Strassenmagazin Nr. 417 19. Januar bis 1. Februar 2018
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Soziale Stadtrundgänge
Unser Bern Armutsbetroffene zeigen die Stadt aus ihrem Blickwinkel – ein Sonderheft Surprise 417/18
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Kultur
Solidaritätsgeste
STRASSENCHOR
CAFÉ SURPRISE
Lebensfreude
Entlastung Sozialwerke
BEGLEITUNG UND BERATUNG
Unterstützung
Job
STRASSENMAGAZIN
Zugehörigkeitsgefühl Entwicklungsmöglichkeiten
STRASSENFUSSBALL
Erlebnis
Expertenrolle
SOZIALE STADTRUNDGÄNGE
Information
Perspektivenwechsel
SURPRISE WIRKT Surprise unterstützt seit 1998 sozial benachteiligte Menschen in der Schweiz. Unser Angebot wirkt in doppelter Hinsicht – auf den armutsbetroffenen Menschen und auf die Gesellschaft. Wir arbeiten nicht gewinnorientiert, finanzieren uns ohne staatliche Gelder und sind auf Spenden und Fördergelder angewiesen. Spenden auch Sie. surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: PC 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3
Helfen tut gut. Zeit, zuzuhören. Zeit, abzuwarten. Zeit für Rückschläge. Zeit, zu helfen. All das gibt es in der Sozialberatung und -begleitung, die Surprise an seinen drei Standorten in Basel, Bern und Zürich anbietet. Die Verkaufenden des Strassenmagazins sowie die Stadtführer, die Strassenfussballer und die Chorsängerinnen erhalten hier nicht nur ihre Hefte, gratis Kaffee oder Internetzugang, sondern wenden sich mit ihren Sorgen und Fragen an die Surprise-Mitarbeitenden.
Ob bei der Wohnungs- und Arbeitssuche, bei Schulden, beim Umgang mit Behörden und administrativer Korrespondenz, bei familiären Krisen oder Suchtproblemen – für rund 400 armutsbetroffene Menschen ist diese umfassende und niederschwellige Begleitung eine unentbehrliche Stütze im Alltag. Surprise hilft individuell und niederschwellig. Spenden Sie heute. Spendenkonto: PC 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 surprise.ngo/spenden 2
Surprise 417/18
TITELBILD: RUBEN HOLLINGER
Editorial
Wir haben es geschafft Es war 2012, als Surprise begonnen hat, unter den eigenen Verkaufenden und im Umfeld von anderen armutsbetroffenen Menschen nach Personen zu suchen, die auf Stadtführungen vom Leben am Rand der Gesellschaft erzählen könnten. Im April 2013 waren die ersten Sozialen Stadtrundgänge in Basel aufgebaut, weitere folgten im Oktober 2014 in Zürich. Wir haben als Institution viel dabei gelernt. Es waren die Stadtführer, die uns Einblicke in viele soziale Institutionen ermöglicht haben. Die Personen, die Sie auf die Surprise Stadtführungen mitnehmen, erzählen ihre eigene Biografie. Eine klassische Heldengeschichte wäre einfacher zu erzählen, allein von ihrer Dramaturgie her: Am Anfang steht die heile Welt, dann bildet sich eine Krise. Der Held überwindet die Krise, und am Ende ist die heile Welt wiederhergestellt.
unsere Helden kämpfen, versuchen sich aus den Schwierigkeiten herauszuhieven, scheitern an den Strukturen, scheitern am eigenen brüchigen Selbstwert. Trotzdem haben es alle unsere Stadtführerinnen und Stadtführer geschafft. Das heisst nicht, dass sie sich aus der Armut befreien konnten. Aber es heisst, dass sie sich als Persönlichkeiten festigen konnten und uns heute viel lehren können: Es geht bei den Stadtführungen darum, die gesellschaftlichen Gründe von Armut herauszuarbeiten. Diese nehmen wir auch im vorliegenden Sonderheft zu den Sozialen Stadtrundgängen unter die Lupe. Die neuen Touren in Bern starten am 22. Januar. Wir freuen uns, sind stolz auf unsere Stadtführerinnen und Stadtführer und wünschen ihnen viel Erfolg.
Bei Surprise geht das so: Die Welt ist in den meisten Fällen von Anfang an nicht heil, es kommt eine Krise, die in die nächste führt,
4 Aufgelesen 5 Vor Gericht
12 Überleben auf der Gasse 26 Veranstaltungen
Roger Meiers Marsch durch die Institutionen
Vorhang auf
Eine andere Sicht auf die Bundesstadt
Utopischer Sex 27 Fortsetzungsroman
14 Der Stadtplan 6 Die Berner Stadtführer
DIANA FREI Redaktorin
Die Berner Touren im Überblick
Fast wie auf Netflix 28 SurPlus Positive Firmen
16 Soziale Institutionen
Wer die Anlaufstellen finanziert
29 Wir alle sind Surprise Impressum Surprise abonnieren
22 Biografiearbeit
Das eigene Leben als Geschichte 30 Surprise-Porträt
«Ich bin viel offener als früher»
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Aufgelesen
FOTO: AORTA
News aus den 100 Strassenzeitungen und -magazinen in 35 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.
Gegen den Hass Die schwedische Journalistin Mina Dennert ist die Gründerin der Facebook-Gruppe #jagärhär, die sich gegen Hasskommentare und Hetze auf Facebook einsetzt. Ihr Motto: «Niemand sollte Hass oder Bedrohung ausgesetzt sein. Niemand sollte sich dem Hass allein stellen müssen.» Seit Mai 2016 sind über 75 000 Mitglieder der Gruppe beigetreten. Das deutschsprachige Pendant #ichbinhier zählt derzeit über 30 000 Mitglieder und wurde letztes Jahr mit dem Grimme-OnlinePreis ausgezeichnet.
FOTO: COURTESY OF BIG ISSUE NORTH
FAKTUM, GÖTEBORG
Lebendig begraben 72 Stunden verbrachte der ehemals drogenabhängige und obdachlose Ire John Edwards in einem übergrossen Sarg, ausgestattet mit Matratze, Campingtoilette und Teegeschirr. Unter dem Hashtag #gravechat hielt der Aktivist per Livestream und Chat Kontakt zur Aussenwelt. Mit der Aktion wollte der 72-jährige Drogen- und Alkoholabhängige zur Umkehr bewegen und verhindern, dass Menschen in seiner Situation «sich ein vorzeitiges Grab schaufeln», so Edwards.
BIG ISSUE NORTH, MANCHESTER
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ILLUSTRATION: PRISKA WENGER
Ohne Diskretion
Arbeitslosengeld und andere Unterstützungsleistungen sollen in Zukunft an den Kassen bestimmter Supermärkte und Drogerien ausgezahlt werden. Das hat die Bundesagentur für Arbeit beschlossen. Betroffen sind davon in erster Linie Menschen ohne eigenes Konto, die bisher ihr Geld an Automaten in Jobcentern beziehen konnten. Diese sollen nun eingespart werden. Die Neuregelung betrifft in erster Linie Obdachlose. Die Nationale Armutskonferenz kritisiert die Massnahme, weil sie eine weitere Stigmatisierung der Betroffenen bedeute.
HINZ & KUNZT, HAMBURG
Überbehütet
Wer einen Glühwein trinken oder Christstollen shoppen will, soll dies in aller Ruhe tun können, befand die Essener Stadtverwaltung und verbot kurzerhand das Verteilen von «Druckerzeugnissen jeglicher Art» auf dem Weihnachtsmarkt der Stadt. Was angeblich aggressive Marketingaktionen verhindern sollte, traf vor allem die Verkaufenden des Essener Strassenmagazins Ruhrstadtbote.
BODO, BOCHUM/DORTMUND
Von der Strasse an die Uni
Vor einigen Jahren lebte Geoff Edwards noch auf den Strassen von Cambridge. Heute studiert der 52Jährige Englische Literatur an der Universität von Cambridge. Als er obdachlos war, begann er, das Strassenmagazin The Big Issue zu verkaufen. «Das half mir, das Selbstvertrauen und den Mut aufzubauen, mein Leben zu ändern und meinen Traum wahrzumachen», sagt Edwards. Vor Kurzem wurde er dafür in Cambridge ausgezeichnet.
THE BIG ISSUE, LONDON
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Vor Gericht
Fenster mit Einsicht «Woran erkennt man den Exhibitionisten in der Sauna? Am Mantel!», so das humoristische Klischee über Sittenstrolche. Freilich ist es eine allzu reduzierte Darstellung des Entblössers, dass er stets im Regenmantel unterwegs sei, zufällig vorbeispazierenden Passantinnen erwartungsvoll «Hey, lueg ämal!» zurufe, worauf diese voller Schreck auf sein Ding starren – und ihn damit erfreuen. Der Exhibitionist tritt mannigfaltig in Erscheinung. Zum Beispiel als Reisender, der sich im Eurocity von Frankfurt nach Zürich neben eine Frau setzt, seine Hose öffnet und anfängt, vor ihr zu masturbieren, wie «20 Minuten» kürzlich berichtete. Nicht jeder Exhibitionist mag aber in die Ferne schweifen, denn auch aus den eigenen vier Wänden heraus findet sich Publikum. Dimitrios P.*, 39, ist ein hageres Männchen. Eine unscheinbare Gestalt mit schütterem Haar und viel zu langer Anzughose, die sich über den ausgetragenen Lederschuhen wie ein Akkordeon faltet. Nach der fünften Klasse hatte er die Schule in Griechenland abgebrochen, er musste die Ziegen des Grossvaters hüten. Später ging er nach Deutschland, um den Bauern auf den Feldern auszuhelfen, in Zürich verdient er sein Geld als Glas- und Gebäudereiniger. Vor der Richterin kreuzt er seine Hände auf Schritthöhe – ähnlich einem Fussballer beim Freistoss. Drei Frauen zwischen 23 und 67 fühlten sich von dem Mann, der an einem Sonntag zur Mittagszeit mit heruntergelassener
Hose onanierte, belästigt und alarmierten die Polizei. Name und Adresse zu ermitteln war keine Herausforderung, denn er hatte sich vor zurückgezogenem Vorhang am Fenster seiner hell erleuchteten Küche präsentiert. Die Nachbarinnen vis-à-vis seien «ob seines Verhaltens erschrocken und hätten Abscheu empfunden», wie die Anklageschrift festhält. Herr P. aber habe sich angesichts des Publikums angefeuert gefühlt und «seine Handlung verstärkt». Kurz darauf lagen die besagten Hände in Handschellen und Dimitrios P. wurde auf den Polizeiposten verfrachtet. Warum diese aussergewöhnliche Küchenaktivität? Er leide unter einer Hautkrankheit und müsse sich regelmässig eincremen, habe ihm die Ärztin gesagt. Wie ein geprügelter Hund steht Herr P. da, nur hin und wieder schnappt er zurück. Es entspringe der Fantasie der Nachbarinnen, dass er bei seiner Tätigkeit beobachtet werden wollte. «Und weshalb stellten Sie sich dann vor dem Fenster auf einen Hocker?», fragt die Richterin. «Um die Salbe vom obersten Regal zu holen.» Doch den detaillierten Berichten der Nachbarinnen ist mit solchen Ausflüchten nicht beizukommen. Zumal er einschlägig vorbestraft ist. Wegen Exhibitionismus erhält Herr P. eine Geldstrafe von 250 Tagessätzen à 10 Franken, wobei die Bewährung nicht widerrufen, sondern um zwei Jahre verlängert wird, sodass er sich bis 2020 keine Fehlgriffe mehr erlauben darf. Hinzu kommen eine Busse zu 500 Franken plus Verfahrenskosten plus Urteilsgebühr von mehreren hundert Franken. Eine glimpfliche Strafe, aber viel Geld für ein kurzes Plaisir. * alle Namen geändert
ISABELL A SEEMANN ist Gerichtsreporterin in Zürich.
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«Wir zeigen euch unser Bern» Stadtrundgänge Roger Meier, André Hebeisen, Franziska Lüthi und Hanspeter Deflorin
erzählen von Armut, Obdachlosigkeit und Sucht in der Bundesstadt. TEXT GEORG GINDELY
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FOTOS RUBEN HOLLINGER
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«Für das Leben auf der Gasse bin ich Spezialist» ROGER MEIER, 56
«Mein Motto ist: Wenn man keinen Job mehr findet, muss man sich seine Arbeit halt selbst erfinden. Ich habe früher schon Stadtführungen gemacht, auf denen ich erzählt habe, wie es sich in Bern ohne Obdach lebt. Als ich hörte, dass Surprise Stadtführer sucht, habe ich mich sofort gemeldet. Was das Leben auf der Gasse angeht, bin ich Spezialist. Ich bin mit 17 von zuhause abgehauen. Aber was heisst schon zuhause? Geboren bin ich im Kanton Neuenburg, meine Eltern habe ich nie kennengelernt. Sie haben sich nach meiner Geburt aus dem Staub gemacht. Als Siebenjähriger kam ich zu Pflegeeltern im Kanton Aargau. Ich war eine billige Arbeitskraft für sie, Zuneigung bekam ich keine. Als wir einen Riesenkrach hatten, zog ich aus und übernachtete danach draussen im Schlafsack. Meine Lehre als Müller habe ich dennoch mit einem Durchschnitt von 5,6 abgeschlossen. Ich war der Zweitbeste meines Jahrgangs. Weder mein Lehrmeister noch sonst jemand merkte, dass ich auf der Strasse lebte. Als ich Anfang der Achtzigerjahre nach Bern kam, gab es genau zwei Institutionen für Menschen, die auf der Gasse lebten: die Spysi, wo man günstig essen, und der Aufenthaltsraum Postgasse, wo man Unterstützung fand. Diese beiden Orte haben mich durch das Leben begleitet. Es gibt dort Angestellte, die schon da waren, als ich zum ersten Mal auftauchte. Es ist unglaublich, was sie leisten. Für mich sind die Stadtrundgänge deshalb auch eine Art Surprise 417/18
Marketingtouren für diese Institutionen mit all ihren freiwilligen Helferinnen und Helfern, die Grossartiges für armutsbetroffene und obdachlose Menschen vollbringen. Es gibt Orte, da bekommst du für einen Fünfliber ein dreigängiges Mittagessen oder einen Viergänger zum Znacht. Die meisten dieser Orte haben ihren Ursprung in den Berner Jugendunruhen in den Achtzigerjahren. Die Stadt hat sich dadurch gewaltig verändert. Aus dem Autonomen Jugendzentrum wurde die Notschlafstelle, und es kam immer mehr dazu. Ich hatte Glück. Ich habe zwar alle Drogen ausprobiert, bin aber bei keiner hängengeblieben und nie abgestürzt. Das hat es mir lange Zeit ermöglicht zu arbeiten, auch wenn ich auf der Gasse lebte. Meine ehemaligen Schlafplätze zeige ich auf dem Stadtrundgang nicht. Das wäre mir zu intim. Es ist ja auch nicht so, dass man Besuchern, die zum ersten Mal bei einem in der Wohnung sind, gleich das Schlafzimmer zeigt. Sonst erzähle ich aber viel über mich. Ich habe vier Kinder, sie sind zwischen 17 und 34 Jahre alt. Ich hatte immer Kontakt zu ihnen. Wenn ich mein Leben nochmals leben könnte, würde ich alles genau gleich machen, bis auf eine Sache. Welche das ist, verrate ich hier im Heft nicht. Um das zu erfahren, muss man an meinen Rundgang kommen. Ich konnte kaum erwarten, dass es mit den Stadtführungen losgeht. Ich bin ein kommunikativer Typ und mag es, vor Menschen zu stehen. Auf meinen privaten Rundgängen und bei den Testführungen habe ich gemerkt, dass die ersten zwei Minuten entscheidend sind. Wenn da der Funke springt, dann kommt es gut. Vieles habe ich selbst eingebracht, zum Beispiel, dass einer der Rundgänge rollstuhlgängig ist. Für mich ist der neue Job als Stadtführer eine grosse Chance. Seit November habe ich eine Wohnung. Zusammen mit dem Surprise-Verkauf ermöglichen mir die Führungen, die Miete zu bezahlen und auf eigenen Beinen zu stehen.»
Roger Meier schildert die Situation von Obdachlosen.
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«Ich bin tief gefallen und wieder aufgestanden» ANDRÉ HEBEISEN, 48
«Mich trifft das doch nie! Das denken sicher viele, wenn sie meine Geschichte hören. Ich hätte das vor ein paar Jahren wahrscheinlich auch gedacht. Aber dann ist es mir doch passiert: Ich hatte ein Burnout, mein Vater starb, ich wurde Alkoholiker, verlor meine Freundin, meinen Führerausweis, meine Stelle und meine Wohnung. Davon erzähle ich auf meinem Stadtrundgang. Vor ein paar Jahren war bei mir noch alles in bester Ordnung. Ich arbeitete in einer Baufirma. Eigentlich bin ich gelernter Automechaniker, sattelte dann aber auf Chauffeur um, weil ich so mehr verdiente. Dann wurde ich Disponent und später Abteilungsleiter. Irgendwann musste ich immer mehr Aufgaben erledigen, und mir wuchs alles über den Kopf. Ich bekam Panikattacken. Daheim machte ich überhaupt nichts mehr. Ich sass nur noch im Wohnzimmersessel, am liebsten mit gezogenen Vorhängen. Schon der Gang an den Briefkasten war mir zu viel. Meiner Mutter, die ab und zu vorbeikam, sagte ich: Lass mich in Ruhe. Die Angst bekämpfte ich mit Alkohol. Früher war ich ein Genusstrinker: Ich trank einige Feierabendbiere und am Wochenende oder an Festen vielleicht auch einmal ein bisschen mehr. Doch nun änderte sich das rasant. Ohne Alkohol ging gar nichts mehr. Damit ich funktionieren konnte, trank ich schon morgens um 6 Uhr. In der Arbeit legte ich überall Alk-Depots an, um nie auf dem Trockenen zu sitzen. 8
Mein Umfeld sorgte dafür, dass ich in die Klinik kam und einen Entzug machte. Ich wurde zwangseingewiesen. Drei Monate, nachdem ich rauskam, begann ich wieder zu trinken, kam wieder in die Klinik, kam wieder raus, begann bald wieder zu trinken. Eines Morgens, als ich wie so oft angetrunken ins Büro kam, wurde ich entlassen. Ich sei nicht mehr tragbar, hiess es. Das war 2011. Ich begann, in speziellen Programmen zu arbeiten, bei denen ich psychologische und medizinische Betreuung bekam. Ich war zum Beispiel im Brockishop Bern tätig, den wir am Stadtrundgang besuchen und vorstellen. Ich verlor auch diese Stelle, als mein Chef bei mir 3,8 Promille mass. Erlaubt waren 0,0, der Brockishop wird vom Blauen Kreuz betrieben. Ich landete bei der Sozialhilfe. Da hatte ich genug. Beim nächsten Entzug machte es klick in meinem Kopf. Es war wie ein Schalter, den ich im Hirn umlegte. Das ist drei Jahre her. Seither bin ich trocken, und heute ekelt es mich vor Alkohol. Aber ich weiss: Wenn ich nur einen Schluck trinke, beginnt es wieder von vorn, und ein paar Tage später bin ich wieder in der Klinik.
André Hebeisen berichtet von Burnout und Alkoholabhängigkeit.
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Davon erzähle ich auf dem Stadtrundgang. Wir haben uns lange vorbereitet, und ich freue mich, dass es endlich losgeht. Neben dem Brockishop stelle ich zum Beispiel den Treffpunkt Azzurro vor, ein alkoholfreies Restaurant, das ich oft besuche. Ich habe keine Mühe damit, mit meiner Geschichte vor die Menschen zu treten, ich war auch schon in der Zeitung und im Fernsehen. Viele kennen mich vom Hauptbahnhof, wo ich Surprise verkaufe. Da blicke ich in die Gesichter der Pendler. Vielen sieht man an, dass sie unter enormem Druck stehen, und ich denke oft: Passt auf, sonst haut es euch um, wie es mich umgehauen hat! Meine Geschichte soll eine Warnung sein. Aber sie soll auch Hoffnung machen. Ich bin tief gefallen, aber ich bin wieder aufgestanden. Ich lebe heute in einer betreuten Wohneinrichtung und arbeite in kleinen Pensen an vier verschiedenen Orten. Der Verkauf von Surprise gibt mir Kraft und macht mir Freude. Nun hoffe ich, dass mir der neue Job als Surprise-Stadtführer dabei hilft, eine eigene Wohnung zu suchen und irgendwann wieder ganz auf eigenen Beinen zu stehen.»
Franziska Lüthi erzählt von ihrer Suchtvergangenheit.
