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Stadtplanung

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«Nicht die Miete deckeln, sondern die Rendite»

Grundbesitz Nationalrätin Jacqueline Badran fordert mehr Transparenz und weniger Gewinnorientierung auf dem Immobilienmarkt – und eine verschärfte Lex Koller.

INTERVIEW CHRISTIAN ZEIER

Jacqueline Badran, wem gehört die Schweiz?

Traditionell gibt es bei uns eine sehr breite Verteilung des Eigentums. Es befanden sich immer unglaublich viele Häuser im Privatbesitz. Historisch hatte die Schweiz nie den Grossgrundbesitz anderer Länder, sondern vielmehr das Prinzip der Genosssame, des gemeinsam genutzten Landes.

Zumindest in den Städten ändert sich das gerade. Aktuelle Recherchen zeigen, dass gewinnorientierte Unternehmen in Basel und Zürich immer mehr Wohnungen aufkaufen.

Ja, und schauen Sie, wer die verbliebenen Privateigentümer*innen sind: In der Stadt Zürich sind über 80 000 davon 70 oder älter. Die entscheidende Frage ist also: An wen gehen die Häuser, wenn diese Menschen sterben? An die good guys oder die bad guys?

Derzeit legen die Gewinnorientierten zu, die Sie als «bad guys» betiteln, während Genossenschaften und städtische Wohnungen anteilsmässig stagnieren. Was bedeutet das?

Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Zwei Wohnungen werden verkauft: Die eine an ein kommerzielles Unternehmen, die andere an die Stadt, die diese dann im Baurecht abgibt. Beide Wohnungen sind gleich gross, haben denselben Kaufpreis und dieselben Baukosten. Während in der Wohnung der Stadt nun Menschen zur Kostenmiete wohnen, muss der Kommerzielle noch 10 Prozent Gewinn herausholen. Das sind die Folgen.

Oft wissen wir nicht einmal, wem die ganzen Immobilien gehören. In Zürich oder Basel waren aufwendige Recherchen nötig, um etwas Transparenz zu schaffen. Wieso diese Geheimniskrämerei?

Früher war es transparenter, weil damals die Unterschiede in der Gesellschaft kleiner waren. Das hat sich massiv geändert. Früher konnte man in allen Kantonen aufs Amt gehen und die Steuerbehörden fragen, was der oder die versteuert. Heute kann man das sperren lassen. Das Vertrauensverhältnis ist weg.

Wäre denn mehr Transparenz nötig?

Natürlich wäre das ein Mehrwert. Deshalb sind auch solche journalistischen Recherchen so wertvoll. Aber es müsste noch weitergehen. Man müsste einen gross angelegten Aufruf starten und die Leute zum Mitmachen auffordern. Alle sollen melden, wem ihre Wohnung gehört und wie viel sie bezahlen.

Klar ist, grosse Firmen wie die Swiss Life zahlen aktuell sehr hohe Preise für städtische Immobilien. Können Genossenschaften und Städte da überhaupt mithalten, um günstigen Wohnraum zu schaffen?

Natürlich können wir einer Erbengemeinschaft nicht einfach sagen: Verkauft lieber an eine Genossenschaft oder die Stadt und verzichtet auf eine Million. Deshalb brauchen wir schnelle Eingreiftruppen wie die Stiftung PWG in Zürich, die Liegenschaften kaufen und dann günstig vermieten. Grosse Überbauungen muss der Staat kaufen, keine Frage. Nur er kann das stemmen und mit Akteuren wie der Swiss Life mithalten.

Oft heisst es, dafür fehle das Geld. Oder das Risiko sei zu gross.

Das ist ein Witzargument. Wenn es für einen Kommerziellen ein gutes Geschäft ist, weshalb soll es für den Staat schlecht sein? Schon in den Vierziger- und Fünfzigerjahren behaupteten die Zürcher Bürgerlichen, dass die Stadt zu teures Land kaufe. Da ging es um 200 Franken pro Quadratmeter, heute zahlt man dafür 13 000 Franken. Aus heutiger Perspektive ist es völlig Wurst, was damals bezahlt wurde.

Die Städte sollen also kaufen, was sie kaufen können?

Ja, in jedem Fall. Es ist mittelfristig immer ein gutes Geschäft. Und definitiv besser, als wenn sie das Geld in Aktien oder Obligationen stecken.

Hohe Kaufpreise führen aber zu hohen Mieten. Verhindert das nicht bezahlbaren Wohnraum?

Was viele nicht verstehen: Wenn die Stadt jetzt zu einem hohen Preis kauft und eine relativ hohe Miete verlangen muss, wird die Wohnung in zwanzig Jahren trotzdem zu den günstigen gehören. Weil ein kommerzieller Besitzer die Miete in dieser Zeit nochmals erhöht hätte, die Gemeinnützigen jedoch in der Kostenmiete bleiben. Die Stiftung PWG verspricht zudem, dass sie auch bei hohen Kaufpreisen die Mieten nicht erhöht. Dafür wird sie von der Stadt mit Abschreibungsbeiträgen unterstützt.

Dennoch sind die Mieten in Zürich stark gestiegen – wie auch in anderen prosperierenden Städten Europas. Wieso schafft es niemand, die Mieten zu stabilisieren?

Es gibt schon gute Ansätze, wie zum Beispiel die Einschränkung von ausländischem Kapital – unsere Lex Koller. Aber viel wird auch falsch gemacht. Zum Beispiel der Mietendeckel in Berlin: Man muss doch nicht die Miete deckeln, sondern die Rendite!

Hier in der Schweiz gäbe es ja eigentlich ein Gesetz gegen missbräuchliche Mieten. Ja, aber nur in der Theorie. De facto leben wir mit massiven Verstössen gegen ebendieses Gesetz. Unternehmen werben mit sechs- oder siebenprozentigen Renditen auf Wohnimmobilien. Dabei ist das legal gar nicht möglich. Die Nettorendite darf höchstens 0,5 Prozent mehr als der aktuelle Referenzzinssatz von 1,25 Prozent betragen. Ein grosser Teil der Schweizer Mieten ist also illegal – aber der Aufschrei bleibt aus.

Was müsste passieren?

Die Mieter*innen müssten den Anfangszins anfechten. Aber wer macht das schon? Deshalb habe ich im Nationalrat einen Vorstoss eingereicht, der fordert, dass die Renditen von Amtes wegen periodisch überprüft werden. Bis Ende der Siebzigerjahre gab es in der Schweiz eine solche Mietkontrolle – da musste der Bund bei Mieterhöhungen einwilligen.

Und heute ist so eine Massnahme im Parlament kaum noch mehrheitsfähig?

Wissen Sie, weshalb die Mietkontrolle damals auch von den Bürgerlichen unterstützt wurde?

Wahrscheinlich weil sie nicht wollten, dass hohe Mieten die Kaufkraft der Leute reduzieren.

Genau, das lässt sich alles in alten Protokollen nachlesen. Die CVP sagte: Wenn wir die Mietkontrolle aufheben, explodieren die Mieten, die Kaufkraft sinkt, die Unternehmen kommen unter Lohndruck und wir verlieren an Wettbewerbsfähigkeit. Damals hatten die Bürgerlichen noch ein bisschen Wirtschaftssachverstand! Doch dann kam in den Neunzigerjahren die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik und aus der Immobilienwelt wurde eine Kapitalverwertungsveranstaltung. Die Regulierungen, die hohe Mieten verhinderten, wurden abgeschafft oder aufgeweicht. Alles war schon einmal da: die Mietkontrolle, eine sehr hohe Grundstückgewinnsteuer kombiniert mit einer Handänderungssteuer, ein Mietrecht mit Renditedeckel und die Lex Koller gegen ausländisches Kapital.

Letzteres ist eines Ihrer Lieblingsthemen.

Wohnen ist eine essenzielle Güterklasse wie Wasser und Luft. Deshalb müssen Wohnungen denjenigen gehören, die sie nutzen und davon abhängig sind. Mit der Lex Koller hatten wir mal eine visionäre Gesetzgebung, die Immobilienanlagen durch Personen aus dem Ausland stark eingeschränkt hat. Doch sie wurde von den Bürgerlichen Schritt für Schritt aufgeweicht, was dem globalen Kapital in die Hände spielte. Ausländische Finanzinstitute standen schon in den Startlöchern, die wollten ihr Geld im Schweizer Wohnungsmarkt anlegen. Eine attraktive Anlage, plus Währungssicherheit – das gibt eine unglaubliche Nachfrage. Man hob also 1998 die Einschränkungen bei Geschäftsimmobilien auf, und seit 2005 können ausländische Anleger*innen auch Anteile an börsenkotierten Schweizer Immobiliengesellschaften kaufen. Letzteres ging als Belebung des Kapitalmarktes durch. Und das im Jahr 2005.

2007 wäre die Lex Koller fast abgeschafft worden. Alle grossen Parteien waren dafür.

Es hiess, dass es dafür flankierende Massnahmen in der Raumplanung gebe. Stellen Sie sich vor: Man haut die Nachfrage nach oben und will gleichzeitig das Angebot einschränken. Man muss nicht an der HSG studiert haben, um zu verstehen, dass dies die Preise explodieren lassen würde. Zusätzlich dachten die Linken, das Gesetz sei ausländerfeindlich, weil es sich gegen die Überfremdung des einheimischen Bodens richte. Dabei geht es explizit um Personen

«Wohnen ist ein essenzielles Gut wie Wasser und Luft.»

JACQUELINE BADRAN

Die Züricher SP-Nationalrätin kämpft seit der Aufweichung der Lex Koller dafür, diese wieder zurückzunehmen. Immobilieneigentum solle wieder breit verteilt sein, wie es in der Schweiz seit Jahrhunderten der Fall war – das käme vielen zugute. im Ausland. Die Einschränkungen sind an den Lebensmittelpunkt gekoppelt. Das ist genial, die ganze Welt sollte so ein Gesetz haben!

Sie haben die Abschaffung dann mehr oder weniger im Alleingang verhindert.

Es war eine One-Woman-Show, gegen alle Parteien und Verbände. Danach wollte ich auch noch die Aufweichungen rückgängig machen, zurück zum Stand vor 1998. Im Bundesrat ging das durch, doch dann starteten die Immo-Firmen eine noch nie dagewesene Lobby-Aktion.

Ihre Kritiker*innen sagen, dass Sie den Anteil des ausländischen Kapitals im Schweizer Immobilienmarkt überschätzen.

Es wird immer mehr – unterdessen sind Milliarden in unsere Immobilien geflossen und verdrängen das einheimische Kapital. Das lässt sich schätzen.

Es müssten sich eigentlich breite Mehrheiten finden lassen, von links bis rechts.

Würde man meinen ...

Dem ist aber nicht so?

Im Parlament momentan nicht. In der Bevölkerung würde ich mit einer Initiative zur Verschärfung der Lex Koller eine Mehrheit finden. Die käme durch, mit 80 oder 85 Prozent. Es kommt noch etwas Weiteres hinzu: Die Immobilienbranche ist dank der Infrastrukturgewinne die am meisten subventionierte Industrie der Schweiz. Jeder grössere Bau zieht Infrastrukturkosten wie Schulen, öffentlicher Verkehr oder Strassen nach sich – die werden von der öffentlichen Hand finanziert und erhöhen den Ertragswert der Häuser. Es profitieren also die Besitzer*innen. Sobald sich das Eigentum aber konzentriert, sobald dubiose Finanzquellen immer mehr besitzen, subventionieren die Steuerzahler*innen plötzlich das globale Kapital. Das ist pervers. Unser Geld fliesst an Blackrock, JP Morgan oder sonstige Investmentbanken und fehlt dann dem hiesigen Konsum. Das ist komplett gewerbefeindlich und ein riesiger volkswirtschaftlicher Schaden.

Kommt also bald die Lex-Koller-Initiative?

Initiativen sind anstrengend und dauern lange. Vorher versuche ich nochmals, auf parlamentarischem Weg Mehrheiten zu schaffen.

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