Wenn auch nur in meinen Ohren. «Stell dich nicht so an, ich fahr uns!» «Du verstehst nicht!», sagtest du, und ich versuchte deinen Blick einzufangen, der zum Boden floh. Surprise 404/17

«Was verstehe ich nicht?», fragte ich und wollte in dein Sichtfeld gelangen «Was verstehe ich nicht, Laura?» «Ich fahre bei Jonas mit!» Dann eiltest du das letzte Stück Treppe hinunter, viel schneller, als ich dir zugetraut hätte. Aus der Tür der Glas­ front, hinein auf den Beifahrersitz von Jonas’ Wagen, der plötzlich, wie ein Fluchtfahrzeug, vor dem Eingang stand. Ich folgte dir noch, schritt benommen nach draussen, als hätte ich einen Schlag auf die Schläfen bekommen. Sah, wie Jonas seine Hand mitfühlend in deinen Schoss legte. Dich tröstend streichelte. Und wie er von mir Notiz nahm, indem er mit zusammengepressten Lippen mir ein kur­ zes Nicken schenkte, ehe er den Motor startete. Ich wollte gegen die Scheibe schlagen und dir etwas zurufen, wie «Was machst du denn da bloss?!» oder «Ist es wirklich das, was du möchtest?!», aber was hätte das geändert? Stattdessen blickten wir uns an. Wie gelähmt. Du und ich. Durch die Autoscheibe. Sahen zum letzten Mal das, was von uns übrig geblieben war und erinnerten das, was wir gewesen sind. Und ehe der Schmerz uns übermannen konnte, du in meiner Vorstellung aus dem Auto stiegst und wir uns in die Arme fielen, für eine Sekunde das ver­ gessend, was geschehen war, setzte sich der Wagen auch schon in Bewegung und wir verloren uns aus dem Winkel unserer Augen. Marco de l as Her as,  geboren 1992 in Nürnberg, hat Gedichte, Theaterkritiken und Kurzgeschichten geschrieben und publiziert. Derzeit arbeitet er am Schweizerischen Literatur­ institut an seiner ersten Novelle.

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Und wir spiegeln mich Von Daniela Dill

I Begegnung

Das muss Schicksal sein: Da geh ich allein, ein sonniger Tag, geh querfeldein bis ans Ende der Stadt, als du plötzlich in der aquamarinblauen Glasfassade des Opus 12 aus dem Nichts auftauchst. Das muss Schicksal sein: Da geh ich allein, ein sonniger Tag, geh querfeldein auf Schnäppchenjagd, als du plötzlich in der aquamarinblauen Schaufensterfront von Yves Saint Laurent aus dem Nichts auftauchst. Das muss Schicksal sein: Da geh ich allein, ein sonniger Tag, geh querfeldein durch das Menschenbad, als du unverhofft plötzlich vor mir stehst. Ich blicke tief in deine aquamarinblauen Sonnenbrillengläser – Und ich sehe mich. Und ich grüsse mich. Und ich steh auf mich. Und ich küsse mich. Ich bin hin und weg. Bin hin und weg.

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II Date

Und ich flirt mit mir. Und ich lach mit mir. Und ich tanz mit mir. Und ich sing mit mir. Und ich bounce mit mir. Und ich swing mit mir. Und ich trink mit mir. Und ich wipp mit mir. Und ich winke mir. Und ich stripp mit mir. Und ich deal mit mir. Und ich koks mit mir. Und ich spiel mit mir. Und ich hm hm hm. Und ich hm tä tä. Und äh hm tä tä. Und ich schlaf mit mir. Und ich schrei nach mir: Ich will mehr von mir. Ich will mehr von mir. Ich will mehr von mir. Ich will mehr von mir. Ich will mehr von mir. Ich will mehr von mir. Ich will mehr von mir. Ich will mehr von mir.

III Wohnen

Und ich koch mit mir. Und ich ess mit mir. Und ich sprech mit mir. Und ich streit mit mir. Und ich schlicht mit mir. Und ich schweig mit mir. . Und ich schlaf mit mir. Und ich träum von mir. Und erwach mit mir. Und ich dusch mit mir. Und ich bleib bei mir. Und ich wohn mit mir – in deinem Haus.

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IV Lieben

Und wir spiegeln mich. Und wir küssen mich. Und wir lieben mich. Und bewundern mich. Sind verrückt nach mir. Sind komplett verrückt. Das ist Glück. Und wir lieben mich. Und wir lieben mich. Und wir lieben mich. Und wir lieben mich. Und wir lieben mich. Und wir lieben mich. Und wir lieben mich tagein. Und wir lieben mich tagaus in deinem Haus.

V Für immer und ewig

Wir begehren mich. Wir befruchten mich. Wir ernähren mich. Wir gebären mich. Wir vermehren mich und vermehren mich und vermehren mich und vermehren mich. Wir vermehren mich und vermehren mich und vermehren mich und vermehren mich in deinem Haus.

Daniela Dill,  geboren 1982, Studium der französischen und deutschen Literaturwissenschaften in Basel. ­Spoken-Word-Künstlerin, Autorin und Veranstalterin.

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Sie klicken doch nur rum Von Maria Ursprung

«Darf ich da kurz ran, bitte?» Neben mir steht ein kleines Mädchen und zupft ein­ mal kurz an meinem Hemd. «Wie bitte?», frage ich. «Darf ich kurz?» Sie deutet mit einer Kopfbewegung auf meinen Computer. «Das ist kein öffentlicher Computer, die öffentlichen stehen dort drüben.» Ich zeige in die Ecke hinter den Re­ galen, in der drei Computer mit öffentlichem Internetzu­ gang stehen. Sie dreht sich um und rennt in die Ecke, bleibt kurz stehen und kommt etwas langsamer wieder zurück. «Die sind besetzt. Darf ich also kurz, bitte?», sagt sie, noch während sie auf mich zukommt. Ich überlege. Sie stellt sich wieder neben mich und sieht mir über die Schulter. «Ist doch eh langweilig, was Sie da machen.» «Es ist wichtig, was ich hier mache.» «Was soll denn an sowas wichtig sein? Sie klicken doch nur rum und füllen Kästchen aus.» «Ich bearbeite wichtige Daten», sage ich und schliesse die Datei – ich mag es nicht, wenn man mir beim Arbeiten über die Schulter schaut, «ich aktualisiere die Übersicht über die Bestände.» «Sag ich doch: langweilig.» Ich drehe mich zu dem Mädchen um. «Du darfst hier nicht hinter die Theke kommen.» «Steht das irgendwo? Ich habe kein Schild gesehen.» «Weil jeder es weiss. Niemand kommt hinter diese Theke.» «Sie sind doch auch da.» «Ich arbeite hier.» «Das nennen Sie arbeiten?», fragt sie. Ich sehe, wie jemand in der Ecke aufsteht. «Schnell, ein Computer wird frei.» Meine übertrieben ausgedrückte Freude verfehlt ihre Wirkung nicht. Sofort schaut sie zur Internetecke, sieht den freien Platz, rennt zum Computer und setzt sich hin. Ich öffne meine Liste und arbeite weiter. Nach einer Minute steht sie wieder hinter mir. «Der Computer geht nicht.» «Ich sehe doch von hier aus, dass er läuft.» «Man muss etwas eingeben», sagt sie. «Man braucht einen Login», erkläre ich. «Kennst du deinen nicht?» Sie schüttelt den Kopf. «Kein Problem. Zeig mir deinen Bibliotheksausweis.» «Zeigen Sie erst Ihren.» «Warum?» Ich werde ungeduldig. «Es könnte ja ein Trick sein. Vielleicht haben Sie selbst gar keinen und wollen meinen Ausweis, damit Sie etwas ausleihen können.» 20

