Surprise Nr. 422

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Strassenmagazin Nr. 422 6. bis 19. April 2018

CHF 6.–

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Menziken

Zu vermieten

Ein Dorf im Aargau hat am Bedarf vorbei gebaut. Nun stehen viele Wohnungen leer. Wer soll dort einziehen? Seite 8


Café Surprise – eine Tasse Solidarität Zwei bezahlen, eine spendieren. BETEILIGTE CAFÉS IN BASEL BackwarenOutlet, Güterstr. 120 | Café Bohemia, Dornacherstr. 255 | Café-Bar Elisabethen, Elisabethenstr. 14 | Flore, Klybeckstr. 5 | Café Restaurant Haltestelle, Gempenstr. 5 | Kiosk Amann, Claragraben 101 | Oetlinger Buvette, Unterer Rheinweg | Quartiertreffpunkt Kleinhüningen, Kleinhüningerstr. 205 Quartiertreffpunkt Lola, Lothringerstr. 63 | Les Gareçons to go, Badischer Bahnhof | Restaurant Manger et Boire, Gerbergasse 81 | Trattoria Bar da Sonny, Vogesenstr. 96 | Didi Offensiv, Erasmusplatz 12 | Radius 39, Wielandplatz 8 IN LUZERN Jazzkantine zum Graben, Grabenstr. 8 | Meyer Kulturbeiz, Bundesplatz 3 | Blend Teehaus, Furrengasse 7 | Quai4-Markt Baselstrasse, Baselstr. 66 | Restaurant Quai4, Alpenquai 4 | Quai4-Markt Alpenquai, Alpenquai 4 Pastarazzi, Hirschengraben 13 | Netzwerk Neubad, Bireggstr. 36 IN RAPPERSWIL Café good, Marktgasse 11 IN SCHAFFHAUSEN Kammgarn-Beiz, Baumgartenstr. 19 IN BERN Café Kairo, Dammweg 43 | Café Marta, Kramgasse 8 | Café Tscharni, Waldmannstr. 17a | Café-Bar das Lehrerzimmer, Waisenhausplatz 30 | LoLa Lorraineladen, Lorrainestr. 23 | Luna Llena Gelateria Restaurant Bar, Scheibenstr. 39 | Restaurant Genossenschaft Brasserie Lorraine, Quartiergasse 17 | Restaurant Löscher, Viktoriastr. 70 | Restaurant Sous le Pont – Reitschule, Neubrückstr. 8 | Rösterei Kaffee und Bar, Güterstr. 6 | Treffpunkt Azzurro, Lindenrain 5 | Zentrum 44, Scheibenstr. 44 | Café Paulus, Freiestrasse 20 IN BIEL Treffpunkt Perron bleu, Bahnhofplatz 2d IN ZÜRICH Café Zähringer, Zähringerplatz 11 Cevi Zürich, Sihlstr. 33 | Sphères, Hardturmstr. 66 | Flussbad Unterer Letten, Wasserwerkstr. 141 IN STEIN AM RHEIN Raum 18, Kaltenbacherstr. 18 IN WINTERTHUR Bistro Dimensione, Neustadtgasse 25 IN OBERRIEDEN Strandbad Oberrieden, Seestrasse 47

Weitere Informationen: surprise.ngo/cafesurprise


TITELBILD: DANIEL SUTTER

Editorial

Schlecht geplant Wer wie ich in Basel lebt, wo der Wohnungs­ leerstand mit 0,5 Prozent immer noch tief im Bereich der Wohnungsnot rangiert und eine kantonale Initiative das Recht auf Wohnen ins Gesetz schreiben möchte, kann sich kaum vorstellen, dass nur eine Stunde Autofahrt entfernt im Landesin­neren der Leerstand das Problem darstellt – und nicht etwa der Wohnungsmangel. Im aargauischen Menziken zum Beispiel: Dort sind derart viele Überbauungen hoch­ gezogen worden, dass einige Wohnungen seit Monaten auf Bewohnerinnen und ­Bewohner warten, während die Mieten nach und nach absacken. Was läuft da schief, ­haben wir uns gefragt. Ist in Menziken am Bedarf vorbeigeplant worden? Antworten ab Seite 8. Häufig am Bedarf vorbeigeplant wird in der internationalen Entwicklungszusammen­ arbeit. Dort fliessen grosse Mengen Hilfs­ gelder in Kurzzeitprojekte. So wie in der Ostukraine, wo der letzte Krieg auf europä­ ischem Boden noch fast täglich Men­ schenleben fordert. Und obwohl es in vor

4 Aufgelesen 5 Vor Gericht

Abgestaubte Perlen

14 Ukraine

Versickernde Hilfsgelder

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24 Buch

Bilderreigen überm Küchentisch

26 Veranstaltungen 27 Fortsetzungsroman

7 Die Sozialzahl

Leere Wohnungen in Menziken

SAR A WINTER SAYILIR Redaktorin

Ehre für Claire Simon

… und die Polizei

8 Bauboom

Ungelöste Probleme der technischen Art stellen sich in Sion: Dort gondeln seit einiger Zeit zwei selbstfahrende Postautos durch die Altstadt und befördern Menschen von A nach B. Selbstfahrend ist jedoch nur die halbe Wahrheit, denn noch dürfen die klei­ nen Busse ohne menschliches Eingreifen nicht einmal einer Katze ausweichen. Von autonomen Fahrzeugen, wie sie der Fahr­ dienst Uber in den USA testet, sind wir noch weit entfernt, ab Seite 20. Dort kam kürzlich eine Fussgängerin bei einem Zusammenprall mit einem solchen Auto ums Leben.

25 Visions Du Réel

6 Moumouni …

Risiken der Erwerbsarbeit

Ort gute Ideen und motivierte Freiwillige gibt, wird vielen Projekten die Finanzie­ rungsgrundlage schneller wieder entzogen, als sich nachhaltige, selbsttragende Struk­ turen entwickeln können. Zurück bleiben frustrierte Projektleiter und eine Menge un­ gelöster Probleme, ab Seite 14.

20 Technologie

Das selbstfahrende Postauto von Sion 24 Randnotiz

Neuanfang?

Das Spielzimmer 28 SurPlus Positive Firmen 29 Wir alle sind Surprise Impressum Surprise abonnieren

30 Surprise-Porträt

«Der Höhepunkt war die WM in Glasgow»

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Aufgelesen

BILD: OFFICE OF THE UN SPECIAL RAPPORTEUR

News aus den 100 Strassenzeitungen und -magazinen in 35 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Im Epizentrum der Obdachlosigkeit Entlang der Skid Row in Los Angeles nahe des Stadtzentrums leben über 4600 Obdachlose, viele davon in Zelten. Toiletten gibt es praktisch keine, und es stinkt überall nach Urin und Kot. Philipp Alston, UN-Sonderberichterstatter zu extremer Armut und Menschenrechten, sprach bei einem Besuch von einer «schockierenden Situation». Seiner Meinung nach hätten die USA die finanziellen Mittel, um die Obdachlosigkeit im eigenen Land abzuschaffen. Es sei aber offensichtlich der politische Wille der Regierung, dies nicht zu tun, sagte er nach seiner Reise, die ihn auch zu weiteren Brennpunkten in den Vereinigten Staaten führte.

STREET SENSE, SEAT TLE

REAL CHANGE, WASHINGTON DC

BILD: HOCHBAHN

Neue Busfahrer Der öffentliche Verkehr in Hamburg boomt, händeringend werden neue Busfahrerinnen und Bus­ fahrer gesucht. Die Gesellschaft Hochbahn, welche die U-Bahnen und Busse in Hamburg betreibt, reagiert auf den Fahrermangel, indem sie gezielt Flüchtlinge anspricht. Zehn von ihnen haben ihre mehrmonatige Ausbildung kürzlich erfolgreich abgeschlossen.

HINZ & KUNZT, HAMBURG

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Prinz Harry und seine Verlobte ­Meghan Markle trafen bei einem Besuch in Edinburgh den BigIssue-­Verkäufer George White und die früheren Verkäufer Colin Childs und Sonny Murray, die zusammen im Arbeitsintegrationsbetrieb Social Bite arbeiten. Das Prinzenpaar wollte sich vor Ort ein Bild über das Leben der Menschen machen, die sich aus der Armut befreien wollen. «Es war toll», sagte George White nach dem Besuch. «Meghan war sehr bodenständig und gesprächig.»

THE BIG ISSUE, LONDON

Lehrlingsmangel

2016 blieben in Deutschland rund 41 000 Lehrstellen unbesetzt. Das ist der höchste Stand in den letzten 20 Jahren. Dennoch gelingt es einer halben Million Jugend­lichen pro Jahr nicht, von der Schule in eine Ausbildung zu wechseln. Die meisten von ihnen stammen aus schwierigen sozialen Verhältnissen. Die bundesweite Initiative «Joblinge» hilft solchen jungen Menschen, indem sie ihnen Praktika mit Mentorenbetreuung verschafft. In 70 Prozent der Fälle münden diese in eine Ausbildung.

BISS, MÜNCHEN

Unrühmlicher Spitzenplatz

Unter allen EU-Ländern fühlen sich nur in Finnland (45 Prozent) mehr Schwarze aufgrund ihres Äusseren diskriminiert als in Österreich, wo es 42 Prozent sind. Dies ergab eine Studie der EU-Agentur für Grundrechte. Beim sogenannten Racial Profiling belegt Österreich gar den Spitzenplatz in der EU: 56 Prozent der von der Polizei kontrollierten Schwarzen waren überzeugt, dass sie aufgrund ihrer Hautfarbe angehalten wurden.

AUGUSTIN, WIEN

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ILLUSTRATION: PRISKA WENGER

Königlicher Besuch

Vor Gericht

Abgestaubte Perlen Hier zwei 50-Franken-Noten aus der Handtasche, da Perlohrringe aus der Schmuckschatulle oder auch mal einen Reisefotoapparat. Die Geldquellen, die sich die Putzfrau erschloss, schienen unaufhörlich zu sprudeln. Über ein Jahr lang hatte sie bei zwei Frauen Wertsachen gestohlen. Die Schadenssumme belief sich auf insgesamt 12 900 Franken. Irgendwann kam es den beiden mitein­ ander befreundeten Auftraggeberinnen seltsam vor, dass sie Geld abgehoben hatten und es in kürzester Zeit verschwunden war. Aber die Haushaltshilfe? Niemals hätten sie Dragana* verdächtigt. Doch schliesslich ersann Frau A. eine Falle: Sie steckte 300 Franken in ihr Portemonnaie, platzierte es klar sichtbar auf der Kommode beim Eingang und verliess die Wohnung; nur die Putzfrau war anwesend. Frau A. kam nach Hause, blickte ins Portemonnaie und – wer hätte das gedacht? – es fehlte tatsächlich ein Hunderternötli. Als sie ihrer Bekannten Frau B. von dem Vorfall erzählte, kam diese ins Grübeln. Zumal ihr erst wenige Monate zuvor ein gut verstecktes Couvert mit 1500 Franken abhandengekommen war. Es konnte sich ja nicht in Luft aufgelöst haben. Die beiden Frauen beschlossen, Klarheit zu schaffen und wandten sich an die Polizei. Diese präparierte fünf Hunderter-Noten mit einer Chemikalie und versteckte das Geld genau an dem Ort, an welchem damals das Couvert versteckt gewesen war. Prompt tappte die Putzfrau in die Falle. Bei der kurz darauf

veranlassten Hausdurchsuchung wurden zwei der präparierten Hunderter konfisziert sowie einiger Schmuck. Nun steht die 37-jährige Putzfrau wegen Diebstahls vor dem Bezirksgericht. Die Tränen laufen ihr übers Gesicht. Mädchenhaft, verloren und mutterseelenallein wirkt sie. Die blondierten Haare sind zu einem Rossschwanz gebunden, an den Beinen trägt sie Leggings, darüber ein Röckchen, dazu eine rosa Kapuzenjacke. Ihre Verteidigerin sagt, es treffe alles zu. «So wie sich die Angeschuldigte heute zeigt, hat sie ihren Fehler verstanden.» Sie fordert eine Geldstrafe und skizziert kurz Draganas Lebenslauf: In Bosnien-Herzegowina geboren, acht Geschwister, der Vater Bau­ arbeiter, die Mutter Zimmermädchen. Als Dragana zehn war, kam sie zu den Eltern in die Schweiz. Weil sie früh heiratete und Kinder bekam, habe sie keinen Beruf erlernt. Ausserdem hinterliess ihr der Exmann Schulden. Unterhalt für sie und die Kinder bezahle er nicht. Dragana leide ­z udem an einer Depression. Isolation, Schlaflosigkeit, Antriebslosigkeit. Wenn das Stimmungstief komme, klaue sie. Oft verschenke sie die Sachen. Das Stehlen sei aber auch eine Form der unbewussten Auto­aggression, man tue etwas, wovon klar ist, dass man dafür bestraft wird. Die Richterin bestraft Dragana denn auch wegen mehrfachen Diebstahls zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 20 Monaten und auferlegt ihr die Gerichtskosten. Bei der Urteilsbegründung nimmt sie kein Blatt vor den Mund: «Natürlich ist das eine Riesensauerei, wenn man eine solche Vertrauensstellung ausnutzt.» * persönliche Angaben geändert ISABELL A SEEMANN ist Gerichtsreporterin in Zürich.

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ILLUSTRATION: RAHEL NICOLE EISENRING

gen. Mir passiert das nicht so oft wie meinem Vater, was wohl eine Frage des Geschlechts und des Hauttons ist. Nur im Zug und im Fernbus werde ich kont­ rolliert. Oft als Einzige. Letztens, als ich von Deutschland heim nach Zürich fuhr, musste deshalb ich ein bisschen schmunzeln, als die Polizisten im Zug schnurstracks an mir vorbeizogen und einen weissen Mann im Anzug kont­ rollierten. Später dachte ich mir, es ging ihnen wohl an diesem Tag einfach um den «grenzüberschreitenden Bar­ mittelverkehr»: Man darf nicht mehr als 10 000 Schweizer Franken einführen – das trauten sie mir wohl einfach nicht zu. Haha.

