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Stadtplanung
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Hinter dem Haus, in dem ich wohne, sieht es seit letztem Jahr aus wie in einer Luxus-Feriensiedlung am spanischen Strand. Auf den Balkonen sind elegante Lichtakzente gesetzt, und durch die ebenerdigen Fensterfronten kann ich mir die durchtrainierten Oberkörper der jungen Gutverdiener anschauen, wenn sie in der Designerküche ihren Smoothie trinken. Vorher ging hier der Weg durch, auf dem am Wochenende jeweils Bierkisten in den Hinterhof geschleppt wurden, wo Musik gehört, geredet, getrunken und – vermutlich unerlaubterweise – grilliert wurde.
Der Soziologe und Städteplaner Richard Sennett beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit unserem Zusammenleben. 2018 kam sein Buch «Building and Dwelling – Ethics for the City» (deutsch «Die offene Stadt – Eine Ethik des Bauens und Bewohnens») heraus. Es stellt die Frage: Wie kann das gebaute Umfeld der lebendigen Realität gerecht werden? Sennett plädiert für eine Stadt, die von der Aneignung durch die Menschen lebt, die sie bewohnen. Eine Stadt, die Reibung zulässt und improvisierte Nutzungen. Die Politikwissenschaftlerin und Stadtplanerin Susan Fainstein nimmt darauf Bezug und beschreibt ihr Ideal in ihrem gleichnamigen Buch «The Just City» als gerechte Stadt. Sie fordert Gerechtigkeit als möglichst hohe Chance für jede und jeden, die eigenen Fähigkeiten auszuleben.
Fainsteins Buch liegt bei Oliver Dlabač vom Zentrum für Demokratie Aarau ZDA auf dem Schreibtisch. Er hat die SNF-Studie «Demokratische Grundlagen der gerechten Stadt» durchgeführt, die den Einsatz von Planungsinstrumenten in Hinblick auf eine solche «gerechte Stadt» untersucht.
Woran sieht man nun, ob eine Stadt gerecht ist oder nicht? «Ich glaube, man sieht es nicht unbedingt auf den ersten Blick», sagt Dlabač. «Wenn man sich aber überlegt, wie eine Stadt gebaut sein muss, um nicht in einer nächsten Generation bereits bestehende Ungerechtigkeiten zu reproduzieren, muss man sich die Situation in den Schulen genauer anschauen.» Das Leben von Kindern ist viel stärker von ihrem Wohnort bestimmt als das von Erwachsenen, und Segregationstendenzen – also die Konzentration von sozial schwächeren Familien in einem Quartier – vermindern nachweislich die Aufstiegschancen. Soziale Durchmischung wäre eine Voraussetzung für Gerechtigkeit und Chancenausgleich. Das sind strukturelle Voraussetzungen, die die Bewohner*innen nicht von sich aus ändern können, die Stellschrauben dafür sieht Dlabač auf politischer Ebene. Er treibt deswegen wissenschaftliche Studien und Projekte voran. «Man kann zum Beispiel mit einer Anpassung der Einzugsgebiete von Schulen zur Durchmischung beitragen. Wir sind daran, zusammen mit zwei Zürcher Schulkreisen eine mögliche Umsetzung zu testen.»
Auch mittels Wohnbauförderung müsste man zu diverseren Quartieren beitragen, findet Dlabač. «In Zürich wird ein Drittel gemeinnütziges Wohnen angestrebt. Diese verstärkte Wohnbauförderung reagiert aber vor allem auf die Anliegen des Mittelstands, der in der Stadt wohnen bleiben will. Eine tiefgreifende soziale Durchmischung
«Die Verwertungslogik verhindert die offene Stadt, weil sie keine informellen Nutzungen, keine Freiheitsgrade und Zwischennutzungen möglich macht.»
BENEDIKT BOUCSEIN, URBAN DESIGN TU MÜNCHEN
steht dabei nicht im Fokus.» Hier läge also Potenzial. «Ich möchte rechnerisch aufzeigen, was gemeinnützige Wohnbauträger, die in der Stadt Zürich relativ etabliert sind, bisher zur Durchmischung beigetragen haben und was sie noch beitragen könnten.» Der Politikwissenschaftler ist zurzeit allerdings etwas frustriert, die Projektidee lässt sich bisher schwer finanzieren.
