2 minute read

Schampar unbequem

Dieses Jahr stehen die Gesamterneuerungswahlen des Nationalrats und des Bundesrats an. Intensiv wird über die zukünftige Zusammensetzung der Schweizer Regierung spekuliert. Die Bundesratsparteien repräsentieren nur noch bedingt die Haltung der Wählerschaft. Im Nationalrat kommen sie auf einen Anteil von 75 Prozent, im Ständerat auf 87 Prozent. In der Vereinigten Bundesversammlung haben sie noch einen Anteil von 77 Prozent. Diese wird den Bundesrat wählen. Rund ein Viertel der Schweizer*innen, die vor vier Jahren an die Urne gingen, hat im Bundesrat keine Stimme.

Insbesondere sind die «grünen» Anliegen mit keinem Mandat vertreten. 2019 kam die Grüne Partei Schweiz (GPS) im Nationalrat auf 28 und im Ständerat auf 5 Sitze, die Grünliberale Partei der Schweiz (GLP) im Nationalrat auf 16 Sitze. Sollte sich der Erfolg der Umweltparteien wiederholen –so wird kolportiert –, wäre die Zeit reif für einen Bundesratssitz. Wird die Zauberformel, nach der sich der Bundesrat zusammensetzt, dieses Jahr also fallen? Sie besagt, dass die drei stärksten Parteien zwei Sitze und die viertstärkste einen Sitz im Bundesrat beanspruchen darf.

Die entscheidende Frage ist, wonach sich die Stärke einer Partei bemisst. Ergibt sich diese nur aus der Anzahl Sitze im Parlament und dem Anteil der Wählenden? Dem ist nur sehr bedingt so. Natürlich könnten zum Beispiel die bürgerlichen Parteien in der Vereinigten Bundesversammlung ihre Muskeln spielen lassen und der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SPS) einen Sitz wegnehmen und diesen der GPS zuschanzen, sollte diese nochmals Erfolge bei den Nationalratswahlen feiern können. Das Risiko, einen oder gar beide Sitze im Bundesrat zu verlieren, besteht für die SPS nicht zum ersten Mal. Erinnert sei darum an die Drohung von Helmut Hubacher, einst mächtiger Präsident der SPS, der für diesen Fall voraussagte, dann würde die Bundespolitik für die anderen «schampar unbequem» werden. ist Dozent am Institut Sozialplanung, Organisationaler Wandel und Stadtentwicklung der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz.

Was meinte Hubacher damit? Die Schweiz hat ein einzigartiges demokratisches System, in dem Politik längst nicht nur im Parlament und in der Regierung gemacht wird. Das Referendum sowie die Initiative sind zwei Instrumente, mit denen auch von aussen Einfluss auf das politische Geschehen genommen werden kann. Die Stärke von Parteien bemisst sich darum auch daran, Initiativen erfolgreich lancieren und glaubhaft mit dem Referendum drohen zu können. Nur wer eigene Positionen durchbringen kann, die im Parlament keine Mehrheiten finden, gilt als starke Partei.

In dieser Hinsicht sind die beiden grünen Parteien den Nachweis von Stärke bis anhin weitgehend schuldig geblieben. Die GLP ist mit ihrer Initiative «Energie- statt Mehrwertsteuer» grandios gescheitert, die GPS schaffte es nicht, der CO2-Lenkungsabgabe, gegen deren Einführung die SVP das Referendum ergriffen hatte, zum Durchbruch zu verhelfen. So bleiben beide grünen Parteien im politischen System der Schweiz leider eher schwach und die Wahrscheinlichkeit einer Vertretung im Bundesrat klein.

PROF. DR.

Wohnen Wer von der Norm abweicht, wird bei der Wohnungssuche diskriminiert. Auffällig ist, wie stark dabei die soziale Kontrolle bis tief in die Privatsphäre hineinreicht.

This article is from: