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Gebäudetechnik
Saubere Energie aus dem See
Heizsysteme – Seit die Gaspreise im Zuge des Kriegs in der Ukraine steigen und die Versorgungslage mit fossilen Brennstoffen generell unsicher wird, denken immer mehr Unternehmen über alternative Heiz- und Kühlmethoden nach. Zug und Zürich zeigen, wie es funktionieren kann.
Von Susanne Osadnik – Fotos: xxxxx
Patrik Stillhart ist sichtlich stolz, als er auf dem diesjährigen Nachhaltigkeitsforum der Zug Estates AG berichtet, dass der 1. Juni 2022 einen weiteren Meilenstein in der Firmengeschichte markiert. «An diesem Sommertag demontierten wir unsere letzte Ölheizung», sagt der CEO der Zug Estates AG. Möglich geworden sei das durch die Umrüstung von neun weiteren Gebäuden im Zentrumsareal der Stadt Zug. Das wiederum habe dazu beigetragen, die Treibhausgasemissionen gegenüber dem
Circulago soll eines Vorjahr nochmals um 50 Prozent zu senken. Damit liege man schon heute «deutTages so viel Wärm- lich unter dem 1,5-Grad-Reduktionspfad energie produzieren, des CRREM» (Carbon Risk Real Estate dass es für rund 1.500 StandardeinfaMonitor), so Stillhart. Im jüngsten Nachhaltigkeitsbericht meldet das Immobilienunternehmen weitemilienhäuser reicht. re Erfolge: In der Berichtsperiode vom 1. April 2021 bis 31. März 2022 produzierten die Solaranlagen in der Suurstoffi in RischRotkreuz 1.140 MWh Strom, was in etwa dem durchschnittlichen Verbrauch von 250 Einfamilienhäusern entspreche. Und mit dem Bau von Solaranlagen im Zuger Zentrumsareal würde die eigene Stromproduktion weiter erhöht werden. Der nächste Schritt: Im Herbst werden im Gebiet Haldenhof sechs Häuser mit einer Solaranlage ausgerüstet und in einen ZEV (Zusammenschluss zum Eigenverbrauch) überführt. Bis 2023 soll das gesamte Immobilienportfolio, das sich aus dem Zentrumsareal/Metalli Zug sowie der Suurstoffi in Rotkreuz zusammensetzt, nahezu CO2-frei betrieben werden.
Circulago schreibt Erfolgsgeschichte
Dass dieses Ziel erreicht werden kann, liegt zum einen daran, dass man bei der Entwicklung des Suurstoffi-Areals von Anfang an auf ein Energiekonzept mit Erdsondenfeldern, Anergienetz und Photovoltaikanlagen setzte. Zum anderen auf den Anschluss des Zuger Metalli-Gevierts an den Seewasserverbund Circulago vor zwei Jahren. Der Seewasserverbund Circulago ist einer der Dreh- und Angelpunkte, wenn es um nachhaltige und umweltfreundliche Nutzung von Energie geht. Das zukunftsweisende Pionierprojekt versorgt die Stadt Zug und Baar-Süd mit Wärme- und Kälteenergie – ganz im Sinne der Bevölkerung von Zug, die 2011 eine Volksinitiative zur 2000-Watt-Gesellschaft angenommen und damit grünes Licht gegeben hatte für den Umbau der urbanen Wärmeversorgung – und damit gegen die weitere Nutzung fossiler Brennstoffe stimmte. Das Zuger Versorgungsunternehmen WWZ plant, finanziert, baut und betreibt Circulago. Die Energie für den Energieverbund stammt aus dem Zugersee. Dazu wird in 26 Meter Metern Tiefe Seewasser geschöpft und in einen geschlossenen Leitungskreislauf zur unterirdischen Seewasserzentrale in der Schützenmatt geleitet. Dort übergibt ein Wärmetauscher die Energie an einen zweiten geschlossenen Kreislauf. Gleichzeitig gelangt das Wasser wieder zurück in den Zugersee. Und wie kommen Wärme oder Kühlung beim Verbraucher an? Laut WWZ erstreckt sich ein unterirdisches Quellennetz über die gesamte Stadt Zug und leitet die Energie an Wärmezentralen in den Quartieren weiter. An diese Zentralen sind kleinere und grössere Wärmenetze angeschlossen, die die Endverbraucher per Wärmeübergabestation mit Energie versorgen.
«Das Quartier Metalli wird über den Seewasserverbund Circulago (hier im Bau) mit Energie aus dem Zugersee versorgt.»
Die erste in Betrieb genommene Quartierzentrale war «Metalli», die seit 2020 die namensgebende Einkaufsallee und umliegende Gebäude mit ökologischer Energie für Heizung, Warmwasser, Klimakälte und Serverraumkühlung versorgt – erneuerbar und regional. Sukzessive werden seitdem immer mehr Quartiere an den Verbund angeschlossen, die über neue Energiezentralen versorgt werden. Im Mai dieses Jahres startete mit dem Bau der Energiezentrale Unterfeld das einzige oberirdische Bauwerk des Generationenprojekts Circulago. Die Anlage wird künftig die Zuger und Baarer Gebiete Altgass, Unterfeld, Schleifi, Gartenstadt und Herti mit erneuerbarer regionaler Wärme- und Kälteenergie aus dem Zugersee bedienen – und soll eines Tages so viel Wärmenergie Immer mehr Quarproduzieren, dass es für rund 1.500 Stan- tiere werden an den dardeinfamilienhäuser reicht. «Wir erwarten, dass sich aufgrund der Marktlage ein hoher Teil der LiegenSeewasserverbund angeschlossen und schaften an den Energieverbund an- über neue Energieschliessen wird», sagt Andreas Widmer, zentralen versorgt. CEO der WWZ AG. Nach aktueller Planung könnten die ersten Liegenschaften bereits im kommenden Herbst an die Energiezentrale
Innovation Leader
Real Estate Contr olling
QualiCasa AG
QualiCasa unterstützt seit 20 Jahren institutionelle Immobilienunternehmen sowie Besitzer von Betriebsliegenschaften im Bereich des Real Estate Controllings. Wir bieten dazu Dienstleistungen in der Qualitätssicherung von Bauprojekten – dies schafft Transparenz in den Phasen der Planung, Ausführung und Abnahme/Gewährleistung. Unsere Dienstleistungen und Tools im Asset Controlling unterstützen unsere Kunden mit Gebäudediagnosen, der Instandsetzungsplanung und des Portfolio-Managements von Bestandesimmobilien. Dadurch erhalten unsere Kunden eine einzigartige und ausführliche Sicht über ihre Portfolios. Kostspielige Bauschäden lassen sich vermeiden, Sanierungen zuverlässig und vorausschauend planen.