Sich die Stadt aneignen
Sennetts offene oder Fainsteins gerechte Stadt sähe auch Benedikt Boucsein gerne gebaut. Er ist Urbanist und Partner des Büros BHSF Architekten, das in Zürich und München ansässig ist. Seit 2018 lehrt er als Professor für Urban Design an der Technischen Universität München. In einer Besprechung von Sennetts Buch schrieb er: «Kolleg*innen aller Richtungen haben seit den Anfängen des Städtebaus an dieser Stadt gearbeitet, deren Bewohner*innen gleiche Chancen haben, in der Ressourcen wie Zugänglichkeit, Grünraum und öffentliche Infrastrukturen möglichst gleich verteilt werden.» Während Fainstein stärker auf Besitzverhältnisse und Entscheidungsprozesse fokussiert, denkt Sennett seine offene Stadt räumlich-struktureller.
«Ich selbst nenne es meist das Projekt der egalitären Stadt», sagt Boucsein. Im Sinne Senetts geht es auch für ihn darum, dass sich die Menschen ihr Quartier selbst aneignen können. «Räumlich gesehen machen das kleine Einheiten eher möglich als eine grosse, durchgehende Fassade, bei der eine einzige Gruppe bestimmt, was dahinter passieren darf. In kleineren Nischen findet ein Ladenbesitzer, den interessiert, was um ihn herum geschieht, eher seinen Platz. Einer, der sich um die anderen kümmert und auch mal Zigaretten wegräumt. Der selbst etwas verändern kann – auch wenn er nur ein Schild oder einen Stuhl vor seinen Laden stellt.» Es entstehen andere Formen der Teilhabe, wenn man Dinge wachsen lässt, statt alles zu sanieren. «Es muss auch nicht jeder Quadratzentimeter von einer Behörde kontrolliert sein», sagt Boucsein.
Zigaretten und Abfall wegräumen, mit Menschen ins Gespräch kommen, die Passant*innen mit Namen grüssen – genau das hatten sich übrigens auch Ruedi Kälin und Peter Conrath vor der Zürcher Sihlpost schon vor Jahren intuitiv zur Aufgabe gemacht. Sie haben als Surprise-Verkäufer damit dem Trottoir – bis anhin einfach eine Fortbewegungsschneise für eilige Fussgänger*innen – eine weitere Nutzung hinzugefügt: Sie haben es zur Begegnungszone gemacht. Folgt man Sennett, so macht im Grunde erst der Austausch zwischen Menschen einen Ort zum öffentlichen – weil sozialen – Raum.
Boucsein gibt Zürich grundsätzlich gute Noten. «Der genossenschaftliche Wohnungsanteil ist sehr hoch. Zürich erhält dadurch die Grundoffenheit, dass man unterschiedliche soziale Schichten in der Stadt behalten kann. Es ist nicht ganz einfach, in die Genossenschaften hineinzukommen, aber immerhin, es gibt sie.» Auch die Verkehrsentwicklungspolitik wertet er positiv: das 7-Minuten-Raster des ÖV und die Bemühungen, den Veloverkehr zu stärken. Wer sind denn die Gegner der offenen Stadt? Wer hat etwas gegen das lebendige Miteinander wie in den Wimmelbüchern, die in der Kita im Regal stehen? Boucsein sagt: «Spekulanten und Investoren, die Verwertungslogik, die Wohnpreise. Renditeerwartungen verhindern die offene Stadt, weil sie keine informellen Nutzungen, keine Freiheitsgrade und Zwischennutzungen möglich machen.» Zu einer offenen Stadt gehören Brachen oder Orte, die man in einem Zwischenzustand belässt. Auch die Bürokratie nennt Boucsein als Feindin der Offenheit, die Regulierungen, Normierungen, die enge gesetzliche Definierung der Nutzung. Und dann kommt er nochmals auf die Renditen zurück, diesmal grundsätzlicher: «Ich glaube schon, dass die Frage ‹Wem gehört der Boden?› das Entscheidendste ist. Die Bodenfrage steht hinter fast allen städtebaulichen Problemen, Prozessen und Entscheidungen. Es ist ein ganz grosses Problem, dass man mit dem Boden spekulieren und Profit daraus schlagen kann. Denn der Boden ist eine endliche Ressource, im Grunde müsste er der Allgemeinheit gehören. Bekäme man dieses Grundproblem in den Griff, würden automatisch auch andere Interessen hörbarer und realisierbarer.»
