Strassenmagazin Nr. 440 14. Dez. 2018 bis 3. Jan. 2019
CHF 6.–
davon gehen CHF 3.– an die Verkaufenden
Festtagsheft
Besinnt euch! Drei Weihnachtsgeschichten über das Menschsein
Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass
GESCHICHTEN VOM FALLEN UND AUFSTEHEN Kaufen Sie jetzt das Buch «Standort Strasse – Menschen in Not nehmen das Heft in die Hand» und unterstützen Sie einen Verkäufer oder eine Verkäuferin mit 10 CHF. «Standort Strasse» erzählt mit den Lebensgeschichten von zwanzig Menschen, wie unterschiedlich die Gründe für den sozialen Abstieg sind – und wie gross die Schwierigkeiten, wieder auf die Beine zu kommen. Porträts aus früheren Ausgaben des Surprise Strassenmagazins ergänzen die Texte. Der Blick auf Vergangenheit und Gegenwart zeigt selbstbewusste Menschen, die es geschafft haben, trotz sozialer und wirtschaftlicher Not neue Wege zu gehen und ein Leben abseits staatlicher Hilfe aufzubauen. Surprise hat sie mit einer Bandbreite an Angeboten dabei unterstützt: Der Verkauf des Strassenmagazins gehört ebenso dazu wie der Strassenfussball, der Strassenchor, die Sozialen Stadtrundgänge und eine umfassende Beratung und Begleitung. 156 Seiten, 30 farbige Abbildungen, gebunden, CHF 40 inkl. Versand, ISBN 978-3-85616-679-3 Bestellen bei Verkaufenden oder unter: surprise.ngo/shop Weitere Informationen T +41 61 564 90 90 | info@surprise.ngo | surprise.ngo | Facebook: Surprise NGO
Kultur
Solidaritätsgeste
STRASSENCHOR
CAFÉ SURPRISE
Lebensfreude
Entlastung Sozialwerke
BEGLEITUNG UND BERATUNG
Unterstützung
Job
STRASSENMAGAZIN Information
Zugehörigkeitsgefühl Entwicklungsmöglichkeiten
STRASSENFUSSBALL
Expertenrolle
SOZIALE STADTRUNDGÄNGE Perspektivenwechsel
SURPRISE WIRKT Surprise unterstützt seit 1998 sozial benachteiligte Menschen in der Schweiz. Unser Angebot wirkt in doppelter Hinsicht – auf den armutsbetroffenen Menschen und auf die Gesellschaft. Wir arbeiten nicht gewinnorientiert, finanzieren uns ohne staatliche Gelder und sind auf Spenden und Fördergelder angewiesen. Spenden auch Sie. surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: PC 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3
Erlebnis
TITELBILD: TOM HUBER
Editorial
Identitäten Weihnachten ist ein eigenartiges Fest. Erst wird die ganze Hektik hochgefahren, danach ist plötzlich Stille. Ende November schon erreichte das Festtagstreiben vor den Warenhauseingängen einen ersten Höhepunkt. Autor Benjamin von Wyl hat für uns genauer draufgeschaut, im wortwörtlichen Sinn, Sie werden’s sehen. Dabei hat er festgestellt, was Advent für viele Menschen offensichtlich bedeutet: nämlich Konsum. Man könnte hiervon ein paar Antworten darauf ableiten, wer wir sind und was wir sollen auf dieser Welt. Aber wir wollen ja nicht das Christkind verscheuchen. Lesen Sie das sorgfältige Protokoll eines Samstagnachmittags ab Seite 10. Und dann, wenn es während der Festtage ganz still wird, überkommt die Menschen, was sie im Alltag ausblenden: Einsamkeit, Zweifel, das Bedürfnis nach Gespräch. Sie rufen dann vielleicht Loris an, den Mitarbeiter der Dargebotenen Hand, um mit ihm über ihre Ängste, den verstorbenen
4 Aufgelesen 5 Fokus Surprise
Hund oder auch die Börsenkurse zu reden (Seite 20). Vielleicht geht es auch hier im Grunde darum, wer man ist und was man soll auf dieser Welt. Eine Frage, die sich den Menschen im Westjordanland auf besonders intensive Weise stellt. An der strahlenden Retortenstadt Rawabi scheiden sich die palästinensischen Geister: Für die einen bedeutet sie Modernisierung, sprich die Zukunft, für andere bleibt sie ein leeres Symbol. Sinnbildlich dafür: der einsamste Weihnachtsbaum der Welt (Seite 16). Klaus Petrus hat die Geschichte aufgeschrieben, deren Fazit uns alle angeht: Ein Christbaum und ein paar Luxus-Produkte machen noch nicht die Identität aus, die wir zum Leben brauchen – an Weihnachten und darüber hinaus. Ich wünsche Ihnen ein frohes Fest und alles Gute DIANA FREI Redaktorin für das neue Jahr.
10 Einkaufswahn
26 Veranstaltungen
Protokoll des Konsums
27 Agglo-Blues Eine Geschichtslektion
Nicht stranden lassen
28 SurPlus Positive Firmen
6 Moumouni …
... und eine Kleinigkeit 16 Westjordanland 7 Die Sozialzahl
Nichtbezug von Sozialleistungen
Eine Retortenstadt soll 29 Wir alle sind Surprise Impressum für Öffnung stehen Surprise abonnieren 22 Seelsorge
Gespräche im Schatten 30 Surprise-Porträt «Jetzt arbeite des Weihnachtsbaums ich an mir»
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Aufgelesen News aus den 100 Strassenzeitungen und -magazinen in 34 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.
Zu Weihnachten schenke ich Dir ein Lied Das Internationale Netzwerk der Strassenzeitungen INSP hat Verkaufende weltweit gefragt: Wenn Sie zu Weihnachten ein Lied verschenken könnten, welches würden Sie wählen? Eine Auswahl der Antworten sowie die Playlist mit Beiträgen von fast 100 Verkaufenden von 38 Strassenzeitungen aus über 22 Ländern zum Anhören auf Spotify oder über Youtube finden Sie hier:
Priscilla Tait
Freedom Odaro Starboy ft. Terri, Spotless, Ceeza Milli, Wizkid, «Soco» «Ein afrikanischer Beat lässt mich meine Sorgen vergessen.»
Harry Belafonte, «Turn the World Around» «Ich wuchs mit meinen inzwischen verstorbenen Grosseltern Sarah und Thomas auf dem Gebiet der Wet’suwet’en auf. Dieser Song liess mich komplett sorgenfrei tanzen. Meine Grosseltern erlaubten mir, meiner Fantasie freien Lauf zu lassen. Sie waren mein Fels – mit Liebe, Tränen und Gelächter gaben sie mir Halt.»
MEGAPHONE, VANCOUVER
MARIE, VORARLBERG
Carlos Santana, «Black Magic Woman» «Das Lied ist magisch, animiert mich zum Tanzen und gibt mir den Glauben, dass die Zukunft besser sein wird. Ich erinnere mich, dass ich es in der Weihnachtszeit angehört habe, als ich meine frühere Frau, eine Argentinierin, kennengelernt habe – das ist schon lange her.»
FAKTUM, GÖTEBORG
Vielen Dank den Übersetzerinnen und Übersetzern. Mit freundlicher Genehmigung von INSP.ngo
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Fokus Surprise
Brigitte Krasnici Tony Marshall, «Bora Bora» «Jedes Mal, wenn ich dieses Lied höre, habe ich das Gefühl, dass ich im Urlaub bin. Das Thema ist, dass man frei lebt und doch miteinander befreundet ist. Das ist ein wunderbarer Weg, das Leben zu sehen.» STRASSENKREUZER, NÜRNBERG
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Was nimmst du mit auf die einsame Insel? Meine Antwort auf diese Frage irritiert vielleicht: eine Geschirrspülmaschine. Das ist weder feingeistig (ein Buch) noch pragmatisch (ein Sackmesser) noch sozial (meine Freunde). Meine Geschirrspülmaschine steht für den Komfort, den ich in meinem Leben habe. Natürlich wüsste ich mit einer Geschirrspülmaschine auf einer einsamen Insel nichts anzufangen. Aber sie steht für mich dafür, was die meisten von uns sich immer wieder bewusstmachen müssen: Wir leben in einer Gesellschaft, die uns ziemlich weit weg vom Überlebenskampf in der Natur gebracht hat. Die meisten von uns leben auch weit weg von den Überlebenskämpfen, die täglich vor unserer Haustür stattfinden. Das führt zu einer nächsten, sehr viel konkreteren Denkaufgabe: Was nimmst du mit, wenn du auf der Strasse leben müsstest? Die Frage, die mir unsere beiden Stadtführerinnen Lilian und Danica gestellt haben, liess mich lange nachdenken. Darauf habe ich keine Antwort. Auch nach der Teilnahme an Dutzenden von Sozialen Stadtrundgängen von Surprise und anderen Institutionen – es ist so unglaublich schwierig, das Leben auf der Strasse in all seinen Facetten nachzuvollziehen. Ich als Frau bin oft sprachlos, wenn mir unsere Stadtführerinnen einen Einblick in ihr Leben ermöglichen, das von Missbrauch, Gewalt und Schicksalsschlägen geprägt ist. Ungefähr ein Drittel der Personen, die eine Anlaufstelle für niederschwellige Hilfe aufsuchen (z.B. die Gassenküche oder die Obdachlosenhilfe), sind Frauen. Frauen landen tatsächlich weniger schnell auf der Strasse, sie holen sich früher Hilfe und sind sozial besser vernetzt als Männer. Sind sie aber mal auf der Strasse, dann sind sie besonders schutzlos – und das führt oft zu Gewalt und Demütigungen. Es ist Weihnachten, und die Vorstellung, dass Menschen in dieser Zeit alleine und auf der Strasse leben müssen, lässt uns tiefer in die Tasche greifen und grosszügig spenden. Das ist für alle Hilfswerke und alle diejenigen, die auf Spenden angewiesen sind, natürlich grossartig. Aber wie wäre es, wenn wir gar nicht so grosszügig sein müssten? Was, wenn wir unsere Gesellschaft so organisieren würden, dass alle ein
FOTO: TOBIAS SUTTER
Niemanden stranden lassen
«Was, wenn wir unsere Gesellschaft so organisieren würden, dass alle ein Dach über dem Kopf hätten und dass alle einer Beschäftigung nachgehen könnten?» Paola Gallo, Geschäftsführerin Surprise.
Dach über dem Kopf hätten, dass alle einer Beschäftigung nachgehen und so in der Gesellschaft im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihren Teil beitragen könnten? Solche Gesellschaftsmodelle gibt es. Lasst uns an einer solchen Gesellschaft arbeiten. Wir von Surprise sind bereits auf diesem Weg. Wir verhelfen Menschen zu einer Arbeit, lassen sie am öffentlichen Leben teilhaben – und wir versuchen, der Gesellschaft die Augen zu öffnen. Wir zeigen auf, was Armut bedeutet, und wir finden Wege abseits der Strasse. Solange wir also an dieser Zukunft bauen: Was würde ich heute mitnehmen, müsste ich auf der Strasse leben? Die Zuversicht, bei vielen sozialen Institutionen und Organisationen Unterstützung zu erhalten. Diese sind nötig, um die Lücken im sozialen Netz zu schliessen, durch die unsere Gesellschaft zu viele Menschen fallen lässt. Surprise gehört hier dazu. Wir arbeiten daran, dass die Frage «Was würdest du auf die Strasse mitnehmen?» irgendwann genauso hypothetisch ist wie: «Was würdest du auf eine einsame Insel mitnehmen?» 5
ILLUSTRATION: RAHEL NICOLE EISENRING
die Schweiz! Zwar stehen dort Hochhäuser statt Berge, aber das ist ja super ähnlich: kratzt beides metaphorisch an den Wolken. Während man in der Schweiz, wenn man das nötige Grossgeld hat, ein Hotel mit Bergblick bezieht, bucht man in Singapur eines mit Wolkenkratzerpanorama. Auf einem prangt sogar ein riesiges UBS-Logo. Und man kann teuer shoppen. Eigentlich ist Singapur ein bisschen wie die Zürcher Bahnhofstrasse in gross. Und die Strassen: an Sauberkeit kaum zu übertreffen! Wie in der Schweiz. Auch die Gespräche über die beiden Länder sind ähnlich. Wie oft hörte ich mich selbst von eben diesen sauberen Strassen erzählen und davon, wie teuer es ist, bis ich nicht mehr wusste, von welchem der beiden Länder ich gerade redete.