Moumouni …

… und die Polizei Ich weiss noch, wie ich mich das erste Mal in der Uni mit jemandem über den Spruch «All Cops Are Bastards» unter­ halten habe. Ich war ein wenig belustigt, meine Gesprächspartnerin hatte tat­ sächlich einen ACAB-Aufkleber auf ihrer Agenda kleben! Das fand ich ein wenig pathetisch und irgendwie «linksroman­ tisch». Nicht dass ich ihre politische Meinung ansonsten nicht teilte, es war mir damals einfach zu viel. Zu klischee­ haft. Und zu undifferenziert. Aber was ist jetzt mit den Bastarden? Einmal war bei mir eingebrochen worden und ich rief die Polizei, weil ich Angst hatte. Die Polizisten waren nett, gar keine Bastarde – und ich war froh, dass es so etwas gibt: eine Institution, die man an­ rufen kann, wenn man Hilfe braucht. Aber ich erinnere mich auch gut daran, wie oft mein Vater von Polizist_Innen kontrolliert wurde. Er machte sich dann einen Spass daraus, sie besonders lange 6

aufzuhalten (eigentlich hielten ja sie ihn besonders lange auf). Wurde er nach dem Pass gefragt, zeigte er ihnen zuerst seinen abgelaufenen, ausländischen. Ich weiss noch, wie er später zuhause lachend erzählte, wie sich die P ­ olizist_Innen zunächst gefreut hatten, einen richtig dicken Fisch im Netz zu haben: einen Afrikaner mit abgelaufenem Pass. Und dann habe er seinen gültigen, deutschen gezückt. Wahrscheinlich habe ich des­ halb keine Angst vor Polizist_Innen. Mein Vater zeigte mir: Du bist ihnen nicht vollkommen ausgeliefert, manchmal kann man ihnen spielerisch etwas entge­ gensetzen. Dafür bin ich ihm dankbar. Trotzdem: Ich lege im Zug immer eine Zeitung auf den Tisch, ich habe das Gefühl, das sieht anständiger aus und verringert die Wahrscheinlichkeit, kont­ rolliert zu werden. Seit ich nicht mehr so süss aussehe wie als Kind, haben nämlich auch bei mir die Kontrollen angefan­

Es gibt aber auch Leute, die sich gerade wegen der Polizei nicht sicher fühlen. Leute, die nicht ins Stadtbild passen. Leute, die extra knapp zum Flughafen fahren statt die empfohlenen zwei Stunden vor dem Abflug: «Dann ist we­ niger Zeit zum Kontrollieren. Wenn sie es ernst meinen, verpasst man den Flug sowieso.» Leute, die bei einem ­Notfall die Polizei gerufen hatten und, statt Hilfe zu bekommen, von dieser ­verdächtigt und durchsucht wurden. Freunde, die sich an ihre erste Polizei­ kontrolle erinnern: mit 13, öffentlich an die Wand gestellt und durchsucht. Ein 15-jähriger Jugendlicher, der mir in einem Workshop erzählte, er sei schon einmal von einem Poli-zisten bei einer Kontrolle getreten worden. Lamin Fatty, der im Oktober 2017 in polizeili­ chem Gewahrsam im Kanton Waadt starb. Mike Ben Peter, der im Februar 2018 während einer polizeilichen ­Massnahme in Lausanne ums Leben kam. Beide Fälle sind ungeklärt. Wer in institutioneller Position seine Macht so missbraucht, der ist ein … nun ja, kein Bastard. Denn das ist gene­ rell ein Scheiss-Schimpfwort.

FATIMA MOUMOUNI  ist Mitglied der «Allianz gegen Racial Profiling» und dachte nach einer unerfreulichen Begegnung mit einem Polizisten gleich mal über alle nach.

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Die Sozialzahl

Frauen häufiger den geringen Gestaltungsspielraum beklagen und stärker als Männer unter Diskriminierung und verschie­ denen Formen von Gewalt leiden. Viele Erwerbstätige sind zu­ dem nicht nur einem, sondern gleich mehreren dieser psy­cho­ sozialen Risiken am Arbeitsplatz ausgesetzt.

INFOGRAFIK: BODARA ; QUELLE: BUNDESAMT FÜR STATISTIK (2018): GESUNDHEIT, TASCHENSTATISTIK 2017. ZAHLEN AUS DER SCHWEIZERISCHEN GESUNDHEITSBEFRAGUNG 2012. NEUCHÂTEL.

Risiken der Erwerbsarbeit

Damit steigt die Wahrscheinlichkeit von krankheitsbedingten Absenzen. Die Kosten für diese Ausfälle in den Betrieben bewegen sich inzwischen in Milliardenhöhe. Dies zeigt der JobStress-Index, den die Schweizerische Gesundheitsförderung letztmals für das Jahr 2016 berechnen liess. Die betriebswirt­ schaftlichen Kosten des Stresses am Arbeitsplatz werden auf 5,7 Milliarden Franken geschätzt. Dieser Betrag setzt sich aus zwei Komponenten zusammen. 4,9 Milliarden Franken entsprechen dem Wert jener Arbeitsleistung, die wegen der zu hohen Stressbelastung und der damit einhergehenden Er­ schöpfung von den Erwerbstätigen nicht erbracht wird; 0,9 Milliarden Franken gehen auf das Konto der ausgefallenen Arbeitsleistungen wegen stressbedingten Fehlzeiten und ­Absenzen.

Die Schweiz ist eine Arbeitsgesellschaft. Die Erwerbsarbeit be­ stimmt nicht nur das Ausmass an sozialer Sicherheit, sie ist auch wesentliches Moment der Identität: «Ich arbeite, also bin ich» könnte man in Abwandlung eines bekannten philoso­ phischen Ausspruchs postulieren. Die Erwerbstätigenquote ist entsprechend hoch. Mehr als 80 Prozent aller erwachsenen Personen zwischen 15 und 64 gehen einer bezahlten Arbeit nach. Damit belegt die Schweiz im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz. Trotzdem soll die Erwerbsquote mit ver­ schiedenen Massnahmen noch gesteigert werden. Eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie soll zu einer noch stär­ keren Erwerbsbeteiligung der Frauen führen, verschiedene ­Förderprogramme den Verbleib älterer Mitarbeitenden in den Betrieben sicherstellen.

Allein diese Zahlen machen deutlich, dass die Unternehmen in eigenem Interesse gefordert sind, mehr für die psychosoziale Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu tun. Denn der Druck am Arbeitsplatz wird in Zeiten der Globalisierung und Digitalisie­ rung nicht abnehmen. Und die Belegschaften werden im demo­grafischen Wandel älter. Unmerklich wird so die Gesund­ heit der Belegschaft zu einem Schlüsselfaktor der unter­ nehmerischen Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit. Und die Rede von der gesellschaftlichen Verantwortung der Wirt­ schaft bekommt einen sehr konkreten Inhalt.

Was in dieser Diskussion gerne vergessen geht: Erwerbsarbeit kann auch die Gesundheit beeinträchtigen. In Zeiten der ­Industriearbeit standen dabei die physischen Risiken von Un­ fällen in den Fabriken im Vordergrund. Heute, wo die meisten Erwerbstätigen in Dienstleistungsfunktionen arbeiten, geht es mehr um die psychosozialen Gesundheitsrisiken. So geben in der aktuellen Schweizerischen Gesundheitsbefragung sechs von zehn Erwerbstätigen an, meistens oder immer unter hohen Arbeitsanforderungen zu stehen. Mehr als die Hälfte der Befragten klagt über dauerhaften Zeitdruck. Deutlich mehr als zehn Prozent fürchten gar um ihren Arbeitsplatz.

PROF. DR. CARLO KNÖPFEL ist Dozent am Institut Sozialplanung, Organisationaler Wandel und Stadtentwicklung der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz.

Die psychosozialen Risiken bei der Erwerbsarbeit weisen ­geschlechtsspezifische Muster auf. So stehen deutlich mehr Männer als Frauen unter einem steten Zeitdruck, während Psychosoziale Risiken bei der Arbeit, 2012 (Erwerbstätige von 15-64 Jahre)

60.6%

Hohe Arbeitsanforderungen

64.9% 48.6%

Hoher Zeitdruck

54.7% 37.5%

Geringer Gestaltungsspielraum

29.2% 24.9%

Emotionale Beanspruchung

23.2% 21.5% 22.2%

Wertekonflikte 16.6%

Geringe soziale Unterstützung

19.7% 17.0%

Stress erleben

18.0% 18.6%

Diskriminierung, Gewalt

15.9%

Betroffene Männer

12.6%

0

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Betroffene Frauen

12.8%

Angst um Arbeitsplatz 10

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50

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Im Menziker Myrtenpark warten noch etliche Wohnungen auf Mieter.

Die leeren Wohnungen von Menziken Bauboom Mancherorts stellen sich Politiker und Immobilienverkäufer die Frage:

Wer soll bloss in die neuen Wohnungen ziehen? Zu Besuch in einem Dorf im Aargau, wo der Leerstand besonders hoch ist. TEXT  BEAT CAMENZIND FOTOS  DANIEL SUTTER

SH DEUTSCHLAND FRANKREICH

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ZH SO

Menziken

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Bahnhof Aarau, Gleis 12, 14.10 Uhr: Die zwei Wagen der Wynental- und Suhrentalbahn (WSB) fahren los. Der Zug ist halb voll mit Schülern und Pensionärinnen. Er fährt durch die Aarauer Agglo: Wohnblöcke, Lagerhallen, ein McDonalds-Drive-thru. «Leben und arbeiten in Suhr» steht an einer riesigen Baustelle. In Gränichen beginnt das Wynental: An den Hügeln kleben Einfamilienhäuser, in der Ebene stehen Grossbetriebe, Wohnblöcke, Bauernhöfe. In Gontenschwil bieten Glas Trösch, Neogard und Emaform Arbeitsplätze im Fenster-, Kunststoff-, Gartenbau. In Reinach Mitte wirbt eine Baufirma: «Wohnen Sie im Lindenhof». Es wird dunkler im Zug, die WSB fährt zwischen zwei Fabrikhallen der Alu-Menziken hindurch und gelangt um 14.48 Uhr zur Endstation: «Bitte alle aussteigen». Fünf Personen betreten den Bahnhof Menziken. Dort stellt sich die Gemeinde auf einer Infotafel vor: Seit der Steinzeit ist die Gegend besiedelt. Der alemannische Grossbauer Manzo gab dem Dorf den Namen. Ab dem 18. Jahrhundert arbeitete man in der Industrie: Eine Baumwollmanufaktur zog Webereien, Spinnereien und Färbereien nach sich. Später kamen eine Sägerei, eine Tabakfabrik, eine Lastwagenfabrik und die Alu-Menziken hinzu. 1907 wurde die WSB gebaut. 2008 erfolgten Busverbindungen nach Sursee und Luzern. Vom Stierenberg im Westen oder vom Sonnenberg im Osten sehe man bei gutem Wetter die Alpen, heisst es auf der Tafel. Dank Einkaufsmöglichkeiten, Schulen, Kultur- und Sportvereinen lasse sich «mit gutem Gewissen» sagen, dass «Menziken echte Lebensqualität bietet».

«Es ist ein Schandfleck», sagt Erich Bruderer. Er meint das Hotel Waag im Dorfzentrum, es steht zwischen Kirche, Bank und Gemeindehaus. Das Hotel ist seit Jahren geschlossen und mit ihm auch das Waag-Pub, früher ein beliebter Treffpunkt, wo sich auch der Ende November neu gewählte Gemeindepräsident gerne ein Bier genehmigte. Nun sitzt er in einem Schulzimmer der Berufsschule Baden, an der er Informatik unterrichtet. Der Selfmademan hat seit 20 Jahren eine IT-Firma mit 18 Angestellten. Seine Haare hat er kurz rasiert, zwei Ringe schmücken sein linkes Ohr. Am rechten Handgelenk trägt er einen Schrittzähler, am linken eine Smartwatch. «Ich muss die neue Technologie ausprobieren», sagt der 45-Jährige schmunzelnd. Bruderer hat sich schon in sein neues Amt eingearbeitet und kennt die Zahlen genau: Anfang Juni 2017 standen in Menziken 169 Wohnungen leer, was eine Leerstandsquote von 5,9 Prozent bedeutet. Die Gemeinde liegt damit in der Schweiz auf dem zehnten Platz, hinter Gränichen und Buchs. Am 1. Juni 2017 waren in der Schweiz 64 893 Wohnungen nicht vermietet, vorwiegend in den Agglomerationen und auf dem Land. Menziken sticht heraus: 78 der leeren Wohnungen (46 Prozent) sind neu erstellt. Offensichtlich wird an der Nachfrage vorbeigebaut: «Ich weiss nicht, wer in diese Wohnungen ziehen soll», sagt Bruderer. Der FDP-Politiker würde die Forderung von Parteikollege und Ständerat Philipp Müller aus der Nachbargemeinde Reinach sofort umsetzen: «Baustopp für Gemeinden mit mehr als zwei Prozent Leerstand». Nur muss sich der Gemeinderat an die Gesetze hal-

Das Menziker Dorfzentrum mit dem seit Jahren geschlossenen Gasthof Waag.

«Ich weiss nicht, wer in diese Wohnungen ziehen soll.» ERICH BRUDERER, GEMEINDEPR ÄSIDENT, FDP

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ten und Baubewilligungen erteilen, sofern die Baueingaben inhaltlich korrekt sind. Die Gemeinde könnte höchstens die Bauzonen verkleinern, doch die Bevölkerung hielt sich bei der letzten Gemeindeversammlung bei diesem Traktandum zurück. Zwar wächst Menziken seit einigen Jahren wieder, nach einer Stagnation zwischen 1995 und 2010. Im Jahr 2017 stieg die Einwohnerzahl von 6013 auf 6188. Bruderer fragt sich aber, ob wirklich die guten Steuerzahler ins Dorf gezogen sind, die man sich hier so sehr wünscht. Denn Menziken kann mit einem Pro-Kopf-Steuerertrag von rund 1700 Franken (der Aargauer Schnitt liegt bei 2500 Franken) keine grossen Investitionen planen. Einen richtigen Dorfplatz hätte man gerne, gleich neben dem Hotel Waag. Doch das Geld dazu fehlt. Damit das nicht so bleibt, will Bruderer die eine oder andere Firma ansiedeln und die bestehenden halten. Einfach wird das nicht: «Gegen Orte wie Aarau, Baden oder Lenzburg haben wir wenig Chancen. Jede Gemeinde will gute Steuerzahler und Firmen anlocken. Doch wo sollen die alle herkommen? Dieser Standortwettbewerb geht nicht auf.» Menziken habe schon verkehrstechnisch schlechte Karten: 25 Minuten liegt der nächste Autobahnanschluss entfernt. Arbeitsplätze für gut Ausgebildete fehlen Bruderers Plan B: die Steuern erhöhen. «Menziken ist eine SVP-Hochburg. Mir geht deren Sparwahn gegen den Strich. Die Schulen werden schlechter, doch Bildung ist unsere einzige Ressource.» Der Sozial- und Finanzvorsteher von Menziken weiss, wovon er spricht: In seiner Firma hat er auch schon Flüchtlinge zu IT-Experten ausgebildet. «Leider gibt es für gut Ausgebildete im Wynental nicht viele Arbeitsplätze», sagt er. Im Gegenteil: «Die Industrie und andere Firmen in der Gegend bieten zwar einfache

Jobs an. Doch davon gibt es immer weniger. Die Leute landen in der Sozialhilfe. Die Mieten sind tief. Also bleiben sie hier.» Bruderer beschreibt den Teufelskreis: Wer es sich leisten kann, zieht in die neuen Wohnungen. Damit werden die alten, günstigen Wohnungen frei. Und so verursacht der Menziker Bauboom exakt das Gegenteil von dem, was die Gemeinde in ihrem Leitbild aus dem Jahr 2011 festgehalten hatte: gute Steuerzahler anzulocken. Die neuen Wohnungen liessen sich nur langsam vermieten, in die freien Altbauten zögen sozial schwache Menschen. Das ist nicht im Sinne der Gemeinde, doch sind ihr auch hier die Hände gebunden: «Die Gemeinde kann niemanden zwingen, sein Haus zu sanieren und teurer zu vermieten.» Und der Teufelskreis dreht sich immer schneller. Derzeit locken Vermieter von Neubauten mit einem gratis Flachbildfernseher oder einigen Monaten gratis Wohnen. Einige haben gar die Mieten gesenkt. Das bringt wiederum die Besitzer alter Häuser unter Druck. «Irgendwann sollten sie sanieren, haben aber nicht das Geld dazu», sagt Bruderer. In seinen schlimmsten Träumen sieht er Menziken als Geisterstadt. Wer die leeren alten Häuser und die vielen Baukräne im Menziker Zentrum sieht, kann Bruderers Sorge nachvollziehen. Ein Baukran steht gleich hinter dem Gemeindehaus. Dort leitete bis Dezember die parteilose Annette Heuberger die Geschicke von Menziken. Sie befürwortet den Bauboom, will sich dazu aber nicht näher äussern, «um etwas Ruhe in die Thematik zu bringen». Es gebe noch andere Gemeinden im Wynental mit einem hohen Leerwohnungsbestand, die vielleicht darüber sprechen möchten. In der Aargauer Zeitung ist nachzulesen, dass sie sich über die Besitzer von alten Liegenschaften ärgert, «die keinen Pinselstrich machen, bevor sie eine Wohnung weiterver­

Die Einfahrt ins Parkhaus des Einkaufszentrums Menzo Markt, flankiert von neuen Wohnhäusern. 10

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Am Risiweg stehen Eigentums­wohnungen zum Verkauf.

Baugespanne im Zentrum künden bereits den nächsten Neubau an.

mieten». Wer in eine solche Wohnung einziehe, sei kein guter Steuerzahler. Das entspricht ganz und gar nicht Heubergers Vorstellungen vom künftigen Menziken. In ihrer Amtsperiode entstand das Leitbild 2013–2027. Das Dokument soll gleichzeitig Führungsinstrument für die Politik und Orientierungshilfe für Investoren sein. Bis 2027 wird aus Menziken demnach ein Dorf mit gut durchmischtem «StadtZentrum» (steht so im Leitbild), einem Dorfplatz und Arbeitsplätzen für Kreative und Hightech-Firmen. Schlagwörter wie «verdichten», «umnutzen» und «qualitatives Wachstum» zeugen von den Absichten von Politik und Bevölkerung, die zusammen das Leitbild erstellten. Im Zentrum wird verdichtet Immerhin: Das Verdichten des Dorfzentrums schreitet flott voran. Gleich hinter dem Gemeindehaus steht das Menzo-Schulhaus. Auf der Wiese neben dem Pausenplatz entsteht das Mehrfamilien­ haus «Advenire» mit sechs Eigentumswohnungen. Ab 290 000 Franken ist da eine 2,5-Zimmer-Wohnung zu haben. Die Bauherrschaft firmiert unter dem Namen bau4ever. Ihren Sitz hat sie im Menziker Business-Center. Dessen Inhaber ist Christian Schweizer mit seiner Firma CHS immobilien AG. Er ist einer der Surprise 422/18

Hauptakteure des Menziker Baubooms. Schweizer ist Teilhaber von mehreren Unternehmen. Er tritt als Bauherr, Vermieter, Verkäufer, Berater in Erscheinung. Von der Mietwohnung bis zum Modulhaus bietet er alles an. Oft sind befreundete Unternehmer involviert. So auch am Risiweg beim Bahnhof. Dort verkauft Schweizers Firma 3,5- und 4,5-Zimmer-Wohnungen. Gleich um die Ecke preist er noch eine Mietwohnung an. Vor dem Haus hat er einen Anhänger mit Werbeaufschrift platziert: «Liegenschaftsverkauf: Wir wissen, wie es geht!» So macht er Druck auf die Besitzer der benachbarten alten Häuser im Zentrum von Menziken. Im Wynentaler Blatt schrieb er im Sommer 2017 in seiner Ratgeber-Kolumne von der «Faszination» von Immobilien: Besitzern von «älteren Mietobjekten» rät er zum Sanieren, sonst könnten die Wohnungen «nur noch zu sehr tiefen Preisen vermietet werden». Denn die vielen Mietangebote würden die Mieten drücken, Leerstände seien vorprogrammiert. Eine klare Ansage, die sich – zumindest teilweise – bewahrheitet. Das Vergleichsportal Comparis veranschaulichte im Januar 2018, wie die Preise in Menziken zerfallen: Eine 4,5-Zimmer-Wohnung ist seit Juli 2017 im Angebot, die Miete von 1690 Franken auf 1340 gesunken. Das zuständige 11


Blick auf das Hotel Glashaus im renovierten Hochhaus Menziken.

Spielplatz der neuen Überbauung Bodenfeld.

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Immobilienbüro äussert sich nicht dazu, ebenso wenig ein anderes Makler-Büro. Dessen Angebot für eine 3-Zimmer-Wohnung steht schon knapp vier Jahre online, die Miete ist von 1270 auf 1150 Franken gesunken. Diese Entwicklung erfreut nicht nur den Mieterverband, der seit Jahren die hohen Mieten in der Schweiz kritisiert. Inzwischen sagen sogar Hauseigentümerverband und Raiffeisenbank: Die Mieten sind bis zu 40 Prozent zu hoch. Auch Christian Schweizer will nicht über den Bauboom in Menziken reden. Er gebe keine Auskunft mehr, sagt er am Telefon, oft seien ihm später seine Aussagen vorgehalten worden. Dann zögert er und will trotzdem die Fragen hören: «Warum soll jemand nach Menziken ziehen?» Der Immobilienverkäufer schnauft schwer, beginnt einen Satz, worin das Wort «Leerstand» vorkommt, stöhnt und will definitiv nicht antworten. Dabei war er im Wynentaler Blatt im September 2016 noch guten Mutes: Unter dem Titel «Menziken lebt!» pries er das Wohnen im «ländlichen Gebiet», die «bezahlbaren Mieten», den nahen «Hallwilersee» und den «hervorragenden Anschluss an das Netz des öffentlichen Verkehrs» an. Menziken sei als «Wohngegend sehr attraktiv», auch weil er an die Entwicklung glaube, die noch möglich sei. In einem Text vom Sommer 2017 wird er konkreter: Der Wert der Häuser steige, wegen der tiefen Zinsen. Die Hauspreise seien fair in der Region, und es lohne sich, in Immobilien zu investieren. Allerdings: Das ziehe Investoren aus der Ferne an, welche die Preise nach oben drehen würden. Surprise 422/18


Fremde Investoren gibt es gleich hinter dem Risiweg. Dort steht die Überbauung Myrtenpark. Bauherrin der vier Häuser mit je elf Mietwohnungen ist die Schweizerische Ärztekasse, eine Krankenkasse für Ärzte mit Sitz in St. Gallen. Das ist kein Zufall: Institutionelle Anleger wie Pensionskassen oder Versicherungen stürzen sich auf der Suche nach Rendite auf Immobilien. Die sind sicherer als Aktien. Und: Die Nettorendite von Miethäusern liegt laut Experten bei rund vier Prozent. Das ist traumhaft im Vergleich zur Bank, die kaum Zinsen bezahlt. Mietrabatt für Erstbezüger Der Myrtenpark war im Januar 2018 nur zur Hälfte bezogen. Seit Mai 2017 sucht Valeria Streun, Immobilienhändlerin aus dem Zürcher Unterland, Mieter für die Liegenschaft. Kein leichtes Unterfangen bei diesem Überangebot. Trotzdem: Einen Neubau in Menziken füllt man nicht in einem halben Jahr. Der Zaun rund um die Siedlung ist mit Plastikplakaten bestückt: «myrtenpark.ch­ Erstvermietung» steht auf einem. Auf anderen sind die Grundrisse einzelner Wohnungen abgebildet. 2450 Franken kostet die Miete für eine 4,5-Zimmer-Wohnung. Streun sagt am Telefon, dass sich die Eigentümerschaft nicht zum Leerstand äussern wolle. Sie selber ist zuerst redselig. Später zieht sie alle Aussagen zurück. Man ist offenbar nervös in der Branche. Auch ihre Werbesprüche für das Wohnen in Menziken will sie nicht publiziert wissen. Doch viel mehr als auf der Homepage Myrtenpark.ch erzählt sie nicht: Das Preis-Leistungs-Verhältnis sei «unschlagbar», steht da, und die neuen Mietpreise seien «ver-

nünftig». Menziken liege nahe an Sursee. Aarau, Luzern und Zürich seien schnell erreichbar, auch mit dem öffentlichen Verkehr. Menziken sei «direkt ans SBB-Netz angebunden». Das Dorf verfüge über ein Regionalspital, eine Badeanstalt und mit dem Nachbardorf Reinach über sämtliche Einkaufsmöglichkeiten. Reicht das, um Menschen ins Wynental zu locken? Ein paar Schritte weiter steht die Überbauung Bodenfeld. Die fünf Wohnhäuser wurden 2016 fertiggestellt. Vier davon sind mit Mietwohnungen bestückt, im fünften sind Eigentumswohnungen zu verkaufen, die Hälfte davon war im Januar noch zu haben. Die Miethäuser sind bis auf wenige Wohnungen bezogen. Die Mieter erhalten bis Ende 2018 einen Erstbezugsrabatt zwischen 100 und 200 Franken pro Monat, eine 4,5-Zimmer-Wohnung kostet 2170 Franken ohne den Preisnachlass. Eine junge Frau eilt zur Überbauung. Sie wohne dort seit einer Woche. Sie stamme nicht aus der Region, sei aber im Aargau aufgewachsen. Die neue Wohnung sei geräumig und preiswert. Und nach Zürich, wo sie arbeite, brauche sie nur eine Stunde mit dem öffentlichen Verkehr. So schnell wird Menziken also nicht zum Geisterort. Klar ist aber auch: Wer nicht allzu viel verdient, zieht nicht in eine teurere Neubauwohnung. Lieber gönnen sich die Menschen anderswo ein wenig Luxus. Zumindest halten das zwei Frauen so, die mit der WSB nach Aarau fahren: «Bei meiner Bank kriege ich keinen Zins mehr für mein Geld», sagt die eine. «Die ziehen sogar 0,75 Prozent ab. Da gebe ich das Geld lieber aus.» Ihre Gesprächspartnerin nickt zustimmend. Die beiden Frauen reisen zusammen nach Berlin in die Ferien.

Eine Werkhalle der Alu-Menziken, einem der wichtigsten Arbeitgeber.

Bald bereit zum Bezug; Neubau am Sagiweg im Dorfzentrum. Surprise 422/18

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Die Financiers der Hoffnung Entwicklungszusammenarbeit Zahlreiche Projekte im umkämpften Osten der Ukraine sind auf internationale Hilfsgelder angewiesen. Doch diese versiegen schnell. Zurück bleiben frustrierte Freiwillige und kaum Perspektiven. TEXT  KATERYNA BOTANOVA FOTOS  ARTEM BEREZNEV

RUSSLAND UKRAINE

CHARKIW

REGION LUHANSK

SLOWJANSK

REGION DNIPROPETROWSK

LUHANSK

REGION DONEZK DONEZK

Uspenka

BELARUS

vom Konflikt betroffene Provinzen von prorussischen Separatisten kontrolliertes Gebiet (Stand 02.09.2017)

RUSSLAND

POLEN KIEW

Grenze unter Kontrolle der Ukraine

MARIUPOL

UKRAINE

Grenze unter Kontrolle prorussischer Gruppen

Krim Von Russland annektiert

Absturz MH17 am 17.07.2014 ASOWSCHES

0

10 0 K M

MEER

Timeline Ukraine-Konflikt

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November 2013 bis Februar 2014

21. Februar 2014

Ende Februar 2014

Proteste gegen die EU-feindliche Politik von Präsident Viktor Janukowitsch auf dem Maidan in Kiew. Mehr als 100 Menschen sterben.

