
6 minute read
Standortentwicklung
Ein Ökotop für die EPFL
Forschung – Der seit 30 Jahren bestehende Science Park and Innovation Square der EPFL wird in den kommenden Jahren mit einem Neubau ergänzt. Für die Gestaltung des als «Inkubator und Marktplatz für neue Ideen und Kooperationen» konzipierten Ecotopes zeichnen Itten Brechbühl und das Archiktekturbüro 3XN verantwortlich.
Von Gudrun Escher – Fotos: 3XN,IB+
Das von 3XN und IB+ entworfene Hauptgebäude des Ecotopes soll ab dem Jahr 2025 den EPFL Innovation Park ergänzen. Zufälle sind eine der wenigen Konstanten in der Geschichte der Forschung. Ob die kosmische Hintergrundstrahlung oder der Teebeutel, nach vielen oft bahnbrechenden Forschungsergebnissen wurde nicht ausdrücklich gesucht – sie stellten sich ein auf der Suche nach etwas ganz anderem. Wie die Entdeckung Amerikas. Dieses Prinzip des glücklichen Zufalls ist bekannt als Serendipität. Der Serendipität den Weg zu ebnen, ist Aufgabe des künftigen Ecotopes der École polytechnique fédérale de Lausanne, kurz EPFL. Denn ohne Serendipität und ein kollaboratives Denken werde es keine disruptiven Innovationen geben, so die Überzeugung der Stiftung EPFL Innovation Park, Trägerin des Projekts Ecotope.
Hintergrund und Ziele
Partner der Stiftung EPFL Innovation Park sind der Kanton Waadt und die Gemeinde Ecublens, auf deren Territorium Ecotope angesiedelt wird, westlich von Lausanne im Mündungsgebiet des Flusses Venoge in den Genfersee. Betreut wird der EPFL Innovation Park vom Vizepräsidium für Innovation der EPFL. Es befasst sich unter anderem mit der Umsetzung des Switzerland Innovation Park Network. Dieses Netzwerk hat die Form einer Zweckgesellschaft der öffentlich-privaten Partnerschaft in privater Trägerschaft und wird gefördert vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation. Das Netzwerk hat fünf Standorte, darunter sind Zürich im Umfeld der ETH und der Standort West EPFL in Lausanne. Die Aufgabe besteht darin, das technologische Wissen aus der Isolation an den Hochschulen in die Gesellschaft zu tragen, ihre Ergebnisse zu



Ecotope entsteht in Holzbauweise und sieht Büros, Labore und Begegnungsräume vor.
«übersetzen», um Forschungen für den gesamtgesellschaftlichen Nutzen fruchtbar werden zu lassen, und ganz konkret eine Schnittstelle zwischen der Hochschule, den ausgegründeten Startups und der Wirtschaft zu bieten. So unterstützt das Vizepräsidium für Innovation den Transfer von Technologien und die Vermarktung von Forschungsergebnissen an Unternehmen und kümmert sich um die Wirkung von Innovationen auf die Gesellschaft insgesamt. Obgleich immobilienwirtschaftliche Fragen nicht zu den Kernthemen der auf Naturwissenschaft und Technik ausgerichteten EPFL gehören, tangieren viele Forschungsbereiche das immobilienwirtschaftliche Handeln zumal unter den Prämissen von Klimawandel und Energieversorgung. Mit Energiefragen beschäftigte sich z.B. Margarita Agriantoni in einer von Philippe Thalmann am Laboratory for Urban and Environmental Economics der Architekturfakultät betreuten Studie. Darin konnte auf Basis von Befragungen sowie variablen dynamischen Modellen nachgewiesen werden, dass der Umweltfussabdruck von Wohnraum in der Schweiz bis 2050 nur gemindert werden könne, wenn sich Hauseigentümer und Bewohner darauf verständigen, die Wohnflächen je Person zu begrenzen, ein Ergebnis mit Sprengkraft in einem Land mit wachsender Bevölkerung und wachsender Wohnraumnachfrage. Andere Forschende der EPFL und des Smart Living Lab Fribourg haben in einer interaktiven Karte aufgezeigt, welche Art von erneuerbaren Energien an welchen Standorten in der Schweiz installiert werden sollte, um eine maximale CO₂Neutralität und Energieunabhängigkeit des Landes zu gewährleisten. Ein weiteres Untersuchungsfeld sind Stoffkreisläufe beim Bauen, z.B. mit dem Projekt «Re:Crete – Reuse of concrete blocks» des LowTech Lab in Lausanne, dessen Ergebnisse jetzt in einem Open Access Paper veröffentlicht wurden. Dabei wurde eine Fussgängerbrücke aus zugeschnittenen Abbruchbetonblöcken konstruiert. Das Projekt «rebuiLT», bei dem ein Gemeinschaftspavillon in Ecublens aus Teilen «Nach meiner eines Gebäudes auf Abbruch errichtet wird, ist ein weiteres der interdisziplinären Praxisprojekte der EFPL. Kenntnis ist das Konzept von Ecotope Vorbildfunktion will die Hochschule auch bis anhin einzigartig mit dem eigenen Handeln übernehmen. in Europa.» So wurde im September ein neues Heizkraftwerk in Betrieb genommen, mit dem die Hochschule ihrem Ziel der CO₂Neutralität einen entscheidenden Schritt Ursula Oesterle, Vizepräsidentin für Innovation der EPFL näher kommt. Mit der derzeitigen Anlage lässt sich der Campus Ecublens heizen und zugleich kühlen, und zwar mit der Kombination aus Pumpwerk, welches das Tiefenwasser aus dem Genfersee nutzt, sowie Wärmetauschern, Solarpanels und der Abwärme aus dem direkt über der Heizzentrale liegenden Rechenzentrum. Damit sollen 54 Prozent des Gesamtenergiebedarfs gedeckt werden.
Lichtdurchflutete, überglaste Innenhöfe verbinden die Kommunikationsflächen über Treppen und Galerien.
Bauprojekt mit Vorbildcharakter
Vor nunmehr 30 Jahren entstand westlich des Universitätscampus der EPFL der Innovation Park. Dort arbeiten derzeit auf rund 55.000 Quadratmeter Fläche mehr als 150 Start-ups und 30 Grossunternehmen. Aber die Raumreserven sind erschöpft. Ausserdem brauchten die «Scaleups», Unternehmen, die aus der Start-up-Phase herausgewachsen sind, aber im nahen Umfeld des Wissenschaftsclusters der Hochschule bleiben möchten, Raum, um expandieren zu können, berichtet Ursula Oesterle, Physikerin mit langer Erfahrung in Netzwerkprojekten unter anderem im Silicon Valley und amtierende Vizepräsidentin für Innovation der EPFL. Nach ihrer Kenntnis ist das Konzept von Ecotope bis anhin einzigartig in Europa.
«Der Masterplan Statt «nur» eine Flächenerweiterung anbasiert auf den Grundprinzipien zustreben (perspektivisch ist von einer Verdoppelung die Rede), will man als Auftakt am zweiten, ergänzenden StandBiophilie, Serendipi- ort mit einem innovativen Konzept einen tät, Modularität, Nukleus für Innovationen sprichwörtlich Nachhaltigkeit, unter einem Dach schaffen, das Ecotope. starke Identität und Komfort.» Nur zehn Minuten Fussweg vom ersten Innovation Park entfernt in einem bestehenden kleinen Gewerbegebiet am
Jan Ammundsen, Senior Rande eines Wäldchens hat sich die Partner bei 3XN Stiftung ein bisher unbebautes Eckgrundstück für das Ecotope gesichert. Weitere Gebäude sollen von Investoren entwickelt werden. Eine Vision für das Gesamtareal war zusammen mit einem Entwurf für das Ecotope Gegenstand eines Wettbewerbs, zu dem eingeladen und der im Sommer zugunsten der Arbeitsgemeinschaft Itten Brechbühl, Lausanne, und 3XN aus Kopenhagen entschieden wurde. Wie beim Neubau des Headquarters des IOC ebenfalls in Lausanne überzeugte das Architektenteam mit seiner Flexibilität, Ideen für allgemeine Ziele statt für definierte Nutzflächen zu liefern, und mit der Bereitschaft, sich auf eine kooperative Planungsmethode einzulassen. Das alles gepaart mit einer erwiesenen Kompetenz im klimagerechten, innovativen Bauen. Denn wie das IOC strebt die EPFL ein Bauwerk mit Modellcharakter an, ein Vorbild für weitere Gebäude auf dem Campus und darüber hinaus. Ecotope mit einer Fläche von rund 25.000 Quadratmetern sieht Büros, Labore und Begegnungsräume vor, verteilt auf zwei Kuben in Holzbauweise mit begehbaren Dachflächen. Die Kuben stehen im spitzen Winkel zueinander mit zum Teil aufgeständerten Erd- und Untergeschossen, die dem Geländeverlauf folgen. Zwischen ihnen entsteht eine einladende Eingangssituation, die nicht an der Peripherie bleibt, sondern gleich ins Zentrum des Geschehens führt, wo lichtdurchflutete, überglaste Innenhöfe die Kommunikationsflächen über Treppen und Galerien verbinden. Glasfassaden mit neu entwickelten hölzernen Verschattungslamellen sorgen für weitere natürliche Belichtung. Begrünte Aussenbereiche und Dachflächen ergänzen das gesunde Arbeitsumfeld und fügen sich in das sensible Ökotop des Mündungsgebiets der Venoge ein. Auf den Etagen bietet die modulare Bauweise genügend Flexibilität im Hinblick auf künftige Arbeitsorganisationen, nur die Anordnung von Laboren muss aus technischen Gründen fixiert werden. Derzeit wird der Bauantrag in Abstimmung mit einem Quartierplan präzisiert, den die Kommune erarbeitet. Mit der Baugenehmigung rechnet Ursula Oesterle noch im Jahr 2023, um 2025 einziehen zu können. Bis dahin soll das saubere Transportsystem zur Verbindung der beiden Standorte bereitstehen.

Stärkung für den Forschungsstandort
«Sowohl das Design des Masterplans als auch das des Hauptgebäudes basieren auf sechs Grundprinzipien – Biophilie, Serendipität, Modularität, Nachhaltigkeit, starke Identität und Komfort –, die untrennbar miteinander verbunden sind, um die Flexibilität zu gewährleisten, die den sich ändernden Bedürfnissen der Zukunft gerecht wird», erklärt Jan Ammundsen, Senior Partner bei 3XN. Vom Ecotope erwartet die EPFL eine weitere Stärkung der Genferseeregion und ihrer führenden Stellung in den Bereichen Innovation und Unternehmensgründung. Zwischen den Jahren 2013 und 2021 wurden in der Region rund 3,6 Milliarden Franken an Risikokapital aufgebracht, 30 Prozent des Schweizer Gesamtvolumens (36% in der Region Zürich), was nicht zuletzt der Förderung der wachsenden Zahl von Start-ups aus der EPFL heraus zugutekam. ∙