Moumouni …
… und eine Kleinigkeit Die Schweiz ist eine Welt für sich. So sehr, dass sie sich ständig um die eigene kleine Achse dreht. So sehr, dass sie vergisst, was für ein kleiner Furz im Universum sie ist. Sie vergisst, dass sie gar nicht der Mittelpunkt dieses Universums ist. Wenn ich mal wieder zu lang am Stück in der Schweiz war, bin ich selbst immer wieder überrascht, wie wichtig auch ich sie wieder genommen habe. Jeder Auslandsbesuch ist ein kleiner NeilArmstrong-Moment, in dem ich realisiere, dass es da draussen tatsächlich noch etwas anderes gibt. Etwas anderes als Käse, Geld, Berge, Schokolade und Kleinheit. Das klingt plump, aber genau das ist es auch. Die Schweiz präsentiert sich als Olma in gross: Kühe, Edelweiss, Bratwurst. Oder als Kleinkind, das nur sich selbst sieht. «Selbeeeerrr» hört man es nach infantiler Selbstbestimmung kra6
keelen – wie bei der letzten Abstimmung. Man möchte dem Kind erklären, warum das eigentlich nicht geht. Aber erklär mal einem Kind, dass es Entscheidungen gibt, die es nicht alleine zu treffen hat. Bei mir hält die erfrischende Aussenperspektive, die ich mir zurückerobere, sobald ich mal wieder das Land verlassen habe, nie sonderlich lange an. Schnell wird man wieder eingesogen von der Heidischweiz, am Flughafen in Zürich zum Beispiel durch den Kuhglockensound in der «Skymetro», den überpräsenten Schweizerkreuzen, den grossen Plakaten, die irgendetwas mit Swiss Quality anpreisen. Das letzte Mal, als ich mich aus dem Swissversum herauspellte, landete ich in Singapur. Ich war zu einem Literaturfestival eingeladen und, als ich da ankam, war ich überrascht. Singapur ist ja wie
Und dann das Selbstverständnis darüber, wie gut alles funktioniert im Gegensatz zu den Nachbarländern. Das Narrativ, es gebe keine armen Menschen (zu dessen Aufrechterhaltung Obdachlose und Randständige aus dem Stadtbild verdrängt werden). Und wie wichtig die Grenzen sind! Singapur ist ein Steuerparadies, hat keine Rohstoffvorkommen und ist eines der reichsten Länder weltweit. Kommt mir bekannt vor. Und dann ist da noch die Überwachung. Die ist in Singapur schon ein bisschen krasser. Aber zumindest wurde dort nicht auch noch darüber abgestimmt, wer wie sehr überwacht werden darf. Vielleicht ist es auch einfach nur unpräzise, die Kleinheit der beiden Länder so in den Mittelpunkt zu stellen und damit irgendetwas aussagen zu wollen. Sie sind schliesslich so klein, dass man etwas genauer hinschauen muss, um irgendetwas zu erkennen.
FATIMA MOUMOUNI hat noch nie so viele Texte über die Schweiz geschrieben, wie seitdem sie hier lebt.
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INFOGRAFIK: BODARA ; QUELLE: OLIVER HÜMBELIN (2016): NICHTBEZUG VON SOZIALHILFE: REGIONALE UNTERSCHIEDE UND DIE BEDEUTUNG VON SOZIALEN NORMEN. UNIVERSITY OF BERN SOCIAL SCIENCES WORKING PAPER NO. 21. BERN, S. 18
Die Sozialzahl
26,3 Prozent IV-Renten, Prämienverbilligungen zu den Krankenversicherungen, Sozialhilfe: Alle diese Sozialleistungen und viele weitere mehr muss man bei einem Amt beantragen. Viele, die ein Anrecht auf solche materielle Unterstützung durch den Sozialstaat haben, nehmen dieses nicht in Anspruch. Besonders gravierend ist dies im Fall der Sozialhilfe. Im Jahr 2016 lebten in der Schweiz 615 000 Personen in armutsbetroffenen Haushalten. Aber nur 273 000 Personen bezogen Sozialhilfe. Auch wenn diese beiden Zahlen aufgrund der unterschiedlichen Erhebungsmethoden nicht direkt vergleichbar sind, lassen sie aufhorchen. In einer Studie der Berner Fachhochschule wurden die kantonalen Steuerdaten von 2012 auf diesen Sachverhalt hin ausgewertet. Es zeigte sich, dass 26,3 Prozent der anspruchsberechtigten Personen keine Sozialhilfe beziehen. Man darf davon ausgehen, dass die gesamtschweizerische Nichtbezugsquote ebenfalls in dieser Grössenordnung liegt. Warum verzichtet rund ein Viertel der armutsbetroffenen Bevölkerung auf materielle Unterstützung und nimmt damit sein Anrecht auf Hilfe in Not nicht wahr? Viele suchen die Gründe bei den Personen selber. Sie wissen nichts oder zu wenig über ihre Anspruchsberechtigung und darüber, wie man einen Antrag auf Sozialhilfe korrekt einreicht. Sie schämen sich und fürchten die Stigmatisierung. Es kann auch sein, dass sie auf materielle Hilfe verzichten, weil diese zu weiteren Einschränkungen führt, etwa dem Verzicht auf ein Auto. Diese Haltung findet sich zuweilen bei Working-Poor, die mit ihrem Einkommen nicht weit unter der Armutsgrenze liegen. Schliesslich gibt es auch Menschen, die auf die Hilfe durch den Sozialstaat bewusst verzichten. Sie wollen nicht vom Staat abhängig sein.
Wenn ein Viertel der Anspruchsberechtigten auf den Bezug von Sozialhilfe verzichtet, kann man sich natürlich auch die Frage stellen, ob der Sozialstaat seinem Auftrag gerecht wird. Oder muss man sogar davon ausgehen, dass das Sozialamt froh darüber ist, dass nicht alle, die könnten, auch ihre Leistungen beanspruchen? Denn die aktuelle Armutspolitik in einigen Kantonen lässt den Verdacht aufkommen, man lege es darauf an, die Zahl der Sozialhilfebeziehenden zu senken. Das beginnt bei gesetzlichen Regelungen, zum Beispiel für Jahresaufenthalter, bei denen ein Bezug von Sozialhilfe dazu führen kann, dass ihre Aufenthaltsberechtigung nicht mehr verlängert wird. Es geht weiter mit einem aufwendigen und komplizierten Antragsverfahren, dass auf viele potenziell Anspruchsberechtigte rasch abschreckend wirkt. Und es endet in den Bedingungen für den Sozialhilfebezug: von der Verwandtenunterstützungspflicht bis zur Rückzahlungspflicht, vom Druck, jede Arbeit annehmen zu müssen, bis zur Pflicht, an arbeitsmarktlichen Integrationsmassnahmen teilzunehmen. Beziehen Berechtigte die ihnen zustehenden Leistungen nicht, wird zwar das Sozialhilfebudget geschont. Die Folgen des Nichtbezugs von Sozialhilfe werden aber zu wenig bedacht. Ein Leben unter dem Existenzminimum kann zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen, zu wachsender Verschuldung, zu prekären Wohnverhältnissen und Vereinsamung. Wo Kinder in solchen Haushalten leben, droht eine soziale Vererbung der Armut mit gravierenden Kostenfolgen für ebendiesen Sozialstaat.
PROF. DR. CARLO KNÖPFEL ist Dozent am Institut Sozialplanung, Organisationaler Wandel und Stadtentwicklung der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz.
Der Nichtbezug von Sozialhilfe
% 73,7 Anteil Bezug
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26,3%
Anteil Nichtbezug
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Im Auge des Weihnachtsmanns Einkaufswahn Die Vorweihnachtszeit gibt den Menschen einen Freipass zum Geldausgeben. Freude am Schenken. Kaufrausch. Feststimmung. – Wirklich? Wir haben das Shoppingverhalten in Basel beobachtet. 12 Stunden am Stück und mit einem gewissen Überblick. TEXT BENJAMIN VON WYL
Die Greifengasse im Kleinbasel ist ein Einkaufs-Hotspot. Vom Hanfladen bis zur Migros mit drei M gibt es alles auf den 300 Metern zwischen der in die Ferne blickenden Helvetia-Statue am Rhein und dem Claraplatz. Sogar Koks – das allerdings erst abends. Fast 300 Franken pro Person geben die Menschen in der Schweiz für Weihnachtsgeschenke aus. Während der Weihnachtszeit sticht die Manor hervor. Ich wohne ihr gegenüber. Letztes Jahr leuchtete uns Anwohnern eine nervös blinkende Schleife in die Wohnungen; dieses Jahr blinkt ein überdimensionaler Weihnachtsmann, immerhin nur halb so nervös. Der Rauschebart hat dafür Augen – und liest irgendwas. Er hält die Rückseite eines Zettels vor sich. Der Weihnachtsmann ist der Grund, weshalb meine Vorhänge nachts geschlossen sind. Die Aussicht auf die Greifengasse hat ganzjährig ihren Preis: Bis Mai wehen Räppli (Konfetti) durchs offene Fenster ins Zimmer. Bei offenem Fenster schlafen ist ganzjährig unmöglich: Geschrei, Drehorgeln, abbremsende Trams, Betrunkene. Es ist trotzdem toll, hier zu leben, man ist ab der Welt im Zentrum der Stadt. Die Leute auf der Strasse gucken nie hoch, weil sie gar nicht damit rechnen, dass hier jemand lebt. Eine ideale Beobachterposition. Am Samstag nach «Black Friday», dem vor fünf Jahren importierten Konsumfeiertag, sitze ich von 12 Uhr mittags bis 12 Uhr nachts im Fenster und gucke rüber und runter. 2015 verprassten die Menschen in der Schweiz im Schnitt noch 275 Franken für Weihnachtsgeschenke, 2016/17 bereits mehr als 290, sagt eine Studie von Ernst & Young. Etwa 70 Prozent der Geschenke werden einen Monat vor WeihSurprise 440/18
FOTOS TOM HUBER
nachten gekauft: Der Einkaufs-Peak, er ist Ende November. Er ist jetzt. Und er ist hier: Der Löwenanteil dieses Geldes fliesst in Warenhäuser. Der Manor-Klaus kann sich freuen. Darum beobachte ich den Weihnachtseinkaufsrummel, die Leute, den Konsum-Rhythmus, dessen Zahnrädchen auch nach Ladenschluss nicht stillstehen. 12 Stunden Fokus auf den warm belüfteten Haupteingang der Manor, 12 Stunden, um darüber nachzudenken, ob der Weihnachtsmann den rührenden Brief eines Kindes liest, seine eigene Weihnachtswunschliste macht oder doch eine Statistik über die Einkaufsexzesse der Vorweihnachtszeit führt.
12:03 Der überdimensionierte Weih-
nachtsmann leuchtet auch tagsüber. Obwohl er gegen das Tageslicht nicht ankommt. Aus Strassenperspektive ist diese Weihnachtsdeko die Kosmetik eines makellosen Konsumtempels (mit grosser Kosmetikabteilung). Was die Einkaufenden nicht sehen: das Moos auf dem Manor-Vordach, das Kabelgewirr, das den Weihnachtsmann mit Saft versorgt, die Tauben und ihre Kacke. 12:10 Stell dir vor, die Weihnachtsbeleuch-
tung ist an und die Leute trinken ihren Kaffee draussen. Realität im Jahr 2018. Das Caffè Spettacolo im Manor-Erdgeschoss hat Stühle rausgestellt. Hie und da bekommen die Gäste sogar Sonnenstrahlen ab.
12:00 Gestern waren die Manor-Schau-
fenster überklebt von Black-Friday-Werbung; heute ist bereits «Special Christmas». Schilder preisen Gratis-Essen für Kinder unter 12 Jahren an den verkaufsfreien Sonntagen im Dezember an. Die Manor betreten an diesem Samstag Leute in Trainerhosen aller Preisklassen, Jeans, Anzügen, Mänteln, Outdoor-Funktionskleidern. Auf Social Media streiten sich die Menschen, ob Black-Friday-Rabatte Fluch oder Segen für sozial Schwache sind. Manor gelingt es, von Trainerhosen bis Anzugshosen Kundinnen und Kunden anzusprechen. Gratis-Essen sind für ärmere Familien natürlich wichtiger als für Leute, die auch beim Samstagseinkauf so aussehen, wie ich mir das Logenpublikum an einer Opernpremiere vorstelle.
12:26 Die Trams fahren an; die Trams stop-
pen ... «HEY!» Der Rennende touchiert das hängende Schild mit der Aufschrift «Rabatt-Tage» vor der Migros. Es schwingt. Der Rennende hat eine Pralinés-Box unterm Arm. Der Schreiende, wahrscheinlich ein Ladendetektiv, rennt ihm nach. Die anderen rennen nicht, sondern gehen so gestresst oder ungestresst wie zuvor. 12:27 Am 8er wirbt ein Shopping-Center
für Einkaufstourismus ennet der Grenze, in Weil am Rhein, wo der 8er auch hinfährt. Das 14er-Tram wirbt hingegen für «Räumungen, Entsorgungen: Anna Brockenhaus». Ein Kreislauf. 12:58 «Kein Platz für Faschismus» steht
auf dem Plakat einer Wartenden vor dem Manor-Eingang. Sie wartet wohl auf ihre Begleitung zur Demo auf dem Messeplatz. Sie hält einen Schwatz mit einer Gruppe 11
Fellkapuzenmänner. Neben ihnen rauchte zuvor ein Manor-Bäcker seine Pausen-Zigi. Ältere Pärchen montieren ihre Schals, Väter warten mit Kinderwägen, manche eine halbe Stunde lang. Ein Grosi telefoniert und dreht sich dabei im Kreis. Sie dreht sich, weil ihr Enkel sie ins Warenhaus zerren will. Der 3-Meter-Radius um den Eingang ist eine Begegnungszone. 13:10 Zeit für ein Tragtaschenprotokoll:
Jemand geht mit Linksdrall, auf der linken Schulter ein Plastiksack, aus dem Geschenkpapierrollen linsen. In ManorSäcken erkennt man goldene PanettoneVerpackungen. Ausserdem: Migros-Säcke, Ochsner-Sport-Säcke, Globus, Interdiscount, Franz Carl Weber, Jutetaschen, Seesack-Rucksäcke mit viel Stauraum. Wer bereits beladen ist, geht langsamer.
13:34 Ein Tramfahrer hat ein Vogel-Stoff-
tier bei sich in der Führerkabine postiert; in die Gegenrichtung fährt ein Cargobike. Vorne drin sitzt ein Kleinkind und reisst ein Bilderbuch aus der Verpackung; die Mutter tritt in die Pedale.
Verkäuferin zum ersten Mal die volle Kiste gepresster Orangen. Die Kiste fasst mindestens 20 Liter. 14:45 Zwei Tauben haben hinter der gros-
sen Special-Christmas-Schrift Sex.
14:14 Viele, die aus der Manor kommen,
15:08 Zum ersten Mal an diesem Nachmit-
tragen übergrosse Säcke der Kosmetikmarke Sephora. Was ist da drin? Ein Jahresvorrat Wimperntusche für alle Cousinen und Cou-Cousinen?
tag entdeckt ein Vierjähriger das Spielplatz-Potenzial des Hängeschilds vor dem Laden: schwingen und dazwischen stehen. 15:19 Die Sonne scheint. Alle Tische vor dem
14:28 Mein Mitbewohner und ich zählen
erstmals während einer Minute, wer die Manor betritt und wer sie verlässt. 48 rein in die Manor, 46 kommen raus. Viel mehr, als wir geschätzt haben. Hochgerechnet auf die Stunde wären das 2880 Kundinnen und Kunden. Zehn Stunden ist die Manor am Samstag geöffnet, wären also 28 800 Konsumfreudige bis -ermüdete.
Spettacolo sind besetzt. Jemand packt seinen Einkauf in einen Plastiksack mit Goldfischli-Knabbersnack-Aufdruck. Irgendwie ehrlich: Konsum mit Junkfood-Label. 15:50 Wenn ich das Fenster öffne und die
Augen schliesse, klingt die Vorweihnachtsstadt nach Basar-Szene in einem Römerfilm. Ausser ein Tram bremst ab, oder der Polizeihelikopter dreht seine Kreise.
14:32 Vor dem Warenhaus verkauft Manor
am eigenen Stand Zopf, Orangensaft und Glühwein. Seit Protokollbeginn leert die
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16:03 «Der sieht immer mehr aus wie
17:14 Im letzten Manor-Schaufenster Rich-
17:45 Nachgreifen, nochmals und noch-
Gandhi», sagt der Mitbewohner über den Weihnachtsmann, der mit dem schwindenden Licht an Ausdruck gewinnt. Die Taschen jener, die die Manor verlassen, werden kleiner.
tung Claraplatz läuft ein hauseigener Animationsfilm im Pixar-Stil. Kinder gucken süchtig.
mals nachgreifen. Die Stofftasche muss wirklich korrekt auf der Schulter liegen. Dann: Stirnband richten, loslaufen. Wer die Manor jetzt verlässt, hat den Tagesstress hinter sich und kann sich Zeit lassen.
17:15 Vor dem Spettacolo sitzen die Leute noch immer draussen.
16:10 Familienmitglieder präsentieren ei-
nander das Ergatterte. War das schon immer ein Ding, oder ist das eine Auswirkung der Youtube- und Instagram-Influencer, die nichts anderes tun, als ihren Fans ihre Einkäufe zu präsentieren? «Shopping Haul» nennt man das. 16.52: Woher kommt plötzlich der Müll?
Servietten, Scientology-Flyer, ein Playmobil-Katalog auf der Strasse verteilt.
17:48 31 gehen rein, 31 gehen raus. Die aus17:20 34 gehen in die Manor rein, 41 raus.
geglichene Minute kurz vor Ladenschluss.
17:23 Das 8er-Tram aus Deutschland ist
17:55 Pieps. Pieps. Pieps. So tönt jede
vollgestopft mit Menschen. 17:34 Der Glühwein-Orangensaft-Zopf-
zweite Tasche. Der Security steht jetzt im Eingang – und kontrolliert die Einkäufe der Piepsenden.
Stand wird abgebaut. Noch immer käffelen Menschen draussen. Bei um die 6 Grad.
18:05 20 Menschen warten vor der Manor,
bis ihre Einkaufsgschpänli nachkommen. Wer zurück will, wird nicht mehr reingelassen.
16.59: Die Frau trägt neue Bettduvets, pro
Hand eines. Der Mann eine Art Hexenhaus voll Schoggi. Sie lächeln. Die Einkaufenden wirken entspannter als um den Mittag. Liegt es am Strassenmusiker mit dem Akkordeon? Surprise 440/18
18:08 Umzugslaster fahren an und vertrei-
ben die Wartenden. Laut Autokennzeichen kommen sie aus dem Waadtland.
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18:10 Aus den Umzugslastern werden Wer-
bestände und Kistenberge der Parfümmarke Chanel ausgeladen. Spätarbeit zur Vorbereitung des Konsums der nächsten Woche. 18:14 Noch immer versuchen Leute rein-
zukommen, diskutieren mit einem ManorMitarbeiter im Anzug. Der verwirft die Hände. Die Kundinnen blättern in Prospekten und stehen den Chanel-Transporteuren im Weg. Die durchgefrorene Orangensaft-Verkäuferin darf endlich ihren Posten verlassen. 18:20 Aus dem einen Laster wirft jemand
zwei Verkehrshütchen auf den Asphalt. Dann werden sie postiert. 18:45 Eine Mutter veranstaltet mit ihren
zwei Kindern ein Fotoshooting vor dem Eisbärteddy-Turm im Schaufenster. Es wird das erste von vielen Schaufenstershootings an diesem Abend gewesen sein. 19:15 Die Manor-Türen sind schon lange
geschlossen, aber trotzdem versuchen immer wieder Passanten – es sind alles Männer – reinzugehen. Ihre Begleiterinnen lachen sich jeweils kaputt. 19:30 Es ist still, sehr still. Busse und Trams
sind auch leer. 20:09 Ein asiatisches Pärchen will ins
21:15 Der Rosenverkäufer quert die Grei-
22:17 Passantinnen gehen schneller, der
Warenhaus. Sie gucken überrascht, als sie bemerken, dass geschlossen ist. Der nächtliche Greifengasse-Konsum ist spontan, getrieben und landet unter keinem Weihnachtsbaum: Fastfood, Alkohol, Drogen ...
fengasse erneut, aber jetzt trägt er die Rosen wie einen Blumenstrauss. Er ist im Dienst.
Laster ist noch immer offen. Offener Lastwagen, zwei Verkehrshütchen, Samstagnacht im Stadtzentrum. Die Schweiz in a nutshell.
20:11 ... und Rosen? Ein Rosenverkäufer
schultert sein Verkaufsgut wie ein Bauer seine Spitzhacke.
21:21 Man denkt, sie bauen sich einen Joint,
aber nein: Fünf Jugendliche nehmen einen Schnupf beim Bänkli. Sind wir hier bei einer Luzerner Hundsverlochete oder was? Priis!
22:22 Ohne Licht wirkt der Weihnachts-
mann verzweifelt. Nicht mehr wie ein spendabler Onkel. Eher wie jemand, der seine Brille sucht, obwohl er sie trägt.
21:44 Die Umzugslaster stehen noch im20:20 Ein Kind schaut bereits zehn Minu-
ten lang den Animationsfilm im Schaufenster, hüpft zwei Mal hoch, um mit dem Bildschirm auf Augenhöhe zu sein. Warum schaut es nicht zuhause fern? 20:50 Die Greifengasse lebt wieder. Abends
ist sie Transitzone für alle unterwegs zu und vom Amüsement. Wer sein Amüsement darin sieht, auf der Strasse zu trinken, bleibt länger. So wie gerade diese Jugendlichen, die klarem Alkohol und Klatschspielen gleichermassen zugeneigt sind.
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mer vor dem Laden. Der hintere ist noch immer offen. Was arbeiten die da drinnen so lange? Und wie viel Vertrauen haben die in besoffene Passanten?
22:26 Die Chanel-Anlieferer stehen wieder
22:00 Dem Weihnachtsmann geht das
22:37 Ein Angetrunkener sucht halbge-
Licht aus.
rauchte Zigaretten am Strassenrand. Die Laster fahren los.
um die Laster herum. Einige mit einem Fensterspray, andere mit einem Mineralwasser in der Hand. Feierabend?
22:38 – 22:50 Leere.
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Tom Huber Tom Huber (*1976) ist Fotograf. Er hat 2002 die Kunstschule Gerrit Rietveld Academy in Amsterdam abgeschlossen. Er lebt mit seiner Frau und drei Söhnen in Zürich. www.tom-huber.net
22:50 Es ist jetzt 3 Grad kalt. Punks setzen
23:39 Mutmasslich besoffene Männer, die
sich aufs Trottoir vor die Manor-Schaufenster. Schräg gegenüber nehmen zwei Koksdealer ihre Stammposition ein.
Frauen belabern. Frauen, die Männer ertragen. 23:51 Punks ziehen ab.
23:01 Auch in der Manor ist es jetzt dunkel.
Ausser den Securities haben alle Feierabend. 23:08 Und sie sitzen noch immer dort.
Sechs Menschen, zwei Hunde, eine Gitarre. Trotz Blasenentzündungstemperaturen wirkt es gemütlich. 23:09 Mit den Schaufenstern geht das
letzte Warenhaus-Licht aus. Die stehenden Punks torkeln, die Sitzenden sind stabil, ein Polizeiauto fährt vorbei. 23:20 Jemand hat sich ein Taxi zum Mc-
Donald’s bestellt und steigt mit einem Fastfood-Sack ein. Arme Taxifahrerin hat den Gestank im Wagen.
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Am nächsten Tag leuchtet der Weihnachtsmann wieder. Und die Basler Stimmbevölkerung lehnt längere Ladenöffnungszeiten ab. Ich bin dankbar. Die zwölf Stunden am Fenster mit Blick auf das Warenhaus haben müde gemacht. Aber sie haben mich nicht so erschlagen, wie ich erwartet hatte. Nicht alle Einkaufenden wirkten wie neurotische Hamster, die sich kurz vor dem Winterschlaf ihre Bäckchen vollstopfen. Manche liessen sich treiben oder guckten sich bloss Schaufenster an. Nachdem ich darüber nachgedacht habe, finde ich das ebenso traurig wie das Hamsterkaufen. Die irr blickenden Werbe-Gnome, der Eisbärteddy-Turm und pralle Taschen mögen für manche ein entspannender Ausgleich sein. Für die Stimulierung derer leisten dann andere Samstagsspätarbeit. Da steht mir der torkelnde Müssiggang der Punks näher. Aber dieses Jahr zieh ich den Durchschnitt der Schweizer Weihnachtsausgaben sowieso runter: Ich schenke niemandem etwas. 15
Verziert und vergessen Westjordanland Mitten im Heiligen Land steht der einsamste Weihnachtsbaum der Welt. In die Retortenstadt Rawabi ziehen keine Christen, die ihn zu würdigen wüssten. Auch sonst lebt kaum jemand in der palästinensischen Geisterstadt. TEXT UND FOTOS KLAUS PETRUS
Rawabi Ramallah
WESTJORDAN
ISRAEL
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Er ist der einsamste Christbaum der Welt. Auf einem Hügel, mitten im Gelobten Land. Ringsherum Wüste, Sand und Steine, eine Mauer und Himmel. Und schicke Läden von Gucci, Armani, Max Mara, Mango, Gant. Plus ein Spielpark. Ein nachgebautes Amphitheater. Im Rohbau eine Moschee. Und vielleicht schon bald eine Kirche. Für den Christbaum. Damit er nicht mehr so einsam ist. Auch Jack Nassar wirkt verloren zwischen diesen Häusern, die von weit oben aussehen müssen wie Dominosteine, mit denen keiner spielt. Mit dem Finger zeigt er auf das goldfarbene «Q» am Ende der Strasse auf einer grossen Wand und sagt: «Irgendwo dahinter liegt Qatar, von dort kommt das Geld. Und hier entsteht Palästinas Zukunft.» Es ist Dezember in der Wüstenstadt Rawabi rund zehn Kilometer von Ramallah entfernt, der heimlichen Hauptstadt des Westjordanlandes, und Jack Nassar, Mitte dreissig, ohne Bart und in ziemlich teuren
Kleidern, hat diesen Satz gewiss schon viele Male gesagt: «Hier entsteht die Zukunft Palästinas.» Der CEO der «Rawabi Foundation» weiss, das klingt grosskotzig und pathetisch. Doch Visionen müssen so sein. Bis 2010 gab es hier nämlich ausser einem sandigen Hügel noch gar nichts. Fünf Jahre später waren bereits 1200 Wohnungen erbaut, am Ende sollen es 6000 sein. Oder auch 8000. Das wäre dann Platz für 25 000 Menschen, je mehr, desto besser. Dazu kommen Schulen, Banken, Tankstellen, Hotels, Arkaden, ein Villenquartier mit Swimmingpools, eine Eisdiele, ein Spital und ein Zoo. Das Amphitheater nach römischem Vorbild mit übergrossen Säulenbildern von Madonna, Elvis und Sophia Loren ist bereits errichtet, eine von Rawabis ausserordentlichen Attraktionen, betont Jack Nassar mit einer vornehmen Geste. «Sie müssen mal an den Wochenenden herkommen, dann ist hier richtig was los.» Doch heute fegt nur ein trockener
Wind durch Rawabis Strassen. Aus einem Ralph-Lauren-Laden wimmert Lady Gaga ihr «Million Reasons». «Warum ist es so leer hier? Warum sind keine Namen auf den Klingelschildern der vielen Häuser, warum spielen keine Kinder auf der Strasse? Wieso, Herr Nassar, will niemand in Rawabi leben?» Über eine Milliarde US-Dollar hat das Projekt schon gekostet, zwei Drittel der Investitionen stammen von der Holding Diar Real Estate aus Qatar. Für den Rest kommt die Firma Massar des Palästinensers Bashar Masri auf, Jahrgang 1961, geboren in Nablus, Stadtherr von Rawabi. Reich wurde Masri mit Bauinvestitionen in Jordanien, Ägypten und Marokko, wo er bereits Beziehungen zur katarischen Holding aufbaute. Für Rawabi hat Masri von Beginn weg Verluste einkalkuliert. «Wenn ich hier bloss 100 Millionen US-Dollar verliere, kann ich zufrieden sein», ist ein Satz, mit dem er sich gerne zitieren lässt. Ein anderer lautet: «Die
Rawabis Stadtzentrum ist trendy gebaut. Laut Modellplan sollte es dereinst auch belebt sein wie die Piazza einer westlichen Metropole.
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Palästinenser sollen endlich sagen können: Seht, wir können das auch ohne euch!» Daran merkt man, Masri geht es nicht ums Geschäft, es geht ihm um Pionierarbeit. Darum, dass die Palästinenser sich endlich aus ihrer Opferrolle befreien. Sich nicht immer als Unterdrückte hinstellen, ein von den Israelis geknechtetes Volk, angewiesen auf die willfährige Gunst der Mächtigen ringsherum. Kooperationen mit Israelis Dabei ist Rawabi selbst nur eine Insel, in sich gekehrt, isoliert, abhängig. Abhängig zum Beispiel von Israel. Lange musste die Wüstenstadt auf die Genehmigung der Israelis für den Bau einer Wasserleitung warten, weswegen die meisten Käufer die Verträge für ihre Wohnungen wieder kündigten. Einige Wohlwollende schrieben das der Ineffizienz der israelischen Bürokratie zu, alle anderen redeten offen von Verhinderungspolitik. Nun fliesst das Wasser, dafür aber wird die einzige Zufahrtsstrasse zu Rawabi zum Ärgernis. Zwar liegt die Stadt selbst in der sogenannten Zone A, die direkt von der palästinensischen Autonomiebehörde verwaltet wird. Umringt ist Rawabi jedoch von Zone C, jenen 60 Prozent des Westjordanlandes, die vollständig unter israelischer Kontrolle stehen. Und hier, am Übergang von A zu C, dürfen die Israelis dauerhafte Checkpoints errichten. An die 100 sind über das ganze Westjordanland verteilt, für das israelische Militär eine notwendige Sicherheitsmassnahme, für die Palästinenser eine Schikane. Zwar können sie an manchen Tagen diese Grenzübergänge ruckzuck passieren, an anderen aber dauert es viele Stunden. Oder sie hoffen vergeblich auf die Gunst der israelischen Soldaten, welche die Checkpoints bewachen, müssen umdrehen und nach Hause zurückkehren. Nicht auszudenken also, sollten die Israelis ausgerechnet an der einzigen Strasse, die nach Rawabi führt, einen Checkpoint einrichten. Damit gedroht haben sie schon. Zu teuer für die Einheimischen Vielleicht ist Bashar Masri, Visionär und Patriot, auch deswegen bestrebt, mit israelischen Unternehmen zu kooperieren; das Geschäft mit israelischen Unternehmen ist so schon lukrativ. Dafür wird er heftig kritisiert, so etwa von der Organisation BDS (Boykott, Deinvestition, Sanktion), die sich gegen jede Form der Zusammenarbeit mit Israel auf wissenschaftlicher, künstleriSurprise 440/18
«Diese Stadt ist ein Musterbeispiel für die Normalisierung des Konfliktes!» SHADI Z AQTAN, BESIT ZER DER IN-BEIZ «L A GROT TA»
scher und natürlich auch wirtschaftlicher Ebene ausspricht. Auch für Shadi Zaqtan ist Masris Kooperation mit israelischen Unternehmen Grund genug, um nie im Leben nach Rawabi zu fahren. «Diese Stadt ist ein Musterbeispiel für die Normalisierung des Konfliktes!» Shadi ist um die vierzig, Musiker und Besitzer von «La Grotta», einer In-Beiz in Ramallah. Für ihn gehört Masri zu dem Schlag von Palästinensern, die ihr Land partout modernisieren und verwestlichen wollen und dabei so tun, als gäbe es die israelische Besatzung nicht. Oder als müsse man sie einfach hinneh-
men. Als sei sie das Normalste dieser Welt. «So ein Bullshit!», zischt Shadi, der nicht allein ideologische Vorbehalte hat, sondern auch die soziale Frage stellt: «Wer kann sich denn Rawabi überhaupt leisten? Die palästinensischen Brüder, die in London studiert und sich in den Staaten eine goldene Nase verdient haben? Die Bonzen aus Jordanien, die geschleckten Beamten aus Tel Aviv?» Tatsache ist: Viele reiche Palästinenser pflegen ihren westlichen Lifestyle in der Diaspora und denken – bisher jedenfalls – nicht daran, dauerhaft nach Palästina 19
zurückzukehren. Wohl aber möchten sie im grossen Stil in Palästinas Zukunft investieren, in ein Leben nach dem Konflikt, in ein beschauliches, ruhiges, sauberes Leben. Eines, wie sie es selbst aus dem Westen kennen, und eines, von dem sie glauben, moderne Palästinenser müssten sich doch genauso danach sehnen. Und während die, die unermüdlich an diesem Palästina bauen, lieber im Ausland bleiben, kann von den Einheimischen eigentlich niemand nach Rawabi ziehen – allein die Wohnungen kosten hier zwischen 60 000 und 220 000 Dollar. Das könnte sich nur eine stabile, einigermassen gutbetuchte Mittelschicht leisten. Doch eine solche Mittelschicht gibt es in ganz Palästina nicht. Und genau darin liegt das Problem, sagt Saad Dagher,
50 Jahre, promovierter Ökonom und Agrarwissenschaftler. «Wir brauchen eine kaufkräftige Mittelschicht. Doch ohne kontinuierliches Wachstum in der Privatwirtschaft wird sich in dieser Hinsicht nichts ändern, Rawabi hin oder her.» Dagher macht keinen Hehl daraus: In der israelischen Besatzung sieht er das grosse Hindernis auf dem Weg zu einem wirtschaftlich stabilen Palästina. «Bis heute sind ausnahmslos alle Exporte und Importe von der Zustimmung und Genehmigung der israelischen Behörde abhängig. Das verteuert die Waren und macht es für die palästinensischen Kleinunternehmen schwierig, mit der Konkurrenz mitzuhalten. Zudem schreckt es ausländische Unternehmen ab, mit uns Geschäfte zu machen. Und so bleibt eben alles beim Alten», fasst Dagher zusammen.
«Wir aber machen unser Ding in der digitalen Welt, da gibt es keine Checkpoints, kein korruptes Zollsystem, keine dementen Politiker.» MUR AD ABDEL , AK ADEMIKER, 26
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«Mal geht es uns besser, mal ziemlich schlecht – je nach internationaler Hilfe.» Die ist auch nach einem halben Jahrhundert andauernden Konflikts immer noch beachtlich. Die Zahlen variieren, aber man darf davon ausgehen, dass pro Jahr zwischen 1,2 und 1,8 Milliarden Euro an Entwicklungshilfe in die palästinensischen Gebiete fliessen. Ob die Gelder bei der dortigen Regierung tatsächlich in guten Händen sind, das zweifeln jedoch viele an. Die Administration von Mahmud Abbas, seit 2004 Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde, gilt als korrupt. Es dominierten Vetternwirtschaft und erkaufte Loyalität, tuscheln die Kritiker. Zwei Drittel der finanziellen Hilfen gingen für Gehälter und Pensionen von Beamten drauf und würden nicht in den wirtschaftlichen und sozialen Aufbau des Landes investiert – eines Landes, in dem jeder Vierte arbeitslos ist. «Wir brauchen ein paar gute Ideen» «Eure Entwicklungshilfe, unsere Regierung, die Diaspora-Mäzene, die israelische Besatzung: chalas, wir haben die Schnauze voll von diesen Abhängigkeiten, wir machen das jetzt selbst!» Murad Abdel ist schnell im Denken, schnell im Reden, und er ist hervorragend ausgebildet: Studium an der School of Business and Economics der Birzeit-Universität in Ramallah, dann zwei Semester London plus Nachdiplom in Informatik an der jordanischen Universität in Amman. Und das mit 26. Wer Murad reden hört, muss denken, das hier ist die Stimme der neuen Generation Palästinas. Wir machen das jetzt selbst – aber wie denn? Allein in Ramallah sollen ungefähr tausend vorwiegend junge Leute leben, die in den vergangenen Jahren Tech-Startups lanciert haben: Online-Plattformen für Jungunternehmer, dazu Apps für Hotelund Reisebuchungen, Jobvermittlungen, Krankenversicherungen. Viele beginnen mit fast nichts, sie nisten sich in Co-Working-Spaces ein, vernetzen sich mit Gleichgesinnten. «Das ist unser Vorteil: Bist du Landwirt oder Bauunternehmer, wirst du von allen Seiten schikaniert. Wir aber machen unser Ding in der digitalen Welt, da gibt es keine Checkpoints, kein korruptes Zollsystem, keine dementen Politiker. Wir brauchen bloss eine Handvoll guter Ideen, einen Laptop, das Internet.» Selber schauen, die Würde bewahren. Das ist, was Shadi Zaqtan, Murad Abdel und viele Palästinenser mehr und mehr Surprise 440/18
Leere Klingelschilder, ein nachgebautes Amphitheater und allgegenwärtiges israelisches Militär. Was fehlt, sind die Passanten, die flanieren.
verbindet. Und die Überzeugung, sich weder von den eigenen politischen und wirtschaftlichen Eliten einlullen zu lassen noch mit den Israelis zu kooperieren. «Warum dieser Weihnachtsbaum?» Sicher, die beiden wissen, auch sie gehören zu den Privilegierten. Shadis Kneipe etwa, «La Grotta», besuchen fast nur Angestellte westlicher Hilfsorganisationen, denn die Preise für Bier und Tequila sind nicht ohne hier in der Altstadt von Ramallah, dem trendigen Christenviertel der Stadt, wo es an Festtagen wie diesen zuhauf Alkohol, Drogen, getunte BMWs und Surprise 440/18
triefende Bässe gibt. Nur ein Weihnachtsbaum vor der Kirche auf der kleinen Anhöhe fehlt. Der steht dafür ganz allein in Rawabi. «Herr Nassar, warum eigentlich dieser Weihnachtsbaum? So schick geschmückt und doch so einsam und verloren?» «Er steht für Offenheit», sagt Jack Nassar, der immer lässig wirkt und nervös zugleich. «Viele meinen, wir streiten uns um Religionen, dabei sind alle willkommen. Auch die Christen.» Doch werden sie nach Rawabi ziehen? Offenbar denken nicht wenige von ihnen ans Auswandern. Wie viele andere in Pa-
lästina kommen sie auf keinen grünen Zweig, finden kaum Arbeit, haben keine Perspektive. Und so dürfte die noble Wüstenstadt auch für die Christen am Ende zu exquisit sein. Jack Nassar aber bleibt optimistisch, im Masterplan von Rawabi sind zehn Prozent christliche Einwohner vorgesehen. Und dann holt er aus und erzählt, wie Jesus unweit von Rawabi auf einem Esel nach Jerusalem unterwegs war, er deutet zuerst in Richtung Süden, dann nach Westen, er zögert, dreht sich um seine Achse, schliesslich verwirft er die Hände. «Irgendwo hier muss es gewesen sein, ganz bestimmt.» 21
Loris hört zu Seelsorge «Frohe Weihnachten und ein glückliches neues Jahr!»
Nicht alle sind Teil der Feste, die gerade vielerorts gefeiert werden. Einige von ihnen wählen die Nummer 143 – und treffen dort auf Loris. TEXT SAMANTA SIEGFRIED
Es ist ein Samstag kurz vor Mitternacht. Seit zwei Stunden sitzt Loris in einem Büro in einem Altbau in Zürich Stadelhofen. Weisse Wände, weisse Decke. Auf dem Holztisch ein Blumenstrauss, ein Computer und ein schwarzes Telefon. Es klingelt. «Hier ist die Dargebotene Hand, guten Abend», sagt Loris. – «Ja, hallo», sagt die Stimme einer älteren Frau am anderen Ende der Leitung. Sie könne nicht schlafen, erzählt von ihrem Tag, was sie gegessen hat, was sie im Fernsehen geschaut hat. Und seit wann sie im Bett liegt. Ihre Zunge ist schwer, Loris hat Mühe, sie zu verstehen und bittet die Anruferin, deutlicher zu sprechen. Nach einer Weile hört er, wie sie etwas ruhiger wird. «Sie haben mich aber nicht angerufen, um mir von Ihrem Alltag zu erzählen, stimmt’s?», hakt Loris nach. Nein, bestätigt die Frau. Es sei etwas aus ihrer Kindheit, 22
ILLUSTRATION LISA STEINER
das sie beschäftige. Dabei sei sie doch schon Grossmutter. War Mutter, Ehefrau und habe ihr Leben lang gearbeitet. Jetzt sei sie Witwe und allein. Seither kommen die Erinnerungen von damals: wie ihre Geschwister bevorzugt wurden und sie stets den Kürzeren zog. Die ganze Kindheit lang. «Das lässt mich nicht los. Bis heute. Deswegen trinke ich zu viel.» Loris hört zu. Er hat keine Ahnung, wie die Frau heisst. Wie sie aussieht. Wo sie wohnt. Aber er erfährt in dieser Nacht am Telefon, was sie in ihrem Innersten aufreibt. «Gerade die Distanz schafft eine besondere Nähe», sagt Loris, der diese Gesprächssituation aus seiner Erinnerung nacherzählt. Ausserhalb der Arbeit heisst er anders. Loris ist sein Telefonname, er hat ihn selber ausgesucht. «Weil er so schön klingt.» Und weil der Rekordtorhüter der franSurprise 440/18
zösischen Fussballnationalmannschaft Lloris heisst. Das Anonymitätsgebot der Hotline gilt auch für die Mitarbeiter. Loris ist gross, trägt ein hellblaues Hemd und eine runde Brille. Er wirkt anständig, wählt seine Worte mit Bedacht, seine Stimme bleibt stets freundlich. Früher war er leitender Angestellter im Finanzbereich. Mit 55 liess er sich frühzeitig pensionieren. Weil er dachte, es müsse noch etwas anderes geben im Leben. «Ich wollte mich engagieren, mich für andere einsetzen», sagt der heute 64-Jährige. Seit sieben Jahren setzt er sich einmal pro Woche als freiwilliger Mitarbeiter der Dargebotenen Hand ans Telefon und hört sich die Sorgen anderer Menschen an. Und taucht dabei für ein paar Stunden ein in eine Welt, die ihm eine Kehrseite unserer Leistungsgesellschaft zeigt. In dieser Welt geht es nicht um Karrieren, Mode und Familienglück, sondern um verpasste Chancen, Verzweiflung, Verlust und Ängste. Besonders dann, wenn die Tage kürzer werden, kälter, und die Menschen zusammenrücken, um zu feiern, zu essen, zu singen. Dann, wenn in den Gassen der Altstadt die Lichter leuchten, die neusten Produkte in den Geschäften glänzen und die Menschen mit vollen Tüten nach Hause stiefeln. Wenn die Korken knallen und sich alle frohe Weihnachten und ein Happy New Year wünschen. Dann dringt bei vielen Menschen an die Oberfläche, was sie seit geraumer Zeit in ihrem Innern quält. Jeder Zehnte spricht von Einsamkeit Diesen Menschen bietet die Dargebotene Hand unter der Nummer 143 seit mehr als 60 Jahren ein offenes Ohr. Sie nennen es auch «emotionale Erste Hilfe». Bis heute ist die Nachfrage ungebrochen. Rund 161 000 Gespräche führten die freiwilligen Mitarbeiter vergangenes Jahr. Zwei Drittel der Anruferinnen waren weiblich. Über die Hälfte älter als 40 Jahre. Die Dargebotene Hand wurde 1957 von einem Pfarrer und zwei Unternehmern in Zürich als Suizidprävention gegründet, heute ist sie konfessionell unabhängig und offen für alle Themen, die den Menschen auf der Seele brennen. Schaut man in die hauseigenen Statistiken der Organisation, sind das vor allem: psychische Probleme (24 Prozent), Alltagsbewältigung (23 Prozent) und Einsamkeit (11 Prozent). «Wobei die Themen oft zusammen auftreten und ineinander übergreifen», erklärt der Geschäftsführer des Schweizer Verbandes – Dargebotene Hand, Franco Baumgartner. Einige Themen hätten sich verändert, andere seien hinzugekommen. «Suizidalität war früher bei rund fünf Prozent der Anrufer ein Thema. Heute noch bei etwa 1,5 Prozent. Eine Zunahme stellen wir hingegen bei Menschen mit psychischen Problemen fest.» Aber auch Liebeskummer, Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, Probleme mit dem Chef, die Sorgen alleinerziehender Mütter oder Beziehungskonflikte aller Art gehören zu den Kernanliegen der Anrufer. «Ein Thema, das über die ganzen 60 Jahre in seiner Häufigkeit beinahe konstant geblieben ist, ist die Einsamkeit», sagt Baumgartner. Jeder Zehnte, der anruft, spricht explizit von Einsamkeit. Aber sie schwinge in weitaus mehr Gesprächen mit, ohne als solche deklariert zu werden. Surprise 440/18
«Einsamkeit begegnet mir sehr häufig am Telefon», erzählt auch Loris. Wir sitzen im Büro einer der wenigen Festangestellten der Organisation. Vor uns dekorieren eine weisse Rose und ein paar Herbstblätter den schwarzen, runden Tisch. Warum sind die Menschen einsam, Loris? «Manche Menschen sind einsam, weil sie alt sind und niemanden mehr haben, mit dem sie ihre Vergangenheit teilen können. Oder weil sie die immer gleichen Geschichten erzählen und ihnen niemand mehr zuhören mag – ausser wir. Manche sind einsam, weil sie arm sind und nicht am Leben teilhaben können und uns anrufen, weil es gratis ist. Manche, weil sie reich sind und sich durch die Karriere so isoliert haben, dass sie jetzt quasi allein im goldenen Käfig sitzen. Und manche rufen aus dem Bus an, in den sie eingestiegen sind ohne Ziel, nur, um nicht allein zu sein.» Was sagt man, wenn jemand einsam ist, Loris? «Als Erstes höre ich zu.» Wie alle der derzeit 643 Freiwilligen in der ganzen Schweiz hat Loris eine einjährige Weiterbildung absolviert, in der er lernte, wie man das macht, richtig zuhören. Oder wie es in der Fachsprache heisst: empathisch zuhören. Gemeint sei damit, die Person wahrzunehmen und auf sie einzugehen. «Am Anfang geht es vor allem darum, zu bestätigen, dass ich das Problem gehört habe», erklärt Loris. Eines der obersten Gebote sei: Erteile keine Ratschläge. Zumindest nicht, bevor du gefragt wirst. «Ich urteile nicht, gebe keine Ratschläge, ich bin auch kein Lehrmeister», berichtet Loris wie ein Mantra. «Und vor allem: Ich darf nichts persönlich nehmen.» Das sei bei Gott kein Kinderspiel. «Manchmal werde ich regelrecht angeschrien, kaum habe ich den Hörer abgenommen.» Doch meist gelinge es ihm, die Anrufer zu beruhigen. Schliesslich wisse er, dass er nur ein Blitzableiter für eine Wut sei, die nichts mit ihm zu tun habe. «Bei mir bleibt es lange neutral da», sagt Loris und fährt sich mit der Hand über die Magengegend. «Aber wenn der Zeiger meiner imaginären Uhr doch in Richtung fünf vor zwölf geht, sollte man sich schon wehren. Dann darf man auch mal sagen, hören Sie, auf diese Art möchte ich nicht mit Ihnen weitersprechen.»