Janukowitsch flieht. Das Parlament ruft vorgezogene Präsidentschaftswahlen aus.

Auf der Halbinsel Krim kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern der Übergangsregierung in Kiew.

Surprise 422/18

INFOGRAFIK: BODARA ; QUELLE: BUNDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNG 2017, BPB.DE

REGION


«Dieser Krieg hat uns geholfen», sagt Jevhen Skrypnyk, 20-jähriger Aktivist aus Slowjansk in der Ostukraine. 2014 war die Stadt im Oblast Donezk mit ihren 114 000 Einwohnern von pro-russischen Rebellen besetzt, ihre dreimonatige Belagerung gilt bis heute als schmerzhaftes Symbol für den Ausbruch des Krieges in der Ostukraine, der einzige Krieg in Europa, der immer noch andauert. Skrypnyk und ich sitzen in einem netten kleinen Kaffeehaus im Stadtzentrum. Das Café ist ausgewählt eingerichtet und bietet eine lange Liste von Caféspezialitäten und lokalen Souvenirs zum Verkauf. Ein Ort, wie man ihn aus den Metropolen Kiew oder Charkiw kennt, der in Slow­ jansk jedoch bis vor drei Jahren unvorstellbar war. Skrypnyks Worte über den Krieg als Entwicklungshelfer klingen überraschend und irgendwie zynisch, doch noch bevor ich ernsthaft darüber nachdenken kann, was bewaffnete Konflikte mit den Menschen anstellen, wie sie Gefühle und Definitionen verzerren, setzt er hinzu: «Es fühlt sich an, als habe er uns aufgeweckt. Erst jetzt können wir Dinge tun, die niemandem zuvor in den Sinn gekommen sind.» Seit drei Jahren arbeitet Jevhen Skrypnyk als Koordinator für Teplytsya, was auf Deutsch «Gewächshaus» heisst und eine Plattform für soziale Initiativen und Kultur ist. Der schmale junge Mann mit den blauen Augen sieht zwar aus wie ein Schuljunge, seine Worte aber klingen reif, durchsetzt von Verbitterung und Hoffnung gleichzeitig. Er ist seit den Gründungstagen von Teplytsya dabei. Damals beendete er gerade die Schule. Um seine Eltern zufriedenzustellen, schrieb er sich in einem Fernstudiengang Wirtschaft an einer lokalen Universität ein. Sein Engagement bei Teplytsya aber war etwas, was er für sich tat – um Farbe in seine kleine graue Welt zu bringen, jungen Menschen wie sich selbst andere Erfahrungen zu ermöglichen und die «Stadt durch sie zu verändern», wie er sagt. Mit seiner Wahrnehmung von dem, was der Krieg bewirkt hat, ist Jevhen Skrypnyk nicht allein: Sätze wie seine hört man oft in der sogenannten Pufferzone, die sich mit je 15 Kilometern Breite und rund 500 Kilometern Länge rechts und links der Front mitten durch die Gebiete Donezk und Luhansk zieht. Jenseits dieser angeblich entmilitarisierten Zone stehen sich ukrainische Truppen und die von Russland unterstützten Separatisten gegenüber.

Die Pufferzone ist gleichzeitig das Gebiet, wo neue Zusammenstösse regelmässig zu Brüchen des Waffenstillstandsabkommens Minsk II vom Februar 2015 führen. Schon vor dem Krieg litten Ortschaften innerhalb der Pufferzone an post-industriellem Niedergang und einem Mangel an Arbeitsplätzen. Dann kam der Krieg. Tausende, teilweise mehrere zehntausend Vertriebene, sogenannte Internally Displaced Persons (IDPs), leben heute hier, unterstützt von Freiwilligen wie Jevhen Skrypnyk und einer signifikanten Summe internationaler Hilfsgelder. Geld für den Aufbruch Denn unabhängig davon, wo sie stattfinden, haben in unserer Zeit alle Katastrophen, Konflikte und Kriege zwei Dinge gemeinsam: Sie zerstören Leben – und sie ziehen grosse Mengen Hilfsgelder an. Schon während der Kriegsjahre 2014 und 2015 wurde die Region durch die plötzliche Verfügbarkeit internationaler Finanzhilfen richtiggehend von einer Art Aufbruchsstimmung erfasst. Überall sprossen Initiativen wie Pilze aus dem Boden. Teplytsya entstand als Ableger einer Plattform aus der Nachbarstadt Kramatorsk, die sich «freies Haus» – Vilna Khata, nannte. Ortsansässige hatten diese im Dezember 2014 gegründet, gemeinsam mit Freiwilligen aus Lwiw, die nach dem Ende der Belagerung zum Wiederaufbau in die Stadt gekommen waren. Andere Projekte entstanden

Katastrophen und Kriege haben zwei Dinge gemeinsam: Sie zerstören Leben – und ziehen grosse Mengen Hilfsgelder an.

1. März 2014

16. März 2014

April/Mai 2014

Auf der Krim tauchen uniformierte Kämpfer ohne Abzeichen auf. Später räumt Russlands Präsident Wladimir Putin ein, dass es sich um russische Soldaten handelt.

Die Bevölkerung auf der Krim stimmt in einem umstrittenen Referendum für einen Beitritt zu Russland. Die EU und die USA sprechen von einer Annexion und beschliessen Sanktionen gegen Russland.

An der ukrainisch-russischen Ostgrenze marschieren russische Truppen auf. Auch die Kiewer Regierung entsendet Streitkräfte in den Osten. Bei Konfrontationen zwischen pro-russischen Separatisten und ukrainischen Truppen in Slowjansk sterben zehn Menschen.

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von ganz allein. Das Kriegstrauma löste einen plötzlichen Anstieg an sozialem und kulturellem Aktivismus aus. In einer ehemaligen Lagerhalle in Mariupol, einer grös­seren Industriestadt am Asowschen Meer, hat die Kulturinitiative Tyu! ihren Sitz. Mariupol war zweimal Schauplatz anhaltender Gefechte, letztmalig im Januar 2015 mit rund 30 Toten und 83 Verletzten. Das Gebäude der ehemaligen Stadtverwaltung steht noch, gezeichnet von Raketen und Kugeleinschlägen, die Fensterscheiben kaputt, die Türen verbrannt. «Warst du dort?», ist die erste Frage, die Diana Berg mir stellt. Die Direktorin von Tyu! ist eine kleine, energiegeladene Frau, die jeden Raum ausfüllt, den sie betritt. Der Name ihrer Organisation ist ein ukrainischer Ausruf, der irgendwas zwischen «Komm schon!», «Egal!» und «Fick dich!» bedeutet. Berg ist selbst eine vom Konflikt Vertriebene, sie versucht, optimistisch zu bleiben. Früher, in Donezk, hat sie als Grafikerin gearbeitet, sich abends mit Freunden in der Bar getroffen. Politik war kein Thema. Nun hat sie innerhalb weniger Jahre mit Tyu! einen Ort geschaffen, an dem Menschen unterschiedlichen Alters zusammentreffen: Manche kommen zu Filmabenden und Konzerten, andere zu feministischen Diskussionen und Politikdebatten, wieder andere zu Rave-Partys. Voller Überzeugung spricht Berg vom Langzeitziel von Tyu!: Sie will «die Wahrnehmung der Leute verschieben und kulturelle Veranstaltungen fördern, welche die Menschen neue Gedanken fassen lassen». Auf lange Sicht gibt es wenig, was es in dieser Region mehr bräuchte als veränderte Wahrnehmungsmuster und kritisches Denken. Diana Berg, wie viele andere Engagierte, möchte vor allem auch ihre Stadt lebenswerter machen. Das Lokal von Tyu! befindet sich nicht weit vom zerschossenen Stadthaus entfernt. An der Aussenwand des schwarz bemalten Lokals spiegeln sich die Aktivitäten der Kulturinitiative wider: Graffitis mit den Worten «Berg ist Abschaum» und «Wir sind gegen LGTB» sind da zu lesen. Diana Berg bringen sie zum Lachen. Sie übermalt die Kommentare nicht. Sie hat keine Angst, sagt sie und lässt unkommentiert, dass ihr Ehemann, ein ehemaliger Militär, sie auf Schritt und Tritt begleitet. Auf einem grossen Schild am Eingang steht, dass «die Eröffnung dieser Plattform durch die Unterstützung des amerikanischen Volkes ermöglicht wurde». Auch drinnen

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bezeugt ein Aufkleber auf jedem Möbelstück dasselbe, wenn auch etwas zurückhaltender – so will es USAID, die US-amerikanische Entwicklungsagentur, die einen Teil von Tyu! finanziert. Nach dem Ende der Kämpfe jenseits der Pufferzone richtete USAID eine Reihe kleiner Förderprogramme für gemeinschaftsbildende Massnahmen ein. Neben der amerikanischen engagierten sich hier auch andere Entwicklungs- und Regierungsorganisationen wie Unicef, Deza, die EU und der Vatikan – um nur einige zu nennen. Nach dem Wunder die Ernüchterung Im Grunde sind es diese Gelder, welche erst die Entstehung der enormen Vielzahl von Plattformen, Initiativen und Hubs ermöglichten, viele von ihnen im Bereich der psychologischen Hilfe und Rehabilitation für Menschen mit posttraumatischen Belastungsstörungen. So klein viele dieser Fördersummen auch waren, von ein paar 1000 Euro bis hin zu ein paar 10 000: Für eine Region, in der

Bei Tyu! gibt es Entkommunisierung an Lenins Geburtstag: Kunstschaffende feiern die Sowjetische Eurounion.

11. Mai 2014

25. Mai 2014

17. Juli 2014

In den Regionen Donezk und Luhansk stimmen die Separatisten für eine Unabhängigkeit von der Ukraine. Die EU, USA und Kiew erkennen die Referenden nicht an.

Der pro-europäische Politiker und Milliardär Petro Poroschenko wird neuer Präsident der Ukraine. Die Rebellenhochburg Slowjansk wird durch ukrainische Truppen zurückerobert. Laut UNHCR sind über 700000 Menschen aus der Ostukraine nach Russland geflohen.

Die Passagiermaschine MH17 der Malaysian Airlines mit 298 Menschen an Bord stürzt über der Ostukraine ab. Alle Insassen kommen ums Leben, darunter 80 Kinder. Eine unabhängige Untersuchungskommission unter niederländischer Leitung wird gebildet, die untersuchen soll, ob das Flugzeug durch eine der Kriegsparteien abgeschosen wurde.

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An interessiertem Publikum mangelt es Tyu! nicht.

«Es fühlt sich an, als habe uns der Krieg aufgeweckt. Jetzt tun wir Dinge, die uns früher nicht in den Sinn gekommen wären.»

BILD: ZVG

JEVHEN SKRYPNYK , TEPLY TSYA

August 2014

5. September 2014

20. September 2014

26. Oktober 2014

Ein grosser Konvoi aus Russland liefert Hilfsüter in die umkämpfte Region Luhansk ohne ukrainisches Einverständnis.

Putin und Poroschenko einigen sich unter Vermittlung der OSZE im weissrussischen Minsk auf eine Waffenruhe (Minsk I). Diese wird jedoch in der Folge nicht eingehalten.

Russland und die Ukraine einigen sich auf eine 30 Kilometer breite demilitarisierte Pufferzone entlang der Frontlinie.

Parlamentswahlen in der Ukraine. Die pro-europäischen Parteien siegen. Die Separatisten boykottieren die Wahl.

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Will ihre Stadt lebenswerter machen: Tyu!-Direktorin Diana Berg.

Empowerment ist Teil der Arbeit vieler Initiativen: Solidaritätsaktion gegen Gewalt an Frauen anläslich des Internationalen Frauentags in Mariupol.

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Dezember 2014

24. Januar 2015

12. Februar 2015

Ukrainische Regierung und pro-russische Separatisten einigen sich auf eine Waffenruhe. Über 300 Gefangene werden ausgetauscht.

Zu Jahresbeginn nehmen die Kämpfe wieder an Intensität zu. Der Raketenbeschuss von Wohnhäusern in Mariupol mit mehr als 30 Toten sorgt für eine erneute Eskalation des Konflikts.

Putin, Frankreichs Präsident François Hollande, Poroschenko und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel einigen sich in Minsk auf eine Waffenruhe für das Kriegsgebiet (Minsk II). Schwere Waffen sollen abgezogen und das ursprüngliche Abkommen umgesetzt werden.

Surprise 422/18


ein Monatseinkommen von 100 Euro als gut gilt, waren diese Gelder immens. Sie versorgten bereits bestehende oder im Aufbau befindliche Freiwilligeninitiativen mit einer finanziellen Basis. Anfangs erschien es allen wie ein Wunder, viele Menschen glaubten an schnelle Veränderungen. Heute, zwei bis drei Jahre später, spricht niemand mehr von Wundern. Denn der Grossteil der internationalen Hilfsgelder kommt über Kurzzeit-Programme in die Region. Diese Programme bieten eine Art Anschubfinanzierung und decken grundlegende Notwendigkeiten wie Miete, Renovationskosten, Ausstattung und minimale Betriebskosten ab. Nach ein, zwei Jahren erwarten die Geldgeber jedoch, dass die Saat aufgeht und die Projekte sich selbst tragen oder andere, langfristige Finanzierungsquellen gefunden haben. Doch die Erfahrung vor Ort zeigt, dass es nicht so funktioniert, wie es sich die ausländischen Geberorganisationen vorstellen. Auf Empfängerseite hingegen herrscht völliges Unverständnis für die Kurzsichtigkeit der Hilfsorganisationen, vor allem weil viele Förderverträge zudem festlegen, dass anderweitige Einkommensgenerierung oder unternehmerische Aktivitäten den Geförderten nicht erlaubt werden. Derweil wird es für Projekte wie Tyu!, Teplytsya und andere immer

Wartet auf Ablenkung vom Alltag: das Tyu!-Publikum.

schwieriger, ihre Rechnungen zu bezahlen. Die Schliessung droht, und die ungeheure Energie der Freiwilligen sowie deren an anderen Orten hart verdientes Geld versandet. Anderweitig Geldquellen zu erschliessen, ist fast unmöglich: Die Gelder der lokalen Regierungen fliessen in das, was der Krieg hinterlassen hat: eine Wirtschaft am Abgrund, eine zerfallende Infrastruktur und stetig steigende Sozialkosten. Verantwortungsbewusste lokale Unternehmen füllen die verbleibenden zahlreichen Lücken in den Bereichen Bildung, Gesundheitsversorgung und Soziales. Und die Lokalbevölkerung verhält sich passiv und ist absolut nicht zahlungsfähig. Zudem werden viele der innovativen Initiativen von jungen Leuten geleitet, die zwar voller Enthusiasmus und Energie sind, aber nur wenig über Management und unternehmerische Fähigkeiten wissen. Kurzsichtige Strategien Natürlich ist das Bedürfnis nach Kultur und sozialer Entwicklung nicht mit unmittelbaren Lebensnotwendigkeiten wie Gesundheits- und Grundversorgung zu vergleichen, an denen es in der Region ebenfalls mangelt. Uljana Tokariewa, Sozialpsychologin aus Mariupol, die mit Kindern und kriegstraumatisierten Familien arbeitet, sieht hier jedoch einen direkten Zusammenhang: «Wenn die grundlegenden Bedürfnisse abgedeckt sind, ist es wichtig, dass die Leute die Möglichkeit bekommen, ihr Leben aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Und genau da setzt die Kultur an.» Eine weitere junge Aktivistin ergänzt, es sei auch wichtig, dass die Jugend zurückkomme, so wie sie selber zurückgekehrt sei, nachdem sie in Kiew und Charkiw studiert und gelebt habe. Es ist ein wohlbekannter Teufelskreis bei Entwicklungsprogrammen, dass sie die Widerstandskraft und Flexibilität, die Anpassungsfähigkeit an Veränderungen sowie das Entwicklungstempo der Gesellschaften überschätzen, mit denen sie arbeiten. Strategien, die nur darauf abzielen, kurzzeitige Lücken zu füllen, funktionieren immer dann gut, wenn es nur wenige Lücken in einem ansonsten stabilen, funktionierenden Regierungssystem sowie ein starkes soziales Gefüge gibt. Wenn aber die Lücken das System bestimmen, ist dieser Ansatz in etwa so effizient, wie Wasser auf Sand zu giessen.

September 2015

September 2016

Seitdem

Ein erneuter Beschluss, die Waffen ruhen zu lassen, scheitert ebenfalls. 1000 OSZEBeobachter befinden sich in der Ostukraine, werden jedoch an ihrer Arbeit gehindert.

Das internationale Ermittlerteam unter Leitung der Niederlande legt seinen Bericht zum Absturz der MH17 vor. Demnach war eine Rakete russischen Fabrikats, abgeschossen vom Gebiet der prorussischen Rebellen, für den Absturz verantwortlich. Eine Strafverfolgung bleibt bisher aus.

Fast täglich kommt es zu Scharmützeln an der Kontaktlinie – häufig mit Toten und Schwerverletzten. Die Vereinten Nationen sprechen von 10000 Toten und 1,8 Millionen intern Vertriebenen (IDPs) seit Beginn des Konflikts.

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Mit dem Postauto ins Dilemma Technologie Selbstfahrende Autos beflügeln unsere Fantasie. Doch im Schlepptau ihres zukunftsweisenden Potenzials führen sie auch zu technischen, ethischen und gesellschaftlichen Problemen. Auf Spurensuche im Wallis, wo kleine gelbe Busse selbständig werden.

Die Euphorie der Technikwelt ist gross. In nur wenigen Jahren wimmelt es in unseren Städten nur so von selbstfahrenden Autos, Trams und Bussen. Die Strassen sind sicherer, der tote Winkel ein Relikt der Vergangenheit. Denn das Auto der Zukunft sieht alles und übersieht nichts. Ökologisch gleicht die Stadt der Zukunft einem modernen Paradies. Mit Elektromotoren gleiten die fahrbaren Untersätze lautlos 20

durch die Strassen und sind dank cleverer Algorithmen immer voll besetzt. Die Zeiten, in denen Menschen zu Tausenden alleine in ihren SUVs herumkurvten, sind vorbei. In dieser Utopie bleibt Platz zum Spielen und Flanieren. Noch ist dies alles Zukunftsmusik. Denn der Quantensprung zum völlig selbständigen Auto liegt gemäss Experten für autonome Systeme, wie Roland Siegwart

von der ETH Zürich, noch in weiter Ferne. Abgesehen von ein paar Teslas, die mit unterstützenden Systemen ausgestattet sind, haben Menschen immer noch das Zepter in der Hand. Der Computer darf die Klimaanlage und das GPS regeln, viel mehr nicht. Zugegeben: An technischer Innovation mangelt es beileibe nicht. Weltweit wird am perfekten Algorithmus für autonomes Fahren getüftelt. Google kurvt im Surprise 422/18

FOTOS: ZVG

TEXT  FLORIAN WÜSTHOLZ


«Heute ist die Strategie ganz klar, defensiv zu fahren.» JÜRG MICHEL , POSTAUTO AG

«Hier werden wir gleich ein Problem kriegen», prophezeit einer der Piloten an der Place de la Planta. Dieser kleine Platz ist jedes Mal eine harte Nuss für Tourbillon. Der Grund: Dort fädelt der Bus sich in den laufenden Verkehr ein, und es gilt Rechtsvortritt. Registriert das Fahrzeug mit den Sensoren einen Lastwagen oder ein Velo auf der rechten Seite, macht es keinen Wank. Erst wenn die Strasse frei ist, rollt es vorsichtig über den Asphalt. Doch heute wird daraus nichts. Ein Lastwagen parkiert am rechten Strassenrand und der Chauffeur lädt gemütlich seine Waren aus. Es braucht eine manuelle Freigabe des Piloten, damit sich Tourbillon wieder in Bewegung setzt. Jeden Tag die immer gleiche Strecke: Der selbstfahrende Shuttlebus Tourbillon kurvt in Sion im Auftrag der Postauto AG durch schmale Altstadtgassen und über eine kleine Brücke.

Silicon Valley umher, BMW in München und die Schweizerische Postauto AG im beschaulichen Wallis. Dort drehen seit bald zwei Jahren zwei kleine Shuttles – liebevoll Valère und Tourbillon getauft – ihre Runden in der schmucken Altstadt von Sion. Fahren wie auf Schienen Wie von Geisterhand gesteuert, gondelt Tourbillon über eine kleine Holzbrücke und macht sich auf den Weg in die gepflasterten Gassen der Altstadt. Hier befindet sich das erste Hindernis für den selbstfahrenden Shuttlebus. Ein enger Durchgang muss passiert werden. Er ist gerade einmal 20 Zentimeter breiter als das Fahrzeug selbst. Langsam, aber präzise fährt der Shuttle an den Hauswänden vorbei. «Die meisten Menschen sind beeindruckt, dass der Bus allein durch diese enge Gasse fährt. Surprise 422/18

Aber für Tourbillon ist das ein Kinderspiel», erklärt einer der beiden Sicherheitspiloten, die an Bord alles überwachen und im Notfall eingreifen. Ein Ruck geht durchs Fahrzeug, und Tourbillon bleibt abrupt stehen. Mit seinen sechs Sensoren hat der Shuttle eine Fussgängerin zur Linken rechtzeitig erkannt und wartet nun, dass die Frau vorbeigeht. Sobald der Weg frei ist, beschleunigt der Bus mit einem kleinen Schub, und schon fährt er wieder im Schritttempo auf der vorprogrammierten Strecke weiter. Jede Strasse, jedes Haus und jeder Blumentopf wurden vor dem Projektstart millimetergenau vermessen. Dann wurden zusätzlich jede Kurve, jeder Rechtsvortritt, jede Haltestelle und jeder Tempowechsel definiert. Nun fährt Tourbillon jeden Tag die immer gleiche Strecke ab und gleitet dabei wie auf Schienen durch die historischen Gassen.

Autonom ist anders Solche Situationen sind nicht die einzigen Momente, in denen die Piloten eingreifen müssen. In der Flaniergasse Rue des Remparts hängen von einer Stahlkonstruktion auf der Seite grüne Ranken in die Strasse hinein. «Hier musste ich letzte Woche die Pflanzen zurückstutzen», erklärt der zweite Pilot. Wenn der Wind Äste und Blätter schaukeln lässt, meint Tourbillon manchmal, ein Hindernis sei im Weg. Die Reaktion ist vorprogrammiert: abbremsen oder vollständig anhalten. Ausweichen ist nicht vorgesehen. Die festgelegte Strecke verlässt der Shuttle nur auf menschliches Kommando hin. Wie in einem Videospiel wird Tourbillon dann mit einem Joypad vom mitfahrenden Piloten gesteuert. «Überholen und ausweichen hört sich einfach an», erklärt Maud Simon, die mehrere Jahre bei BestMile arbeitete. Die Partnerfirma des Pilotprojekts von Sion hat ihre Zelte mitten im modernen Innovationspark der ETH Lausanne aufgeschlagen. Hier wird an der Routenplanung und -optimierung von Tourbillon getüftelt. «Es ist eine Sache, ein Hindernis zu erkennen», erläutert Simon. «Sobald du es aber überholen willst, musst du wissen, ob genü21


gend Platz vorhanden ist, ob du auf die Gegenfahrbahn ausweichen musst, in welche Richtung sich die anderen Verkehrsteilnehmenden bewegen. Das ist ein ex­ trem komplizierter Prozess.» Ein Prozess, dem Tourbillon noch nicht gewachsen ist. Auch bei der Postauto AG ist man sich der Schwierigkeiten bewusst. Trotzdem ist man guter Dinge und hat zusammen mit der Stadt Sion das Projekt verlängert. Denn das Experiment hat nicht nur die Grenzen des autonomen Fahrens aufgezeigt, sondern auch die Möglichkeiten. An der Belp­ strasse in Bern hat Jürg Michel, der Leiter des Projekts, sein Büro. Tief in einen postautogelben Sessel eingesunken, sagt er: «Es gibt Menschen, die haben das Gefühl, wir fahren morgen alle nur noch in selbstfahrenden Autos. Davon sind wir noch weit entfernt.» Während seine kräftigen Hände mit einem Kugelschreiber spielen, beschreibt er plastisch die grossen Herausforderungen: Von Softwarebeschränkungen und Sonderbewilligungen über Schneefall bis zum Lackschaden ist die Rede. Vor allem aber geht es um juristische und ethische Fragen. Tödlicher Unfall in Arizona Denn je autonomer ein Fahrzeug ist, desto komplexer und verzweigter werden die nötigen Entscheidungsprozesse. Tourbillon muss sich bisher nur einfachen Situationen stellen. Wenn etwas im Weg ist, bremst der Shuttle. Wenn der Weg frei ist, fährt er im programmierten Tempo weiter. Doch was, wenn ein Kind plötzlich auf die Strasse rennt und der Bremsweg zu kurz ist? Soll das Auto ausweichen und möglicherweise Insassen oder andere Verkehrsteilnehmende in Gefahr bringen? Solche Überlegungen sind mit ein Grund dafür, warum im Moment fast die Hälfte der Schweizerinnen und Schweizer unter keinen Umständen in einem vollständig autonomen Fahrzeug mitfahren möchte. Ein Unfall im US-Bundestaat Arizona, bei dem Mitte März ein selbstfahrendes Testauto der Firma Uber eine Fussgängerin anfuhr und tödlich verletzte, dürfte das Vertrauen in die neue Technologie weiter erschüttert haben. Wenig erstaunlich, dass selbstfah22

rende Autos auf Schweizer Strassen bisher noch nicht einmal einen Spurwechsel selbständig in die Wege leiten dürfen. Deswegen kommen die fahrerlosen Busse bereits bei einfachsten Abwägungen in die Bredouille: So tuckern sie in Sion minutenlang lautlos hinter einer telefonierenden Person her oder werden von einem unvorhergesehenen Hindernis vollständig paralysiert. Bevor wir Autos ganz allein auf die Strasse lassen, müssen wir zunächst entscheiden: Welche Moral wollen wir den Fahrzeugen mit auf den Weg geben? Alte vor Jungen? Hunde vor Katzen? Fünf Menschen vor dem Tod retten und dafür den Tod einer anderen Unbeteiligten in Kauf nehmen? Diesen Fragen widmen sich Forschende an der Universität Osnabrück. Menschen werden dazu mit Virtual-Reality-Brillen auf eine virtuelle Fahrt durch Wohngebiete geschickt. Die Idee: Wenn wir erst einmal wissen, wie Menschen sich in Konfliktsituationen im Strassenverkehr verhalten, können wir die Entscheidungsalgorithmen entsprechend menschlich programmieren. Doch ist das der richtige Weg? Die Forschenden sind optimistisch, dass diese Herangehensweise der Schlüssel für die Auflösung von Konfliktsituationen ist. «Moralische Entscheidungen können prinzipiell mit Regeln beschrieben werden», meint Leon Sütfeld, der an der Osnabrücker Studie mitgearbeitet hat. «Diese

«Wenn die Automatisierung erst einmal ins Rollen kommt, werden womöglich viele auf der Strecke bleiben.» DANIEL A LEHMANN, GEWERKSCHAF T DES VERKEHRSPERSONALS SEV

Surprise 422/18


Das Postauto wird digital: Der Streckenplan von Tourbillon im Shuttlebus und auf dem Smartphone.

ist die Strategie ganz klar, defensiv zu fahren», erklärt er. Gerade deshalb seien Projekte wie das in Sion oder die Forschung in Osnabrück zentral. Die Strasse ist schlicht ein anderes Pflaster als der Schreibtisch der Entwicklerin. Immer wenn es in Sion Schwierigkeiten gibt, würden die Beteiligten enorm viel lernen. So hatte Tourbillon im September 2016 eine Situation falsch eingeschätzt, es kam zu einer kleinen Kollision mit der Heckklappe eines anderen Autos. «Wir haben nie so viel gelernt wie in der Zeit dieses zum Glück sehr glimpflichen Lackschadens», meint Michel. So wurde dem Shuttle beigebracht, mehr unterschiedliche Objekte auseinanderzuhalten. Dank grösseren Abständen und tieferen Geschwindigkeiten wurde auch die Sicherheit nochmals erhöht.

Regeln könnten dann auch von Maschinen genutzt werden.» Die Ethik-Kommission des deutschen Bundesministeriums für Verkehr aber sieht das anders. In jeder autonomen Handlung steckten unglaublich viele Details, die sich oftmals nur aus dem spezifischen Kontext ergäben. Das führe dazu, dass die vielfältigen Konfliktsituationen im Strassenverkehr nicht «ethisch zweifelsfrei programmierbar» seien. Zurück in Bern macht sich Jürg Michel einige Notizen. Die Frage der ethischen Verantwortung treibt auch ihn um. «Heute Surprise 422/18

Der Roboter, mein Chauffeur Der Betrieb der Busse wirft noch weitere gesellschaftliche Fragen auf: Wer braucht noch eine Buschauffeurin, wenn der Bus auch ganz allein von Haltestelle zu Haltestelle fahren kann? Im öffentlichen Verkehr könnte die Digitalisierung eine radikale Transformation auslösen, ähnlich wie sie im Bereich der Logistik und im Detailhandel bereits voranschreitet. Massenhaft Arbeitsplätze könnten verloren gehen. Florian Butollo forschte an der Universität Basel und war in den letzten Jahren wiederholt in China, um sich ein detailliertes Bild über die Situation von Fabrikarbeitenden zu machen. Heute leitet er die Forschungsgruppe «Arbeiten in hoch automatisierten digital-hybriden Prozessen» am Weizenbaum-Institut in Berlin. «Die Digitalisierung wird als Entwicklung dargestellt, die unaufhaltsam ist. Das ist nicht demokratisch. Es müsste eine gesellschaftliche Aushandlung geben. Aber das passiert viel zu wenig», erklärt er. Doch wie soll so eine Aushandlung aussehen und wer müsste sie vorantreiben? Daniela Lehmann, Koordinatorin für Verkehrspolitik bei der Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV, ist pragmatisch: «Wir können und wollen die Digitalisierung nicht verhindern.» Das Wichtigste sei, bereits frühzeitig alle Beteiligten mit ins Boot

zu holen. Denn wenn die Automatisierung erst einmal ins Rollen komme, würden womöglich viele auf der Strecke bleiben. Nur wenn alle an der Diskussion beteiligt seien, könne garantiert werden, dass «die ganze Gesellschaft davon profitiert». Vergleich mit den Liftboys Jürg Michel sieht die Verantwortung nicht allein bei denjenigen, welche die Automatisierung vorantreiben. Vielmehr müsse die Gesellschaft als Ganzes verhandeln. Wie das konkret aussieht, kann er nicht sagen. Doch er sieht die Entwicklung auch weniger problematisch: «In Sion generieren wir Arbeitsplätze. Da sind wir weit weg von Rationalisierung.» Er vergleicht die Situation mit dem Schicksal von Liftboys. Früher fuhren sie in jedem Lift mit, heute gibt es sie nur noch im Luxushotel. Gleichzeitig gebe es heute viel mehr Lifte und darum auch mehr Servicepersonal, Monteurinnen und Lifthersteller. Ähnliches schwebt ihm auch im öffentlichen Verkehr vor, wo autonome Shuttles eine Ergänzung zum bestehenden Angebot sein könnten. Doch ob es wirklich so kommen wird, ist alles andere als klar. Florian Butollo wagt keine Prognosen; zu vielschichtig sind die Auswirkungen von Technologie auf den Arbeitsmarkt. «Es wird oft übersehen, wie viel neue Arbeit entsteht», schliesst er sich der Beobachtung von Michel an. Und relativiert: «Das heisst aber nicht, dass es keine sozialen Umbrüche, Verwerfungen und Kämpfe gibt.» Denn mehr Arbeit heisst nicht automatisch gleich gute oder sogar bessere Arbeit. Vor allem in den fortgeschrittenen Regionen der Welt habe die soziale Ungleichheit in den letzten Jahren massiv zugenommen. Und Butollo ist skeptisch, dass sich das mit der Digitalisierung ändern wird. Die Kehrseite sei nämlich zunehmend «prekäre Arbeit und instabile Beschäftigung». In Sion dreht Tourbillon seine Runden, bis dato unter direkter Aufsicht von Menschen. Mit der Erweiterung der Teststrecke bis zum Bahnhof sind neue Herausforderungen hinzugekommen. Es gibt noch viel zu lernen. 23


Randnotiz

Bilderreigen überm Küchentisch

Neuanfang? Mein Partner ist nicht mehr mein Partner. Er hat Schluss gemacht. Schon vor Wochen, doch ich bin langsam – es braucht immer eine Weile, bis ich realisiere, das etwas vorbei oder neu ist. Wir passen nicht mehr zusammen, hat er gesagt. Aber die Intimitäten gehen vorerst weiter, und durch das Zusammenwohnen gibt es auch sonst kaum Veränderungen. Bis er plötzlich merkt, dass ich nicht verstanden habe, dass seine Gefühle mir gegen­über jetzt andere sind. Ab sofort verschwindet das Wort «Schatz» aus seinem Sprachgebrauch und er wendet sich ab, wenn ich ihn küssen will. Es ist vorbei, wiederholt er, be­ stimmter als zuvor.

Buch Zwei ehemalige Designstudenten verraten, wie man die eigene Küche mit einfachsten Mitteln in eine Druckwerkstatt verwandelt. Was macht man, wenn das De­ signstudium zu Ende geht? Wenn es erst einmal vorbei ist mit all dem technischen Equip­ ment frei Haus, mit dem man sich nach Lust und Laune ent­ falten konnte? Wenn dem Ta­ tendrang also auf einmal enge Grenzen gesetzt sind, vor allem, wenn man freischaffend ist? Just mit diesem Problem sa­ hen sich Laura Sofie Hantke und Lucas Grassmann konfrontiert. Wie sollten sie qualitativ hoch­ wertige Drucke ohne Druck­ werkstatt herstellen? Kurzer­ hand machten sie sich auf die Suche und stiessen auf «Kitchen Litho», entwickelt von Émilie Ai­ zier-Brouard alias Émilion. Ein Druckverfahren, das nicht nur schnell, günstig und ungiftig ist, sondern auch mit einfachen Ma­ terialien, sozusagen gängigen Hausmittelchen, bewerkstelligt werden kann. Viel mehr als Alu­ folie, Seife, Ölpastellkreiden oder fetthaltige Zeichenstifte, Wasser, Öl und … ja, und Cola, braucht es nämlich nicht. Und so laden uns die beiden findigen Köpfe von Studio Lula gleich zu Beginn mit einem freundlichen «Salut» in ihre Kü­ che ein und führen dort Schritt für Schritt durch den kreativen Druck-Prozess. Das ist nicht nur anregend, sondern auch hilf­ reich und durchaus nötig. Denn einfach heisst nicht: einfach so. Fleiss, Sorgfalt, Ausdauer und Freude am Ausprobieren

Ich will festhalten, was sich in den Jahren eingespielt hat, was doch irgendwie gut zu funktionieren schien. Er fordert Veränderungen, will Ballast abwerfen. So fühle ich mich: fallengelassen, im Stich gelassen. Die neue Situa­ tion fordert räumliche Distanz. So wird Bern zu seinem Wohnort und ich ziehe zurück nach Berlin; so will es zumindest der Plan, den wir auf den Sesseln schmieden, die wir zusammen gekauft haben. Die Veränderungen sind spürbar geworden und werden im­mer mehr, bis hin zu der Frage, ob weiterer Kontakt noch sinnvoll sei. Bis zu meinem Auszug im Juli sei es ein ­Abwarten, sagt er und legt nach: Ein Alptraum! Wenn ich ihm sage, dass ich ihn liebe, behauptet er, davon nicht viel zu spüren. Schlimmer noch: Er fühle sich aus­ genutzt. Er spricht von Einengung und dass er es satt­ habe, nur eine Person lieben zu dürfen. Er vergleicht un­ sere Beziehung mit einem Gefängnis und sehnt sich nach Freiheit. Das ist nicht schön zu hören, und die Kon­ sequenz muss sein, ihn loszulassen. Es ist an der Zeit, den Weg freizugeben, damit er alleine weitergehen kann. Wir sind ihn zusammen gegangen, bis zu dieser Kreuzung, an der es sich zu trennen gilt.

FLORIAN BURKHARDT war Sportler, Model und Internetpionier. Sein Leben wurde im Film «Electroboy» dokumentiert. Vor kurzem ist sein autobiografischer Roman «Das Gewicht der Freiheit» im Wörterseh-Verlag erschienen.

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BILD: ZVG

Bedeutet das einen Neuanfang? Nein, wir sind nicht mehr diejenigen, die wir zuvor waren. Mein Partner – oder ­besser Ex-Freund – hat mir erfolgreich den Spiegel vorge­ halten. Ich bin durch uns und durch ihn enorm gewach­ sen und bereue keine Sekunde. Ich danke ihm für ­alles und wünsche ihm für die Zukunft alles Gute. Wieder ist ein Kapitel in meinem Buch zu Ende, ich wende die Seite und bin gespannt, wie die Geschichte weitergeht.

­ ehören schon dazu. Und der g Mut, weiterzumachen, wenn mal was schiefgeht oder nicht gleich auf Anhieb klappt. Auch die Autoren haben, wie sie schreiben, viel aus Pleiten, Pech und Pannen gelernt. Die Art und Weise aber, wie sie ihr Wissen vermitteln, ist ansteckend. Denn ihr kleiner Guide durch die Kreativ-Küche ist nicht nur klar und verständ­ lich aufgebaut, sondern auch wunderschön gestaltet. Das zeigt sich schon nach dem Vorwort. Bevor es ans «Eingemachte» geht, finden sich erst einmal sei­ tenweise traumhafte Fotos. Zum Reinbeissen! Auch die Anleitung selbst ist so frisch und lebendig gestaltet, dass der Appetit mit jedem Umblättern wächst. Kurz gesagt: «In unsrer Küche wird gedruckt» ist rundum schön. Und dazu auch noch sympa­ thisch, weil die Macher und ihre Begeisterung überall spürbar sind. Wer mehr über Kitchen Li­ tho wissen möchte, findet Vi­ deos dazu auf YouTube oder In­ fos auf www.studio-lula.com und www.atelier-kitchen-print. org. Und wer weiss: Vielleicht hängen bald in noch ganz ande­ ren Küchen frisch «gebackene» Druckerzeugnisse zum Trock­ nen an Wäscheleinen wie ein Bilderreigen überm Frühstücks­ tisch.

CHRISTOPHER ZIMMER

Laura Sofie Hantke, Lucas Grassmann: In unsrer Küche wird gedruckt. Kreative Kleinauflagen handgemacht. Verlag Hermann Schmidt 2017. CHF 26.90

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«Ich mache Filme für die Marsmenschen» Film «Visions du Réel» in Nyon gilt international als eines der wichtigsten

Dokumentarfilmfestivals. Die französische Filmemacherin Claire Simon wird als «Maître du Réel» für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.

Arbeitslosigkeit, Geld, Wettbewerb und Gewalt – gesellschaftliche Realitäten, aber immer mit diesem Schuss Traum: Das ist die Claire-Simon-Mischung. Ein ethnologischer Blick, der immer auch die menschliche Seele streift. Ein Blick, der nicht nur nüch­ tern feststellt, sondern auch Themen und Gefühle anklingen lässt, die in der Beobachtung mitschwingen. So fühlen wir in «Géogra­ phie humaine» nach, wie es einem geht, der als politischer Flücht­ ling aus der Republik Kongo nach Frankreich kam und hier fest­ stellt, dass ein Afrikaner höchstens als Security-Angestellter eine Beschäftigung finden kann, auch wenn er ein abgeschlossenes Studium in Politikwissenschaften und dazu ein Diplom für Ent­ wicklungszusammenarbeit hat. «Géographie humaine» ist die dokumentarische Erforschung des Pariser Bahnhofs Gare du Nord. Claire Simon führt die In­ terviews zusammen mit einem Freund durch, einem Algerier, und nicht selten spiegeln sich die Szenen in seiner eigenen Be­ troffenheit wider, weil auch er ein sensibles Gespür für Herkunfts­ fragen hat. Bei einer jungen Frau, die ihre Tage mit Hund im Bahnhof verbringt, kriechen wir unter die Oberfläche, die wir bereits als Klischeebild in unseren Köpfen abgespeichert hatten, nämlich dem des ziellos herumhängenden Punks. Sie hat aber bereits ein Leben als Mutter hinter sich, die Beziehung ist ge­ scheitert und die zweite Tochter neugeboren eben erst gestorben. Die Ver- und Entwurzelung der Menschen ist eines von Si­ mons zentralen Themen. Sie selbst hat Ethnologie studiert und Arabisch und Berberisch gelernt. «Ich bin in einem Dorf aufge­ wachsen, wo die Herkunft von Leuten ständig ein Thema war», schreibt sie per Mail. Zurzeit ist sie in der französischen Ardèche auf Dreh: «Jemand hat mir da gesagt: ‹Wenn du deine Eltern nicht hier auf dem Friedhof hast, wirst du nie akzeptiert werden.› Die Erde akzeptiert dich also nur, wenn du sie dir mit deinen Toten verdient hast. Wie eine Art morbider heiliger Vermählung zwi­ schen der Erde und den Leichen.» Bibliothek von Lebensgeschichten Claire Simon macht nebst Dokumentarfilmen auch fiktionale Filme. Ihre Grundregel ist in beiden Fällen einfach: «Ich mache Filme für die Marsmenschen, die vielleicht einmal kommen. Da­ mit sie sehen, wie wir leben oder einmal gelebt haben werden.» Da werden sie auch eine gewisse Radikalität sehen, zum Bei­ spiel in den Kurzfilmen «Récréations» und «La Police». Beide folgen einer zentralen Idee oder Beobachtung. Im dokumenta­ rischen «Récréations» sind es die unzimperlichen Rollen- und Machtspiele auf dem Pausenplatz, wo sich Freundschaft eher als Verbrüderung manifestiert denn als ehrliche Zuneigung. Im Kurzspielfilm «La Police» ist es der kindliche Blick auf die Welt, Surprise 422/18

BILD: NICOLAS GUÉRIN

TEXT  DIANA FREI

Hat einen Blick für besondere Orte: Filmemacherin Claire Simon.

­ ermengt mit Fantasien, die an Zwangsvorstellungen grenzen: v Eine Babysitterin überlässt die kleine Marie sich selbst, und diese agiert in der Folge aus dem Gefühl heraus, sie müsse ihre Baby­ sitterin decken, falls deren vernachlässigte Aufsichtspflicht poli­ zeilich verfolgt würde. Die Bildsprache liefert uns der kindlichen Fokussierung auf die fixe Idee aus: Der Blick reicht nie allzu weit und klebt an Details. Diese geben dem Kind Halt in der Unüber­ schaubarkeit der realen Welt, die recht konsequent ausgeblendet bleibt. Damit erzählt der Film fast mehr über die Realität als über kindliche Fantasien.

Visions du Réel, International Filmfestival Nyon, Fr, 13. bis Sa, 21. April www.visionsdureel.ch

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BILD(1): SALAR KHERADPEJOUH, BILD(2): JENNY BERGER MYHRE, BILD(3): ZVG, BILD(4): ANJA WURM, BILD(5): PAULA REISSIG, BILD(6+7): CHRIS PARKES, BILD(8):ZVG

Veranstaltungen Zürich Ben Frost und Jenny Hval, Auftakt zur Konzert- und Performanceserie «Sonic Fiction», 21. April, 20 Uhr, Schauspielhaus Pfauen, Rämistrasse 34, Zürich. www.norient.com

Basel «Looping Journey, 1. Etappe», Konzert, Do, 12. und 19. April, 18.30 bis 20 Uhr, in der Ausstellung «Basel Short Stories – Von Erasmus bis Iris von Roten», Kunst­ museum Basel, St. AlbanGraben 16, Basel. www.loopingjourney.ch Für drei Basler Chöre startet an zwei Donnerstagabenden im April eine ungewöhnliche Reise: Statt nach Noten zu singen, improvisie­ ren sie in den Ausstellungsräumen

Wenn Sonic Fiction der Versuch ist, neu aufkeimende Sounds zu beschrei­ ben, deutet ein Auftakt-Doppelkonzert zur gleichnamigen Konzertreihe von Jenny Hval und Ben Frost darauf hin, dass das Neue im Norden lauert. Und sowohl in Norwegen, der Heimat von Pop-Avantgardistin Hval, als auch auf Island, wo Frost wohnt (passend zu seinem Namen), gibt es lange Perioden der Dunkelheit. Sie prägt die Geräuschkulissen von Frost und webt sich durch die zart-provokant-ironischen Klänge von Hval. Musik zwischen Melancholie, aufgeklärter Schwere und dem versuchten Aus­ bruch ins Licht. WIN

Bern «Jeder fängt mal klein an», öffentliche Führung, Mi, 11. April, 18 bis 19 Uhr, So, 15. April, 14 Uhr, Botanischer Garten, Altenbergrain 21, Bern, Treffpunkt vor dem Palmenhaus. www.boga.unibe.ch Wir Menschen werden geboren. Das ist ein anstrengender Vorgang für Mutter und Kind, der in seiner Schmerzhaftigkeit (ein Glück!) von beiden später durch eine Art Teil­ amnesie wieder verdrängt wird. Sonst wären wir wohl längst aus­ gestorben. Aber wie starten eigent­ lich Pflanzen ins Leben? Ist das Durchdringen der Samenschale ebenfalls schmerzhaft? Und woher kommt überhaupt die Kraft dazu? Diese und sonstige Fragen zum floralen Lebensanfang klären Sie am besten im Dialog mit Expertin Yvonne Künzi. WIN

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Luzern Repair-Café, 14. April, 11 bis 15 Uhr, Neubad Bistro, Bireggstrasse 36, Luzern, weitere Daten: www.neubad.org/repaircafe

schen mit und ohne Behinderung gemeinsam auf die Bühne und beweist damit einmal mehr, dass Grossbritannien im Bereich des inklusiven Tanzes Pionierarbeit leistet. WIN

des Kunstmuseums Basel und las­ sen sich dabei von den Werken der Sonderausstellung «Basel Short Stories» inspirieren. Die Improvi­ sationen werden im Laufe eines ganzen Jahres an verschiedenen Stationen im öffentlichen Raum weiterentwickelt und auf Noten­ blättern festgehalten. Im Mai 2019 werden die Werke dann im Gare du Nord uraufgeführt. Die Chöre kön­ nen auf der ganzen «Looping Jour­ ney» begleitet und die Entstehung der Werke mitverfolgt werden. G G

Solothurn «The Enormous Room», Tanzperformance, 24. April, 19.30 Uhr, Stadttheater, Theatergasse 18, Solothurn, im Rahmen des Tanzfestivals Steps, mehr Infos und weitere Tourneedaten: www.steps.ch Nachhaltigkeitsgerede sei Dank: Reparieren ist wieder in. Wer an seinem Telefon, seiner Lampe, dem alten Velo von Oma oder einfach nur an Mutter Erde hängt, kann kaputte Elektrogeräte, Computer, Kleider oder Fahrräder zum ­Flicken ins Repair-Café bringen. Fach­ frauen und -männer unterstützen lernwillige Laien dabei, selbst aktiv zu werden. Am Schluss ist man im Idealfall stolz auf die eigene Leis­ tung, hat einen sinnvollen Beitrag zur Abfallvermeidung getan und auch noch ein paar nette Menschen kennengelernt. Und das Ganze auch noch gratis. WIN

Die Ehefrau stirbt und der Hinter­ bliebene will es nicht wahrhaben. Deswegen verlässt er das Wohn­ zimmer nicht mehr, das sich nach und nach zu einer ganz eigenen Welt entwickelt: voller Gespenster aus der Vergangenheit. Die Stop­ gap Dance Company spielt in ih­ rem Beitrag zum diesjährigen ­Migros-Kulturprozent Tanzfestival Steps nicht nur gekonnt mit dem Absurden, sondern auch mit der Diversität ihrer Tänzerinnen und Tänzer. Das sechsköpfige Ensem­ ble mit seinem Star David Toole bringt selbstverständlich Men­

Zürich Fatima Dunn, «Birds and Bones», Konzert, Do, 12. April, 20.30 Uhr, Moods, Schiffbaustrasse 6, Zürich, weitere Termine: www.fatimadunn.com/live

Eine ergreifend klare Stimme und ein Cello, das Rhythmus, Melodien und auch mal ein ganzes Orchester liefert, sowie eine Loopstation, die all das im Alleingang möglich macht: So füllt Fatima Dunn die Bühne. Die vielseitige Singer-Song­ writerin singt auf Englisch und in Schweizer Mundart, ihre Texte sind einfach aber nicht simpel, und ihre Melodien bleiben hängen, ohne manipulierend poppig zu sein. Ein bisschen Melancholie, ein kleines Augenzwinkern, ein Blick auf den Horizont und dann wieder einer gegen die nächste Bergwand – Fatima Dunn macht zarte Musik, ohne zerbrechlich zu wirken. W IN

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ILLUSTRATION: SARAH WEISHAUPT

Agglo-Blues

Folge 7

Das Spielzimmer

Was bisher geschah: Vera Brandstetter, Ermittlerin im Fall des in der Agglomeration ermordeten Ingenieurs Reto Schwander, kann auch an seinem Arbeitsplatz nur Spuren eines aufgeräumten Le­ bens finden. Bei den Kollegen nicht besonders beliebt zu sein, ist noch kein Grund, umgebracht zu werden, hofft Brandstetter, die auch nicht mit allen gut kann. Brandstetter hatte Hunger. Sie fuhr zurück ins Einkaufszentrum. Zwischen Rentnern, Frauen mit Kindern und Männern in Ar­ beitsgewändern ass sie im Selbstbedienungsrestaurant einen Salat und ein Stück Spinatwähe. Im Gegensatz zur Dorfpizzeria fiel sie hier als Alleinessende weniger auf. Trotzdem schaute sie konzentriert aufs Handy. Auf keinen Fall wollte sie eine Männer­ stimme hören, die fragte: «Isch da na frei?» Den Kaffee nahm sie mit und trank ihn im Auto. Um halb zwei Uhr stand sie wieder vor Schwanders Wohnung. Die Ehefrau des Ermordeten hatte sich inzwischen umgezogen, sie trug nun einen halblangen schwarzen Rock und eine olivgrüne Bluse. Als Er­s­ tes nahm Brandstetter ihre Personalien auf. Sie hiess Olena Schwander-Rudenko, war 36 Jahre alt, gebürtige Ukrainerin. Über ihren verstorbenen Gatten konnte oder wollte sie nicht viel sagen. Die Ehe sei glücklich, das Verhältnis zu seiner Familie gut gewesen. Er hatte nur noch einen Bruder, der aber in England lebte. Reto Schwanders Hobbys waren Sport und Filmeschauen. Am Wochenende unternahmen er und seine Frau gerne Ausflüge mit dem Auto. Ab und zu gingen sie in das nahe gelegene Multi­ plex-Kino oder selten einmal auswärts essen. Freunde hatten sie wenige, Feinde überhaupt keine. Sie machten Städtereisen und schauten sich dort Musicals an. Einmal im Jahr fuhren sie zwei Wochen in ihre Heimat, im Winter eine Woche zum Skifahren nach Davos, obwohl sie selber nicht Ski fuhr. Ihr Mann trank kei­ nen Alkohol, das erneut zu betonen war Olena Schwander wich­ tig. Sie sprach von ihm, als sei er noch am Leben. Brandstetter bat, sich umschauen zu dürfen. Olena Schwander führte sie als Erstes ins Schlafzimmer. Auf dem breiten Bett lag eine helle Tagesdecke, daneben standen zwei Nachttische auf Rollen, die gegenüberliegende Wand wurde von einem Spiegel­ schrank eingenommen. Die Möbel waren weiss, genauso gut hätte es ein Hotelzimmer der gehobenen Mittelklasse sein können. Surprise 422/18

Umso erstaunter war Brandstetter, als Olena Schwander ihr das nächste Zimmer zeigte. An der Wand hing ein Flachbildschirm, der fast so gross war wie der im Wohnzimmer. Neben Plakaten von Kriegsfilmen hingen eine Schweizer und eine blaugelbe Fahne, die Brandstetter nicht kannte. Mitten im Raum thronte ein abgenutzter Sessel, Hüllen von Videogames lagen herum. Auf einem kleinen roten Kühlschrank stand eine offene Dose Red Bull, auf dem Fussboden lag eine angebrochene Chipstüte. Im Gegensatz zum Rest der Wohnung und zu Schwanders Arbeits­ platz war es hier geradezu chaotisch. Endlich konnte sie den Men­ schen ein wenig spüren. Als hätte er seine ganze Persönlichkeit in dieses kleine Zimmer gepfercht. «Sein Mänkeyf», Olena Schwander lächelte ein So-sind-siehalt-Lächeln. «Sein was?» Schon wieder ein Wort, das Brandstetter nicht verstand. Sie kam sich alt vor. «Sein Man Cave», wiederholte Olena Schwander. «Sein Män­ nerzimmer, ich hab eigentlich Verbot, den Raum zu betreten.» Ihr Lächeln gefror, als ihr bewusst wurde, dass das Verbot nicht mehr galt. In der Ecke beim Fenster, dessen Rollläden heruntergelassen waren, stand ein einfacher Schreibtisch, mit zwei grossen Moni­ toren und einem Joystick darauf. Unter dem Tisch ein schwarzes Computergehäuse. Brandstetter hatte gar nicht gewusst, dass es noch Desktop-Computer gab. Ausser bei der Polizei. Nur dass dieser hier doppelt so breit war und vorne Lüftungsschlitze hatte. «Das ist sein Computer zum Gamen, sehr teuer», erklärte Olena Schwander nicht ohne Stolz. Brandstetter ging in die Knie, um das Ding einzuschalten. Sie drückte einen Knopf, doch es geschah nichts. Weil sie keinen wei­ teren Schalter sehen konnte, kroch sie unter den Schreibtisch. Die Seitenwand des Computers war durchsichtig, sie untersuchte die Hinterseite, ob es dort noch einen Knopf gab, und schaute, ob die Maschine eingesteckt war. Das Kabel führte hinter dem Schreib­ tisch hindurch. Sie leuchtete mit ihrem Handy. Das Kabel steckte in einer Stromleiste. Sie wollte schon wieder zurückkriechen, als ihr auf der Unterseite des Schreibtischs etwas auffiel.

STEPHAN PÖRTNER schreibt Romane und Theaterstücke. Wer eine oder mehrere Folgen von «Agglo-Blues» verpasst hat, kann sie auf unserer Webseite nachlesen oder auch hören, gesprochen vom Autor selbst oder von prominenten Gastlesern wie Andrea Zogg: www.surprise.ngo|krimi

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IND 0.– S AB 50 ABEI! SIE D

Die 25 positiven Firmen Unsere Vision ist eine solidarische und vielfältige Gesellschaft. Und wir suchen Mitstreiterinnen, um dies gemeinsam zu verwirklichen. Übernehmen Sie als Firma soziale Verantwortung. Unsere positiven Firmen haben dies bereits getan, indem sie Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Mit diesem Betrag unterstützen Sie Menschen in prekären Lebenssituationen dabei auf ihrem Weg in die Eigenständigkeit. Die Spielregeln: 25 Firmen oder Institutionen werden in jeder Ausgabe des Surprise Strassenmagazins sowie auf unserer Webseite aufgelistet. Kommt ein neuer Spender hinzu, fällt jenes Unternehmen heraus, das am längsten dabei ist. 01

Velo-Oase, Erwin Bestgen, Baar

02

Lotte’s Fussstube, Winterthur

03

Cantienica AG, Zürich

04

Arbeitssicherheit Zehnder GmbH, Zürich

05

Brother (Schweiz) AG, Dättwil

06

Kaiser Software GmbH, Bern

07

Coop Genossenschaft, Basel

08

Fischer + Partner Immobilien AG, Otelfingen

09

Proitera betriebliche Sozialberatung, Basel

10

Praxis PD Dr. med. Uwe Ebeling, Bern

11

VXL gestaltung und werbung AG, Binningen

12

Burckhardt & Partner AG, Basel

13

Schluep & Degen Rechtsanwälte, Bern

14

SM Consulting, Basel

15

Holzpunkt AG, Wila

16

Praxis Colibri, Murten

17

Sublevaris GmbH, Brigitte Sacchi, Birsfelden

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SBB Angebotsgestaltung Langstrasse, Zürich

19

AnyWeb AG, Zürich

20

Hervorragend AG, Bern

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Probst Schliesstechnik AG, Bern

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Hofstetter Holding AG, Bern

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Balcart AG, Therwil

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Echtzeit Verlag, Basel

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Schweizerisches Tropeninstitut, Basel

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende ab 500 Franken sind Sie dabei. Spendenkonto: PC 12-551455-3 IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma und Ihr gewünschter Namenseintrag Sie erhalten von uns eine Bestätigung. Kontakt: Nicole Huwyler Team Marketing, Fundraising & Kommunikation T +41 61 564 90 50 I marketing@surprise.ngo

SURPLUS – DAS NOTWENDIGE EXTRA Das Programm

Wie viele Surprise-Hefte müssten Sie verkaufen, um davon in Würde leben zu können? Hätten Sie die Kraft?

Wussten Sie, dass einige unserer Verkaufenden fast ausschliesslich vom Heftverkauf leben und keine Sozialleistungen vom Staat beziehen? Das fordert sehr viel Kraft, Selbstvertrauen sowie konstantes Engagement. Und es verdient besondere Förderung. Mit dem Begleitprogramm SurPlus bieten wir ausgewählten Verkaufenden zusätzliche Unterstützung. Sie sind mit Krankentaggeld und Ferien sozial abgesichert und erhalten ein Nahverkehrsabonnement. Bei Problemen im Alltag begleiten wir sie intensiv.

Eine von vielen Geschichten Tatjana Georgievska ist seit neun Jahren Surprise-Verkäuferin in Basel. Die 47-Jährige flüchtete 2009 aus Mazedonien und in der ersten Zeit lebte sie ohne ihre Kinder hier. Dies war eine schwere und traurige Zeit für Tatjana. Heute wohnen ihre Kinder und das Grosskind in der Schweiz. Die Träume von Tatjana sind bescheiden. «Ich wünsche mir eine sichere Existenz für meine Kinder, mein Enkelkind und mich. Dafür brauchen wir vor allem Gesundheit. SurPlus unterstützt mich dabei. Bei einer allfälligen Krankheit habe ich eine zusätzliche Absicherung durch das Krankentaggeld. Dank SurPlus.» Die ganze Geschichte lesen Sie unter: surprise.ngo/surplus

Unterstützen Sie das SurPlus-Programm mit einer nachhaltigen Spende Derzeit unterstützt Surprise 14 Verkaufende des Strassenmagazins mit dem SurPlus-Programm. Ihre Geschichten stellen wir Ihnen hier abwechselnd vor. Mit einer Spende von 6000 Franken ermöglichen Sie einer Person, ein Jahr lang am SurPlusProgramm teilzunehmen.

Unterstützungsmöglichkeiten: · 1 Jahr: 6000 Franken · ½ Jahr: 3000 Franken · ¼ Jahr: 1500 Franken · 1 Monat: 500 Franken · oder mit einem Beitrag Ihrer Wahl.

Spendenkonto: PC 12-551455-3 IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 | Vermerk: SurPlus Oder Einzahlungsschein bestellen: T +41 61 564 90 90 info@surprise.ngo | surprise.ngo/spenden Herzlichen Dank!


Wir alle sind Surprise Korrigendum #421: «Wenn die Liebe das Polareis schmilzt»

Sozialer Stadtrundgang Basel

Leider ist uns bei der Titelgeschichte der letzten Ausgabe ein Fehler unterlaufen: Der Berner Fotograf der Klima-Geschichte heisst Marco Frauchiger, nicht etwa Mario, wie in der Autorenzeile zu lesen war. www.marcofrauchiger.ch

«Eine echte Inspiration»

DIE REDAK TION

Stadtführer Heiko Schmitz ist eine echte Inspiration für alle Menschen, die es im Leben schwer haben. Auf seiner Führung haben wir vieles gelernt, was wir sicher nicht wieder vergessen werden.

#420: «Finden Sie das korrekt?»

International Women’s Institute, Basel

D. JARVIS,

«Schlusslicht Bern» Die massive Senkung des Grundbedarfs der Sozialhilfebezüger im Kanton Bern ist gleich ein mehrfacher Skandal: Weil die neuen Ansätze deutlich unter den Richtlinien der Sozialhilfe-­Konferenz SKOS liegen und Bern damit das Schlusslicht bei der Unterstützung der gesellschaftlich Schwächsten bildet. Weil damit die über Jahre erarbeitete schweizweite Harmonisierung der Sozialpolitik infrage gestellt wird. Weil der zuständige Gesundheits- und Fürsorgedirektor Pierre Alain Schnegg es nicht für nötig hielt, die für die Sozialhilfe zuständigen Experten in den Gemeinden und in seiner eigenen Gesundheits- und Fürsorgedirektion miteinzubeziehen. Weil Regierungsrat Schnegg auf seiner Website behauptet, er verteidige «die Grundwerte unserer Gesellschaft, namentlich die menschliche Würde und die Familie» – und als aktives Mitglied der Freikirche Gemeinde für Christus radikal gegen diese Grundwerte verstösst. D. FAHRER, Filmproduzent, Bern

Geschäftsstelle Basel T +41 61 564 90 90 F +41 61 564 90 99
 Mo–Fr 9–12 Uhr info@surprise.ngo, surprise.ngo

Ständige Mitarbeit
 Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Marie Baumann, Florian Burkhardt, Rahel Nicole Eisenring, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Khusraw Mostafanejad, Fatima Moumouni, Stephan Pörtner, Isabella Seemann, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Christopher Zimmer

Regionalstelle Zürich Kanzleistrasse 107, 8004 Zürich T  +41 44 242 72 11 M+41 79 636 46 12

Mitarbeitende dieser Ausgabe Kateryna Botanova, Beat Camenzind, Daniel Sutter, Florian Wüstholz

Regionalstelle Bern Scheibenstrasse 41, 3014 Bern T  +41 31 332 53 93 M+41 79 389 78 02 Soziale Stadtrundgänge Basel: T +41 61 564 90 40 rundgangbs@surprise.ngo Bern: T +41 31 558 53 91 rundgangbe@surprise.ngo Zürich: T +41 44 242 72 14 rundgangzh@surprise.ngo Anzeigenverkauf Stefan Hostettler, 1to1 Media T  +41 61 564 90 90 M+41 76 325 10 60 anzeigen@surprise.ngo Redaktion
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«Ohne Gehässigkeiten» Es tut immer wieder wohl und ist bereichernd, Surprise zu lesen. Von der anderen Seite mal zu hören, ist wichtig und nötig. Auch finde ich den Ton gut, zwar kritisch, aber ohne Gehässigkeiten wie im Interview mit Pierre Alain Schnegg. Das macht Ihre Arbeit viel glaubwürdiger! M. JOOS, Effretikon

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#420: «Finden Sie das korrekt?»

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FOTO: ALEXANDER WALKER

Surprise-Porträt

«Der Höhepunkt war die WM in Glasgow» «Mitte April findet in Pratteln das Auftaktturnier der Schweizer Strassenfussballmeisterschaft statt, und ich spiele zum ersten Mal seit 14 Jahren nicht mit. Der Entscheid fiel mir nicht leicht, denn ich höre ja nicht auf, weil mir der Fussball verleidet wäre. Aber ich werde bald 60 und habe noch so viele andere Pläne. Sport war schon immer sehr wichtig für mich. Die ersten Jahre meines Lebens verbrachte ich bei meiner Grossmutter in Davos und spielte mit Begeisterung Eishockey. Später zog ich zu ­meinen Eltern nach St. Gallen, aber mit 16 war ich zurück im Bündnerland und stand im Tor der Elite-Junioren des HC ­Davos. Wenige Tage vor meinem 17. Geburtstag feierte ich an einem Turnier in Bern einen Shutout, kassierte also kein ein­ ziges Tor, und ein kanadisches Team wollte mich unter Vertrag nehmen. An diesem Tag nahm sich mein Vater das Leben. Das Eishockey rückte in den Hintergrund. Ich begann zu ar­ beiten, um meine Mutter und meine Schwester unterstützen zu können. Irgendwann wurde mir alles zu viel, und ich lief davon. Ich landete auf der Strasse und vor 17 Jahren bei Surprise. Das war mein grosses Glück. Ich habe auch dank des Strassenfussballs gelernt, mit Niederlagen und Kritik umzugehen. Als ich bei Surprise begann, hatte ich meine Gefühle oft nicht unter Kontrolle, was vor allem beim Heftverkauf für Probleme sorgen konnte. Wenn ich mich ungerecht behandelt fühlte, ­giftete ich die Kunden an oder bekam Streit mit anderen Verkäufern. Im Laufe der Jahre lernte ich, meine Emotionen in den Griff zu bekommen. Sehr geholfen dabei hat mir meine Arbeit als Surprise-Stadtführer. Seit ich das mache, habe ich viel mehr Selbstvertrauen und bin ruhiger geworden. Laut werde ich heute noch während den Spielen des HC Davos. HCD-Trainer Arno Del Curto und ich sind beide ähnlich ex­ plosiv, wir zappeln und schreien herum. Kürzlich, in der Viertel­ finalserie gegen den EHC Biel, sagte die Frau, die im Stadion neben mir sass: «Wer ist denn der Trainer: der dort unten an der Bande oder du?» Auch beim Fussballspielen konnte ich laut werden. Ich bin ein ehrgeiziger Typ und will Erfolg haben. 2006 holte unsere Mannschaft den Meistertitel der Strassenfuss­ ballliga, die aus 18 Teams aus der ganzen Schweiz besteht. Den ­Erfolg konnten wir in den Jahren darauf nicht mehr wieder­ holen, aber wir hatten immer eine tolle Kameradschaft im Team. Sport machen ist Erholung für mich. An den Tagen nach den Turnieren verkaufte ich immer viel mehr Hefte als sonst, weil ich mich so fit fühlte. Der Höhepunkt meiner Strassenfussballer-Karriere war die Teil­nahme am Homeless World Cup in Glasgow 2016. Jedes Jahr dürfen acht Spieler aus der Schweiz an die Strassenfussball-­WM fahren. Ich stand schon einige Jahre zuvor einmal auf der Liste, sagte aber im letzten Moment ab. Ich hatte keine 30

Ruedi Kälin, 59, hört nach 14 Jahren mit dem Strassenfussball auf. Er will mehr fotografieren, häufiger nach Davos fahren, sich für die Volksmusik engagieren und zusätzliche Stadtführungen machen.

­gültige ID mehr und fand plötzlich, ich könne doch nicht einfach für zwei Wochen die Arbeit ruhen lassen. Der Surprise-­ Verkauf stand immer an erster Stelle. Ich bin extrem dankbar, dass unser Coach David Möller und Lavinia Besuchet, die ­Leiterin des Strassenfussballs, mir 2016 nochmals eine Chance gaben. Ich war als zweiter Goalie dabei, aber steigerte mich von Tag zu Tag und durfte an mehreren Spielen zeigen, was ich kann. Ich hielt gut, und die Stimmung war fantastisch. Ich werde diese Tage nie vergessen. In Zukunft will ich mir noch mehr Zeit für die Surprise-Stadtführungen nehmen. Daneben möchte ich mich meinem Hobby, der Fotografie, widmen und häufiger nach Davos fahren. Seit Kurzem engagiere ich mich auch für das Magazin Schweizer Musikpost, das sich der Volksmusik widmet. An erster Stelle kommt aber weiterhin der Heftverkauf. Doch auch mit dem Fussball fühle ich mich noch verbunden. Wenn ich die Zeit finde, werde ich am 15. April das Turnier in Pratteln be­ suchen und mein Team FC Surprise Zürich spielen sehen. Dies­mal werde ich es anfeuern, anstatt selbst auf dem Platz zu ­stehen. Dann wird sicher ein bisschen Wehmut aufkommen.» Aufgezeichnet von GEORG GINDELY

Surprise 422/18


IST GUT. KAUFEN! Machen Sie sich selbst eine Freude oder überraschen Sie jemanden mit einem passenden Geschenk. Sie unterstützen damit eine gute Sache.

SURPRISE-RUCKSACK CHF 99.– (exkl. Versandkosten) Modell Ortlieb-Velocity, 24l, wasserfest. Hergestellt in Deutschland. Erhältlich in rot, schwarz und ultramarin.

SURPRISE-GYMBAG CHF 20.– (exkl. Versandkosten) 100% Baumwolle, hergestellt in Handarbeit in Griechenland. Erhältlich in rot und schwarz.

SURPRISE-ETUI CHF 27.– (exkl. Versandkosten) Hergestellt von JLTbag in Altdorf, Uri. JLTbag beschäftigt in der Produktion anerkannte Flüchtlinge und fördert damit deren Ausbildung und Integration. Erhältlich in rot und schwarz.

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Sonntag 15. April Zentrale Pratteln Gallenweg 8 11 – 17 Uhr

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