«Aber ich arbeite doch hier.» «Und? Vielleicht wollen Sie nicht, dass Ihr Chef weiss, was Sie ausleihen»«, sagt sie, und bevor ich etwas ent­ gegnen kann, redet sie weiter: «Oder Ihre Frau erlaubt Ihnen die Bücher nicht, die Sie gerne lesen möchten, und Sie wollen nicht, dass Ihr Chef ihr sagt, was Sie so lesen. Oder Sie arbeiten gar nicht hier und haben sich nur hier­ hin gesetzt, um so zu tun, als ob Sie hier arbeiten würden, und unschuldige Bibliotheksbesucher fallen auf den Trick herein und zeigen Ihnen ihren Bibliotheksausweis und Sie leihen dann unter deren Namen Ihre Bücher aus.» Sie legt den Kopf etwas schief und fügt noch an: «Aber so verschlagen sind Sie nicht.» Ich runzle die Stirn. «Verschlagen?» «Ja. Mein Bruder sagt das manchmal. Wenn er mir ei­ nen Streich spielen will, ich ihn aber durchschaue und überlisten kann. So wie ich Sie gerade durchschaut habe. Dann sagt er das: ich sei verschlagen. Früher dachte ich, er will mich damit beleidigen, weil ich schlauer bin als er. Aber heute glaube ich, es ist gar keine richtige Beleidi­ gung.» «Wenn du an den Computer willst, brauchst du einen Bibliotheksausweis.» «Und was gibt es sonst noch für Möglichkeiten?» «Was meinst du damit?» «Ich könnte etwas singen oder so. Nein, besser: Ich tanze.» Augenblicklich fängt sie an, vor mir herumzutur­ nen, sie springt und zuckt und gibt sich mit Zischlauten selber den Takt vor. Die Leute drehen sich um, schauen erst sie an, dann mich. «Lass das, hör auf.» «Kann ich an den Computer?», fragt sie und tanzt weiter. «Du brauchst einen Bibliotheksausweis.» «Und was gibt es sonst noch für Möglichkeiten?», fragt sie, und zu dem Zischen im Takt kommen Seufzer dazu. «Es gibt keine, aber wir können dir einen Ausweis an­ fertigen. Ich kann das.» Sie zischt und schüttelt tanzend den Kopf. «Für Kinder kostet das nichts», sage ich. Sie stösst ei­ nen hohen Ton aus und verharrt kurz in einer Pose mit ausgestreckten Armen und angewinkelten Beinen. Nach zwei Sekunden hüpft sie hoch, stellt sich neben mich und sagt: «Gut. Einmal einen Bibliotheksausweis bitte.» Ich atme aus, setze mich an meinen Rechner und öffne das passende Formular. «Hast du einen Personalausweis mit?» «Was denken Sie?», fragt sie, und ich merke selber, dass die Frage unsinnig war. «Ich brauche irgendetwas, auf dem deine Daten ste­ hen. Dein Name, deine Adresse.» «Warum?» «Weil ich wissen muss, dass du existierst.» «Aber ich stehe doch hier.» «Ich muss wissen, wo du wohnst.» «Aber warum?» «Weil du sonst etwas ausleihen könntest und es viel­ leicht nie zurückbringst und wir wissen dann nicht, wo Surprise 404/17


wir danach suchen sollen.» «Ich will aber nichts ausleihen. Ich will einfach nur an einen Computer.» «Wie heisst du?» Sie antwortet nicht. «Dein Name?», frage ich. Sie schaut nach links und nach rechts. Nach ei­ nigem Zögern sagt sie: «Kunigunde.» «Kunigunde?», frage ich. «Kunigunde Holtzenbühl», fügt sie an. «Hör zu, wenn du einen Ausweis willst, musst du mir deinen richtigen Namen sagen.» «Was stimmt denn mit meinem Namen nicht?» «Hast du schon einmal jemanden getroffen, der Ku­ nigunde heisst?» «Ich nicht, aber Sie jetzt schon. Und meine Eltern kannten den Namen aus Büchern und wollten gerne je­ manden kennen, der so heisst. Dann haben sie mich be­ kommen. Zack, Wunsch erfüllt. Ich bin ein Wunschkind, verstehen Sie?» Sie lächelt übertrieben breit. «Willst du diesen Ausweis?», frage ich. Das Lächeln verschwindet. «Ja», antwortet sie trotzig. «Dann will ich ab jetzt korrekte Angaben, sonst gibt es hier nichts für dich, klar? Kein Ausweis – kein Internet.» Sie nickt. «Name.» Sie schweigt einen Moment. Ich schaue sie an. «Schreiben Sie Lisa.» «Lisa?» «Mhm. Lisa Meier.» «Lisa Meier.» Ich drehe mich zum Computer und tippe. Lisa Mei – «mit I oder Y?» «Ich weiss nicht, schreiben Sie besser einfach Müller, Lisa Müller.» «Ich brauche deinen echten Namen», sage ich. «Ich sag doch: Lisa Müller, schreiben Sie das bitte», sagt sie. Ich schüttle den Kopf und schreibe. Ich will zu meiner Liste zurück. «Jahrgang?» Sie sagt nichts. «Was, hast du etwa auch kein Alter? Bist du überhaupt geboren worden?» Ich erschrecke plötzlich über meinen Ton, merke, dass ich zu schroff geworden bin, spüre, wie ich rot werde. Sie sieht beleidigt aus. «Sie fragen ganz schön persönliche Dinge.» Ich versuche, versöhnlicher zu klingen: «Das sind ganz gewöhnliche Dinge. Ich brauche Name, Alter und Adresse. Das muss man immer in solchen Formularen angeben.» «Ich nicht. Ich muss das nirgends angeben. Solche Dinge behalte ich gerne für mich. Ich verstehe nicht, wa­ rum Sie das wissen müssen, wenn ich doch nur kurz ins Internet will.» «Du musst das nicht verstehen. Du musst es mir nur sagen, damit ich danach endlich weiterarbeiten kann», sage ich zu laut. Dieses Mädchen löst etwas in mir aus, was ich nicht kontrollieren kann. Aus der Leseecke höre ich ein Schsch. Ihr Blick flackert auf. Sie flüstert übertrieben: «Wenn Sie mich kurz an ­Ihren Rechner gelassen hätten, als ich zum ersten Mal Surprise 404/17

gefragt habe, wären Sie schon längstens wieder am Ar­ beiten.» «Ich kann dir nicht helfen.» Ich drehe mich um, öffne meine Liste und lege meine Hände auf die Tastatur. «Das ist ganz schön unhöflich», sagt sie. Ich sage nichts. «Ich habe ziemlich oft ‹bitte› gesagt«, sagt sie. Ich sage nichts. «Sie tun doch nur so, als würden Sie arbeiten. In Wahrheit warten Sie nur darauf, dass ich gehe.» «Und warum bist du noch nicht gegangen?», sage ich, während ich auf den Bildschirm starre. «Weil ich an einen Computer will.» Ich sage nichts, drehe mich nicht um. Ich warte. «Bitte.» «‹Bitte› löst nicht alle Probleme.» «Listenausfüllen aber schon, was?», antwortet sie. Ich sage nichts, ich klicke. Klicke wahllos irgendwelche Käst­ chen in der Tabelle an. Klick. Klick. Klick. «Wenn ich Ihnen mein Geburtsdatum sage, dann darf ich an einen Computer?» «Nein.» «Warum nicht? Sie haben das aber vorhin gesagt.» Ich atme laut aus. Ich will, dass sie weggeht. «Dann sag mir einfach dein Geburtsdatum. Wenn du mir jetzt dein Geburtsdatum sagst, kriegst du einen Bibliotheks­ ausweis und dann darfst du an den öffentlichen Arbeits­ platz.» «Abgemacht», sagt sie. Ich öffne die Datenerfassungsdatei für den Ausweis wieder. «Lisa Müller», sagt sie, ich schaue sie an, «das bin also ich», sagt sie. «Jahrgang?» «Angenommen, ich wüsste das nicht so ganz genau, was dann?» «Wie alt bist du denn?», frage ich. «Alt genug.» War ja klar, dass sie das sagen würde. «Bist du überhaupt schon zwölf?» «Warum?» «Internetnutzung ist erst ab zwölf erlaubt.» «Ich bin vierzehn», sagt sie. Ich schüttle den Kopf. Ich schlies­se meine Augen. Und dann muss ich lachen. «Was?», fragt sie, «warum lachen Sie?» «Vierzehn.» Ich schaue sie an. «Zwölf hätte ich dir vielleicht noch geglaubt, aber nur, weil ich dir endlich deinen Ausweis ge­ ben und weiterarbeiten will. Aber vierzehn? Nie und nimmer bist du vierzehn.» «Wenn ich zwölf gesagt hätte, hätten Sie gedacht, dass ich Ih­ nen nachplappere.» «Dann sag doch wenigstens dreizehn.»

«Ich bin vierzehn», sagt sie. Ich schüttle den Kopf. Und dann muss ich lachen. «Was?», fragt sie, «warum lachen Sie?» 21


«Hätten Sie dreizehn geglaubt?» «Nein», sage ich. Ich überlege. Dann fülle ich das Aus­ weisdokument aus. Sie schaut mir über die Schulter. Es ist mir egal. «Was tun Sie da?», fragt sie. Ich antworte nicht. Ich drucke den Ausweis aus, schneide sorgfältig die Kanten zurecht und lege ihn in eine durchsichtige Folienhülle. «Hier, dein brandneuer Bibliotheksausweis. Damit kannst du keine Bücher ausleihen, aber du kannst ins In­ ternet.» Sie sieht ihn sich an, liest leise vor: «Kunilisa von Meyerholtzenmüller, 24.03.1717.» Sie schaut mich an. Für einmal scheint sie nicht zu wissen, was sie sagen soll. «Diese Zahl hier unten», ich zeige auf den Ausweis­ code, «ist dein Login. Damit kannst du heute online ge­ hen.» «Nur heute?», fragt sie. «Menschen aus dem 18. Jahrhundert können nur Ein­ tagsausweise zur Internetnutzung ausgestellt werden. Wegen der abgelaufenen Lebenserwartung.» «Macht nichts», sagt sie, «ich besorge mir morgen einfach einen neuen.» Sie geht zum freien Computer­ platz. Dann rennt sie nochmals zurück und bleibt vor meinem Pult stehen. «Dankeschön», sagt sie, rennt wie­ der zum Computerplatz und setzt sich hin. Ich wende mich meiner Arbeit zu. Beim Schliessen des Ausweisdokuments gibt es eine Fehlermeldung. Ich drü­ cke sie weg, wieder und wieder. Sie erscheint immer neu. ERROR_INVALID_DATA (0XD). Ich drücke sie weg. Noch­ mals. Und nochmals. Ich werde wütend. Möchte schreien. Auf die Tastatur einschlagen. Ich drücke auf die Pow­ er-Taste meines Computers, warte einige Sekunden, bis er sich ausschaltet, und starte ihn neu. Ich warte. Es dauert länger als sonst, bis sich wieder die gewohnte Benutzeroberfläche zeigt, die Auflösung ist stark verpixelt. Während er hochfährt, schaue ich mich um. Das Mädchen sitzt da mit Blick auf die Tastatur und

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tippt konzentriert mit den Zeigefingern. «Geht es?», rufe ich quer durch den Raum. Die Menschen drehen sich nach mir um. Wieder. Sie richtet sich etwas auf, schaut in meine Richtung und legt einen Finger auf die Lippen. «Schsch.» Wir müssen beide lachen. Sie zeigt mit beiden Daumen hoch, verdreht dann die Augen und steckt sich die Daumen in die Ohren. Ich nicke ihr zu, und wir beide widmen uns wieder unseren Computern. Meiner hängt. Er lädt sehr langsam. Da öffnet sich ein Fenster: SYSTEM­ ZEIT NEU EINSTELLEN. Oben rechts, wo sonst Datum und Uhrzeit stehen, steht nur noch 00.00 und kein Da­ tum. Ich weiss nicht, wie man sowas umstellen könnte, also beschliesse ich, meine Datei zu öffnen und einfach an der Liste weiterzuarbeiten. Das Programm ist jedoch nicht da, überhaupt erscheint die Hälfte der Programme nicht mehr. Ich seufze, schaue mich um, schaue wieder zur Computerecke. Das Mädchen sitzt nicht mehr da. «Dankeschön», flüstert sie in diesem Moment nah an meinem Ohr. Sie steht plötzlich wieder hinter mir. «Das hast du schon mal gesagt», sage ich. «Darf ich den behalten?», fragt sie und zeigt ihren Bi­ bliotheksausweis. «Natürlich», sage ich, «es ist deiner.» Sie blickt auf meinen Bildschirm. «Da stimmt irgend­ was nicht», sagt sie. «Ich weiss», antworte ich. Sie zuckt mit den Schultern. «Nicht so schlimm», sagt sie, während sie langsam mit grossen Schritten rück­ wärts Richtung Tür geht. «Dann haben Sie jetzt wenigs­ tens etwas Interessanteres zu tun als Listenausfüllen», sagt sie, schaut nochmals auf ihren Bibliotheksausweis, steckt ihn in die Tasche und geht. Maria Ursprung,  1985 in Solothurn geboren, studierte Theaterwissenschaft und Germanistik in Bern und Berlin. Sie arbeitet als Theaterregisseurin und schreibt Drama, Kurzprosa und Lyrik.

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Connection not found Von Milena Keller

Hilft einem auch wenig, so ein Geist ohne nichts, dachte sie für sich. Dachte es nicht zum ersten Mal. Blieb ihr ja kaum etwas anderes übrig, als zu denken, für den Mo­ ment, der Rita, so ganz ohne Körper. Da denkt man halt schnell einmal dasselbe im Kreis. Es reicht jetzt, zum Bei­ spiel. Hatte sie sicher schon sieben Mal gedacht. Und: Ich muss zurück und runterkommen und ins Training. Die Präsentation vorbereiten. Rita klebte unter der Decke. Nein, kleben tat sie na­ türlich nicht, da war kein Haften, kein Berührungspunkt. Eher ein Schweben war das. Rita schwebte direkt unter dem rauen Verputz und vermochte gar wenig auszurich­ ten in ihrer Schweberei. Dabei wusste sie eigentlich, wusste Rita wie meist, was zu tun war. Nur der Körper weiter unten, ihr Körper, der wusste es nicht. Wollte nichts davon wissen. Schau hoch, na los, atme aus. Heb den Kopf, dachte sie, zum wiederholten Mal. Befahl es. Mit Nachdruck. Doch der Kopf blieb, wo er war. Rührte sich nicht. Der ganze Körper da unten rührte sich nicht. Nur atmen tat er, das sah sie, sah es an den Haaren, die sich ganz leicht beweg­ ten, einen halben Millimeter hoch und einen halben nach unten, auf den Schultern und am oberen Rücken. Sie atmete also. Sterben war damit ausgeschieden als Erklärung. Tod sowieso. Sahen übrigens nicht schlecht aus, die Haare. Die Farbe war gut getroffen, der Verlauf vom Ansatz zu den Spitzen sah sehr natürlich aus, gab eine schöne Struktur. Hatte sich gelohnt, den Friseur zu wechseln, auch wenn Rita erst etwas unsicher gewesen war. Xaviers Freundin Nadja hatte ihn ihr empfohlen; der weiss, was er tut, glaub mir, hatte sie gemeint. Rita hatte es riskiert und schien nun, zum ersten Mal überhaupt, exakt den Honigton ge­ troffen zu haben, der ihr seit Jahren vorgeschwebt war. Selbst am Scheitel passte die Farbe, Rita sah es genau. Wenigstens dafür war die Schweberei gut. Perspekti­ venwechsel sind immer gut. Und dies war immerhin ein ziemlich rarer Zugang; wann konnte man sich sonst schon mal von aussen betrachten. Schade nur, dass der Blickwinkel von hier oben derart beschränkt sein musste. Rückseite und Oberkopf. Nun ja. Sich selbst in der Tota­ len, 360 Grad ohne lügende Linse oder Spiegelscheibe oder schmeichelnde Verkäuferstimmen dazwischen, das wäre produktiv gewesen. Eine ungeschönte Bestandsana­ lyse, wie Xavier gesagt hätte. Mit einem Augenzwinkern. Rita hatte im Grossen und Ganzen keine schlechte Ent­ wicklung hingelegt, das wusste sie, hatte sogar ihren ei­ genen Fünfjahresplan überholt, aber Verbesserungspo­ tenzial gab es immer. Man musste nur die Defizite erkennen. Und genau dort ansetzen. Surprise 404/17