Jetzt, kurz vor Weihnachten, sei immer viel los. Nicht nur in den Geschä en, auch emotional. 23
Manche riefen vom Bett aus an und fragten, wie viel Uhr es ist. Andere wollten sich nur über die Börsenkurse informieren.
Doch trotz des guten Trainings, in dem Loris Gesprächssituationen übte, in dem er sich mit seinen eigenen Lebensthemen und Gefühlen intensiv auseinandersetzte – trotz der engmaschigen Betreuung durch eine Patin, die anfangs während der Telefonate neben ihm sass – trotz der regelmässigen Supervision durch Psychologen und trotz seiner mittlerweile sieben Jahre Erfahrung: Nicht auf alle Geschichten kann man sich vorbereiten. Loris erinnert sich an den Anruf einer Frau, die ihren Hund nach zwölf Jahren einschläfern musste. «Sie hat Rotz und Wasser geheult am Telefon. Der Hund war ihr einziger Begleiter und ihr Zugang zur Aussenwelt. Sie wusste nicht, wie weiter.» Loris, der selber mit Haustieren aufgewachsen ist, war betroffen und konnte die Trauer der Frau gut nachempfinden. Und auch wenn das nicht zu den Standardsätzen gehört, sagte er: «Sie, das kenne ich.» Er erzählte von seinem Verlust, wie er selbst die Trauer überwand, und er hatte das Gefühl, dass es der Frau gut tat. Die Feiertage, wenn das Leben stillsteht Zeit, einer Geschichte nachzuhängen, hat Loris aber nicht. Kaum legt er auf, klingelt es meistens gleich wieder. «Ich mag es, wenn viel läuft», sagt Loris. So bleibe er präsent und wach. Jetzt, kurz vor Weihnachten, sei immer viel los. «Weihnachten fängt ja oft schon im November an.» Nicht nur in den Geschäften, auch emotional. Viele Menschen, die anrufen, würden sich Gedanken machen: Wie verbringe ich die Festtage, und mit wem? Kurz darauf folgt das Jahresende und sie ziehen Bilanz: Immer noch keine Freundin gefunden. Schon wieder ohne Job. Noch immer zu viel Alkohol. «Wir sind uns gewohnt, ständig zu funktionieren», sagt Loris. «Steht das Leben auf einmal still, sei es wegen einer Krankheit oder in einer erzwungenen Pause, wie den Feiertagen, kann alles zusammenbrechen.» Er erinnert sich an den letzten Silvesterabend, den er am Telefon verbrachte. «Manche erzählten mir, was sie gerade im Fernsehen gesehen hatten. Andere riefen vom Bett aus an und fragten, wie viel Uhr es ist. Wieder andere wollten sich nur über die Börsenkurse informieren, weil sie nur einer anonymen Hotline vertrauen.» Bei einer Kollegin habe an einem Neujahrsmorgen eine Frau angerufen, die ihr ein Frohes Neues Jahr wünschte. Weil sie sonst niemanden hatte, dem sie ein Frohes Neues Jahr wün24
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schen konnte. Sie alle sind nicht Teil des Festes, das dann überall gefeiert wird. Viele hätten daher das Bedürfnis, sehr lange zu sprechen, und Loris muss dann aufpassen, die Leitung nach einer gewissen Zeit wieder freizugeben. «Sie wollen einfach eine Stimme hören», sagt er. Nach fünf von zehn Gesprächen, sagt Loris, sei er nicht richtig zufrieden, weil er gerne mehr geholfen hätte. Nach den anderen fünf sei das Gefühl besser, weil die Person ruhiger wieder auflegte. Und vielleicht bei einem oder zwei Anrufen am Tag komme es vor, dass er denke: Diese Person hat wirklich neue Hoffnung geschöpft durch das Gespräch! «Letzteres kann nicht das Ziel sein, sonst macht man sich fertig», sagt Loris. Schliesslich kenne man die Anruferin erst seit ein paar Minuten. «Aber gut tut es trotzdem.» Loris betont immer wieder, wie gern er seine Arbeit mache. Was für ein gutes Gefühl es sei, sich bei einer glaubwürdigen, namhaften Organisation für andere einzusetzen. Nur ab und zu lässt er durchblicken, wie viel Energie manche Telefonate saugen können und wie wichtig es sei, sich abzugrenzen. Mit nach Hause nehme er die Geschichten nicht. «Ich kann gut abschalten.» Nach einer Tagschicht gönne er sich oftmals in der Bäckerei ums Eck ein Stück Torte und einen Kaffee, «als Seelennahrung». Hat die Arbeit deine Sicht auf das Leben verändert, Loris? Nein, sagt er schnell. Oder vielleicht doch. «Von allem, was ich da höre, bin ich immer stärker der ÜberSurprise 440/18
zeugung, dass es nicht unser Naturell ist, allein zu sein.» Und er frage sich, was sollten wir als Gesellschaft dagegen tun? Weniger Kleinhaushalte bauen? Wieder grössere Familien haben? Wieder mehr in die Kirche gehen? «Man wünscht sich ja keine Krise, aber es würde vermutlich dazu beitragen, dass wir wieder näher zusammenrücken.» Loris seufzt. «Aber man muss aufpassen, mit zunehmendem Alter nicht die Vergangenheit zu romantisieren», schiebt er nach. Heute, meint er, gebe es immerhin eine Fülle an Unterstützungsangeboten für Menschen in Not. Man müsse nur wissen, wo suchen. Aber es gibt noch eine andere Frage, die sich Loris stellt, seit er bei der Dargebotenen Hand arbeitet: «Kann das auch mir passieren? Pflege ich ausreichend Kontakt mit meinen Freunden, sodass ich mich an sie wenden kann, wenn ich sie brauche?» Denn Einsamkeit, sagt Loris, kann jeden treffen. Selten, aber manchmal, gibt es auch Gespräche, die ihn aufheitern. Wie damals, in einer Nacht von Samstag auf Sonntag, als ein Dorfpfarrer am Telefon war. Nach einigen Minuten, in denen er über den Zustand der Kirche gesprochen hatte, fragte er: «Darf ich Ihnen meine Predigt für morgen vorlesen?» Loris hörte gerne zu. «Er hatte sich wohl gefragt: Wo kann ich um diese Uhrzeit jemanden erreichen, ohne mich blosszustellen?» Für Loris war das ein kleines Highlight – und die Predigt habe ihm sehr gefallen. 25
Basel «Wien um 1900», Mizmorim Festival, Do, 17. bis So, 20. Januar, verschiedene Veranstaltungsorte und Uhrzeiten. www.mizmorimfestival.com
im Haus der Religionen stellt den neuen Totentanz des Berner Illustrators Jared Muralt ins Zentrum, und Ausstellungsgegenstände aus etlichen Ländern geben Einblick in unterschiedliche Jenseitsvorstellungen. DIF
Zürich «Offene Farbküche», Experimentieren mit Pigmenten und Bindemitteln, Mi, 2. Januar 2019, 16 bis 19.30 Uhr, «Farbgeschichten», Ausstellung, bis 30. Juni 2019, Heimatschutzzentrum, Villa Patumbah, Zollikerstrasse 128. www.heimatschutzzentrum.ch
Stellen Sie sich vor, der argentinische Bandoneon-Virtuose Marcelo Nisinman trüge statt dem offenen Shirt einen dunklen Dreiteiler zu hochgeschlossenem weissen Hemd. Sein Zylinder läge neben ihm, der Gehstock lehnte an der Wand. Dann würde er nicht nur muskalisch, sondern auch optisch ins Wien der Jahrhundertwende passen. Auf dem Mizmorim Festival lassen Nisinman und Kollegen wiederaufleben, wie es damals in Wien klang. Die Konzertreihe mit Schwerpunkt auf jüdischem Schaffen in der Klassik stellt mit zahlreichen Werken von Brahms und Schönberg zwei der bedeutendsten Komponisten der Donaustadt in den Mittelpunkt. Aber auch Mahler und Strauss, hebräische Melodien, Kabarett sowie ein Familienkonzert mit Figurentheater gehören zum Programm. Wir verlosen je 2 Tickets für den Liederabend «Gewesen – Genesen», Do, 17. Januar, 20.30 Uhr, Zunftsaal im Schmiedenhof, und für das Klavierkonzert «Titan», Sa, 19. Januar, 19 Uhr, Gare du Nord. Interessierte schreiben eine Mail mit Namen und Adresse mit dem Betreff «Mizmorim» an info@surprise.ngo. Einsendeschluss ist der 4. Januar. Die Gewinner werden informiert. WIN
Bern «Endlich – Religion und Tod», Ausstellung, bis 28. Februar 2019, Di bis So, 9 bis 17 Uhr, Haus der Religionen – Dialog der Kulturen, Europaplatz 1. haus-der-religionen.ch
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Unterschiedliche Vorstellungen in den Religionen sind immer aufschlussreich. Besonders spannend wird es aber beim Tod, denn da geht es ans Eingemachte: Werden wir gerichtet, bestraft oder belohnt? Gibt es ein Jenseits, oder ist der Tod endgültig? Die Ausstellung
Früher wurden Farbpigmente teuer gehandelt. Welche Farbe das eigene Zimmer, Velo oder T-Shirt hat, trägt auch heute noch jenseits des konkreten Preises einen besonderen Wert. Farbe löst unmittelbar Emotionen aus, zieht an, stösst ab, wirkt warm oder kalt, ablöschend oder anrührend. Die Ausstellung «Farbgeschichten» geht dem Reiz des Bunten nach und arbeitet teils vergessenes Wissen wieder auf. Und selbst Hand anlegen und Farbe anrühren darf man auch. WIN
Aarau «Im Durchflug», Theater für die ganze Familie, Sa, 22. Dezember, 15 Uhr, So, 23. Dezember, 11 Uhr, Fabrikpalast, Girixweg 7. www.fabrikpalast.ch
Es ist die Zeit der Engel. Unmengen sind davon zur Weihnachtszeit unterwegs, klar gibt es da mal die eine oder andere ungeplante Überraschung. Zwei sogenannte «ÖrgeliÄngeli», musikalisch begabt, aber etwas tollpatschig, erleiden im Flug eine Panne mit ihren Handorgeln und müssen zwischenlanden. Direkt auf der Bühne des Fabrikpalastes, wo sie Gross und Klein ab 5 Jahren mit ihrer Geschichte erfreuen. Eine willkommene Gelegenheit, um die Kleinen ein bisschen vom Feiertagswahnsinn abWIN zulenken.
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ILLUSTRATION: SARAH WEISHAUPT
Agglo-Blues
Folge 23
Eine Geschichtslektion Was bisher geschah: Ein Bekannter des Opfers erklärt der Ermittlerin Vera Brandstetter sein Weltbild, das auf Verschwörungstheorien beruht. Sie müsste darüber lachen, wenn sie nicht ernst gemeint wären. Trotz ihres nassen linken Fusses fuhr Brandstetter zur Hochhaussiedlung und klingelte bei Schwander. Der Summer ertönte, ohne dass sie ihren Namen genannt hatte. Sie nahm wieder die Treppe. Olena stand schon in der Wohnungstür und liess sie nur widerwillig eintreten. Sie setzten sich im Wohnzimmer auf die weissen Möbel, das Sofa und den Sessel. Auch diesmal bot Frau Schwander nichts zu trinken an. «Die ukrainische Fahne in seinem, wie sagten Sie – Man Cave? Was hat es mit der auf sich?» Brandstetter hatte im Auto den umfangreichen Wikipedia-Eintrag zur Ukraine überflogen. «Er hat sie mir zuliebe aufgehängt.» «In dem Zimmer, zu dem Sie keinen Zutritt hatten?» Olena Schwander verschränkte die Arme vor der Brust und starrte an Brandstetter vorbei. Sie war geschminkt, trug eine schwarze Lederhose und einen enganliegenden weissen Wollpullover mit Rollkragen, goldene Ohrringe und eine Kette mit schwerem Anhänger, die ihre Brüste zur Geltung brachte. Ziemlich aufwendig für eine trauernde Witwe, die abends um halb acht allein zu Hause sass. Brandstetter fragte sich, ob sie jemanden erwartete oder ob sie so tat, als könnte ihr Gatte jeden Moment heimkommen. «Ihr Mann war ein glühender Antisemit. Teilen Sie seine Ansichten?» «Ich weiss nicht, was das Wort bedeutet.» «Sie haben einen Masterabschluss in Deutsch. Sie wissen genau, was das bedeutet.» Olena sprang auf. «Wissen Sie, was die Russen uns angetan haben? Den Holocaust, den kennen Sie, den kennen alle. Wissen Sie auch, was der Holodomor ist? Nein, natürlich nicht. Niemand weiss das. Das war der Hungerterror, dem zwischen 1932 und 1933 zehn Millionen Ukrainer zum Opfer gefallen sind.» Sie stemmte die Fäuste in die Seite. «Das haben Sie wohl nicht in der Schule gelernt. Nie gehört, stimmt’s? Wir sind nicht wichtig, wir wurden an die Russen verschachert, die uns noch immer Surprise 440/18
unterdrücken, während die Juden ein Land bekamen.» «In der Ukraine gab es gewaltige Massaker an Juden», versuchte es Brandstetter, auch das wusste sie von Wikipedia. «An Bolschewisten.» Olena setzte sich wieder. «Wir hielten die Deutschen für unsere Befreier, erst später wurde klar, was sie wirklich vorhatten. Mein Grossvater diente bei der 14. SS-Freiwilligendivision Galizien und starb im Juli 1944 in der Schlacht von Brody.» «Hat Sie das mit Ihrem Mann verbunden, dass Sie beide Nazis waren?» Die Frau atmete tief durch und setzte ihr eisigstes Lächeln auf. «Wir sind keine Nazis, wir sind Patrioten, darum werden wir unterdrückt und verfolgt, sogar in der Schweiz. Reto musste seine Meinung verheimlichen, wegen den Juden und den Roten, die den Staat beherrschen und keine andere Meinung dulden, genau wie damals in der Sowjetunion. Wir wollten uns in der Ukraine etwas aufbauen, doch seit der Annexion der Krim und dem Krieg in der Ostukraine ist mir nicht mehr wohl bei dem Gedanken. Reto hingegen wollte spätestens nach der Pensionierung weg aus der Schweiz, wegen der vielen Fremden.» «Sie sind doch selber eine Fremde.» «Ich bin nicht unaufgefordert hergekommen. Mein Mann hat mich in seine Heimat gebracht. Wir teilen dieselbe Kultur, dieselben Werte. Ich spreche Deutsch. Ich bin anständig, ich verursache keine Kosten und mache keine Probleme.» «Sind Sie in der ukrainischen Unabhängigkeitsbewegung aktiv?» «Nein, ich bin eine Frau.» «Julia Timoschenko ist auch eine Frau.» An den kunstvoll geflochtenen Zopf der ukrainischen Politikerin erinnerte sich Brandstetter gut. Frau Schwander schaute auf die goldene Armbanduhr an ihrem linken Handgelenk. «Hören Sie, Ihre Gesinnung ist mir egal. Ich will nur wissen, ob Ihr Mann vielleicht mit pro-russischen Kreisen in Konflikt geraten ist.» «Nein. Wenn die Russen jemanden angreifen würden, dann meinen Vater oder meine Brüder in der Ukraine, wir sind als Nationalisten bekannt.» «Wo waren Sie eigentlich, während Ihr Mann joggen war?»
STEPHAN PÖRTNER schreibt und lebt in Zürich. Alle bisher erschienenen Folgen des Fortsetzungskrimis gibt es zum Nachlesen und -hören unter www.surprise.ngo/krimi
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Burckhardt & Partner AG, Basel
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freigutpartners IP Law Firm, Zürich
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Hervorragend AG, Bern
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Praxis Colibri, Murten
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Sublevaris GmbH, Brigitte Sacchi, Birsfelden
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SBB Angebotsgestaltung Langstrasse, Zürich
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Stoll Immobilientreuhand AG, Winterthur
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Anyweb AG, Zürich
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Leadership LP3 AG, Biel
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Echtzeit Verlag, Basel
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Maya-Recordings, Oberstammheim
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Gemeinnütziger Frauenverein, Nidau
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Scherrer & Partner GmbH, Basel
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Madlen Blösch, GELD & SO, Basel
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Velo-Oase, Erwin Bestgen, Baar
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Lotte’s Fussstube, Winterthur
Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende ab 500 Franken sind Sie dabei. Spendenkonto: PC 12-551455-3 IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma und Ihr gewünschter Namenseintrag Sie erhalten von uns eine Bestätigung. Kontakt: Nicole Huwyler Team Marketing, Fundraising & Kommunikation T +41 61 564 90 50 I marketing@surprise.ngo
SURPLUS – DAS NOTWENDIGE EXTRA Das Programm
Wie viele Surprise-Hefte müssten Sie verkaufen, um davon in Würde leben zu können? Hätten Sie die Kraft?
Wussten Sie, dass einige unserer Verkaufenden fast ausschliesslich vom Heftverkauf leben und keine Sozialleistungen vom Staat beziehen? Das fordert sehr viel Kraft, Selbstvertrauen sowie konstantes Engagement. Und es verdient besondere Förderung. Mit dem Begleitprogramm SurPlus bieten wir ausgewählten Verkaufenden zusätzliche Unterstützung. Sie sind mit Krankentaggeld und Ferien sozial abgesichert und erhalten ein Nahverkehrsabonnement. Bei Problemen im Alltag begleiten wir sie intensiv.
Eine von vielen Geschichten Der Weg in die Armut führte für Daniel Stutz über die Sucht. Als Jugendlicher rutschte der heute 44-Jährige in die Spielsucht und später in den Konsum harter Drogen. Dank einer Therapie schaffte er vor 7 Jahren den Ausstieg. Geblieben ist dem Zürcher Surprise-Verkäufer und -Stadtführer ein Schuldenberg. «Den Weg aus der Sucht habe ich hinter mir, der Weg aus der Armut liegt noch vor mir», beschreibt Daniel seine Situation. SurPlus gibt ihm dabei Rückenwind: «Es ermöglicht mir hin und wieder Ferien. Ausserdem bedeutet es, auch einmal krank sein zu dürfen – ohne gleich Angst haben zu müssen, die Miete oder Krankenkasse nicht zahlen zu können.»
Die ganze Geschichte lesen Sie unter: surprise.ngo/surplus
Unterstützen Sie das SurPlus-Programm mit einer nachhaltigen Spende Derzeit unterstützt Surprise 14 Verkaufende des Strassenmagazins mit dem SurPlus-Programm. Ihre Geschichten stellen wir Ihnen hier abwechselnd vor. Mit einer Spende von 6000 Franken ermöglichen Sie einer Person, ein Jahr lang am SurPlusProgramm teilzunehmen.
Unterstützungsmöglichkeiten: · 1 Jahr: 6000 Franken · ½ Jahr: 3000 Franken · ¼ Jahr: 1500 Franken · 1 Monat: 500 Franken · oder mit einem Beitrag Ihrer Wahl.
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Wir alle sind Surprise #437: All Inclusive, «Wer schützt hier wen?»
