Surprise 407

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Strassenmagazin Nr. 407 25. August bis 7. September 2017

CHF 6.–

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Carolin Emcke

Wir und die anderen Die Philosophin über schwindenden Gemeinsinn und die Sorgen der Bürger Seite 8

Aufenthaltsstatus

Kibrom Mesfun ist seit 18 Jahren vorläufig aufgenommen Seite 12

Literatur

Partynacht und Bürgerkrieg: Der etwas andere Heimatroman Seite 18

Aussenseiterkunst

Wer Visionen hat, wird ausgestellt – im Musée Visionnaire Seite 22


Kultur

Solidaritätsgeste

STRASSENCHOR

CAFÉ SURPRISE

Lebensfreude

Entlastung Sozialwerke

BEGLEITUNG UND BERATUNG

Unterstützung

Job

STRASSENMAGAZIN

Zugehörigkeitsgefühl Entwicklungsmöglichkeiten

STRASSENFUSSBALL

Expertenrolle

SOZIALE STADTRUNDGÄNGE

Information

Perspektivenwechsel

SURPRISE WIRKT Surprise unterstützt seit 1998 sozial benachteiligte Menschen in der Schweiz. Unser Angebot wirkt in doppelter Hinsicht – auf den armutsbetroffenen Menschen und auf die Gesellschaft. Wir arbeiten nicht gewinnorientiert, finanzieren uns ohne staatliche Gelder und sind auf Spenden und Fördergelder angewiesen. Spenden auch Sie. surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: PC 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3

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Erlebnis


TITELBILD: ANDREAS LABES

Editorial

Meine Freiheit, deine Freiheit Was macht unsere Gesellschaft aus? Dazu fällt mir, wie vielen anderen wohl auch, der Raum ein, den ich als Individuum genies­se. Die Freiheit, eine Meinung zu ha­ ben, sie zu äussern, sie auch ändern zu können. Die Möglichkeit, mein Leben so zu führen, wie ich es für richtig halte. Meine Partnerinnen, Ausbildungen und Arbeitsor­ te aus­zuwählen, genauso wie mein Essen, meine Götter (oder auch keinen), meine Zahn­pasta. Kurz: meine Freiheit. Meine Freiheit als höchstes Gut unserer Ge­ meinschaft? Die Übereinkunft, dass jede und jeder von uns frei ist und auch so frei wie möglich leben soll, ist die beste Grund­ lage, die ich mir für einen Gesellschafts­ vertrag vorstellen kann. Und doch ist das ein Widerspruch. Denn meine Freiheit macht auch zusammen mit deiner und seiner und ihrer Freiheit noch keine Gesellschaft. Gemeinsames entsteht erst, wenn wir uns begegnen und austauschen, einander

4 Aufgelesen 5 Vor Gericht

Effizienter Sisyphus 6 Challenge League

12 Aufenthaltsstatus

Schatten über der «Sonne von Thun»

­ uhören, widersprechen und zu verstehen z versuchen. Uns nicht immer gleich den eigenen Emotionen hingeben, auch wenn wir uns vielleicht angegriffen fühlen. In der Virtualität gelingt dies kaum, das ist jeden Tag im Internet zu beobachten. «Die Tatsache, dass debattiert wird, bedeu­ tet ja noch nicht, dass auch wirklich mit­ einander und füreinander debattiert wird», kritisiert die Philosophin Carolin Emcke im Interview auf Seite 8. Das Ich braucht Freiraum. Aber nur in der Begegnung, gerade mit Menschen, die ganz anders leben als ich, begreife ich, dass deine Freiheit auch meine Freiheit ist. Das ist es, was uns zum Wir macht. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und viele ebensolche Begegnungen, AMIR ALI Redaktor

18 Literatur

Dystopie der Heimat 22 Austellung

Wilde Blumen mit Visionen

Gipfelsturm 7 All Inclusive

27 Wörter von Pörtner

Wespen auf Rädern 28 Surplus 29 Wir alle sind Surprise Impressum Surprise abonnieren 30 Surprise-Porträt

Die IV-Opfer und der soziale Tod

«Du weisst nicht, was kommt»

8 Carolin Emcke

«Armut ist auch eine politische Frage» 26 Veranstaltungen

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Aufgelesen

FOTO: NONCEDO MATHIBELA

News aus den 115 Strassenzeitungen und -magazinen in 35 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Strassenliebe Rebecca und Kevin sind seit neun Jahren ein Paar und leben auf den Strassen von Kapstadt. Zwei Monate lang dokumentierte die Fotogra­fin ­Noncedo Mathibela dort obdachlose Liebes­paare und war beeindruckt von den Beziehungen, die auch ständig wechselnde Schlafplätze und Hunger überstehen. «Die Arbeit mit diesen Menschen hat mich überzeugt, dass es möglich ist, andere zu lieben – wie gross die Herausforderung auch sein mag.»

Zumindest mehr Lohn Die Einführung des Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde Anfang 2015 hat Deutschlands arbeitende Bevölkerung zufriedener gemacht, sagt eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Auch die Qualität des Beschäftigungsverhältnisses habe sich verbessert, schliesslich müssten Mindestlohnverdienende im Schnitt 1,4 Stunden weniger arbeiten als früher. 22 Prozent beträgt der Lohnzuwachs für diejenigen, die 2014 noch unter dem Mindestlohnniveau verdienten. Anfang 2017 wurde der Mindestlohn noch einmal angehoben auf 8,84 Euro.

HEMPELS, KIEL

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Gefährlich bunt «Ich möchte die Leute durch meine Arbeit zum Nachdenken anregen: über Waffengesetze, Waffengewalt und Geschlechterrollen.» Seit 2015 näht US-Künstlerin Natalie Baxter an ihrer Serie «OK-47». Sie begann mit Nachbildungen der Waffen, die bei einem Amoklauf benutzt wurden. Doch sie nähte nicht schnell genug, um mit den 372 Amokläufen des Jahres Schritt zu halten. Baxter wuchs in Kentucky auf, wo ihre Grossmutter – selbst Waffenbesitzerin – ihr das Quiltnähen beibrachte.

FOTO: ZVG

THE BIG ISSUE, SOUTH AFRICA

THE CURBSIDE CHRONICLE, OKLAHOMA CITY

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ILLUSTR ATION: PRISK A WENGER

Wieder illegal Seit dem 1. Juli gilt in Deutschland das sogenannte Prostituiertenschutzgesetz. Bevor Sexarbeitende legal arbeiten dürfen, müssen sie sich mit Name, Adresse und Foto bei einer Behörde registrieren lassen und regelmässig zur Gesund­­heits­ beratung. Viele Sexarbeiterinnen stammen aus Ländern, in ­denen Prostitution verboten ist. Weil sie eine Weitergabe der Daten an ihre Heimatbehörden befürchten, ­würden sie durch das Gesetz auch in Deutschland in die Illegalität ­zurückgedrängt, warnen Fachleute.

BODO, BOCHUM/DORTMUND

Geistig frei Meditation und Yoga für Gefangene bietet die internationale NGO The Prison Phoenix Trust an. Die Kurse in britischen und irischen Gefängnissen machten die Insassen aus­ geglichener, wie eine Oxford-Studie herausfand. Teilnehmer berichten, dass sie besser schlafen und ihre Medikation reduzieren konnten. Auch Angestellte der Gefängnisse profitieren von Yoga-Lektionen oder Meditationsklassen, wo sie l­ ernen, den Stress ihres Arbeits­alltags hinter sich zu lassen.

IRELAND’S BIG ISSUE, DUBLIN

Klein ist gross In Ausgabe 402 berichteten wir über Wohnboxen für Kölner Obdachlose. Solche Mini-Behausungen finden weltweit immer mehr Anklang, so auch im US-Bundesstaat Colorado. Im Quartier River North von Denver etwa ist eine selbstverwaltete temporäre Wohngemeinschaft aus elf sogenannten «Tiny Houses» entstanden, die sich als Alternative zur Notschlafstelle versteht. Die Bewohner zahlen keine Miete und führen das Projekt selbständig.

DENVER VOICE, DENVER

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Vor Gericht

7,6 Gramm Ehrlichkeit zu viel Gemäss einer soeben veröffentlichten Studie der Uni Lausanne und der Organisation Sucht Schweiz ist der Schweizer Heroinhandel fast vollständig in der Hand albanischer Banden. Rund 100 bis 150 Millionen Franken werden damit jährlich umgesetzt. Dieser «Erfolg» beruht vor allem auf zwei Faktoren. Einerseits die kartellartige Organisation: Die unteren Hierarchiestufen wissen so gut wie nichts von der jeweils nächsthöheren. Anderseits die Verfügbarkeit tausender junger Männer, wie der Angeklagte einer ist. Das Leben in seinem Heimatkaff im Süden des Balkans ist kein Honigschlecken. Seit er die Schule abgebrochen hatte, hielt er sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser. Nun war auch noch der Vater erkrankt. Als ihm jemand anbot, in der Schweiz für ein paar Wochen als Strassendealer zu «jobben», konnte der 23-Jährige nicht widerstehen. Der Reiz, schnell 400 Franken zu verdienen, war zu gross. Anfang dieses Jahres stand der junge Mann also in der Zürcher Agglo und vertickte Heroin. Keine zwei Wochen später wurde er mit elf Portionen Heroin auf sich ver­haftet. Sein Fall ist juristische Dutzendware, die rasch abgehandelt sein will. Die Staatsanwältin verlangt eine Freiheitsstrafe von 15 Monaten bedingt und eine Landesverweisung von fünf Jahren. Dem Verteidiger

bleibt wenig übrig, als die «anklagegemässe Schuldigsprechung» seines «voll­ umfänglich geständigen» Mandanten zu verlangen. Allerdings befinde sich der Beschuldigte auf der untersten Stufe des internationalen Drogenhandels, weshalb 12 Monate bedingt ausreichten. Bleibt die Frage, ob der Mann im Schengen-Informationssystem ausgeschrieben werden soll. Damit gälte die beantragte Landesverweisung für die ­ Schweiz für den gesamten Schengen-­ Raum. Der Verteidiger wendet ein, die Arbeitsmigration zu verunmöglichen, sei für einen zuvor unbescholtenen jungen Mann aus dieser Region eine einschneidende Strafe. Des Angeklagten Schuldeingeständnis zeige, dass er kein ausgebuffter Profi sei. Sonst hätte er kaum zugegeben, vor seiner Festnahme schon acht Säckchen des Stoffs verkauft zu haben. In der Ehrlichkeit des Mannes liegt nun die Tragik: Massgeblich dafür, ob ein schwerer Fall von Drogenhandel vorliegt, ist die Menge des reinen Heroins. Erwischt wurde er mit 10,8 Gramm, zugegeben hatte er 18,4 – die Schwelle liegt bei 12. Nach einer knappen Stunde ist alles gelaufen. Das Gericht sieht einen «nicht mehr leichten» Fall, weshalb 15 Monate bedingt und damit die Registrierung im Schengen-System angemessen seien. Der Angeklagte ist nicht erschienen, er sei «ja dispensiert», wie der Gerichtsvorsitzende sagte. Es ist anzunehmen, dass er bereits nach seiner Haftentlassung im April ausgeschafft wurde. Neue Erkenntnisse über die Hintermänner oder Details zum Ablauf des Handels konnte der Mann keine beitragen. Bleibt die Einsicht: Auch effizient erledigte Sisyphusarbeit ist vergebliche Liebesmüh. YVONNE KUNZ ist Gerichtsreporterin in Zürich.

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Challenge League

Mamas Brüste Nach meiner Flucht aus Iran lebte ich fast acht Jahre im nordirakischen Kurdistan. Als ich immer mehr Dro­ hungen von Vertretern des iranischen Regimes erhielt, musste ich im Frühling 2012 in die Türkei fliehen. Ich rief einen Schlepper an, danach deponierte ich 2000 Euro bei jemandem, den wir beide kannten. Das Geld würde der Schlepper erhalten, wenn ich in Istanbul an­ gekommen war. Mein Freund Rizgar reiste mit mir. Am nächsten Tag brachte ein Auto uns beide sowie eine Frau mit ihrem Kind in die Nähe der türkischen Grenze. Eine ganze Woche mussten wir in einem Dorf warten, weil die türkische Armee alle Wege über die Grenze geschlossen hatte. In dieser Zeit lernte ich die junge Mutter besser kennen. Sie war eben­ falls Kurdin aus Iran, hiess Mujgan, war 22, hübsch und verführerisch. Ihren Sohn Ari stillte sie noch immer, obwohl er schon vier war. Sonst weinte er viel. Aris neu gelerntes Kur­ disch fand ich sehr süss, wie alle Kin­ dersprachen. Er war ein skeptisches Kind, und ich merkte bald, dass er für sein Alter sehr fortgeschritten sprach.

mit dem Kind und Mujgan im Schlepptau rannte ich in Richtung des Dorfes. Mein Freund Rizgar aber floh in den Wald. Ständig fielen Schüsse. Im Dorf versteckten wir uns in einem Pferdestall. Eine alte Frau kam und schloss die Tür von aussen, damit es aussah, als ob niemand im Stall sei. Ari weinte und schrie so laut, dass die Soldaten uns jeden Moment finden würden. Mujgan machte Anstalten, ihn zu stillen, und sobald Ari die Brust seiner Mutter sah, wurde er still. Über uns war ein Loch in der Wand, durch das ich den Wald sehen konnte, in dem Rizgar war. Ein Kampf­ hubschrauber kreiste darüber, und nach ein paar Runden schoss er eine Rakete in den Wald. Rizgar ist tot, dachte ich, dann flossen die Tränen aus meinen Augen. Ich kau­ erte mich zusammen, und mein Kopf kam fast auf Mujgans anderer Brust zu liegen. Während meine Erinnerungen an Rizgar wie ein Film vor meinem inneren Auge abliefen, zog plötzlich jemand an meinen Haa­ ren. Es war Ari. «Wir sind schon Freunde, aber Mamas Brüste gehören mir», schrie er so laut, dass uns kurz darauf die Soldaten fanden.