Bis auf Weiteres setzte Rita allerdings nirgendwo an, sie hing nur, hing hier unter der Decke und der Körper stand, erstarrt, das Gesicht abgewandt. Der Rest des Zimmers konnte sich nirgendwohin wenden. Rita besah sich den Raum. Prüfte die Wirkung von oben, nun, da sie das konnte. Wenigstens hier passte alles. Das Kuhfell unter den Füssen. Das USM-Sideboard davor. Machte sich gut zusammen, auch von hier aus. Dazu Sessel und Dreisitzer von Le Corbusier, aus der LC2-Familie natürlich. Der Boy daneben. Lichtfluten durch alle Fenster, satt leuchtend das Parkett, erst kürz­ lich geölt. Leuchtend das Honigblond der Haare, im exakt richtigen Ton. Und – flimmerte da Staub auf dem Cover der letzten Monocle-Ausgabe? Rita schaute genauer. Dort, auf den Magazinstapeln unter der Glasplatte des Couchtischs. Doch, das war Staub, unverkennbar. Auch auf den Rah­ men der Greg-Gorman-Drucke schräg vis-à-vis sah sie jetzt Staub liegen. Und das nicht zu knapp. Dabei hatte sie Arminda, die Putzfrau, explizit darauf hingewiesen. Letzte Woche schon. Und unterdessen waren die Baders bereits zu Besuch gewesen, hatten auf dem Sofa vor stau­ bigen Stapeln gesessen. Nun ja, was man nicht selbst macht ... Sie musste zurück und runterkommen und vor allem ins Training. Die Präsentation vorbereiten. Schau nach oben. Atme aus. Komm, komm, schau nach oben, heb den Kopf hoch zu mir. Doch Ritas Körper hörte nicht. Dabei brauchte er nicht viel zu tun. Den Schädel in den Nacken legen, den Rücken ein wenig nach hinten beugen, dass die Nasenlöcher zu ihr hinzeigten. Loslassen. Das würde schon reichen. Rita war sich sicher. Fast, zumindest. Vor­ hin war eine Fliege an ihr vorbeigeflogen und hatte sie in Bewegung versetzt. Um Zentimeter verschoben, von ei­ nem mickrigen Flügelschlag. Da würde sie sich, im Wis­ sen um die korrekte Atemtechnik, wohl wieder zurück­ holen können. Vollatmung. Alles rauslassen, von unten nach oben. Nichts forcieren, den Impuls kommen lassen. Warten. Warten. Den Impuls zum Einatmen empfangen. Einatmen. Und durch die Nasenlöcher zurück in den Kör­ per, in die Handlung, ins Jetzt. Atmen konnte sie, das hatte sie gelernt. Über die un­ terschiedlichsten Zugänge. Erst durch das Joggen, dann während des Personal Trainings mit Xavier. Der hatte sie ins Yoga geschickt; wer wirklich weiterkommen will, muss ganzheitlich denken. Innere Grenzen überwinden lernen, und schliesslich bei der Atemtherapeutin. Bei der war sie über den Yogalehrer gelandet, wegen der Panikat­ tacken. Und den Schlafstörungen. Der Atem als Brücke. Der einzige Zugang zum vege­ tativen Nervensystem, der unserem Bewusstsein, dem Willen offensteht. Eine Wechselwirkung von Impulsen und Hormonausschüttung und Botenstoffen. Das hatte ihr eingeleuchtet. So viel ungenutztes Potenzial! So viele Möglichkeiten, um Abläufe zu optimieren; den SchlafWach-Rhythmus, ihre Präsenz bei öffentlichen Auftritten, das Auftreten in Verhandlungssituationen, beim Networ­ king. Die Stimmlage. Und erst die Zeitersparnisse, wenn Entspannungsphasen effizienter gestaltet werden konn­ 23


ten! All das durch simple Achtsamkeit und Ausübung von Kontrolle. Waren dabei nicht ganz weggegangen, die Stö­ rungen, doch hatte Rita die Übungen in letzter Zeit auch zu selten gemacht. War halt ein wenig gar straff getaktet gewesen, das letzte Dreivierteljahr. Projektleitung inklusive Verantwor­ tung über die Implementierung der neu erarbeitetem So­ cial-Media-Strategie. Der Tod des Vaters. Die Organisa­ tion der Beerdigung. Der Hausverkauf. Und dann die Intensivierung des Trainingsplans. Du hast die 30 end­ gültig hinter dir gelassen, Süsse. Es liegt bei dir, ob deine Form dasselbe tut, hatte Xavier gesagt, als sie die Fre­ quenz hatte reduzieren wollen, und hatte zweifellos recht gehabt damit. Bald schon drohte die 40 und da rückte, neben Optimierung und Prävention, nun einmal auch das Thema Schadensbegrenzung unweigerlich ins Zentrum. Ausserdem war die Mission Booty Gain noch zu keinem nennenswerten Ergebnis gelangt. Liess sich kaum leug­ nen, auch von hier oben aus nicht. Nein, schon gar nicht von hier oben. Freie Sicht auf die fehlende Wölbung unter den Leggins. Schlaff. Rita hatte immer schon schmale Hüften und Beine gehabt. Zum Glück. Hatte so, selbst während der unmög­ lichsten Phasen, wenigstens etwas Ansehnliches vorzu­ weisen gehabt. Wenn auch das alleine natürlich nicht ausgereicht hatte, um die Blicke derjenigen auf sich zu ziehen, deren Aufmerksamkeit etwas galt. Nur ihr Nach­ bar hatte es bei ihr versucht und Heinz-Joseph, der etwa so aussah, wie er hiess. Die Hüften waren in Ordnung gewesen früher und die Beine. Der Rest dafür teigig, nicht nur von der Farbe her, und die Arme wabbelten bei jeder Bewegung und der Bauch erst. Die Fadenhaare damals noch kackbraun und bis zu den Schulterblättern. Tja, wenn sie da bereits begriffen hätte, dass die Me­ chanismen, die sie zu sehen glaubte, echt waren. All die Schranken, zwischen Schulbänken, um Einladungskarten herum. Um geflüsterte Geheimnisse, um Wochenendge­ schichten. War alles da, greifbar, vor ihr ausgebreitet. Die Mechanismen. Die Schranken. Die Codes, aus denen sich Status zusammensetzt; Kleidung; Beziehungen; Ausse­ hen; Interessen; Wissen; Fähigkeiten, Auftreten. Alles machbar. Hätte es einfach schlucken sollen und als das akzeptieren, was es war. Ein System. Durchschaubar. An­ wendbar. Hätte sich auf ihren platten Hintern setzen kön­ nen, machen, und dem Leben ins Gesicht schauen. Statt­ dessen hatte sie sich bemitleidet. Die Chancen als Einschränkungen gesehen. Rite drehte weiter im Kreis. Ein wenig Disziplin und Durchhaltevermögen, und der eine oder andere Umweg wäre ihr erspart geblieben. Der Numerus Clausus zum Beispiel. Das Praktikum im Be­ hindertenheim. Paul, der Förster hatte werden wollen. All die verschwendete Zeit. Hätte sich stattdessen in einem Alter um ihren Arsch kümmern können, in dem er sich noch williger hätte formen lassen. Wobei – wenn sie heute ab und zu den Mädchen von früher über den Weg lief, ehemaligen Elfen, scheinbar unerreichbaren Wesen, war Rita bereits mehr als einmal erschrocken. Wie die sich teilweise hatten gehen lassen. 24

Säcke auf zwei Beinen. Sekretariatsverantwortliche mit Pandora-Schmuck am Handgelenk. Hausfrauen. Hatten sich vom Schulschwarm schwängern lassen und lebten jetzt im Nachbarhaus der Schwiegereltern. Von daher ist es vielleicht gar nicht schlecht, wenn einem nicht von Anfang an alles zufliegt, dachte Rita un­ ter ihrem Verputz. Wenn man sich halt gewisse Dinge hat erkämpfen müssen; mit Durchhaltevermögen und vor al­ lem Arbeit. Arbeit. Arbeit. Und nochmals Arbeit. Vielleicht hatte sie das gebraucht, um zu erkennen, dass sich damit alles erreichen lässt. Später, als sie es endlich begriffen hatte. Mit etwas Grips. Etwas Willen. Bei den heutigen Möglichkeiten. Wer wirklich will, kann alles, dachte Rita. Sie war der Beweis. Das richtige Netzwerk. Der rich­ tige Job. Das richtige Auftreten. Die richtige Einstellung. Die richtige Wohnung. Die richtigen Augenbrauen. Die richtige Lippenform. Oder eben das richtige Honigblond, und wenn es Jahre dauerte. Rita konnte mit Fug und Recht behaupten, alles erreicht zu haben, was sie sich vorgenommen hatte. Visualisieren und umsetzen, lautete das Geheimnis. Visualisieren und umsetzen. Und sich verdammt nochmal zusammenreissen. Ja, Rita hatte sich im Griff, nicht wie die Mädchen von damals. Hatte sich im Griff und sah deshalb, mit dezenter Unterstützung von Dr. Weidemann, jetzt, mehr als 20 Jahre später, besser aus als mit 15. Ausser eben – der Hintern. Sie musste ins Trai­ ning. Also noch einmal. Heb den Kopf. Heb den Kopf. Tief einatmen. Komm. Komm schon. Sie musste vor dem Essen am Abend noch die Präsentation für morgen vorbereiten. Um 16:00 war der Termin für die Tiefenreinigung. Und sie hatte sich noch genauer über den Ablauf der Kryolipolyse informie­ ren wollen. Martha aus Abteilung 4B hatte gemeint, die Behandlung wäre nach der Fastenwoche besonders ef­ fektiv. In einem Monat ging es los, mit einigen aus der Yogaklasse ins Detox nach Ibiza. Eine Woche lange Fasten und Meditation; innere und äussere Reinigung. Rita freute sich. Und schwebte noch immer unter der Decke. Wie lange schon? Keine Uhr zu sehen von hier aus. Eine ganze Weile bereits. Zu lange auf jeden Fall. Sie war eben dabei gewesen, die Trainingstasche zu packen. Da, vor Ritas Rückseite, schwebte ihr Arm noch immer in der Luft. Im Begriff, den Reissverschluss zuzu­ ziehen. Sie hatte tief ausgeatmet dabei. Die Verschnauf­ pause genutzt. Die Pendenzen, den Stress weggeatmet, der ihr ja doch nichts bringen würde. Die Schultern fallen lassen. Ausgeatmet. Alles, was sie nicht brauchen konnte. Da hatte es geknackt. Krachend, wie es manchmal im Flugzeug knackt oder auf dem Weg in die Skiferien. Ge­ rauscht in den Ohren und darum herum und alles hatte sich zu drehen begonnen. Gewirbelt, der Raum und das Sideboard und die Tasche und sie selbst, das Kuhfell, auf dem sie gestanden hatte. Ein Schrei über allem. Hatte ihr beinahe das Dasein zerrissen, so laut, so voller Wut und Ohnmacht und Trauer und Verzweiflung war der gewe­ sen. In ihrer Verwirrung hatte sie gemeint, das sei sie selbst. Hatte einen halben Augenblick lang die eigene Stimme im Schrei gehört. Aber das war natürlich Unsinn. Surprise 404/17


Da war der Schrei auch schon verklungen und alles wurde schwarz und der Strudel drehte sich noch schneller und Rita hatte das Gefühl, zu fallen. Nach vorne katapultiert zu werden. Kein Flugzeug; eine Achterbahn. Und als der Moment vorbei war, hing sie unter der Decke und der Arm an ihrem Körper; noch immer in der Luft. Sie war nicht in Panik ausgebrochen. Panik kannte sie ja gut, von den Attacken her. Lässt sich beherrschen, wie alles andere auch. Rita hatte gelernt, zu beobachten. Regungen, Bilder, Sorgen, einfach zu beobachten, anzu­ nehmen und wieder gehen zu lassen, wie Nebelschwa­ den vor einem Berg. Das hatte sie getan. Die Situation beobachtet. Den Raum. Sich selbst. Gewartet. Sie wusste, wusste ja, was zu tun war. Atmen. Sich zurück und in sich selbst hinein atmen. Nur – der Körper reagierte nicht. Wollte und wollte nicht kooperieren. Hatte also gewartet und ein wenig nachgedacht, die Rita, blieb ihr ja wenig anderes zu tun. Dachte weiter und schwebte. Dachte im Kreis. Nach einer weiteren Weile kam dann Xavier herein. Hatte sich Sorgen gemacht, der Trainer, um Rita, die noch nie ein Training verpasst hatte. Keinen Anruf unbeantwortet liess. Rita sah das Handy umgekehrt auf dem Sideboard liegen. Neben dem ausgestreckten Arm. Xavier sah es nicht, sah nur Ritas Körper in seiner Starre stehen. Redete auf ihn ein. Schüttelte ihn. Hob ihn hoch. Machte allerlei damit, um ihn aus seiner Paralyse zu holen, achtete nicht auf Rita, die da oben unter der Decke hing.

Surprise 404/17

Die Fliege drehte, kam zurück, schwirrte durch Rita hin­ durch, verschob sie ein paar Zentimeter näher zum Kopf ihres Körpers hin, dass sie direkt über dem Scheitel an­ kam. Dem schönen Ansatz. Xavier telefonierte, und bald kamen noch mehr Männer. Mit einer Trage. Und einer Notärztin. Luden den Körper auf und Rita blieb, wo sie war. Sah sich jetzt selbst ins Gesicht. Die Augen waren offen. Versuchte, Verbindung aufzunehmen mit diesem Fleisch, das sie geformt hatte. Optimiert hatte. Für ein Leben, das sie geschaffen hatte, mit ihren eigenen Händen. Mit den besten Absichten. Nichts passierte. Und als der Körper hinausgetragen wurde, fühlte sie nichts. Einen Augenblick lang sah sie etwas aufleuchten, unter der Decke, am anderen Ende des Raumes. Ein Blitz und eine Ahnung von Wärme trafen sie und noch etwas anderes. Eine vage Erinnerung an ein Gefülltsein. An einen Kern mit Impulsen und Neigungen, und doch da war das Etwas schon verglüht, für sich, iso­ liert und allein. Und mit fortschreitender Entfernung zum Körper, der starr und festgezurrt und leer auf seiner Bahre davon­ fuhr, in einem Auto mit Blaulicht, den Arm noch immer in der Luft, löste sich Rita oder das, was sie dafür gehalten hatte, allmählich auf. Rieselte auf das Kuhfell. Und nur die Fliege leistete ihr dabei Gesellschaft. Milena Keller,  geboren 1991 in Zürich, lebt meist dort, wo sie gerade ist. Sie schreibt am Schweizerischen Literaturinstitut und lässt sich im Bielersee treiben.

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Kreuzworträtsel Finden Sie das Lösungswort und schicken es zusammen mit Ihrer Postadresse an: Surprise Strassenmagazin, Spalentorweg 20, 4051 Basel oder per E-Mail mit Betreff «Rätsel 404» an info@surprise.ngo Einsendeschluss ist der 27. Juli 2017. Viel Glück!

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Die Gewinnerinnen und Gewinner werden unter den richtigen Einsendungen ausgelost und persönlich benachrichtigt. Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt.

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berlinerisch: ich

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† 1855

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Körperschmuck in der Haut

Dichterin

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strafen

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Totenschiff d. nord. Mythologie

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steinzeitliche Steinsäule

Wasser

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Antwort bitten Mittelmeerinsulaner Musikstil

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Gebirgsland in Kaschmir

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Kopien

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6 engl.: er Name Noahs in der Vulgata

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Wasser

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Strom durch Gerona (Span.)

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kurz-

404 raetsel.ch

12 Tipp: Das Lösungswort kommt in einem der Texte dieser Ausgabe vor.

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F SO R M KU L A PR E

KR

schweiz.

hinunter

kenianische Volksgruppe Gauner,

gramm

nicht

Frauen-

belg. Maler † 1967 (René)

Kilo-

ernten

durch Bemühungen erreichen

mongol. Herrschertitel

Abk.:

5

abwärts,

rasse

um

1

Tierrechtsorganisation

Trauben

Hunde-

kretischer König (Sage)

musik.:

Fusstaste der Orgel

Deutung

wortteil:

† (Niels)

drucke

Oberland

Fremd-

Physiker

Vor-

Berner

7

U HA N

ST CA

Fluss im

dän.

1

be-

Verabredung, Rendezvous

Anstieg der Börsenkurse

US-Regisseur † 1991 (Frank)

Ballwiederholung b. Tennis

Surprise 404/17


Sudoku Füllen Sie die leeren Felder mit den Zahlen von 1 bis 9. Dabei darf jede Zahl in jeder Zeile, in jeder Spalte und jedem der neun 3 × 3-Blöcke nur ein Mal vorkommen. Die Lösungen finden Sie in der nächsten Surprise-Ausgabe.

Leicht

Mittelschwer

9

7

2 1 4 9 8 1 8 7 3 8 3 5 7 2 2 6 4 7 3 9 8 3 4 9 6 5 6 raetsel.ch 50336

Surprise 404/17

8 5 3

2

1 3

9

2

9 7

8

5 4 3 7 6

6 1 9 4 2

Teuflisch schwer

3 8 6 7 5 7 2 6 5 9

raetsel.ch 58377

3 1

raetsel.ch 58376

Mittelschwer

2 8 5

9 6 4 4 7

4

9 4

5 8 4

9 2

2 8 3

8

9

1 2

3 5 7 8 1

6 8

8 5

7 8

2 4

3 8

1 4

2 7

2 5

5 3 8

8 9

raetsel.ch 69497

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IND 0.– S AB 50 ABEI! SIE D

Die 25 positiven Firmen Unsere Vision ist eine solidarische und vielfältige Gesellschaft. Und wir suchen Mitstreiterinnen, um dies gemeinsam zu verwirklichen. Übernehmen Sie als Firma soziale Verantwortung. Unsere positiven Firmen haben dies bereits getan, indem sie Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Mit diesem Betrag unterstützen Sie Menschen in prekären Lebenssituationen dabei auf ihrem Weg in die Eigenständigkeit. Die Spielregeln: 25 Firmen oder Institutionen werden in jeder Ausgabe des Surprise Strassenmagazins sowie auf unserer Webseite aufgelistet. Kommt ein neuer Spender hinzu, fällt jenes Unternehmen heraus, das am längsten dabei ist. 01

AnyWeb AG, Zürich

02

Stoll Immobilientreuhand AG, Winterthur

03

Madlen Blösch, GELD & SO, Basel

04

Praxis PD Dr. med. Uwe Ebeling, Bern

05

Proitera Betriebliche Sozialberatung, Basel

06

Gemeinnütziger Frauenverein Nidau, Nidau

07

VXL gestaltung und werbung ag, Binningen

08

Hervorragend AG, Bern

09

Lisa Stettler Körpertherapie, Bäch

10

Coop Genossenschaft, Basel

11

Velo-Oase, Erwin Bestgen, Baar

12

Maya-Recordings, Oberstammheim

13

Scherrer & Partner, Basel

14

Fischer + Partner Immobilien AG, Otelfingen

15

ChemOil Logistics AG, Basel

16

Schluep & Degen Rechtsanwälte, Bern

17

Institut und Praxis Colibri, Murten

18

Kaiser Software GmbH, Bern

19

Klinik Sonnenhalde AG, Riehen

20

Rechtsanwalt Peter von Burg, Zürich

21

Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich

22

Hofstetter Holding AG, Bern

23

Hedi Hauswirth Privat-Pflege, Oetwil am See

24

Echtzeit Verlag, Basel

25

OpenTrack Railway Technology GmbH, Zürich

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende ab 500 Franken sind Sie dabei. Spendenkonto: PC 12-551455-3 IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma und Ihr gewünschter Namenseintrag Sie erhalten von uns eine Bestätigung. Kontakt: Nicole Huwyler Team Marketing, Fundraising & Kommunikation T +41 61 564 90 50 I marketing@surprise.ngo

SURPLUS – DAS NOTWENDIGE EXTRA Das Programm

Wie viele Surprise-Hefte müssten Sie verkaufen, um davon in Würde leben zu können? Hätten Sie die Kraft?

Wussten Sie, dass einige unserer Verkaufenden fast ausschliesslich vom Heftverkauf leben und keine Sozialleistungen vom Staat beziehen? Das fordert sehr viel Kraft, Selbstvertrauen sowie konstantes Engagement. Und es verdient besondere Förderung. Mit dem Begleitprogramm SurPlus bieten wir ausgewählten Verkaufenden zusätzliche Unterstützung. Sie sind mit Krankentaggeld und Ferien sozial abgesichert und erhalten ein Nahverkehrsabonnement. Bei Problemen im Alltag begleiten wir sie intensiv.

Eine von vielen Geschichten Josiane Graner, Juristin, wurde in ihrem Leben von schweren Schicksalsschlägen getroffen. Sie kämpft und steht immer wieder auf. Ein Geschäftsprojekt, das sich zum Flop entwickelte, führte sie 2010 zu Surprise. Ihr Geschäftspartner hatte sich ins Ausland abgesetzt und sie mit dem Schuldenberg allein gelassen. Um ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu bestreiten, verkauft Josiane Graner in Basel das Strassenmagazin. Zudem ist sie für den Aboversand zuständig. Dank des SurPlus-Programms erhält sie ein ÖVAbonnement und Ferientaggeld. Diese Zusatzunterstützung verschafft der langjährigen Surprise-Verkäuferin etwas mehr Flexibilität im knappen Budget.

Die ganze Geschichte lesen Sie unter: surprise.ngo/surplus

Unterstützen Sie das SurPlus-Programm mit einer nachhaltigen Spende Derzeit unterstützt Surprise 14 Verkaufende des Strassenmagazins mit dem SurPlus-Programm. Ihre Geschichten stellen wir Ihnen hier abwechselnd vor. Mit einer Spende von 6000 Franken ermöglichen Sie einer Person, ein Jahr lang am SurPlusProgramm teilzunehmen.