#438: Was uns das angeht
«Keiner übernimmt Verantwortung»
«Mit 50 Jahren aufs Abstellgleis»
Auch ich wurde zu Unrecht observiert und bei der Polizei angezeigt, habe alles verloren und bis heute keine Wohnung mehr bekommen. Es wurde behauptet, dass ich schwarzgearbeitet hätte, obschon ich der Polizei später glaubhaft versicherte, dass nichts daran sei. Keiner übernimmt danach Verantwortung, keiner meinen finanziellen Schaden, ganz abgesehen davon, dass ich in der Zeit, als das geschah, kein Geld mehr bekam. Ich nehme zur Kenntnis, dass die Schweiz ein Staat ist, dem es nur noch ums Geld geht. Arme und obdachlose Menschen sind wertlos und eine Belastung. Es gibt nicht mal eine Institution, die die Sozialämter überwacht, die sich oft betrügerisch verhalten. Da ich zusätzlich transsexuell bin und die Schweiz in dieser Hinsicht ein Neandertal ist, habe ich keine Perspektive mehr und werde wohl bis zur Pension von dem leben müssen, was der Staat für mich hergibt. A . RIT TER, Bülach
#437: Die arme alte Frau
«Unverschämt» Mir käme nie in den Sinn, eine 68-jährige Dame als «alte Frau» zu bezeichnen. Ich finde das unverschämt. Ebenso finde ich es schlecht, dass Sie nicht jemanden interviewt haben, der arm ist, aber dazu steht. Armut ist nichts, wofür man sich schämen muss. Mit einem offenen Umgang damit wäre vermutlich allen, die arm sind, mehr gedient. C. ABT, Reinach
B. A . AMMANN, Bad Ragaz
Impressum Herausgeber Surprise, Münzgasse 16 CH-4051 Basel Geschäftsstelle Basel T +41 61 564 90 90 Mo–Fr 9–12 Uhr info@surprise.ngo, surprise.ngo Regionalstelle Zürich Kanzleistrasse 107, 8004 Zürich T +41 44 242 72 11 M+41 79 636 46 12 Regionalstelle Bern Scheibenstrasse 41, 3014 Bern T +41 31 332 53 93 M+41 79 389 78 02 Soziale Stadtrundgänge Basel: T +41 61 564 90 40 rundgangbs@surprise.ngo Bern: T +41 31 558 53 91 rundgangbe@surprise.ngo Zürich: T +41 44 242 72 14 rundgangzh@surprise.ngo Anzeigenverkauf Stefan Hostettler, 1to1 Media T +41 61 564 90 90 M+41 76 325 10 60 anzeigen@surprise.ngo Redaktion Verantwortlich für diese Ausgabe: Diana Frei (dif) Amir Ali (ami), Sara Winter Sayilir (win) Reporter: Andres Eberhard (eba), Simon Jäggi (sim) T +41 61 564 90 70 F +41 61 564 90 99 redaktion@strassenmagazin.ch leserbriefe@strassenmagazin.ch
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Der Menschenrechtsartikel 23 lässt mich studieren. Wieso schreibt man mir ständig Absagen auf Bewerbungen? Ich habe gute Arbeitszeugnisse, und dennoch laufe ich Gefahr, mit 50 Jahren aufs Abstellgleis zu gelangen. Der SurpriseVerkäufer, der mich heute an den baldigen Samichlaus erinnerte, könnte in einer ähnlichen Situation sein. Gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen fehlen meiner Meinung nach in der geschützten Behindertenwerkstätte, wo ich arbeite. Eine Notlösung wegen der Absagen. Ein wichtiges Menschenrecht in unserem Alltag, Artikel 23, das Recht auf Arbeit.
Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Marie Baumann, Florian Burkhardt, Rahel Nicole Eisenring, Georg Gindely, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Isabel Mosimann, Fatima Moumouni, Stephan Pörtner, Isabella Seemann, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Tom Huber, Lucian Hunziker, Klaus Petrus, Samanta Siegfried, Lisa Steiner, Benjamin von Wyl
Ich möchte Surprise abonnieren 25 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.–) Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen Gönner-Abo für CHF 260.– Geschenkabonnement für: Vorname, Name
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FOTO: LUCIAN HUNZIKER
Surprise-Porträt
«Jetzt arbeite ich an mir» «Es war am ersten Tag der Sommerferien, ich zeuselte im Garten. Aus einer Büchse goss ich Benzin ins Feuer. Ich weiss noch, wie überrascht ich war, als die Büchse explodierte. Dann brannte ich wie eine Fackel. Ich war 14 Jahre alt. Vielleicht passierte der Unfall, weil ich mich nach Aufmerksamkeit sehnte. Meine Eltern führten ein Restaurant und hatten wenig Zeit für uns Kinder. Es folgten unzählige Operationen, über 30 allein wegen der Verbrennungen, weitere wegen anderer gesundheitlicher Probleme. Wenn sich etwas wie ein roter Faden durch mein Leben zieht, sind es die Unfälle. Den ersten hatte ich mit sieben, als ich mit dem Schlitten in einen Stacheldraht fuhr. Fast hätte ich dabei ein Auge verloren. Später riss ich mir den Meniskus links und den Meniskus rechts, musste meinen Job als Maler wegen einer Lösungsmittelallergie aufgeben und hatte mehrere Operationen wegen eines Karpaltunnelsyndroms. Das ist eine Schädigung des Nervs am Handgelenk, den Verband hier trage ich wieder deswegen. Seit einigen Jahren leide ich auch an einem Tinnitus: Nach einem Spiel des FC Basel, für den ich als Steward arbeitete, ist neben mir eine Knallpetarde explodiert. Zuerst hörte ich gar nichts mehr, jetzt habe ich ein permanentes Pfeifen im Ohr. Auch mit Depressionen hatte ich immer wieder zu kämpfen. Die erste grosse Krise hatte ich 1979, als ich mich beruflich neu orientieren musste und gleichzeitig mein Vater starb. Plötzlich kamen Ängste auf, und ich hatte das Gefühl, alles würde über mir zusammenbrechen. Meine damalige Freundin half mir. Zehn Jahre waren wir zusammen, ich hätte sie heiraten sollen. Im Nachhinein ist man immer schlauer. Ich heiratete später eine andere Frau, mit der ich eine Tochter habe. Nach der Scheidung heiratete ich nochmals, aber das ging auch nicht gut. Später arbeitete ich 13 Jahre lang als Kurier bei der Credit Suisse. Dann wurde umstrukturiert. 220 Leute mussten gehen, ich war einer davon. Schnell fand ich einen neuen Job als Verwaltungsassistent bei der Sozialhilfe. Mein Chef unterstützte mich sehr. Doch dann wurde er entlassen, und es folgte die Katastrophe. Ich hatte das Gefühl, dass seine Nachfolgerin mich mobbt, und fiel immer tiefer in die Depression. Am Schluss hatte ich ein Burnout. 2006 erhielt ich nach zwei Klinikaufenthalten die Kündigung. Ich war über 50, ohne Hoffnung und voller Wut. 30
Werner Hellinger, 65, wird von allen nur Elvis genannt. Nach einer längeren Pause will er bald wieder als SurpriseStadtführer unterwegs sein.
Als ich nach zwei Jahren in die Sozialhilfe ausgesteuert wurde, kam mir Surprise in den Sinn. Ich begann Hefte zu verkaufen, und seit 2014 gehöre ich zum Team der Basler Stadtführer. Wir zeigen auf unseren Rundgängen die Stadt aus der Sicht von uns Armutsbetroffenen und erzählen von unserem Leben und davon, wie man mithilfe der sozialen Institutionen und Angebote über die Runden kommt. Dabei ist man ständig mit sich selbst, seinen Ängsten und Niederlagen konfrontiert. Ich konnte es nicht immer gleich gut, um ehrlich zu sein. Letztes Jahr hatte ich eine Infektion, und es wurde mir alles zu viel. Deshalb habe ich eine Pause eingelegt. Jetzt arbeite ich an mir, setze mich erneut mit meiner Biografie auseinander. Ich hoffe, ich kann bald weitermachen, denn die Führungen geben mir Halt und machen mir Freude. Freude habe ich auch an der Musik der Fünfzigerjahre. Ich war jahrelang ein besessener Sammler und an unzähligen Flohmärkten anzutreffen, wo ich Platten, Poster und Accessoires von damals kaufte und verkaufte. Daher auch mein Spitzname Elvis. Einen besseren kann ich mir nicht wünschen.»
Aufgezeichnet von GEORG GINDELY
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Café Surprise – eine Tasse Solidarität Zwei bezahlen, eine spendieren. BETEILIGTE CAFÉS IN BASEL Bäckerei KULT, Riehentorstrasse 18 | Bäckerei KULT «Elsi», Elsässerstrasse 43 | BackwarenOutlet, Güterstr. 120 | Café Bohemia, Dornacherstr. 255 Café-Bar Elisabethen, Elisabethenstr. 14 | Flore, Klybeckstr. 5 | Café Restaurant Haltestelle, Gempenstr. 5 | Kiosk Amann, Claragraben 101 | Oetlinger Buvette, Unterer Rheinweg | Quartiertreffpunkt Kleinhüningen, Kleinhüningerstr. 205 | Quartiertreffpunkt Lola, Lothringerstr. 63 | Les Gareçons to go, Badischer Bahnhof | Rest. Manger & Boire, Gerbergasse 81 | Trattoria Bar da Sonny, Vogesenstr. 96 | Didi Offensiv, Erasmusplatz 12 | Radius 39, Wielandplatz 8 | Café Spalentor, Missionstrasse 1 IN LUZERN Jazzkantine zum Graben, Grabenstr. 8 | Meyer Kulturbeiz, Bundesplatz 3 | Blend Teehaus, Furrengasse 7 | Quai4Markt Baselstrasse, Baselstr. 66 | Restaurant Quai4, Alpenquai 4 | Quai4-Markt Alpenquai, Alpenquai 4 | Pastarazzi, Hirschengraben 13 | Netzwerk Neubad, Bireggstr. 36 | Sommerbad Volière, Inseli Park | Restaurant Brünig, Industriestrasse 3 IN RAPPERSWIL Café good, Marktgasse 11 IN SCHAFFHAUSEN Kammgarn-Beiz, Baumgartenstr. 19 IN BERN Café Kairo, Dammweg 43 | Café MARTA, Kramgasse 8 | Café Tscharni, Waldmannstr. 17a | Café-Bar das Lehrerzimmer, Waisenhausplatz 30 | LoLa Lorraineladen, Lorrainestr. 23 | Luna Llena Gelateria Rest. Bar, Scheibenstr. 39 | Rest. Genossenschaft Brasserie Lorraine, Quartiergasse 17 | Rest. Löscher, Viktoriastr. 70 | Rest. Sous le Pont – Reitschule, Neubrückstr. 8 | Rösterei Kaffee und Bar, Güterstr. 6 | Treffpunkt Azzurro, Lindenrain 5 | Zentrum 44, Scheibenstr. 44 | Café Paulus, Freiestrasse 20 IN BIEL Treffpunkt Perron bleu, Bahnhofplatz 2d IN ZÜRICH Café Zähringer, Zähringerplatz 11 | Cevi Zürich, Sihlstr. 33 | Quartiertreff Enge, Gablerstrasse 20 | Flussbad Unterer Letten, Wasserwerkstr. 141 IN STEIN AM RHEIN Raum 18, Kaltenbacherstr. 18 IN WINTERTHUR Bistro Dimensione, Neustadtgasse 25 IN OBERRIEDEN Strandbad Oberrieden, Seestrasse 47 IN ST. GALLEN S’Kafi, Langgasse 11
Weitere Informationen: surprise.ngo/cafesurprise
Prostatakrebs ist es egal, wer du bist. Informier dich. In der Schweiz erkranken jährlich 6100 Männer an Prostatakrebs. Am häufigsten betroffen sind Männer ab 50. Brich das Tabu und lass dich beraten – wir informieren, unterstützen und begleiten.
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