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Tour de Suisse
Pörtner in Rapperswil-Jona
Surprise-Standort: Bahnhof Einwohner*innen: 27 208 Anteil Ausländer*innen in Prozent: 18,4 Sozialhilfequote in Prozent: 1,9 Fusion: 1415 gewann Rapperswil die Herrschaft über die Gemeinde
Jona, 1798 wurden sie getrennt, seit 2007 ist die Stadt Rapperswil-Jona wieder vereinigt.
«Ich bin auch ein Schiff», hiess es bei einer vielbeachteten Werbekampagne des Zürcher Verkehrsverbundes, dessen Netz den Bahnhof Rapperswil umfasst. Hier stimmt das Werbeversprechen, man kann tatsächlich aufs Schiff umsteigen, und dazu verleitet der schöne Spätsommertag. So entsteht diese Betrachtung für einmal nicht vor Ort, sondern wörtlich vom Schiff aus.
Um auf das Schiff zu kommen, muss man erst einmal untendurch, durch die Unterführung, inmitten einer geradezu aufgepeitschten Wandergruppe, die ihr Glück, zum Ende dieses traurigen Sommers doch noch einen schönen Tag erwischt zu haben, kaum fassen kann. Weiter führt der Weg über einen mit blauem Plastik ausgelegten Platz zum Visitor Center, wo es Informationen, Glace und Postkarten gibt. Bald ist man an der Schiffsanlegestelle, der letzte Abschnitt fühlt sich, wenn nicht mediterran, so doch südschweizerisch an, es gibt Lido-Cafés, Restaurant-Terrassen, flanierende Familien, fotografierende Tourist*innen, Klassen auf Schulreise, vollbepackte Tourenvelos.
Neben dem klassischen Pedalo mit Rutschbahn kann man Motor- und Ruderboote mieten, auch ein Party-Schiff steht zur Verfügung. Von Schiffen ist es schwierig wegzuschleichen, wenn die Party fad ist. Darum sind wohl Schifffahrten bei Hochzeiten und runden Geburtstagen beliebt, so verkrümelt sich die Verwandtschaft nicht, kaum dass der doppelte Digestif getrunken ist. Der mit «Rapperswiler Wal» angeschriebene Abfallkübel erinnert an das, was wohl den meisten in den Sinn kommt, wenn sie an Rapperswil denken, den Kinderzoo. In dem nicht, wie man meinen könnte, Kinder zu bestaunen sind, sondern Tiere, wobei die einst besonders attraktiven Delphine ihre Kunststücke nicht mehr vorführen, weil Delphine nicht in engen Becken leben wollen.
Auch weitum bekannt ist das Schloss, das eventuell auf einer Schulreise besucht würde, ohne bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Hier wurde das Lied «Rapperswil» von Baby Jail vorgestellt, das dritte, was mir zu dieser Stadt in den Sinn kommt. Neben der allerersten Velotour meines Lebens. Es hat geregnet, das Velo war ein Dreigänger, die Etappe führte über die Dörfer nach Rapperswil, am nächsten Tag ging es mit dem Zug zurück, weil es immer noch regnete.
Vom Schiff aus blickt man in die grünen Hügel des oberen Seebeckens und auf die Berge der Innerschweiz. Von einem Stand-up-Paddel aus, auf dem zwei Personen sitzen, wird das vorbeifahrende Schiff bejauchzt, vielleicht weil es Wellen und Surfgefühle bringt. Mehr Distanz halten die Segel- und Motorboote. Das mit Terrassenhäusern zugebaute Ufer weiter seeabwärts wird vom Publikum einhellig und deutlich hörbar als hässlich empfunden. Das Privileg Seesicht verhunzt die Sicht vom See aus. Die Sonne scheint nun so stark, dass eifrig in den wandernden Schatten gerückt wird. Die geräuschlos am Seeufer entlang gleitenden S-Bahnen wecken die Illusion, durch eine Modelllandschaft zu fahren, in der alles klein und leise und hübsch ist. Ausser den Terrassenhäusern. Angesichts einer zweistündigen Schifffahrt, die dank dem einst beworbenen Verkehrsverbund und Halbtax äusserst erchwinglich bleibt, will man sich jedoch nicht beklagen.
STEPHAN PÖRTNER
Der Zürcher Schriftsteller Stephan Pörtner besucht Surprise-Verkaufsorte und erzählt, wie es dort so ist.