angeschlossen werden. Im Herbst 2024 soll das Projekt komplett abgeschlossen sein.
Saubere – und sichere – Energieversorgung
War das Circulago-Projekt bei seinem Start vor fünf Jahren noch ein mutiger Schritt – auch vor dem Hintergrund, dass dafür im Laufe der Entwicklung insgesamt rund 250 Millionen Franken veranschlagt wurden – erweist es sich heutzutage nahezu als wegweisend aus der Krise. Je höher die Preise für fossile Brennstoffe im Zuge des
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Rund um den Zürichsee hat ewz diverse Verbunde in Betrieb genommen. Kriegs in der Ukraine steigen und je unsicherer die Versorgung mit fossiler Energie generell wird, desto attraktiver erscheint die Alternative aus dem Zugersee. Denn sie verspricht nicht nur saubere Energie, sondern auch deren zuverlässige Lieferung. Der Betrieb läuft und die Quartierzentralen Lüssi und Metalli in Zug sind zu 100 Prozent ausgelastet. Auch anderorts weiss man um die Bedeutung der angespannten geopolitischen Lage, welche die Nachfrage nach CO2-freier Fernwärme massiv ankurbelt. Wer kann, sieht zu, dass er sich so schnell wie möglich von Gas und Öl verabschiedet. Das Werben des regionalen Energieversorgers WWZ zum Beitritt in einen Wärmeverbund stösst dabei immer häufiger auf positive Resonanz: Immerhin seien die Wärmebezugskosten kalkulierbar und der Hausanschluss brauche wenig Platz. Ausserdem entfallen die Bestellung und die Einlagerung von Brennstoffen, so die WWZ. Künftig dürften daher auch die Kunden im Gebiet zwischen Perlen und Rotkreuz in den Genuss alternativer Wärmelieferung kommen, und zwar über den Wärmeverbund Ennetsee, welcher im Endausbau weite Teile der Ennetseegemeinden mit CO2-freier Abwärme aus der Kehrichtverbrennungsanlage Renergia im luzernerischen Perlen versorgen wird. Im Rahmen des Ausbaus des Wärmeverbundes Ennetsee wird die erste Liegenschaft bereits aus der Energiezentrale Schöngrund in Rotkreuz versorgt. «Die WWZ AG hat sich zum Ziel gesetzt, auf die bevorstehende Heizperiode 2022/2023 möglichst viele Liegenschaften mit CO2-freier und preislich attraktiver Wärmeenergie zu versorgen», sagt Marcel Fähndrich, Leiter Wärme und Kälte bei der WWZ AG.
Zürich - bis 2040 klimaneutral
In der Stadt Zürich nutzt man den See schon länger als Quelle für CO2-freie Energielieferung. Das Zürcher Seebecken bietet aus Sicht des Energiedienstleisters ewz ideale Voraussetzungen für Seewasserverbunde, weil sich hier auf kleinem Raum viele Immobilien mit Heiz- und Kühlbedarf befinden und daher für die Erschliessung der seenahen Quartiere lediglich kurze Leitungen erforderlich sind. Seit 2003 hat ewz rund um das Zürcher Seebecken diverse Verbunde in Betrieb genommen, darunter Escherwiese, Fraumünster, Falkenstrasse, Klausstrasse und Seefeld. Zahlreiche Gebäude um das Zürcher Seebecken werden inzwischen nachhaltig und wirtschaftlich mit Wärme und Kälte versorgt. Darunter sind das Stadthaus Zürich, das Kongresshaus, das Hotel Park Hyatt, die Gebäude der NZZ sowie diverse Büro- und Wohngebäude. Die Stadt Zürich will bis zum Jahr 2040 den CO2Ausstoss auf Netto-Null zu reduzieren – und um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, im Stadtgebiet möglichst viele fossil betriebene Heizungen ersetzen – sie sind immerhin für rund 50 Prozent der direkten CO2-Emissionen verantwortlich. Eine Energiezentrale im ewz-Unterwerk Selnau soll bald die Innenstadt mit erneuerbarer Wärme und Kälte versorgen. Die Realisierung der Energiezentrale im ewz-Unterwerk Selnau hat allerdings zur Folge, dass die bisherige Nutzung des Gebäudes als Museum für konstruktive und konkrete Kunst sowie als «Innovationskraftwerk» des Impact Hub weichen muss, um Platz für die geplante neue Nutzung zu schaffen. Bei beiden Mietern läuft der Mietvertrag am 1. Juli 2025 aus. Wie die Stadt Zürich mitteilt, will sie die beiden Institutionen bei der Suche nach neuen Standorten unterstützen.∙