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«Meinen ersten Entzug machte ich mit 18» FRANZISKA LÜTHI, 52
«Auf meinem Stadtrundgang will ich den Menschen erzählen, wie schnell man in die Drogen rutschen kann, wenn man wie ich kein stabiles Lebensfundament hat. Als Kind war ich mit Missbrauch konfrontiert, und das hat mich aus der Bahn geworfen. Ich begann früh, Medikamente zu nehmen und mit Kolleginnen und Kollegen zu kiffen. In der Gruppe fühlte ich mich aufgehoben. Mit 17 verlor ich meine Lehrstelle, weil mich mein Chef beim Blaumachen erwischte. Das sorgte auch für einen Knall daheim. Ich zog aus und rutschte in Bern in die harten Drogen. Meinen ersten Entzug machte ich mit 18 in einer speziellen Einrichtung auf einem Bauernhof. Danach begann ich wieder, Heroin zu nehmen, schaffte es aber später, erneut aufzuhören. Nachdem ich ein halbes Jahr clean war, wurde ich schwanger. Mein erster Sohn kam auf die Welt. Später bekam ich noch einen Sohn und eine Tochter, und ich habe geheiratet. Alles schien perfekt. Doch als es zur Scheidung kam, bin ich wieder in die Drogen gerutscht und habe alles verloren: die Kinder, die Wohnung, die Kontrolle. Heute gibt es in Bern viel mehr Institutionen, die sich um suchtkranke Menschen kümmern, als in den Achtzigerjahren, als ich mit dem Heroin angefangen habe. Auf dem Rundgang zeige ich einige der Orte, an denen ich als Süchtige anzutreffen war. Die Anlaufstelle zum Beispiel, 9
wo ich Stoff bekam und ihn in Ruhe konsumieren konnte, ohne gleich die Polizei im Nacken zu haben. Oder das «La Gare», ein Treffpunkt für Alkoholkranke. Ich hatte damals auch mit dem Trinken ein Problem. Während meiner Sucht war ich auch oft einfach tagelang in der Wohnung meines damaligen Freundes. Ich war ein depressiver Mensch und nicht gerne unter Leuten. Heute konsumiere ich kein Heroin, kein Kokain und keinen Alkohol mehr. Ich habe sogar mit dem Rauchen aufgehört. Was ich noch nehme, ist Subutex. Das Medikament wirkt ähnlich wie Methadon: Es besetzt die Rezeptoren, löst aber keinen Rausch aus. Meine Tochter wohnt mit mir zusammen. Das ist sehr heilsam und macht mich glücklich. Im Frühling werden wir zusammen nach Schweden fahren: Mein jüngerer Sohn heiratet dort, und ich freue mich sehr auf das Fest. Ich habe sogar mit meinen Eltern wieder Kontakt. Gerade kürzlich verbrachten wir einen vergnügten Abend miteinander. Voraussetzung dafür ist, dass wir die Vergangenheit ausklammern. Das ist bei den Stadtrundgängen nicht möglich, und die Beschäftigung mit meiner Geschichte wühlt mich immer wieder auf. Ich fühle mich auch noch sehr unsicher und habe oft Hemmungen, vor die Menschen zu stehen und von mir zu erzählen. Aber ich finde die sozialen Stadtrundgänge ein wichtiges Projekt, und bei den Testtouren habe ich gemerkt, dass sich die Nervosität nach den ersten paar Sätzen legt. Wenn ich ganz aus dem Tritt kommen sollte, ist ja Roger da, mit dem ich die Tour mache. Wir ergänzen uns sehr gut, denn er hat viel weniger Hemmungen als ich.» Ehemaliger Hotspot der offenen Drogenszene: Kleine Schanze und Bundesterrasse.
Roger Meier freut sich auf den Start der Rundgänge.
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«Armut kann sehr einsam machen» HANSPETER DEFLORIN, 58
«Bis letztes Jahr bezog ich Sozialhilfe, weil ich aus gesundheitlichen Gründen keine Stelle mehr fand. Dann begann ich mit dem Austragen von Zeitungen, und der Lohn reichte gerade zum Leben. Ein halbes Jahr später konnte ich die Rechnungen schon wieder nicht bezahlen. Da wandte ich mich an die Sozialberatung der Reformierten Kirche in meinem Quartier und bat um Rat. Sie half mir mit zwei Dingen: einem Zustupf aus einem Fonds, um die dringendsten Rechnungen zu bezahlen, und einem Flyer, mit dem Surprise Stadtführer suchte. Zwei Wochen lang lief ich mit dem Zettel im Sack herum und schlich auch mehrmals am Surprise-Büro vorbei. Eines Tages sagte mir meine innere Stimme: Komm, wag es einfach! Ich ging hinein und sprach mit der Leiterin der Rundgänge. Sie sagte, ich sei mit meiner Geschichte und meiner Art genau die richtige Person für die Aufgabe. Ich lebe schon lange in Bern, bin aber eigentlich aus Chur. Gelernt habe ich Zugbegleiter. Ich dachte, das sei eine Lebensstelle, aber nach zehn Jahren kam es zu sogenannten Umstrukturierungen, und ich verlor meine Arbeit. Dazu kam die Scheidung von meiner damaligen Frau. Beides zusammen hat mir den Boden unter den Füssen weggezogen. Ich bekam immer grössere psychische Probleme. Dass ich in die Armut abrutschte, merkte ich nicht. Ich verdrängte alles, bis ich mittendrin war. Ich hatte keine Arbeit mehr, kein Geld, keine Freunde. Surprise 417/18
Zum Mitmachen bei den Stadtrundgängen entschlossen habe ich mich vor allem, weil ich den Menschen zeigen will, wie Armut aussieht und wie einsam sie einen machen kann. Beim Zeitungen vertragen bin ich immer alleine, und auch sonst habe ich wenig Kontakte. Der Bekanntenkreis wird kleiner, wenn man beim Sozialamt angekommen ist. Das ist leider bei vielen Armutsbetroffenen so. Auf dem Stadtrundgang, den ich zusammen mit Ändu mache, zeige ich Institutionen, mit denen ich in Berührung kam. Das ist natürlich vor allem der Sozialdienst. Dazu stellen wir den Caritas-Markt vor, wo man günstig einkaufen kann, und das Triio, das einem beim Schreiben von Bewerbungen hilft. Ich habe dort Hunderte verfasst, leider alle ohne Erfolg. Suchtprobleme hatte ich zum Glück nie, aber ich bin wohl einfach schon viel zu lang arbeitslos. Da hat man es schwer, eine neue Stelle zu finden. Kurz vor dem Start der Rundgänge wurde es mir manchmal fast ein bisschen zu viel. Ich hatte das Gefühl, ich hätte keine Minute Ruhe. Ständig musste ich noch etwas machen: nochmals am Text feilen, den Rundgang proben, für Fotoshootings bereitstehen, Interviews geben. Ich habe auch Respekt davor, plötzlich im Rampenlicht zu stehen. Ich erzähle an den Rundgängen vieles aus meinem Leben. Was, wenn das irgendwie auf mich zurückfällt? Ich habe ehrlich gesagt auch zünftig Lampenfieber. Das klingt jetzt alles ein bisschen negativ. Ich freue mich aber auch sehr auf meinem neuen Job. Ich werde mit vielen Menschen in Kontakt kommen und spannende Gespräche führen. Natürlich erhoffe ich mir, dass die Teilnehmenden positiv reagieren und mir sagen, dass der Rundgang interessant ist. Das würde mich am meisten freuen.»
Hanspeter Deflorin hofft auf spannende Gespräche und Begegungen.
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Roger und wie er die Stadt sieht Gassenalltag Roger Meiers Bern ist ein anderes als das eines Bundesrats oder der japanischen Touristen. Es ist auch ein anderes als jenes eines Durchschnitts-Berners. Roger Meier hat 20 Jahre lang auf der Gasse gelebt. TEXT DIANA FREI
FOTOS RUBEN HOLLINGER
«Ihr fragt euch wahrscheinlich, wie es in einem reichen Land wie der Schweiz möglich ist, dass es überhaupt Obdachlosigkeit gibt?» Es regnet bei fünf Grad Celsius, Roger Meier steht an der Rückwand des Berner Münsters und begrüsst eine Gruppe zu seiner ersten Testtour der Berner Surprise Stadtführungen, die am 22. Januar dieses Jahres starten. «Überleben auf der Gasse» ist der Titel seiner Tour, und wir merken schnell: Das heisst, viel unterwegs zu sein, man spürt es während der zwei Stunden am eigenen Leib. Die Kälte und die Nässe fahren in die Knochen. Am Ende der Tour wird man sich über das Resultat auf der Schrittzähler-App freuen. Und gleichzeitig wird einem die eigene Freude etwas absurd vorkommen, wenn man sich als Büromensch überlegt, dass ein Obdachloser jeden Tag vermutlich ein Mehrfaches der eigenen gesammelten Meter und Kilometer zurücklegt. Das soziokulturelle Gedächtnis von Bern So wird verständlich, dass das Wichtigste an einer Anlaufstelle für Obdachlose manchmal auch einfach ist: Hier sein zu können. In einem Sessel zu sitzen. Einen Kaffee zu trinken. «Das hier ist ein Stück meines Wohnzimmers», sagt Roger bei mehr als einer sozialen Institution, die er uns zeigt. Hier gibt es Wärme in Celsius- und in emotionalen Graden. Wir stehen vor dem Aufenthaltsraum Postgasse, Roger Meier erzählt von den freiwilligen Helferinnen, die immer ein offenes Ohr haben. Die Postgasse 35 wurde 1977 als Aufenthaltsraum für Arbeitslose eröffnet. Hier wurde einem geholfen beim Bewerbungen schreiben, man konnte telefonieren, bekam Kaffee und Brot. Dass Roger Meier nicht nur Stadtführer, sondern auch ein Stück kulturelles Gedächtnis von Bern und ein Zeuge der Sozialgeschichte ist, zeigt sich schnell: Er kennt all die sozialen Institutionen in der Stadt seit 36 Jahren – seit er der Liebe wegen in die Stadt gekommen ist. Er kann von der Gründung der Notschlafstelle «Sleeper» erzählen, die auf die Jugendunruhen Anfang der Achtzigerjahre zurückgeht. Von den Punks, die das alte 12
Hotel an der Hodlerstrasse 22 besetzten. Davon, wie die Stadt Bern unkompliziert grünes Licht für die Zwischennutzung gab, worauf die Punks den «Sleeper» gründeten. Es war die Zeit der Strassenkämpfe, der Besetzung und Räumung der Reithalle. Später bei der «Prairie», dem Tageshaus des Vereins La Prairie Bern, bittet er seine Besuchergruppe, Rücksicht auf die Anwesenden zu nehmen. Privatsphäre ist ein rares Gut für einen Obdachlosen. Keine Wohnung zu haben, bedeutet für viele auch Gemeinschaftsduschen und Massenschlafsäle. Hört man Roger Meier erzählen, taucht ein Thema immer wieder auf: sich selber sein zu dürfen, ohne dass man eine Maske aufsetzen muss. Ein Satz, der auch an anderer Stelle wieder fallen wird: «Hier darf ich auch mal schlecht drauf sein, ohne dass es mir am nächsten Tag vorgeworfen wird.» Beim Stichwort Obdachlosigkeit denkt man schnell an Kälte, an fehlendes Geld und an die Frage, wo man duscht. Aber da sind auch feinstofflichere Befindlichkeiten, emotionaler Stress, die fehlende Ruhe. Wer die Tür nicht hinter sich verriegeln kann, hat kaum eine Gelegenheit, sich abzugrenzen, und ist ständig der Beobachtung anderer ausgesetzt. Roger Meier erzählt von den guten Seelen, die sich in allen Institutionen engagieren, aber auch davon, wie man sich untereinander organisiert und sich gegenseitig leben lässt. Er hält zwar nüchtern fest: «Meine Tour heisst Überleben auf der Gasse, denn Leben ist das nicht.» Aber trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – ist Roger Meier der Schalk nicht abhandengekommen. Als ein Mann im Rollstuhl vorbeifährt und interessiert anhält, weil er offensichtlich noch nichts von Roger Meiers neuer Rolle als Surprise Stadtführer weiss, ruft er diesem zu: «Es kostet 20 Franken, wenn du zuhören willst!» Und macht dann seiner Zuschauergruppe klar: Sie kennen sich von der Gasse. «Mir zwee si enang immer am Foppe. Das isch ganz e verruckte Kärli.»