«Wohin fliegen die Vögel? Flüchten sie wie wir?» Ich kon­nte ihm keine Antwort geben.

Am siebten Tag machten wir uns früh­ morgens auf den Weg in die Berge, zur Grenze. Nach einer Stunde begann Ari zu weinen, er mochte nicht mehr laufen. Ich nahm ihn zusätzlich zu meinem Rucksack auf die Schul­ tern. Während ich keuchte, stellte er Millionen Fragen, über Blumen, Vögel, Bäume und sogar über das Er­ wachsenwerden. Als wir am Abend ein paar PKK-Kämp­ fer antrafen, fragte er einen von ihnen, ob er mit seinem Gewehr schiessen dürfe. Der Kämpfer lachte laut. Wir übernachteten nahe bei den Gletschern. Es war kalt, aber Ari wollte etwas über den Himmel lernen: «Warum sind die Sterne in der Mitte des Himmels wie eine Linie?» Er meinte die Milchstras­­se.

Am zweiten Tag galt seine Neugier den Vögeln, nachdem er einen Schwarm in V-Formation gesehen hatte. «Wohin fliegen diese Vögel?» Ich antwortete: «Sie mi­ grie­ren von einem Ort zum anderen, jedes Jahr.» Er fragte: «Flüchten sie wie wir?» Ich konnte ihm keine Antwort geben. Wir sahen bereits das erste Dorf auf der türkischen Seite, als die Schiesserei begann. Ich duckte mich, und 6

Ich wurde zusammengeschlagen, und nach drei Wochen in einem sehr unangenehmen Gefängnis kam ich vor ein Gericht in der Stadt Cizre. Ein Dossier lag vor dem Richter. Er fragte: «Gestehst du, dass du für die PKK spioniert hast?» Das war Quatsch, und ich antwortete: «Sie sind schlecht informiert. Ich bin ein Flüchtling.» «Warum wurdest du festgenommen?», wollte der Richter wissen. «Wegen der Brüste der Mutter meines kleinen Freundes», antwortete ich. Der Richter versuchte sich sichtlich zu kontrollieren, brach aber plötzlich in Gelächter aus: «Dann erzähl mal.» Nachdem ich ihm von unserer Reise erzählt hatte, meinte er, ich sei im Recht. Einen Tag darauf war ich wie­ der auf freiem Fuss.

Der Journalist und Blogger KHUSRAW MOSTAFANEJAD lebt seit 2014 in der Schweiz. Seinen Reisegefährten Rizgar traf er später in Istanbul wieder, von wo aus sie zusammen weiter nach Griechenland reisten. Rizgar lebt heute in Grossbritannien.

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ILLUSTRATION: RAHEL NICOLE EISENRING

soziale Netz. Personen, die kein Anrecht auf eine Invalidenrente haben, könnten sich bei der Sozialhilfe melden. Menschen mit psychischen Erkrankungen erhalten in der Sozialhilfe allerdings nicht die Unterstützung, die sie benötigen. Sie können beispielweise nicht an spezifisch auf sie zugeschnittenen Inte­ grations- oder Beschäftigungsprogrammen teilnehmen, da diese nur über die Invalidenversicherung finanziert ­werden. Es ist deshalb auch nicht erstaunlich, dass Brühlmeier in ihrer Unter­suchung feststellte, dass diejenigen Patien­ten, welche eine IV-Rente erhalten, dadurch psychisch stabilisiert werden und deutlich häufiger als die Sozialhilfebezüger – zumindest in einem kleinen Pensum – arbeiten. Rentenverweigerungen führen also nicht zu vermehrter Erwerbstätigkeit. Im Gegenteil.

All Inclusive

Unter einem grossen Stein «Es muss ca. 2005 gewesen sein: Die damals 59-jährige, schwer psychisch kran­­ke Frau Z. sass zitternd und untröstlich wei­­­ nend da: «Sie wollen uns die ­IV-Rente wegnehmen!» «Sicher, ganz sicher nicht», versuchte ich zu beruhigen, «wissen Sie, die Renten sind unantastbar.» «Doch doch, die grösste Partei will unsere Renten stoppen, es stand im Tagi, wir heissen jetzt Scheininvalide.» «Niemals wird das möglich werden, in ganz Europa nicht. Wie gesagt: Die Renten sind und bleiben unantastbar.» Ich war überzeugt, das richtige Argument gefunden zu haben. Aber, wie recht die Patientin behalten sollte!» So beginnt ein Artikel der Psychiaterin Doris Brühlmeier, der kürzlich in der Schweizerischen Ärztezeitung (SAEZ) erschien. Brühlmeier beschreibt darin, dass seit einigen Jahren immer mehr ­ihrer Patientinnen von IV-Gutachtern gesund­geschrieben werden und trotz schwerer psychischer Erkrankung keine IV-Rente erhalten oder ihre langjährige Rente verlieren. Deshalb fing sie letztes Jahr an, eine Statistik zu führen. ­Brühlmeier verschickte Fragebogen an 50 Psychiater und Psychiaterinnen in Surprise 407/17

den ­Kantonen Aargau und Zürich. Sie erhielt 13 Fragebögen zurück, Daten von ins­gesamt 402 Patienten flossen in die Untersuchung ein, in der Brühlmeier zum Schluss kommt, dass offensichtlich eine «humanitäre Katastrophe im Gange sei». Auch wenn die Umfrage nicht reprä­sen­ tativ sei, hätten die Daten von hunderten Patienten, davon 177 «IV-Opfer», doch eine gewisse Aussagekraft. Es zeige sich, dass die Ausmusterung aus der IV (43 Patienten) in 93 Prozent der Fälle direkt in den «sozialen Tod» führe, will heissen: Abhängigkeit vom Sozialamt, vermehrte Krankheit, Hospitalisationen, Armut und vollkommene Erwerbsun­fähigkeit. Die Verweigerung einer Rente (134 Patienten) hatte in 60 Prozent der Fälle ähnlich ­negative Folgen. Verschiedene Medien griffen die Thematik auf. Unter anderem die Radiosendung «Echo der Zeit», welche IV-Chef Stefan Ritler mit Brühlmeiers Umfrageresultaten konfrontierte. Ritler zeigte wenig Verständnis für die Kritik. Es handle sich um Einzelfälle, sagt er, denn die Zahlen des Bundesamtes für Sozialversicherungen würden ein ganz anderes Bild zeigen. Ausserdem falle niemand durch das

Brühlmeiers Artikel rief grosses Echo hervor. Ein Psychiater schrieb in einem Leserbrief, er habe bei seinen Patienten Ähnliches beobachtet und sei nach der Lektüre beschämt, selbst nicht gehandelt zu haben. Ihm sei aber die Thematik in der Presse bisher merkwürdigerweise nicht begegnet. Man muss die letzten Jahre schon unter einem sehr grossen Stein geschlafen ­haben, um nicht mitbekommen zu haben, wie das Parlament im Rahmen der 6. IV-Revision 2010 unter dem Eindruck der Scheininvalidenkampagne der SVP massive Verschärfungen für Menschen mit psychischen Erkrankungen beschloss. Psychiaterinnen, die den politischen Entwicklungen damals tatenlos zusahen und die – wie sich zeigte – berechtigten Ängste ihrer Patienten lange nicht ernst nahmen, sollten sich für die heutigen Zustände zuallererst an der ­eigenen Nase nehmen.

MARIE BAUMANN dokumentiert unter www.ivinfo.wordpress.com seit 2009 das politische Geschehen rund um die Invalidenversicherung. Artikel von Doris Brühlmeier: www.tinyurl.com/y6vs6lx3

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«Armut ist immer auch eine politische Frage» Carolin Emcke Die Publizistin und Philosophin sieht die Grundlagen

des Zusammenlebens in Gefahr. Ein Interview über Gemeinsinn, die Sorgen der Bürger und die Freiheit der anderen. INTERVIEW: ANDREAS DÜLLICK UND AMIR ALI

Frau Emcke, in Ihrer Kolumne für die Süddeutsche Zeitung haben Sie kürzlich über den Gemeinsinn geschrieben. Was genau verstehen Sie darunter? Carolin Emcke: Unter Gemeinsinn verstehe ich das Wissen darum, dass es in einer Gesellschaft darum geht, das zu entdecken und zu fördern und zu schützen, was alle angeht. Der Gemeinsinn hängt also an der Einsicht, dass es jenseits der radikalen Individualität jedes und jeder Einzelnen und jenseits der partikularen Interessen von Gruppen auch etwas gibt, das allgemein ist. Ich kann mich als Individuum immer in unterschiedlichen «Wir» verorten, ich kann mich über die soziale Klasse, den Glauben, die sexuelle Orientierung definieren und artikulieren. Aber in einer pluralen Gesellschaft muss auch verhandelt werden, was 8

allen gemeinsam ist. Was die öffentlichen Güter sind, die wir gemeinsam besitzen, was von öffentlichem Belang für alle ist. Es muss auch an und in einem Wir gedacht und gesprochen werden, das alle anspricht. Sie schreiben, dieses Gemeinwesen werde nicht mehr verhandelt und drohe zu schwinden. Dabei werden heute doch überall und jederzeit öffentliche Debatten geführt. Na ja. Die Tatsache, dass debattiert wird, bedeutet ja noch nicht, dass auch wirklich miteinander und füreinander debattiert wird. Sehr viele der öffentlichen, medial vermittelten Debatten sind doch eher Inszenierungen von Pseudo-Debatten. Da sollen Konflikte präsentiert und verschiedene Gegnerschaften zelebriert werden,

ohne dass die sozialen oder politischen oder kulturellen Phänomene in den Blick genommen werden, um die es eigentlich gehen sollte. Diese Sorte Debatte suggeriert immer, es könne nicht gemeinsam nachgedacht werden, es gebe nicht die Kraft oder Bereitschaft, ein Problem einfach mal zu erörtern. Woran machen Sie diese Bedrohung des Gemeinsamen fest? Wenn ich mich sorge, dass die Res publica schwindet, dann meine ich damit zweierlei: Erstens schwinden tatsächlich öffentliche Räume, öffentliche, allen gemeinsame Güter wie Stadtbibliotheken oder Schwimmbäder oder auch nur Parkbänke. Und zweitens schwindet der Gemeinsinn als etwas, an das politisch appelliert werden kann. Im Surprise 407/17


FOTO: ANDREAS LABES(2), SEBASTIAN BOLESCH(1)

politischen Diskurs wird gern unterstellt, Menschen wollten nur an sich selbst und das eigene soziale oder religiöse oder ökonomische Kollektiv denken. Dabei geht verloren, dass es auch gute Gründe geben könnte, warum mehr Steuern zu zahlen eben im politischen oder demokratischen Interesse liegen könnte, warum es sinnvoll sein kann, sich für die Rechte anderer einzusetzen, auch Freiheiten zu verteidigen, die für einen selbst gar nicht wichtig sind.

«Es gibt viele soziale Missstände, für die sich niemand zuständig fühlt.»

Was wären diese guten Gründe, mehr Steuern zu zahlen und die Freiheit der anderen zu verteidigen? Nun, ein Gemeinwesen, in dem es nur um meine eigene Freiheit ginge, wäre keins. Ein Gemeinwesen dagegen, das die freie Entfaltung der Persönlichkeit jedem und jeder gestattet, schützt auch mich. Wenn ich es ernst meine mit der Religionsfreiheit oder der Würde des Menschen, dann muss ich sie auch feiern und verteidigen, wenn sie nicht meine eigene Religion oder Würde betrifft. Eine solche Gesellschaft ist nicht nur freier, sie ist auch lebenswerter, weil sie reicher ist und kreativer und vielfältiger. Ganz ähnlich verhält es sich mit der Bereitschaft, höhere Steuern zu zahlen: Von einem Gemeinwesen, das über eine gute Infrastruktur verfügt, exzellente Schulen für alle, eine hochwertige Gesundheitsversorgung, eine lebendige öffentliche Kulturlandschaft – davon profitieren alle. Schauen Sie sich die Vereinigten Staaten an: Woran die amerikanische Demokratie krankt, ist doch nicht allein ein autoritärer, selbstherrlicher Präsident, nicht allein ein dysfunktionaler Kongress, sondern es fehlt an Infrastrukturen, an Öffentlichkeit, an der Res publica. Ich denke jedenfalls, dass mehr Steuern, die dann wirklich investiert werden in Bildung oder Infrastrukturen, sich eben lohnen.

«Nicht jede Stimmung ist es wert, politisch ernst genommen zu werden.»

Ein Satz, der für Politikerinnen jeglicher Couleur zum Standardrepertoire gehört: «Wir müssen die Sorgen der Bürger ernst nehmen.» Was sagen Sie dazu? Ich kann den Satz nicht mehr hören. Denn der Satz allein erklärt nicht besonders viel. Surprise 407/17

Natürlich ist es wichtig, in einer Demokratie darauf zu achten, dass die Menschen sich artikulieren können, dass sie Unbehagen oder gar Schmerzen an der Demokratie ausdrücken können. Natürlich ist es wichtig, dass soziale Erfahrungen mit Ausgrenzung oder Missachtung, mit Armut oder Aussichtslosigkeit auch erzählt werden können. Und natürlich ist es wichtig, auf diese Erfahrungen einzugehen. Aber nicht jede Stimmung ist es wert, politisch ernst genommen zu werden. Zum einen, weil in der Gegenwart Stimmungen enorm volatil sind. Sie sind auch sehr flüchtig. Manchmal artikuliert sich da nur Hass und Rassismus und die obszöne Freude am Her­absetzen von anderen. Gerade die Sorge ist nun ein Begriff, der ein rhetorisches Kalkül be­ inhaltet. Mit Sorge wird gern verkleidet, was mit sich sorgen um und für nicht viel zu tun hat, sondern sich zwischen Paranoia und schlichtem Hass bewegt. Insofern verlangt es einfach immer einen ruhigen, ausgewogenen Blick: Was wird da artikuliert, wie angemessen ist die Sorge, worauf bezieht sie sich, gibt es eine empirische Grundlage dafür – und dann muss darauf geantwortet werden. Wenn ich Sie richtig verstehe, sagen Sie: Die empirische Grundlage ist das Kriterium, nach dem ernstzunehmende und vernachlässigbare Stimmungen unterschieden werden. Aber wir haben doch im Zeitalter von Fake News gar keine allseits akzeptierte empirische Grundlage mehr. Nur weil es Lügen gibt, gibt es keine Wahrheit mehr? Wenn es so wäre, könnten Sie ja nicht erkennen, was eine Lüge oder was Wahrheit ist. Natürlich gibt es nach wie vor empirisch überprüfbare und nachvollziehbare Tatsachen. Sie können den Klimawandel nachweisen, mithilfe von Daten, die über Jahrzehnte erhoben wurden, die vergleichbar, methodisch nachvollziehbar und verifizierbar sind. Das wird bestritten. Und dann lassen sich die Gegenargumente anschauen. Sie können, ganz gleich wie gross die Propagandamaschine einer bestimmten Kriegspartei auch sein mag, immer noch 9


Beweise suchen und finden, forensische Belege, Akten, Tonmaterial, um ein Kriegsverbrechen zu rekonstruieren. Natürlich gibt es manchmal Lücken, Grenzen des Wissens, manchmal gibt es nur eine Fülle von Indizien, gibt es Annäherungen an die Wahrheit, Hypothesen, die gelten unter Vorbehalt, bis sich genauere Beschreibungen entdecken lassen. Aber nur weil es Verschwö­rungstheorien, Aberglauben und Lügen gibt, verschwindet doch die Welt nicht, verschwindet doch nicht die Möglichkeit, das, was wahr ist, von dem zu unterscheiden, was falsch oder erfunden ist. Ist ein wahrgenommener Missstand immer ein Missstand? Ein wahrgenommener Missstand ist ein wahrgenommener Missstand. Sonst nichts. Das ist zunächst ein subjektiver Eindruck, eine Hypothese, und die kann dann abgeglichen und überprüft werden auf ihre Berechtigung.

«Manchmal gibt es nur Indizien, nur eine Annäherung an die Wahrheit»: Emcke 2001 in Pakistan.

«Kritik sollte man immer an Handlungen fest­­machen, nicht an der Person selbst.»

Haben wir in unseren Gesellschaften einen zufriedenstellenden Umgang mit wahrgenommenen Missständen? Was heisst denn «wahrgenommen»? Und wessen Umgang meinen Sie? Das lässt sich immer nur an etwas Präzisem festmachen. Allgemeine, vage Kritik an der Politik lässt sich nicht fair und differenziert debattieren. Ich habe den Eindruck, dass es eine Vielzahl gravierender sozialer und ökonomischer Missstände gibt, für die sich entweder niemand zuständig fühlt oder die als zu komplex oder unbequem empfunden – und dementsprechend nicht bearbeitet werden. Die fehlende soziale Mobilität in dieser Gesellschaft beispielsweise, also die Tatsache, dass soziale Herkunft eine nach wie vor entscheidende Rolle bei der Möglichkeit des Aufstiegs spielt. Das ist inakzeptabel. Sie haben den Hass angesprochen, der als Sorge verkleidet wird. Wie lässt sich dem begegnen? Jedenfalls nicht mit Hass und Aggression. Und definitiv nicht mit dem Dämonisieren von Menschen. Es geht darum, Kritik immer nur an Handlungen festzumachen. Also an dem, was eine Person sagt oder tut – aber nicht die Person selbst herabzuwürdigen. Wenn der Hass sich paart mit Gewaltbereitschaft, wenn der Hass sich in fanatischen Netzwerken oder Bewegungen organisiert, dann müssen die Ermittlungsbehörden und die Justiz darauf antworten. Aber dieser Hass, der sich im Alltag zeigt, in den

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Stigmatisierungen von Menschen, die anders glauben oder anders aussehen oder anders lieben, da muss widersprochen werden. Zurück zum Gemeinsinn: Wie kommen wir weg vom Kampf um Deutungs­ hoheiten hin zur gemeinsamen Konstruk­ tion von Realität? Das ist eine sehr wichtige Frage, auf die ich auch keine gute Antwort habe. Im Moment sieht es in der Tat danach aus, dass die öffentliche Auseinandersetzung immer aggressiver wird und die Wahrnehmungen immer weiter auseinanderdriften. Die Wissenschafts-Feindlichkeit, die ideologischen Bewegungen, die die Ideale der Aufklärung und der Vernunft angreifen, die propagandistischen Möglichkei­ten, über soziale Medien Aberglauben und Verschwörungstheori­en zu verbreiten – all das erschwert die Verständigung über das, was die gemeinsame Welt bedeutet. Es braucht sicherlich Anstrengungen auf ganz unterschiedlichen Ebenen: Auf der Ebene der tatsächlich aggressiven propagandistischen Manipulation von Infor­mationen oder gan­zen Systemen braucht es internationale Antworten; auf der Ebene der sozialen Medien wird ja der Druck auf die Monopole wie Facebook schon erhöht, dass sie mehr zur Verantwortung gezogen werden für Hass und auch Falsch­ meldungen; die enorme Bedeutung von Journalismus wird daran wieder deutlich. Es ist eben Arbeit, echte Arbeit, zu recherchieren, was belegbar ist und was nicht, was eine Lüge ist und was nicht, was geschehen ist und wovon nur behauptet wird, dass es geschehen sei. Es braucht handwerkliche und ethische Standards für eine solche Arbeit – und die letzten Jahre haben uns eindrucksvoll vorgeführt, was politisch geschieht, wenn sich Propaganda und Lügen und Falsch­ meldungen ungefiltert und unwidersprochen verbreiten und Menschen beeinflussen können.

sprechen Sie von einer Pluralisierung der Perspektive. Was ist mit denen, die das als Verlust oder Gefahr sehen? Nun, ich kann mir kein Leben in der heutigen Welt vorstellen, ganz gleich in welchem Land, in welchem Dorf, in welcher Familie, in der es nicht schon verschiedene Perspektiven gibt. Jede und jeder von uns wächst doch immer schon auf in einem Umfeld, in dem es soziale oder kulturelle Unterschiede gibt. Niemand wächst in einem komplett einheitlichen Kontext auf. Das wissen die älteren Menschen in Deutschland, die noch geflohen sind, das wissen die Arbeiter im Tagebau, die die verschiedensten historischen Umbrüche miterlebt haben, das wissen die Menschen in der Landwirtschaft, die mit Saisonarbeitern ihre Ernten einfahren oder früher selbst noch hin und her zogen, das wissen alle, die mal freitags in die Synagoge oder sonntags in die Kirche gehen und die Vielfalt der Menschen betrachten, die dort beten. Die Vielfalt ist immer schon eine Konstante in unserer Gesellschaft – mal ist die urbaner und mal ländlicher. Aber sie ist eine reale Erfahrung für alle. Das Entscheidende ist doch, dass der Staat eine Garantie dafür geben muss, dass jede und jeder individuelle Bezüge, Vorlieben und Überzeugungen ausleben darf. Jede und jeder soll geschützt sein im je spezifischen Glauben, in der Art und Weise, für die wir leben oder lieben wollen. Solange ich geschützt bin in meiner Individualität, solange ist auch die Andersartigkeit meines Nachbarn oder meiner Nachbarin nichts weiter als das: eben etwas anders.

«Der Staat muss garantieren, dass jede und jeder seine individuellen Überzeugungen ausleben darf.»

Bei der Frage, was es bedeutet, eine Ein­wanderungsgesellschaft zu sein, Surprise 407/17

Homosexuelle, Armutsbetroffene und Migrantinnen: Sie alle werden mitunter bedrängt, weil sie anders sind. Sitzen diese Minderheiten im selben Boot? Als Minderheiten sind sie alle verletzbarer. Aber es gibt natürlich Unterschiede in den Formen der Ausgrenzung. In der jüngsten Zeit gab es wiederholt den Versuch, diese Gruppen gegeneinander auszuspielen. Es wurde suggeriert, es gebe hier die soziale

Frage der Armut und der sozialen Ungleichheit und dort die politische Frage der Anerkennung von Migrantinnen und Lesben, Schwulen und anderen. Das ist politisch fatal: Beide Fragen gehören immer zusammen. Die nach der sozialen und politischen Ungleichheit. Die Ausgrenzung von Homosexuellen oder Schwarzen ist nicht einfach eine politische, sondern immer auch eine soziale Frage. Armut ist nie nur eine soziale Frage, sondern immer auch eine der politischen Stigmatisierung und der fehlenden Repräsentation. Das Interview wurde auf Carolin Emckes Wunsch schriftlich geführt.

Carolin Emcke Die 50-Jährige arbeitete als Journalistin jahre­lang in Kriegs- und Krisengebieten, u.a. für den Spiegel. Seit 2007 ist sie freie Publizistin, u.a. für Die Zeit und die Süddeutsche Zeitung. 2003/04 war sie Gastdozentin für Politische Theorie an der Yale University. Seit 2004 mode­riert sie die monatliche Diskussionsveranstaltung «Streitraum» an der Schaubühne in Berlin. Mit ihrem Buch «Gegen den Hass» (2016) legte die promovierte Philosophin einen leidenschaftlichen Essay zur Verteidigung der Demokratie und der Grundlagen des Zusammenlebens vor, für den sie mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet wurde.

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Mesfun ist 1999 mit seiner Familie aus Ă„thiopien in die Schweiz geflohen.

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Leben im Dauerprovisorium Aufenthaltsstatus  Seine Kunden nennen Kibrom Mesfun «die Sonne von Thun».

Doch wie bei Tausenden anderen mit F-Ausweis liegt über dem Leben des Surprise-Verkäufers seit fast zwei Jahrzehnten ein dunkler Schatten. TEXT  BEAT CAMENZIND  Fotos  KARIN SCHEIDEGGER

«Süüürprise!», preist Kibrom Mesfun das Strassenmagazin mit lauter Stimme an. Dabei lächelt er den Passanten in der Thuner Bahnhofunterführung zu. Soeben ist ein Regionalzug angekommen, die Menschen strömen in Richtung Altstadt. Mesfun ist parat: «Sssssüüüüürpriiiiise!» Schon seit 2004 verkauft der 56-jährige Eritreer Surprise. In Thun. Ein junger Mann bleibt stehen, die beiden begrüssen sich per Handschlag, machen Witze, der Junge läuft weiter. Eine Seniorin zückt ihr Portemonnaie, kauft ein Heft und verabschiedet sich mit einem Lächeln. «Ältere Frauen nennen mich ‹die Sonne von Thun›», sagt Mesfun später im Gespräch in einem Nebengebäude des Bahnhofs. Den Schlüssel dafür hat er, weil er nachts als SBB-Bahnhof-Pate arbeitet. Er hilft Reisenden beim Fahrplanlesen und beim Gepäcktransport oder schlichtet, wenn ein Streit ausbricht. Das liegt ihm, mit seiner gewinnenden Art kommt er schnell zum Ziel: Als im Raum nebenan ein Handwerker bohrt, reicht sein kurzes Nachfragen und es ist still. Auf einem Spaziergang zum Fluss begrüssen viele den «alten Mann», wie er sich lachend bezeichnet. Ein Junkie klopft einen Spruch. Andere würden beleidigt wegschauen, nicht so Mesfun. Ihm ist egal, ob jemand Drogen nimmt oder zu oft einen über den Durst trinkt. Das sind Menschen wie alle anderen für den gläubigen Katholiken, der jeden Sonntag die Messe besucht. Nur bei einem Thema verfinstert sich Mesfuns Miene sofort: sein Aufenthaltsstatus. Kein Mietvertrag, kein Handy-Abo, kein Bankkonto Mesfun floh 1999 mit seiner Frau und fünf Kindern aus Äthiopien in die Schweiz. Nach der Abspaltung Eritreas gab es für ihn in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba keine Zukunft mehr. Eritreer wurden schikaniert, die Polizei wollte ihn verhaften, er war nicht zuhause dort. Mit Surprise 407/17

Jahrelang vorläufig? Von den insgesamt 67 224 Menschen im Asylprozess sind 37 704 vorläufig Aufgenommene mit Ausweis F. Die anderen 29 520 leben mit einem Ausweis N in der Schweiz. Bei ihnen läuft das Asylverfahren noch. Die Zahl der langjährigen vorläufig Aufgenommenen variiert stark von Kanton zu Kanton (siehe Grafik S. 14). Nicht alle, die seit vielen Jahren in der Schweiz leben, hatten die ganze Zeit denselben Aufenthaltsstatus. Manchen wurde die Aufenthaltsbewilligung B – die an­er­kannte Flüchtlinge erhalten oder vorläufig Aufgenommene nach fünf Jahren in der Schweiz bean­tragen können – entzogen. Gründe dafür: Jemand wird straf­fällig oder ist längere Zeit von der Sozialhilfe abhängig. Die Zahlen dazu werden nicht gesamtschweizerisch geführt, sind jedoch vergleichsweise niedrig: Das Migrationsamt des Kantons Zürich etwa hat 2016 bei 139 Personen mit Aufenthaltsbewilligung B eine «Wegweisung wegen Straffälligkeit oder Sozialhilfe­ abhängigkeit verfügt», wie es auf Anfrage heisst. In Basel-Stadt waren es insgesamt 66 Wegweisungen bei Menschen mit L-, B- und C-Be­willigungen. Baselland hat in 23 Fällen Drittstaatsangehörigen – also Menschen von ausserhalb der EU und der EFTA – die Aufenthaltsbewilligung B nicht verlängert. Diese Personen müssten die Schweiz eigentlich verlassen. Sind sie aber in ihrer Heimat bedroht, werden sie nach dem Verlust der Aufenthaltsbewilligung vorläufig aufgenommen und erhalten den F-Ausweis. Auch Menschen mit N-Ausweis leben zum Teil mehr als zehn oder 20 Jahre in der Schweiz. Diese Men­schen warten nicht seit Jahrzehnten auf den Entscheid über ihr Asylgesuch. Manche wurden straf­fällig, verloren ihre Aufenthaltsbewilligung und stell­ten ein neues Asylgesuch. Andere lebten nach einem negativen Asylentscheid längere Zeit von der Nothilfe und stellten ein neues Gesuch.

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Personen mit F-Ausweis in der Schweiz Gesamtzahl pro Kanton

Davon mit Aufenhaltsdauer von 10 oder mehr Jahren

Waadt 4035

26.5 % 1069

Freiburg 1173

22.9 % 269

Basel-Landschaft 1356

21 % 285

Wallis 1521

20.5 % 312

Genf 2416

20 % 482

Zürich 6927

17.5 % 1209

Gesamte Schweiz 37704

17.2 % 6493

Nidwalden 166

16.9 % 28

Bern 5880

16.8 % 988

Zug 503

16.7 % 84 16.4 % 201

Solothurn 1228 Luzern 2132

16 % 342

Graubünden 782

15.2 % 119

Schwyz 702

13.7 % 96

Thurgau 731

13 % 95

Basel-Stadt 770

12.9 % 99

Neuenburg 714

12.6 % 90

Tessin 1236

12.1 % 150

Jura 300

12 % 36

Argau 2212

12 % 265

Obwalden 147

11.6 % 17

St. Gallen 1769

11.5 % 203

Glarus 207

7.3 % 15

Uri 118

5.9 % 7

Schaffhausen 343

5.3 % 18

Appenzell R 260

5% 13 1.4 % 1

Appenzell I 74 0

14

5%

10%

15%

20%

25%

seinen Ersparnissen organisierte er die Flucht für sich und seine Familie nach Europa. Seit dem Jahr 2000 lebt die Familie in Thun. Trotz der 18 Jahre in der Schweiz sind Mesfun und seine Ehefrau immer noch «vorläufig Aufgenommene». Mit ihrer F-Bewilligung stecken sie in einem Dauerprovisorium. Menschen mit einem F-Ausweis haben einen negativen Asylentscheid erhalten und müssten eigentlich die Schweiz verlassen. Weil ihnen in ihrer Heimat Krieg, Folter oder Todesstrafe drohen, können sie jedoch nicht zurück – eine Ausschaffung würde in solchen Fällen gegen das Völkerrecht verstossen. Also nimmt die Schweiz diese Menschen vorläufig auf und gibt ihnen eine F-Bewilligung, gesteht ihnen aber nur beschränkte Rechte zu. Für Reisen ins Ausland oder den Umzug in einen anderen Kanton brauchen sie die Erlaubnis der Behörden. Auch die Arbeitssuche ist schwierig: Der F-Ausweis muss jedes Jahr erneuert werden, einen Job müssen die Behörden bewilligen. Nur wenige Arbeitgeber stellen Menschen mit einem F-Ausweis ein, da sie glauben, sie könnten jederSurprise 407/17


«Rund 80 Prozent der vorläufig Aufgenommenen bleiben in der Schweiz. » Aus einem Bericht des Bundesrates

Mesfun fand aufgrund seines Aufenthaltsstatus kaum oder nur schlecht bezahlte Arbeit.

zeit ausgeschafft werden. Hinzu kommen Probleme mit alltäglichen Dingen: Vorläufig Aufgenommene dürfen keinen Mietvertrag unterschreiben, kein Handy-Abo abschliessen und kein Bankkonto eröffnen, wenn sie kein regelmässiges Einkommen oder keinen gültigen Ausweis aus ihrer Heimat haben. «Wir würden Sie gerne einstellen» In diesem Provisorium leben in der Schweiz Zehntausende, viele auch auf Dauer: Die Statistik des Staatssekretariats für Migration (SEM) zeigt: Von den insgesamt 67 224 Personen, die sich Ende Februar 2017 im Asylprozess befanden, hatten über die Hälfte, nämlich 37 704, eine F-Bewilligung. Für 6493 von ihnen hält dieser Zustand seit zehn und mehr Jahren an, für 1044 Menschen 20 Jahre und mehr (siehe Kasten «Jahrelang vorläufig?»). Es sind kaum vorläufig Aufgenommene zu finden, die öffentlich über ihr Leben in der Schweiz sprechen wollen. Eine 28-jährige Serbin willigte ein, ihren Fall anonymisiert zu schildern: Ihre Familie zog 1990 in die Schweiz. Surprise 407/17

Da war sie ein halbes Jahr alt. 1994 wurde ihre Mutter schwer krank. Die Familie zog zurück nach Serbien, da die Mutter dort sterben wollte. 1999 kam der Vater mit den Kindern wieder in die Schweiz. Die Serbin hat ihre Ausbildung hier absolviert, spricht die Landessprache, hat keinen Strafregistereintrag und arbeitet in einem 50-Prozent-Pensum. Wegen einer Krankheit bezieht sie eine IV-Rente. Deshalb weigerte sich ihr Wohnkanton, das Wallis, ihren F-Ausweis in eine B-Bewilligung umzuwandeln. Die Begründung: Sie sei von der Fürsorge abhängig. Auf eine amtliche Verfügung des negativen Entscheids, die sie gerichtlich anfechten könnte, musste sie monatelang warten. Inzwischen entschied das Bundesgericht, dass das Wallis ihr eine B-Bewilligung ausstellen müsse. Auch Kibrom Mesfun und seine Frau erhielten mehrere negative Entscheide auf ihre Gesuche um eine B-­ Bewilligung hin. Beim jüngsten Versuch Ende 2016 begründete das Migrationsamt der Stadt Thun dies mit mangelnden Sprachkenntnissen und der finanziellen Abhängigkeit vom Sozialamt. Mesfun fand aufgrund seines 15


Aufenthaltsstatus kaum oder nur schlecht bezahlte Arbeit. Trotzdem arbeitete er immer: Bereits in der ersten Flüchtlingsunterkunft übernahm er Aufgaben, später war er in Thun an der Velostation tätig. Seit 2004 arbeitet er als Surprise-Verkäufer und als Bahnhof-Pate, und er hatte Jobs in einem Hotel und in einer Konzerthalle. Seine Frau half bei einem Integrationsprojekt der Caritas mit und übersetzte für die Gemeinde Thun. Später absolvierte sie die Pflegerinnenschule, seither arbeitet sie auf diesem Beruf, derzeit im Spital Lindenhof in Bern. Doch mit dem tiefen Lohn ist es schwierig, sechs Kinder zu ernähren, allein die Miete der Mesfuns schlägt mit 2400 Franken pro Monat zu Buche. Konnte sich Mesfun für einen besser bezahlten Job vorstellen, hörte er immer denselben Satz: «Wir würden Sie gerne einstellen, doch mit einem F-Ausweis ist das unmöglich.» Antoinette Killias vom Hilfswerk Heks weiss: «Um eine Aufenthaltsbewilligung B zu bekommen, ist es sehr

wichtig, nicht von der Sozialhilfe abhängig zu sein.» Daneben würden auch die Zumutbarkeit einer Ausschaffung, der Grad der Integration und die Familienverhältnisse geprüft. Killias spricht von einem Teufelskreis: «Wenn Menschen mit F-Ausweis überhaupt eine Stelle finden, dann nur im Tieflohnbereich. Damit bleiben sie von Sozialhilfe abhängig und erhalten keinen B-Ausweis. Mit einer B- oder C-Bewilligung hätten sie grössere Chancen auf dem Arbeitsmarkt.» Internationale Kritik Der Bundespolitik ist das nicht entgangen. Mit über 20 Vorstössen drängten Parlamentarierinnen den Bundesrat zum Handeln. Der schlug in einem Bericht Ende 2016 vor, vorläufig Aufgenommene besserzustellen. Denn, so die Regierung: Rund 80 Prozent dieser Menschen blieben erfahrungsgemäss in der Schweiz. Hätten sie einen B-Ausweis, wirke sich das positiv auf die Integration in den Ar-

Die Schweiz nimmt diese Menschen vorläufig auf und gibt ihnen eine F-Bewilligung, gesteht ihnen aber nur beschränkte Rechte zu.

Ob als Bahnhof-Pate oder Surprise-Verkäufer: Mesfun arbeitet eigentlich immer. 16

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Quelle: Staatssekretariat für Migration SEM (Stand: 28. Februar 2017), Infografiken: Bodara(2)

Herkunft der Personen mit F-Ausweis (blau) und N-Ausweis (grün) 37 704 Personen

Restliche Länder 8477

Afghanistan 4765

Syrien 6242

China 2161

Eritrea 8231 Sri Lanka 1541

29 520 Personen

Somalia 3244 Afghanistan 7431

Serbien 1407

Restliche Länder 6745 Irak 1636

Syrien 3699

Sri Lanka 1842

Eritrea 6696

Somalia 1118 Irak 1989

beitsmarkt aus. Zudem würden Gebühren und Bewilligungen Arbeitgeber davon abhalten, Personen mit einem F-Ausweis einzustellen. Der Bundesrat will nun Gebühren streichen, die Arbeitsbewilligung vereinfachen und so die vorläufig Aufgenommenen aus der Sozialhilfe holen. Die Regierung schlägt auch einen neuen Status vor: die «Schutzgewährung». Nicht zuletzt verwirre die Bezeichnung «vorläufig aufgenommen» die Arbeitgeber und entspreche nicht der Realität. Der Nationalrat stimmte Mitte Juni diesem Vorhaben zu. Experten sollen nun die Feinarbeit übernehmen. Damit reagiert die Schweizer Politik auch auf den Druck des UNO-Ausschusses gegen Rassendiskriminierung. Dieser verlangt von der Schweiz, vorläufig Auf­ genommenen «ihre grundlegenden Men­sche­nrechte» zu Surprise 407/17

gewähren. Der Ausschuss empfiehlt, unverhältnismässige Einschränkungen der Rechte abzuschaffen. Gerade Menschen, die sich seit Längerem in der Schweiz aufhalten, solle der Familiennachzug, der Zugang zum Arbeitsmarkt oder der Kantonswechsel vereinfacht werden. Doch das ist vorerst nur eine Empfehlung. Für Kibrom Mesfun kam im Januar 2017 die Wende zum Besseren: Er wurde im Spital Thun als Putzkraft eingestellt. Oft dauert seine Schicht von fünf Uhr früh bis mittags. Trotzdem steht er am Nachmittag am Bahnhof und verkauft Surprise. Der Lohn: Mesfun bezieht keine Sozialhilfe mehr. Unterstützt wird er nur noch vom Surprise-Programm SurPlus. Stolz sagt er: «Ich bezahle jetzt alles selber.» Wie gut seine Chancen auf eine B-Bewilligung jetzt stehen, ist hingegen ungewiss. 17


Kartografie der Zukunft Literatur  Der neue Heimatroman «Land ganz nah» beginnt mit einer exzessiven Party und endet im

Bürgerkrieg zwischen den urbanen Zentren und dem Rest der Schweiz. Ein exklusiver Vorabdruck. TEXT  BENJAMIN VON WYL

Die Basler Bleiberechtsaktivisten haben eine Bewegung gestartet. Alles recht ernst, zwar sind da nur etwa dreissig dabei, aber immerhin! Und sie haben schon Schäden von 500 000 Euro verursacht. Immerhin! Schon. Sie haben den Zoll Otterbach hinter den Langen Erlen, den Grenz­ übergang da beim Erstaufnahmezentrum, etwa eine ­halbe Stunde lang blockiert. Auf Schweizer Seite. Das pas­ siert selten, und darum dürfen sie jetzt auswärts spre­ chen. Auf einer grossen Demo in Zürich. Ich begleite sie. Für ein Porträt. Ein sympathisches Porträt. Ich mag ja Porträts, und die sind immer sympathisch. Das kann ich ihnen aber so nicht sagen, deshalb habe ich gesagt: ein Sympathisanten-Porträt. Etwas abseits von Podium und Soundwagen ist eine Gartenmesse. Dämpfe von Bärlauch-Bratwürsten. Auch interessant. Vor allem zum Menschengucken! Die Demo versammelt sich vor dem Hallenstadion – keine Verbrüde­ rung mit Bärlauch-Grillmeistern! Ich versuche, ein paar Quotes einzuholen. Parolen. «Rassistische Regierigsrat – willkomme im Naziapparat!» Das Flugblatt – dein Spick­ zettel. Nach drei, vier solchen geb ich auf. 8000 Zeichen, ich darf nicht zu viel sammeln, zu viele Quotes haben. Ich will ja auch beschreiben, wie es war. Ich war noch nie auf einer Demo. Die Reden beginnen und die Reden erzählen von ei­ ner brutalen Abschiebung in Meierskappel, von einer Kir­ chenbesetzung in Bern, bei der die Polizei eine Kontrolle im Kirchenschiff durchgeführt hat. Die Sans-Papiers glaubten, es gäbe das Kirchenasyl noch. Wer hat das nicht geglaubt? Sie sind jetzt in Ab­ schiebehaft. Dann wieder Parolen. Dann sind meine Basler dran, aber ich bin enttäuscht. Sie erzählen nicht von ihren Erfahrungen. Sie bringen einfach noch mehr Paro­ len, fassen Parolen in Reden. Ich gluckse: Parolen-Collagen. «In die­ sem Kanton gibt es einen rassisti­ schen Regierungsrat – go home, Mario! Da kann ich wirklich nur sagen: Willkommen im Naziappa­ rat!» Wann laufen wir denn los? Geht es denn mal los? War nur eine Kundgebung angekündigt? Es ist kalt und niemand hier mag Heizpilze. Die sind eh verboten in der Schweiz, glau­ be ich. Anderthalb Stunden nach dem angekündigten Beginn fährt der Traktor los. Soundsystem. Die vielen Einkaufswagen ­voller Topfpflanzen sollen die friedliche

Sie heissen Reden, aber es sind einfach ­Parolen.

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Absicht aller ­Beteiligten noch betonen. Vier Kinder ma­ chen ein Wettrennen mit den begrünten Einkaufswagen auf dem Trottoir neben der Demo, ein weirder Typ vom Demoschutz hat sich eine Efeukrone aufgesetzt, befestigt an den ­Ohren, das macht ihn zum Segelohren-Hippie. Darf ich ein Foto von dir machen? Nein. Was sind das? 1000, 1200 Menschen? Ich schicke auf Whatsapp ein Foto an Sahar. «Refu­gees welcome» – «So viele Menschen sind hier!» Viel Hochdeutsch, viel Französisch, auch viel Mundart. Kaum gebrochenes Deutsch. Ausser um den Lastwagen einer Kurdengruppe. Darf ich die fragen, ob sie schon lange in der Schweiz ­leben? Darf ich die fragen, ob sie Flüchtlinge sind? Ist das rassistisch? Irgendwie schon, aber ich will ja etwas erfahren. Es ist alles nicht mehr so einfach. Oben auf dem Platz – das Schild sagt: Berninaplatz. Oben auf dem Berninaplatz wartet die Polizei. Eine Linie, Plexiglasschilde, drei Kastenwagen. Auf unserer Seite ist die Linie noch dichter, Gaffa-Schicht um Gaffa-Schicht härtet ein «Smash Capitalism»-Transpi. Das habe ich schon mal auf der Tagi-Frontpage gesehen. Wo das wohl lagert zwischen den Demos? Die Familien gehen, manche Einkaufswagen bleiben, werden von Aufbau-Aktivisten als Vorfront platziert. «A las barricadas!» – «Hoch die …» Auf einem Einkaufswagen glimmt und glüht und raucht eine Pyro, bald brennen die gesammelten Bierkartons, PET und der Bambus im Topf schmelzen und sengen im Einkaufswagenbauch. Vom Kurdenwagen klingt das Me­ gafon: «Türkische Arme – raus aus Kurdistan!» Sie mei­ nen aber die Armee. Kippen am Boden, Flaschen in der Luft. «Kantonspolizei Züri, bitte ziehnd Sie sich sofort zrugg und begäbed Sie sich uf die vorgsehni Route.» Wei­ tere Flaschen. Ein Polizist schiesst, nur Gummischrot ­natürlich. Er ist der Chorführer, die anderen schiessen zur Antwort. Schuss. Schuss. Flaschen. Schlimm. Kapuzen lösen sich aus der Demo und rennen zu den Einkaufs­ wagen. Brennsprit, die Wagen brennen, die Pflanzen sen­ gen, nur ein Strauch Schilf feuert richtig. Die Kapuzen halten ihre Köpfe unten, als sie mit den Einkaufswagen auf die Polizeilinie zurennen. Niemand vom Demo-­ Sicherheitsdienst; niemand trägt Efeu, niemand sonst mit orangem Signalgilet. Tränengas, Gummi – ich bin froh um die Aktiv­kohlemaske. Ich will in der Mitte blei­ ben, aber das ist gar nicht so einfach. Transpiträger vor mir rennen los, dann die hinter mir. Auf die Seite, dann wieder vor mir. Dann Gummi, Gummi von nah. Gummi in der Luft, Tränen­gasgranate. Schreie, Bullenschweine­Schreie. Funkgeräusche, Parolen-Dada. K ­ urden, Auf­ bau-Kinder. Kinder. Surprise 407/17


FOTO: EVAN RUETSCH

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We go to the anyway place and have the coffee, dear! Wie heisst du? Name? Melahat. Not Swiss? Nicht Name der Alpen? Johnny invites you. Warm. Fühlen wir uns wohl. Johnny hat immer ­gedacht, dass er hier ankommt. In Europe. Nett, although it’s a jungle. Not like Calais, but still. Never seen, Calais-Jungle. ­Johnny likes, wie klar das Wasser ist. Komm, take the sugar. Today big problem, mein Bruder, brother didn’t send the money. Mein Bru­ der ist pretty stupid. Gestern money ging nach Schweden. ­Melahat, but Schweizerin, yes? Vorgestern schrieb er den Namen falsch, Leti-CIA! Aber der Name des Mädchens ist Letizia. Die Stadt Zürich baut sich entlang der Junkie-Linie und der Party-Linie auf. Entlang des 31er- und 32er-Busses. Mein Weg richtet sich nach der 31er-Linie. Und wenn dann am Morgen eine Frau ­kreischt und jammert, man hätte sie immer betrogen, fühl ich mich «willkom­ me in … Züri, Langstrass-­Bitches, Hustlers und Coki». Man hätte sie betrogen – betrogen, betrogen, be­ trogen. Man nähme ihr das Letzte. «Dihei verzelläts Gschichte, Gott wird sie richte.» Man könne ja nicht mehr leben und wieso solle man das wollen. «Da chasch si, was wotsch si.» Sie habe nichts mit ih­ nen zu tun. Sie habe nie jemandem was getan. Ihr Dialekt ist interes­ sant – Glarnerdeutsch? Es fällt mir immer schwer, Dialekte zu ver­orten. «Mached Fotine von­ ere Attrappe vomene Dealer us Pappe.» Sie steigt bei der Haltestelle Kanonengasse aus und will uns zum Abgang noch verbieten, sie so anzustarren. Das tat natürlich gar niemand, es gibt genug Aus­gaben von 20 Minuten, Bild­ schirme und Strassenschilder, auf die man sich während solchen Low-Fi-Performances konzentrieren kann. Be­ trogen, betrogen, betrogen. «Züri … Züri … Züri …» Manchmal seh ich Skor vor dem Volkshaus die Abendson­ ne geniessen, wenn ich wieder Theoriefutter aus der Buchhandlung daneben brauche. Ich arbeite nicht mehr bei dem Online-Medium, das ein stammelnder Juni­ or-Projektmanager als das einzige bezeichnet hat, in dem man sich dem «Sand-im-Getriebe-Sein» hingibt. Das stimmt natürlich deshalb nicht, da jedes Medium – auch jedes digitale – einen Sitz hat und jeder Sitz zu einer Stadt gehört und eine Stadt ein Ort ist und ein Ort nicht Ver­ neinung sein kann. Und Zürich ist zudem ein Ort, in dem Sakkos als Slackers Casual gelten. Ich komm nicht los von meinen Vorurteilen, was mich manchmal schon fragen lässt, ob Lokalpatriotismus wirklich nur Fasnacht und Fussball ist, ob er nicht zu ähnlichen Ausartungen führen kann wie Patriotismus, Nationalismus, Chauvinismus et cetera pp. Eigentlich was, womit ich mich beschäftigen könnte! Ich bin jetzt Wissens-Wissenschaftler, also Wis­ senschaftshistoriker, werdender jedenfalls. ETH-Student, MA Geschichte und Philosophie des Wissens. Das ist oft sehr praxisnah. Seminare über Olten führen nach Olten – Lernkontrolle ist ein Essay darüber, ob man das Vier­ waldstättersee-­Gemälde im Nationalratssaal durch eines

Die Berner seien die brutalsten in der Schweiz.

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der Oltner Gleisfelder ersetzen sollte. Bei Dr. habil. ­Humbel, die ganz nett ist, aber in Arbeitsbesprechungen immer noch näher rückt und noch näher rückt und eine übermütige Leichtigkeit versprüht. Sie scheint dauernd geladen, mit Worten, und sobald sie spricht, kommen Schwälle, Schwa­dronie. Alles etwas unkontrolliert, aber auch sehr bewundernswert, wie sie es schafft, ein F mit der gleichen Entladung auszusprechen wie ein P. Und wie sie es schafft, sich für das Vierwaldstättersee-Gemälde zu interessieren. Bei Olten verstehe ich das noch besser, denn sie ist aus dem Ruhrgebiet. Ich lerne viel, Anekdo­ tisches: Das Zürcher Wappen im Shopville vom Haupt­ bahnhof, das durch ein Wasser-Lichtspiel geformt wird – man erkennt es kaum als Wappen, ich hab’s auch erst gesehen, als mir das gesagt wurde –, stehe für ein «urba­ nes Selbstbild, das durchdrungen werden kann und sich im stetigen Fluss neu konstituiert. Vieles verbleibt Pro­ jektion, was für Zürich im Allgemeinen steht, für einen heterotopischen Ort wie einen Bahnhof im Besonderen.» Über so was d ­ enke ich nach, durch das Vorlesungsver­ zeichnis bedingt. Aber auch über jüdische Mystik und die Erfindung der Unruhfeder als Meilenstein der Schweizer Industrie und als Meilenstein im Verhältnis der Menschen zur Zeit. Unruhe zur Ordnung. Alles ganz interessant. Ich trinke Bier im Bquem. Denk dann beim Abstieg über die Treppen darüber nach, dass die Bücher in mei­ nem Rucksack schwer wiegen. Denk dann beim Queren des Niederdorfs darüber nach, dass ich noch Ricotta ein­ kaufen muss. Denk dann beim Anstehen an der Coop­Kasse darüber nach, wie viel Geld ich im Monat dem Alki-­ Bermudadreieck auf der anderen Strassenseite überlasse. Denk dann beim Gang über die Sihl – wunderbar, das Abendlicht – darüber nach, ob der Abstieg vorgezeichnet ist, wenn man im Alki- (oder auch Punk-)Bermudadreieck auf der Bahnhofsbrücke zum ersten Mal ein Ankerbier öffnet. Denk dann im Pissoir, das in den Zaun des Kaser­ nenareals eingelassen ist, darüber nach, ob es theoretisch möglich ist, alle Veranstaltungen zu besuchen, zu denen ich auf Facebook eingeladen werde. Denk dann, während ich beim Warten auf Grün an der Ecke Langstrasse/Hohl­ strasse die Invites durchscrolle, darüber nach, ob sich manche Imbisse und Tamilenläden bewusst gegen einen ansprechenden Schriftzug entscheiden, um keine Mili­ eu-Kundschaft zu verschrecken. Denk dann, wenn ich die Routen der Skater vor der Bäckeranlage blockiere, da­ rüber nach, ob sich in meiner Weltwahrnehmung was ­ändert, wenn ich den Blick am Abend nicht mehr täglich lese. Denk dann, während ich für Karola mit Panorama­ bild-App ein Bild von der Magic-Mystery-­AbendlichtAussicht an der Ecke Seebahnstrasse/Hohlstrasse schiesse, darüber nach, ob es eigentlich verwerflich ist, Nicht-Bio-Käse aus Italien zu kaufen. Denk dann, wenn mir im Innenhof der Seebahnkolonie mein Nachbar von den ausartenden Partys unter der ehemaligen Pizzeria erzählt («Eigentlich sind’s ja Gay-Partys, weisch. Und ja, det blibt kein Hoselade zue, aber voll offe und voll will­ komme und halt ächt nonig so entdeckt …»), darüber nach, mit welchen Quellen ausser der Bibel ich was ­S innvolles zum Sprachenverhältnis von Hebräisch, Surprise 407/17


«I don’t feel safe in Blablabla.»

Johnny hat immer gedacht, dass er hier ankommt. Johnny ist nach Bulgarien reingekommen. Bulgaria – no good. Kein Anyway-country, kein gutes Land. Fifty percent of people okay, aber die anderen: Sie machen Kontrollen, beat up – Johnny und alle anderen. Sie nehmen den Pass – before Johnny had a pas­ sport from Afghanistan. Afterwards no more anyway: Sie neh­ men das Geld, mobile, shoes und dann schlagen. No good. ­Bulgaria, Menschen nicht wie Menschen. In Turkey war es mög­ lich, direkt nach Europa zu kommen, Johnny’s wife is in the­ ­Ireland. Also sagt Johnnys Frau– she’s Irish, but born Afghan –, Surprise 407/17

Johnny darf kommen. Sechzig Tage Stanbul, aber that became problem. Johnny hat sich angeschaut, die Blaue Moschee, die Hagia Sophia, the delight, the simit, the corn, that they sell on the street. Als Johnny zurückkam, to the flat, Johnny saw Johnny’s stuff completely messed up. Alles durcheinander, Tohuwaboo! Bad people. Johnny hat gesehen, sie haben das mobile genom­ men und auch letters und Dokumente. Wichtige Dinge für­­Johnny hat Johnny’s Irish wife as well, aber das war auch important stuff über die Leute, von denen Johnny weg ist. The Taliban, the proof that Johnny ist nicht sicher in Afghanistan, that he needed to go to the Anyway-country. Johnny wanted to show the Anyway-­ Präsidenten oder einem seiner Anyway-Men. Dann hatte Johnny nur noch the delight und alles war weg und Johnny got the fear. Johnny went away, not far. Kurzer Weg nach Bulgarien, long time Bulgaria, long time in Bulgaria – Johnny rennt und die Hunde run after. Johnny rennt ein, zwei, drei, vier Mal. The dogs came and other times die Autos. Fence, fence. Romans had one fence, Europe today: One fence, two fences, three fences, fences in head. Irish wife is on an island, Johnny is fenced. Johnny hört: «Go back! Back Turkey, no Bulgaria.» Da liegt Johnny schon am Bo­ den, Hände on the back, the wire um die Hände. No Fingerprints. Bulgaria no good. Raus aus Bulgaria ist nicht einfach. One time, two time, three time, a lot time. Dann Serbia, viele Wochen ­Serbia. No good, im Regen, no good, im Park. Und hungry border dogs, lot of hungry border dogs. More fence, nothing new with fence. Schlagen, beat up, beat up! Hit. Hungary border, hungary border dogs. Bad, they say the worst. You go anyway. They hit! Johnny run. Hit and run. Sagt: «I want to seek asylum in ­Hungary.» Dann prison, then Johnny stay there. Sagt: «I don’t feel safe in Blablabla.» Don’t feel safe in the Belgrade. Da sind ­Taliban. Don’t feel safe in the Istanbul. Da sind Taliban. Anywhere-­Taliban wegen asylum-law. Ja, dann Austria, nice. Nice. Buchs, a lot of media people. Zurich. Now we do the Bla­ blabla. Now Zurich. Was bad inside, Zurich. Smallest country, smallest fenced area. HB. HB. Problem. Not big problem. Now better. Now Johnny’s gonna go to the Anyway-country, talking to the Anyway-president and Anyway-president’s wife. Johnny’s gonna stay. Also good friends with the Anyway-president. Es hat in der Woche angefangen, in der «dä George ­Clooney vo de Aupe» der NZZ sagte, dass die Schweiz pro Jahr maximal hundert Asylbewerber aufnehmen könne. Plötzlich sind sie da. Vor ein paar Wochen sind Reporter für nix beziehungsweise für zwölf Personen an die Gren­ ze nach Buchs gefahren, jetzt zweigen ab Salzburg viele Flüchtlinge Richtung Schweiz ab. Das war auch deshalb nur eine Frage der Zeit, da für den Weg nach Bayern und Deutschland der ICE meist gewechselt werden muss. Zu uns kann man sitzen bleiben.

FOTO: ZVG

Aramäisch, Griechisch, Lateinisch und Phönizisch-Pu­ nisch im Jerusalem des ersten Jahrhunderts nach Chris­ tus schreiben kann. Ich hab jetzt sehr viel Zeit, vor allem, um in mich hin­ einzugehen. Und auch genügend, um sämtliche Online­ portale abzugrasen, die ich früher beruflich abgrasen musste. Tagi, WOZ, NZZ, TagNacht, Spiegel­Online, Zeit Online, Süd­deutsche, Vice. Nur die ewig gleichen Welt­ erklärer-Texte zur Flüchtlingskrise lese ich nicht. Kennst du einen, kennst du schon genug. Wenn ich so einen schreiben müsste, würde ich einen anderen Ansatz wäh­ len: die Grössenordnung betonen. Menschen, die in einer Zahl kommen, dass ich die Kartografen der Zukunft sehe, wie sie neue Editionen des «Historischen Weltatlas ­Putzger» erstellen, in denen die Völkerwanderungen des dritten bis siebten Jahrhunderts mit jenen des 21. Jahr­ hunderts verglichen werden. Für einen Ort wie Zürich ist das erschütternd, unge­ wohnt. Eine Stadt, die sich in Sakkos kleidet, versteht die Menschen nicht, die sich im Zwischenstock über dem HB-Shopville unter Rotkreuzdecken verkriechen und abrücken, wenn jemand zu seinem Schliessfach muss. Es wird berichtet. Es wird gekocht. Rucksacktouris, die sonst hier einfach ihre Wertsachen wegsperren, breiten die Schlafsäcke aus. Statt sich durch das Niederdorf zu saufen, bis sie über den Dosenfrüchteschirmchendrinks in der Double-U-Bar verenden. Fucking Katastrophengaffer. Ich find, hier hat das Wort Daseinsberechtigung: pietätslos. Am Rathaus hängt die chinesische Flagge, aber die Delegation ist beim Münster oben. Wir dürfen uns auf dem Marktplatz versammeln. So lieb. Da die tibetischen Demonstranten da sind, ist auch die meiste Aufmerksam­ keit da. Ich auch. Und ich tanze au soleil au s­ oleil! Mit Irie Révoltés. Huiui. Der Zug macht sich auf, die Basler Poli­zei hat ihre Kollegen aus Bern hinzugezogen. Kann ich schrei­ben, was auf der Demo er­ zählt wird? Die Berner seien die brutalsten in der Schweiz. Guerilla Radio – turn this shit on! Es bleibt alles harmlos. Ich finde es ko­ misch, bin fast enttäuscht. Also na­ türlich nicht enttäuscht, dass sogar die Polizei friedlich bleibt, aber enttäuscht, weil wir hier standen und eigentlich einfach nur hier stehen blieben. Die chinesische Delegation hat uns nicht mal gehört. Turn this shit on!

Benjamin von Wyl, geboren 1990, ist Journalist und Dramaturg. Sein Debüt «Land ganz nah. Ein Heimat­ roman» erscheint am 28. August bei Lector Books.

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Als es in Zürich noch Wildblumen gab Ausstellung Das Musée Visionnaire zeigt die Werke der Zürcher Stadtoriginale

Hans Krüsi, Emil Medardus Hagner und Gebhard Hafner – Künstler, für die in der heutigen Gesellschaft kaum mehr Platz wäre. TEXT  EVA HEDIGER

Zürich, Anfang der Sechzigerjahre. In einer Ecke der Bahnhofstrasse steht ein vom Leben gezeichneter älterer Mann. Er ist einfach gekleidet, trägt einen ausgebeulten, aber bunt dekorierten Hut. Um ihn herum liegen Körbe, gefüllt mit verschiedenen Wildblumen. Diese sowie selbstgemalte Postkarten verkauft er für wenig Geld. Für die Ausstellung schrieb eine Zürcherin ihre Erinnerungen nieder: «Wir Kinder hatten Respekt und beinahe Angst vor dieser eigenartigen Erscheinung.» Doch ihre Mutter beruhigt sie – und ersteht ab und zu ein Sträusschen bei dem Mann. Jahre später begegnet sie ihm auf dem Flohmarkt Bürkliplatz wieder: «Unter einem Baum 22

stehend, verkaufte er kleine Bildchen. Vor allem Kühe. Er riss diese von einer Papierrolle ab. Man zahlte pro Stück etwa fünf Franken.» Die Frau kauft ihm, dem Künstler Hans Krüsi, zwei Bilder ab. Jetzt sind diese privaten Leihgaben neben weiteren Kunstwerken Krüsis im Musée Visionnaire ausgestellt. Seit bald vier Jahren widmet sich dieses kleine Museum in der Zürcher Altstadt der sogenannten Outsider-Kunst. Die aktuelle Schau «Drei Geschichten aus Zürich» zeigt neben Krüsis Bildern auch jene von Gebhard Hafner und Emil Medardus Hagner. Sie alle waren Zürcher Stadtoriginale. Über Jahrzehnte haben sie die Stadt geprägt, sind

aufgefallen und im kollektiven Gedächtnis geblieben. «Vor allem die über 40-Jährigen erinnern sich noch an sie», erklärt Kuratorin Anouchka Panchard. Museumsleiterin Fabienne Schellenberg fügt an, Stadt­ originale würden in vielen Menschen eine Art Sehnsucht auslösen: «Jeder Banker, der an Krüsi vorbeilief, wünschte sich vermutlich, auch mal so frei leben zu dürfen.» Trotzdem würden randständige Personen oft belächelt. «Aber als Aussenseiterkünstler wurden sie in der Szene sehr ernst genommen.» Besonders Krüsi, der als Einziger der drei auch international Erfolg hatte: «Das ist für einen Aussenseiterkünstler schwieriger als für Künstler, die sich auf Surprise 407/17


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dem regulären Kunstmarkt bewegen.» Outsider-Künstler werden oft nicht ausgestellt, weil sie an keiner Kunsthochschule studiert und keine vergleichbare Aus­ bildung absolviert haben. Krüsi wurde jedoch wie Hafner und Hagner von lokalen Kunstfreunden und Galeristen unterstützt. Ersterer stellte zum ersten Mal in einer St. Galler Blumenhandlung aus, später folgte eine Schau in New York. Ab den Achtzigerjahren konnte Krüsi von seiner Kunst leben. «Das ist sehr selten», sagt die Kuratorin Panchard. Pflanzenbilder mit Kaffeeflecken Hans Krüsi (1920–1995) wurde in Zürich geboren, wuchs aber in einem Appenzeller Waisenhaus auf. Bereits als Kind foto­ grafierte er. Später pendelte er täglich nach Zürich, wo er ab 1948 Blumen verkaufte. Erst Mitte der Siebzigerjahre entdeckte er das Malen und Zeichnen. «Sein Nachlass besteht aber aus mehreren tausend Bildern. Er hat alles aufbewahrt», so Panchard. Statt der für Krüsi typischen Kuhbilder gibt es Surprise 407/17

«Jeder Banker, der an Krüsi vorbeilief, wünschte sich vermutlich, auch mal so frei leben zu dürfen.» FABIENNE SCHELLENBERG, MUSEUMSLEITERIN

im Musée Visionnaire vor allem Werke mit Pflanzenmotiven zu sehen. «Wir wollten zeigen, dass er auch in der Natur Inspiration gefunden hat.» Auch einige seine frühen Arbeiten – Skizzen auf Papierservietten – sind aufgehängt: Sorgfältig spiegelte Krüsi abstrakte Figuren bis zu viermal. Einige Exemplare sind mit Kaffeeflecken übersät, auf anderen prangt das Logo eines Restaurants. Doch nicht nur Krüsis Kunst ist ausgestellt: In einer kleinen Vitrine liegt sein Hut, auf einem Podest steht seine selbstgebaute und verzierte Karre. Daneben ist sein Gehstock, an dem er einen Telefonhörer und eine Klingel montiert hat. «Krüsi, Hagner und Hafner hatten Merkmale und Utensilien, an denen man sie erkannte», sagt Panchard. So stehen neben den bunten, grafischen Zeichnungen von Gebhard Hafner auch ein Reisigbesen und eine orange Weste. Der «Strassenwischer vom Bellevue» begann erst als Rentner zu zeichnen, geschrieben hat er bereits früher. Einige seiner Gedichte und Erinnerungen 23


BILDER: SAMMLUNG SUSI BRUNNER (2), KUNSTMUSEUM THURGAU (3), FAMILIE HAGNER (3)

1 Gebhard Hafner 2 Gebhard Hafner: Züri Fäscht 3 Gebhard Hafner: Der Cirkus kommt ins Land! 4 Hans Krüsi 5 Hans Krüsi: Geschmückter Herrenhut mit Schottenkaro II 6 Hans Krüsi: Ohne Titel 7 Emil Medardus Hagner 8 Emil Medardus Hagner: Mythologia Turicencis Triptychon, mittlere Tafel 9 Emil Medardus Hagner: Mythologia Turicencis Triptychon, rechte Tafel

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sind im Musée Visionnaire ausgestellt. In einem Text bezeichnet Hafner Alkohol als Teufelskerl, in einem anderen reimt er «Most» auf «Trost». «Er wollte den Lesern vermitteln, was er vom Leben gelernt hat», so Panchard. Über dieses ist aber wenig bekannt. In den Achtzigerjahren erschien zwar im Magazin Beobachter ein längerer Artikel über Hafner. 2000 widmete ihm der Lokalsender Tele Züri einen Beitrag. Doch die meisten Informationen hat Panchard von Susi Brunner. In deren Zürcher Galerie hat Hafner zweimal ausgestellt. Ihr hat er erzählt, dass er im Mai 1931 geboren ist, ein unehe­ liches und unglückliches Kind war, auch weil sein Stiefvater ihn grob behandelte. Mit 22 Jahren floh er aus der Ostschweiz nach Zürich. «In die Freiheit», wie er sagte. Doch der junge Mann verlor bald seine harte Arbeit auf dem Bau, landete schliesslich auf der Strasse und verfiel dem Alkohol. Was ihn rettete? «Gottes Hilfe» – und die Anstellung als Strassenwischer bei der Stadt Zürich. «Gebhard wurde über Nacht 24

trocken», erzählt die Kuratorin. 2003 starb er an den Folgen von Krebs – drei Jahre nach seiner Pensionierung, ein Jahr nach seiner ersten Ausstellung in Brunners Galerie. In dieser kurzen Schaffenszeit realisierte Hafner eine Vielzahl von Werken, meist kleinformatige Muster. Comics mit Schauplatz Alaska Auch Emil Medardus Hagner (1921) hatte eine schwierige Kindheit und flüchtete sich bereits früh in friedliche, selbstgemalte Parallelwelten. Als Jugendlicher besuchte er den Vorkurs an der Kunstgewerbeschule in Zürich. Später brach er eine Lehre als Filmplakatmaler ab, auch aus gesundheitlichen Gründen: Hagner litt immer wieder an Depressionen und einem Alkoholproblem, er wurde von Wahnvorstellungen geplagt. Linderung versprach er sich von den verschiedenen Kristallen, die er in seiner Jackentasche verstaute. Ähnliche werden im Museum ausgestellt. «Hagner glaubte an ihre Wirkung», sagt die Kuratorin. 1999 verstarb Hagner in Zürich. Die

Stadt hat er nie verlassen, obwohl er immer vom Auswandern träumte. «Vermutlich war ihm immer klar, dass er nie gehen wird», erzählt Panchard. In Gedanken reiste er aber weit: Seine Comics spielten in Alaska, er illustrierte indische Erzählungen. Der selbsternannte «Märlimaler von Zürich» liess sich auch von hiesigen Sagen und Märchen inspirieren, etwa für das grossformatige Triptychon «Mythologia Turicensis»: Der Bäcker Wackerbold ist da zu sehen, aber auch der Zürcher Löwe, die Gründung des Fraumünsters sowie die Verteidigung der Winterthurer durch die Zürcherinnen. Die Gemälde wirken fantastisch, fantasievoll, teilweise fast kindlich. Kuratorin Anouchka Panchard und Museumsleiterin Fabienne Schellenberg stellen fest, dass Krüsi, Hafner und Hagner die Letzten ihrer Art gewesen sein könnten. Für ausgefallene Menschen habe es auch am Rand der Gesellschaft immer weniger Platz. Das fanden die beiden Frauen erst kürzlich vor der Tür des eigenen Museums bestätigt: Anfang Jahr harrte eine ältere Surprise 407/17


«Völlig avantgardistisch» Nachgefragt Warum Aussenseiterkunst unbedingt

gezeigt werden muss, erklärt Kulturwissenschaftlerin Fabienne Schellenberg. INTERVIEW  EVA HEDIGER

Frau Schellenberg, wieso gehören Outsider-Künstler ins Museum? Das finde ich eine krasse Frage. Wieso sollten diese Künstler nicht in einem Museum ausgestellt werden? Hagner, Krüsi und Hafner haben zwar keine reguläre Kunstausbildung abgeschlossen und waren Autodidakten. Doch wenn ihre Kunst für die Öffentlichkeit von Interesse ist, dann soll sie auch gezeigt werden. Ein Museum macht gesellschaftliche Aussenseiter erst zu Outsider-Künstlern. Oder wissen Sie, ob sich Krüsi, Hagner und Hafner selbst als Künstler verstanden? Krüsi hat sich immer als Künstler verstanden und inszeniert. In unserem Museum hängt ein Bild, das er mit «Hans Picasso Krüsi» unterzeichnet hat. Auch hat er seine Kunst immer verkauft und konnte schliesslich davon leben. Emil Hagner hielt sich ebenfalls für einen Künstler, auch weil er schon immer viel gemalt und gezeichnet hatte. Gebhard Hafner fing erst spät an zu malen, verstand sich dann aber ebenfalls als Künstler.

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Es besteht der Trend in der Kunstszene, etwas zeigen zu müssen, was noch unverbraucht ist. Zerrt man die Outsider nicht einfach aus dem Grund an die Öffentlichkeit? Nein. Aussenseiterkünstler kriegen seit dem 20. Jahrhundert Aufmerksamkeit. Viele renommierte Künstler suchten damals Inspiration und waren auf der Suche nach einer rohen Kunst. Surrealisten und die Dada-Bewegung haben sich von Aussenseiterkünstlern inspirieren lassen. Ausserdem gibt in der Schweiz noch weitere Museen, welche diese naive Kunst ausstellen und ihr eine Plattform geben wollen.

Dame auf den Stufen der Predigerkirche aus. Die reformierte Kirchenpflege hatte den Aufenthalt offiziell temporär genehmigt, erhielt aber trotzdem etliche Beschwerdebriefe. Regelmässig wurde die Frau auf den Treppenstufen von der Polizei kontrolliert. «Offenbar fanden etliche Leute, sie passe nicht ins Stadtbild», so Schellenberg. Und auch Krüsi hätte es heute deutlich schwerer: Seine Blumen und Bilder dürfte er nur noch mit einer Bewilligung verkaufen.

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FOTO: JMANTEL

«Drei Geschichten aus Zürich», bis 23. Dezember, Mi bis So 14 bis 18 Uhr, Musée Visionnaire, Predigerplatz 10, Zürich. www.museevisionnaire.wordpress.com

Sie stellen auch Habseligkeiten dieser Menschen aus. Das sind doch ihre privaten Dinge: Wird man der Sache gerecht, wenn man die präsentiert wie Reliquien? Stadtoriginale haben immer Attribute, an denen man sie sofort erkennt. Doch nur Krüsis Habseligkeiten sind tatsächlich seine Besitztümer. Diese sind zwar persönlich, aber auch Kunstwerke – der Gehstock mit dem Telefon ist zum Beispiel völlig avantgardistisch. Die Kristalle aber gehörten nicht Hagner, und die ausgestellte Weste trug Hafner nie. Sie sind aber trotzdem typisch für die beiden. Deshalb zeigen wir sie.

Fabienne Schellenberg ist die Leiterin des Musée ­Visionnaire. Mit ihrer Arbeit möchte die Kulturwissenschaftlerin Art Brut und Outsider Art zu einem festen Platz in der Zürcher Kulturszene verhelfen.

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BILD: ZVG (1), BILD: CARLOS AMORALES, LEARN TO FUCK YOURSELF, 2017 (1), BILD: MIRIAM CORETTA SCHULTE (1), BILD: ZVG (1)

Zürich «Bloom – Das Brachenkino im Hardturm», 7. bis 24. September, Brache Hardturmstrasse 269, Zürich. www.bloomkino.ch, Vorverkauf: www.ticketino.ch

Mammutwerks. Derzeit liegt der Fokus auf zwei musikalischen Performances. Am 10. September setzt sich Claudia Stöckli mit der Welt als zerbrechlichem und bedrohtem Körper auseinander. Am 30. September bringt das Duo «sono.collide» eine martial-dystopische Elektro-Performance, die im weitesten Sinne um unseren unklaren Zustand zwischen Frieden und Krieg oszilliert. AMI

Bern «Everything is just fine ‫­ عميق‬ ‫» نفس‬, ein Theaterstück von RIM Collective, 7. bis 10. September, Do bis Sa jeweils 20.30 Uhr, So 19 Uhr, Tojo Theater Reitschule, Neubrückstrasse 8, Bern. www.tojo.ch

Basel «Treibstoff Theatertage», Mi, 30. August bis Sa, 9. September, verschiedene Spielorte. www.treibstoffbasel.ch

Die Stadionbrache Hardturm wird mit prallem Leben gefüllt: mit Essen und Kino. Weil das Streetfood-Festival mit dem Brachenkino namens Bloom zusammenging, darf man Karotten und Gurken als Kinosnack gleich selbst aus den Hochbeeten ziehen, und an 60 Ständen gibt es von Ceviche über Banhmi bis hin zu Panipuri so ziemlich alles, wovon mancher noch nie gehört haben wird. Bei den Filmen fehlen – etwas weniger überraschend – die sogenannten Foodie-Filme wie «Eat Man Drink Woman» und «Como Agua Para Chocolate» natürlich nicht. Aber es sind auch Filme darunter, die einem etwas schwerer auf dem Magen liegen, wie etwa «Manchester by the Sea». Der lohnt sich, wenn man gerade kein selbstgezogenes Brachen-Rüebli zur Hand hat – man hat genug zu kauen daran. DIF

Zürich «Fun & Fury!» – Das Neue Cabaret Voltaire, Eröffnung 1. und 2. September, Herbstprogramm 12. September bis 19. Dezember, jeweils um 20 Uhr, Spiegelgasse 1, Zürich. www.cabaretvoltaire.ch

Geschichte reicht von Alfred Jarrys «Ubu Roi» über die italienischen und russischen Futuristen, über Dada und Bauhaus, über Fluxus und Punkt bis zur Pop-Kultur der Achtziger. Nach dem 100-Jahre-Dada-Jubiläum will das Cabaret Voltaire nun nicht als blosse Gedenkstätte bestehen bleiben, sondern mit «Fun & Fury!» gefüllt werden – und zum festen Ort der Performance werden. DIF

Zürich The War And Peace Project, Hyperlokal, Grubenstrasse 39, Zürich. thewarandpeaceproject.com

Das Cabaret Voltaire war als Geburtsort von Dada schon immer ein Haus, in dem nicht einfach Fertiges gezeigt wurde. Sondern in dem Dinge passierten, also die Kunst der Performance blühte. Ihre

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«Assoziativ-strapaziöse Relektüre» nennen die jungen Schweizer Künstlerinnen und Theatermacher das, was sie seit einiger Zeit mit Leo Tolstois 1868 verfasstem «Krieg und Frieden» anstellen. Ausgehend von dem über 1200-seitigem Epos will das «War and Peace Project» die Wahrnehmung von Krieg und Frieden in der scheinbar ewig fried­lichen Schweiz ausleuchten. Das Projekt besteht aus mehreren, teils ziemlich wagemutigen Ka­ piteln, wie etwa einer gemeinschaftlichen Marathonlesung des

Alle zwei Jahre wieder: An den Treibstoff Theatertagen zeigen junge, professionelle, aber noch nicht etablierte Künstler ihre Neuproduktionen. Gezeigt werden sieben Projekte, ausgewählt aus über 170 Bewerbungen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum. Und zwar nicht nur auf den Bühnen des Jungen Theaters Basel, der Kaserne und des Roxy Birsfelden, sondern auch an unerwarteten Orten in der Stadt. Erstmals gibt es eine App zum Festival. Per Smartphone können sich die Besucher an bestimmten Orten in der Stadt Videowalks freischalten und Einblicke in Proben, Inszenierungen und Denkprozesse der Künstlerinnen gewinnen. AMI

In vielen Schweizer Städten kann man sich mit Freunden oder Arbeitskollegen zum Vergnügen in einen Escape-Room einschliessen lassen. Unter Zeitdruck muss man dort als Team Rätsel lösen, um wieder freizukommen. Wer es nicht schafft, darf am Ende trotzdem wieder raus. Im Theaterstück «Everything is just fine ‫­ عميق‬ ‫» نفس‬ hingegen bleibt der Weg nach draussen versperrt und die Beziehung der drei eingeschlossenen Protagonistinnen zueinander entwickelt schnell pathologische Züge: Sie beginnen einander zu quälen, zu misstrauen. Die Gewaltbereitschaft und -akzeptanz steigen. Eine Allegorie auf das Leben unter Terrorgefahr. WIN

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ILLUSTRATION: SARAH WEISHAUPT

Wörter von Pörtner

Passfahrten Der Sommer ist die Zeit der Passfahrten. Die Zeit, in der ich die geografische Lage unseres Landes besonders zu schätzen weiss. Diese einst so wichtigen Verbindungswege zwischen den Regionen und Ländern liegen praktisch vor der Haustür. Der Zug bringt einen an den Fuss der Berge, wobei mitunter das langsame Verlassen der Stadt mit dem Velo, die Fahrt durch die sich zusehends ausdünnende Siedlungsdichte reizvoll und lehr­­reich ist. Benutzt man nicht die Hauptstrassen, ­erhält man Einblick in Gebiete, die man sonst nie zu Gesicht bekäme. Block­­ siedlungen und Einfamilienhäuser. Eine Menge Ein­­­familien­ häuser. Wer am liebsten einen blauen Montag oder Dienstag für die Ausfahrt nutzt, findet sie oft gespenstisch leer und ­unbelebt vor, diese steingewordenen Träume, diese be­harr­l­ich erarbeiteten Lebensziele. Sie können beklemmend wirken, ­bedrohlich gar, die Häuser, die dort stehen, wo vorher nichts war. Je weiter draussen, je neuer die Siedlung. Umzonung sei Dank entsteht vom Bodenpreis bestimmte Heimat. Aus ex­ pandierenden Vororten werden Dörfer, aus Einkaufs­zentren Dorf­läden, die sich gerade noch so über Wasser halten oder plötzlich verschwinden, was vielleicht einen Zusammenhang mit dem ein paar Kilometer zuvor passierten Discounter hat. Ehrfurcht ergreift mich, wenn ich am Fuss eines Berges weit oben den Pass sehe oder zumindest erahne. Es gibt keine ein­ fachen Pässe, irgendwo ist immer ein Stück, das schwierig ist und weh tut. Spätestens nach den ersten Kurven beginnen die richtigen Berge, die Postkartenschweiz. Wälder weichen Kuh­ weiden, Häuser Hütten und Gärten der Landschaft, den Felsen. Diese Umgebung ist es, die mich für alle Strapazen entschädigt, Surprise 407/17

die mich berauscht wie sonst nur wenig. Unter der Woche sind auch weniger Töffs unterwegs. Töffs sind dem Velofahrer das, was Wespen den Picknickenden sind. Sie schwirren nervös ­herum, verbreiten Angst und Schrecken, unter Erzeugung von möglichst unangenehmem Geräusch. Auf dem Gipfel, wo sie sich aus ihren Panzern schälen, erweisen sich die Fahrer dann als wenig eindrückliche, meist ältere Herren mit Übergewicht, die nur über das eigene oder die auf dem Parkplatz stehenden und vorbeifahrenden Motorräder sprechen. Die Landschaft ist für sie reine Strassenunterlage und Topografie. Die Sympathien der Einheimischen erkaufen sie sich, indem sie in den an Pass­ strassen leider zahlreichen Wirtshäusern, deren Gastronomie­ konzept auf Wegelagerei basiert, klaglos alles wegfuttern. Ich bin da heikler. Wenn das Menü aus Fertigprodukten der Firma Nestlé besteht, ziehe ich einen Energieriegel aus demselben Hause vor. Es gibt natürlich Ausnahmen, wunderbare, liebevoll geführte Beizen, auf die man sich jedes Mal freut. Und so kann fast nichts das Vergnügen einer Passfahrt trüben, nicht einmal der Gegenwind oder der Feierabendverkehr, in den man unversehens gerät, weil man vergessen hat, dass Werk­ tage so heissen, weil die Menschen da arbeiten müssen. Auch wenn der Zug nach Hause überfüllt ist, die Arme sonnenver­ brannt und die Waden übersäuert, ist es selten so schön, im Hier und Jetzt zu sein, wie nach einer solchen Fahrt.

STEPHAN PÖRTNER  hält von Motorrädern ebenso viel wie vom Kolumnenschreiben bei Ausfahrtwetter.

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Ausgaben 404/405

Ausgaben 404/405

«Littering statt Literatur»

«Junge Autorinnen»

Von den sieben Kurzgeschichten der Ausgabe 404 waren für mich nur zwei lesenswert. Bei den anderen habe ich den Verdacht, dass hier Literatur mit Littering verwechselt wurde. Meine Suche nach einem tieferen Sinn in diesem verwirrenden Geschreibsel war sinnlos. Fazit: Die erste sogenannte Literaturausgabe ist gründlich missraten!

Die beiden Literaturausgaben haben mir sehr gefallen, insbesondere die erste mit den jungen Autorinnen. Das hat mich begeistert! Es war eine Freude, die Geschichten zu lesen, und zwar samt und sonders alle. Ich hoffe, die jungen Leute bleiben dran, finden die Zeit, nebst Arbeit und eventuell Familie, weiter­zuschreiben.

EDITH BRODBECK, Glarus

ESTHER LEUTHARD, Schaffhausen

Impressum Herausgeber Surprise, Spalentorweg 20 CH-4051 Basel

Isabella Seemann, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Tom Wiederkehr, Chi Lui Wong, Christopher Zimmer

Geschäftsstelle Basel T +41 61 564 90 90 F +41 61 564 90 99 Mo–Fr 9–12 Uhr info@surprise.ngo, surprise.ngo

Mitarbeitende dieser Ausgabe Andreas Düllick, Eva Hediger, Kostas Maros, Karin Scheidegger

Regionalstelle Zürich Kanzleistrasse 107, 8004 Zürich T  +41 44 242 72 11 M+41 79 636 46 12 Regionalstelle Bern Scheibenstrasse 41, 3014 Bern T  +41 31 332 53 93 M+41 79 389 78 02

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«Mit einem anderen Blick durch die Städte» Von Ihrem Angebot und Ihrer Arbeit mit Café Surprise bin ich begeistert. Ich finde es wirklich sehr toll! Beim Stadtrundgang führte uns Markus Christen durch Basel. Er hatte unser Gehör von der ersten Minute an. Er konnte mich, ich denke aber auch die ganze Klasse, nochmals sensibilisieren. Seit diesem Tag gehe ich mit einem anderen Blick durch die Städte.

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Auflage  22 200

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FOTO: KOSTAS MAROS

Surprise-Porträt

«Ich hoffe, dass ich bleiben kann» «Ich bin seit zwei Jahren in der Schweiz. Ich floh alleine aus dem Iran, zu meinem Onkel, der bereits in Basel lebte. Meine Eltern sind afghanische Flüchtlinge im Iran, für uns das Leben dort sehr schwer. Ich durfte nicht in die Schule, hatte keinen Reisepass und wurde oft von der Polizei geschlagen. Die Reise in die Schweiz dauerte lange und war sehr anstrengend. Ge­ meinsam mit ein paar Bekannten habe ich die Berge überquert, wir wurden ausgeraubt und geschlagen. In der Türkei steckte uns die Polizei in ein Gefängnis. Schliesslich gelang es mir, nach Deutschland zu reisen, wo mich mein Onkel abholen kam. Ich bin jetzt 16 Jahre alt. Weil ich aber keinen Ausweis mehr hatte, glaubten mir die Schweizer Behörden das nicht. Sie schickten mich zu einem Arzt, der mich untersuchte und schliess­ lich sagte, ich sei 19. Zum Glück kam ein paar Monate später auch mein Vater in die Schweiz und brachte meinen Ausweis aus dem Iran mit – der Beweis, dass ich minderjährig bin. Jetzt lebe ich in einer Wohngruppe für unbegleitete Minderjährige in der Nähe von Basel. Ich war im letzten Jahr in einer Fremd­ sprachenklasse, wo ich unter anderem Deutsch und Französisch gelernt habe. Nach den Sommerferien wechsle ich in eine andere Schule und gehe dort in die Integrationsklasse. In mei­ ner Freizeit lerne ich Deutsch oder spiele Fussball. In mei­ner Heimat im Iran habe ich nicht viel Fussball gespielt. Hier beim Surprise Strassenfussball spiele ich sehr gerne. In der Mann­ schaft hat es Leute aus Afghanistan, aus dem Iran, aus Eritrea, und auch Schweizer. Wir trainieren einmal pro Woche. Ich bin nicht besonders gut. Aber das macht nichts, mir gefällt es sehr. Und ich bin der Jüngste, anders als in meiner Wohn­ gruppe. Dort bin ich der Älteste, das ist nicht immer einfach. Die anderen sind manchmal wie kleine Kinder. Es gibt immer wie­der Streit, vor allem zwischen Afghanen und Afrikanern. Hier am Finger, siehst du diese Verletzung? Da hat mich gestern ein anderer Mitbewohner mit einem Messer angegriffen. Er ging, ohne mich zu fragen, in mein Zimmer. Als ich ihm sagte, dass ich das nicht möchte, ging er auf mich los. Schlug mir mit der Faust ins Gesicht. Selber habe ich ihm aber nichts getan. Ich mag keine Gewalt. Wir sassen dann trotzdem fünf Stunden bei der Polizei. Das Leben in der Wohngruppe ist nicht so einfach. Ausserhalb habe ich bereits viele Freunde gefunden. Iraner, Af­ ghanen, Syrer und Schweizer. Ich kenne sie vom Fussball, von der Schule und auch vom Ausgang. Wir gehen manchmal ins Ju­ gendzentrum. Dort sprechen alle miteinander, Schweizer mit Syrern, Syrer mit Iranern. Seit ich hier bin, hatte ich auch bereits drei Freundinnen. Einmal eine Schweizerin, die erste, dann eine Portugiesin und einmal eine aus Afghanistan. Mit meinen Freunden aus dem Iran habe ich leider keinen Kontakt mehr. Weil mein Telefon auf der Flucht gestohlen wurde, habe ich alle Nummern verloren. 30

Mamal Eslami, 16, floh alleine aus dem Iran. Heute spielt er beim Surprise Strassenfussball. Er sei nicht besonders gut, sagt er selbst – trotzdem gefällt es ihm sehr.

In der Schweiz gefällt es mir sehr gut. Ich habe hier viel mehr Möglichkeiten als im Iran. Ich bin froh, dass ich hier bin. Nur etwas macht mir grosse Sorgen: Ich bin vorläufig aufgenommen und warte seit zwei Jahren auf eine zweite Befragung durch die Behörden. Es dauert lange, noch ist nichts entschieden. Darf ich in der Schweiz leben oder muss ich wieder gehen? Du weisst nicht, was kommt, das ist sehr anstrengend. Wie lange es geht, bis ich einen Entscheid bekomme, weiss niemand. Ich denke viel daran. In den letzten Wochen während den Ferien musste ich jeden Tag in die Physiotherapie. Ich habe Schmerzen am Rücken, wegen Dingen, die ich früher im Iran erlebt habe. Heute hatte ich die letzte Behandlung. Vielleicht gehe ich nächste Woche dann zu meiner Grosstante nach Lausanne. Manchmal fahre ich auch mit Freunden nach Bern, nach Luzern. Ich war auch schon zweimal in Uri, wo ein Cousin von mir wohnt. Ich hoffe, dass ich hierbleiben kann.»

Aufgezeichnet von SIMON JÄGGI

Surprise 407/17


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SURPRISE-RUCKSACK CHF 99.– (exkl. Versandkosten) Modell Ortlieb-Velocity, 24l, wasserfest. Hergestellt in Deutschland. Erhältlich in rot, schwarz und ultramarin.

SURPRISE-GYMBAG CHF 20.– (exkl. Versandkosten) 100% Baumwolle, hergestellt in Handarbeit in Griechenland. Erhältlich in rot und schwarz.

SURPRISE-ETUI CHF 27.– (exkl. Versandkosten) Hergestellt von JLTbag in Altdorf, Uri. JLTbag beschäftigt in der Produktion anerkannte Flüchtlinge und fördert damit deren Ausbildung und Integration. Erhältlich in rot und schwarz.

Weitere Informationen und Online-Bestellung T + 41 61 564 90 90 | info@surprise.ngo surprise.ngo/shop

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24. September 11 – 17 Uhr Bundesplatz Bern 13.30 Uhr Surprise Nati vs. All Stars mit Leonardo Nigro, Frau Feuz und FC Nationalrat Anpfiff: Alexander Tschäppät

SURPRISE STRASSENFUSSBALL-LIGA SCHWEIZERMEISTERSCHAFTEN 2017 Offizielle Partner:

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