5 minute read

Interview

Next Article
Mobilität

Mobilität

«Der Elektroantrieb ist der sinnvollste Weg»

Mobilität – Mit der Zahl der E-Mobile wächst der Bedarf an Stromtankstellen. Gebäudeeigentümer würden von Investitionen in Ladesäulen profitieren, meint Immobilienökonom Fredy Hasenmaile.

Interview: Richard Haimann – Foto: zVg

IMMOBILIEN INNOVATION: Herr Hasenmaile, Bergführer haben diesen Sommer keine Gäste auf das Matterhorn geführt, weil es zu gefährlich war. Von Touren auf Jungfrau, Castor und Pollux haben Behörden abgeraten… Fredy Hasenmaile: Der Klimawandel hat im vergangenen Winter für geringe Schneefälle und im Frühjahr und Sommer für extreme Hitzewellen gesorgt. Die Gletscher sind massiv geschrumpft. Der Permafrostboden in den Alpen taut. Das sorgt für heftige Steinschläge und Abbrüche ganzer Felspartien.

Um die globale Erwärmung einzudämmen, haben Bundesrat und Bundesversammlung für die Schweiz das Netto-Null-Ziel ausgerufen. Die Akademie der Wissenschaften Schweiz hält dies bis 2050 für erreichbar – vorausgesetzt, die Anstrengungen würden intensiviert. Im Gebäudesektor geschieht bereits sehr viel. Neubauten verursachen kaum noch KohlendioxidEmissionen im Betrieb oder sind sogar bereits CO2-neutral. Bei Liegenschaften im Bestand schreitet die energetische Modernisierung voran. Wo derzeit der grösste Handlungsbedarf besteht, ist der Verkehrssektor. Nach Angaben des Bundesamtes für Statistik waren Anfang Jahr nur 1,5 Prozent aller Automobile auf Schweizer Strassen mit Elektromotor unterwegs. Die Tendenz steigt jedoch. In der ersten Hälfte 2021 lag der Anteil der reinen Elektrofahrzeuge bei den Neuimmatrikulationen bei etwas mehr als 16 Prozent. 2034, mithin in zwölf Jahren, soll – aktuellen Prognosen zufolge – jedes zweite Auto in der Schweiz rein elektrisch fahren. Lange Ladezeiten und zu wenige Ladestationen dürften der Grund sein, weshalb die meisten Käufer neuer Automobile noch immer zu Verbrennern greifen. Und weshalb Automobilfirmen an weiteren alternativen Antriebskonzepten wie E-Fuels und Wasserstoff arbeiten… Der Elektroantrieb erscheint derzeit als sinnvollster Weg. Um E-Fuels und Wasserstoff zu produzieren, ist sehr viel Energie nötig. Aus Wasserstoff wird in der Brennstoffzelle elektrischer Strom ohne Schadstoffemissionen gewonnen, weil es dabei nur zu einem Ausstoss von Wasserdampf kommt. Aber Wasserstoff wird derzeit vor allem aus Erdgas gewonnen. Um eine Tonne Wasserstoff herzustellen, werden in der Herstellung zehn Tonnen CO2 freigesetzt. E-Fuels sind so teuer, dass dieser Kraftstoff das Zehnfache des heutigen Benzinpreises kosten würde – und somit derzeit auch nicht als Alternative infrage kommt.

Wasserstoff kann auch durch Elektrolyse aus Wasser gewonnen werden. Die dafür nötige Energie könnten Solar-, Wasser- und Windkraftwerke liefern. Richtig. Allerdings wäre es dann sinnvoller, mit diesem regenerativ gewonnenen Strom direkt Elektrofahrzeuge aufzuladen. Der Gesamtenergieverbrauch wäre dann deutlich geringer als beim Umweg über den Wasserstoff. Hingegen ist Wasserstoff ein sinnvoller Kraftstoff für Lastwagen und Schiffe. Diese sind ständig unterwegs. Die Betankung muss daher in kürzester Zeit erfolgen, so wie heute beim Diesel. Automobile hingegen stehen viel herum, tagsüber, wenn ihre Besitzer arbeiten, nachts, wenn sie schlafen. Da können sie über Stunden ihre Batterien laden, ausserhalb der teuren Spitzenlastzeiten.

Das heisst, die Ladeinfrastruktur muss vorangebracht werden? Genau. Wobei wir einerseits viele Ladestationen entlang der Autobahnen und Fernstrassen benötigen, damit Menschen problemlos auch grössere Distanzen mit dem E-Mobil bewältigen können.