Die Planungsprozesse aufbrechen
Weltweit entstehen in den Städten immer mehr Gruppen, die diese anderen Interessen hörbarer machen wollen. Die Zürcher Urban Equipe ist eine davon, andere tragen Namen wie «Stadtlücken Stuttgart» oder «Kollektiv Raumstation» in Wien. Die meisten ihrer Mitglieder haben eine Planungswissenschaft studiert – Architektur, Raumplanung oder Urbanistik –, sind unzufrieden mit den bestehenden Strukturen in der Stadtplanung und suchen nach neuen Ansätzen. «Wir sind nicht eine übergreifend organisierte Bewegung», sagt Antonia Steger von der Urban Equipe, «aber Teil einer Entwicklung, die dezentral an vielen Orten auf der Welt stattfindet und in eine gemeinsame Richtung geht. Das Anliegen ist eine verstärkte Demokratisierung – also mehr direkte Mitsprache bei wichtigen Entscheidungen.»
Letztes Jahr hat die Urban Equipe in Zusammenarbeit mit zwanzig Gruppierungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz das Handbuch «Organisiert euch! Zusammen die Stadt verändern» herausgegeben. Es geht darum, sich nicht auffressen zu lassen vom eigenen Engagement, darum, wie die Initiativen professionalisiert werden können, wie man den Fuss in die Türen kriegt, hinter denen die Entscheidungen fallen.
Das Ziel ist, dass die Bewohner*innen ihre Städte direkter mitentwickeln und sie sich – auch wieder im Sinne Sennetts – wieder vermehrt aneignen. «Wenn wir die Gesellschaft stärker demokratisieren wollen, kommen wir nicht daran vorbei, dass mehr Menschen nicht nur Ja und Nein zu einer fertigen Lösung sagen können, sondern bereits bei der Entwicklung von Lösungen mitreden können.» Die Aktivitäten des Vereins reichen von partizipativen Projekten mit der Bevölkerung bis hin zum gesellschaftspolitischen Engagement. Und er stellt die Frage,
wie man die Arbeitsweise der Stadtverwaltungen progressiver gestalten kann. «Das eine sind die Gesetze und politischen Forderungen», sagt Steger, «das andere deren Umsetzung durch die Verwaltung: Wie findet mehr Austausch zwischen der Zivilgesellschaft und den Verwaltungsstrukturen statt, wie können Verwaltungsprozesse offener und flexibler gestaltet werden? Man muss neue Formate und Schnittstellen erfinden, damit Initiativen aus der Bevölkerung und aus den Verwaltungen gemeinsame Gefässe haben, um sich auszutauschen. Das hinterfragt allerdings viele eingespielten Prozesse.» Die Urban Equipe testet momentan zusammen mit der Stadtentwicklung Zürich die Möglichkeit für ein stadtweites partizipatives Budget: ein Budgetposten von rund einer halben Million wird für Initiativen aus der Bevölkerung ausgegeben. «Alle Bewohner*innen von Zürich konnten bis Anfang September Ideen eingeben, und anschliessend wird nun in einer offenen Abstimmung darüber entschieden, welche davon umgesetzt werden können», sagt Steger. «Momentan sind nur Initiativen von der Bevölkerung selbst zugelassen. Das Ziel ist jedoch, dass irgendwann auch über Projektideen abgestimmt werden kann, die die Stadt selbst umsetzt. Stadtbewohner*innen könnten so zum Beispiel verlangen, dass ein Teil des Geldes in bessere Velowege investiert werden muss.»
Was sich im ersten Moment recht revolutionär anhört, ist andernorts bereits Wirklichkeit: Es gibt weltweit mehrere Städte, die über einen Teil ihrer regulären Budgets basisdemokratisch entscheiden lassen. Reykjavik hat ein solches partizipatives Budget eingeführt, Barcelona und Helsinki auch. In Lateinamerika kam die Idee in mehreren Städten schon in den 70er-Jahren auf.
