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Verdrängung
Asoziales Bauen?
Verdrängung Bern setzt im öffentlichen Raum auf Stadtmobiliar, das einen Daueraufenthalt schwer macht.
Im Jahr 2018 stellt die Stadt Bern die «neue Berner Bank» vor: eine hindernisfreie Sitzbank, die auch für alte und blinde Menschen geeignet ist. Das neue Modell wird bald überall in der Stadt zu sehen sein – ausser rund um den Bahnhof. Dort wurden vor zwei Jahren ebenfalls neue Bänke montiert – allerdings mit komplett anderem Design: hellbraune statt dunkelgrüne Holzlatten, Steinleisten statt Metallgestell, Armlehne in der Mitte statt am Rand.
Betroffene und Gassenarbeiter*innen hegen den Verdacht, dass die Bänke bewusst ungemütlich gestaltet wurden, um die Randständigen vom Platz fernzuhalten. «Dass sich die Armlehne in der Mitte der Bank befindet, verhindert, dass man sich hinlegen kann», sagt Nora Hunziker von der Gassenarbeit Bern. Für Surprise-Stadtführer Roger Meier, der einst selbst auf der Gasse lebte, ist die Bank ein Beispiel für «asoziales Bauen».
Das internationale Phänomen hat einen Namen: «hostile architecture», also «feindliche Architektur». In vielen Grossstädten finden sich eindeutige Beispiele: Stacheln am Boden, abgezäunte Strassenecken, Felsblöcke unter Brücken. Auch Musik, blaues Licht, Sprinkleranlagen und ungemütliche Sitzgelegenheiten gehören dazu. Die Frage ist: Wird auch in der Schweiz feindlich gebaut?
Gassenarbeiterin Hunziker ist davon überzeugt. Auf dem Instagram-Account verdraengung.be trägt sie Beispiele aus der Stadt Bern zusammen: ein abgeschrägter Lüftungsschacht, ein mit Spikes versehener Fenstersims auf Sitzhöhe, ein Vorhängeschloss an einer ungenutzten Telefonkabine. Auch die Bank am Bahnhof hat sie gepostet. Auffallend ist, dass sich fast alle ihre Beispiele in Bahnhofsnähe befinden.
Die Stadt Bern wehrt sich gegen den Vorwurf, Möbel bewusst so zu gestalten, um Randständige zu verdrängen. Am Bahnhof sei ein anderes Bankmodell gewählt worden, da die «neue Berner Bank» recht tief in den Boden verschraubt sei, so Nadine Heller, Bereichsleiterin Gestaltung und Nutzung der Stadt Bern. Das sei am Bahnhofplatz nicht möglich. «Die Abdichtung zur Unterführung ist nur 10 Zentimeter dick.» Die Gestaltung sei spezifisch auf den Bahnhofplatz abgestimmt, die Armlehne als Aufstehhilfe befinde sich in der Mitte, damit man auf beiden Seiten sitzen könne. Und Daniel Hunziker, Designer der Bank, betont, dass er nie asoziale Möbel gestalten würde. «Meine Objekte sind für alle.» Gleichwohl räumt er ein, dass das Modell am Bahnhof für das «kurzfristigere Sitzen» designt worden sei. EBA