Unterstützungsmöglichkeiten: · 1 Jahr: 6000 Franken · ½ Jahr: 3000 Franken · ¼ Jahr: 1500 Franken · 1 Monat: 500 Franken · oder mit einem Beitrag Ihrer Wahl.

Spendenkonto: PC 12-551455-3 IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 | Vermerk: SurPlus Oder Einzahlungsschein bestellen: T +41 61 564 90 90 info@ surprise.ngo | surprise.ngo/spenden Herzlichen Dank!


Wir alle sind #Surprise Bild: ZVG

Faniel Mengesteab steht beim Coop Wollis­ hofen. Er ist immer freundlich und wünscht mir alles Gute, auch wenn ich mal kein Surprise kaufe. Generell finde ich Ihr Konzept mit dem Verkauf sehr überzeugend, auch das Heft lese ich immer gerne durch!

Ausgabe 400

«Rezept für Rebellen»

Ausgabe 401

Ausgabe 402

«Hochbegabt – na und?»

«Die Frauen der Sonne»

Das sollte nicht passieren: Im Artikel über Hochbegabung werden nur Knaben und ein Lehrer abgebildet; das vertieft das vorherrschende – und falsche – Bild der männlichen Hochbegabung. Immerhin kommen auch eine Mutter und eine Expertin zum Thema zu Wort. Leider prägen in einer visuellen Welt Bilder weit mehr als Worte. In einer Ausgabe von Surprise, die vor allem Fotos von Männern zeigt, wäre zumindest im Beitrag zur Hochbegabung etwas Frauenpower angebracht gewesen.

Der Artikel über die als Soldatinnen ausgebildeten Jesidinnen in Nordirak war sehr spannend. Er ist gut recherchiert, verständlich und verständnisvoll geschrieben. Man kann gut nachvollziehen, warum diese jungen Frauen sich entschieden haben, sich in verschiedenen Waffentechniken ausbilden zu lassen. Warum sie motiviert sind, für Freiheit und Gerech­ tigkeit zu kämpfen und dabei ihr Leben zu riskieren. Ich bewundere den Mut dieser Frauen. Für mich sind sie die wahren Heldinnen unserer Zeit.

Wenn ich in der Schweiz Gemüse kaufe, dann ist das dreimal teurer als in Deutschland oder Frankreich. Was haben Sie übrigens gegen etwas Fleisch aus der EU? Gehören Sie zu denen, die glauben, dass in der Schweiz alles besser sei? Sie irren! In der Schweiz ist es überhaupt nicht besser, nur viel teurer; viel zu teuer. Die Löhne beispielsweise des Verkaufspersonals sind hingegen viel zu tief. Als ich in den Neunzigern eine Familie mit drei Kindern zu ernähren hatte, ging ich jeden Samstag über die Grenze einkaufen, sonst hätte ich meine Familie noch weniger gut durchgebracht. Auch heute tu̕ ich das noch. Ich habe kein «Gärtchen» und auch nicht zu viel Geld.

M. Schumacher-Bauer, Zürich

M. Buchli, Aarau

R. Schulter, Basel

C. Pachl atko, Zürich

Impressum Herausgeber Surprise, Spalentorweg 20 CH-4051 Basel

Seemann, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Tom Wiederkehr, Chi Lui Wong, Christopher Zimmer

Geschäftsstelle Basel T +41 61 564 90 90 F +41 61 564 90 99
 Mo–Fr 9–12 Uhr info@surprise.ngo, surprise.ngo

Mitarbeiter dieser Ausgabe Lucian Hunziker

Regionalstelle Zürich Kanzleistrasse 107, 8004 Zürich T  +41 44 242 72 11 M+41 79 636 46 12 Regionalstelle Bern Scheibenstrasse 41, 3014 Bern T  +41 31 332 53 93 M+41 79 389 78 02

Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise, nur mit Geneh­ migung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt. Gestaltung und Bildredaktion Bodara GmbH, Büro für Gebrauchsgrafik

Papier  Holmen TRND 2.0, 70 g/m2, FSC®, ISO 14001, PEFC, EU Ecolabel, Reach

Redaktion
 Verantwortlich für diese Ausgabe: Amir Ali (ami) Diana Frei (dif), Sara Winter Sayilir (win) Reporter: Beat Camenzind (bc), Simon Jäggi (sim) T +41 61 564 90 70 F +41 61 564 90 99
 redaktion@strassenmagazin.ch leserbriefe@strassenmagazin.ch

Abonnemente  CHF 189, 25 Ex./Jahr

Surprise 404/17

25 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.–) Verpackung und Versand bieten Strassen­verkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen Gönner-Abo für CHF 260.– Geschenkabonnement für: Vorname, Name Strasse PLZ, Ort

Druck  AVD Goldach

Anzeigenverkauf Stefan Hostettler, 1to1 Media T  +41 61 564 90 90 M+41 76 325 10 60 anzeigen@surprise.ngo

Ständige Mitarbeit
 Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Marie Baumann, Florian Burkhardt, Rahel Nicole Eisenring, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Khusraw Mostafanejad, Fatima Moumouni, Stephan Pörtner, Isabella

Ich möchte Surprise abonnieren

Auflage  22 700

Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsen­dungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinaus­gehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkau­fenden zugute kommen. Helfen macht Freude, spenden Sie jetzt. Spendenkonto:
PC 12-551455-3 IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3

Rechnungsadresse: Vorname, Name Strasse PLZ, Ort Telefon E-Mail Datum, Unterschrift 404/17

Bitte heraustrennen und schicken oder faxen an: Surprise, Spalentorweg 20, CH-4051 Basel, F +41 61 564 90 99, info@surprise.ngo

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Bild: Lucian Hunziker

Surprise-Porträt

«Vielen herzlichen Dank» «Seit Jahren stehe ich in Pratteln vor der Migros und verkaufe Surprise. Ich habe sehr liebe und nette Kunden, viele kaufen wirklich jede einzelne Ausgabe bei mir. Eine Dame, sie wohnt oberhalb der Migros im gleichen Gebäude, kommt jeden Tag zu mir herunter, um mir einen Kaffee und Guetsli zu bringen. Ich bekam sogar Kleidung geschenkt. Seit ein paar Monaten habe ich einen neuen Job bei einer Verwaltung. Ich arbeite als Hausabwartin, putze mehrere Treppenhäuser, ein Büro und eine Praxis. Manchmal treffe ich ehemalige Kunden auf der Strasse oder im Tram, und sie fragen ganz besorgt: ‹Wo bist du? Bist du krank?› Dabei habe ich nur keine Zeit mehr für den Heftverkauf! Aber ich verspreche: Wenn ich Zeit habe, komme ich wieder nach Pratteln, um zu verkaufen. Es hat mir immer sehr viel Spass gemacht – ich kenne den ganzen Ort. Im Surprise Strassenchor singe ich weiter mit: Ich habe viele sehr gute Freunde dort und fühle mich wie zuhause. Bei den Proben vergesse ich all meine Probleme. Das Singen tut mir gut und hat mir schon oft geholfen. Mein neuer Chef bei der Hausverwaltung ist sehr gut. Ich arbei­te zwar im Stundenlohn, aber zu guten Bedingungen. Ich kann meine Arbeitszeit selbst einteilen und habe genügend Zeit pro Auftrag. Das ist wichtig, denn dann kann ich in meinem eigenen Tempo putzen. Ich hatte bereits zwei Rückenoperationen und muss aufpassen. Solange ich aber langsam machen kann, ist alles in Ordnung. Und ich mache meine Arbeit gut, es kommen keine Reklamationen. Auch der Lohn ist in Ordnung, ich muss nicht mehr so genau schauen, was am Ende des Monats noch übrig bleibt, wenn ich alle Rechnungen bezahlt habe. Seit acht Jahren lebe ich in der Schweiz. Vorher habe ich in Zagreb, in Kroatien, gelebt. Dort habe ich als Hilfskrankenschwester und im Altersheim gearbeitet, in der Pflege. Aber ich verfüge über keinerlei Diplome, und mit meinem wenigen Deutsch konnte ich hier nicht im gleichen Beruf anfangen. So kam ich zu Surprise. Dort half man mir bei der Stellensuche. Was für einen Berg Bewerbungen ich geschrieben habe! Immer war jemand besser ausgebildet, konnte fliessender Deutsch oder war jünger als ich. Eines Tages jedoch bekam ich eine Stelle in der Cafeteria des Kantonsspitals Basel. Ein Traumjob: gute Arbeitszeiten, ein tolles Team, und die Arbeit war nicht so anstrengend. Zudem konnte ich jeden Tag dort essen – die Kosten wurden einfach vom Lohn abgezogen. Dort hat es mir sehr gut gefallen. Doch dann wechselte der Chef, die Cafeteria wurde renoviert und das gesamte Personal ausgetauscht. Obwohl ich mich wieder für den Job bewarb, hatte ich kein Glück mehr. 30

Emsuda Loffredo-Cular, 56, verkauft seit sechs Jahren Surprise. Nun arbeitet sie als Reinigungskraft bei einer Verwaltung und hat nur noch wenig Zeit für das Strassenmagazin.

Also fing ich bei einer grossen Reinigungsfirma an – SurpriseChorleiterin Ariane Rufino Dos Santos hatte mir die Stelle besorgt. Sie sprach einfach einen der Arbeiter auf der Strasse an – und am nächsten Tag konnte ich anfangen. Die Arbeit bei den grossen Reinigungsfirmen ist hart: Es herrscht viel Druck, es ist sehr anstrengend, und oft wurden mir weniger Stunden bezahlt, als ich effektiv gearbeitet hatte. Als ich das Angebot bekam, stattdessen abends eine Arztpraxis zu rei­ nigen, hab ich sofort Ja gesagt. Darüber bin ich auch zu meiner neuen Stelle gekommen, der Chef der Praxis hat mich weiterempfohlen. Nun bin ich sehr zufrieden und komme gut zurecht. Nur meine Surprise-Kunden in Pratteln fehlen mir, und ich möchte mich hiermit ganz herzlich für ihre Treue und Sorge um mich bedanken.

Aufgezeichnet von Sara Winter Sayilir Surprise 404/17


Helfen tut gut. Zeit, zuzuhören. Zeit, abzuwarten. Zeit für Rückschläge. Zeit, zu helfen. All das gibt es in der Sozialberatung und -begleitung, die Surprise an seinen drei Standorten in Basel, Bern und Zürich anbietet. Die Verkaufenden des Strassenmagazins sowie die Stadtführer, die Strassenfussballer und die Chorsängerinnen erhalten hier nicht nur ihre Hefte, gratis Kaffee oder Internetzugang, sondern wenden sich mit ihren Sorgen und Fragen an die Surprise-Mitarbeitenden.

Ob bei der Wohnungs- und Arbeitssuche, bei Schulden, beim Umgang mit Behörden und administrativer Korrespondenz, bei familiären Krisen oder Suchtproblemen – für rund 400 armutsbetroffene Menschen ist diese umfassende und niederschwellige Begleitung eine unentbehrliche Stütze im Alltag. Surprise hilft individuell und niederschwellig. Spenden Sie heute. Spendenkonto: PC 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 surprise.ngo/spenden INS_Kurzportraet_GzD_Layout 1 09.05.17 15:43 Seite 1 INS_Kurzportraet_GzD_Layout 1 09.05.17 15:43 Seite 1

Kultur Kultur

Solidaritätsgeste Solidaritätsgeste

STRASSENCHOR STRASSENCHOR

CAFÉ SURPRISE CAFÉ SURPRISE

Lebensfreude Zugehörigkeitsgefühl Lebensfreude Zugehörigkeitsgefühl Entlastung Sozialwerke Entlastung Sozialwerke

BEGLEITUNG UND BEGLEITUNG BERATUNG UND BERATUNG

Unterstützung Unterstützung

Job Job

STRASSENMAGAZIN STRASSENMAGAZIN Information Information

SURPRISE WIRKT SURPRISE WIRKT

Entwicklungsmöglichkeiten Entwicklungsmöglichkeiten

STRASSENFUSSBALL STRASSENFUSSBALL

Erlebnis Erlebnis

Expertenrolle Expertenrolle SOZIALE STADTRUNDSOZIALE GÄNGE STADTRUNDGÄNGE Perspektivenwechsel Perspektivenwechsel

Surprise unterstützt seit 1998 sozial benachteiligte Menschen in der Schweiz. Unser Angebot wirkt in doppelter Hinsicht – auf den armutsbetroffenen Menschen und aufSurprise die Gesellschaft. Wir arbeiten nicht gewinnorientiert, finanzieren uns ohne staatliche Gelder und sind auf Spenden und Fördergelder angewiesen. Spenden auch Sie. 404/17 Surprise unterstützt seit 1998 sozial benachteiligte Menschen in der Schweiz. Unser Angebot wirkt in doppelter Hinsicht – auf den armutsbetroffenen Menschen surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: PC 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 und auf die Gesellschaft. Wir arbeiten nicht gewinnorientiert, finanzieren uns ohne staatliche Gelder und sind auf Spenden und Fördergelder angewiesen. Spenden auch Sie. surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: PC 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3

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Café Surprise – eine Tasse Solidarität Zwei bezahlen, eine spendieren. BETEILIGTE CAFÉS BASEL BackwarenOutlet, Güterstr. 120 | Café Bohemia, Dornacherstr. 255 | Café-Bar Elisabethen, Elisabethenstr. 14 | Flore, Klybeckstr. 5 Café Restaurant Haltestelle, Gempenstr. 5 | Kiosk Amann, Claragraben 101 | Oetlinger Buvette, Unterer Rheinweg | Quartiertreffpunkt Kleinhüningen, Kleinhüningerstr. 205 | Quartiertreffpunkt Lola, Lothringerstr. 63 | Les Gareçons to go, Badischer Bahnhof | Restaurant Manger et Boire, Gerbergasse 81 | Trattoria Bar da Sonny, Vogesenstr. 96 LUZERN Jazzkantine zum Graben, Garbenstr. 8 | Meyer Kulturbeiz, Bundesplatz 3 Blend Teehaus, Furrengasse 7 RAPPERSWIL Café good, Marktgasse 11 SCHAFFHAUSEN Kammgarn-Beiz, Baumgartenstr. 19 BERN Café Kairo, Dammweg 43 | Café Marta, Kramgasse 8 | Café Tscharni, Waldmannstr. 17a | Café-Bar das Lehrerzimmer, Waisenhausplatz 30 | LoLa Lorraineladen, Lorrainestr. 23 | Luna Llena Gelateria Restaurant Bar, Scheibenstr. 39 | Restaurant Genossenschaft Brassierie Lorraine, Quartiergasse 17 Restaurant Löscher, Viktoriastr. 70 | Restaurant Sous le Pont – Reitschule, Neubrückstr. 8 | Rösterei Kaffee und Bar, Güterstr. 6 | Treffpunkt Azzurro, Lindenrain 5 | Zentrum 44, Scheibenstr. 44 BIEL Treffpunkt Perron bleu, Bahnhofplatz 2d ZÜRICH Café Zähringer, Zähringerplatz 11 Cevi Zürich, Sihlstr. 33 | Sphères, Hardturmstr. 66 STEIN AM RHEIN Raum 18, Kaltenbacherstr. 18

Weitere Informationen: surprise.ngo/cafesurprise


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