Politisch mitbestimmen
In der Schweiz hat die Eidgenössische Migrationskommission EKM 2008 das Programm «Citoyenneté» lanciert, das sich für mehr Mitbestimmung aller einsetzt – auch der Bevölkerung ohne Schweizer Pass. Die Citoyenneté fördert nicht nur Stadtprojekte, aber doch bei mehr als der Hälfte von ihnen geht es um urbane Mitbestimmung. Auch ein Projekt von Urban Equipe war schon dabei. «Wir sind der Ansicht, dass eine möglichst breite Bevölkerung nachhaltig in politische Prozesse einbezogen werden sollte», sagt also auch Elodie Morand, die bei der EKM für das Programm zuständig ist. Dass das Wort Citoyenneté französisch ist, ist kein Zufall. In der Romandie sind partizipative Ansätze bereits etablierter als in der Deutschschweiz, sowohl im Kleinen als auch auf politischer Ebene. «Die Romandie hat einen anderen politischen Kontext. Die Bevölkerung ohne Schweizer Pass hat im Jura, in Neuenburg, in Fribourg, in der Waadt und in Genf mit bestimmten Auflagen Stimm- und Wahlrechte», sagt Morand. In einer Genfer Gemeinde gibt es einen Einwohnerbeirat, der auch Menschen ohne Schweizer Pass offensteht. Und in Lausanne besteht bereits ein «budget participatif»: Die ganze Wohnbevölkerung kann eigene Projekte zur Verbesserung des Lebensraums und des sozialen Zusammenhalts einreichen. «In der Romandie ist die Partizipation auf der politischen Ebene angekommen, in der Deutschschweiz kommt sie immer noch vollumfänglich aus der Zivilgesellschaft», sagt Morand. «Aber es entwickelt sich zurzeit auch in der Deutschschweiz sehr viel.»
Die Perspektive von Geflüchteten einnehmen
«Architecture is a human right» steht auf einer Tafel, die im Zoom-Gespräch mit Bence Komlósi am Bildrand angeschnitten ist. Er ist Co-Gründer von Architecture for Refugees Schweiz. Der Verein setzt sich seit 2016 für einen Städtebau ein, der die Bedürfnisse von benachteiligten Menschen berücksichtigt und im Besonderen geflüchtete Menschen verstärkt an der Gesellschaft teilhaben lassen möchte.
Komlósi ist Architekt und gebürtiger Ungar. Während die Menschen 2015 über Ungarn nach Europa flüchteten, fuhr er jeden Tag auf dem Arbeitsweg mit seiner Frau im Bus an einem Flüchtlingslager vorbei. «Irgendwann fanden wir, wir müssen aussteigen und selbst sehen, wie die Situation ist. Das hatte natürlich nichts mit Architektur zu tun, es war einfach ein persönlicher Impuls.» Sie fragten sich aber: «Was können wir als Architekt*innen zur Verbesserung der Situation beitragen?»
Architecture for Refugees bringt sich heute mit Interventionen verschiedenster Art ein: Teilnahmen an Kulturfestivals, Diskussionsabende und gemeinsame Abendessen, temporäre Bauten, Workshops. Und Stadtführungen: Hier geht es um Orte, an denen die neue Gesellschaft für Geflüchtete spürbar wird, die aber gleichzeitig Schutz bieten. Auf der Zürcher Bäckeranlage oder auf dem Platzspitz zum Beispiel kann man sich treffen, hier spielt sich ein Stück soziales Leben ab, und es lässt sich vieles beobachten. Anfangs waren die Stadtführungen spezifisch für geflüchtete Menschen selbst gedacht, unterdessen für alle, die sich für diese Perspektive interessieren.
«Wir lernen auch dazu», sagt Komlósi. «Bald kam die Rückmeldung eines Eritreers: In einem Park fühle ich mich wegen der Polizeikontrollen aber alles andere als sicher.» Für einen Syrer war Sightseeing an der Bahnhofstrasse, um den neuen Ort kennenzulernen, eine schlechte Idee. Nach zehn Minuten nahm ihn bereits die Stadtpolizei mit. Racial Profiling führt dazu, dass ein schöner grüner Park für die Einheimischen zwar ein Erholungsort ist, für rassifiziert gelesene Menschen aber Stress.
Ob man sich in einer Stadt wohl und sicher fühlt und ist, ob man sich einen Ort zu eigen machen kann, hängt davon ab, wer man ist. Die Stadt ist für jede*n eine andere – abhängig von sozialem Status, Gender, Herkunft. Im September wurde in Zürich ein Obdachloser umgebracht. Wer obdachlos ist, hat keinen Schutz, keine Rückzugsmöglichkeit, keine Privatsphäre, keinen Stauraum, ist permanentem Lärm ausgesetzt, wird bestohlen.
Städte wurden während Jahrzehnten hauptsächlich für gesunde, männliche, arbeitstätige, leistungsfähige Menschen gebaut (und auch von ihnen). In den 90er-Jah-
STEPHANIE TUGGENER, VEREIN LARES ren kam die feministische Stadtplanung auf, die auf die vielen Hürden verwies, die jenen das Leben schwermachten, die sich um das Funktionieren von Alltag und Familie kümmerten – meistens waren und sind es immer noch Frauen. Auch dreissig Jahre später sind die Themen noch aktuell: Wie sicher und angstfrei bewegen sich Frauen durch die Stadt, wie zeigt sich der Stellenwert von bezahlter und unbezahlter Arbeit, wer kommt wo zu seinen Rechten und wer wird im öffentlichen Raum wie repräsentiert?
Dem Alltag seinen Platz einräumen
Stephanie Tuggener ist die Co-Präsidentin des Vereins Lares, der sich für gender- und alltagsgerechtes Planen und Bauen einsetzt. Sie sagt: «Letzten Endes ist es egal, ob eine Frau oder ein Mann den Kinderwagen stösst. Es geht darum, dass die Care-Arbeit schon in der Planung die angemessene Anerkennung und ein Gewicht bekommt. Diese Tätigkeiten sollten an sich eine höhere Wertschätzung erhalten.»
Gesellschaftliche Normen und Priorisierungen werden etwa daran erkennbar, ob der Wickeltisch im Frauen-WC installiert ist. Zwei Pingpongtische statt nur einem sorgen dafür, dass nicht immer nur die Stärksten und Lautesten zum Zug kommen, und gibt es einen Sandkasten für Kleinkinder, müsste die Frage folgen, ob sich hier auch die Grosseltern länger aufhalten könnten (die selbst keine Windeln tragen und vielleicht nicht mehr im Sand sitzen können). Der Verein Lares hat kürzlich den «GenderKompass Planung» herausgegeben, einen Leitfaden, der sich an Planer*innen bei Kantonen und Gemeinden richtet. Er sensibilisiert für die Kriterien beim gender- und alltagsgerechten Bauen. Zudem erstellen Lares-Fachpersonen Gutachten, die Planungs- und Bauprojekte aus der Genderperspektive beurteilen. Von 2006 bis 2012 war Lares ein vom Bund gefördertes Projekt, dessen Fokus auf der Erarbeitung dieser Gendergutachten lag. Heute sind sie ein Angebot des Vereins. «Die Türen werden uns nicht gerade eingerannt. Die Nachfrage ist sehr stark abhängig davon, ob die Gendergerechtigkeit politisch eingefordert wird oder nicht», sagt Tuggener. «Wir merken aber schon, dass das Thema in den letzten zwei Jahren gesellschaftlich wieder mehr in den Fokus gerückt ist.»
Der Städtebau ist auf das Erwerbsleben ausgerichtet, auf die Leistungsfähigen, auf Rendite, nicht auf Begegnung. So sind die informelle Fiesta und das Grillieren in unserem Hinterhof also den teuren Wohnungen gewichen. Die Überbauung heisst Grünhof, und grün ist sie tatsächlich, ganz oben auf der Dachterrasse. Wenn ich auf dem Parkplatz hinter dem Haus stehe, sehe ich, wie mir die Blätter im Wind zuwinken.
Hintergründe im Podcast: Simon Berginz im Gespräch mit Diana Frei über egalitäre Stadtplanung. surprise.ngo/talk