Tour 1 – «Überleben auf der Gasse» mit Roger Meier, Informationen zur Tour siehe rechts
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Roger Meier: «Als ich obdachlos war, konnte ich die ganze Stadt Bern als mein Zuhause betrachten.»
Rundgang buchen Roger Meier bei der Gassenküche: «Für einen Fünfliber bekommt man hier ein Vier-Gang-Menü.»
Die Touren können ab sofort gebucht werden. Infos und Anmeldung unter www.surprise.ngo/stadtrundgangbe
Tour 1 – Überleben auf der Gasse
Tour 2 – In der Armutsfalle
Tour 3 – Von der Sucht in die Armut
Roger Meier zeigt auf seiner Tour, wie man in der Stadt Bern als Obdachloser zurechtkommt. Sie besuchen mit ihm Orte wie den Aufenthaltsraum Postgasse, das offene Tageshaus «La Prairie» oder die Gassenküche. Roger erzählt aus seinem Leben und gibt Einblick in die Institutionen, die ihm beim Überleben auf der Gasse helfen. Und er zeigt, wie man sich in der Stadt Bern auch mit wenig Geld in der Tasche durchschlagen kann.
André Hebeisen und Hanspeter Deflorin wissen, wie es ist, jeden Franken zweimal umdrehen zu müssen. Auf ihrer Tour erzählen sie vom Leben abseits des ersten Arbeitsmarktes, von der Bürde der Sozialhilfeabhängigkeit und von sozialer Isolation. Trotz schwieriger Umstände haben beide immer wieder neue Wege gefunden. Erfahren Sie, welche Angebote in der Stadt Bern ihnen dabei geholfen haben. Stationen auf dieser Tour sind unter anderem die Bewerbungswerkstatt «Triio», der Sozialdienst und der alkoholfreie Treffpunkt «Azzurro» des Blauen Kreuzes.
Eine Suchtmittelabhängigkeit, vor allem im Fall von Heroin, treibt die meisten Betroffenen in die Armut und an den Rand der Gesellschaft. Arbeitsstelle, Wohnung und soziales Umfeld gehen oftmals verloren. Der Weg hinaus aus der Sucht und zurück in die Gesellschaft ist hart und steinig. Auf dieser Tour erzählen Franziska Lüthi und Roger Meier von den Zeiten der offenen Drogenszene, von den daraus hervorgegangenen Angeboten der Suchthilfe und von ihren eigenen Erfahrungen mit den Themen Sucht und Armut.
Variante 1A: Montags und donnerstags 13.45 Uhr bis 16.15 Uhr Variante 1B: Mittwochs und freitags 13.15 Uhr bis 15.45 Uhr
Variante 2A: Mittwochs 13 Uhr bis 15 Uhr Variante 2B: Freitags 16.45 Uhr bis 18.45 Uhr
Diese Tour ist noch im Aufbau und wird ab Frühjahr 2018 angeboten.
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ILLUSTRATION (FOLGESEITE): PAULA TROXLER
Soziale Stadtrundgänge Bern: die Touren
Wer springt in die Bresche? Soziale Institutionen Wer sich vornehmlich um Randständige kümmert, ist von Stadt zu Stadt unterschiedlich. In Bern spielt die Kirche eine wichtige Rolle, während sich in Basel Stiftungen und Private engagieren. In Zürich betreibt die Stadt wichtige Anlaufstellen. TEXT SAMANTA SIEGFRIED
Die Erinnerungen an die offene Drogenszene der Schweiz in den Achtzigerjahren rufen vor allem Bilder der Verelendung hervor. Wegschauen war irgendwann nicht mehr möglich, der Druck zu handeln enorm. So stellten in Basel Vereine und Stiftungen niederschwellige Angebote zur Verfügung, in Bern reagierten vor allem die Kirchen, und in Zürich – Hotspot des Schweizer Drogendramas – setzte sich die Stadt auf Druck der Bevölkerung mit eigenen Institutionen ein. Blickt man heute auf die Finanzierungsmodelle von sozialen Einrichtungen, zeigt sich noch immer ein ähnliches Bild. Zwar sind Private, Kirchen wie auch der Staat aktiv, aber jeweils mit unterschiedlicher Gewichtung. Da ist zum Beispiel der Verein für Gassenarbeit Schwarzer Peter in Basel. Das grosse Zittern komme meistens im Herbst, sagt Co-Geschäftsleiter Michel Steiner. Wird das Budget reichen bis Ende Dezember? Steiner ist seit bald zehn Jahren beim Verein tätig, sein Ressort ist die Mittelbeschaffung. «In den letzten Jahren kamen wir meist gerade so raus.» Dabei ist der Verein in einer vergleichsweise komfortablen Situation. Mit 270 000 Franken erhält er von der Stadt Basel einen der höchsten Staatsbeiträge, welche die Sozialhilfe auszahlt. Die Sozialhilfe des Departements für Wirtschaft, Soziales und Umwelt Basel16
FOTOS RUBEN HOLLINGER
Stadt (WSU) unterstützt soziale Einrichtungen mit Staatsbeiträgen von aktuell rund 1,2 Millionen Franken. Wer das Recht auf solche Beiträge hat, regelt das Staatsbeitragsgesetz des Kantons. Zusätzlich fordert die Sozialhilfe bei zahlreichen Organisationen im Rahmen von Leistungsvereinbarungen Dienstleistungen ein, die nicht in dem Budget enthalten sind. Dass sich der Schwarze Peter seit vielen Jahren auf staatliche Unterstützung verlassen kann, hat auch mit der Geschichte des Vereins zu tun. Die Gründer gehörten 1983 zu den Ersten, die sich der Abhängigen der offenen Drogenszene der Stadt annahmen und saubere Spritzen verteilten. Bis heute stellt der Verein eines der wichtigsten niederschwelligen Angebote für Menschen dar, die aus unterschiedlichen Gründen am Rand der Gesellschaft leben. Die staatlichen Gelder sind nicht die einzige Quelle, die die soziale Grundversorgung von Basel decken. Seit jeher vom Mäzenatentum geprägt, besitzt die Stadt mit über 800 die höchste Stiftungsdichte des Landes und eine etablierte Gruppe von privaten Geldgebern. Beim Schwarzen Peter machen Stiftungsgelder rund die Hälfte des Jahresbudgets aus. Wichtige Unterstützer sind die Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige Basel (GGG) und die
Christoph Merian Stiftung (CMS). Getreu ihrem Stiftungszweck, sich für die «Linderung der Noth und des Unglücks» einzusetzen, stellt allein die CMS jährlich rund fünf Millionen Franken für soziale Projekte zur Verfügung – und entlastet damit den Kantonshaushalt. Rolle von Staat und Stiftung «Dank der Unterstützung von Stiftungen besteht in Basel ein derart umfassendes Angebot für sozial benachteiligte Menschen», sagt der Leiter der Sozialhilfe BaselStadt, Rudolf Illes. «Sie können dort einspringen, wo dem Kanton ein gesetzlicher Auftrag fehlt.» Die Stadt hat mit einer relativ hohen Sozialhilfequote von 6,7 Prozent durchaus einen Bedarf an Anlaufstellen für Menschen in Schwierigkeiten. In Bern ist die Quote mit 5,1 Prozent etwas niedriger, in Zürich liegt sie bei 4,6 Prozent. Einer der Gründe für die Unterschiede ist laut Illes, dass Basel einen kleineren lokalen Arbeitsmarkt hat. Bereits in den Achtzigerjahren waren es in Basel Private, die als Erstes die Initiative für die Abhängigen der offenen Drogenszene ergriffen. Bis heute haben Stiftungen laut Illes schnellere und unbürokratischere Möglichkeiten, neue Projekte zu lancieren. Aus diesem Grund wurde in den letzten zwei Jahren die Zusammenarbeit mit der Surprise 417/18
Eröffnet wurde der Aufenthaltsraum Postgasse 35 als Schreibstube für Arbeitslose. Nun gibts hier Wärme für alle.
«Die Drogenabhängigen vertrauten der Kirche mehr als dem Staat, der mehrheitlich repressiv gegen sie vorging.» BARBAR A KL ÄSI, GESCHÄF TSFÜHRERIN KIRCHLICHE GASSENARBEIT BERN
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Im Berner «Casa Marcello» sind auch Randständige willkommen. Wer etwas trinkt, darf bleiben, solange er will.
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«Uns ist es nicht wohl dabei, in die Lücke zu springen. Aber wir haben das Glück, dass wir es noch können.» K ARL JOHANNES RECHSTEINER, SPRECHER RÖMISCH-K ATHOLISCHE GESAMTKIRCH GEMEINDE BERN
CMS systematisch ausgebaut. «Wir kamen zu dem Schluss, dass es eine klare Rollenteilung von Staat und Stiftung braucht», sagt auch Fleur Jaccard, Leiterin der Abteilung für Soziales der CMS. Dafür hat die Stiftung im Rahmen einer Bedarfsanalyse städtische Verwaltungen und Trägerschaften gefragt: Wo ist der Handlungsbedarf am grössten? Wo gibt es Lücken? «Neben den bereits geförderten Langzeitprojekten wollen wir auch Pilotprojekte anschieben, um Erfahrungen zu ermöglichen», sagt Jaccard. Nach einer ersten Phase wird das Projekt evaluiert und zusammen mit der städtischen Verwaltung geprüft. Ist es wirkungsvoll, entspricht es einem allgemeinen Bedarf in der Bevölkerung? Erst danach entscheidet sich, ob und von welcher Seite eine weitere Finanzierung sinnvoll ist. «Wir verfolgen beide – Stadt und Stiftung – das Ziel, soziale Probleme anzugehen», sagt Jaccard. «Daher müssen wir auch gemeinsam daran arbeiten.» Spart die Regierung, zahlt die Kirche Was der Verein Schwarzer Peter in Basel leistet, übernimmt in Bern vornehmlich die Kirchliche Gassenarbeit. Gegründet wurde der Verein 1984 in einer Zeit, als auch hier die offene Drogenszene das Stadtbild prägte. «Die Betroffenen vertrauten der Kirche mehr als dem Staat, der Surprise 417/18
mehrheitlich repressiv gegen sie vorging», sagt Geschäftsführerin Barbara Kläsi. Der Verein finanziert sich ausschliesslich aus Beiträgen der römisch-katholischen sowie der evangelischen Gesamtkirchgemeinden Bern. Auch die meisten anderen niederschwelligen Angebote für Randständige werden in Bern von der Kirche unterstützt, einige werden direkt von der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen der Region Bern (AKIB) geführt. Im Anbetracht der aktuellen Sparpläne des Berner Regierungsrates von langfristig 185 Millionen Franken, die auch den sozialen Bereich betreffen, wird sich das vorerst nicht ändern. Gekürzt werden etwa die Staatsbeiträge an Behinderteninstitutionen oder die Betreuungskosten von pflegebedürftigen Menschen. Die Sozialhilfe wird um acht Prozent zusammengestrichen. Darüber ärgert sich Karl Johannes Rechsteiner, Sprecher der römisch-katholischen Gesamtkirchgemeinde Bern und Umgebung. «In Wahrheit werden nur wieder andere die Arbeit übernehmen», sagt er und meint damit auch die Kirche. In 13 Pfarreien führt die römisch-katholische Gesamtkirchgemeinde auf eigene Rechnung einen Sozialdienst. Nun will sie ab 2018 ihr soziales Engagement noch verstärken. So sollen künftig 15 Prozent statt wie bisher 12 Prozent aller Steuer- und
Mieteinnahmen in die Diakonie fliessen. Allein die Kasse der Fachstelle Sozialarbeit für die Einzelfallhilfe werde von 86 000 auf 300 000 Franken aufgestockt. «Uns ist es nicht wohl dabei, in die Lücke zu springen», so Rechsteiner, «aber wir haben das Glück, dass wir es noch können.» Weil die römisch-katholische Kirche eine Migrationskirche ist – mehr als 40 Prozent der Mitglieder sind keine Schweizer Bürger –, profitiert sie im Gegensatz zu anderen Kirchgemeinden von steigenden Mitgliederzahlen. So sind es letzten Endes also auch gläubige Migrantinnen und Migranten, die mit ihren Beiträgen die sozialen Angebote in Bern mitfinanzieren. Niederschwellige kirchliche Stellen «Wir sind sehr dankbar für die Unterstützung der Kirche», sagt Peter Kobi vom Sozialamt der Stadtberner Direktion für Bildung, Soziales und Sport. «Unsere zeitlichen und finanziellen Ressourcen sind beschränkt. Dagegen haben die kirchlichen Stellen einen grösseren Spielraum und können auch Menschen unterstützen, die nicht offiziell in Bern gemeldet sind.» Das Sozialamt unterhält aktuell Leistungsvereinbarungen mit sozialen Einrichtungen in der Höhe von jährlich rund 3,3 Millionen Franken, vor allem im Wohn- und Obdachlosenbereich. Nicht darin enthalten 19
«Unsere zeitlichen und finanziellen Ressourcen sind beschränkt. Die kirchlichen Stellen haben einen grösseren Spielraum.» PE TER KOBI, SOZIAL AMT DER DIREK TION FÜR BILDUNG, SOZIALES UND SPORT BERN
Das Bier von unten finanziert die Betten von oben: Im ersten Stock ist die Bar «Dead End», im zweiten der «Sleeper».
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sind einige private Institutionen, die einen Leistungsvertrag mit dem Kanton Bern haben. Zweimal im Jahr findet ein Treffen mit den Berner Kirchen (AKIB) unter Teilnahme des Sozialamtes statt, um sich über die aktuelle Situation und den Bedarf in der Stadt Bern auszutauschen. Barbara Kläsi von der Kirchlichen Gassenarbeit glaubt, dass bis heute das Vertrauen der Menschen in den kirchlichen Verein grösser ist, als wenn es sich um eine staatliche Anlaufstelle handeln würde. «Wir arbeiten niederschwellig und erfassen keine Daten, das ist vielen Betroffenen extrem wichtig.» Finanziert ist der Verein von der Kirche, aber in der Arbeit auf der Gasse spielt es keine Rolle, ob einer gläubig ist oder nicht. «Kirchlich ist bei uns nur der Gedanke der Nächstenliebe», sagt Barbara Kläsi. Die Religion spiele im Alltag in den wenigsten Fällen eine Rolle und halte die Bedürftigen auch nicht etwa davon ab, die Anlaufstelle aufzusuchen. Mehr Menschen mit Problemen Auch in Zürich hat der Umgang mit der offenen Drogenszene den Grundstein für die Förderung sozialer Einrichtungen gelegt. Im Jahr 1990 markierte die Annahme der Volksabstimmung «Sozialhilfe an Suchtmittelabhängige, psychisch Behinderte und sozial Auffällige in Not» die offiSurprise 417/18
zielle Wende der städtischen Drogenpolitik und führte dazu, dass provisorisch aufgebaute Angebote von der Stadt institutionalisiert wurden. Dazu gehörte das begleitete Wohnen, ein ambulant betreutes Angebot für desintegrierte und von Suchtmitteln abhängige Erwachsene. Bis heute bildet es eine zentrale städtische Einrichtung für Menschen, die nicht in der Lage sind, ihren Wohnalltag alleine zu meistern. Hinzu kamen mit den Jahren Angebote wie die Familienherberge, das betreute Wohnen City oder die Nachtpension. Sie alle werden heute unter dem Bereich Wohnen und Obdach vom Sozialdepartement Zürich betrieben und von der Stadt mit 20 Millionen Franken finanziert. «Die Stadt betreibt bewusst eigene Angebote, insbesondere um in diesen Bereichen eigenes Know-how aufzubauen», sagt Heike Isselhorst, Sprecherin des Sozialdepartements. Dazu kommen zahlreiche Leistungsvereinbarungen mit privaten Institutionen. Im Bereich soziale Integration beliefen sich diese Subventionen 2016 auf rund 10,5 Millionen Franken, inklusive zur Verfügung gestellte Räume. «Vor allem bei Angeboten, die eine grosse lokale Nähe benötigen, macht es Sinn, die Dienstleistungen zu subventionieren anstatt parallel eigene Betriebe aufzubauen»,
erläutert Isselhorst. Natürlich würde auch in Zürich ohne die privat betriebenen Angebote eine Lücke klaffen. So sind etwa die Sozialwerke der Stiftung Sieber seit jeher eine wichtige Anlaufstelle für Randständige in der Stadt. Die aktuellen Entwicklungen lassen vermuten, dass die Bevölkerung künftig wieder mehr auf nichtstaatliche Hilfsangebote angewiesen sein wird. Ob Michel Steiner vom Schwarzen Peter, Barbara Kläsi von der Kirchlichen Gassenarbeit oder der Bereichsleiter von Obdach und Wohnen in Zürich: Sie alle nehmen eine Zunahme von Randständigen in der Bevölkerung wahr. Dabei habe vor allem zugenommen, dass die Aufsuchenden aus einer durchschnittlichen, normalen Existenz herausgefallen seien. «Heute kann bereits ein Jobverlust, eine Krankheit oder eine Trennung ausreichen, um in die Armut abzurutschen», sagt Steiner vom Schwarzen Peter. «Immer mehr Menschen leben am Rand der Gesellschaft», beobachtet auch Karl Johannes Rechsteiner von der römisch-katholischen Kirche Bern. «Und je grösser diese Zahl ist, desto grösser wird das Engagement von Kirchen und Freiwilligen sein.» Dass sich der Staat aber nicht einfach darauf ausruhen kann, sollte allen Beteiligten klar sein. 21
Mein Leben, mein Auftritt Biografiearbeit Surprise Stadtführerinnen und Stadtführer stellen sich vor fremde Menschen und erzählen ihre Lebensgeschichte. Die Arbeit an der eigenen Biografie ist Theaterprobe und Therapie zugleich. TEXT DIANA FREI
ILLUSTRATION CHI LUI WONG
Wird eine neue Stadtführung lanciert, geht dem ersten Auftritt eine monatelange Vorbereitung voraus: Die Stadtführer schreiben ihre Biografie nieder und feilen über Wochen und Monate daran herum. Dann tragen sie diese erst einmal vor Testpublikum vor. Es geht um Auftrittskompetenz und darum, rhetorisch auf den Punkt kommen. Doch die eigene Lebensgeschichte zu erzählen, ist mehr als ein Bühnenauftritt. Zumal die eigene Geschichte in ihrem Fall nicht die klassische Heldengeschichte ist, sondern von Lücken im Lebenslauf, von Brüchen, Abstürzen und schwierigen Bedingungen erzählt. Da sind Missbrauchs22
und Suchtgeschichten, nicht selten beides verknüpft. Da sind Familienarmut und Heim-Kindheiten. Die eigene Biografie in eine Erzählung zu verpacken, ist Arbeit an der eigenen Persönlichkeit. Ein therapeutischer Prozess. Lilian Senn sitzt jetzt mit Sybille Roter, der Programmverantwortlichen der Sozialen Stadtrundgänge, am Sitzungstisch. Es ist eines von vielen Treffen, während derer Lilian Senn ihre Lebensgeschichte Schritt für Schritt zum öffentlichen Auftritt macht. Sie ist die erste Frau in der Schweiz, die einen Sozialen Stadtrundgang durchführt. Später wird eine spezielle Tour zu frauenspezifischen Surprise 417/18
Aspekten der Armut hinzukommen. Frauen sind auf der Gasse eine Minderheit, sie werden noch stärker tabuisiert als die Männer. Viele Frauen haben Gewalterfahrungen gemacht und geraten daher schneller in die psychische Instabilität, wenn sie aus ihrem Netzwerk herausfallen. Deshalb suchen sich viele von ihnen Möglichkeiten, die Wohnungslosigkeit zu verstecken: Sie übernachten bei Freundinnen, oder sie halten Beziehungen zu Männern, unter denen sie leiden. Frauen haben oft den Anspruch, dass man ihnen ihre prekäre Situation nicht ansieht. Lilian Senn würde man auf keine 60 schätzen. Ihr Kurzhaarschnitt ist frisch frisiert, sie trägt Perlenohrringe und eine passende Kette dazu. Eine Wohnung hat sie nicht. Vor ihr liegen einige Blätter Text. Es ist ihre Lebensgeschichte, die sie seit einigen Monaten auch physisch mit sich herumträgt, gebannt auf Papier, immer wieder neu formuliert. Umgestellt, gestrafft, noch einmal anders gewichtet. Sybille Roter sagt: «Wir haben deine Biografie nun aufgrund vieler Gespräche und vieler verschiedener Fassungen zusammengefasst. Es waren einmal 17 Seiten Text, und heute versuchen wir nochmals zu straffen und auf die Frage zu fokussieren: Welches waren die entscheidenden Weichen, die in die Armut geführt haben? Gleichzeitig musst du dich als Person schützen. Klar ist, dass du keine Details über den sexuellen Missbrauch erzählst. Aber es ist wichtig zu hören, wie du in die Armut geraten bist, und der Missbrauch gehört dazu. Ebenfalls wichtig ist, wieviel du getan hast, um das Abrutschen in die Armut zu vermeiden. Und wieviel du getan hast, um da wieder herauszukommen.» Lilian Senn sagt: «Wenn du einmal ausgegrenzt bist, dann findest du in dieser Gesellschaft kaum einen Weg zurück. Mir haben schon Leute gesagt: ‹Dann heirate doch einen Mann.› Aber das will ich nicht. Es wird mir als Frau vorgeschrieben, wie ich mein Leben zu leben habe. Ich wollte arbeiten und zeigen, dass ich mein Leben im Griff habe. Ich wollte mich immer beweisen.» «Viele unserer Stadtführer waren früher Workaholics», sagt Sybille Roter. «Sucht gibt es in vielen Bereichen, auch in der Arbeit. Die Betroffenen sagen sich: Ich mache mir richtig viel Arbeit, damit ich etwas wert bin. Ohne Arbeit ist man ja nichts wert.» Vergleicht man die Biografien von Surprise-Verkäufern und Stadtführern miteinander, fallen irgendwann die Parallelen auf: Viele kannten schon als Kind Situationen, in denen sie in ihrem Selbstwertgefühl verunsichert wurden. Sie bekamen von Anfang an vermittelt, dass sie schlechtere Karten hatten als andere. Oder es gleichen sich die Muster: Burnout, Jobverlust, Scheidung, Todesfälle sind die häufigsten Auslöser für Einsamkeit und Armut. Steckt man in der Abwärtsspirale drin, nimmt man seine eigene Geschichte als Einzelschicksal wahr, nicht selten sucht man die Schuld dafür bei sich selbst. Tritt man einen Schritt zurück, werden die typischen Muster sichtbar, die strukturelle Armut. Die Bedeutung der HerSurprise 417/18
kunftsfamilie, die vererbte Armut, die mangelnden Zukunftsperspektiven. Die Beschäftigung mit der eigenen Biografie kann helfen, die Vergangenheit fassbar zu machen, indem man die Geschichte in eine Form giesst und weitererzählt. Die Betroffenen sind dabei gezwungen, einen analytischen Blick auf ihr Leben zu werfen. Sie distanzieren sich von der persönlich empfundenen Tragik und können so wieder handlungsfähig werden, statt in der Opferrolle zu verharren.
«Ehemann weg, Kinder weg, Haus weg – ich erlitt als geschiedene Frau Mitte 40 ein Burnout.» LILIAN SENN, SURPRISE STADTFÜHRERIN
Lilian Senn trägt einen Rucksack mit schwierigen Erlebnissen mit sich herum. Es steckt aber auch viel Wissen drin.
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Sybille Roter: «Ich war früher nie in einer Notschlafstelle. Die Stadtführer haben sie mir zum ersten Mal gezeigt.»
«Welches waren die entscheidenden Weichenstellungen, die in die Armut geführt haben?» SYBILLE ROTER, PROGR AMMVER ANTWORTLICHE SOZIALE STADTRUNDGÄNGE
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Und plötzlich pflegt einer wieder ein Hobby Die Konzeptidee der Sozialen Stadtrundgänge stammt von bestehenden Projekten in München, Stuttgart, Hannover und Hamburg. Sie werden von Strassenzeitungen angeboten, die wie Surprise Mitglied des internationalen Netzwerks der Strassenzeitungen INSP sind. Sybille Roter hat sich die Stadtführungen in Deutschland nacheinander angesehen und danach ein eigenes Konzept entwickelt.
Lilian Senn sitzt am Sitzungstisch und liest vor: «Mein Name ist Lilian Senn, ich bin 60 Jahre alt. Ich war verheiratet und habe zwei Söhne. Als ich Mitte 2013 nach Basel kam, besass ich noch zwei Koffer und einen Rucksack als Gepäck. Glücklicherweise nahm mich eine Pastorin bei sich auf. Sie begleitete mich durch meine Existenzkrise. Das Gassenleben war schwierig für mich. Um mich nicht prostituieren zu müssen, suchte ich eine andere Möglichkeit, täglich ein Bett zu finden. Ich musste lernen, mit den Menschen zusammenzuleben, die ich früher verachtete. Inzwischen habe ich auf der Gasse viele interessante Menschen mit ähnlichen Geschichten von Scheidungen, Todesfällen, Jobverlusten und psychischen Erkrankungen kennengelernt. Das Gefühl der Ausgrenzung erlebte ich selbst schon von Geburt an. Als Baby konnte mich meine Mutter nicht mit nach Hause nehmen, da sie keine Wohnung hatte. Sie wurde das erste Mal mit 16 Jahren schwanger. Damals gab es keine Mutter-Kind-Häuser für Minderjährige. Wegen der familiären Schande wurde sie aus der Familie ausgestossen. Deshalb blieb ich für ein Jahr im Spital. Meine zwei Jahre ältere Schwester war bereits in einem Kinderheim. Auch mein Vater hatte keine Wohnung – er litt an Spiel-, Alkoholsucht und nahm sich das Leben, als ich ein Jahr alt war. Nach dem Spitalaufenthalt kam ich zu einer Pflegefamilie. Hier auf dem Land fühlte ich mich wohl. An den Wochenenden konnte mich meine Mutter besuchen oder mitnehmen. Eines Tages durfte ich bei meinen Grosseltern sein. Da wurde ich von meinem Grossvater sexuell missbraucht. Als ich fünf Jahre alt war, kam ich zu meiner Mutter, meinem Stiefvater und vier neuen Surprise 417/18
BILD(1): MICHAEL FRITSCHI BILD(2+3): TOBIAS SUTTER
Carmen Berchtold, Leiterin des Sozialen Stadtrundgangs Zürich, hält seit 2014 die Erfahrungen fest, die sie mit den Zürcher Stadtführern macht. «Heilungsprozesse erkennt man oft nicht dadurch, dass sich die Lebenslage sofort verändert», sagt sie. «Es ist nicht unbedingt so, dass jemand den Alkoholkonsum aufgibt, sondern es geschehen subtile Veränderungen. Das können Kompetenzen sein, die sich die Personen wieder aneignen. Zum Beispiel Teamfähigkeit, Frustrationstoleranz, Offenheit. Oder die Kraft, Verantwortung übernehmen zu können. Erst danach geschehen konkrete Veränderungen, wie eine Schuldensanierung. Vielleicht nimmt man auch administrative Aufgaben wie einen Krankenkassenabschluss wieder selbst in die Hand, sucht sich eine Wohnung oder kümmert sich wieder um eine Art von Freizeitgestaltung.»
Geschwistern. Gewalt war bei uns an der Tagesordnung. In einer Armutsfamilie geboren zu sein bedeutet, kaum eine Chance zu haben, sich zu entfalten. Mir fiel oft die Aufsicht über meine Geschwister zu, ich lernte früh kochen und musste in der Freizeit Geld verdienen, um meine Kleider zu kaufen. Selbst als Kind hatte ich keine Zeit für mich. Obwohl meine Mutter immer arbeitete, reichte das Geld nie bis zum Ende des Monats. Diese Zeit sehe ich heute trotzdem als eine gute Lernzeit – ich lernte, mich im Leben durchzusetzen. Ich absolvierte eine Lehre als Floristin, heiratete und bekam zwei Söhne. Im Laufe meines Arbeitslebens habe ich in vielen Berufen gearbeitet und etliche Aus- und Weiterbildungen abgeschlossen. Eigentlich war ich ein Workaholic. Nach der Lehre wechselte ich ins Kaufmännische, absolvierte eine Ausbildung als Personalfachfrau und war Personalchefin. Bis zum Jahr 2000 verlief meine Arbeitsbiografie sehr geradlinig. Danach veränderte sich schlagartig alles. 100 Prozent Arbeit, Familie, ein Sohn mit Geburtsgebrechen und die Weiterbildungen überforderten mich, es folgte die Scheidung nach 20 Jahren Ehe. Ehemann weg, Kinder weg, Haus weg – ich erlitt als geschiedene Frau Mitte 40 ein Burnout. Ab dem Jahr 2000 versuchte ich mein Glück als selbständig Erwerbende für eine eigene humanitäre Hilfsorganisation. Ich löste dafür meine Pensionskasse auf. Leider musste ich Insolvenz anmelden und hatte auf einen Schlag hohe Schulden. Ich meldete mich bei der regionalen Arbeitsvermittlung RAV Zürich. Die meisten Absagen bekam ich wegen Überqualifizierung. 2005 absolvierte ich in Zürich eine Ausbildung zur Bus-Chauffeuse und arbeitete anschliessend sieben Jahre auf dem Beruf. 2012 wollte ich meinem Leben einen neuen Sinn geben und kündigte leichtsinnigerweise. Ich machte wieder Schulden, die ich bis heute nicht abzahlen kann. Ich übte Gelegenheitsjobs aus und verlor meine Wohnung. Nach dem Burnout und dem Auseinanderbrechen meiner Familie wurde ich nirgends mehr sesshaft. Mein Dasein als Wohnungslose habe ich zum Beruf gemacht. Ich bezeichne mich heute als Streetworkerin, um Menschen auf der Gasse und Personen zu unterstützen, die Hilfe benötigen.» Die Betroffenen als Experten Das Konzept der Sozialen Stadtrundgänge ist dem sogenannten Peer-Ansatz verwandt, der in der sozialen Arbeit und der Psychiatrie in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat: Von sozialen oder psychischen Problemen Betroffene werden hier zu sogenannten Peers, die als Experten für ihre eigene Situation Wissen und Erfahrung an andere weitergeben. Sie werden von Fachleuten als Partner angesehen, die nicht nur einen wesentlichen Teil zu ihrer eigenen Gesundung beitragen, sondern auch die gesellschaftlich begründbaren Elemente ihrer Krankheit erkennen können. Wer die Mechanismen versteht, ist der Situation nicht mehr ausgeliefert, sondern wird befähigt, anderen in einer ähnlichen Situation zu helfen, und mit seinem Rucksack an Erfahrung und Reflexion kann er gesellschaftliche Aufklärungsarbeit leisten. Jahrzehntelang wurde gerade in der Psychiatrie versucht, Surprise 417/18
den Einzelnen – oft medikamentös – wieder zu «flicken». Ziel war, Patienten wieder funktionsfähig zu machen. Den Hintergründen einer Krankheit wurde wenig Beachtung geschenkt, strukturellen gesellschaftlichen Ursachen ebenso. Aber gerade wenn sich zeigt, dass ein Burnout ein typisches Armutsrisiko ist, wäre ein Phänomen wie die Leistungsgesellschaft das eigentliche Thema, das zu diskutieren wäre. Die Leiterin des Sozialen Stadtrundgangs Zürich, Carmen Berchtold, sagt: «Die Stadtführer empfinden es als heilsam zu hören, dass ihre biografischen Verläufe oft gesellschaftlich erklärbar sind. Etwa, dass traumatische Erfahrungen in der Kindheit die Lebensstrategien massiv beeinträchtigen können oder dass Sucht stigmatisiert und dass Armut Scham auslöst.» Plötzlich zeigen sich Zusammenhänge und Risiken, die in die Armut oder ins gesellschaftliche Abseits führen. Für die Betroffenen kann das heilsam sein. Und für die Zuhörer im besten Fall eine fruchtbare Erkenntnis. Einer der Gründe, wieso sich Lilian Senn wieder und wieder hinsetzt, um ihr eigenes Leben in eine erzählbare Form zu bringen. Seit Anfang 2018 führt Lilian Senn als erste Frau in der Schweiz einen Sozialen Stadtrundgang in Basel durch. Ab Mitte Jahr wird sie zusammen mit einer Kollegin eine Tour zum Thema Frauenarmut anbieten.
Carmen Berchtold: «Die Biografie der Stadtführer hilft den Zuschauern, in Austausch mit den Betroffenen zu treten.»
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Basel «Future Love», bis So, 15. April, Mi bis So 12 bis 18 Uhr, Haus der elektronischen Künste, Freilager-Platz 9, Dreispitz. www.hek.ch
zum Zehnjährigen, man muss sich schliesslich nicht immer den Normen beugen) kommt ein Buch mit 24 Geschichten aus Theateralltag und echtem Leben heraus. Die Truppe kann man auch für private Anlässe buchen: zum Beispiel mit der «Bänkligschicht», einem Einblick in das Leben eines Obdachlosen, oder mit «James Bond – Dreharbeit», einer Spielszene für einen neuen James-Bond-Film, von dem Sie garantiert noch nie gehört haben. DIF
Stans, wo der dritte Teil am 24. März eröffnet wird, heisst das Thema Kleinseilbahnen und Transportschiffchen. Jede Ausstellung ist in sich abgeschlossen und zugleich Teil des gemeinsamen Parcours. Beim Besuch von zwei Ausstellungen ist der dritte Eintritt gratis. GG
Olten Grimms Tierleben, Ausstellung, bis So, 18. Februar, Di bis Sa 14 bis 17 Uhr, So 10 bis 17 Uhr, Naturmuseum, Kirchgasse. www.naturmuseum-olten.ch
Die Zukunft unserer emotionalen, sexuellen und familiären Beziehungen scheint vielversprechend, aufregend und turbulent. Die Biotechnologie bietet alternative Reproduktionsweisen, was die traditionellen Familienstrukturen infrage stellt. Neue Produkte werben damit, unkonventionelle sexuelle Fantasien zu befriedigen, und zwar sowohl in der physischen als auch in der virtuellen Realität. Die weltweite Vernetzung ermöglicht die Verbreitung alternativer Modelle von Liebe und Sexualität. Doch wie wirkt sich das alles wirklich auf unsere Gefühle und unsere Sexualität aus? Dieser Frage geht die Ausstellung «Future Love» im Haus der elektronischen Künste in Basel nach. Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt bieten unkonventionelle und fantasievolle Ausblicke auf das vor uns liegende Leben – spekulativ, utopisch und lustvoll. GG
Basel Mizmorim Festival, 25. bis 28. Januar 2018, Gare du Nord, Druckereihalle im Ackermannshof, Bird’s Eye Jazzclub. www.mizmorimfestival.com
Als «Balsam für unsere Seelen und Trost für unsere gebrochenen Herzen» bezeichnet der amerikanische Publizist Rabbi Berel Wein das Rezitieren oder Singen von Psalmen. Manche werden auf Hebräisch unter dem Begriff Mizmorim zusammengefasst, was wörtlich übersetzt «Melodien des Lobes» heisst. Mizmorim heisst auch ein Festival für klassi-
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sche jüdische Musik, das Ende Januar zum vierten Mal stattfindet. Die diesjährige Ausgabe lockt mit dem Titel «Orient und Okzident» und bietet eine ungewöhnliche Mischung mit Schubert-Schwerpunkt und Piazzolla-Referenzen. Wir verlosen zwei Freikarten für das Eröffnungskonzert «Begegnungen» am 25. Januar um 19 Uhr im Ackermannshof, St. Johanns-Vorstadt 19–21. Interessenten melden sich bis Dienstag, 23. Januar, per E-Mail an redaktion@strassenmagazin.ch, Betreff: Begegnungen. Die Glücklichen werden benachrichtigt. WIN
Zürich «24 Kurzgeschichten aus unserem Leben – verzellt vode Schräge Vögel», Buchpublikation und Theater als Privatanlass. Zu bestellen und zu buchen unter www.schraege-voegel.ch Die Schrägen Vögel sind eine Theatergruppe von Menschen mit eigenwilligen und nicht nur einfachen Biografien. Zum fast neunjährigen Jubiläum (eben nicht
Wer nicht stetig selbst die Frage «Grossmutter, warum hast du so grosse Ohren?» beantworten möchte, geht mit den Enkeln ins Naturmuseum in Olten. Dort können Klein und Gross verschiedene Märchentiere mit Zauberstäben zum Sprechen bringen und allerhand Nützliches erfahren. Wie ein Bär in stockdunkler Nacht aufzuspüren ist. Und wie man ein Porträt vom Dachs bekommt. Dass es zu Grimms Zeiten noch keine Fotofallen gab, fällt dabei kaum auf. WIN
Zürich, Flims und Stans «Luft Seil Bahn Glück», bis So, 28. Oktober. In Zürich: Mi, Fr, Sa 14 bis 17 Uhr, Do, So 12 bis 17 Uhr, Heimatschutzzentrum in der Villa Patumbah. In Flims: Di bis So 14 bis 18 Uhr, Das Gelbe Haus (geschlossen von 9. April bis 22. Juni). In Stans: Mi 14 bis 20 Uhr, Do bis Sa 14 bis 17 Uhr, So 11 bis 17 Uhr, Nidwaldner Museum (erst ab 24. März). www.luftseilbahnglueck.ch
Zürich Daniel Kehlmann: «Tyll», Lesung und Gespräch, Di, 30. Januar, 20 Uhr, Kaufleuten, Pelikanplatz 1. www.literaturhaus.ch Die Rezensenten sind sich einig: «Tyll» ist Daniel Kehlmanns bester Roman, oder zumindest der beste seit Langem. Worum genau es geht, ist schwieriger fassbar: Handelt es sich nun um einen historischen Roman über die Zeit des Dreissigjährigen Krieges oder eben gerade nicht, ist die Figur des Till Eulenspiegel nun da oder verschwindet sie doch, und sind die literarischen Anleihen zu offensichtlich oder ist eher wunderbar viel Umberto Eco enthalten? Egal, hinreissen tut er sie alle, der Kehlmann, womöglich auch live. WIN
Luftseilbahnen sind urschweizerische Transportmittel und verbinden Menschen, Orte und neu auch drei Museen: Die Ausstellung «Luft Seil Bahn Glück» wird in Zürich, Flims und Stans gezeigt. Im Heimatschutzzentrum der Villa Patumbah in Zürich liegt der Fokus auf Oldtimern und Newcomern, also auf alten und auf futuristischen Seilbahnen. Im Gelben Haus in Flims geht es um Gondelträume und Aussichten. Im Nidwaldner Museum in
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FOTO (1): MEDIENGRUPPE BITNIK, FOTO (2): ZVG, FOTO (3): © PRIVATARCHIV DANUSER, FOTO (4): BEOWULF SHEEHAN
Veranstaltungen
ILLUSTRATION: SARAH WEISHAUPT
Agglo-Blues
Folge 2
Ein Chippendale Was bisher geschah: Vera Brandstetter, 35, in die Agglomeration gezogene Kriminalpolizistin, wird frühmorgens an den Schnabelweiher bestellt, wo eine Wasserleiche gefunden wurde. Sie holt sich nasse Füsse, was ihre Laune nicht verbessert. «Ertrunken.» Myrta Keller, Rechtsmedizinerin und keine Freundin langer Einleitungen, deutete mit ihrem Laserpointer auf den Hinterkopf des Opfers. «Von hinten niedergeschlagen», der Pointer wanderte zu blauen Flecken am Hals. «Danach unter Wasser gedrückt, würde ich mit ziemlicher Sicherheit sagen.» Vera Brandstetter betrachtete die Leiche, die von der Spurensicherung auf eine weisse Plastikfolie gezogen worden war. Der Tote trug knallgelbe Turnschuhe, enge schwarz-orange Leggins, eine blaue Sportjacke. Er war etwa eins fünfundachtzig gross und schlank, das kurzgeschnittene, mausbraune Haar lichtete sich am Hinterkopf. Sie kniete nieder und studierte das längliche Gesicht, die spitze Nase, die schmalen Lippen. Die Augen des Toten hatte die Rechtsmedizinerin bereits geschlossen. «Wer hat ihn gefunden?» Brandstetter stand auf, Keller winkte einen Uniformierten heran. «Jonas Fischer, Gemeindepolizist, Sie sind die Kollegin von der Kripo?» Sie musterte ihn. Er war etwa Mitte dreissig, gross, breit, hatte ein kantiges Gesicht und stahlblaue Augen. Sah eigentlich viel zu gut aus für einen Dorfpolizisten. Fast erwartete sie, dass ein harter Beat losdröhnen und er sich mit geübten Bewegungen die Kleider vom Leib reissen würde, wie in dieser Stripshow, in die sie mal geschleppt worden war. Polizeiuniformen gehörten da zum Repertoire. Die keimfreien Fantasien, die ihr vorgeturnt worden waren, hatten sie mehr zum Lachen als zum Schmelzen gebracht. Die unangebrachte morgendliche Fantasie liess sie lächeln, als sie ihren Namen nannte und die Frage wiederholte. «Eine Joggerin hat um viertel nach sechs bei der Notrufzentrale angerufen», erklärte Fischer. «Da war es doch noch stockfinster.» «Die Frau war mit Stirnlampe unterwegs. Die silbernen Streifen an der Wade der Leiche haben reflektiert. Sie hat die 117 gewählt und Meldung gemacht.» «Ist sie hier?» Surprise 417/18
«Nein, sie musste zur Arbeit. Aber sie steht zur Verfügung.» Brandstetter deutete auf die Spurensicherung und die Rechtsmedizinerin. «Haben Sie die aufgeboten?» «Ja klar», entgegnete Fischer stolz. «Das ist eigentlich meine Aufgabe.» Sie ärgerte sich, obwohl sie eigentlich froh war, dass sie nicht auch noch lange hatte herumstehen und warten müssen. «Sorry, wir machen das immer so.» Brandstetter, die wusste, dass das nicht stimmte, spürte Wut aufsteigen und atmete tief durch. Es hatte keinen Sinn. Sie hatte noch keinen Kaffee gehabt. Sie hatte verschlafen. Es war spät geworden gestern Abend. Sie nahm sich fest vor, ihr Netflix-Abo wieder zu kündigen. Sie hatte eigentlich geplant, einen Dok-Film über Scientology zu schauen, war dann aber bei einer Thriller-Serie hängengeblieben, in die sie nur schnell reinschauen wollte, um sich zu überzeugen, dass es ein unrealistischer Quatsch war. War es auch – aber verdammt spannend. Ihre Bekannten fragten sich, warum sie in ihrer Freizeit solche Sachen schaute, als hätte sie im Alltag nicht genug mit schrecklichen Fällen zu tun. Eben nicht. Die meisten Fälle, mit denen sie zu tun hatte, waren langweilig. Routine, schnell geklärt. Es gab nicht viele Tötungsdelikte und wenn, waren es Beziehungsdelikte, der Täter schnell gefunden. «Wissen Sie, wer der Tote ist?» Fischer schüttelte den Kopf. «Kein Ausweis, kein Geld, keine Schlüssel. Wahrscheinlich wohnt er irgendwo in Jogging-Distanz … oder er wurde beraubt.» «Scharf kombiniert», sagte Brandstetter. Fischer wollte etwas entgegnen, als sein Handy klingelte. Sie bat die Rechtsmedizinerin, ihr so schnell wie möglich den Bericht zu schicken. Es gab keinen Grund, länger im Nieselregen herumzustehen. Sie wollte nicht direkt ins Büro fahren, sondern heimgehen, duschen, Kaffee trinken, sich umziehen und dem Stau die Schuld für die Verspätung geben. Brandstetter spürte schon den Kaffeeduft in der Nase und das warme Wasser auf der Haut, als Fischer sie am Arm zurückhielt.
STEPHAN PÖRTNER schreibt neben Kriminalromanen auch Theaterstücke. Sein neustes Werk «Die Bank-Räuber», eine Zusammenarbeit mit Beat Schlatter, wird bis 25. Februar im Zürcher Theater am Hechtplatz gezeigt.
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IND 0.– S AB 50 ABEI! SIE D
Die 25 positiven Firmen Unsere Vision ist eine solidarische und vielfältige Gesellschaft. Und wir suchen Mitstreiterinnen, um dies gemeinsam zu verwirklichen. Übernehmen Sie als Firma soziale Verantwortung. Unsere positiven Firmen haben dies bereits getan, indem sie Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Mit diesem Betrag unterstützen Sie Menschen in prekären Lebenssituationen dabei auf ihrem Weg in die Eigenständigkeit. Die Spielregeln: 25 Firmen oder Institutionen werden in jeder Ausgabe des Surprise Strassenmagazins sowie auf unserer Webseite aufgelistet. Kommt ein neuer Spender hinzu, fällt jenes Unternehmen heraus, das am längsten dabei ist. 01
Balcart AG, Therwil
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Echtzeit Verlag, Basel
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Schweizerisches Tropeninstitut, Basel
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Yoga Für Alle, Turgi
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Hedi Hauswirth, Psychiatrie-Spitex, Oetwil
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Barth Real, Zürich
07
Claude Keller & Partner AG, Zürich
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Netzpilot, Basel
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Apps with love AG, Bern
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FN Informatik GmbH, Steinhausen
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Ozean Brokerage & Shipping AG, Muttenz
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Erwachsenenbildung, Oberrieden
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PHS Public Health Services GmbH, Bern
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Scherrer & Partner GmbH, Basel
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Maya-Recordings, Oberstammheim
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Philanthropische Gesellschaft Union Basel
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Toppharm Apotheke Paradeplatz, Zürich
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InhouseControl AG, Ettingen
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Coaching Zürich, Petra Wälti
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Kaiser Software GmbH, Bern
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Arbeitssicherheit Zehnder GmbH, Zürich
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Klinik Sonnenhalde AG, Riehen
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Thommen ASIC-Design, Zürich
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bewegstatt.ch, Janine Holenstein, Frauenfeld
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Naef Landschaftsarchitekten GMBH, Brugg
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SURPLUS – DAS NOTWENDIGE EXTRA Das Programm
Wie viele Surprise-Hefte müssten Sie verkaufen, um davon in Würde leben zu können? Hätten Sie die Kraft?
Wussten Sie, dass einige unserer Verkaufenden fast ausschliesslich vom Heftverkauf leben und keine Sozialleistungen vom Staat beziehen? Das fordert sehr viel Kraft, Selbstvertrauen sowie konstantes Engagement. Und es verdient besondere Förderung. Mit dem Begleitprogramm SurPlus bieten wir ausgewählten Verkaufenden zusätzliche Unterstützung. Sie sind mit Krankentaggeld und Ferien sozial abgesichert und erhalten ein Nahverkehrsabonnement. Bei Problemen im Alltag begleiten wir sie intensiv.
Eine von vielen Geschichten Der Weg in die Armut führte für Daniel Stutz über die Sucht. Als Jugendlicher rutschte der heute 44-Jährige in die Spielsucht und später in den Konsum harter Drogen. Dank einer Therapie schaffte er vor 7 Jahren den Ausstieg. Geblieben ist dem Zürcher Surprise-Verkäufer und -Stadtführer ein Schuldenberg. «Den Weg aus der Sucht habe ich hinter mir, der Weg aus der Armut liegt noch vor mir», beschreibt Daniel seine Situation. SurPlus gibt ihm dabei Rückenwind: «Es ermöglicht mir hin und wieder Ferien. Ausserdem bedeutet es, auch einmal krank sein zu dürfen – ohne gleich Angst haben zu müssen, die Miete oder Krankenkasse nicht zahlen zu können.»
Die ganze Geschichte lesen Sie unter: surprise.ngo/surplus
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Wir alle sind Surprise
Strassenmagazin
Ausgabe 414
«Wie im Auge eines Hurrikans»
«Entdeckung»
Der Bericht über die Mystik des Sufismus weckt eine alte Erinnerung in mir: Es war im Sommer vor 30 Jahren, als ich Oruç Güvenç, einem Psychotherapeuten und Sufi-Lehrer aus der Türkei, begegnete. Ich besuchte mit längeren Abständen drei Wochenend-Kurse mit ihm. Nach langen Erklärungen, Dhikr und Atemübungen fand er uns genügend vorbereitet, dass er uns zum Drehtanz aufforderte, mit genauesten Anweisungen, was zu beachten war, damit wir vor allem am Schluss zum Stillstand fanden und nicht in den Raum hinausgeschleudert wurden. So wagte denn auch ich, die als Kind ein richtiges «Gschtabi» gewesen war, mich zu seiner Musik um meine eigene Achse zu drehen. Auf einmal spürte ich, wie mein Körper sich drehte. Aber in meiner Mitte, da war Stille und Leere wie im Auge eines Hurrikans. Und gleichzeitig war mir, als fühlte ich mich dabei als Achse zwischen Himmel und Erde. Wie lange dieser Zustand dauerte, weiss ich nicht mehr. Aber ganz verloren hat sich dieses Gefühl bis heute nicht: Als Mensch mit meinem Körper «das Schilfrohr zu sein, durch welches der göttliche Odem fliesst», auf und nieder, im Austausch zwischen der festen Erde unter meinen Füssen und dem unendlichen All über mir.
Tatsächlich war Surprise meine journalistische Entdeckung des letzten Jahres. Gut geschriebene Texte über Themen, die man anderswo so professionell aufgearbeitet nicht findet. A . GRÜNFELDER, über Facebook
Ausgabe 414
«Aberglaube, Religion und Dummheit» Wie habe ich mich geärgert über die Nr. 414, wo Aberglaube und Religion und Dummheit eine ganze Nummer füllen. Ja, Himmelherrgottnocheinmal, können denn die Leute ihre Wahnvorstellungen nicht für sich behalten? Jeder soll glauben, was er will, aber lasst bitte die Welt in Ruhe damit! Lebensfreude und Menschlichkeit tun es doch auch. Und dafür bräuchte es nicht einmal Armeen, sondern bloss frei denkende Menschen.
E. STADLER R AHMAN, Winterthur
P. JUD, Stühlingen
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FOTO: BODARA
Surprise-Porträt
«Jeder Rundgang ist eine Therapiestunde» «Was soll ich denn erzählen? Interessiert sich überhaupt jemand für meine Geschichte? – Das ging mir durch den Kopf, als mich Surprise 2013 anfragte, ob ich in Zürich Stadtführer werden möchte. Die Sozialen Stadtrundgänge waren ein neues Projekt, und die Vorbereitungen dauerten über ein Jahr. Am 3. Oktober 2014 ging es los. Zuerst mit einer Pressekonferenz, dann mit dem ersten Rundgang. Das Interesse war mässig. Zur gleichen Zeit fand das Zurich Film Festival statt, und die Leute gingen wohl lieber ins Kino als mit uns auf Tour. Das ist heute ganz anders: Fast jeder Stadtrundgang ist ausgebucht, und meine anfängliche Unsicherheit ist längst verflogen. Ich bin viel offener als früher und habe ein stärkeres Selbstbewusstsein. Jeder Rundgang ist für mich wie eine Therapiestunde: Ich setze mich mit meinem Leben und meiner Vergangenheit auseinander, und das tut mir gut. Ich war früher in der IT-Branche tätig, arbeitete in der Schweiz, in Moskau und in Asien und verdiente viel Geld. Die Kehrseite der Medaille war, dass ich 24 Stunden am Tag erreichbar sein musste, sieben Tage die Woche, und Unmengen von Überstunden anhäufte. Um den Druck auszuhalten, begann ich zu trinken, immer mehr. 2003 verlor ich meine Stelle. Ich trank weiter und hielt mich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, zum Beispiel bei der Stadtreinigung. 2009 begann ich am Bellevue Surprise zu verkaufen, 2010 hörte ich mit dem Trinken auf. Ich hatte mich intensiv darauf vorbereitet und bin bis heute trocken. Eineinhalb Jahre später gab ich auch das Rauchen auf. Ich wollte mich immer selbständig durchbringen und nicht auf Kosten anderer leben. Das ist mir möglich, auch dank den Stadtrundgängen, die wir von Anfang an zu zweit absolvierten. Wenn einer mal einen schlechten Tag hat oder krank ist, kann der andere das auffangen. Mein Kollege Ewald und ich führen die Menschen durch den Kreis 4, wo viele soziale Institutionen und Treffpunkte von Randständigen beheimatet sind. Einige von ihnen kennen wir, weil wir früher mit ihnen zu tun hatten. Bei mir ist das zum Beispiel die Sunestube von Pfarrer Sieber, eine Anlauf- und Beratungsstelle mit Kafistübli. Auch von der Bäckeranlage kann ich einiges berichten. Das Restaurant Schönau neben der Bäcki war ein Alki-Treffpunkt, und im Park hielten sich die Drogensüchtigen auf. Als ich bei der Stadtreinigung arbeitete, holte ich viele Spritzen aus den Büschen. Auch sonst versuche ich, an jeder Station persönliche Erlebnisse einzuflechten. Wenn wir beim Kanzleischulhaus stehen, erzähle ich von der Seegfrörni im Winter 1963. Als Kind war es für mich damals wunderbar, auf dem See Schlittschuhlaufen zu gehen. Für Menschen, die auf der Strasse lebten, war die langanhaltende Kälte die Hölle. Ich weiss, wie sich das anfühlt, 30
Hans Peter Meier, 59, ist seit Oktober 2014 als Surprise Stadtführer im Zürcher Kreis 4 unterwegs. Dem neuen Berner Team wünscht er viel Erfolg.
weil ich früher oft Bergsteigen ging und draussen biwakierte. Wenn du da nicht gut genug ausgerüstet bist, kann es schnell gefährlich werden. Nachdem die ersten Menschen erfroren waren, eröffnete Pfarrer Sieber in einem Luftschutzbunker neben dem Kanzleischulhaus die erste Notschlafstelle Zürichs. Den meisten Menschen, die uns auf dem Rundgang begleiten, gefällt unsere Tour, und sie zeigen das auch. Schwierig ist es, wenn du eine Gruppe hast, bei der du überhaupt nicht spürst, ob das, was du sagst, ankommt. Früher hat mich das durcheinandergebracht, heute habe ich ein dickeres Fell. Am dankbarsten als Zuhörer sind Kinder und Jugendliche. In letzter Zeit bin ich häufig an Schulen, und kürzlich fragte ich die Klasse: «Wisst ihr, was ein Obdachloser ist?» Ein Kind sagte: «Das ist ein anderes Wort für Penner.» Alle lachten, und das Eis war gebrochen. Es wurde ein interessanter und lebendiger Morgen. Meiner Kollegin und meinen Kollegen in Bern wünsche ich viel Freude und Erfolg bei ihrer neuen Aufgabe. Was ich ihnen mitgeben möchte? Ihr habt etwas zu erzählen, und die Menschen interessiert eure Geschichte. Ich spüre das bei jeder Tour.»
Aufgezeichnet von GEORG GINDELY
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GESCHICHTEN VOM FALLEN UND AUFSTEHEN
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