Fredy Hasenmaile, Head of Real Estate Economics Credit Suisse AG

Andererseits, und dies ist noch wichtiger, müssen Büroimmobilien, Shoppingcenter, Fachmärkte und Wohnüberbauungen mit Ladesäulen in grossem Umfang ausgestattet werden. Da es Zeit braucht, den Akku aufzuladen, sollte dies immer dann möglich sein, wenn die Menschen ihr Auto ohnehin nicht benötigen: bei der Arbeit, beim Einkaufen und am Abend, wenn sie daheim sind.

Es wären Milliardenbeträge, welche die Immobilienwirtschaft investieren müsste. Warum sollten die Eigentümer der Gebäude Ladestationen aufstellen, wenn es keine staatliche Förderung gibt? Die Antwortet lautet: Wettbewerb und Nachfrage. Beim Bau neuer Bürogebäude integrieren viele Investoren schon heute Ladestationen, weil sie in ihnen einen Vorteil für die Gewinnung von Mietern sehen. Gleichzeitig schaffen immer mehr Besitzer von Shoppingcentern und Fachmärkten auf ihren Parkplätzen Lademöglichkeiten, um Kunden, die Elektrofahrzeuge bereits besitzen, anzuziehen. Die wachsende Ladeinfrastruktur macht E-Mobile wiederum attraktiver. Das treibt den Absatz dieser Fahrzeuge voran – und erhöht den Bedarf an Ladepunkten, was weitere Immobilieneigentümer verleitet, die Parkplätze ihrer Liegenschaften mit Stromspendern zu versehen. Hat ein solcher Kreislauf erst einmal begonnen, entwickelt sich eine Eigendynamik.

Bei der Errichtung neuer Liegenschaften ist es kein Problem, Ladestationen gleich mit zu schaffen. Anders gestaltet sich die Lage bei den innerstädtischen Wohnimmobilien im Bestand. Diese Liegenschaften stehen dicht an dicht und haben meist keine Garagen. Die Autos parkieren auf den Strassen. Für dieses Problem werden sich Lösungen finden. Zum einen wird dereinst mit zunehmender Reichweite der Batterien ein Ladevorgang pro Woche ausreichen. Die Bewohner dieser Liegenschaften werden ihre E-Mobile am Arbeitsplatz oder beim Einkaufen laden können. Zum anderen werden Energieversorger Ladekapazitäten in den Wohnquartieren schaffen.

Das wäre nicht gerade billig… Irrtum. Die Kosten für Ladestationen sind in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Für eine Heimladestation müssen heute nur noch Beträge zwischen 500 und maximal 3.000 Franken aufgewendet werden. Schnellladestationen sind dagegen erheblich teurer. Für einen Energieversorger dürfte sich eine solche Investition jedoch rechnen. Schliesslich verdienen sie am Stromverkauf. Bei den herkömmlichen Tankstellen war die Finanzierung auch kein Hindernis.

Was ist mit den Eigentümern von Immobilien, die Ladestationen stellen? Könnten Sie auch am Stromverkauf partizipieren? Dazu werden sicherlich Modelle geschaffen werden. Denkbar ist, dass die Eigentümer Elektrizität von den Versorgern beziehen und mit einem Aufpreis weiterreichen. Möglich ist aber auch, dass sie die Flächen für die Ladestationen an die Versorger vermieten. In den nächsten Jahren werden jene Vorreiter, die jetzt schon Ladestationen bei ihren Wohnliegenschaften installieren, in jedem Fall von der First Mover Advantage profitieren: Mieter mit einem E-Mobil werden bereit sein, für solche Wohnungen eine höhere Miete zu zahlen. Schliesslich sparen sie Benzin oder Diesel und geniessen den Komfort, ihr Elektrofahrzeug daheim laden zu können.

Autonomes Fahren ist ein weiteres grosses Zukunftsthema… Bis dahin wird noch geraume Zeit vergehen. Doch wenn dereinst autonome Fahrzeuge ihren Weg gänzlich allein finden und nicht mehr gelenkt werden müssen, dann gibt es keine Notwendigkeit mehr, die E-Mobile direkt vor der Wohnung oder der Arbeitsstätte zu parkieren. Sie können allein zu einer abgelegenen Ladestation fahren, parkieren, Strom tanken und zurückkommen, wenn ihre Dienste benötigt werden. Dann könnten Parkplätze in Wohnquartieren obsolet werden – zugunsten von einer verdichteten Bebauung oder auch von Grünflächen. Doch, wie gesagt, bis dahin wird noch viel Wasser den Rhein hinabfliessen.•

This article is from: