The Gap 114

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Wolfram –– Disco-Berserker und DJ-Netzwerker Skins / Destroyer / Sound:frame 114 Magazin für Glamour und Diskurs. MONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 1040 WIEN, P.B.B. GZ 05Z036212 M, Nº 114, MÄRZ 2011

Radiohead. Hyperkino. Dead Space 2. Bright Eyes. Das Weisse Haus. Ghostpoet. Deathface. Test Drive Unlimited 2. Glasvegas. Elektro Guzzi. Im Wortwechsel: Taugt Open Source zur umfassenden Wirtschaftsform?

€ 0,-


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► l e i ta rt i k e l ►Von Thomas Weber

das schweinesystem bröckelt

Festival des österreichischen Films Graz, 22.– 27. März

Die Zivilisation schreitet voran: Fleischessen wird für unsereiner langsam aber sicher tabu. Making-of einer neuen Moralvorstellung.

BILD MICHAEL WINKELMANN

I

ch bin kein Soziologe, doch der Wandel ist offensichtlich. Und ich behaupte: Er ist unaufhaltsam. Schnitzel, Gulasch und Grammelknödel haben als identitätsstiftende Speisen bald ausgedient. Und es ist nicht Kebab, das an ihrer statt die kulinarische Linie vorgibt, sondern Tofu. Je jünger, je gebildeter, je städtischer, je meinungsbildender die Menschen, desto dezidierter sind sie Anti-Fleisch. Damit liegen sie im Trend eines seit Jahren sinkenden Fleischverzehrs in den Industrienationen, weltweit allerdings können die Tierfabrikanten mit einem Anstieg des Fleischkonsums bis 2020 um bis zu ein Drittel rechnen. Doch ob sie Fleisch nun aus Gründen des Tierschutzes, der eigenen Gesundheit oder, globaler gedacht, der Ressourcenknappheit halber sein lassen: Sie setzen den neuen kulturellen Maßstab. Denn Vegetarier oder Teilzeit-Vegetarier sind nicht mehr die Kostverächter, als die sie galten, sondern sie inszenieren sich selbstbewusst als die wahren Genießer. Diesem Bild gegenüber steht der Old-School-Typus eines Otto Schenk (»Ich esse gerne fett und deftig«). Ich bin es mir wert versus Mir doch wurscht. Das färbt ab. Der Fleischgenuss gehöre bald zu den wenigen Privilegien der schlecht verdienenden, ungebildeten, männlichen Jugend. Das meinte sinngemäß eine Wiener Ernährungsberaterin in einem Gespräch mit der Fibel, dem Zentralorgan des Forschungsinstituts für biologischen Landbau. Das mag zwar immer noch die Mehrheit ausmachen, doch die Tendenz ist eindeutig: Schon jetzt werden in Deutschland

70 Prozent des verkauften Schweinefleischs in Sonderangeboten abgesetzt. Es kursieren keine Vergleichszahlen, aber das Verhältnis dürfte in Österreich ähnlich sein. Hier werden pro Kopf jährlich knapp 70 Kilo Fleisch gegessen, 40 davon stammen vom Schwein. Billiges Schweinefleisch zum Kampfpreis kauft allerdings nur, wer nicht darüber nachdenkt, was er isst. Denn auch wer billig essen muss, kann gesund und bewusst kaufen.

DER REIZ DES TABU-BRUCHS

Letztlich ist es wie mit Autos, die nur noch der Vätergeneration oder unter Halbstarken zum Statussymbol taugen. Die Ausnahme bildet da wie dort der Genießer, der seine Leidenschaft zur Erhabenheit erklärt, zum Kult erhebt. Von Zeit zu Zeit den Oldtimer auszufahren ist dann im Grunde dasselbe wie hin und wieder voll Hingabe die Hartwurst vom Freilandschwein aufzuschneiden. Weil der Bruch des Tabus aber, wie immer, seinen Reiz haben wird, könnte zwanghaften Fleischfressern künftig nur die Flucht in den Prolo-Chic bleiben. Dann können sie sich mit dem koketten Grinsen des Tabu-Brechers von Wurstthekenfingern den Leberkäs servieren lassen. Falls ihnen dann nicht selbst davor graust. ¶

Thomas Weber, weber@thegap.at Herausgeber & mündiger Fleischfresser

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Tickets & Programm ab 12. März im Festivalzentrum Kunsthaus Graz, im Café Promenade, unter www.diagonale.at und der Freeline 0800 664 080 ab 23. März in den Festivalkinos: Filmzentrum im Rechbauer KIZ RoyalKino Schubertkino UCI Kinowelt Annenhof

www.diagonale.at


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Wolf r a m

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Disco und House Made in Austria schnuppert internationale Luft. Das im April erscheinende selbstbetitelte Album des gebürtigen Kärtners Wolfram ist songlastig, gewitzt und spannend. Sein Aufstieg in den Olymp der Disco-Götter ist quasi vorprogrammiert. Stefan Niederwieser & Maximilian Zeller beleuchten die Lichtgestalt.

Bisher mussten Filmfans zumeist durch ein unübersichtliches Dickicht an Bonusmaterial durchklicken, um in den vollen Genuss einer DVD zu kommen. Mit einem relativ jungen Verfahren können diese DVDs nun mit Fußnoten versehen werden und eröffnen neue Einblicke in alte Schinken.

Magazin

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Der österreichische Disco-und House-Produzent zeigt mit seinem Debüt-Album, dass die Vorschusslorbeeren wohlverdient waren. Freunde & Kollegen wie Hercules & Love Affair, Holy Ghost und Haddaway sind mit dabei. Golden Frame : Mi c h a e l a M ü c k Michaela Mück stellt die Beiläufigkeit eines Roadtrips in dreißig Miniaturen zu je 15 x 15 Zentimeter in Schwarz-Weiss nach. skins Anlässlich des Kinostarts von Danny Boyles »127 Hours« nähert sich Joachim Schätz dem Schauspieler James Franco, der auf faszinierende Weise dazu neigt, seine reale Person ebenfalls als Rolle zu inszenieren. hyperkino Die Idee ist so einfach, dass man sich wundert, warum das so lange gedauert hat. DVDs werden mit Kommentaren und Metadaten zu dem, was kritische Ausgaben für die Literaturwissenschaft sind. destroyer Dan Bejar bettet teils grimmige, teils beißende Texte auf eine dichte Schicht von Prog, Muzak und anderen schwülstigen Sounds.

Aktuelle Raiffeisen Club­Eventtipps:

GA SO M ET ER W I E N

04.+05.03.2011

ARENA WIEN

HURTS

15.3.2011

Nu Rave, Metal und Trance gehen bei Deathface eine unheilige Allianz ein. Michael Aniser hat dafür den Kerzenschein von Witch House gegen das StroboskopGewitter im Terrordome eingetauscht. 033 t est d r i v e u n l i m i t e d 2 Ein Rennspiel, das dort spielt, wo sich Taio Cruz, Flo Rida und ein paar Bikini-Mädchen gute Nacht sagen. Die Atmosphäre ist angenehm hedonistisch, meint Martin Mühl. 034 da s w e i ss e h au s Kunst braucht Raum. Eine vagabundierende Galerie organisiert in Offspaces und an ungewohnten Orten regelmäßige Ausstellungen. 036 s o u n d : f r a m e Agentur und ein Label für AV-Acts. Lichtkultur soll in Wien ganzjährig auf sichere Beine gestellt werden. 038 Neu e Tö n e : M u s i k ex p o rt In Dänemark hat sich nach dem Zusammenschluss privater Initiativen der Staat in den Musikexport eingeschaltet. Österreich hinkt hinterher, aber es regt sich was, meint zumindest Nikolaus Ostermann. 040 Th e at e r i n Ka sac h sta n Volker Schmidt war in Zentralasien und hat sich korrupte Strukturen, atemberaubende Landschaften und die zarten Knospen kasachischen Theaters angesehen.

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02.04.2011

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Editorial b i l d dER d e r au sga b e Lost in Rechtewirrwarr – Bei den Neue Töne Music Talks diskutierte am 8.2. eine von The Gap zusammen gestellte Expertenrunde über nicht gerade unkomplexe Rechte- und Standardisierungsfragen. (Bild: Christian Aysner)

Rubriken 003 Leitart i k e l 005 Editoria l 006 Porträts / I m p r ess u m 011 Fondue 010 Fabul a Ra sa 011 Unbeza h lt e r A n z e ige r 014 Charts / Sp l i t t e r 044 Wort wec h s e l :

Ich reiß da jetzt alles um. Wenn schon neuer Chef­ redakteur, dann auch echt mal neue Blattlinie. Nun, hallo, ganz so neu bin ich nicht bei The Gap. Ich darf mich vorstellen: Stefan Niederwieser. Seit Anfang Februar 2011 teile ich mir mit Martin Mühl den Chefrockerposten. 2005 als einfacher Schreiber meine allerersten Reviews für Ausgabe 060 abgegeben, der Versuch einer Coverstory bei Ausgabe 069 – abgesägt bzw. gescheitert –, seit 2008 Leitung der Musikredaktion und dementsprechend tief im Filz des Magazins drin. Was Online und Social Media betrifft sowieso. The Gap wird also nicht neuerdings über Nacht aus den Angeln gehoben, dafür aber wie bisher bei schnurrendem Motor erneuert. Weil wir aber auch nicht alles von selbst wissen, freuen wir uns immer über Feedback auf das, was The Gap schreibt und macht. Streiflichter auf die Fragen für unsere nähere Zukunft: Wer informiert sich noch offline über Konzerte? Welche Kolumnen lest ihr gern, welche überblättert ihr? Interessiert euch Theater, Design oder gar Stadtsoziologie? Und sind wir etwa wirklich zu schön, zu jung und zu intelligent für diese Neidgesellschaft? Wir freuen uns auf Antworten, denn sonst müsst ihr mit unseren leben. Für die aktuelle Ausgabe heißt das: wieder einmal ausgesprochen viel Musik – unter anderem über Wolfram, den wir allein schon wegen des Bildes aufs Cover geben mussten – eine Reportage aus Kasachs­tan und einen weiteren Wortwechsel zu Netzkultur. ¶

ngen (Abfallend+Satzspiegel) Taugt Open Source zur umfassenden Wirtschaftsform? 046 Prosa: M a r l e n e G es e l l e 048 Bildstr ec k e Wo r kstat i o n : Pa m e l a R u ss m a n n 054 Gründe r s e r i e Ga r m z : Bu l l s h i t B i ng o 057 Revie ws 059 Lost in Mu s i c : dav i d b ow i e 061 T racksp ot t i ng 076 T ermine

4c, 2c, 1c Negativ:

4c, 2c, 1c Neg mit Outline:

Kolumnen 016 Zahlen, b i t t e ! 082 Know-N ot h i ng - G es e l l s c h a f t

Stefan Niederwieser, Chefredakteur niederwieser@thegap.at

INNSBRUCK OPEN AIR

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Das Gegenteil von Berührungsangst

Lisa Dreier ist seit Kurzem als Praktikantin bei The Gap und intern bereits berüchtigt als gute Schreiberin. Dass Lisa in Klagenfurt geboren wurde und aufwuchs, ist nicht zu überhören. Seit Anfang 2005 lebt sie in Graz, um dort Germanistik und Musikologie zu studieren. Ersteres hat sie sogar schon abgeschlossen. Die Zeit, die ihr abseits der Uni bleibt, verbringt Lisa mit dem Organisieren von Konzerten, der Mitarbeit im Kulturverein »Gegenwart« und dem Schreiben ihres eigenen Musikblogs »Scenesters’ Austria«. So gehen das »Brittsommar Festival« in Klagenfurt und Graz und Gastauftritte in der Sendung »Aficionados on Air» auf Radio Helsinki auf das Konto der 24 jährigen Kärntnerin. Wenn Lisa bei all dem noch Freizeit bleibt, verbringt sie diese mit schwülstiger Literatur von Goethe bis Dostojewski, aber auch Bücher von Arno Geiger oder Martin Walser schummeln sich zeitweise unter die Klassiker. Lisa isst gerne viel – Ihre Schwester ruft sie deshalb »Raupe Nimmersatt«. Ihrem Bauchumfang sieht man das jedoch nicht an, sie würde sonst nicht ständig ihre beste Freundin zum Baden am Bodensee besuchen. Vor Studienkollegen als »Indie-Snob« bezeichnet zu werden, muss Lisa aushalten. Sobald Lisa von Musik begeistert ist, redet sie viel und schnell und drückt Leuten schon mal mit siegessicherem Grinsen rein, dass sie die jeweilige Band als Erste kannte. Ihr Begeisterungs-Manometer explodiert bei Musikern wie Ja, Panik, Herman Dune, Hefner oder Hans Unstern. Für die aktuelle Ausgabe porträtiert Lisa den Berliner Online-Musiksender Tape.tv, der ein individuell zugeschnittenes Angebot an Musikvideos liefert. ¶

»Autor, Regisseur, Schauspieler« steht da recht schlicht auf der Startseite von Volker Schmidt. Das wird der Umtriebigkeit des 34-jährigen Klosterneuburgers ebenso wenig gerecht wie es dieser kurze Text kann. Als Autor schreibt er Stücke im weitesten Sinne, zuletzt etwa »Peer lügt!«, eine elektronische Oper gemeinsam mit Hans Platzgumer. Als Schauspieler ist er im Hörspiel, am Theater und bei Film (»Kleine Fische«) und TV tätig und auch als Regisseur durchbricht er gern Genregrenzen. Sprech-, Musik- und Tanztheater vermischt er, im Mittelpunkt steht dabei das Erleben, während er sich von tradierten Diskursen eher fernhält. Nach einem halben Sabbatical-Jahr, das ihn unter anderem nach Kasachstan, Usbekistan und Bhutan brachte, beginnt nun gerade wieder eine intensive Phase mit Projekten und Premieren. Wobei er aber auch auf seiner Reise das Arbeiten nicht lassen konnte: In Bhutan hielt er einen Theater-Workshop ab, schrieb ein Bühnenstück und brachte es gleich zur Aufführung. Über seine Erlebnisse in Kasachstan berichtet er in dieser Ausgabe (Seite 040ff). Und in den kommenden Monaten? In Braunschweig inszeniert er ab April die Juliane Kann-Uraufführung »Hotel Braunschweig«, ab Juli spielt er im Sommer­ theater Brauhaus in Litschau in der deutschen Erstaufführung der Theaterversion von »Harry und Sally« die Hauptrolle, während Exfrau Silvia Meisterle die Sally gibt und Trauzeuge Zeno Stanek Regie führt. 2012 folgen Tanztheater mit der HipHop-Academy und eine Bühnen-Version von Fassbinders »Angst essen Seele auf« in Dänemark. Kurz: Man könnte mehrere Seiten komplett mit Volker Schmidt füllen. ¶

TEXT Maximilian Zeller

TEXT martin mühl

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Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Für den Inhalt von Inseraten haftet ausschließlich der Inserent. Für unaufgefordert zugesandtes Bild- und Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung der Geschäftsführung.

Uni- und Veranstalterambitionen

Impressum

BILD bernd brundert

lisa Volker dreier schmidt

HERAUSgeber Thomas Weber chefredaktION Martin Mühl, Stefan Niederwieser Redaktion Gregor Almassy, Michael Aniser, Matthias Balgavy, Christine Baumgartner, Claire Benedikt, Josef Berner, David Bogner, Klaus Buchholz, Ivo Brodnik, Stephan Bruckner, Ann Cotten, Lisa Dittlbacher, Juliane Fischer, Holger Fleischmann, Manfred Gram, Dominique Gromes,Benedikt Guschlbauer, Christoph Hofer, Sebastian Hofer, Peter Hoffmann, Julia Hold, Lena Hopp, Reiner Kapeller, Iris Kern, Markus Keuschnigg, Hubert Kickinger, Stefan Kluger, Michaela Knapp, Markus Köhle, Michael Bela Kurz, Philipp L’Heritier, Gunnar Landsgesell, Johannes Luxner, Nureddin Nurbachsch, Florian Obkicher, Michael Ortner, Ritchie Pettauer, Stefan Pichler, Johannes Piller, Stefanie Platzgummer, Karoline Podolecka, Christian Prenger, Werner Reiter, Georg Russegger, Joachim Schätz, Barbara Schellner, Lukas Schmid, Bernhard Schmidt, Werner Schröttner, Richard Schwarz, Katharina Seidl, Wolfgang Smejkal, Bernhard Schmidt, Johann Scholz, Cornelia Stastny, Gerald C. Stocker, Johanna Stögmüller, Asha Taruvinga, Martin Tschiderer, Hanna Thiele, Horst Thiele, Ursula Winterauer, Maximilian Zeller, Martin Zellhofer, Barbara Zeman PRAKTIKUM Lisa Dreier, Johannes Rausch termine Johanna Stögmüller AUTOREN Georg Cracked, Michaela Knapp, Michael Lanner, Moriz Piffl-Percevic, Stefan Tasch, Jürgen Wallner, Martin G. Wanko fotografie Florian Auer, Lukas Beck, Stephan Doleschal, Andreas Jakwerth, Klaus Mähring, Georg Molterer, Ingo Pertramer, Karin Wasner, Michael Winkelmann Illbilly-illustration Jakob Kirchmayr COVERBILD Daniel Gebhart (www.gebhart.dk) WORKSTATION-FOTOstrecke Pamela Russmann DESIGN Monopol, Super-Fi Lektorat Wolfgang Smejkal, Adalbert Gratzer web Super-Fi, Codeon, m-otion anzeigen Herwig Bauer, Thomas Heher, Micky Klemsch, Martin Mühl, Christoph Ullmann, Thomas Weber (Leitung) Distribution Martin Mühl druck Manz Crossmedia GmbH & Co KG, Stolberggasse 26, A-1051 Wien geschäftsFÜHRung Bernhard Schmidt PRODuktion & MedieninhabERin Monopol GmbH, Favoritenstraße 4–6/III, 1040 Wien kontakt The Gap c/o Monopol GmbH, Favoritenstraße 4–6/III, 1040 Wien; Tel. +43 1 9076766-41; wien@thegap.at, www.thegap.at, www.monopol.at, office@thegap.at bankverbindung Monopol GmbH, easybank, Kontonummer 20010710457, BLZ 14200 abonnement 10 Ausgaben; Inland EUR 15, Europa EUR 35, Rest der Welt EUR 42; HEFTPREIS EUR 2.00 erscheinungsweise 10 Ausgaben pro Jahr; Erscheinungsort Wien; Verlagspostamt 1040 Wien

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Kontributoren


M ä r z / o

2010/11

A p r i l

uneasy going SCORES N 3 Sideways Rain Alias / Guilherme Botelho Warum es ohne Liebe keine Kunst gibt Robert Pfaller The Blanket Dance Frédéric Gies / Jefta van Dinther / DD Dorvillier »Erklär mir, Liebe.« Erotik und Berührung Gabriele Brandstetter / Gerhard Neumann 2. repulsion & while going to a condition Hiroaki Umeda Stadt in der Stadt Daniel Aschwanden Onde de choc O Vertigo Projekt 2011.1 Laurent Chétouane — www.tqw.at —

Gestaltung: ATELIER 1 | ANDREAS WESLE & ANNA LISKA Wien / Berlin

SAISON


Wie gut sind Ă–sterreichs Marken in Social Media unterwegs? Das Social Media Ranking bietet wĂśchentliche Charts, errechnet aus Kennzahlen von Facebook und Twitter.

Social Media Ranking Die Top 23 / Ă–sterreich

www.socialmediaranking.at


Fondue.

Zusendungen an fondue

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thegap.at

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Hast auch du einen Blick für das Bemerkenswerte da draußen? Dann halte deine Handycam stets im Anschlag, fang die Stil­blüten und optischen Querschläger ein, und schick sie uns per MMS oder E-Mail an fondue@thegap.at BILD berthold pemp, ben posch, franziska riedler, katha schinkinger, daniel vonier, helmut wimmer

File under: whale tail. Nur Sekunden später hätte Käpt’n Ahab ein Massaker angerichtet, wäre er nicht mit seinen Holzbein über den Einkaufswagen gestürzt und anschließend im Bodenreiniger ertrunken.

Die gewaltige Aussicht von der Berghütte ist nicht nur schön sondern auch lehrreich, lässt sich an jenem Ort die Kugelform der Erde mit freiem Auge erahnen. Bei der mächt’gen Bierwumme jenes Herrn kann man diese hingegen nur mehr via Satellitenmessung feststellen.

Frischer Orangenbaumsaft aus unserer hygienischen Hydraulikpresse, mit welcher wir unter der Hand auch gerne ihren Fluchtwagen auf Schuhschachtelgröße verschrotten.

Des Öfteren wird zu Stoßzeiten lauthals nach ihnen artikuliert - in der Slowakei werden diejenigen und ihre lausige Fahrweise anscheinend gezielt trainiert.

NACHHALTIGKEIT IM BRIEFKASTEN? BIORAMA IM ABO: WWW.BIORAMA.EU

NEUE AUSGABE OUT NOW Muhlois Nußbaumer, Hase Strache, Herbär Kickl … wen wundert’s da bitte noch, dass die FPÖ im Wählersegment »Bauerndisco« tierisch gut ankommt.

Bitte den Schmäh mit dem Hintereingang gar nicht erst auspacken.

Have a look: Weitere Höhe- und Tiefstpunkte sowie Upload-Möglichkeiten für neue Fotofundstücke, gefischt aus dem Eintopf des Alltags, unter www.thegap.at AU S GA B E 1 1 4 / 0 0 9 ◄


FABULA RASA

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KOLUMNE GEORG CR ACKED

Standards in Sachen vertretbarem Kulturpessimismus. »Everybody! Get Up! We gonna have a good time!« (The Bellrays)

Getrockneter Lavendel, frisch abgerieben und in entsprechender Menge in einem Raum ausgebracht, kann durch die Intensität seines Duftes Kopfweh, Übelkeit, Erbrechen und Halluzinationen hervorrufen. Das gleiche gilt für die Banalitäten, mit denen manche Menschen erheitert werden können. Und damit meine ich eher die gut ausgebildeten, besser verdienenden, tolerant und intellektualisiert lebenden. Jene, die ihre eigene Lebensweise als progressives Vorbild für die Restgesellschaft inszenieren. Bobos. Und die plötzlich zu kichern beginnen, wenn in einem literarischen Satz die Wörter »Schnitzel« und »Analsex« in unmittelbarer Nähe zueinander vorkommen. Als ob daran irgendwas lustig wäre. Oder an Komödien mit Adam Sandler und Jennifer Aniston. Oder an der Kampfhund-Debatte. Zu all dem könnte man etwas Kluges sagen, allerdings nicht in 140 Zeichen oder in einer einzelnen Statusmeldung. Warum eigentlich nicht? Im Übrigen schreibt Daniel Kehlmann aktuell an einem Roman, der ausschließlich aus Facebook- und StudiVZ-Statusmeldungen bestehen wird. Ein programmierter Bestseller und Anwärter für die BesteBücher-des-Jahres-Liste im News. Woher ich das weiß? Von seinem besten Freund. Oder zumindest einem seiner besten Freunde; einem Wirt im sechsten Wiener Gemeindebezirk, der abends öfter mal länger offen lässt, weil Kehlmann gerne noch nach Mitternacht unangemeldet reinschneit, um dann drei Seidel Gösser zu trinken. Und bei der Gelegenheit hat es ein Freund von mir erfahren und der hat mir das brandheiß gesteckt. Und jetzt wisst ihr alle es und das sorgt vielleicht dafür, dass dieser Roman niemals erscheint, denn damit ist die Idee nun abgewrackt und nutzlos geworden. So ist das heutzutage und wem das nicht passt, kann sich brausen. Übrigens, wegen heutiger Maßnahmen und Gewohnheiten, hier noch eine Idee: ab sofort können in dieser Kolumne Einschaltungen gekauft werden: 150 Euro pro Satz zzgl. Mehrwertsteuer sind ein wohlfeiler Preis für eine glaubwürdige, redaktionell anmutende Erwähnung in einem hochwertigen Umfeld mit direktem Draht zur Zielgruppe. Erotik- und Kontaktanzeigen kosten 220 Euro und für soziale Einrichtungen gibt es einen Rabatt. Davon habe ich jetzt nicht so viel, denn nach Werbesteuer, Anteil für den Verlag (50 %), Produktionskostenbeitrag, Provisionen für Agenturen und Abzug meiner Fixkosten bleibt gerade mal der Gegenwert für ein großes Bier in meiner Tasche. Aber was soll’s, es ist trotzdem eine gute Geschäftsidee. Vor allem, wenn ich es in Social Media multiplizieren kann. Daniel Kehlmann bekommt seine Erwähnung erstmal gratis. Wenn er aber beim zweiten Mal nicht zahlen will, dann schicke ich ihm ein Kopfkissen gefüllt mit Lavendel. Der legt sich mit mir nicht an! ¶ cracked69@hotmail.com ► 0 1 0 / AU S GA B E 1 1 4


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Unbezahlter Anzeiger

Alle Waren und Dienstleistungen dieser Welt sind gleich gut. Die scheinbaren Unterschiede werden nur im Kopf der Konsumentinnen erzeugt, u.a. bzw. v.a. mit Werbung, d.h. z.B. mit bezahlten Anzeigen. Auch in diesem Heft gibt es davon welche, und nur die bewusste Verknappung vermag dem Impact noch ein zusätzliches Momentum zu verleihen. Um einer drohenden Branchenmonopolisierung eine angemessene Blockade entgegenzustellen, finden sich an dieser Stelle einige unbezahlte Anzeigen – Segnungen des Konsumiversuns.

TEETASSE

Gut, ist diese Klette von einem Winter also noch immer da. Am besten ärgert man sich darüber aus der gedankenvoll gestalteten Teetasse »Te a Me« von Vera Wiedermann schlürfend. Das simple Design verhindert, dass der Teebeutel sich auf den Tassengrund verzieht und nur mit langstieliger Löffelakrobatik wieder hervorgeholt werden kann. Und wer den tropfenden Deserteur nicht mehr sehen will, vergattert ihn einfach in die großzügige Kuhle in der Untertasse. Das spülmaschinenfeste Teil ist für vernünftige 26,90 Euro in allen Bobo-Hochburgen der Stadt zu erwerben. ▪▪

FROSCHTISCH

Gegessen wird, was auf den Tisch kommt. Es sei denn, es ist ein überdimensionierter Frosch, der noch dazu aus dem Tisch zu kommen scheint. Jener esstischener Schenkelklopfer stammt von der Designerin Hella Jongerius, die u.a. auch für IKEA den einen oder andere Nachtscherben getöpfert hat. Da wird doch der Frosch neben der Pfanne verrückt, speziell wenn man gerade seine Cuisses de grenouilles daraus nascht. Glücklicherweise ist der LSD-Quaxi selbst aber aus fröhlich gefällter Walnuss, und auch über die SpeziesdieModellgestandenhatgibt’skeinenPETAReport. www.jongeriuslab.com ▪▪

FINAL FOOTPRINT

Wem die schlussendliche Versöhnung mit Mutter Erde wegen des ausgelatschten CO2-Footprints am Herzen liegt und sich nicht davon stören lässt, dass er von dem her auch in einem großen Schuhkarton eingescharrt wird, der möge den ökoneutralen Kartonsarg ins Auge des Todes fassen. Der US-Bestatter Final Footprint befürwortet übrigens auch die Aufbahrung daheim, was wiederum hieße dass der »Großvoda« dann nicht nur eingerahmt daheim an der Wand hängt, sonder auch mal für eine Woche im Wohnzimmer herumsteht – im Karton. Wunderbaum ist inkludiert? finalfootprint.com ▪▪

25. - 26. märz 2011 ottaKringer brauerei inStallation & live program Starting at 20:00

festival for audio:visual expressions

ryoichi KuroKawa, lindStrøm - live, teebS - live, Pariah, raz ohara & the odd orcheStra - live, knXwledge - live, Cid rim & The Clonious - live, dat politicS - live, machinedrum - live, John robertS - live, margareT dygas, anTon kubikov // sCsi-9, tranSforma & la caution - live av, depart - live av, ken hayakawa & luma.launisCh - live av and many more ... Schedule: www.Soundframe.at


Julia Karzel (Praktikantin)

TOP 10

DINGE, DIE MAN GERNE VERFLUCHT Teilnehmer des Straßenverkehrs Technische Gerätschaften Zugverspätungen Eltern Kinder Lady Gaga Kater Knock-Out Prüfungen Steuererklärungen Sich selbst

TOP 05

LUFTGITARRESONGS 01 Jimi Hendrix – Voodoo Child 02 Led Zeppelin – Whole Lotta Love 03 Motörhead – Rock’n’Roll (Gitarrensolo ab 1:27) 04 Franz Ferdinand – Take Me Out 05 White Stripes – Seven Nations Army (für Anfänger)

AUCH NICHT SCHLECHT:

In der U-Bahn unauffällig zu Jamie T mitrappen.

Maximilian Zeller (The Gap / Electronic Task Force)

TOP 10

90s HIPHOP-CLASSICS

01 02 03 04 05 06 07 08 09 10

Notorious B.I.G. – Everyday Struggle Artifacts – Wrong Side Of Da Tracks Camp Lo – Luchini (aka This Is It) Nas – N.Y. State Of Mind Company Flow – Vital Nerve Gang Starr – Mass Appeal Dr. Dre – Let Me Ride Fu-Schnickens – La Schmoove A Tribe Called Quest – Excursions Ol Dirty Bastard (ODB) – Brooklyn Zoo

TOP 05

SERIEN 2010 – NO SURPRISES 01 Breaking Bad 02 Rubicon 03 Eastbound & Down 04 Bored To Death 05 Boardwalk Empire

AUCH NICHT SCHLECHT:

Steve Reich & Atmosphere am Sónar 2011.

Daniel Dietrich diskutiert mit Podium und Publikum die Bedingungen für Open Data.

twenty.twenty: Offen?

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2020 ist Transparenz für Regierungen in erreichbare Nähe gerückt. Ob sie das überhaupt wollen, darüber diskutierten beim dritten twenty.twenty im Wiener Hub internationale Experten. Open Data ist nicht nur in The Gap ein immer wieder angesprochenes Thema (siehe auch Coverstory 113). Gemeinsam mit A1 Telekom Austria luden wir am 23. Februar ins Wiener HUB, um gemeinsam darüber zu diskutieren und uns einen aktuellen Stand der Entwicklungen abzuholen. Rund 80 Gäste folgten der Einladung. In seiner Keynote bezeichnete Daniel Dietrich von der Open Knowledge Foundation Deutschland Open Data als eine Art Schatz, der einen Dialog zwischen Regierung, Verwaltung und Bürgern ermöglichen soll. Grundlage dafür seien etwa technische und rechtliche Klarheiten. Dietrich selbst sieht dabei die Veredelung und Aufbereitung der Daten nicht unbedingt als Aufgabe des Staates. Dass nicht nur in den USA, Großbritannien oder skandinavischen Ländern einiges passiert, erzählte Thomas Thurner von der Semantic Web Company. Gemeinsam mit anderen bereitet er gerade eine Open Government Data-Konferenz im Juni vor. Michael Rederer, verantwortlich für die redaktionelle Leitung von wien.at, der Website der Stadt Wien, betonte, dass schon einige Informationen des öffentlichen Sektors online sind und rechnet noch 2011 mit einem Fahrplan für die Veröffentlichung weiterer Daten. Politikwissenschaftler Hubert Sickinger erläuterte am Beispiel der Parteienfinanzierung in Österreich, dass sich auch mit veröffentlichten Daten einiges verschleiern lässt. Im Gespräch zwischen Publikum und Podium wurde abermals klar, dass es viele Maßnahmen und Rahmenbedingungen braucht, damit Open Data genutzt werden können, um etwa wirtschaftsfördernd oder als Grundlage für politische Entscheidungsprozesse zu wirken. Immerhin herrscht auch in Österreich Aufbruchsstimmung. ¶ Der nächste twenty.twenty-Event findet Mitte April zum Thema »Digital Literacy« statt. News wie immer auf twentytwenty.at Klarstellung zur Titelstory von The Gap Nr. 113 »Open Data – Die Hoffnung auf mehr Transparenz« Carl-Markus Piswanger von Open3 hat uns um Veröffentlichung folgender Klarstellung ersucht. In der Geschichte wird er mit dem Satz zitiert: »Mit der Bereitstellung von Daten für die weitere Bearbeitung verliert die Verwaltung die Deutungshoheit.« Piswanger stellt richtig: »Inhalt unserer Aussagen beim gemeinsamen Gespräch war, dass sich das Verhältnis BürgerIn / Verwaltung, übrigens auch der Politik, durch Open Government verändern kann, aber definitiv nicht eine Deutungshoheit »verliert«. Das ist auch gesetzlich gar nicht möglich, zumindest in vielen Bereichen. Sowohl Robert Harm wie ich arbeiten im verwaltungsnahen Bereich, das seit langer Zeit und wir kennen die Prozesse und die rechtlichen Grundlagen.« Dass The Gap den partizipatorischen Gedanken von Open Government und Open Data begrüßt, wird nicht zuletzt dadurch deutlich, dass wir das zum Thema einer Titelgeschichte gemacht haben.

bild Florian Auer

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Tape.tv arbeitet von einem dunklen Berliner Hinterzimmer aus an der Neuerfindung des Musikfernsehens im Internet.

Musikfernsehen Neu auf Tape.tv

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bild Lars Dittrich, Conrad Fritzsch

Einen möglichen Ausweg aus der Krise des Musikfernsehens bietet das personalisierte Online-Musikfernsehen auf Tape.tv. Der Berliner Online-Musiksender ist bereits seit 2008 online und erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Inzwischen darf sich das Gründerteam Conrad Fritzsch und Stephanie Renner über 2,2 Millionen monatliche User freuen. Auf Tape.tv erwartet den User eine Auswahl an 30.000 Musikvideos aus diversen Genres wie Pop, Rock, Indie, HipHop oder Soul. Das Angebot kann man sich, wann und wo man will, legal und kostenfrei ansehen. Und das ohne nervige Klingeltonwerbungen oder Reality Soaps. Formate wie MTV oder VIVA befinden sich bekanntlich in einer Krise und die Onlineplattform YouTube streitet sich mit der Gema über die Neuverhandlung von Lizenzen. Tape.tv zeigt in diesem Wirrwarr an überholten Formaten und Urheber- sowie Lizenzstreitigkeiten innerhalb der Musikwelt eine brauchbare Alternative auf. Die Tape.tv-Macher setzen auf Lizenzvereinbarungen mit allen größeren Majors und auch Indie-Labels. Mit der Gema gibt es ebenfalls eine Vereinbarung. Finanziert wird das ganze laut der PR-Abteilung hauptsächlich durch die Werbespots zwischen den einzelnen Musikvideos. Über weitere Einnahmequellen hält man sich bedeckt. Tape.tv stellt sicherlich eine Verbesserung im Vergleich zu den werbeverseuchten deutschen Musiksendern dar. Was hingegen die Sharing- und Embedding-Funktionen und das begrenzte Angebot angeht, ist das ganze Service jedoch noch ausbaufähig. YouTube hat hier noch immer die Nase vorne. Auch was die Personalisierung angeht, bringt tape.tv nicht wirklich Neues.

Wenn es nach den Machern geht, soll der Sender weiter ausgebaut werden. Aber nur mit Werbung und einem werbefreien Abo wird der Service zukünftig kaum zu stemmen sein. Die Gema schließt derzeit lediglich vorläufige Vereinbarungen, weil sie der Zukunft im Netz nicht im Weg stehen will. Das bedeutet, über kurz oder lang werden die Lizenzvereinbarungen nachzuverhandeln sein. Mit den bisherigen Mikrocent-Beträgen kann jedenfalls kein Künstler oder Regisseur überleben. Zumeist scheitern ähnliche Streaming-Services genau an diesen aufreibenden Rechtsstreitigkeiten. Für Musikbegeisterte ist Tape.tv in der Zwischenzeit definitiv eine Bereicherung, auch wenn gewisse Basisfunktionen noch nicht integriert sind und die Form derzeit noch über die Funktion siegt. ¶ Über Angebot und Qualität kann man sich auf www.tape.tv selbst ein Bild machen.

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Lukas Plöchl

01

02

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(Trackshittaz, Helden von Morgen)

TOP 10

SONGS ZUM »PUMPEN IM FITNESS-STUDIO«

01 02 03 04 05 06 07 08 09 10

Eminem – Till I Collapse Survivor – Eye Of The Tiger Trackshittaz – Prolet Dizzee Rascal – Bonkers Eminem Ft. Lil Wayne – No Love Survivor – Burning Heart Technoboy – War Machine 50 Cent – In Da Club Linkin Park – Faint Massiv – MAS Techno

TOP 05

ERFOLGREICHSTE PERSÖNLICHKEITEN 01 Arnold Schwarzenegger 02 Muhammad Ali 03 Jesus 04 Michael Jackson 05 Eminem

AUCH NICHT SCHLECHT:

Laufen im Wald, mit dem Wind pissen, in einem Bach baden.

04

www.thegap.at / gewinnen

05

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Tracy White »Irgendwie dazwischen« 01

Tracy White berichtet in »Irgendwie Dazwischen« autobiografisch aus ihrem Leben. Als Grafic Novel erzählt sie die Geschichte eines Erwachsenwerdens – also von Unsicherheit, Depression, Selbsthass und Ratlosigkeit. Und vom Neuanfang nach dem Absturz. Es gelingt ihr, die kraftvollen Emotionen in Bilder zu packen. Wir verlosen 5 Exemplare. Betreff: 114 Seiten aus dem Leben

Kinect Sports  02

Louise Hudson (Mikromischkonzern)

TOP 10

THINGS ABOUT ENGLISH PEOPLE 01 Baked Beans 02 Cricket 03 The Pub 04 Salz & Essig-Chips 05 Marmite 06 Sarkasmus 07 Schlangestehen 08 Keine Sonnencreme im Sommer 09 Keine Strumpfhose im Winter 10 Reaktion auf Schnee

TOP 05

UGLIEST ANIMALS 01 Aye-Aye 02 Blobfish 03 Desert Mole Rat 04 Hagfish 05 Hatchetfish

AUCH NICHT SCHLECHT:

Papiertischtücher, auf denen man selbst und andere Kinder zeichnen darf.

► 0 1 4 / AUSGABE 114

Jeder Bewegungssteuerung auf jeder Konsole ihr Sportspiel. Im Fall von Kinect für Xbox 360 gibt es schon mehrere Anwärter, unsere Wahl fällt auf »Kinect Sports«. 20 Herausforderungen wie Bowling, Tischtennis, Hürdenlauf oder Beach-Volleyball bereiten vor allem gemeinsam Freude. Wir verlosen 2 Exemplare. Betreff: 114 Wohnzimmer-Runden für den Bizeps

Forza Motorsport 3 Ultimative Sammlung  03

Was für ein großartiger Name, der eigentlich schon alles sagt: »Forza Motorsport 3 Ultimative Sammlung« bietet das Rennspiel inkl. aller Downloads. Das sind dann 500 Fahrzeuge und einfach alles, alles, alles aus dem »Forza«-Universum. In Sachen Spielbarkeit für alle ist dieser Racer sowieso eine Klasse für sich. Wir verlosen 2 Exemplare (Xbox 360). Betreff: 114 Runden aufs Haus

Killzone 3  04

Auf neueste Technik setzt Sony mit »Killzone 3«. Der Shooter unterstützt 3D und die hauseigene Bewegungssteuerung Move. Diese wird damit für Hardcore-Spieler interessant. Schon nach wenigen Minuten können wir sagen: der Plan geht auf. Single-Player, Multi-Player und Koop-Mode sind hier selbstverständlich. Wir verlosen 1 Exemplar der Steelbook Collector’s Edition, die zusätzliche Map-Packs enthält und das StrategieBuch von Future Press, mit dem jeder zum »Elitesoldat« wird. Betreff: 114 Kugeln gegen die Helghast

the streets  05

Angekündigt als sein finales Album, hat Mike Skinner doch einige Zeit gebraucht, um »Computers And Blues« fertig zu schreiben. Dafür bekommen wir nun aber eine unglaubliche entspannte Platte, die noch mal die Energie seiner frühen Werke zelebriert und einfach loslässt. Wir verlosen 5 Exemplare. Betreff: 114 Hurrahs For The Streets


Fachhochschullehrga

ng (gem. §14 FHSt G)

ni 2011 18.30 Uhr Infoabend: 7. Ju r 2011 Start: 27. Oktobe uslehrgang.at

journalism d PR – www.video ng für TV, Online un und Videogestaltu


►KOLU M NE / Z a h l en , b i t t e ! ►Von Thomas Edlinger

016

reyer ist der bürgerliche Name der zweiten Frau des heute 60-jährigen einstigen Bürgerschrecks, der seit 2000 an einem Projekt der Verschmelzung zweier Körper zu einem neuen Dritten arbeitet, das er / sie Pandrogynie nennt. Im Rahmen der diesjährigen Berlinale hatte Marie Losiers nach über vierjähriger Dreharbeit finalisierter DokuEssay »The Ballad of Genesis and Lady Jaye« Premiere, der sich dieser zutiefst romantischen Sehnsucht nach größtmöglicher Intimität und Neuerschaffung des Selbst im Anderen widmet. Der Film erzählt nicht nur eine mit raren Archivaufnahmen unterfütterte, kursorische Geschichte der 1970er Fetisch- und Porno-Kunstperformances von COUM Transmissions und der von P-Orridge gegründeten, auch noch für heutige Noise-Electronic-Acts wegweisenden Bands Throbbing Gristle und Psychic TV. Er erinnert zudem auch an die doch eher singulär zu nennende Stellung der Genannten. So wurde der Begriff Industrial Music angeblich erstmals von P-Orridge 1975 verwendet. Unter dem Genre verstand der Plattenmulti Virgin einige Zeit später ein schmales Regalfach, das mit dem Werk von exakt zwei Bands, nämlich eben Throbbing Gristle und Cabaret Voltaire, befüllt war. Im Zentrum von »The Ballad of Genesis and Lady Jaye« steht aber eine zärtliche und verständige, durch nachgestellte Schlüsselszenen aus dem Leben des Paars angereicherte Rekonstruktion einer außergewöhnlichen Liebesgeschichte, die statt eines Dinners im Kerzenlicht nur ein paar Nudeln zuhause braucht – die freilich vom Hausweibchen Genesis in High Heels und Korsage zubereitet werden, weil Staubsaugen, Kochen und Putzen für sie / ihn eben nur im Glitzerfummel Glamour hat. Die Geschichte der Überwindung der biologischen Korsetts von Mann und Frau beginnt in den 90er Jahren. Eine Rockfledermaus, der während seiner Konzerte der Welt mit Bildern von Nazi-Vernichtungslagern und derb-monotonen Noise-Cut-Up-Kaskaden ins Gesicht spuckte, zieht es nach wilden, durchwachten New Yorker Nächten in einem Sex-ArtPerformance Club zum Schlafen ausgerechnet in das Verließ im Keller. Dort hat der einigermaßen Bediente am nächsten Tag eine Erscheinung. Eine junge Frau, die damals noch Jacqueline Breyer heißt, steigt in einem schicken Sixties-Outfit und mit Zigarette im Mund die Treppe hinab, um sich dort in Lack und Leder zu werfen. Um Genesis ist es geschehen. Für ihn kommen, wie er im Film sagt, seine zwei größten Vorlieben zusammen und er faltet die Hände: »Lieber Gott, lass’ mich für immer mit dieser Frau zusammensein.« Und so kommt es dann auch – fast. Die beiden werden ein Paar, heiraten 1995 im gepflegt provokanten SM-Outfit und beginnen, ähnlich wie die befreundete Transgender-Performance­

► 0 1 6 / AUSGABE 114

künstlerin Orlan, die Verschmelzung von Körperkunst, kosmetischer Chirurgie und Leben als work in progress. Die beiden erscheinen glücklich mit ihrem Alternativentwurf zum Projekt Kinderkriegen, den P-Orridge ebenfalls als Heranwachsen eines dritten, neuen Lebens interpretiert – nur eben im eigenen Körper. Über die Idee der Pandrogynie sagt er / sie: »Hier geht es nicht um Gender bzw. darum, dass sich ein Mann im Körper einer Frau gefangen fühlt oder umgekehrt. Der Pandrogyne fühlt sich überhaupt in jedem Körper gefangen, weil er der Koffer ist, der uns herumträgt.« 2007 findet dieses Projekt, nachdem die beiden sich auch zusehends von der Musik in Richtung Performance Art und Film bewegt hatten, sein jähes und tragisches Ende. Lady Jaye stirbt 38-jährig an Krebs und hinterlässt einen verstörten, verzweifelten Genesis »Breyer« P-Orridge, der nun im weißen Vogelkostüm durch die teils zwischen Comic und Fantasy changierenden Tableau Vivants dieses Films geistert und seine gedanklichen Pirouetten um eine verlorene Mitte dreht – und doch, nicht zuletzt durch die Mitarbeit bei dieser Doku, weitermacht im Gedenken an seinen Lebensmensch. Doch was bedeutet heute eigentlich noch »Mensch«? Die Biowissenschaften und die Informationstechnologien führen uns jedenfalls deutlich vor Augen, wie durchlässig die Grenzen zwischen Körpern und Dingen, zwischen natürlichem Organismus und künstlichem Leben, kurz: zwischen Mensch und Nicht-Mensch sind. Eine neue »transhumane« Spezies, die nicht nur die schon länger für tot erklärte diskursive Formation Mensch ablöst, sondern auch in einem physischen Sinn etwas anderes werden will und werden wird als der Mensch, wird kommen. Ob dieses new flesh aus dem Schoße der Gott spielenden Life Sciences etwas Besseres oder etwas Schlechteres sein wird als der Mensch, ist nicht ausgemacht. Dessen Ausformulierung ist aber, wie jede Definition des Menschen, eine eminent politische Frage, weil jede Definition auch ihr Außen markiert – also das, was kein Recht hat auf Mensch-Sein. Zum »Menschenrecht auf Experiment« gehört daher auch »ein Menschenrecht, vor Experimenten geschützt zu werden«, schreibt die Wiener Philosophin Katherina Zakrawsky in ihrem demnächst erscheinenden Sammelband zur kulturellen Symptomatik und Theorie des Transhumanen. Hoffen wir (bzw. engagieren wir uns also dafür), dass Genesis Breyer P-Orridge sich niemals für sein pandrogyn-Werden wird rechtfertigen müssen – und wir aber auch nicht wie Genesis Breyer P-Orridge werden müssen. ¶

Die Qual der Zahl – 9 wie »Revolution Nr. 9« oder 99 wie in »99 Luftballons«? Schreibt uns eure Vorschläge, um welche Zahl zwischen 0 und unendlich es nächstes Mal gehen soll. zahlenbitte@thegap.at

bild Ingo Pertramer

6.000 Mitglieder weltweit hat die Organisation Humanity+, die an der Verbesserung des Menschenparks unter den Bedingungen seiner technischen Simulierbarkeit arbeitet. Die Industrial MusicIkone Genesis Breyer P-Orridge gehört meines Wissens nicht zu diesem transhumanen Geheimorden – obwohl sie längst auch etwas anderes werden will als der olle Mensch.


© sixpackfilm/Peter Tscherkassky

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DAS Ö1 DIAGONALE SPECIAL ZUR PERSONALE PETER TSCHERKASSKY »INSTRUCTIONS FOR A LIGHT AND SOUND MACHINE«

MITTWOCH, 23. 3. 2011, 18.00 UHR, SCHUBERTKINO SA AL 1, MEHLPLATZ 2, 8010 GRAZ I M A N S C H LU S S : G R AT I S S P E Z I A L I T Ä T E N VO N D E L I K AT E S S E N F R A N KO W I T S C H , H E I N E K E N B I E R U ND MAKAvA DELIGHTED ICE TEA TICKETS AB 12. 3. 2011 I M VO RVE RK AUF (KU NSTHAUS GRAZ U ND CAFÉ PROMENADE) UND UNTER DER A1 FREELINE 0800 664 080 SOW I E AB 23. 3. 2011 I N DE N F E ST IVALK I NOS. Ö 1 C L U B - M I T G L I E D E R E R H A LT E N 2 0 % E R M Ä S S I G U N G .

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► Wo l f r am ► Ein österreichischer DJ und Produzent erobert die Welt

der mit dem wolf tanzt Wolfram, ehemals Marflow, ist Österreichs bekanntester Disco- und House-Produzent. Auf seinem Debütalbum gibt sich sein internationales Netzwerk die Ehre. Featuring Hercules & Love Affair, Holy Ghost oder Haddaway.

TEXT stefan niederwieser und maximilian zeller BILD Daniel Gebhart de Koekkoek


Lebenskünstler / Künstlerleben

»Eigentlich könnt ihr mich auch mit Diplom-Toningenieur anreden«, sagt Wolfram und lacht lauthals. In Wien hat er Tontechnik gelernt. Aufgewachsen ist er in St. Veit an der Glan, im schönen Kärnten, wo ihn sein Vater früh mit kosmischer und elektronischer Musik der späten 70er und frühen 80er anfixte. Musik, DJing und Musikproduzieren waren seit jeher wichtig. Wolframs Onkel zeigte dem begeisterten Buben alte Synthesizer. Das hat ihn hörbar geprägt. In Wien machte er sich durch Partys im Keller einer abgefuckten Pizzeria, seine Vorliebe für trashige Flyer und obskure ItaloDisco-Platten einen Namen. Im Umfeld von bildender und angewandter Kunst kam das gut an, zählt doch in diesen Milieus seit dem Arthouse-Feieranten Martin Kippenberger (1953–1997) eine denkwürdige Party gleich viel wie eine schludrig-geniale Medieninstallation. Die Klasse für Kunst und digitale Medien an der Kunstakademie nahm Wolfram dann auch gleich auf. Praktisch, er auf Facebook selbst geknipste Fotos der Woh- wenn man dort sogar einen für Moby angefertigten Remix als nung von Popstar Moby postet und auf Partys Arbeit einreichen und benotet bekommen kann. bei der New Yorker Fashion Week auflegt, wo In diesem Umfeld hat es Wolfram sicher nie geschadet, groß auch Lady Gaga performt, hat mehr als nur ei- gewachsen und sehr fesch zu sein. Für die jungen Wiener Denen linken Fuß in der Tür. Es sei ihm einfach so signer Petar Petrov und Ute Ploier modelte er, über die Agentur passiert, meint Wolfram (sprich: Wulfräm) im Next Models kam er nach New York, wo ihn das Wiener TechnoInterview via Skype in klassischer Understatement-Manier. So, Urgestein Patrick Pulsinger, den er kurz zuvor über Radio FM4 als wäre es ihm auch nur passiert, dass er jetzt gerade für einige kennengelernt hatte, zum gemeinsamen Auflegen einlud. Die Wochen in New York sitzt, kurz vor dem Release seines Debüts, New Yorker waren derart begeistert von den wilden Designerum dort Freunde und Bekannte zu besuchen. Stimmt so natür- Hosen des Österreichers, und, ja ok, auch von seiner Musikauslich nicht, auch wenn man ihm das in seiner manchmal arglos wahl, dass ein Clubbetreiber ihm umgehend einen regelmäßigen wirkenden Art nur zu gern abkaufen würde. Ein Schaf, wer da Wochenend-Termin anbot. Dort zählten sämtliche Musik-Hipein Schaf im Wolfspelz vermutet. Er bespielt ein Netzwerk, das ster New Yorks zu seinen Stammgästen und klopften bereitwillig in der österreichischen Musikszene seinesgleichen sucht. Zum ihre Kontakt-Infos in Wolframs Handy. Glück hat Wolfram auch ein Gespür dafür, dass so viele Freunde und Bekannte kein Selbstzweck sind. Denn ein schlechtes Album Gaylord bleibt auch mit 4.000 der besten Facebook-Bekanntschaften ein Das ist ein bisschen mehr als Zufall. Die Biografie von Wolfschlechtes Album. Wolframs Debüt »Wolfram« ist glücklicher- ram ist voller Namen von interessanten Menschen. In einem weise das Gegenteil. früheren, nie erschienenen Interview sagte Wolfram über seine AU S GA B E 1 1 4 / 0 1 9 ◄


Anfangstage in Wien, dass er mit einer guten Freundin in der Wohnung saß und beide sich dachten, sie müssten jetzt die richtigen Leute kennenlernen, diesen Typ da von Radio FM4 oder den, der diese Partys organisiert. Angeblich! Einfach so fällt man auch jemandem wie Andrew Butler von Hercules & Love Affair nicht in die Arme. Wolfram hat dabei ein ganz gutes Gespür, wie er auf Leute wirkt: »Andrew Butler wurde mir in einem Club in New York vorgestellt und ich glaube noch immer, dass er mich eigentlich für jemand anderen hielt weil er meinte, er schaue sich so oft meine YouTube-Videos an und mag meine Musik. Wir redeten auf jeden Fall sehr, sehr lange. Aber keine Ahnung, ob es ihm wirklich um Musik ging oder ob ich bloß sein Gaydar, sein Gay Radar, aktivierte.“ Schon früher, 2004, lief das erste Mal sein US-TouristenVisum aus. In Wien buchte er sämtliche Acts, zu denen er in New York Kontakt geknüpft hatte, auf seine Partys. Das »E-Nix Gang Bang« ist auch deshalb seit Jahren einer der am konstantesten funktionierenden Clubs in Wien. Außerdem startete er sein eigenes Label Diskokaine, um seine ersten Singles mit der Electro-Rapperin Princess Superstar zu veröffentlichen. Mit der norwegischen Slow-Motion-Disco-Chanteuse Sally Shapiro landete das Label sogar unter den Top-30-Tracks des Jahres 2006 bei den Musikpäpsten von pitchfork.com. Andere Labels klinkten sich ein und veröffentlichten ebenfalls Wolframs Singles. Internationale DJ-Bookings und ein Remix für Moby folgten. Der Rest ist Discogs-Geschichte. Wolframs Singles begeisterten, aber die Zeitfenster für ein echtes Artist-Album schlossen sich immer wieder. Das Cosmic-Revival verstrich, Wellen von Italo Disco zerstoben, das Remix-Projekt Re:Haydn brachte ihn zwischenzeitlich auf das Cover des Die Presse-Schaufensters und als dann letztes Jahr Acts wie Tensnake und Aeroplane die Temperatur von Disco wieder knapp auf den Siedepunkt trieben, aber Wolfram weiterhin stumm blieb, dachten wir uns schon, dass es Wolfram einfach nicht mehr auf die Reihe bringt. Oh, Gott sei Dank, wie hatten wir unrecht!

SpaSS, Emotion & Know-how

Die Eckert Familie damals und heute. Links, das CD-Cover, auf dem der Baby-Wolf gefüttert wird. Rechts füttert Wolfram auf unserem Heftcover zurück. Seine fast schon subtilen Bilderwitze machten schon Wolframs Party-Flyer legendär.

damit umgeht. Mit allen Sound-Schattierungen seiner einzelnen Kollaborateure kann er etwas anfangen und schafft es, ein homogenes Album zu zimmern … offenbar mit einer Vorliebe für Synthesizer-Modulationen, vollmundig schnalzende Beats und möglichst einprägsame Melodien. »Auf meinen Modular-Synthesizer bin ich stolz, den habe ich mit viel Glück von Amerika nach Österreich geschmuggelt und den Roland Alpha Juno-Synth habe ich mir auf unbestimmte Zeit von meinen Onkel geliehen«, sagt er schmunzelnd, als wir auf die Albumproduktion zu sprechen kommen. Diese Geräte sind mehr als nur einmal auf der doch sehr poppig geratenen Platte zu hören.

Pop

Diese Poppigkeit stellt Wolfram allerdings kein Bein. Er schafft den Spagat zwischen Kommerz und Credibility, denn er weiß genau, wie er Songs anlegen muss, um sich nicht zu weit in den Sphären des schlechten Geschmacks zu verrennen. Die Songs auf »Wolfram« klingen absichtlich nicht glatt und atmen den Charme von alten Disco- und House-Produktionen. Die Synthesizer hatschen teilweise hinterher als müsste die Technik der letzten 50 Jahre erst noch erfunden werden, Spuren sind charmant angezerrt, das analoge Equipment röhrt mit. Auf Songs wie »Fireworks«, »Rosi« oder »Thing Called Love« beweist Wolfram, dass er die feinen Zwischentöne ebenfalls locker beherrscht. »Out Of Control« ist wieder ärgster Glam-Italo-Trash, »Hold My Breath« sowieso so sehr der große Hit des Albums, dass ihn auch DFA’s very own Holy Ghost in einem leicht veränderten Mix für ihr eigenes, kommendes Album wollten. Wolframs Mix von »Hold My Breath« ist käsiger – und besser. »Mir geht es grundlegend um Spaß und Emotionen«, sagt Wolfram. Ein Satz, wie er auch aus dem Mund von Pop-Schweinen wie Dieter Bohlen kommen könnte. Bei Wolfram weiß man allerdings, was er damit sagen will – sofern man seine Musik kennt –, ohne auch nur irgendwie an seiner Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Früher, als er noch Marflow hieß, da hatte Wolfram zwei MySpace-Profile: eines, um mit seinen engen und den wichtigen Freunden Kontakt zu halten, das andere, um mit einer beeindruckenden Masse an Party-Spam kräftig zum Untergang von MySpace beizutragen. Mit dem neuen Namen Wolfram scheint nun auch der Rest der Welt in Reichweite. Sich in der hoch dotierten Quersumme von Mode und Clubmusik einzunisten, dürfte für Wolfram als Notfallplan ohnehin kein Problem sein. Aber wenn gemeinsame Festivalauftritte mit Haddaway zumindest nicht unmöglich sind, rückt der Horizont für Wolfram tatsächlich näher. Nach allem was man hört, wird Wolfram ab Albumrelease noch wesentlich häufiger unterwegs sein als bisher. Er ist, wir sagen es gerade raus, die Uschi Obermaier des österreichischen House. ¶

Wolfram (aka Marflow aka Diskokaine aka Wolfram Eckert) ist eigentlich ein Musiknerd. Durch seine Liebe für greise Synthesizer und rare Disco- und House-Platten kennt er die einschlägigen Codes und Ästhetiken wie seine Designer-Westentasche. Aber glücklicherweise nimmt er diese nicht ganz so ernst wie andere Musikfreaks. Wolfram ist ein schlauer Fuchs, der sich am Naschtopf der Ironie bedient. Für ihn ist es ein Leichtes, auf dem schmalen Grad zwischen Trash und Seriosität zu balancieren, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Sein Debüt-Album schlägt zwar in eine ähnliche Bresche, ist aber ein Spur ernster. Das Werk eines erfahrenen Producers ist es geworden, und ziemlich großartig. So wie in Wolframs Plattenkiste – und der seines Vaters – findet man auch auf seinem Debüt-Album Musikeinflüsse aus mehreren Jahrzehnten. Von Cosmic aus den Spät-70ern, viel Italo-Disco über 80er Kaugummi-Electropop, 90er Eurodance und Chicago House bis hin zu ganz aktuellen Disco-Produktionen geht die Reise. DJ-Futter wurde gegen richtige Songs mit ca. vier Minuten Länge getauscht. Vocals und klassische Songstrukturen stehen im Vordergrund. Unterstützung kommt dabei von Größen wie Hercules & Love Affair, Legowelt, Patrick Pulsinger, Holy Ghost, Paul Parker oder Haddaway. Ja, genau der Haddaway, der 1993 mit »What Is Love« eine Mega-Bombe von Dance-ÜberHit schrieb, den damals alle mit Verstand hassten, der aber in den letzten fünf Jahren eine notwendige Umdeutung erfuhr. So ähnlich funktionieren die Tracks auf »Wolfram«. Stile und Ästhetiken, die vor Jahren als hedonistischer Dreck galten, sind heute aus der Distanz auch ein Spiegel der eigenen KonsumMelancholie. Die Nostalgie-Schrauben wurden dabei so oft angezogen, dass sie sich durch ihr Gewinde gedreht haben. Hurra, jetzt können wir ohne Kindersicherung feiern. Die breite Palette an Einflüssen ist für das Debüt ausgespro- »Wolfram« von Wolfram erscheint am chen wichtig – und es ist beeindruckend, wie wandelbar Wolfram 1. April via Permanent Vacation.


Sally Shapiro

wegbereiter & WEGBEGLEITER

Patrick Pulsinger

Die Wiener Techno-Legende hörte den jungen DJ in der von ihm mitmoderierten FM4-Sendung La Boum Deluxe und lud ihn kurzerhand zum gemeinsamen Auflegen in New York ein. Im Gegenzug stellte ihm Wolfram Jahre später Andrew Butler von Hercules & Love Affair vor. Pulsinger produzierte kürzlich das Album »Blue Songs« der New Yorker-Combo.

Moby

Wolfram lernte einen der erfolgreichsten ElektronikProduzenten der Welt in Miami durch Princess Superstar kennen. Popstar Moby meldete sich kurz darauf mit einem Remix-Angebot bei ihm. Weiters spielte Wolfram für einen Gig in Mobys Band Keyboard und schlief regelmäßig in dessen New Yorker Wohnung auf der Couch. Moby interviewte Wolfram kürzlich sogar für das renommierte »Interview Magazine«.

Der Schwede Johan Agebjörn und Wolfram Eckert lernten sich in einem Forum für alte Synthesizer kennen. Agebjörns Frau Sally Shapiro sang auf den Tracks ihres Mannes. Wolfram erkannte das Talent der Sängerin, trat für sie als Executive Producer auf und releaste das Album »Disco Romance« auf seinem Label Diskokaine. Sally Shapiro wurde zum Indie-Disco-Star – was auch Wolframs Label weiterbrachte.

Andrew Butler (Hercules & Love Affair) ■

Wolfram lernte Concetta Kirschner aka Princess Superstar auf einer K7-Records-Night im Sommer 2004 kennen. Sie hatte ihn bereits in New York hinter den Decks erlebt und war begeistert. Gemeinsam produzierten sie unter dem Namen The Diskokaines. Ihre Maxis »Lick The Alphabet« und »Rock-A-Boogie« wurden die ersten des Diskokaine-Labels. Sie verhalf ihm zu erster internationaler Aufmerksamkeit und stellte ihm viele weitere Künstler vor.

Butler wurde Wolfram ebenfalls in einem Club in New York vorgestellt. Sie freundeten sich an und begannen gemeinsam Musik zu machen. Wolfram stellte Butler Patrick Pulsinger in Wien vor. Dieser produzierte das aktuelle Hercules & Love AffairAlbum. Andrew Butler & Kim Ann Fox singen auf dem Track »Fireworks«. Andrew Butler schrieb einen euphorischen Pressetext für das aktuelle WolframAlbum und man munkelt, dass Wolfram aktuell an einem Remix für Hercules & Love Affair werkelt.

Princess Superstar

Holy Ghost

Alex von Holy Ghost arbeitete als Assistent von Moby, der ihm Wolfram vorstellte. Holy Ghost waren begeistert von den Tracks des Österreichers. Sie begannen gemeinsam zu produzieren und stellten ihm weitere Leute aus dem DFA-Umfeld vor. Wolfram vermittelte Holy Ghost einige Gigs in Europa und verschaffte ihnen einen Vertrag bei einer Berliner Booking-Agentur.

Haddaway

Felix Fuchs, Co-Veranstalter der Wiener E-Nix Gang Bang-Partys, organisierte Wolfram die Telefonnummer des in Köln stationierten »What Is Love«-Sängers. Wolfram klingelte einfach bei ihm an. Sie produzierten vier gemeinsame Songs. Einer davon hat es aufs Album geschafft. Eine gemeinsame Tour ist zumindest angedacht.

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»milch und teer«, 2010 Acryl, Tusche, Graphit auf Holz, je 15 × 15 cm


► Golde n Fra me ► »milch und teer« von Michaela Mück TE X T lisa grünwald / erwin Uhrmann BILD Michaela Mück

Unterwegs Michaela Mücks jüngste Serie von kleinen Malereien funktioniert wie ein Roadmovie. Häuser, Straßen, Tunnels, Strommasten und Brücken erzeugen eine Kulisse, durch die sich Betrachter selbst Bild für Bild bewegen können. Die Serie »milch und teer« besteht aus einer Reihe von 30 Bildern einer Reise, welche Michaela Mück im Sommer 2010 unternommen hat. Den »Roadmovie-Charakter« der kleinen Malereien (15 × 15 cm) aus Acryl, Tusche und Graphit erzeugt die Künstlerin, indem sie vorbeiziehende Landschaftsdetails einfängt. Mithilfe von Bewegung und spezieller Lichtverhältnisse, welche Mück durch ihre Beobachtungen und Erfahrungen wahrnimmt, verfremdet sie den Raum. Die unklaren Stellen, an denen sie die Farbe verwischt, bestimmen Tempo oder Stillstand, Zeitlupe oder raschen Transit. Manchmal scheint es Tag zu sein, manchmal Nacht. Close-ups von Kühen und Schafen verstärken das zughafte Element. Auch einzeln lassen sich die Malereien aufstellen. Die drei Zentimeter breite, weiße Rahmenkonstruktion gibt Stabilität. Und trotzdem sind die Bildchen keine Souvenirs im herkömmlichen Sinn, vielmehr Momentaufnahmen von Häusern und Hütten auf Hügeln, von sich verdunkelnden Landschaften, fahrenden Autos und vorbeiziehenden Strommasten.

Geschützter Blick

Das leuchtende Häuschen (erste Reihe, zweites Bild von links) wirkt im ersten Moment wie aus seiner Umgebung herausgerissen. Allmählich verschwindet es in der Dämmerung hinter Sträuchern und Büschen. Kaum ein Unterschied ist erkennbar zwischen dem Schwarz der Garageneinfahrt und dem Dickicht davor. Man muss schon nahe rangehen um zu sehen, welche Striche zuerst da waren. Auch die Nachbarhäuser werden von der Dunkelheit umschlungen. Sie versuchen sich dagegen zu wehren. Untertags lässt es sich leichter fliehen auf den kurvigen Straßen. Der Nacht bleibt nur das ängstliche Starren der verlassenen Festungen. Betrachtet Mück einen neuen Ort, etwa auf dieser Reise, so wendet sie dieselbe Detailtechnik an, die sie auch benutzt, wenn sie die Veränderungen im Hof ihres Ateliers, wo sie seit mehr als 15 Jahren arbeitet, zu Papier bringt. Die Künstlerin scheint immer eine geschützte Beobachtungsposition einzunehmen. In ihren Arbeiten vereint sie Vertrautes und Fernweh auf dialektische Weise. Gegenstände im Raum verschwinden aufgrund der eingenommenen Perspektive oder des Lichts. Michaela Mück wurde 1969 in Salzburg geboren und lebt und arbeitet in Wien. Sie studierte von 1987–91 Bühnengestaltung an der Akademie der Bildenden Künste. Jahrelang hat sich die Künstlerin der Performance gewidmet und damit auch exponiert. Nach dem Wunsch, alleine zu arbeiten, wandte sie sich intensiv der Zeichnung und nun auch der Malerei zu. ¶ AU S GA B E 1 1 4 / 0 2 3 ◄


► »Sk i ns«  /  C h anne l 4 ► Teen-Entertainment mit Interaktionspotenzial

024 von werdenden schweinehunden und der zukunft des fernsehens Langweilige US-Soaps waren gestern. Egal ob »Skins«, »The Inbetweeners« oder Misfits« – die Jugendserien des britischen Senders Channel 4 nehmen Authentizität ernst, erzählen mit provokanter Offenheit aus der Teenager-Realität und definieren das Internet-Fernsehen von morgen.

Vom Bordstein zur Primetime

In Großbritannien hat sich in den letzten Jahren besonders ein Fernsehsender hervorgetan, wenn es darum ging, ein junges Publikum dort abzuholen, wo es steht: der hauptsächlich von Wer-

bung finanzierte, staatlich regulierte Privatsender Channel 4. Auf seinem Sub-Sender E4 (Entertainment 4) wird seit fünf Jahren intermediale Pionier- und Jugendarbeit geleistet. Die ersten Lorbeeren in Sachen jugendlicher Authentizität holte sich Channel 4 schon lange vor »Skins« ab, nämlich dort, wo sie verhältnismäßig am schwierigsten zu ergattern sind – in den Randbezirken Londons, zwischen roten Backsteinhinterhöfen und Betonschluchten, an den Mikrofonen einer aufblühenden Grime-Szene. Im November 2005 ging mit »Dubplate Drama« ein Format auf Sendung, das neben einer guten Auswahl von schauspielernden Grime-Artists vor allem den Zusehern die Gelegenheit bot, die Storyline zu

Charaktere wie Mickey (Darragh Mortell) konnten in »Dubplate Drama« ab 2005 ferngesteuert werden. Per SMS konnte über den Ausgang der Folge mitbestimmt werden.

TEXT Klaus Buchholz BILD channel 4, Mr. Dero

er Brite ist der hinterhältigere Amerikaner. Als solchen holt ihn sich die US-Fernsehlandschaft auch gerne als Verstärkung für Fieslinge wie Larry David (»Curb Your Enthusiasm«) zu sich, um sich das selbst verordnete Blatt vorm Mund wegzureißen und den inneren Schweinehund nach Luft schnappen zu lassen. Siehe Ricky Gervais, dessen böse Mockumentary-Serie »The Office« vom US-Fernsehsender NBC äußerst erfolgreich adaptiert wurde und der zuletzt als Moderator der Golden Globes sämtliche Star-Allüren der versammelten Hollywood-Prominenz herzhaft besudelte. Doch unmittelbar hinter Gervais hat sich bereits eine ganz neue und blutjunge Generation von Fernsehhelden versammelt, um ihren Eigensinn dem britischen Anstand und der US-amerikanischen Prüderie entgegen zu schleudern. Sie ficken, saufen, fluchen, tanzen, nehmen Drogen und proben den Aufstand. Sie durchleben – verdammt nochmal! – ihre ganz persönliche Pubertät und lassen uns zum Glück daran teilhaben. Die ursprünglich in Bristol angesiedelte Sex, Drugs & Teenager-Serie »Skins«, in der eine Gruppe unterschiedlich problematisierter Jugendlicher durch ihren sehr hedonistischen PubertätsAlltag begleitet wird, ist seit Kurzem auch in den USA prominent via MTV auf Sendung. Allerdings in einer leicht abgeflachten, kanadischen Adaption, die einen braven Weichzeichner über das vorbildlich unanständige Original aus Großbritannien gelegt hat. Dennoch intervenierte das Parents Television Council (PTC), eine mächtige konservative Bürgerinitiative, gegen die kanadische Soft-Version. Deren moralisierende Vorwürfe der Drogenverherrlichung, Kinderpornografie und anderer Ungezogenheiten wurden von mehreren Hauptsponsoren so ernst genommen, dass sie der Serie prompt die Finanzierung entzogen. Vorerst zumindest, denn während sich MTV dank der Negativkampagne über steigende Zuschauerzahlen freuen kann, trudeln auch schnell neue Sponsorengelder ein.


Austrian Sync-Export

Mr. Dero & Klumzy Tung haben geschafft, wofür alle Bands in Österreich ihrem Drummer den Fuß abhacken lassen würden: einen Song in einer internationalen Serie zu haben, die noch dazu so breit diskutiert wird wie selten zuvor. Ihr Ska-lastiger Track »Headscrews« ist in der vierten Episode der fünften Staffel von »Skins« zu hören und wurde bereits via BBC ausgestrahlt. Herausgebracht wurde die Single vom Grazer Label Tiefparterre, das sich natürlich riesig darüber freut, den Sprung in eine der größten TVSerien im anglo-amerikanischen Raum geschafft zu haben. Wir gratulieren.

Sie ficken, saufen, fluchen, tanzen, nehmen Drogen und proben den Aufstand. Die UK-Serie »Skins« auf Channel 4 nimmt die Teenager-Realität ernst.

beeinflussen, indem man den Ausgang jeder Folge per SMS mitObwohl diese Serien alle von unterschiedlichen Produktionsbestimmen konnte. Am Höhepunkt des Konflikts einer Episode firmen im Auftrag von E4 hergestellt wurden, verbindet sie eine konnten jeweils verschiedene Handlungsverläufe vom Publikum Reihe von Gemeinsamkeiten, welche auch ihren Erfolg begründen. gewählt werden. Die in Süd-London spielende Serie erzählte vom Anders als in den USA werden Jugendliche auch wirklich von Schicksal der aufstrebenden Grime-Künstlerin Shystie, die sich Jugendlichen verkörpert, die nicht wie Nachwuchsmodels, sonzwischen DIY-Musikproduktion, MC-Battles, Piratensendern, dern eher alltäglich mit markanten Gesichtern und menschlichen männlichen Rivalen und Straßenkriminalität eine Karriere auf- Makeln auftreten. Ihre meist sehr ungeschönte Sprache unterbaut. Drei Staffeln lang (2005–2009) konnte die Serie über E4 streicht den Anspruch auf Authentizität und schafft durch Akund MTV Base auch auf Mobiltelefonen oder tragbaren Sony zente oder Dialekte noch spezifischere IdentifikationsmöglichPlaystation-Konsolen verfolgt und unmittelbar mitgestaltet wer- keiten. Das Unterhaltungsniveau ist hoch, der Humor angenehm den. Für den damals 25-jährigen Regisseur Luke Hyams ging es selbstzerstörerisch, die Drehbücher sind psychologisiert, jedoch neben der Interaktion mit Web-Fernsehen auch darum, positive nicht pathetisch; zunehmend werden auch Jugendliche selbst Perspektiven mit der neuen Jugendkultur rückzukoppeln. »Black bei der Mitarbeit am Skript beteiligt. Ähnlich wie bei »Dubplate music and black culture is always shown as negative, we want to Drama«, wo Grime-Hype und Serie sich wechselseitig befruchtegive it a positive twist«, argumentierte Shystie damals. So the- ten, wird der Soundtrack auch hier identitätsstiftend eingesetzt. matisierte die Serie auch Jugendschwangerschaft, DrogenmissVon 2007 bis 2010 war besonders eine Person bei Channel 4 brauch, Gewalt und prekäre Lebensumstände. Die zusehenden für die neue Teen-Drama-Programmschiene verantwortlich: E4Teenager sollten innerhalb dieses realitätsnahen Settings kon- Chefin Angela Jain. Sie hat »Skins«, »The Inbetweeners«, »Misstruktive Entscheidungsmöglichkeiten erfahren. fits« und »School Of Comedy« entwickeln lassen und zusätzlich die erfolgreiche US-Highschool-Serie »Glee« zu Channel 4 Partizipatives Unterhaltungs-TV geholt. Jain und ihre Autoren waren es auch, die nach Ende der Parallel zu »Dubplate Drama« startete 2007 »Skins« und be- zweiten Staffel von »Skins« den mutigen Schritt wagten, die Segeistert seither sein immer größer werdendes Publikum. 2008 rie neu zu besetzen, um den Draht zur jugendlichen Zielgruppe folgte die aberwitzige Comedy-Serie »The Inbetweeners«, bei nicht zu verlieren. Unter ihrer Führung wurden Jugendliche als der vier heranwachsende Jungs als jungfräuliche Fettnäpfchen- zu unterhaltende Zuseher wirklich ernst genommen, was dem Treter beim pubertären Scheitern belacht werden können. 2009 Sender nachhaltig gute Quoten bescherte. Auch nach Jains Abgang zu BBC3 gilt dieses Credo bei E4. Vor erweiterte E4 sein Programm um die Sketch-Show »School Of Comedy«, in der Halbwüchsige als verkleidete Erwachsene re- allem interaktive Fernsehangebote für Jugendliche werden zuüssieren, sowie das an eine etwas ältere Zielgruppe gerichtete nehmend forciert. Das neueste E4-Projekt »Brink« (2011) gibt Science-Fiction-Drama »Misfits«. Hier muss eine sehr hetero- einen Vorgeschmack auf künftige Produktionsprozesse: Die Fans gene Gruppe von straffällig gewordenen Jugendlichen gemein- von »Skins« wurden dazu aufgefordert, gemeinsam mit der Prosam Sozialdienst ableisten und wird – nach einem mysteriösen duktionsfirma Company Pictures einen Kurzfilm für das Netz zu Blitzschlag plötzlich mit außergewöhnlichen Kräften ausgestat- gestalten. Vier Jugendliche wurden für die Bereiche Regie, Buch, tet – freundschaftlich zusammengeschweißt. Das Besondere an Kostüm und Set-Design ausgewählt und durften außerdem bei »Misfits« ist, dass es der Serie mittels explizitem Sprachwitz der dritten Staffel von »Skins« mitwirken. »Take part when­ever und schamlosen Bildern glaubwürdig gelingt, junge Erwachsene you can« lautet das auf der Website verkündete Motto von E4 – mit Hoffnungen und Ängsten aus ihrer eigenen Lebensumgebung und gilt gleichzeitig als genereller Auftrag für die Zukunft einer zu konfrontieren und sie gleichzeitig mit blutrünstig-schwarzem Fernsehbranche, die das Interesse junger, mit neuen Medien aufgewachsener Publikumsschichten nicht verlieren will. ¶ Humor und spannenden Mystery-Anleihen zu unterhalten. AU S GA B E 1 1 4 / 0 2 5 ◄


► hyp e r k ino ► DVDs mit Fußnoten

026 TEXT Joachim Schätz BILD hyperkino

Digitale Film-analyse

vermittelte revolution Das Annotationsverfahren Hyperkino macht aus DVDs historisch-kritische Filmausgaben. Die Möglichkeit, Laufbilder mit Zusatzmaterialien zu versetzen, sollte nicht nur Filmhistoriker interessieren. as vielleicht Erstaunlichste an Hyperkino ist, dass das bisher noch niemand gemacht hat. Dabei ist die Grundidee des DVD-Annotationsverfahrens, das die Filmwissenschaftler Natascha Drubek-Meyer und Nikolai Izvolov entwickelt haben, einleuchtend einfach: Filme mit Fußnoten. Die Idee dahinter ist kaum komplizierter: Auf digitalen Datenträgern ist der Film ein potenziell frei verknüpfbares Element unter anderen. Mit der sich daraus ergebenden Möglichkeit, direkt im Filmfluss Links zu Zusatzfeatures anzubringen, haben bisher am ehesten Blockbuster-DVDs experimentiert. Mit Hyperkino zieht die historische Filmforschung nach: Beim Abspielen des Hauptfilms erscheint an ausgewählten Stellen im rechten oberen Eck eine Nummer. Auf Tastendruck wird der Film gestoppt und ein Menü geöffnet, in dem sich ein auf den Filmabschnitt bezogener Kurztext und ergänzende Materialien (Fotografien, Tondokumente, Bildausschnitte) befinden. Dann kann man zum Film zurückkehren oder vom Film unabhängig durch die Fußnoten navigieren. Das Ergebnis ist ein multimediales Äquivalent zur historisch-kritischen Literaturausgabe. Insofern setzt Hyperkino auch die Annäherung der Film-DVD ans Buch fort, die mit der Durchsetzung der Kapitelgliederung begonnen hat und sich bis zum Boom preiswerter Klassiker-Sammlungen ausgeweitet hat.

Bis jetzt sind im Hyperkino-Format fünf Filme beim DVDLabel des Russian Cinema Council (Ruscico) erschienen, alles Klassiker des frühen Sowjetkinos zwischen 1918 und 1935 (siehe Kasten). Die Auswahl ergibt Sinn: Erstens waren Lew Kuleschow und Sergej Eisenstein, von denen je zwei Filme unter den Veröffentlichungen sind, gleichermaßen Praktiker wie Theoretiker des Films, was ein Abgleichen ihrer Filme und Texte anhand konkreter Beispiele nahe legt. Andererseits sind diese Filme uns inzwischen historisch so fern, dass erst Kontextinformationen vielen ästhetischen Entscheidungen und politischen Andeutungen Kontur geben. Im Fall von Kuleschows tumultösem Regiedebüt »Das Projekt des Ingenieur Pright« (1918), dessen Hyperkino-Fassung auch beim deutschen DVD-Verlag Absolut Medien erschienen ist, kommt dazu, dass der Film nur als Fragment existiert: Die Hyperkino-Materialien erhellen dann nicht nur im Detail, wie Kuleschows Industriespionage-Drama den Weg vom vorrevolutionären Interieurkino zu Freiluft-Action und Montage-Ekstase freiräumte, sondern machen auch transparent, aus welchen Materialien die gezeigte Rekonstruktion gewonnen wurde. Entworfen wurde Hyperkino nicht zuletzt mit dem Ziel einer besseren wissenschaftlichen Zitierbarkeit von DVD-Zusatz­ inhalten. Die Vorteile gegenüber gewohnten Bonusmaterialien sind aber auch für ein generell filminteressiertes Publikum beträchtlich: Wer hört schon je die Audiokommentare seiner DVDs von vorn bis hinten durch (außer unterhaltsame Meisteroratoren wie Uwe Boll oder Paul Verhoeven erläutern ihr Schaffen)? Auch im Vergleich zu den üblichen dazu gepackten Kurzdokus und Texttafeln sind die gezielt gesetzten Hyperkino-Annotationen ungleich treffgenauer. Die Benutzerfreundlichkeit der Steuer­ elemente ist noch verbesserungswürdig, aber das Grundprinzip ließe sich mit Gewinn bis in die Filmgegenwart verlängern: Man stelle sich eine Ausgabe von »The Royal Tenenbaums« vor, die zum Vergleich Produktionsdesign-Skizzen zeigt, Querverweise in Figurennamen entschlüsselt oder Farbcodes über den Film hinweg verfolgt. Und vielleicht bringt das hyperkino-spezifische Springen zwischen Filmfluss und Zusatzmaterialien seine eigenen Multimedia-Objekte hervor. Für Filmpuristen ist das nichts: Auf Hyperkino-Links einzusteigen empfiehlt sich erst bei der zweiten Begegnung mit einem Film, weil das Zappen Filmrhythmus und Konzentration sabotiert. Gerade in diesem Dazwischen, das die Grenze zwischen Film, Text und Kontext durchlöchert, ist Hyperkino aber eine der spannendsten Formen von Film-Reflexion, die man derzeit erleben kann. ¶ Fünf Hyperkino-DVDs sind bei Ruscico erschienen, »Das Projekt des Ingenieurs Pright« auch bei Absolut Film. Nähere Informationen unter hyperkino.net


Hier wird gerade die US-amerikanische Montagetechnik in den russischen Film eingeführt. Weil man das dieser Szene nicht einfach so ansieht, erweitern Hyperkino-DVDs zum russischen Film mit Fußnoten das Medium Film um ein paar Meter Fußnoten.

Sowjetisches »Glück«

Die editorischen Sensationen unter den bisher erschienen Hyperkino-DVDs sind Lew Kuleschows »Das Projekt des Ingenieurs Pright« (1918) und sein exzentrisches Tonfilm-Meisterstück »Der große Tröster« (1933), die bisher nicht auf DVD zugänglich waren. Weiters erschienen sind Sergej Eisensteins Zentralwerke »Streik« (1924) und »Oktober« (1928) und die bolschewistisch-anarchistische Satire »Das Glück« (1934) von Alexander Medwedkin. Die Autoren der Hyperkino-Notate wechseln mit jeder DVD, für die Kommentare zu »Oktober« zeichnet etwa der renommierte Filmforscher Yuri Tsivian verantwortlich. In Planung sind Hyperkino-Fassungen weiterer Sowjetfilme sowie von Arbeiten des tschechoslowakischen Avantgardisten Alexander Hackenschmied. ◄◄

Digitales Filmdenken

Die Möglichkeiten einer digital gestützten Filmanalyse fangen nicht erst bei den DVD-Extras an: Software zum Erkennen von Einstellungslängen und Bewegungsmustern wird derzeit entwickelt und verfeinert, und digitale Visualisierungen gesammelter Daten eingesetzt, um dramaturgische Muster zu identifizieren. Auch vielen Forschern in diesem Feld hat es der Russenfilm angetan: Zuletzt hat das interdisziplinäre Wiener Forschungsprojekt Digital Formalism den Versuch unternommen, das Werk des sowjetischen Dokumentar-Avantgardisten Dziga Vertov als Prototyp digitaler Bild-Analyse und -Kombinatorik zu lesen. An dem Projekt beteiligt haben sich unter anderem Yuri Tsivian, ein Experte für russisches Kino und Mitentwickler der frei downloadbaren Schnittfrequenz-Zählsoftware Cinemetrics (cinemetrics. lv), und New-Media-Theoretiker Lev Manovich, der Vertovs euphorischen Essayfilm »Mann mit der Kamera« (1929) für »das wahrscheinlich wichtigste Beispiel einer Datenbank-Imagination« hält. Auch die Spielräume der Filmkritik haben die digitalen Medien verschoben: Tag Gallaghers selbst geschnittene, leidenschaftlich gesprochene Viertelstünder, die sich auf DVDs zu John Ford- oder Max Ophüls-Filmen finden, können sich mit den besten geschriebenen Essays zu den beiden Regisseuren messen. Die Möglichkeiten, Kommentar und Laufbild zu kombinieren, haben auch die US-amerikanischen Kritiker Matt Zoller Seitz und Kevin Lee mit den Filmanalysen erkundet, die sie in den letzten Jahren trotz prekärer Copyright-Lage auf YouTube gestellt haben. Überblick über diese und andere Formen von Filmkritik im Laufbild-Format bietet die Homepage des Projekts »Kunst der Vermittlung« (www.kunst-dervermittlung.de): Datenbanken und Aufsätze verfolgen dort die Geschichte des »filmvermittlenden Films« von aktuellen Blogs zurück bis zum Avantgardekino der 50er und Fernsehbeiträgen der 60er Jahre – und erinnern so daran, dass Filmkritik und -forschung nie nur auf dem Papier stattgefunden hat. ◄◄ AU S GA B E 1 1 4 / 0 2 7 ◄


► Dest r oy e r ► Pop nach der Krise

das richtige leben im falschen flauschiges Kuschelmonster verkleidet. »Kaputt« eine Parabel auf die Zeit nach der Krise.

oft Rock und Saxofone – wer hat sie nicht ver- evokativen, aber auch komischen Bildern das Leid von der Brust. misst? Nein, niemand? Nun, auf dem mittler- Immer wieder baut Dan Bejar so extreme Diskrepanzen zwiweile neunten Album von Destroyer sind sie schen Text und Musik auf, lässt beide sich ultimativ aneinander überall. Die Soundwelten von Wellness, billigen reiben und dialektisch in etwas anderes umschlagen. Schon die Werbesendungen und schlechtem Radio sind Flaming Lips sangen zu euphorischen Melodien und opulenten auf »Kaputt« aber nicht einfach nur Mittel um Fake-Prog-Rock-Symphonien von Tod und Verderben. Destroyer liberal-schöngeistige Eltern mit Hassobjekten ihrer Studenten- tun es ihnen gleich. Bei einem der niederschmetterndsten Songs zeit zu erschrecken. Stattdessen folgen sie der Logik unsrer Ge- der letzten Jahrzehnte »Suicide Demo For Kara Walker« hat Dan genwart, einer Zeit nach der Krise. Bejar Texte der schwarzen US-Künstlerin Kara Walker umgeordDabei klingt »Kaputt« erst einmal nicht wie das aktuell brand- net und neu zusammengesetzt. Kara Walker, geboren 1969 und heiße Ding, sondern nach vergangenen Tagen. Die Gitarren sind vom Time Magazine 2007 unter die 100 einflussreichsten Künstweich und unverzerrt, die Bässe bundlos wie bei den schlimmen ler und Entertainer weltweit gewählt, hatte Dan Bejar unzählige Jazzrocker-Buben, der Sound sauber und gedämpft. Noch dazu Textkärtchen für einen seiner Songs geschickt. Herausgekomverstärken Trompeten, flauschig-gefühlige Intros und fein ge- men ist eine achteinhalb-minütige Collage darüber was es heißt wobene Echos den Kuschelfaktor. Die Vorbilder für diesen ge- eine schwarze Frau in den USA zu sein, heute und überhaupt in schmeidigen Erwachsenen-Pop heißen etwa Prefab Sprout, Roxy den letzten 400 Jahren Unterdrückung. All das garniert mit New Music oder Fleetwood Mac. Oder Ariel Pink. Die hatten letztes Age Synths, einem schwülstigen Intro und den Panflöten aus MaJahr im großen Stil die Flucht nach hinten eingeläutet. Dabei hat mas Lieblingstherme. Äh …? Nostalgie zu Unrecht einen schlechten Ruf. Sie war nicht immer nur das Zeichen einer visionslosen Gegenwart, oder ein Symptom Status Quo Vadis? des kollektiven Innehaltens, sondern immer auch Antriebsfeder In den USA ist unterdessen eine Zeit großer ideologischer Vergroßer Kunst – nachzulesen etwa bei Marcel Proust und »Die unsicherung angebrochen, zwischen unbedingtem Liberalismus, Suche nach der verlorenen Zeit«. sozialen Reformen in der Obama Nation und den reaktionären Ideen der Tea Party. Es sind betäubende Tage, die ebenso zerrisTowards Death’s Embrace senen Songs einen idealen Boden bieten, Songs, die zwischen dem Soft Rock und Saxofone sind auf »Kaputt« nicht ironischer Weichen (Musik) und dem Harten (Text) oszillieren. Im PostSelbstzweck. Auf die flauschige Oberfläche haben Destroyer alle krisen-Pop von Destroyer sind die Songs und Strukturen wieder Abscheulichkeiten der Welt gebettet. In »Song For America« stabil, wie in einer traumhaften Zeit vor unserer Gegenwart, als singt eine soulige Frauenstimme zu einem federweichen Beat: wären die Versprechungen des Kapitalismus immer noch die gleiWinter, spring, summer and fall, Animals crawl towards death’s em- chen, als hätten sich die Regeln trotz des Zusammenbruchs der brace. Dan Bejar schreibt sich assoziativ und mit unglaublich großen Investment Banken nicht geändert; was sie ja auch nicht

TEXT stefan niederwieser BILD Ted Bois

Der Tod kommt als Destroyer schreiben mit


Gute Idee! Wie mache ich mehr daraus? Branchenkenner und erfahrene UnternehmerInnen stehen Ihnen an zwei Wochenenden Rede und Antwort. Das fünftägige Programm ist ein Crashkurs für GründerInnen und JungunternehmerInnen der Creative Industries aus den Bereichen Mode, Design, Musik, Multimedia und Architektur. Termin Wien: Fr – So, 8. – 10. April 2011 Fr & Sa, 15. – 16. April 2011 Termin Tirol: Fr – So, 13. – 15. Mai 2011 Fr & Sa, 20. – 21. Mai 2011 getan haben. All der Konsum hat uns Wohlstand gebracht und mittlerweile wissen wir wieder einmal wohin dessen Exzesse führen können. Aber nachdem wir immer noch keine besseren ökonomischen Systeme erfunden haben – ja, es geht immer noch um ein Popalbum –, bleiben wir dabei. Bei den Sounds von Dauerwerbesendungen und Einkaufszentren. Destroyer haben sich mit »Kaputt« in den frühen Siebzigern festgebissen, und damals war der Kapitalismus ja doch echt noch in Ordnung. Die Texte von Dan Bejar sagen etwas anderes. Destroyer ist im Gegensatz zu jenen zappeligen Gitarren, die vor fünf Jahren aus allen Boxen bebten, zu Bands wie Franz Ferdinand und Mando Diao absichtlich bieder und weich, ein ideologisches Niemandsland. Die Sounds des kommerziellen Systems sind angepasst, die Verweigerung passiert über die Songtexte. Auf der Suche nach einem Ausweg ist man bei Destroyer also immer schon ein Teil des Problems. So wie die marxistischen Gang Of Four mit dem Titel ihrer ersten Platte (»Entertainment!«) schon klar gemacht haben, dass jeder Revolutionsversuch innerhalb der Musikindustrie wieder nur Entertainment sein wird. »Kaputt« ist insofern auch ein Versuch des richtigen Lebens im falschen. Die Diskrepanz zwischen der weichen Musik und den harten Texten könnte es immer geben, nur sagt sie gerade eben jetzt besonders viel über unsre Gegenwart aus. Und es ist ein ganz enormes Album, eines, das wegen seiner Zukunfts-Vergessenheit auf unsre mobilen Devices gehört wie kein zweites. ¶ »Kaputt« von Destroyer ist bereits via Merge erschienen.

Kosten: � 144 (inkl. MwSt.) Infos & Anmeldung: www.we-workshops.at

Ein Weiterbildungsprogramm von:

Kooperationspartner für Tirol:



► D e at h fac e ► Gabber, Metal und Bloghouse

TEXT Michael Aniser BILD Trouble & Bass Recordings

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Disco Bloodbath Jonny Loves neues Projekt Deathface fängt da an, wo Witch House-Schludrigkeit aufhört und New Romanticism-Klischees von Black Metal-Riffs zersägt werden. Wirf das Necronomicon ins Eck – Let’s Dance! ommer 2010 – weil Chillwave schon wieder öd ganzen Bloghouse-Hype loszutreten. Die beiden dürften einen ist und irgendwas Neues her muss, stößt man großen Teil dazu beigetragen haben, dass in den letzten Jahren in all den Blogs auf eine Art neue Dunkelheit. auf jedem Dorfdisco-Maturaball zu »Elektro« abgetanzt wird. Witch House ist das Genre der Stunde. »We Guns’n’Bombs trennen sich bald wieder – es wird wohl auf Dauer Still Kill The Old Way« von Deathface passt auch langweilig, ständig Sidechain nach Sidechain zu schalten. vom Namen und Artwork her ideal rein, ist dann aber genau der Gegenentwurf zur Codein-mäßig absackenden Neo-Hexen- Back in Black Musik und geht in bester Speedcore-Manier brachial nach vorne. Als Deathface klinkt sich Johnny Love jetzt also in das nächste Eher schroff und laut, nicht so recht Dead-Gaze. Das klingt dann große Ding ein. Der Name weckt Assoziationen zur wunderbar wie der xte Aufguss von Thunderdome – in den 90ern so etwas schlechten 80er Exploitation-Filmreihe »Faces Of Death«, die wie die dunkle Variante der Bravo-Hits. Gabber, Tod und Verder- ein roher Zusammenschnitt von möglichst grausamen und meist ben und paar Hundert bpm für die ganz Harten. schlecht gestellten Snuff-Kurzfilmchen war. Es ist also nicht Inzwischen stolpert man auf YouTube über neue Thunder- mehr das Okkulte und Weltabgewandte, das hier verwurstet wird dome-Videos. Sind Speed-Pickel und fettige Haare statt schön – es wird wieder körperlich. androgynem Okkultismus das nächste Ding? Irgendwie war es Gewaltig aufgetürmte Sägezahnmonster jagen uns auf »Fall Of abzusehen, immer mehr 90er-Jahre-Partys hipstern sich in letz- Man« über den Tanzflur und lassen mal headbangen, mal böse ter Zeit von hinten an und dann steht man wieder irgendwo rum dubbig wubbernd dreinschauen. Thunderdome in neu. Und dank und hört Scooter. Da kommt die neue Deathface-EP genau richtig. ausgefeilter, Filter House-geschulter Produktionstechniken wird »Fall Of Men« nennt sich das Machwerk. Zu Deutsch: der Sün- das auch wieder lässig glitzernd serviert. Noch ein wenig Black denfall, also die Ursünde. Der Biss in die verbotene Frucht. Ganz Metal-Gesichtsbemalung drübergeschmiert, und fertig ist der schön dick aufgetragen, das passt zu Johnny Love. neue Sound. Die faulen Disco-Zombies sind den SlashermovieRavern gewichen. Wie weit sie damit kommen ist eine andere Nothing Is Getting Us Anywhere Frage, die sich aber erst dann stellt, wenn sich die nächste Nische In den Nuller-Jahren schmeißt Johnny Love einige Partys in auftut. Crossover-Revival anyone? ¶ seinem Chicagoer Loft. Zu seinem 20. Geburtstag folgen dann 1.000 junge Menschen der Einladung und die Polizei löst die lu- »Fall Of Man« von Deathface erscheint am 9. März stige Sause auf. Weitere Partys, und Johnny wird öfter mal ver- auf Trouble & Bass Recordings. haftet. Damit gibt er auch gerne an, um das nötige PunkrockImage zu kreieren. 2006 muss er nach Los Angeles fliehen, und www.myspace.com/gunsnbombs hilft dort zusammen mit Filip Nikolic als Guns’n’Bombs mit, den www.myspace.com/deathfaceforever AU S GA B E 1 1 4 / 0 3 1 ◄


MILLIONS OF DREADS ALBUM RELEASE TOUR 2011 ©

b 11 20 y Mi

llions Of Dreads. All Rights re serv ed.

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NEW ALBUM OUT NOW !!! Alle Infos auf www.million sofdreads.a t

05.03. 11.03.

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► T est D r i v e U nl i m i t e d 2 ► Luxuriöser Rennsport-Spaß auf Ibiza

racing jetset »Test Drive Unlimited 2« nutzt das Rennsport-Setting in Ibiza für viel SonnenscheinAtmosphäre und angenehm hedonistische Gameplay-Elemente. Die Technik ist leicht überholt – die Stimmung aber einzigartig. ennspiele, die auf realistische Fahrzeuge und Strecken setzen, spielen oft naheliegend im High-Society-Umfeld. Aber nur die wenigsten Titel nutzen dieses Setting als Gameplay-Element und setzen damit auf eine angenehm hedonistische Atmosphäre. »Glimmerati« war ein Rennspiel für Nokias Gaming-Handy N-Gage, dass genau damit punkten konnte. In der Welt der Schönen und Reichen galt es nicht nur Rennen zu bestreiten, sondern auch den Jetset-Alltag mit allerlei Aufgaben zwischen Dinner-Partys und Luxus-Villen. Das Spiel war damit letztlich story-driven und sorgte für willkommen aufgesetzte Unterhaltung. »Test Drive Unlimited 2«, der Nachfolger der Serien-Wiederbelebung, tut das ebenso. Nach Oahu, einer der Hawaii-Inseln, beginnt das Spiel diesmal auf Ibiza. Als junger Türsteher – Geschlecht und Herkunft sind wählbar – gilt es, sich einen Namen zu machen. Dies geschieht in erster Linie dadurch, dass man Rennen gewinnt. Erfolg bedeutet im Spiel aber auch, die beiden spielbaren Inseln zu erforschen, die dank Satellitendaten ins Spiel übertragen wurden, und auch soziales Ansehen zu erringen – durch Kontakte, Fahrzeuge, Immobilien und Kleidung. Folgerichtig ist »Test Drive Unlimited 2« als Open-World-Game angelegt. Die Inseln sind off- und onroad frei befahrbar, viele Spielorte selbst zu entdecken, auf andere weisen die Spiel-Charaktere hin. Neu im Gegensatz zum Vorgänger sind nicht nur die Tag-Nacht-Wechsel, sondern auch unterschiedliche Wetterverhältnisse. Ganz generell und unabhängig von ebendiesen durchweht das Spiel aber ein sonniger Flair, der den Genuss in den Vordergrund stellt und alles ein bisschen unernster und lockerer macht.

TEXT Martin Mühl BILD Eden / Atari / Namco Bandai

MMOG-Feeling

Leider hält die technische Entwicklung hier nicht ganz mit und manche Gamedesign-Entscheidungen sind nicht nachvollziehbar oder wirken unfertig. Die eigentliche und wichtige Rennsteuerung selbst könnte besser sein und der Aufbau sollte den Spieler strukturierter begleiten und ihm damit manches einfacher machen. So sind etwa verschiedene Erfolgszusammenhänge und Rennbedingungen nicht wirklich klar und so schön es ist, in den teuren Schlitten über die Insel zu gleiten – immer wieder wäre es auch fein, einfach per Knopfdruck ans Ziel zu gelangen. Dies wird zwar angeboten, funktioniert aber meist nicht. Ganz im Gegensatz zur gelungenen Multiplayer-Einbindung. Andere Spieler bewegen sich auf der Insel und können bei Begegnung mittels Lichtzeichen kontaktiert werden, um Rennen gegeneinander auszuführen. Natürlich um Spielwährung. Insofern hat »Test Drive Unlimited 2« ein bisschen MMOG-Feeling. Die vom Spiel vermittelte Atmosphäre ist einzigartig und ich wünsche mir mehr Rennspiele, die ihr Setting auf so umfassende Weise nützen. Bei der technischen Umsetzung könnte der Titel ein wenig näher an Genre-Highlights wie etwa »Grid« dran sein – auch wenn das bei einem so reichen Angebot an Spielinhalten um einiges schwieriger zu erreichen ist. ¶

»Test Drive Unlimited 2« von Eden (Atari / Namco Banda) ist bereits für Xbox 360, PS3 und PC erschienen. AU S GA B E 1 1 4 / 0 3 3 ◄


► Da s W e isse Haus ► Neue Kunsträume in Wien

wo die kunst ein weißes haus hat Wiens junge Kunstszene braucht Raum – Das Weisse Haus verbindet Offspaces mit regelmäßigen Galerieräumen und macht seit 2007 genau das.

Bild links: Marianne Lang – inherent lines, 2011, Wandzeichnung (Tusche /  Graphit) bei der Eröffnung von »The Border Of Drawing«. Bild rechts: Das Weisse Haus (Elsy Lahner und Alexandra Grausam).

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Der spezielle Charme des ausgedienten Amtes im neuen Zuhause der Institution wurde beibehalten, was den Eindruck erweckt, als würde hier die Kunst das Haus besetzen. Zwischen professioneller Organisation und Underground-Feeling werden Einzel- und Gruppenausstellungen organisiert. Daneben gibt es die sogenannten »Satelliten«: Räumlichkeiten, die entweder speziell für einen Künstler gesucht werden bzw. Orte, die vorübergehend leer stehen und für einen kurzen Zeitraum als Ausstellungsfläche zweckentfremdet werden, wie etwa eine alte Fleischerei. Dabei wirken Raumsituation und künstlerisches Projekt zusammen und bilden einen neuen Diskurs. Zusätzlich finden Installationen oder Interventionen im öffentlichen Raum statt – auf Balkonen, Dachterrassen oder Innenhöfen. Das sind Fühler, die Das Weisse Haus auch international ausstreckt. Nicht nur jungen künstlerischen Positionen soll der Schritt in die Kunstwelt ermöglicht werden, damit auch ein kunstmäßig eher unbedarftes Publikum zu erreichen ist den beiden Geschäftsführerinnen wichtig. Kunst soll einen breiten Zugang finden und Netzwerke aufgebaut werden. Verschiedene Vermittlungsstrategien für alle Altersgruppen oder Künstlergespräche und Videointerviews machen Kunst greifbarer und schaffen einen Anreiz für Leute, die ansonsten vielleicht mehr Berührungs­ ängste haben. Ein gutes Unterfangen also, um die Kunstszene Wiens vorzubereiten auf das, was da noch an unentdeckten Talenten schlummern mag. ¶

und 1.800 Studierende beherbergt derzeit allein die Universität für Angewandte Kunst, an der Akademie werden jährlich etwa 200 Neubewerber aufgenommen. Eine recht ansehnliche Zahl an Kunstschaffenden also, die sich da in Wien herumtreibt. Wohin aber mit dem ganzen künstlerischen Output? Schließlich ist Wiens Galerien-Szene ein eher überschaubares Pflaster. Aus diesem Grund haben sich in den letzten Jahren zunehmend Offspaces und unkonventionelle Ausstellungsinitiativen als Präsentationsmöglichkeit für junge und / oder aufstrebende Künstler aufgetan. Daraus hervorgegangen ist auch Das Weisse Haus, das inzwischen als fixe Kunstinstitution Wiens betrachtet werden kann. Alexandra Grausam, Restauratorin und konservatorische Betreuerin diverser Kunstsammlungen, und Elsy Lahner, freie Kuratorin und Organisatorin verschiedenster Kunst- und Kulturprojekte, haben 2007 durch Zufall zu diesem Gemeinschaftsprojekt zusammengefunden und einen Kunstverein gegründet. Ehemals in der Westbahnstraße eröffnet, ist man nach einem Zwischenstopp in der Wollzeile nun im fünften Bezirk gelandet, wo eine ganze Etage in einem ausrangierten Amtsgebäude adaptiert wurde. Unterschiedliche Räumlichkeiten in der Stadt mit Kunst zu bespielen ist eine der grundlegenden Anliegen, die sich Das Weisse Haus auf sein Banner schreibt. Ein fixer Standort als Zentrale war den beiden Bis Ende März zeigt Das Weisse Haus die Gruppenausstellungen Initiatorinnen aber wichtig, um einen Kompromiss zwischen der »The Borders of Drawing« und »Polis Pollis Politics« sowie »Die kurzlebigen Offspace-Idee und den örtlich verankerten Galerien nächste Generation III. das weisse haus – Ein Selbstportraits« zu schaffen. im Traklhaus in Salzburg.— www.dasweissehaus.at

TEXT Margit Emesz BILD Esel (www.esel.at)

Hausbesetzung mit satelliten



► S ound : f r am e Fest i va l ► Vom Insidertipp zur ambitionierten Agentur

hinter den kulissen Sound:frame ist mehr als nur ein Festival, das jeden Frühling Licht und Clubmusik künstlerisch vereint. Inzwischen ist es auch Agentur und Label. m fünften Jahr sind die Organisatorinnen von lung Neu Marx dafür einsetzt und das Festival auch finanziell Sound:frame an einem Punkt angelangt, wo unterstützt. Doch bleiben die Besucher aus und fallen dadurch die Professionalität nach außen gleich in meh- die Gastroeinnahmen weg, wird aus einem Kalkül schnell ein Dereren Belangen spürbar wird: Das diesjährige saster – wovon natürlich nicht ausgegangen wird. Ähnlich verProgramm (siehe Infobox) ist weitaus schlanker, hält es sich mit der Ottakringer Brauerei: Die Räumlichkeiten überlegter und konkreter als in den Jahren da- werden zwar vom Sponsor gratis zur Verfügung gestellt, doch vor. Die Ausstellungen sind nicht mehr dezentral vom übrigen sind Nebenkosten wie Strom, Security, Polizei, Rettung, Mieten Festival angelegt, sondern finden direkt – wie im Falle des Eröff- für Anlagen und Beamer horrend. Da stellt sich die Frage erst nungswochenendes – in der jeweiligen Spielstätte statt. Das Bu- gar nicht, ob sich ein derartiges Festival irgendwann von alleichen von Superstars ist nicht nötig, weil es keine Bestrebungen ne trägt oder gar das große Geld damit gemacht werden kann. auf Massenkompatibilität gibt, sondern auf die eigenen Erfah- Ohne die Förderungen von Departure und der Unterstützung der rungen gebaut wird und das Wissen über das anzusprechende WKO wäre eine Realisierung in der heutigen Dimension unvorPublikum vorhanden ist. So stellen sich die Veranstalter neue stellbar. Die Veranstalter entziehen sich auch nicht der eigenen Aufgaben, um das Projekt Sound:frame abseits des Festivals auf Verantwortung, indem sie – wie andere in der Branche – zur Risikominimierung weitere Firmen gründen, um im Notfall diese in die nächste Ebene zu katapultieren. Konkurs zu schicken, womit die Marke bestehen bleibt, die Party Kein Zuckerschlecken weiter geht und die Gläubiger durch die Finger schauen. Eva Fischer – Kuratorin, Organisatorin, Österreicherin des Jahres 2010 im Bereich Kreativwirtschaft und Neo-Bookerin – Auf Umwegen ist sich sicher, dass der Zenit an Besuchern noch nicht erreicht Neben der gerade erst gegründeten Agentur samt Label bleibt ist. Geschätzte 12.000 waren es im vergangenen Jahr und nach das Festival zwar das größte Projekt, aber nicht mehr das einzige. oben hin ist ihrer Meinung nach noch Luft. Für 2011 sind die Das über die Jahre dazu gewonnene Wissen wird nun vermarktet, Rinderhallen in St. Marx als neue Location hinzugekommen, bei um sich finanziell abzusichern. Die Neuausrichtung als umfasfreiem Eintritt wird ein ausgeklügeltes Programm geboten und so sende Eventorganisation – von der Auswahl der Künstler (DJs, wird mit einem ähnlich großen Besucheransturm wie im letzten VJs, AV-Acts) bis zum eigenen Technikteam – wird in Zukunft Jahr bei der Eröffnung am Karlsplatz gerechnet. In derartigen via Agentur angeboten und als Gesamtpaket monetarisiert. Auf Bestrebungen, ein neues, interessiertes Publikum zu gewinnen, diesem Weg kommen Showcases und Präsentationen auch inliegt auch genug Restrisiko, um ein Festival in den finanziellen ternational zustande: die Ausstellung Sound:frame Remix im Ruin zu stürzen. Zwar bekommt Sound:frame die Rinderhallen Austrian Cultural Forum in New York, eine Partizipation beim nahezu gratis zur Verfügung gestellt, weil sich die Stadtentwick- Mapping Festival in Genf oder wie dieses Jahr eine Sound:frame-


Nightline mit dem Melbourne Symphony Orchestra down under. Derartige Kooperationen funktionieren nur durch eine enge Zusammenarbeit mit Sponsoren, interne Arbeit mit den eigenen Künstlern und einem starken Willen zur Umsetzung.

Agentur

Derzeit umfasst die Agentur 30 Künstler, die bis auf drei Ausnahmen alle aus Wien stammen. Grund dafür ist vor allem die erst kurze Anlaufzeit dieses Projekts, mittelfristig wird es eine zunehmend internationale Ausrichtung geben, um den Spielraum zu vergrößern und als ernst zu nehmender Mitbewerber gesehen zu werden. Mit dem Melt!-Festival, das ebenfalls eine eigene Bookingagentur gegründet hat, gibt es ein erfolgreiches Beispiel, wie ein solches Konzept funktioniert und aufgehen kann. Neben den Veranstaltungen und der Agenturarbeit wird auch das Sound:frame-AV-Label weiter ausgebaut. Wann und ob es physische Veröffentlichungen geben wird, steht noch nicht fest. Ob es sich dabei dann um Platten, CDs oder DVDs mit Performances von AV-Acts handelt, ebenso wenig. Klar ist jedoch, dass die Künstler durch das Label nach außen hin repräsentiert werden und sich gut aufgehoben wissen dürfen. Eva Fischer hegt auch Überlegungen für Fernsehproduktionen, wie sie bereits ihre Kollegen Luma Launisch unter dem Titel »60 Seconds Somewhere« für TW1 realisiert haben.

Markenwert

Um das Labelprojekt weiter ausbauen zu können und selbst auch noch einen Rest an Freizeit übrig zu haben, sucht Eva Fischer derzeit Verstärkung für die Bookinganfragen. Jemand, der sich mit der Materie auskennt, über die nötigen Kontakte verfügt und so auch das Label weiter ins Rollen bringt – und im Idealfall die Idee für ebenso unterstützenswert hält wie die vielen anderen freiwilligen Helfer und Mitarbeiter, die jedes Jahr Hand anlegen, um das Festival möglich zu machen. Der Lohn ist der gemeinsame Erfolg, die gesammelte Erfahrung und ein zufriedenes Publikum, das wiederkommt. Von derartigen immateriellen Werten kann aber das Kernteam der ganzjährigen Unternehmung Sound:frame nicht überleben. Neben den drei fest angestellten Mitarbeitern werden während des Festivals zwei bis drei Personen zusätzlich mit geringer Entlohnung beschäftigt. »Danke, danke, danke!« bringt Eva Fischer an dieser Stelle an, denn sie weiß genau, dass es ohne die Unterstützung dieser Freiwilligen nicht funktionieren würde. Umso befriedigender ist es dann mit anzusehen, dass nach fünf Jahren ein Insidertipp unter den Festivals zu einem kostendeckenden Unternehmen im Bereich der Kreativwirtschaft herangewachsen ist und seinen Weg kontinuierlich mit Sinn für das Wesentliche fortsetzt. ¶

Das Sound:frame Festival findet von 25.3. bis 10.4 2011 unter dem Motto »perFORMance« in mehr als sieben Locations in ganz Wien statt. — www.soundframe.at

TEXT Johannes piller bild Sound:frame, OLIVER CAPUDER

Auch heuer verkehrt die Sound:frame Techno Bim wieder von und zur Ottakringer Brauerei. Am 25.3. wird sie von The Gap gehostet – mit den DJs Moogle, Laminat und Kid Soylent.

Sound:frame 2011 – Glanzlichter im Programm Das Sound:frame Festival 2011 steht im Zeichen der Performance: Am Eröffnungswochenende (25. und 26.03.) in der Ottakringer Brauerei wird es neben einer interaktiven Vernissage Live- und DJ-Sets von Lindstrøm, John Roberts, Magaret Dygas und Pariah geben. The Gap ist mit dabei und bespielt am Freitag die TechnoStraßenbahn. Am 31.03. wird im Schikaneder-Kino »Beatroit – A Documentary Film About The Roots Of Detroit Techno« gezeigt. Das zweite Festival-Wochenende steht ganz im Zeichen der Theorie: Nach Workshops, Panels, Live-Screenings und AV-Performances bleibt an den Abenden genügend Zeit, den DJs Agnès aka Cavalier (01.04., Market) und Pangea (02.04., Loft) zu lauschen. Am 07.04. gibt es im Salon 5 den »Rilke Zwischenstand«, bei dem literarische Kost mit visueller Malerei verbunden und damit die Prosa durch Projektionen auf die nächste Metaebene transferiert wird. Am 08.04.wird bei freiem Eintritt Atom mit einem AV-Act der anderen Art das Publikum in der Rinderhalle verzaubern. Das große Finale findet am 09.04. im gesamten Fluc am Praterstern statt, wo Ogris Debris und Dave Aju nicht nur Katzen miauen lassen werden. AU S GA B E 1 1 4 / 0 3 7 ◄


► Neu e Tö n e : Musi k ex po rt ► Österreich vs. Dänemark

weniger mozart Dänemark hat es geschafft, ein Exportmodell für Popmusik zu etablieren und diese damit zum Wirtschaftsfaktor erhoben. Österreich hinkt hinterher. Aber es regt sich was.

Am Anfang war das Spot

dierten Ziele des Veranstalters Danish Rock Council, im Inland wie im Ausland Aufmerksamkeit für dänische Rockmusik zu generieren. Das spiegelt sich heute auch in der Zusammensetzung des Publikums beim alljährlichen Treffen wider: Unter die dänischen Musikfans mischen sich Branchenprofis aus aller Welt – Journalisten, Veranstalter, Booker, Labels und andere Musikmenschen sollen dänische Musik nicht nur hören, sondern einatmen, mitnehmen und zu Hause weiterverarbeiten. Waren anfängliche Exporterfolge – ähnlich wie in Österreich – eher der Einzelfall (die Geschichte von The Raveonettes und dem Rolling Stone Magazine kann man googlen), wurden 2003 die Weichen für eine systematischere Vorgehensweise gestellt. Die vom Nordischen Innovationszentrum in Auftrag gegebene Studie »Behind the Music« präsentierte die Unabdingbarkeit des Exports von Musik als eine von drei zentralen Erkenntnissen für die positive Entwicklung der skandinavischen Musikmärkte.

Nägel bekamen Köpfe und DÆnemark das MXD

Dass es diese Exportschiene für dänische Bands gibt, ist eiDem Ergebnis der Studie folgend wurde im Jänner 2004 Muner konsequenten Entwicklung zu verdanken, die 1994 mit dem sic Export Denmark (MXD) als eine gemeinsame Initiative däersten Spot Festival in Aarhus begann. Das anfangs lokal aus- nischer Radiostationen, der Roskilde Festival Foundation und gerichtete Musikfestival wurde in den Folgejahren in eine über dem Danish Rock Council ins Leben gerufen. Die Erfahrungen die Landesgrenzen hinaus gerichtete Plattform für dänische und und die unterschiedlichen Netzwerke der Beteiligten sollten für skandinavische Acts umgewandelt. Zu den erfolgreichen Bands, eine Bündelung der Kräfte im Exportgeschäft sorgen. Als wenidie vom Spot Festival aus den Weg auf die großen Bühnen der ge Monate später die dänische Abteilung der IFPI (MajorlabelWelt fanden, zählen u.a. Kashmir (Dänemark, 1997), Sigur Rós Verband) und DUP (die Vereinigung der dänischen Indepen(Island, 1999), The Raveonettes (Dänemark, 2002), Kaizer’s dent-Labels) beitraten, wurde das vom Ministerium für Kultur Orchestra (Norwegen, 2003) oder Shout Out Louds (Schweden, honoriert und die Finanzierung für die nächsten drei Jahre mit 2007). Dies wäre nicht passiert, wäre es nicht eines der dezi- knapp 470.000 Euro jährlich sichergestellt. Erklärtes gemein-

TEXT und bild Nikolaus Ostermann

arhus, Dänemark, Mai 2010. In der großen Konzerthalle des Musikhuset Aarhus springen die Zuhörer von allen 1.588 Sitzplätzen des Saals hoch. Auch die auf den Treppen. Grund der Erhebung: Die Kopenhagener Band Cody hat soeben ihr Set am alljährlichen Spot-Festival beendet. Line Felding, Cellistin und zweite Stimme von Cody, erinnert sich an den Abend zurück. »Vor dem Auftritt waren wir ziemlich nervös, danach überglücklich. Das war eine große und wichtige Geschichte für uns, ohne die wir heute wohl nicht hier wären.« Hier, das ist Wien im Februar 2011, und eben ist die zweite Ausgabe des Spot-Festival-Ablegers »Spot on Denmark« im ausverkauften B72 über die Bühne gegangen. Und obwohl das B72 keine 1.588 Plätze aufweisen kann, waren Cody ebenso zufrieden wie die anderen beiden dänischen Bands des Abends, die traumwandlerischen Shoegazer von Sleep Party People und der Diskotheken-Kronprinz Vinnie Who.


sames Ziel ist es, mehr Aufmerksamkeit und damit verbesserte wirtschaftliche Chancen für dänische Musik im Ausland zu erreichen. Dafür bietet das MXD finanziellen Support für Exportinitiativen (wie z.B. Spot on Denmark) und Konzerttourneen und dient außerdem als Sammelbecken für all das dazu benötigte Know-how.

Wir, das Entwicklungsland

Österreich ist anders. Oder zumindest hinterher. Im Land der Klassik hat es etwas länger gedauert, überhaupt ein Bewusstsein für die Relevanz von heimischer Popmusik zu schaffen und sie auch als Wirtschaftsfaktor zu begreifen. Aber es regt sich was. Im Dezember 2006 wurde mit dem Austrian Music Ambassador Network (AMAN), ein für alle offenstehender Verein für österreichische Labels geschaffen, um die Kräfte der heimischen Musikszene für eine internationale Promotion- und Imageoffensive zu bündeln. Hier wird, mittlerweile auch mit der Unterstützung des Mica (Music Information Center Austria), deren Exportinitiative AME nicht über die Pilotphase hinauskam und im Herbst 2006 im Sand verlief, Know-how gesammelt, hier werden Geschäftspartner vermittelt und – mit einem Budget von gerade einmal 10.000 Euro pro Jahr – Tourneen im Ausland so weit es geht finanziell unterstützt. Das Augenmerk liegt auf langfristigen Kooperationen, eine solche ist momentan z.B. mit einem der wichtigsten Branchentreffs in Europa, dem Eurosonic Festival in den Niederlanden, im Entstehen. Die auf fünf Jahre ausgelegte Partnerschaft soll österreichischen Bands dort Auftritte garantieren. Ohne Aufmerksamkeit – sprich: Medienpräsenz – im eigenen Land, so klein der Musikmarkt Österreich auch sein mag, geht es trotzdem nicht. Indem der ORF einwilligte, eine Quote für Bands aus Österreich zu akzeptieren, konnte die Initiative SOS Musikland zumindest schon ein Teilerfolg einfahren. Eine derart breite Initiative wie in Dänemark ist allerdings nicht in Sicht.

In Dänemark funktioniert der Musikexport. Oben: Vinnie Who live zu Besuch im B72. Unten: Die Welt zu Besuch in Dänemark bei Cody live am Spot in Aarhus.

Wirtschaften muss man schon selbst

In der Szene selbst ist das Wissen um die Notwenigkeit einer funktionierenden Exportschiene schon etwas früher angekommen. Nachdem die Denkmuster (im doppelten Sinn) klassischer Förderstrukturen, die nur mit erheblichem Aufwand zu finanzieren wären, abgelegt wurden, begann man vermehrt Start-up-Förderungen der Kreativwirtschaft in Anspruch zu nehmen, wirtschaftlich zu denken, zu agieren und – als Folge dessen – seine Fühler in die Welt auszustrecken. Ink Music, die Booking, Label, Promo und Sync unter einem Dach vereinen, betreiben auch mit Unterstützung von AMAN großen Aufwand auf den europäischen Musikmessen, um ihr Netzwerk zu vergrößern und ihre Acts unterzubringen. Seayou Records, aus der traditionell stark vernetzten DIY-Szene kommend und von Departure gefördert, taten das von Anfang an. Und beim erst unlängst gegründeten Label Solfo von Anja Plaschg aka Soap & Skin steht es direkt in deren Antrag auf eine Gründerförderung, dem von Departure stattgegeben wurde: Österreichische Musiker erhalten einen Vertrag zur internationalen Verwertung der Tonaufnahmen, einen internationalen Management- und Tourmanagementvertrag, einen internationalen Bookingvertrag. Kooperationspartner sollen eine optimale weltweite Verwertung ermöglichen. Langsam aber sicher scheint ein Weg gefunden – um dort zu landen, wo viele skandinavische Länder bereits stehen, muss man ihn auch konsequent weitergehen. ¶

Neue Töne der Musikwirtschaft Die Musik ist im Umbruch. Die digitale Revolution hat keine Kunstform so erschüttert wie die Musik. CDs verstauben in den Regalen, im Gegenzug sind unsere Mobiltelefone voll mit Tracks. Werbung, Mode und Serien kaufen Musik an, im sozialen Web wird sie vervielfältigt, Festivals multiplizieren sich und ganze Städte entdecken Musik als Standortfaktor. Kurz: Die gesamte Wertschöpfungskette von Musik ist drunter und drüber. Das eröffnet viele Chancen für jene, die früh dran sind, für First-Mover, für einfallsreiche Köpfe. Departure, die Kreativagentur der Stadt Wien, fördert die Wiener Kreativwirtschaft. Im Juni 2011 startet der Themen-Call »Focus Musik« unter dem Titel »Neue Töne der Musikwirtschaft«. Für innovative Projekte in der Musikwirtschaft steht eine Gesamtfördersumme von rund 800.000 Euro zur Verfügung. In Zusammenarbeit mit Departure und dem Musikwirtschaftsexperten Peter Tschmuck wird The Gap bis dahin neue Perspektiven der Musikwirtschaft beleuchten, erfolgreiche Projekte vorstellen, Entwicklungen aufzeigen. Außerdem wird es Diskussionen mit internationalen Experten im Wiener Mica geben. Das Ziel: möglichst gute und weitsichtige Einreichungen. Musik aus Österreich boomt, die Strukturen dafür sollen es auch. www.thegap.at/neuetoene www.departure.at

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► The at e r in K a sac h stan ► Volker Schmidt über kreative Arbeitsumstände

im land der ewig grünen tomaten Kasachstan ist eines der wirtschaftlich stärksten Länder Zentralasiens. Doch Korruption und ein autoritäres Regime schränken die Chancen für Künstler und Kreative ein. Der österreichische Theaterautor Volker Schmidt hat das Land bereist und ein paar Widerspenstige getroffen, die sich nicht entmutigen lassen.

Daniel Wagner ist in Kasachstan geboren. Seine Großeltern waren Wolgadeutsche, die von Stalin nach Kasachstan zwangsumgesiedelt wurden. Vor 20 Jahren ist seine Familie wie die meisten Deutschen nach Deutschland ausgewandert. Daniel ist jetzt Schauspieler. Ich begleite ihn auf seiner ersten Reise zurück in seine kasachische Kindheit, in seine Heimatstadt Karaganda, eine Bergarbeiterstadt mitten in der unendlichen Steppe. Kasachstan ist vor allem ein Land der Gegensätze. Das bemerken wir schon nach den ersten drei Stunden, die wir uns im Land befinden. Karagandas Flughafen ist modern und weiß und glänzt. Er ist mit der Stadt durch eine nagelneue Straße verbunden. Die Stadt selbst nimmt uns den Atem. Weitläufige Straßen, an denen sich Plattenbauten aneinanderreihen. Überall gibt es verrostete oberirdische Rohrleitungen, die sich an jeder Kreuzung über die Straße wölben. Als wir ins Viertel unserer Gastgeber kommen,

TEXT und bild

ch kann sie jetzt, die wegwerfende Handbewegung. Man hebt den Arm – wahlweise rechts oder links – soweit, bis sich die Handfläche auf Augenhöhe befindet. Der Ellbogen ist dabei abgewinkelt. Dann verzögert man die Bewegung in dieser Position für einige Sekunden, ja nach Größe des Problems, dessen man sich entledigen will, und lässt die Hand schnell nach unten fallen. Diese Handbewegung bedeutet: »Was soll man machen?«, »Mir egal«, »Eh sinnlos« und Ähnliches. Man sieht sie in Kasachstan sehr oft, diese Handbewegung, und irgendwann fängt man selbst an, sie zu machen; als Antwort auf eine Frage, als Reaktion auf einen eigenen Gedanken, den man nicht zu Ende denken will, als schweigenden Kommentar zur allgemeinen Situation. So reist man ganz gut durch Kasachstan.

volker schmidt

Karaganda, eine Bergarbeiterstadt mitten in der unendlichen Steppe.


können wir erstmal nicht glauben, dass wir hier jetzt wohnen werden. Plattenbauten, die eher an Slums denken lassen, Menschen, die in Mülltonnen nach Brauchbarem suchen. Die Straßen staubige, unasphaltierte Wege und überall Dreck. Doch nach ein paar Tagen hat sich unser Auge daran gewöhnt. Vor allem ist die Wohnung genau das Gegenteil ihrer Umgebung. Einfach, aber sauber und gepflegt. Hier in der Platte wohnen keine Wohlstandsverlierer, sondern die normale Mittelschicht.

Die Hand des Präsidenten

sich ein Denkmal setzen. Dann wollte er den Norden wirtschaftlich stärken und damit Sezessionsbestrebungen der früher noch mehrheitlich von Russen bewohnten Region verhindern. »Unsere geliebte Hauptstadt unseres geliebten Präsidenten«, sagt die Frau am Mikrofon immer wieder freudig wie eine Parteisoldatin, während wir im Bus vom Präsidentenmuseum zum Präsidentendenkmal gekarrt werden. Es gibt Ausflugfahrten aus allen Landesteilen nach Astana, bei denen sich die Menschen staunend und fotografierend an die Busfenster drücken. Am Ende wird man zu einem riesigen Turm in Form eines mythologischen Lebensbaums gebracht. Er heißt Bajterek-Turm. In seinem Inneren ist ein Abdruck der Hand des Präsidenten. Wenn man seine Hand hineinlegt, kann man sich was wünschen. Die Leute drängen sich in den Turm, um ihre Wünsche loszuwerden. Ergriffen und ernst schauen sie, wenn ihre Hand die Hand des Präsidenten berührt. Dieselbe Hand ist auf allen Geldscheinen der kasachischen Währung Tenge gedruckt. Auf jedem Schein hat Nasarbajew seine Hand. Er ist wohl nicht umsonst der reichste Mann Kasachstans. Wegwerfende Handbewegung.

Die Menschen, die wir in Karaganda treffen, sind froh über die Situation des Landes. Immerhin weist es unter den zentralasiatischen Ländern das bei Weitem höchste Wirtschaftswachstum auf. Auch wenn der Wohlstand ungleich verteilt ist. Doch viele sagen, Präsident Nursultan Nasarbajew sorge für Stabilität. Er sei sehr bedacht auf das Gleichgewicht zwischen den einzelnen Volksgruppen im Vielvölkerstaat Kasachstan. Schnell spricht man von den Massakern an der usbekischen Minderheit im Nachbarland Kirgisien. Das würde es hier nicht so schnell geben. Aber die Opposition, wird die hier nicht auch unterdrückt, frage ich. Die Menschen sehen mich an, als wäre ich bescheuert. Die Zwischen Kampfgeist Opposition kann man nicht wählen, sagen sie und machen eine und Resignation wegwerfende Handbewegung. In Astana, der neuen Hauptstadt In Almaty, der früheren Hauptstadt, treffen wir viele Leudes Landes, sieht Kasachstan ganz anders aus. Die Stadt glänzt – te, die dem Präsidenten weniger Begeisterung entgegenbringen. im Vergleich zum restlichen Land glänzt sie unanständig. Ständig Vielleicht wollte Nasarbajew auch deshalb eine neue Hauptstadt wachsen neue Hochhäuser aus dem Boden, Stararchitekten wie gründen. Einer von Ihnen ist der Kasache Bulat Atabaev. Der fülNorman Foster bauen futuristische Gebäude, die Rasenflächen lige Regisseur hat früher das Deutsche Theater in Almaty gesind kurz gestutzt und gut bewässert, während man in anderen leitet. Durch kritische Ansichten und seine provokanten Stücke Teilen des Landes einige Straßen aufgrund der Schlaglöcher und ist er in Ungnade gefallen und nun versucht er, mit einer eigeBodenwellen fast gar nicht mehr befahren kann. Und doch sehen nen Gruppe sein politisches Theater weiterzuführen. Wir treffen die Menschen aus der Provinz, die die Stadt besuchen, glück- Bulat in einem amerikanischen Restaurant in Almaty. Er blickt lich und begeistert auf all die neuen, in der untergehenden Sonne nach jedem Satz, den er spricht, an einen unbestimmten Punkt funkelnden Gebäude und fragen sich nicht, warum hier in der im Raum. Er ist unruhig und voll Wut, die zwischen Kampfgeist Hauptstadt das ganze Geld landet und bei ihnen fast keines an- und Resignation schwankt. Almaty ist eine prächtige Stadt an den Hängen des Tien Chankommt. Astana wurde in den letzten Jahren im Affentempo mitten in der endlosen Steppe hochgezogen. Es sind mehrere Grün- Gebirges, eine fast europäische Metropole, die in Europa niemand de im Umlauf, warum Präsident Nasarbajew die Hauptstadt von kennt. Alle Straßen sind gesäumt von alten Alleebäumen. An den Almaty nach Astana verlegt hat. Vor allem, sagt man, wollte er Hängen über der Stadt, dort, wo früher der berühmte Aport-Apfel

Tjulkubas im Süden des Landes an der usbekischen Grenze.

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Mischa, ein russischer Reiseführer, betreibt kleinteiligen Tourismus. Er führt uns in die Berge durch eine völlig unberührte Landschaft.

wuchs, der der Stadt ihren Namen gegeben hat, bauen sich heute die Reichen penetrant-kitschige Villen. Durch die Stadt fahren teure Autos, wie man sie bei uns nur selten sieht. Hier zeigt man, was man hat. Das Öl hat einige sehr reich gemacht und vielen Wohlstand gebracht. Bei den meisten ist er aber noch nicht angekommen. Nasarbajew versucht seine Bevölkerung darauf einzuschwören, dass das Land 2030 zu den zehn reichsten Ländern der Welt zählen soll. Überall an den Straßen und in den Städten sind Schilder mit der einfachen Losung »Kasachstan 2030« zu sehen und die Leute scheinen daran zu glauben. »Kasachstan ist das Land der ewig grünen Tomaten«, sagt Bulat und blickt wieder durchs Restaurant in eine unbestimmte Ferne. Die Leute würden hier für blöd verkauft und ließen es sich auch noch gefallen. In Korruptistan, so nennt Bulat seine Heimat, würde die Präsidentenfamilie das Land aussaugen. In Deutschland wäre es unmöglich, dass der Präsident der reichste Mann des Landes sei. Bulat liebt Deutschland. Er war als Kind oft bei seinen deutschen Nachbarn, hat deutsche Lieder gelernt, die er uns vorsingt. Nach dem Ende der Sowjetunion sind die meisten Deutschen – während und nach dem Zweiten Weltkrieg von Stalin nach Kasachstan zwangsumgesiedelt – nach Deutschland ausgewandert. Auch die deutschen Schauspieler am deutschen Theater sind immer weniger geworden, am Ende konnte nur noch er selbst, der Regisseur, deutsch. Auch das Publikum versteht kein Deutsch mehr. Jetzt spielen russische oder kasachische Schauspieler auf Deutsch, ohne selbst deutsch zu sprechen, während für das Publikum über Headsets synchron auf Russisch übersetzt wird. Warum, kann keiner sagen. Wegwerfende Handbewegung. Wir gehen auf die Straße vor das Restaurant, um eine Zigarette zu rauchen. Ob er überwacht werde, frage ich ihn. »Das Telefon überwachen sie, aber ich bin ein zu kleiner Fisch, sie lassen mich machen.« Wenn er zu kritische Interviews gibt, dann werden ihm Fördermittel gestrichen. Oder er erhält plötzlich Fördermittel. Das ist jeweils unterschiedlich. Warum, weiß er auch nicht. Und er erzählt die Geschichte vom angeblichen Selbstmord des Oppositionsführers Zamanbek Nurkadilov, der unmittelbar vor

den Präsidentenwahlen 2005 tot aufgefunden wurde. »Zuerst hat er sich in den Bauch geschossen, dann in die Brust und zur Sicherheit noch in den Kopf. Dann hat er ein Tuch genommen und sich zugedeckt.« Wegwerfende Handbewegung.

Mit dem Theater ins Dorf

Auch andere Theatermacher haben es schwer in Kasachstan. Das Art & Schock-Theater, auf Russisch Art-i-Schock-Theater, ist die einzige international angesehene Theatergruppe aus Kasachstan. Sie macht russischsprachiges Theater, ist in Almaty beheimatet und erhält keinen Tenge Subvention. Ihr Theater ist ein kleiner Kellerraum, in den gerade hundert Zuseher passen. Durch die Bühne führen Wasserrohre, die ständig im Weg sind und die man entweder abhängen oder als Teil des Bühnenbildes integrieren muss. Art & Schock wird laufend zu großen internationalen Festivals eingeladen, unter anderem gastierten sie 2007 in Österreich beim Steirischen Herbst. Als sie einmal nach Moskau eingeladen wurden, erzählt Veronika Nassalskaya, die kaufmännische Leiterin von Art & Schock, bat das russische Ministerium die kasachische Kulturabteilung, die Fahrtkosten bis zur Grenze zu übernehmen. Das Amt wies dies verständnislos zurück und bot stattdessen an, eine Aufführung der kasachischen staatlichen Bühnen zu schicken. Schließlich musste Moskau die gesamten Kosten für die Reise übernehmen. Das Problem scheint vor allem zu sein, dass Leute hier Dinge planen, von denen sie keine Ahnung haben. Es wird zuerst gebaut und nachher überlegt, was man damit anfängt. Wir fahren mit Bulats Theatergruppe an den Kapschagaj-Stausee, ca. 100 km von Almaty entfernt. Er ist neben den Bergen das Naherholungsgebiet der Almatiner (100 km ist nah für kasachische Verhältnisse). Die Kleinstadt Kapschagaj ist vollgestopft mit Casinos. Es ist der einzige Ort in Kasachstan, wo Glücksspiel erlaubt ist. In einem abgelegenen Dorf mit ein paar hundert Einwohnern wird gerade ein Theater gebaut. Es wird gebaut, weil der Agrarminister der Regierung aus diesem Dorf kommt und seinem Dorf etwas Gutes tun will. Nun hat man bemerkt, dass man für ein


Tjulkubas: Die meisten haben das Land Richtung Russland verlassen, da es für sie hier kaum eine Zukunft gibt.

Theater auch Schauspieler braucht und hat Bulats Truppe angefragt. Das Gebäude wurde aber ohne Hinzuziehung eines Experten errichtet. Der Bühnenraum hat gute Proportionen, aber es gibt nur zwei Duschen und die weiteren Räume sind ohne Plan und Sinn angelegt. Sie würden ohnehin später einen Architekten fragen, meinen die Verantwortlichen. Wann später? Wenn das Haus fertig gebaut ist. Auf dem Weg zurück nach Almaty fahren wir durch eine abenteuerliche Autobahn-Ausfahrtskonstruktion. Man fährt in einer Umkehrschleife auf die Gegenrichtung der Autobahn, damit man ca. 500 Meter später rechts abfahren kann. »Einmal hatten Sie ein Autobahnkreuz gebaut und dann merkten sie, dass die Autos nicht dort hinkamen, wo sie ankommen hätten sollen«, erzählt Dina und lacht. »Dabei hätten Sie nur einmal auf dem Plan mit dem Finger die Fahrbahn entlang fahren müssen um festzustellen, dass das so nicht funktionieren wird.« Lachen. Wegwerfende Handbewegung.

Reichtum Natur

Kasachstan zu bereisen ist eine einzige Faszination. Die Weite und Größe des Landes hebt alle europäischen Relationen auf. Die Natur zeigt die gleiche Gegensätzlichkeit wie die Gesellschaft. Unendliche Steppen, die man tagelang in alten Zügen durchquert. Hohe Berge, die von der alten Hauptstadt schnell zu erreichen sind. Nach einer Stunde Autofahrt und zwei Stunden Wanderung befindet man sich auf über 3.000 Meter Seehöhe und hat den Gletscher vor sich. Dorthin nimmt mich Dagmar Schreiber mit. Sie ist die Autorin des einzigen deutschsprachigen Reiseführers über Kasachstan und arbeitet in einem Tourismusbüro in Almaty. Im Angesicht des Tujuksu-Gletschers, kurzatmig aufgrund der dünnen Luft, machen wir am Bergkamm Rast und genießen die imposante Aussicht. Das Problem des Tourismus in Kasachstan wäre ähnlich wie in anderen Bereichen. Korruption und eine falsche Verteilung der Fördermittel, sagt Dagmar. Sie glaubt, dass sich Kasachstan als ideales Öko-Reiseziel mit einem nachhaltigen und kleinteiligen Tourismus profilieren könnte, von dem die Bevölkerung profitiert und der den Reisenden die abwechslungsreiche Schönheit des Landes näher bringt. Doch diese Form des Tourismus werde nur mangelhaft unterstützt. Stattdessen setzt man auf einzelne Großprojekte, bei denen nur Wenige verdienen. Die Vielfalt der Natur ist ein Hauptgrund für eine Reise nach

Kasachstan, ist aber vielerorts gefährdet. Durch die Privatisierung des Landes und die Jagdlust der Reichen, die mit Jeeps und Helikoptern auch mal in die Nationalparks eindringen, sind viele der einzigartigen Tierarten wie Saiga-Antilopen, Marco-PoloSchafe und Braunbären vom Aussterben bedroht. Das Wappen-

»Wenn er zu kritische Interviews gibt, dann werden ihm Fördermittel gestrichen. Oder er erhält plötzlich Fördermittel. Das ist jeweils unterschiedlich. Warum, weiß er auch nicht.« tier des Landes, den Schneeleoparden, kriegt man sowieso nicht mehr zu Gesicht. Wie so ein kleinteiliger Tourismus aussehen könnte, erleben wir am Ende unserer Reise im Süden des Landes nahe der usbekischen Grenze. Wir wohnen dort in dem kleinen Dorf Tjulkubas bei Mischa, einem russischen Reiseführer und seiner sechsköpfigen Familie. Er ist einer der letzen Russen im Süden von Kasachstan. Die meisten haben das Land Richtung Heimat verlassen, da es für sie hier kaum eine Zukunft gibt. Mischa nutzt die Chancen des Tourismus. Er führt uns in die Berge durch eine völlig unberührte Landschaft. Auf kleinen Pfaden durchwandern wir hügelige Landschaften und enge Felsschluchten. Mit Liebe und einem verschmitzten Lächeln zeigt er uns unbekannte Tiere und Pflanzen. Abends angeln wir im Fluss Fische und grillen sie am Lagerfeuer. Alles ist hier rau und schön, unberührt und einfach. Und alles ist möglich. Am letzten Tag gehen wir reiten.»Ich bin noch nie geritten«, werfe ich nicht zum ersten Mal ängstlich ein, als ich vor dem Pferd stehe und keine Ahnung habe, wie ich da überhaupt raufkommen soll. Eine wegwerfende Handbewegung später sitze ich im Sattel. Wir durchqueren wieder einsame Täler, erklimmen Bergflanken und reiten steile Wiesen bergab. Dann binden wir unsere Pferde an einen Baum und baden im Fluss. Wir liegen im Schatten, reden über Politik, über Russen, Kasachen, die Zukunft, schweigen schließlich und lauschen der Natur. Jeder hängt seinen Gedanken nach. Dann plötzlich eine wegwerfende Handbewegung. Einfach so. Es hilft. ¶ AU S GA B E 1 1 4 / 0 4 3 ◄


► WORT WECH SEL ► O pen Source – Erfasst das Prinzip die Wirtschaftswelt?

taugt open source zur umfassenden wirtschaftsform? Anfangs bekämpft, ist er in der IT-Welt längst bewährt. Stellt sich die Frage: Lässt sich der Open Source-Gedanke auch in andere Bereiche der kreativen Wertschöpfung übertragen?

»Ein unendlich groSSer Thinktank«

»Die Crowd denkt und testet«

Sabine Hoffmann

Die vielschichtige Initiative der Open Source IT-Welt lässt sich aus verschiedenen Blickwinkeln auf andere Bereiche kreativer Wertschöpfung übertragen. Ein Blinkwinkel könnte sein, dass viele Menschen – heute würde man von einer »Crowd« oder einer »Community« sprechen – an der freien Weiterentwicklung von Produkten aus eigenem Interesse arbeiten. Insbesondere bei innovativer Produktentwicklung kann eine Crowd sehr hilfreich sein: sie gibt Input zu Wunschprodukten, macht Marketing für neue Sportevents oder testet erste Prototypen. Es gibt beispielsweise viele interessante Projekte wie Internetcommunities in die Entwicklung des Kitesurfens oder Mountainbikings integriert wurden und werden. ¶

Social Media haben die Welt verändert: jede(r) ist Medium und gestaltet mit. Für immer dokumentiert, jederzeit auffindbar und sehr einfach teilbar. Das bedeutet Open Sourcing Potenzial für den Innovationsprozess in Unternehmen, für Politik, für Aus- und Weiterbildung… Neue Ideen, die früher geheim gehalten wurden, werden heute schon in der Betaphase in die Welt getragen, um Feedback, aber auch Commitment einzuholen. Um beim Innovationsprozess in Unternehmen zu bleiben: wer kennt denn die Knackpunkte von Produkten besser, als die AnwenderInnen selbst? Zum Glück gibt es da die Alphatierchen, die die Welt weiterentwickeln wollen, aber auch die Gamma Tierchen, die gerne zusammenfassen und teilen, was sie so beobachten. Für Unternehmen bedeutet Open Source in Form von Idea Crowd Sourcing die Öffnung eines unendlich großen Thinktanks als eine weitere Facette im Social Branding. ¶

Niels Mitschke, 42, Projektmanager für Investments im Bereich IT bei CAST, dem Gründingszentrum für Unis, FHs und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen Tirols. www.cast-tyrol.com

Sabine Hoffmann, 36, Gründerin, Eigentümerin und Geschäftsführerin der ambuzzador Marketing GmbH, Österreichs führende Buzz Marketing Agentur mit Fokus auf Social Branding

Niels Mitschke

DOKUMENTATION Lisa Dreier & Thomas Weber

eit dem Aufkommen des Open Source-Gedankens in der Softwareentwicklung entstand so etwas wie eine auf die gesamte Gesellschaft übergreifende Bewegung. Open Source meint generell öffentlich zugängliche Lizenzen zur Weiterverarbeitung von Produkten und hält als Geschäftsmodell der Zukunft längst Einzug in Teile der kapitalistisch organisierten Wirtschaftswelt. Ausgehend von der IT-Branche verbreitete sich der Gedanke und wurde gleichsam zum Synonym für innovative Arbeits- und Produktionsformen. Es vereinfacht den öffentlichen Zugang zu Wissen und Kultur – und verwischt die Grenzen zwischen Kunde, Produkt und Produktion. Etwa in der Linux-Community: Dort arbeiten auf Projektbasis Programmierer an Weiterentwicklungen des Betriebssystems und vertreiben diese auf kommerzieller und nichtkommerzieller Basis. Dieser Code wird immer weiter und weiter entwickelt und vermarktet. Im Moment behindern oftmals Patente und Lizenzen den öffentlichen Austausch von Ideen und Erfindungen. Um etwas auf legalem Weg weiterzuentwickeln, braucht es demnach auch über das entsprechende Kleingeld. Fällt diese Schranke, ist ein größeres Potential gegeben, um innerhalb einer »Community« die Produktweiterentwicklung, also: -verbesserung voranzutreiben – zum Vorteil der Allgemeinheit. Darin könnte – zum Beispiel – in der Pharmabranche großes Potential liegen (siehe Beitrag von Hannes Offenbacher). Auf lange Sicht gesehen sollte sich mit Open Source-Modellen durchaus auch über die IT-Branche hinaus wirtschaften lassen. Denn Open Source kann gewährleisten, dass auch diejenigen honoriert werden, die ein Produkt herstellen, und der finanzielle Profit nicht ausschließlich den Unternehmen oder Anteilseignern selbst zukommt. Der Zusammenschluss einer großen »Community«, die gemeinsam an Innovationen auf den verschiedensten Gebieten arbeitet, mag utopisch klingen, aber es wäre über kurz oder lang für alle Beteiligten und darüber hinaus eine Bereicherung – sowohl im Kreativbereich als auch in der Forschung. Wie die Umlegung des Open SourceModells auf weiter reichende Teile der Wirtschaftswelt ausschauen könnte, bleibt zwar vorerst ungewiss. Doch der Gedanke ist bereits in den Köpfen vieler Geschäftsleute verankert, die Möglichkeiten werden gerade erst gedacht und vielerorts herrscht das Prinzip VersuchIrrtum. ¶


»Ein gewinnbringendes Prinzip«

»Kooperation belebt Wettbewerb«

Hannes Offenbacher

Eine Weltwirtschaft, aufbauend auf dem Open Source-Prinzip ist ein faszinierender Gedanke und weckt in mir reflexartig ein »gefällt mir«. Doch so schön eine kooperative, vielleicht sogar solidarische Wirtschaft sein könnte, für wahrscheinlicher erscheint mir die Entwicklungschance hin zu einer komplementären Form, in der das dominierende und auf Konkurrenz aufbauende System, dort wo es sinnvoll und möglich ist, durch kooperative Formen bereichert wird. Ein Feld, das sich in meinen Augen aufdrängt (da es dringend ist), ist der Bereich der pharmazeutischen Forschung. Hier wäre es höchste Zeit, dass internationale Organisationen und Staaten gemeinsam große Open Source-Projekte ausrufen und finanzieren, um Wirkstoffe und Heilmittel zu entwickeln. Damit könnte man nicht nur effektiver sein als es einzelne Konzerne je sein können. Es wäre auch möglich, jene Krankheiten anzupacken, deren Heilung dem shareholdergetriebenen System ökonomisch nicht rentabel genug erscheint. Der kürzlich verstorbene Vordenker der Energieautonomie, Hermann Scheer, hatte schon vor Jahren prognostiziert, dass alternative Energien erst dann von der Wirtschaft aufgegriffen werden, wenn es für Unternehmen und Staaten ökonomisch attraktiv wird, diese zu nutzen. Hier ist das dominierende, konkurrenzorientierte System in der Anfangsphase zwar äußerst träge, hat sich aber ein erster Markt entwickelt, ist es wiederum entfesselnd und enorm wirksam, um notwendige Innovationen durchzusetzen. Ich persönlich wünsche mir für die nächste Zeit eine hybride Form, um die Vorteile beider Systeme – das Potential der Kooperation wie auch die individuelle, schöpferische Kraft - für eine nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft und Wirtschaft nutzen zu können. ¶ Hannes Offenbacher, 28, Studienabbrecher der Kommunikationswissenschaft und Visionär, ist von Wien aus höchst umtriebig – u.a. als geschäftsführender Gesellschafter der Mehrblick OG. Parallel zum Europäischen Forum Alpbach betreibt er eine »IdeenAlm«. Offenbacher bloggt unter www.bessergehtsimmer.at

Jutta Scheibelberger

Auf den ersten Blick war und ist der Open Source-Gedanke etwas Anachronistisches in einem auf Gewinn und Eigentum, beziehungsweise Eigentumsrechten basierenden Wirtschaftssystem. Das Investieren von Geld und Zeit in etwas, mit dem vordergründig kein geldwerter Vorteil zu erzielen ist, war als Engagement, Hobby, gesellschaftliche Partizipation, Altruismus zu definieren – nicht als unternehmerisches Geschäftsmodell. Open Source fand zu einem Zeitpunkt aus dieser »FreakEcke« heraus, als erkannt wurde, dass sich mit OS-Angeboten Geld verdienen lässt – durch die Verknüpfung mit Dienstleistungen, Wartung, individuellem Customizing, etc. In dieser Entwicklung liegt das Spannende von OS: Ein Underdog hat einen Weg gefunden, im Wirtschaftsystem nicht nur zu überleben, sondern darüber hinaus ein unübersehbares Erkennungszeichen im selbigen zu werden. Trotzdem wurde nicht die grundsätzliche Philosophie verloren, oder zumindest nicht zur Gänze. In diesem Sinn ist OS daher nicht nur eine unternehmerische Innovation, sondern vor allem auch eine gesellschaftliche. Auch OS-Produktionen im Medienbereich können nicht mehr übersehen werden. Die Einbindung der Communities in Entwicklungsprozesse ist zielführend. Die beachtliche Anzahl vorhandener OSGames beispielsweise beweist es. Auch OS-Animationsfilme werden ausschließlich über das Internet koordiniert und produziert. Es ist anzunehmen, dass große Unternehmen auf die Herausforderungen des Internets weiterhin mit traditionellrestriktiven Schutzmaßnahmen reagieren und Kontrollverlust über Inhalte und Copyrightverstöße ahnden. Es bleibt die Hoffnung, dass der Community-Gedanke stark genug ist, neben dem Spielraum für proprietäre Leistungen zu existieren. Nichtmonetäre Incentives für Produzentinnen und Produzenten bestehen, um nicht nur für Märkte, sondern für die Gesellschaft, oder um ihrer selbst willen zu produzieren. Es gibt keinen Grund, anderen Sektoren als dem IT-Bereich ein solches Potenzial generell abzusprechen. ¶ Jutta Scheibelberger leitet seit 2009 den Content Award Vienna, ein Projekt der ZIT – Die Technologieagentur der Stadt Wien GmbH. Zuvor war sie u.a. als freie Dramaturgin bzw. als freie Beraterin für das Zurich Film Festival tätig. Sie studierte Kommunikationswissenschaften in Wien und Salzburg und schrieb ihre Dissertation über die Funktionen von »Mexiko« im USamerikanischen Spielfilm AU S GA B E 1 1 4 / 0 4 5 ◄

www.permanent-unit.com


► lyr i k ► Ernst Molden

liederliches wien Er liebt diese Stadt. Er achtet ihre Menschen. Er ringt ihr und ihnen Geschichten aus dem richtigen Leben ab – und verpackt sie in poetische Songs. Demnächst erscheinen die Lyrics des Songwriters Ernst Molden gesammelt als Buch. Einfach zum Nachlesen.

TEUFEL

RITA

mein herz ist voller krötengift dein schlüsselbein ist weiß ich fliege gierig immerzu um deinen leib im kreis der schweiß auf deinem dünnen haar riecht salzig wie das meer da hab ich mich zu dir getraut und jetzt wird alles schwer so schwer

rita ist ein schönes mädel rita triffst du im april wenn es regnet in den nächten und dich rita richtig will kellertief brennt ritas feuer himmelhoch scheint ritas preis und am morgen wirst du wissen was dein mädel jetzt schon weiß

ich bin dein mann ich schau dich an ich nehm das messer und denke mir dann was wär ich dumm bring ich dich um renn ich doch wieder so einsam herum ich schütte wein auf deinen bauch ich stehle dir dein wort und nenn dich hure und spinnenbraut und so weiter und so fort dann fresse ich dein augenlicht und spuck es in die nacht doch du sagst nur ich liebe dich und bleib bei mir heut nacht heut nacht ich bin dein mann ich schau dich an ich nehm das messer und denke mir dann was wär ich dumm bring ich dich um renn ich doch wieder so einsam herum ich bin dein mann ich schau dich an ich nehm das messer und denke mir dann was wär ich dumm bring ich dich um renn ich doch wieder so einsam herum

jeder macht jetzt was er will manche haben liebesschmerzen andre tragen totenkerzen dieser frühling steht nicht still in der zeitung steht es ist april rita kauft dir neue hosen die sie nicht bezahlen kann später trinkt sie einen liter schreit dich laut und grundlos an ritas arsch hängt hoch am himmel heute ist ein schwarzer tag morgen könnt noch schlimmer werden wenn sie dich nicht sehen mag

ALT WIEN am fenster der mann hat ein stahlseil um den schädel das ihm sein hirn zusammen hält gleich nebenan atmet lautlos sein mädel das langsam von seinem sessel fällt und im kopf dieses kranken manns der jetzt aufsteht da tobt es und brüllt es und wildert es sehr die andren sind wachsam sie rauchen zu ende und endlich fallen sie über ihn her wo du bist mein leben ist nachmittag zwei vögel im nest und es raschelt am fluß dort blutet kein mensch und ich selber komm auch hin wenn ich mein café verlassen muß und dort kommt madame und madame ist die schönste gerade erst hundert jahre vorbei ihr tod war schon da und er ließ sich verführen und gab ihr den sommer über noch frei jetzt geht sie am linken bein trinkt mit der linken hand und alles andere schläft seinen schlaf jetzt wartet sie oft gegrüßt niemals erkannt und nur das linke auge sieht scharf

jeder macht jetzt was er will manche haben liebesschmerzen andre tragen totenkerzen dieser frühling steht nicht still nix besonderes sagst du im april

wo du bist mein leben ist nachmittag zwei vögel im nest und es raschelt am fluß dort blutet kein mensch und ich selber komm auch hin wenn ich mein café verlassen muß

jeder macht jetzt was er will manche haben liebesschmerzen andre tragen totenkerzen dieser frühling steht nicht still nix besonderes sagst du im april

wo du bist mein leben ist nachmittag zwei vögel im nest und es raschelt am fluß dort blutet kein mensch und ich selber komm auch hin wenn ich mein café verlassen muß


AD Personam

HAUS DES MEERES angie kommt vom strand und geht zur arbeit zu den reichen angie hat ein sparbuch und zwei ringe aus platin meistens ist sie kindermädchen manchmal kocht sie manchmal putzt sie oder muß den hunden alte zähne ziehn in der stadt wohin du dauernd willst geht nachts ein mann um der fast keinen hals hat doch ein feuermal am hirn frag ihn ob er wechseln kann dann schlägt er seine brust auf und du siehst die schönen bilder die den kopf verwirrn erste trauer midnight hour und du siehst die bilder die den kopf verwirrn bäume rascheln viecher fauchen tät ichs noch ich würde rauchen gehn wir etwas essen etwas schweres gar nicht weit ums eck beim haus des meeres kennst du diese gassen die vor mauern plötzlich enden und an weit entfernten plätzen wieder weitergehn das was da dazwischen liegt das nennen lügner gerne himmel ich war dort und schwöre dir ich wollte schleunigst wieder gehn in den discos hören wir nur sachen die wir kennen niemand will noch essen und die zeitung schreibt von flut sechzig grad im sand und unsere seele droht zu platzen fremde kinder schreien und du riechst so gut

regenschauer whisky sour fremde kinder schreien und du riechst so gut bäume rascheln viecher fauchen tät ichs noch ich würde rauchen gehn wir etwas essen etwas schweres gar nicht weit ums eck beim haus des meeres

Gesammelte Songtexte aus 15 Jahren in einem Buch rauszubringen ist üblicherweise eine zweischneidige Angelegenheit und ein Wagnis für alle Beteiligten. Der Wiener Musiker und Schriftsteller Ernst Molden hat es mit seinem »Liederbuch« (Deuticke) trotzdem getan. Ja, hat es tun müssen. Der 43-Jährige verweist mit seinem Songwriting auf eine Welt, insbesondere ein Wien, die im Gestern ihr Morgen sucht und in dunklen, engen Psychogassen befreiende Weiten findet. Kitschfrei, mit Zug zum poetischen Bild. Folglich hat man es beim Molden’schen Liedgut mit Lyrik und also Literatur zu tun. Leicht zu lesen und vordergründig verständlich, aber schwierig im Abgang. Denn wenn die eingestreuten Doppelbödigkeiten zu zwicken beginnen, braucht der Leser den Mut, beim kratzen darüber nach zu denken. Liebe, Hure, Tod und Teufel. Hier ist ein von Lokalkolorit gefärbter Chronist am Werk, der – und das dokumentiert der Textband deutlich – letztlich im Dialekt (s)eine perfekte Spielwiese gefunden hat und ein Wien skizziert, »wo ein H. C. vor dem Nachnamen ganz selbstverständlich für Hans Carl steht« (© Robert Rotifer). TEXT manfred gram

angie ist jetzt wieder treu bei ihrer alten arbeit steht am grund vom tiefen graben lächelt über ihre pläne töchterchen ist aus dem haus die hunde tot der garten kahl angie ist noch schön der mond betrachtet sich in ihrer träne in ihrer träne bäume rascheln viecher fauchen tät ichs noch ich würde rauchen gehn wir etwas essen etwas schweres gar nicht weit ums eck beim haus des meeres bäume rascheln viecher fauchen tät ichs noch ich würde rauchen gehn wir etwas essen etwas schweres gar nicht weit ums eck beim haus des meeres AU S GA B E 1 1 4 / 0 4 7 ◄


► wor kstat i on ► Menschen am Arbeitsplatz

FOTO Pamela Russmann doku richard schwarz

Michael Hajek, 49, Art Director

Im Zuge der Neuen Medien kam dem Fernsehen die soziale Anerkennung ein wenig abhanden, so Michael Hajek; als Art Director des ORF will er dem natürlich entgegentreten. Das »Art« in der Berufsbezeichnung steht für die Entwicklung von Konzepten und Vorstellungen, wie die Wünsche der Auftraggeber erfüllt werden. Als »Director« sucht er die richtigen Leute für die Umsetzung und sorgt im Verlauf der Arbeiten für das Informationsgleichgewicht zwischen den Beteiligten. Auf diese Weise führte er das Refreshment von ORF1 – jetzt eben ORF eins – zum Abschluss, der seit 8. Jänner in neuer Verpackung sendet. In vier Monaten wurde die Aufgabe bewältigt, den Sender jünger und urbaner zu gestalten – eine intensive Zeit, in der man sich einfach einmal … unter die warme Dusche stellt. »Doch eigentlich«, so fügt er nach einer kurzen Pause hinzu, »ist mein Beruf seit 15 Jahren intensiv.« Bevor er vergangenen Oktober den Job beim ORF antrat, war er lange Jahre in Deutschland – mit eigener Agentur und Anstellung bei RTL. Davor hatte er bereits Erfahrungen als freier Mitarbeiter beim ORF gesammelt – genau in dem Raum seines heutigen Büros hatte er vor 25 Jahren sein Vorstellungsgespräch. Seitdem denkt er über die Oberfläche des Lean-back-Mediums nach, was dazu führt, dass Fernsehen für ihn keine Entspannung sondern Arbeit bedeutet. Ständig liegen Zettel und Stift bereit, um Verbesserungen zu notieren – deshalb: wenn Fernsehen, dann eine Staffel »Dr. House« auf DVD.



Doris & Werner Schartmüller, 52 & 57, Plattenhändler

1968 kaufte Werner Schartmüller seine ersten Singles und LPs: »Vom Stil so in Richtung Protopunk, eher kein Hippie-Rock.« Über die Jahre stapelten sich die Platten und mit Anfang der 80er Jahre tauchte der Gedanke an den eigenen Plattenladen auf. Sprach er darüber mit seinen damaligen Plattenhändlern, rieten diese ihm ab, doch Doris Schartmüller war überzeugt. 1987 eröffneten sie ihr Geschäft »Rave Up« und boten dem Publikum der frühen Stunde ausgewählte Importplatten und anfangs auch Stücke aus den eigenen Beständen; das gemeinsame Hobby war somit auch eine Art Investment. Freunde und Leute der musikaffinen Szene bildeten ein Netzwerk, das die Hofmühlgasse 1 bald zur wichtigen Adresse für Plattensuchende werden ließ. Noch heute kommen viele Stammkunden dieser Zeit vorbei, um über aktuelle akustische Meisterwerke zu reden und eine gute Zeit zu haben – for having a rave up. Auch ihren Anteil daran haben die »eigenen Leute«, die im Laden beschäftigt waren und sind und auflegen, wodurch das Wissen um das spezielle Angebot in die richtigen Kreise gelangt. Damit ist wohl ein Grund genannt, warum sich auch die junge Generation an Musikliebhabern durch das Sortiment gräbt; allerdings kommt einem dabei das Stichwort Download in den Sinn: »Natürlich spüren wir das, aber viele Leute suchen Vinyl.« Egal ob aus Übersee importiert oder aus Raritätenfundgruben hervorgeholt, sie bekommen das Ersehnte bei den Spezialisten für frische Independent-Musik; das darf ruhig als Aufforderung zum Testen des Suchservice gewertet werden. — www.rave-up.at



Advertorial — powered by impulse

_ Musik aus der Wolke Ortsunabhängig immer und überall jene Musik hören, die man auch wirklich gerade hören will. Wer geglaubt hat, dass dieser Wunsch mit der Erfindung des Walkmans bereits in Erfüllung gegangen ist, hat einerseits geringe Ansprüche und andererseits die Entwicklungen der letzten paar Jahrzehnte verpennt. Musikjunkies wollen heute nahtlos (= seamless) die Geräte wechseln, ohne dabei den Hörgenuss zu unterbrechen; sie wollen die Songs mit ihren Freunden teilen und sich dabei keine Gedanken über kompatible Plattformen oder Endgeräte machen müssen. Wie das Projekt Play.fm Seamless Music dies ermöglicht, erklärt der Gründer und Geschäftsführer Georg Hitzenberger: »Hinter Seamless Music steckt eine cloud-basierte Musikstreaming-Plattform. Die Idee ist, Musik und dazugehörige userspezifische Informationen wie Playlisten oder Empfehlungen von Freunden zeit-, orts- und geräteunabhängig ohne Medienbruch verfügbar zu machen. Dafür muss man keine Files mehr downloaden, uploaden, von Gerät zu Gerät kopieren oder auf CD brennen, die Musik ist auf verschiedenen Geräten verfügbar – was man in der Arbeit am Computer hört, kann man am Heimweg am Smartphone fortsetzen und zu Hause genau dort weiterhören, wo man am Handy gestoppt hat. Wichtig dabei ist der On-Demand-Charakter des Angebots, der User entscheidet also, wann er was hören will.« Nicht nur für den Endkonsumenten bietet Seamless Music spannende Möglichkeiten, auch Anbieter wie beispielsweise Radiostationen hätten neue Optionen: Sie können Sendungen On-Demand abrufbar halten und schnell und einheitlich auf verschiedenen Endgeräten anbieten, ohne selbst eine Plattform dafür entwickeln zu müssen. ¶

»Innovative Angebote werden durch den enormen technischen Aufwand, fehlendes Know-how über das Nutzerverhalten von modernen Musikkonsumenten und undurchsichtige Urheberrechtsgesetze verhindert. Seamless Music möchte das ändern.« (Georg Hitzenberger, CEO Play.fm)

Foto: Play.fm

Seamless Music von Play.fm will Musikgenuss möglich machen, der sich ohne Unterbrechung nach dem Hörer richtet: unabhängig von Ort, Zeit und Gerät.


Georg Hitzenberger, Gründer von Play.fm und einer der Köpfe hinter innovativen Lösungen für Musiker und Konsumenten.

Georg Hitzenberger über Impulse: Mit der impulse XS-Förderung konnten wir relevante Endgeräte recherchieren, Schnittstellen evaluieren und mögliche Geschäftsmodelle erarbeiten. Weiters wurde der Prototyp für die Windows Phone 7-App im Rahmen der Impulse Förderung umgesetzt.

Es gab schon früher Ansätze zum unbegrenzten Streaming von Musik – ist die Technik heute bereit für Seamless Music? Unbegrenzt würde ich nicht sagen, das klingt nach »so lange ich will«. Es geht aber um »seamless«, das heißt nahtlos ohne Medienbruch. Die Technik wird immer vielfältiger, es gibt immer mehr Geräte mit unterschiedlichen Betriebssystemen und Benutzeroberflächen in unterschiedlichen Auflösungen. Viele Geräte-Hersteller haben inzwischen eigene Appstores und neuere Streaming- beziehungsweise Übertragungsprotokolle sind teilweise nicht mehr kompatibel mit älteren Versionen. So gesehen wird es für Musik-Anbieter immer schwieriger, die eigene technische Plattform oder einmal entworfene Userinterfaces an die Entwicklungen anzupassen und auf allen Geräten verfügbar zu sein. Genau hier setzt Seamless Music an: Seamless Music versteht sich als Plattform für Content-Anbieter, die ihre Musik einfach auf verschiedene Endgeräte bringen wollen, ohne sich um die technische Vielfalt kümmern zu müssen. Stichwort Musik-Piraterie. Sind Musikfans und NebenbeiHörer mittlerweile bereit, für den Zugang zu unlimitierter Musik zu zahlen? Es gibt gute Beispiele in der Musikbranche, wie beispielsweise Spotify oder mit Netflix auch in der Filmbranche, die bestätigen, dass Konsumenten bereit sind, für eine gute UserExperience und schnellen Zugang zu einem umfassenden Angebot zu zahlen. Allerdings ist trotz der technischen Möglichkeiten immer noch wenig Content verfügbar. Die Gründe dafür sind sicher der enorme technische Aufwand, fehlendes Know-how über das Nutzerverhalten von modernen Musikkonsumenten und undurchsichtige Urheberrechtsgesetze, die innovative Angebote oft verhindern. Seamless Music möchte das ändern.

Können an eurer Schnittstelle weitere Dienste andocken? Ja, und zwar auf beiden Seiten, also sowohl auf der Seite der Content-Anbieter, die Content über Seamless Music zur Verfügung stellen wollen, als auch auf der Seite der Gerätehersteller, Medien oder Vertriebspartner, die den Content direkt zum Konsumenten bringen. Dabei entscheidet der Anbieter natürlich, wie bzw. wem er den Content zur Verfügung stellen möchte. Dabei soll der Anbieter auch die Möglichkeit bekommen, das System als Whitelabel-Lösung zu nutzen, also mit eigenem Logo und Corporate Design. Was sind die nächsten Schritte von Seamless Music? Ziel der impulse XS-Förderung ist die Feststellung der Machbarkeit von Seamless Music. Wir befinden uns derzeit auf der Zielgeraden und es kann bereits gesagt werden, dass eine Umsetzung von Seamless Music machbar und sinnvoll ist. Einzelne Komponenten wie z.B. die Apps für Windows Phone 7, Android und iPhone sind bereits in den laufenden Betrieb von Play.fm integriert. Das Förderprogramm impulse unterstützt Seamless Music im Rahmen von impulse XS. www.impulse-awsg.at

kreativwirtschaft in österreich by


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►Grün d e r se r i e Vo l . 2 ►Garmz #10: Buzz und Hypes jenseits aller Proportionen TEXT A NDREAS KLINGER BILD Garmz.com

bullshit-bingo »We are using location based realtime customer engagement to leverage the dynamics of game mechanics within social commerce« ist kein Satz, sondern bereits ein Investment-Proposal auf einer typischen Londoner Start-up-Party. Andreas Klinger, einer der Gründer von Garmz.com, über Buzzwords und andere surreale Realitäten.

D

ie Start-up-Szene hat ihre eigenen Buzz-Begriffe und schlimmer noch, sie ist im Buzzword Bullshit Bingo die oberste Expertise. Als Adjektive verwendet man Begriffe wie »realtime«, »locationbased«, »social«, als Nomen »Commerce«, »Strategy«, »Customer Engagement« oder »Media«. Diese wertet man mit aktuellen weiteren aktuellen Hype-Worthülsen wie »Dynamics« oder »Game Mechanics« auf. Momentan besonders in: »Game Dynamics« und »Subscription-based E-Commerce«.

Wörter biegen

Hypes sind wie in jeder Branche oft jenseits der Proportionen. Twitter wurde realtime genannt, bevor es realtime war. Quora.com ist momentan gehyped bis zum Anschlag, hat aber um Welten weniger Traffic als Seiten wie stackoverflow.com oder dessen Stack-Exchange-Netzwerk. Und Foursquare wurde von simplen Apps wie Instagram (Photosharing) in User Adoption weggeblasen. Das sind aber uninteressante Details. Die richtigen Begriffe und richtigen Hypes bilden die Felder, in denen es sich aus Sicht der Investoren abspielt. Sinnhaftigkeit oder Tatsachen kommen erst danach. Man sollte einfach schauen, in den richtigen Feldern zur richtigen Zeit zu sein, das fördert das Interesse von Investoren und hierfür sollte man stets die richtigen Begriffe parat haben. Im Zweifelsfall sollte man aber aufpassen, sich nicht zu stark zu verbiegen. Denn Hypes kommen und gehen und oft ist es besser, ein paar dieser Felder freizulassen und der eigenen Idee treu zu bleiben. Garmz’ »mobile strategy« ist momentan auf »portable« bzw.

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genauer »tragbare« Kleidungsstücke reduziert und unser »location-based marketing« bei Startup-Events ist bestenfalls unsere Präsenz vor Ort.

Zahlen stemmen

Aber nach dem ersten Interesse durch Eckdaten müssen Zahlen folgen. Diese Zahlen haben klarerweise ebenfalls Buzz-Begriffe. Die »Metrics« zeigen die »Traction« aka Fortschritt. Der »Funnel« visualisiert das Konvertieren von Traffic zu geschäftskritischen Aktionen. Dabei gilt es zu wissen, wie viel es kostet, Traffic zu bekommen, Traffic zu Kunden zu machen und Kunden zu Profit. Visionen hin oder her, im Endeffekt gelten nur die harten Zahlen. Und hier zeigt sich der Erfolg eines Unternehmens. Wie wächst der Traffic? Wie steigt das Userwachstum? Der aktuelle virale Koeffizient? Wie wächst der Verkauf? Diese Werte hochzustemmen, ist harte Arbeit. Wie bekommt man sein Projekt bekannt, wenn man nicht zufällig den Nerv der Zeit trifft? Buzzwords alleine helfen hier leider nicht. Man kämpft sich von Visit zu Visit, von User zu User und von jedem Verkauf zu jedem weiteren Verkauf. Overnight Success ist knochenharte Arbeit und dauert erfahrungsgemäss immer länger als geplant. Garmz ist in London in der Realität angekommen, wenn auch einer sehr surrealen. ¶ Garmz.com will mit Hilfe des Internets die Modewelt verändern. Ein Team von Mode- und Internetnerds baut eine Community für junge Modedesigner und der Möglichkeit auf Produktion für jene Designer, die ausreichend nachgefragt werden.


super-fi.eu


. . . N SOO

! R E L P G M N A I S COMUPPORTEDBY DER S

: T E D I E S AUS TSCH

G N O S UM S S IHR EN G R E N I V I L IEB -UN

EURE L PPORTEDBY DEM SU IM VOTING ? D C N E E I H D F STE U A N E L L O S S D N A B E H C L E W

f u a t r o f o s b A


IN WORTEN: siebenundfünfzig

Die Welt wird blond Die Haarfarbe als Motto. Und ein Album als Stimmungs-Aufheller. Eine Zeitreise, die sich aus der Vergangenheit die Sonne herauspickt und bedingt neu zusammenwürfelt. Smith Westerns Dye It Blonde

(Fat P ossum R ecords )

»Weekend« wird neuerdings auf Radio FM4 rauf- und runtergespielt was das Zeug hält, egal, ob jetzt Wochenende ist oder nicht. Die gleichnamige neue Single aus dem Smith Westerns-Album »Dye It Blonde« haut uns nicht nur am Montag in der Früh zum Arbeiten aus dem Bett und erinnert uns unbarmherzig daran, dass das ein »Weekend« erst vorbei ist und das andere noch lange nicht kommt, sondern es hat auch ganz eindeutig starke Beatles-Anleihen in den verzerrten Gitarren-Schrammeleien drin. Noch dazu klingt der Sänger irgendwie verdächtig nach John Lennon. So retro, so eh gut. Der Band insgesamt wird nachgesagt, sie seien die neuen MGMT. Die unbeschwerten Melodien einer gegenwartsbesoffenen Strandparty passen dazu. Klangliche Verwandtschaftsverhältnisse kann man jedoch auch in diesem Fall nicht verleugnen. Auf »Dye It Blonde« wird der gute, alte (und totgesagte) Indie zelebriert, der mit gut gelaunten Melodien versucht, über Sarkasmus und Bissigkeit hinwegzutäuschen und dazu einlädt, zum Weltvergessen durchs Zimmer zu hopsen. Ja, auch Montag morgens. »Dye It Blonde« ist voller energiegeladenem Nostalgie-Rock, von Anfang bis Ende fröhlich und das musikalische Äquivalent zu sonnendurchtränkten Tagen im Park. So wie blonde Haare und unverbrauchte Jugend, die über die Schwere des Lebens hinwegtäuschen. Für Menschen mit melancholischer Grundstimmung mag das Album zu stark fröhliche Einbahnstraße sein; den Smith Westerns fehlt es eindeutig an Hang zu Moll. Das Trio aus Chicago ragt noch dazu nicht sonderlich aus dem Indie-Einheitsbrei heraus. Sie richten sich dort ihr Lagerfeuer ein, wo sich The Drums, Oasis und Girls gute Nacht sagen. Dabei könnten sie sogar neue Superstars sein, so wie sie die verwaschene Nostalgie von Chillwave mit der zappeligen Coolness von Nuller Jahre-Indierock versöhnen. Nur irgendwie kommt einem alles recht vertraut und bekannt vor. Das ist das einzige Manko, das dieses Album hat. Denn die Umsetzung und das Retro-Feeling sind vollauf gelungen. 7/10 julia melcher

AU S GA B E 1 1 4 / 0 5 7 ◄


Abt. Musik

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a. 114/ Re zens ione n

Bright Eyes The People’s Eyes

Ghostpoet Peanut Butter Blues & Melancholy Jam

( Polydor / Universal )

( Brownswood)

Die neuen Leiden des jungen Conor

_ Hellwach wie ein Schlafwandler Conor Oberst transponierte einst zarte Liebe und auch das harte Ringen darum in Worte und Melodien. Das war Weltschmerz. Was jetzt kommt ist tanzbar, ist bright.

Der Frühromantiker Conor Oberst ist der jugendlichen Todessehnsucht und dem Herzschmerz des Indiepops entwachsen. Textlich zeigt sich dies zum Glück nicht so offensichtlich wie musikalisch: Bright Eyes schwenken auf hoffnungsvollen Pathos-Rock der 70er und 80er um. Ein Brandon Flowers in frühen The Killers-Tagen wäre stolz auf sie gewesen. Was der erste Song und das vorangestellte apokalyptische Gequargel bedeutungsschwanger eröffnen, wird bei der ersten Single »Shell Games« vom Schlagzeug in den Boden gestampft. »Everyone, on the count of three! All together now!« schallt es mitreißend und anstelle der Existenzkrise eines 30-Jährigen sieht er sein Privatleben als Inside Joke. Als Witz könnte man auch das musikalische Arrangement sehen, das sich noch weiter als das Vorgängeralbum »Cassadaga« vom sonnigen Weizenfeld-Amerika weg entwickelt hat. Durch das klassische Pop-Schemata-Korsett läuft der Folk-Faktor gegen Null. Im Strophe – Refrain – Strophe Gerüst bleibt nicht viel Platz für experimentelle Ausflüge, Indie-Imperfektion und Außergewöhnliches. Durch das Breitwandformat geht viel von der Authentizität und spontanen Unmittelbarkeit verloren, die sich früher so gut mit den intensiv persönlichen Texten ergänzte und zu Gefühlskalibern wie dem »Landlocked Blues« von 2005 verknäuelte. Conor Oberst ist sich dieses Prozesses vollkommen bewusst und bekräftigt diese Gegenbewegung: »We’re over the Americana, rootsy, whatever that sound is.« Das siebte Album sollte rockig und zeitgenössischer sein. Das wurde ohne Bedenken erfüllt, was glücklicherweise nichts an Obersts weiterhin faszinierenden Hologrammen aus Worten ändert – mit dem Unterschied, dass diese nun von einem anderen Antrieb durchleuchtet werden. Denkt man weiter, entsteht eine gewisse Dichotomie dadurch: Inhalt und Atmosphäre passen nicht immer zusammen. Worte wirken kristallisch schön, aber kristallisieren eben abgesondert von der Musikoberflächlichkeit. »That’s an awful life« nimmt man Conor Oberst halt weniger ab, wenn es dazu fröhlich aus dem Synthie zwitschert. Die Vergangenheit zwar beleuchtend, haben sie aus dem Labyrinth der schwermütigen Leichtigkeit herausgefunden und es dennoch geschafft, Meister der feinsten Zwischentöne zu bleiben. Allerdings beschränken sich diese auf die textliche Ebene und der Rest wird, ganz nach Conors Wunschvorstellungen, auf bisher untypische Weise zur magnetischen Partytauglichkeit hin ausgebaut. 9/10 juliane fischer

► 0 5 8 / AUSGABE 114

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Wenn es um die Transzendenz von Sprechgesang geht, bleibt London auch 2011 der Nabel einer innovativen Rap-Welt. Ghostpoet taumelt indes verträumt durch sein Debüt und wir versinken in dessen hypnotischem Sog. Nachdem sich Schall und Rauch verziehen, erwacht London mit verhallendem Bassdruck zur Morgendämmerung. Durch die Straßen schlafwandelt Obaro Ejimiwe und erzählt von seinem Leben. Seit seiner EP »The Sound Of Strangers« (Sommer 2010) tritt der Mittzwanziger mit der bedachten Jazz-Stimme als Ghostpoet künstlerisch in Erscheinung. Genauso sprichwörtlich, wie sein Pseudonym klingt, genauso hören sich seine Produktionen auch an. Mit einer gespenstisch schimmernden Mischung aus Downbeat, Trip Hop, IDM, Dub und Post-Dubstep kleidet er seinen behutsamen Sprechgesang ein, was besonders Gilles Peterson zu schätzen wusste und ihn zum neuen Höchstmaß seines Labels Brownswood Recordings avancieren ließ. Nach der EP von 2010 wird dort sein Debüt veröffentlicht. Im Anschluss an das erst kürzlich erschienene Meisterwerk von Romantiker James Blake liefert Ghostpoet hiermit den nächsten großen Wurf aus Großbritannien. Gemein ist beiden Nachwuchshoffnungen ihr müheloser Umgang mit dem Erbe von Dubstep, der Hang zu melancholischen Echoräumen und der pointierte Einsatz ihrer verhaltenen Stimmen. Der harmonisierende Sprechgesang von Ghostpoet unterscheidet sich von seinem gefeierten Kollegen jedoch besonders durch seine Sozialisierung mit britischem (Bass-)Rap. Vergleiche zu Roots Manuva oder King Midas Sound liegen nahe, werden durch das originelle Debüt aber leichtfüßig in eine weit entfernte Referenzecke verschoben. »I guess a reflection of my life and the world I see around me through a pair of tinted glasses.« Was wie ein beiläufiger Stehsatz klingt, trifft den Ton seiner Songs sehr gut. Mit durchwegs entschleunigter, zum Teil fast murmelnder Stimme berichtet Obaro von seinen Alltagsbefindlichkeiten im wolkenverhangenen London. Häufig bewegt er sich dabei zwischen aufhellender Afterhour und schattierender Katerstimmung, was er mit düster brodelnden Step-Beats, sphärischer Stückwerkelektronik und pumpenden Bässen sanft unterstreicht (bestes Beispiel: die Single »Cash And Carry Me Home«). Nicht an den hypnotisierenden Lippen oder im sphärischem Sog von Ghostpoet hängen zu bleiben fällt so schwer, wie die Augen nach einer langen Nacht offen zu halten. Dieser Schlafwandel will ausgekostet werden, bis zur nächsten Dämmerung. 9/10 klaus Buchholz


Lost in Music — N°. 48 _

Q

QUALITÄT kann man sich leisten* a. 114/ Re zens ione n

Text Stefan Niederwieser

David Bowie The Rise Of Ziggy Stardust and The Spiders from Mars (RCA, 1972)

David Bowie sprengt jede Rubrik. Als er 1974 nach New York zieht, taucht er in Plastik-Soul ein, ab 1976 schafft er in seiner BerlinTrilogie an krautiger Elektronik angelehnte Songs im gespaltenen Geist des Kalten Kriegs, in den 80ern feiert er auf dem Feld von Pop seine größten kommerziellen Erfolge. Immer wieder macht er neue Genres für sich fruchtbar und schlüpft über die Jahre in die Haut ganz unterschiedlicher Alter Egos. Noch in den 90ern unternimmt Bowie einen misslungenen Ausflug in Drum’n’Bass, er ist bildender Künstler, kaum ein Musiker ist so reich wie er und keiner von ihnen hat in so vielen Filmen mitgewirkt. David Bowie wird deshalb gern als Chamäleon bezeichnet. Die Blaupause dafür entwirft er 1972 mit »Ziggy Stardust«, der Mutter aller Popmasken.

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*Preis am Kiosk: 5,50 Euro. Im Jahresabo 33 Euro. 11 Ausgaben zum Preis von 6. Infos unter www.datum.at Monatsmagazin für Politik und Gesellschaft.

Kein Geschlecht, keine Klasse, keine Hautfarbe

Bowie ist Ziggy Stardust, ein androgyner Messias und Märtyrer, ein exzessiver Rockstar, ein menschliches Alien. Das Konzept­ album erzählt so die Geschichte von Ruhm und brüchig gewordenen Erlösungsversprechen. Rock hat Anfang der 70er den Glauben an die eigene Zukunft verloren, verspinnt sich in einem Labyrinth aus bunter Schminke, glitzernden Jumpsuits und lustigen Drogen. Bowie performt die Entfremdung, den Verlust von Visionen, Neurosen und Solipsismus, gießt sie in lebensgeile Songs und macht gleichzeitig die Fäden dieser Inszenierung sichtbar. Dieses reflexive Selbstbewusstsein von Entertainment ist für sich bereits ungewöhnlich; Bowie verbindet es noch mit sexueller Avantgarde. Obwohl verheiratet, behauptet Bowie schwul zu sein. Als Ziggy verweigert er klassische Rollenbilder, er ist nicht nur klassenlos, sondern noch dazu geschlechtslos. Das Ziel heißt Künstlichkeit und Illusion. »Ziggy Stardust« ist insofern auch ein Gegenentwurf zum bedrückenden Authentizitätsdogma im Rock der frühen 70er. Das Album unterläuft in seiner elitären Exzentrik auch alle konkret politischen Forderungen und schafft neue Images, die mit viel Hedonismus und artifiziellen Gesten die Zumutungen der Realität einfach abschafft. Als solches hat das Album – gemeinsam mit englischem Glam Rock von Gary Glitter und T.Rex – einen bleibenden Einfluss auf Hard Rock, Punk und Gothic bis hin zu Nu Rave, Visual Kei und eigentlich allem, was sich seither Farbe ins Gesicht geschmiert und vom Weltall geträumt hat.

Sci-Fi Pop

1969 landet Apollo 11 auf dem Mond und Stanley Kubrick zündet mit »2001 – A Space Odyssey« die nächste Stufe von Science Fiction als Reflexionsschleife der Gegenwart. Folk und die Hippies sind erst einmal erledigt. Die kollektiven Umstürze werden in die Privatsphäre verlagert. Dafür, und für die nicht immer stringenten Texte, wurde »Ziggy Stardust« laufend kritisiert. Dabei hat das Album den Rock der Zeit von selbstzufriedenem Chauvinismus und dem Zwang zur Eigentlichkeit befreit. Als Künstler hat David Bowie ohnehin Schockwellen in die Musikgeschichte ausgeschickt, denen sich seither kaum jemand entziehen kann. ¶

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AU S GA B E 1 1 4 / 0 5 9 ◄ Die NDU ist eine Studieninitiative des WIFI und der Wirtschafskammer NÖ.

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Abt. Musik

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a. 114/ Re zens ione n

Radiohead The King Of Limbs

Earth Angels Of Darkness, Demons Of Light 1

( X L  /  B eggars )

( Southern Lord)

Innerer Frieden zum Download

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Mit ihrem schlafwandlerischen Trott durch weitläufige Elektronik-Ebenen erfinden sich Radiohead nicht neu. Reinhören lohnt sich aber allemal. Radiohead verstehen es, neue Vertriebswege zu beschreiten. So durften die Fans 2007 selbst entscheiden, wie viel ihnen »In Rainbows« wert war. Das ist bei »The King Of Limbs« zwar nicht mehr der Fall, eine Release-Extrawurst brauchte es trotzdem: Vier Tage vor der Veröffentlichung erfuhr der geneigte Fan erst, dass das mittlerweile achte Studioalbum überhaupt existiert. Aufmerksamkeit wurde der Band aus Oxford dadurch auf jeden Fall zuteil: Facebook und Twitter liefen heiß, die Radio­ head-Website wurde lahmgelegt. Auf YouTube machte zur gleichen Zeit das Video zu »Lotus Flower« die Runde und wurde innerhalb von vier Tagen zwei Millionen Mal geklickt. So revolutionär anders wie die Art und Weise seines Erscheinens ist »The King Of Limbs« bei Weitem nicht, vielmehr wandeln Tom Yorke und seine Mitstreiter auf ausgetretenen Pfaden und bleiben dem Sound treu, auf den sie sich auf den letzten Alben eingependelt haben: Die Platte ist durchzogen von abstrakten Lyrics, Echos und abgehobener Electronica. Eröffnet wird sie mit Piano-Loops und flirrend-kalten Elektronik-Parts, die nach und nach von Streichern und Trommlern orchestral untermalt werden. Stücke wie »Morning Mr. Magpie« erinnern an die experimentelle »Kid A«-Phase der Band, eine Klavierballade in der Tradition melancholischer Klassiker wie »No Surprises« darf natürlich auch nicht fehlen: Das schlichte »Codex« mit seinen sanften Pianoparts fällt genau in dieses Schema. Bei all dem ist eine sphärische, geisterhafte Grundstimmung omnipräsent – und eine gewisse Reife: Ein Thom Yorke, der gelassen über den Dingen steht, taumelt durch die kristallinen Klangwelten, altbekannte Konstante ist seine ätherische Falsettstimme. Vielleicht erinnert die Platte deshalb mehr an »The Eraser«, das Solowerk des Sängers, als an die früheren Alben der Band. Im Netz ist derweil noch keine Ruhe eingekehrt: »Separator«, die letzte Nummer, und die Zeile »If you think this is over / then you’re wrong« lassen Fans munkeln, dass das wahrscheinlich kürzeste Radiohead-Album doch nicht auf acht Songs beschränkt sein könnte, sondern noch auf Part II warte. Geredet wird viel. Hoffen wir, dass von »The King Of Limbs« mehr bleibt als die Erinnerung daran, welchen Web 2.0-Hype es auslöste. 7/10 Sandra Bernhofer

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Tiefgang bis zum Erdmittelpunkt

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Dylan Carlson gilt als Urvater des Drone. Mit Earth ergründet er seit 20 Jahren die Kraft der Gravitation. Und die ist facettenreicher als gemeinhin angenommen. Begonnen hat alles im Seattle der frühen 90er Jahre. Da entschlackte der Gitarrist Dylan Carlson den Doom-Metal radikal und reduzierte ihn auf minimalistische, repetitive Strukturen, denen Gitarre und Bass – und natürlich Sunn Amps – als Ausdrucksmittel genügten. Der pure Drone war das Ziel. Im Laufe der Jahre entwickelte Carlson seinen zerdehnten, bleischweren Sound weiter, ohne das Zentrum aus den Augen zu verlieren. In dem Fall ist mit Zentrum tatsächlich der soundmäßige Erdmittelpunkt gemeint. Den Weg dorthin hat Carlson in den vergangenen Jahren aber deutlich abwechslungsreicher gestaltet. Er arbeitet mittlerweile in einem Bandkontext und hat Elemente aus Jazz, Country und Folk in seine Klangforschungen mit aufgenommen. Dabei entstanden zwei Meisterwerke: »Hex; Or Printing in the Infernal Method«, der Spaghetti-Western in Slow Motion aus dem Jahr 2005 und das vergleichsweise melodiöse »The Bees Made Honey In The Lions’s Skull« aus 2008. Das aktuelle Album übertrifft beide. Earth klingen mehr denn je wie eine Band. Carlsons Riffs stehen im Dialog mit Cello, Drums und Bass. Unter der Leitung von Stuart Hallerman, der unter anderem mit Soundgarden, Mudhoney und Built To Spill gearbeitet hat, haben Earth in den Avast Studios hörbar viel Wert auf improvisatorische Interaktion gelegt. Die Tracks klingen daher zwar melodisch, bieten aber kaum Hooks. Man besinnt sich hier wieder stärker auf die experimentellen Wurzeln. Titel wie etwa »Old Black« oder »Hells Winter« wollen nach wie vor Düsternis verströmen. Durch die Musik weht allerdings ab und an ein frischer Wind und manchmal blitzt sogar ein wenig Hoffnung auf. Für heuer ist auch noch Teil 2 von »Angels Of Darkness, Demons Of Light« angekündigt. Davor gehen Earth auf Tour. Am 1. Mai sind sie auch in der Wiener Arena zu Gast. 8/10 werner reiter


a. 114/ Re z e ns i onen

Trackspotting

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12-Inch, Singles und Kleinformatiges für große Aufmerksamkeitsspanner TEXT Florian Obkircher

Detroit ist sauer. Im Zuge einer neuen, breiten Begeisterung für Oldschool-Bretter gibt’s immer mehr Euro-Weißbrote, die ungeniert das Erbe der Motorcity plündern – und damit recht erfolgreich sind. Mitte Dezember twitterte Carl Craig entrüstet: »The number one track on Beatport right now [Alex Kenji & Frederico Scavo – »Gimme Five«, Anm.] is a track that rather liberally samples Paperclip People’s ›Throw.‹ WHY?« Ähnlich geht’s Kevin Saunderson. Nur lässt der’s nicht bei einem Online-Statement bleiben und stellt das Original, seinen Techno-Klassiker »The Sound« (1987), als Reaktion zum freien Download ins Netz. »The reason I have decided to give this track away for free is because of a situation that recently developed involving the unauthorized sampling of »The Sound« by Italian producers Giacomo Godi & Emiliano Nencioni (Supernova) in their release »Beat Me Back« on Nirvana Recordings. It came to my attention that they are licensing and selling, with considerable success, this track which is nothing more than a continuous loop of the main hook from »The Sound.« Und damit nicht genug: Auch das Plagiat bietet er zum Gratis-Runterladen auf seinen Soundcloud-Account an. Mit bissigem Kommentar: »These producers and their record label should not be profiting from my back catalogue … this is not their track to sell.« Ein gelungener Gegenschlag, der zeigt, wie man solche Angelegenheiten ganz ohne Richter und Anwälte lösen kann.

APRIL 28 TH

SIME VIENNA 2011 OUR PASSION IS TO SPREAD KNOWLEDGE ABOUT THE INTERNET AND DIGITAL OPPORTUNITIES!

214 – Drift Driving (Harbour City S orrow )

Ganz ehrlich, irgendwie erinnert »Drift Driving« von der Festplatte des US-Produzenten 214 ja auch ein wenig an »The Final Frontier« von Underground Resistance. Ist aber nicht die schlechteste Referenz – außerdem funktioniert die Paarung technoider Oldschool-ElectroSounds mit düsteren Streichersounds immer. Majestätisch, zeitlos, erhaben – ein Track wie der schwarze Monolith in »2001: A Space Odyssey«. Und wer mit einem epischen Ambient-Monster wie »Porous Surfs« auf der Flipside noch einen draufsetzt, muss sich wohl nicht vor einem Beschwerdebriefchen aus Detroit fürchten.

Joy Orbison – Wade In (Hotflush )

Erstaunlich puristisch und erhaben geht’s auch Joy Orbison diesmal an. Everybody’s Darling von 2009 verzichtet auf seinem neuen Coup für Hotflush auf gepitchte Vocals und Garage-Versatzstücke. Auf »Wade In«stampft König Bassdrum zielstrebig durchs Berghain, flankiert von stehenden Strings und anschwellenden Dub-Flächen. Ein neuer Weg für den Briten, und die raue Techno-Tönung steht ihm erstaunlich gut. Wenn er den Einschlag jetzt noch mit Future-BassElementen verschrenkt, sehen wir ein neues »Hyph Mngo« am Horizont auftauchen.

Blawan – Bohla EP (R&S)

Orbisons Posten als neues Post-Dubstep-Liebkind hat mittlerweile ohnehin ein anderer eingenommen: Blawan, ein junger Typ aus South Yorkshire, der mit seinem Debüt »Fram« auf Ramadanmans Hessle-Audio-Imprint auch die fündigen A&Rs von R&S aufhorchen hat lassen. »Bohla« kommt noch wuchtiger daher als sein Erstling. Jede geshuffelte Bassdrum dröhnt wie eine Betonwatschn nach, dazwischen zwängen sich eine giftige Acid-Line und tiefgelegte Vocal-Schnipsel. Klingt nach dem geilsten Amoklauf, den MJ Cole nie getan hat. Oder einfach nach dem derzeit wohl gefinkeltsten Beatbastler der Insel.

Lawrence – Sorry Sun (Smallville)

In Hamburg regieren dagegen weiterhin die Schalträger von Dial respektive Smallville. Impressario und Labelgründer Lawrence kehrt mit seinem neuen Werk »Sorry Sun« nach Ausflügen auf Mule Music nun in den Schoß der Familie zurück. Und schon der Opener »Just Like Heaven« macht seinem Titel alle Ehre: eine flirrend jazzige Piano-Linie legt sich wie eine Wolke auf das gemächlich bouncende Deep-House-Gerüst, während der Titeltrack auf der B-Seite mit seinen so zurückgelehnt wie tighten Oldschool-House-Korsett die Sonne am Himmel über Detroit verdunkelt. Apropos: Wird echt mal Zeit, dass Theo Parrish auf eine Kollabo in der Hansestadt vorbeischaut.

VIENNA Please apply for an invitation at www.sime.nuAU S GA B E 1 1 4 / 0 6 1 ◄


Abt. Musik

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a. 114/ Re zens ione n

Glasvegas Euphoric Heartbreak

Seefeel Seefeel

( S ony Music )

( Warp)

Größenwahn

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Große Gefühle und große Melodien. Auf »Euphoria Heartbreak« besteigen Glasvegas den Olymp der Stadionrocker. Eine französisch sprechende Frauenstimme aus dem Nirgendwo, aus einer weit entfernten Dimension. Eine beinahe sakrale Stimmung voller Spannung und großer Erwartungen, die den Hörer einhüllt und zu verschlingen droht. Glasvegas sind zurück. Vieles ist gleich geblieben: allem voran James Allans unverwechselbar schottischer Akzent, großartige Melodien, puristische Texte und abgedroschene Rockerromantik. Anders ist, dass sich nun dieses altbewährte Glasvegas in einem noch größeren, noch bombastischeren Rahmen abspielt als bei ihrem selbstbetitelten Vorgänger. Für »Euphoric Heartbreak« verließ die Band die urbanen Abgründe Glasgows, um im sonnigen Kalifornien eine gehörige Portion Stadionpop zu tanken; hatte ja Flood, bekannt für seine Arbeit mit U2 und Nine Inch Nails, bei der Produktion der neue Platte gehörig seine Finger im Spiel. Dies würde auch den bewussten Synthie-Einschlag erklären, der sowohl für die tanzbaren Nummern wie »Shine Like Stars« als auch für die sentimentalen, schlagerartigen Höhepunkte in »Whatever Hurts You Through The Night« verantwortlich ist – ein Lichtermeer von brennenden Feuerzeugen, die im Takt des Liedes dahinschunkeln. Nichtsdestotrotz verstehen es Glasvegas, solch eingängige Harmonien zu schaffen, die bei manch kritischem Hörer den Zweifel aufkommen lassen, man habe dies schon einmal irgendwann irgendwo gehört. Einziger Knackpunkt ist und bleibt Allans markanter Gesang, dessen weinerlicher, fast wimmernder Klang stellenweise an die Grenzen der Erträglichkeit stößt und somit das Rampenlicht nicht immer verdient. Die Stärke seiner charakteristischen Stimme kommt vor allem dann zur Geltung, wenn sie, wie in dem tröstenden Wiegenlied »I Feel Wrong«, in einer minimalistischen, erzählenden Weise eingesetzt wird. Ohne Zweifel, den Alternativrockern ist es gelungen, große Hits zu schreiben. Ihre erste Single »Euphoria, Take My Hand«, eine Kampfansage an die Liebe und an das Verlassenwerden, oder das sich zu einer feierlichen Hymne heranwachsende »Lots Sometimes« bestechen mit ihrem eigenwilligen Charme und authentischen, ehrlichen Texten, die auch ohne affektierte Wortspielereien und altklugen Lebensweisheiten auskommen. 7/10 raphaela valentini

Krach des Lebens

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Ein 90er Revival der besseren Art. Nach 15 Jahren Albumpause veröffentlichen Seefeel ein selbstbetiteltes Werk, das die Zeitlosigkeit von Intensität unterstreicht. Es war 1994, als das gerade fünf Jahre alt gewordene Label Warp Records, deren Stall anno dazumal mit (nahezu ausschließlich) elektronisch agierenden Granden wie Autechre oder Aphex Twin bevölkert war, die erste Band mit Gitarren ihrem Roster hinzufügte. Die Band hieß Seefeel, war weniger vom eben dahingeschiedenen Grunge denn von Joy Division und den Dreampoppern von Cocteau Twins beeinflusst, und veröffentlichte im Zeitraum von knapp einem Jahr zwei EPs und das Album »Succour« auf Warp. 1996 folgte »CH-VOX« auf Rephlex Records, der Spielwiese von Richard D. James (alias Aphex Twin), was folgte war Stille. Mit dem als einmalig geplanten Auftritt auf der 20-Jahre-Warp Records-Sause war diese Ruhe aber wieder dahin. Steve Beckett, Gründer von Warp, war nach dem Konzert derart enthusiasmiert, dass er es schaffte, die an zwei Positionen – Bass und Schlagzeug – veränderte Band zu überreden, wieder ein Album aufzunehmen. Das Resultat ist ein selbstbetiteltes Album, das zeitgemäßer kaum klingen könnte. Wobei im Fall von Seefeel Hören vor allem Fühlen heißt. Nicht unähnlich den Schotten von Mogwai funktionieren die spärlichen Stimmen, meist verzerrt, vor allem als Instrument. Dafür klingen die Gitarren etwas schärfer als damals. Die elf Songs, die keine sein wollen, bewegen sich zwischen 52-Sekunden-Skizzen und neunminütigen Epen. Immer wieder wird es laut, es kracht wie das Leben, zu dem Seefeel einen wunderbaren, nimmermüden Soundtrack liefern. Auf die kommenden Live-Auftritte darf man wohl gespannt sein. Salem, eine der Hypebands 2010 – wir erinnern uns, Witch House – können sich beim Primavera Sound Festival 2011 in Barcelona, wo sich die beiden Bands eine Bühne teilen, was abschauen. Was Seefeels spröden und manchmal harschen Sound angeht, haben sie das schon längst. 8/10 niko ostermann


Abt. Musik

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a. 114/ Re zens ione n

Beans End It All

Elektro Guzzi Live P.A.

(Anticon )

( Macro)

Der Wille zur Zukunft

_ Techno Live Band

Beans flutet seine Textkammern mit neuem Beatwasser. Der hyperaktive MC bringt sich mit Kollaborationen an offenere Grenzen als bisher. Beans war langweilig geworden. Drei Soloalben, zwei davon auf Warp, hatte er in die Welt gestottert, immer aufregend, immer ein bisschen egal. Denn selbst die sonische Zukunft wird irgendwann alt. Schon mit dem New Yorker Avant-HipHoppern des Antipop Consortiums arbeitete er jahrelang am fragmentierten Flow, textlich und musikalisch; doch das arhythmische Gedankenfutter von Beans blieb seltsam folgenlos und konnte sich nie aus seinem radikal alternativen Gestus lösen. Nun, dieser Punkt ändert sich auch mit »End It All« nicht. Aber Beans hat eine wesentliche Koordinate verändert. Für »End It All« hat er die Zügel gelockert und sich seine Beats stellen lassen. Die Liste seiner Kollaborateure ist mit Four Tet, Clark, Interpol, Tortoise, Son Lux oder TV On The Radio auf vorhersehbare Zirkel gepflegter Avantgarde beschränkt und kommt leider gleichzeitig ohne junge Talente aus – aber die Konfrontationen schlagen dafür eine breite Palette einzigartiger Geschmacksfunken. Beans war immer ein MC, der das Verhatscherte, den Shuffle perfektioniert hatte. Auf »End It All« beweist er vor allem seine geschmeidige Anpassungsfähigkeit; er wirkt immer wieder hinterher oder liegt verquer zu den Beatimpulsen, nur um dann wieder punktgenau auf der Eins zu landen. Dabei geht es für den MC um gar nicht mehr als die Beherrschung des polternden Rhythmusrodeos. Die 13 Miniaturen auf »End It All« sind in 33 Minuten vorüber, Tracks manchmal eine Minute lang, Anfang und Ende angeschnitten – die Skizzenhaftigkeit ist dabei gerade eine der Stärken des Albums: Meister der Reduktion, kein Retro-Bullshit, Broken-Brocken. Das Album verdichtet sich. Auf »Hardliner« schlingern die Computerfetzen, »Blue Movie« wechselt virtuos die Tempi und Schlagzeiten, »Glass Coffin« ist Pop, »Electric Eliminator« Schlagzeug und Beans. Die Rettung des AvantHipHops ist dieses Album wieder nicht, dazu hätte es wohl noch Jamie XX und James Blake gebraucht, sondern eher das Manifest eines meisterhaften MCs, ein Beweis dafür, dass er immer noch nicht bereit ist sich zu wiederholen. Und das klingt auch gut. 7/10 stefan niederwieser

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Ein simples Rezept: Gitarre, Bass und Schlagzeug. Dazu noch ein Prise Effekte und plötzlich erklingt Techno so dicht, formvollendet und direkt, als wäre es Maschinenmusik. Elektro Guzzi waren vor ihrem Debüt den Szenekennern und üblichen Wiener Connaisseuren ein Begriff. Dann und wann spielten sie Konzerte und das Publikum staunte meist nicht schlecht, als sie dort Techno von echten Instrumenten, die von Menschen gespielt wurden, hörten. Als 2010 das Gerücht die Runde machte, dass Elektro Guzzi ein Album auf Stefan Goldmanns Label Macro veröffentlichen werden und Patrick Pulsinger die Finger mit im Spiel hat, war schon klar: Das wird einschlagen wie einst ein Komet in Yucatan. Umjubelt und gefeiert wurde das Debüt des Trios – bestehend aus den studierten Musikern Bernhard Hammer, Jakob Schneidewind und Bernhard Breuer – schon vorab. Konzerte in den Technotempeln Berghain und Fabric, beim Sonar und ein Stop in Japan trugen das in die Schaltstellen dieser Welt. Nach Jahren des Laptop-Muckertums und der Maschinenfuhrparks konnte man da ein Trio erleben, das Techno völlig analog und mit einer Direktheit präsentierte, als hätten sie die Matrix einfach überlistet. Die Mensch-Maschine von Kraftwerk wird von Elektro Guzzi auf den Kopf gestellt. Aufgenommen wurden die zehn Stücke in einem einzigen, langen Set mit Brendon »Octave« Harding, bekannt als Engineer der DubLegende Lee »Scratch« Perry. Dieser fängt die Rohheit von Elektro Guzzi ein, ihr feines Zusammenspiel einer sparsamen Soundarchitektur, aus dem sich keine Stimme in den Vordergrund drängt, er bringt deren düsteren Grooves glasklar rüber und vermittelt sogar einen Hauch von Indie. Zunächst war das eingespielte Set nur für das britische Online-Portal Resident Advisor geplant. Dieses wurde nun von Patrick Pulsinger neu abgemischt und ist nun zum ersten Mal in voller Auflösung hörbar. Im Unterschied zum selbstbetitelten Debüt geht es hier viel mehr um die Performance. Die Exploration mit Bass, Gitarre und Drums soll weniger Soundforschung und rhythmische Patterns liefern, sondern die lupenreine Ästhetik ist voll tanzbar und dabei gleichzeitig sexy abstrakt. Was von hier aus noch alles möglich sein kann, ist kaum absehbar. 8/10 johannes piller

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Abt. Twitter-Reviews

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a. 114/ Re zens ione n

Die Welt auf Scheibe – erklärt in 140 Ausführlicheres auf www.thegap.at

Zeichen zum Angeben in der Disco.

74 Miles Away 74 Miles Away (melting pot music) Eine der reizvollsten Liaisons von Jazz und HipHop seit Jazzmatazz, obwohl sich die Fusion in zwei ▪ Hälften teilt. 6/10 michael ortner Additiv It’s Expensive And It Can Kill You (void tactical media) In der Verknüpfung von treibendem Bass und vielschichtigem Noise sticht Additiv direkt auf die Eingeweide deines Sound▪ systems ein. 8/10 michael aniser Agaric Who Made Up The Rules (ovum) Eine Platte, die gekonnt alle aktuellen Club-Trends ansteuert. Gute DJ-Tools, soweit das Auge reicht. Künstleralben sollte man dennoch anders anlegen. 5/10 maximilian zeller ▪ Ellen Allien Dust Remixes (bpitch control) Ein Remix-Album, das besser klingt als das Original. Nicht verwunderlich bei einem derartigen Aufgebot ▪ an Produzenten. 6/10 johannes piller

Martin Dawson Sunday Smoking LP (moodmusic) Sehr klassischer Deep House voller überschwenglicher Synth-Melodien. Martin Dawsons Tracks sind gut, aber zu konventionell. 5/10 maximilian zeller ▪ Marianne Dissard L’Abandon (le pop musik) Die Abhängigkeit des französischen Chansons vom Akkordeon ist schon sehr eklatant, hier wird von Arizona aus die gelungene Emanzipation vollzogen. 5/10 gerald c. stocker ▪ Duo 505 Walzer Oder Nicht (morr) Duo 505 lösen sämtliche Widersprüche und Gegensätze ihres bisherigen Schaffens in herzerwärmender Musik ▪ für Menschen über 30 auf. 6/10 werner reiter Drums Off Chaos & Jens Uwe Beyer Drums Off Chaos & Jens Uwe Beyer (magazine) Trommeln in Richtung Zukunft. Jaki Liebezeit, Drummer der legendären Can, zeigt, dass Trommel-Musik nicht immer archaisch sein muss. 7/10 werner reiter ▪

Kreidler Tank (bureau b) Eine Band widersteht allen Vereinnahmungsversuchen, setzt leichte Melodien auf kunstvoll verstrebte Fundamente und gibt dem Rock’n’Roll eine elektronische Hülle. 9/10 werner reiter ▪ Deniz Kurtel Music Watching Over Me (crosstown rebels) Deniz Kurtel lässt die Musik über sich wachen, was noch nicht ganz ausgegoren klingt, aber über weite Strecken im Rhythmus ihres ▪ jackigen House überzeugt. 5/10 johannes piller Ladytron Best of Ladytron 00–10 (nettwerk) Ladytron haben seit 2000 eifrig am elektronischen Musikgeschichtsbuch mitgeschrieben, was sich in diesem kompilierten Manifest nachhören lässt. 7/10 gerald c. stocker ▪ The Life Between Colours Of Your Choice (emi) Salzburg, Hamburg und in die Welt des nervig glatten Pop-Song-Formats. Wenn diese Songs das Leben ▪ schreibt, will ich ein anderes. 3/10 martin mühl

Amalia Art Slave (tokyo dawn) New Jack Swing ist zurück! Für Sängerin Amalia und Produzenten Opolopo scheint der Electro-Funk-Kram gar nicht ▪ erst weg gewesen zu sein. 7/10 klaus buchholz Beady Eye Different Gear, Still Speeding (indigo) Die unendliche Geschichte der Gallaghers, Teil 193. Diesmal: Liam und der verzweifelte Versuch einer Karriere abseits von Oasis. 3/10 barbara schellner ▪ Beatsteaks Boombox (warner) Ein Album, hinund hergerissen zwischen Anspruch und Erwartung. Facettenreicher denn je, ist das Mittelmaß dennoch nicht zu überhören. 6/10 reiner kapeller ▪ Frank Bretschneider Komet (shitkatapult) Bretschneider bringt mit »Komet« ein TechnoAlbum heraus, das hörbar macht, wie Techno nach über 20 Jahren Soundgeschichte klingen kann. 7/10 johannes piller ▪

Echologist Subterranean (steadfast) Was Echologist in seinem Labor untertags gezüchtet hat, kann an Tiefe kaum übertroffen werden. Trippiger Dub-Ambient mit Basswellen aus Atlantis. 7/10 johannes piller ▪ Flashguns Matching Hearts, Similar Parts (humming) Tanzen und Leiden an der Welt. Das bringen nur Kids in London so stilsicher. 7/10 werner reiter ▪ Found Factorycraft (chemikal underground) Sympathischer, aber bisschen kraftloser IndieHybrid. Da hilft auch die Reduktion auf Gitarre, Bass und Drum Machine wenig. 5/10 martin mühl ▪ Nils Frahm & Anne Müller 7finger (erased tapes) Krx, Zrrr, Wwffffwff und ein dunkler Wolkenhimmel – der Schmelz aus Weilheim-Beats, Solo-Cello und Glitch lässt die Emotionen konstant ▪ tief hängen. 5/10 stefan niederwieser

L/O/N/G American Primitive (glitterhouse) Elektronik vs. Folk klingt spannender als es in ▪ diesem Fall ist. 2/10 matthias hombauer The Low Anthem Smart Flesh (bella union) Es gibt unendlich viele Neo-Folk-AlternativeCountry-Bands. Und cirka zwei davon sind wirklich interessant. Eine andere heißt The Low Anthem. 6/10 stefan niederwieser ▪ Lucy Wordplay For Working Bees (stroboscopic artefacts) Kratzbürstiger Dub-Techno vollgepumpt mit IDM, Ambient und Drones. Lucy hat sich einen schweren Mantel umgelegt, trägt ihn ▪ aber bravourös. 6/10 maximilian zeller Malachai Return To The Ugly Side (domino) Trip Hop 2.0: Psychedelischer Irrsinn, Engelsgesang und Funk treffen auf Garagenrock und flüchten mit ▪ Trommelbegleitung. 9/10 werner reiter

Anna Calvi Anna Calvi (domino) Intime Fantasien einer Frau und ihrer Gitarre, die auch im Universum eines David Lynch und Ennio Morricone problemlos ▪ Platz finden. 8/10 reiner kapeller The Chapman Family Burn Your Town (pias) Mit atmosphärisch klaren Gitarren schafft es das nordenglische Quartett mit seinem Debüt, in die Phalanx erstklassiger Post-Punk-Bands einzudrin▪ gen. 7/10 gerald c. stocker Class B Band Movie T (wagon repair) Überraschend old-schooliger Electro und Acid-Jack auf Wagon Repair: Bei genauerem Hinhören aber doch recht funky. 5/10 katharina seidler Fiona Daniel Drowning (rola music) Mystische Blue Notes vereint das Debütalbum »Drowning«, das aus einem Kokon der Zerbrechlichkeit ent▪ schlüpft. 5/10 juliane fischer

Frivolous Meteorology (cadenza) Der reifere Nicolas Jaar, der funkigere Audio Werner, der experimentellere Jickael Mackson. Da hat sich drei ▪ Jahre warten ausgezahlt. 7/10 johannes piller Funny van Dannen Meine vielleicht besten Lieder… (Live) (jkp) Er wird zwar nicht für seine Melodien in Erinnerung bleiben, sich aber mit seinen Texten ein Kleinstadtdenkmal setzen. 6/10 gerald c. stocker ▪ Madame Humtata Fat Black Spider (humtata) Die oberösterreichische Avant-Jazz- und PopSängerin Christine Hinterkörner verfügt über eine schmeichelweiche, seidige Stimme, die sich tief ▪ im Gehörgang einnistet. 7/10 gerald c. stocker The Kills Blood Pressures (domino records) The Kills rotzen ein neues Album in die Musiksphäre – ein bisschen hart, ein bisschen zart und ▪ ziemlich schmutzig. 7/10 julia karzel

Bruno Mars Doo-Wops & Hooligans (warner) Schmusepop für besonders weichgespülte Ohren. Achtung: Mitsing-Gefahr! 2/10 barbara schellner ▪ Munk The Beat And The Bird (gomma) Munk lädt sich für sein neues Album zwölf Sängerinnen ein, um ein durchwegs gutes, vielfältiges Elektropop▪ Werk zu schaffen. 6/10 matthias hombauer Noah And The Whale Last Night On Earth (cooperative music) Noah And The Whale packen die Wandergitarre weg und die Gospelchöre aus. 6/10 barbara schellner ▪ Nostalgia 77 The Sleepwalking Society (tru thoughts) Schlafwandeln zu Saxofon, Hammond und Gitarre. Deutsch-britischer Neo-Folk, der zumindest im Labelkontext hell leuchtet. 6/10 michael ortner ▪

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Abt. Twitter-Reviews

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PJ Harvey Let England Shake (island / universal) Indiequeen PJ Harvey besingt in »Let England Shake« die menschliche Verdorbenheit. Zwölf Mal. 6/10 julia karzel ▪ Queens Of The Stone Age Queens Of The Stone Age (domino) Aus der Asche von Kyuss aufgestiegen, entledigte sich Josh Homme alter Lasten und schuf Ende der 90er inmitten einer leblosen ▪ Wüste ein neues Genre. 10/10 reiner kapeller The Radio Dept. Passive Aggressive: Singles 2002–2010 (labrador) The Radio Dept. sind eine emotionale Katastrophe. Und leider auch eine der besten Bands dieses Planeten. Ungelogen. 9/10 stefan niederwieser ▪ Refpolk Momente EP (springstoff) Refpolk von den linken Berliner Electro-Rappern Schlagzeiln klingt im Kollektiv besser als solo. Hörenswert ist ▪ seine neue EP aber schon. 5/10 klaus buchholz

Telekinesis 12 Desperate Straight Lines (morr) Ein unglaublich vielfältiges Indierock-Fest, bei dem Geradlinigkeit im Vordergrund steht. Verzweiflung klingt anders, Spannung leider auch. 5/10 sandra bernhofer ▪ Tom Thiel Tom Thiel (shitkatapult) Wenn einer der IDM-Pioniere nach 20 Jahren sein erstes Soloalbum abliefert, ist es – wie in Thiels Fall – von bestechend zeitloser Schönheit. 8/10 johannes piller ▪ Treefight For Sunlight Treefight For Sunlight (bella union / cooperative) Verschnörkelter Chillwave mit 60er-Reminiszenzen und EcstasyTopping. Der Soundtrack zum Frühlingserwachen. 6/10 sandra bernhofer ▪ The Vaccines What Did You Expect From The Vaccines? (sony) Englischer geht es nicht mehr. The Vaccines schrammeln sich stylish, frisch und fröhlich durch ▪ ihr Debütalbum. 6/10 barbara schellner

Roxette Charm School (emi) Verlässlich wie Marie Fredrikssons Frisur. Roxette, als wären sie nie weg gewesen – oder 15 Jahre in einer Gefrierkammer ▪ verschwunden. 3/10 barbara schellner RVDS Moments (it’s / word & sound) Das HouseGewand steht RVDS außerordentlich gut. Ein ungezwungener Umgang mit elektronischen Traditionen und genau die richtige Portion Pop-Appeal. 7/10 katharina seidler ▪ Gil Scott-Heron & Jamie XX We’re New Here (xl) »The Revolution will be dubstepped«: Jamie XX verarbeitet Originale einer Spoken Word-Legende mit Narrenfreiheit zum bisherigen Remix-Album ▪ des Jahres. 7/10 michael ortner Sebadoh Bakesale (domino) Ein Highlight der Indie-Geschichte, neu gemastert und mit 25-TrackBonus-CD. Einfach nur gut. Auch 17 Jahre danach. 9/10 martin mühl ▪

Various Artists Colour Series: Violet 08 (freerange / rough trade) Deep, musikalisch und trotzdem pushend – Freerange schüttelt House-Perle für House-Perle aus der Muschel. Die jährliche Compilation ist DJ-Edelschmuck. 7/10 maximilian zeller ▪ Various Artists Private Collection Richard Dorfmeister – G-Stone Master Series No 2 (g-stone) Für sich allein kein Muss, öffnet die Compilation Stollen in das Musikverständnis eines Downbeat-Großmeisters. Schürfgut: viel Jazz und ▪ Brasilien. 6/10 stefan niederwieser Various Artists Rexperience #02 mixed by Jennifer Cardini (module / kompakt) Die zweite Mix-Compilation vom Rex, dem Pariser Flex. Resident Jennifer Cardini. Die Reise geht quer über die ▪ Klimazonen. 6/10 katharina seidler Various Artists Wolf+Lamb vs. Soul Clap (k7) Zwei mal zwei ergibt noch immer vier. Wenn zwei Tagteams aufeinander treffen, ergibt sich daraus die Summe der einzelnen Teile: verschärfter ▪ Deephousedisco. 6/10 johannes piller

Slakah The Beatchild Something Forever (bbe) Slakah The Beatchild kocht 90er Neo-Soul mit moderneren Funk-Zutaten auf und klingt dennoch nicht altbacken, sondern sehr bemerkens▪ wert. 6/10 klaus buchholz Steffi Yours & Mine (ostgut ton) Chicago, Detroit, Berlin sind Steffis Einflusszellen. Sie gibt sich klassisch. Das bedeutet hier gleichzeitig altbacken. 5/10 stefan niederwieser ▪ The Streets Computers And Blues (679) Es hat sich ausgegeezert. Mike Skinner macht seinen Abschied zu einer rauschenden Party für ausge▪ brannte Mitt-Dreißiger. 6/10 stefan niederwieser Teitur Let The Dog Drive Home (arlo and betty) Sanftes Songwriting von den Färöer-Inseln. Dahinter geht im Raureif die Morgensonne auf. 5/10 juliane fischer ▪

Vessels Helioscope (make my day / alive) Britischer Post-Rock zwischen gelungener Produktion und erfüllten Erwartungen. Die Bewegungen Richtung tanzbarer Loops dürfen gern mehr werden. 7/10 martin mühl ▪ Violens Amoral (static recital) Synthie-DreamPop trifft auf epische rockige Gitarren-Crescendos und vergreift sich dabei ausgiebig an bekannten ▪ New Wave Vorbildern. 6/10 gerald c. stocker William The Contractor Tall Stories (crying bob) Ein respektables Folk-Country-Album mit Akustikgitarre und Bassdrum, das die ersten Frühlings-Sonnenstrahlen im Gesicht spüren lässt. 6/10 matthias hombauer ▪ Yelle Safari Disco Club (v2 / universal) Das Discobeat-Trio elektrisiert uns aufs Neue mit einem Cocktail aus lebensfrohen Elektro-Beats und rasanter ▪ französischer Energie. 7/10 juliane fischer

Alle österreichischen und die wichtigsten europäischen Festivals im Überblick – als gedruckter Pocket Guide und als praktische App. Neu im Mai.

Infos & Einträge: festivalsommer@monopol.at BILD: marko ercegovic


Abt. Film

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a. 114/ Re zens ione n

066 Cooking History

(von Péter Kerekes) Clever: Die Doku »Cooking History« rekapituliert Europas Kriegsgeschichte seit 1939 als riesige gastronomische Kraftanstrengung. Feldköche berichten vom Einfluss der Nahrung auf die Kampfmoral oder den Auswirkungen nationalistischer Separation auf den Speiseplan. Kokett: Berichte vom Sterben in Stalingrad werden mit Fleischwolf-Bildern kommentiert, im Algerienkrieg geköpfte Franzosen mit Hühnern verglichen. Daneben: Launige Analogien werden an den Haaren herbei gezogen, ironische Interviewfragen wollen nichts in Erfahrung bringen, lustige Regieeinfälle rittern mit Zeitzeugen um Aufmerksamkeit. 4/10 Joachim Schätz

Howl

(von Robert Epstein, Jeffrey Friedman; mit James Franco, Jon Hamm, Bob Balaban) Als sich 1957 der Herausgeber von Allen Ginsbergs Poem »Howl« wegen Obszönität vor Gericht verteidigen musste, wurde der Autor vom Hoffnungsträger der BeatLiteratur zur nationalen Gegenkultur-Ikone. Der Film will Gedicht und Prozess auf mehreren Spuren einkreisen und kommt doch nie vom Fleck der Selbstverständlichkeiten: Die repressiven 50er werden in stardurchsetzten Gerichtsaal-Szenen und Rückblenden auf Ginsbergs Vorleben ausgewalzt, plakative Animationssequenzen wollen den Inhalt des Gedichts illustrieren: Achtung, Bildpoesie! 3/10 Joachim Schätz

The Good Heart

(von Dagur Kári; mit Brian Cox, Paul Dano, Bill Buell) Wenn ein Furz materielle Form bekäme, würde er genauso aussehen wie Broccoli. Das ist eine der Weisheiten, die der griesgrämige Barbesitzer Jacques von sich gibt. Sie gehören zu den humorvollen Partien in diesem sonst eher düster-melancholisch gehaltenen Drama des Isländers Dagur Kári. Als Jacques nach einem weiteren Herzinfarkt den gutmütigen Obdachlosen Lucas kennenlernt, nimmt er ihn bei sich auf und lehrt ihn sein Handwerk hinter dem Tresen. Schließlich mischen auch noch eine Stewardess mit Flugangst und eine Gans mit. Die solide Charakterstudie mit überspitztem Finale lebt vor allem von den Leistungen der Hauptdarsteller Cox und Dano. 6/10 Jan Hestmann

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Fish Tank

(von Andrea Arnold; mit Katie Jarvis, Michael Fassbender, Rebecca Griffiths)

Jugend außer Atem

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Mit feinfühliger Beobachtungsgabe erzählt »Fish Tank« vom wechselhaften Leben eines erwachsen werdenden Mädchens und fesselt dank einer aufblühenden Laiendarstellerin. Mia stemmt die Hände auf ihre Knie, beugt ihren verschwitzten Körper nach vorne und versucht durchzuatmen. Sie trainiert hart, sie will weg aus ihrem rauen und tristen Teenager-Leben im Randbezirk. Breakdance und die dazugehörige Musik sind ihr Eskapismus, aggressives Verhalten ist ihr Mittel zum Ausdruck. Mit Schulen hat sie Probleme, Freunde sind nicht vorhanden. Zuhause wartet auf sie nur eine vernachlässigende, trinkende, nicht verstehende – »What the fuck is wrong with you?« – Mutter und eine kleine Schwester, mit der sie aber auch nur Beschimpfungen austauscht. Doch das Leben der 15-jährigen, passionierten Fluchttänzerin ändert sich plötzlich, als ihre Mutter einen warmherzigen Freund mit Familiensinn nach Hause bringt und Mia und er sich einander annähern. Regisseurin Andrea Arnold bleibt stets sehr nah an ihrer Protagonistin, während sie Mias einfache Lebensumstände nur nüchtern ins Bild rückt und damit gelungen vermeidet, ihren hervorragenden Coming-of-Age-Film auf ein Sozialdrama zu reduzieren. »Fish Tank« verzichtet auf Rasanz und Überbetonung, stattdessen entwickelt sich zwischen den starken Einzelcharakteren eine sehr unmittelbare Spannung, die gleichsam sensibel und würdevoll mit den angedeuteten sozialen Gefällen umgeht. Die von der Laiendarstellerin Katie Jarvis verkörperte Hauptfigur wirkt ohnehin sehr überzeugend in ihrem eigenwilligen Freiheitskampf und schafft es mehrfach, das beobachtende Publikum zu fesseln, zu überraschen oder gar vor den Kopf zu stoßen. Jarvis soll übrigens abseits des offiziellen Castings am Drehort (Essex) entdeckt worden sein, als sie gerade lauthals an einer Bahnhaltestelle mit ihrem Freund stritt. Erwachsenwerden kann hart und enttäuschend sein, für Hoffnung, Liebe und die Aussicht auf ein besseres Leben gibt es trotzdem Spielraum. Arnold und ihre Leinwandüberraschung Jarvis spielen Leben auf dem Weg zur Selbstbestimmung, universell und überzeugend, und schaffen so den raren Fall einer ungeschönt zeitgenössischen Teenager-Biografie. 8/10 klaus buchholz


Abt. Film

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Der Vater meiner Kinder

(von Mia Hansen-Løve; mit Louis-Do de Lencquesaing, Chiara Caselli, Alice de Lencquesaing)

Gegen die Wand, und dahinter weiter

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Mit »Der Vater meiner Kinder« schaut Mia Hansen-Løve einem Filmproduzenten beim Untergehen zu. Ihr sanft vorwärtsdrängendes Drama interessiert sich trotzdem mehr für emotionale Schattierungen als für Finalität. Wie der Mann schon den Film betritt: der Anzug elegant, aber ein bisschen abgetragen, das Ohr am Handy fest geschweißt, bis die Polizei ihm ein paar Szenen später wegen Raserei den Führerschein wegnimmt. Grégoire Canvel (Louis-Do de Lencquesaing) ist Hasardeur von Beruf. Statt mit giftigen Wertpapieren handelt er mit Kulturgütern. Grégoire ist Kunstfilmproduzent, ein passionierter Mitspieler in der kleinteiligen wie unberechenbaren Ökonomie des internationalen Arthouse- und Festival-Kinos. Kopfüber und nicht ohne Irrwitz tauchen die ersten Szenen in den ganz normalen Wahnsinn eines Produzentenalltags ein (Hilferufe vom Dreh in Schweden! Hotelbuchen für die anreisenden Koreaner!), der erst allmählich als Abwärtsspirale kenntlich wird: Nie würde er den Katalog seiner bisherigen Produktionen verkaufen, erklärt Grégoire beim Lunch einem Kollegen. Zu dem Zeitpunkt sind dieselben Filmrechte aber längst schon als Sicherheiten verpfändet. Angelehnt ist die Figur des Grégoire bei Humbert Balsan, der über 60 Filme produzierte (darunter Arbeiten von Claire Denis, Youssef Chahine und Lars von Trier), bevor er sich 2005 das Leben nahm. Regisseurin und Autorin Mia Hansen-Løve lernte Balsan bei den Vorbereitungen zu ihrem schließlich 2007 realisierten Langfilmdebüt »Tout est pardonné« kennen. Am vorliegenden Zweitling besticht, dass er trotzdem weder pikanter Schlüsselfilm zu sein versucht noch feierliche Verneigung. Eher interessieren sich Hansen-Løves sanft vorwärtsdrängende Szenenfolgen für Schattierungen: etwa das Gemisch aus Stolz, Panik und Selbsttäuschung, mit dem Grégoire seiner verfahrenen Situation begegnet, oder wie die immense Belastung das private Glück mit Frau (Chiara Caselli) und Töchtern überlagert, ohne es deshalb völlig zu verdecken. Diesen Blick für emotionale Ungleichzeitigkeiten behält der Film auch bei, wenn er sich nach der ersten Hälfte noch einmal neu zusammensetzt: Nachdem sich Grégoires Drama zur Filmmitte mit einem tödlichen Knall entlädt, wechselt »Der Vater meiner Kinder« den Fokus, weitet sich um Teenager-Tochter und Ehefrau zum Ensemblefilm. Dabei nähert er sich deutlicher den Gepflogenheiten französischen Ensemblekinos an, unterwandert aber auch hier das Offensichtliche. Die diskrete Genauigkeit, mit der Hansen-Løve sich durch das heikle Terrain einer Trauererzählung bewegt, ist genauso beeindruckend wie der dramaturgische Druckkochtopf der ersten Hälfte. 8/10 Joachim Schätz

Film, Motion-Design & Mehr www.nked.at


VoiceOver

_ Abt. DVD

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8 Millionen Wege zu sterben ( Koch)

von Hal Ashby; mit Jeff Bridges, Rosanna Arquette, Andy Garcia auf DVD

Hal Ashby trommelte für seinen letzten Film 1986 ein Team zusammen, das eigentlich Erfolg ebenso garantieren sollte wie Filmgenuss. Leider geht die Rechnung nicht ganz auf. Oliver Stone und David Lee Henry verlegten die Romanvorlage nach Los Angeles. Dort gibt Jeff Bridges einen abgebrühten Alkoholiker und Cop, der sich bemüht, in ein normaleres Leben zurückzukehren, aber natürlich in ein neues Abenteuer gezogen wird. Die Prostituierte Sunny bittet ihn um Hilfe, ist aber kurz darauf tot. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Sarah muss er nun die Täter jagen. Das Drehbuch ist angenehm ungeschliffen, findet aber gleichzeitig keinen Rhythmus. Einzelne Szenen verbinden sich nicht zu einer funktionierenden Storyline, sodass keine Spannung aufgebaut werden kann. Die Schauspieler erfüllen mehr Klischees als Rollen und so funktioniert die 80er-Ausstattung in Standbildern wohl letztlich besser als im Film. Angenehmes Retro-Kino – aber leider kein Highlight. 4/10 Josef Berner

text Klaus Buchholz

The Dream of the 90ies Fernab von Glaubenskriegen, Terror, Armut, Rassismus oder den USA eines Barack Obama gibt es eine weiße amerikanische Mittelschicht, die ihre Nostalgie lebt und darüber lachen kann: »Portlandia«. Es klingt wie eine Indie-Märchen: Fred Armisen (»Saturday Night Live«-Comedian, ehemals Drummer der Post-Punk-Band Trenchmouth) und Carrie Brownstein (Schauspielerin, Autorin und ehemals Gitarristin der aus Portland kommenden Riot-GrrrlRock Band Sleater-Kinney) hätten dank eines Buttons von Fred, mit Carries Gesicht darauf, beschlossen zusammenzuarbeiten. Aus einer Freundschaft wurde die Web-Serie »ThunderAnt«, der Prototyp der seit Januar 2011 auf IFC ausgestrahlten Serie »Portlandia«. Spontan und meist sehr improvisiert erarbeitete das Indie-Comedian-Pärchen innerhalb dieses Formats kleine Sketches und veröffentlichte sie online (www.thunderant.com). Einige der dort präsentierten Themen, Szenen und Charaktere, wie ein Sketch über einen feministischen Buchladen und seine peniblen Ladenhüterinnen, wurden nun für »Portlandia« aufgegriffen, ausformuliert und aufpoliert. Ausgangspunkt (und vorderste Zielgruppe) der neuen Serie ist eine sich als alternativ verstehende, ökosoziale Mittelschicht in Portland, Oregon, insbesondere ihre kleinen Subsysteme, die sowohl Punks, Tierschützer, Fahrradaktivisten, Werber, Kunst- oder Kulturschaffende inkludiert. Die nach Portland gezogene Brownstein beschreibt ihre Stadt in Interviews auch als Utopia für unkonventionelle Jungunternehmer, dementsprechend kann »Portlandia« auch als Huldigung an diesen (exklusiven) Lebensraum verstanden werden: der Amerikanische Traum aus der Indie-Perspektive. Die privilegierte Kultur der Stadt ist übrigens eine dezidiert weiße: laut einer Studie des American Community Survey liegt Portland auf Platz vier unter den 40 größten der USA. Noch mehr als das kantigere »ThunderAnt«, wo Saddam Hussein als Songwriter auftreten durfte, parodiert »Portlandia« vornehmlich einen Blumenstrauß kleinbürgerlicher Probleme, ausgetragen von Stereotypen einer jungen weißen Mittelschicht, die mehr Establishment ist als ihr lieb wäre. Globale Politik ist Nebensache, Radikalitäten domestizieren sich szenenintern gegenseitig. Es herrschen Nostalgie, Albernheit und Optimismus einer vergangenen Clinton-Ära, lange vor 9/11 oder dem Hipster-Bashing jüngerer Popkulturgeschichte. Die Serie liefert keine Dekonstruktion dieses Utopia, sondern einen sehr braven Humor mit sanften Witzen und ironischen Untertönen. Fred Armisen und Carrie Brownstein präsentieren »the dream of the nineties«, wie sie in der ersten Episode von »Portlandia« singen, einen goldenen Mittelweg, der an Hipster-Etikettierungen genauso wenig Anteil nimmt, wie an einer USA der Kriege und Krisen.

Abgehört – Trau niemals einem Cop ( Koch)

Von Alan Mak u. Felix Chong; mit Ching Wan, Louis Koo, Daniel Wu auf DVD und Blu-Ray

Mittelmäßig honorierte Abhörtechnik trifft auf millionenschweren Insider-Börsengang: »Abgehört« erzählt lakonisch vom Scheitern dreier Kollegen einer Polizei-Sondereinheit aus Hongkong beim Versuch das große Ding zu drehen. Das blutige Cover (abgerissenes Ohr) führt in die Irre: der Film setzt nicht auf rohe Gewalt, viel mehr gilt die Konzentrationen jenen psychologischen Rissen, die der scheinbare Glücksgriff unter Gene, Max und Johnny auslöst. Bemerkenswert auch die eingefangene Beton-Tristesse der Wolkenkratzer Hongkongs, die gut als Anspielung auf die beengten Lebensverhältnisse der drei Cops funktioniert. Wie auch die Unsichtbarkeit der raffiniert versteckten Hightech-Peilsender in seltsamen Widerspruch zum Arbeitsplatz der Sondertruppe steht, die in einem chaotischen Herren-Hemdenlager ihrem Junk FoodAbhörjob nachgeht. Klein gegen groß, Normalverdiener gegen kriminelle Börsenhaie, klein gehaltene Sehnsüchte gegen kaltes Durchziehen. Zusatzmaterial mit Interviews, etc. ist vorhanden. 7/10 Hans-Christian Heintschel

The Expendables ( Splendid)

von Sylvester Stallone; mit Bruce Willis, Jason Statham, Sylvester Stallone auf DVD und Blu-Ray

Die »Expendables« sind eine edelharte Söldnergang mit dem Herz am rechten Fleck. Ihre Garage, die als Treffpunkt, Bar und TattooStudio dient, erinnert an eine verquere Mischung zwischen stylisher Junggesellen-WG und chromglänzender Heimwerker-Adresse. Von hier aus starten die ins Alter gekommenen Jungs in ihre Abenteuer: Sei es zur Befreiung gekidnappter Matrosen, sei es – als tragendes Handlungsmotiv – die bestellte Tötung eines Diktators auf irgendeiner Tropeninsel. Was rund um den Kinostart als »ultimativer Abgesang auf das Actionkino der 80er Jahre« gefeiert wurde, entpuppt sich – auch für Genres-Fans – als eher schwierige Kost. Actionfilme glänzen selten durch ein kluges Drehbuch, aber der Film kommt einfach nicht in die Gänge. Das Star-Großaufgebot steht sich vor lauter Coolness selbst im Weg, sodass die raubeinige »Ocean’s Eleven«-Douplette nicht funktioniert. Raufende Cornetto-Körper hin oder her, der auf Dauerfeuer eingestellte Kampf macht müde, allein Stathams Messerwurf-Akrobatik sorgt für Oha-Momente. Obwohl Sylvester Stallone die Rezeptur des Actionkinos bekanntermaßen in- und auswendig kennt: der Actionfilm der 80er Jahre hätte dieser jüngsten Verneigung nicht unbedingt bedurft. 5/10 Hans-Christian Heintschel

Unthinkable ( Universum)

von Gregor Jordan; mit Michael Sheen, Carrie-Ann Moss, Samuel L. Jackson auf DVD und Blu-Ray

Michael Sheen in einer herausfordernden Rolle zu erleben ist im Grunde immer ein sehenswertes Ereignis. Von Samuel L. Jackson kann man das kaum noch behaupten, vor allem nicht, wenn er sich für fragwürdige Filme wie »Unthinkable« engagieren lässt. Dabei wäre die Ausgangssituation eine spannende, hätte sich Regisseur Gregor Jordan da nur bloß nicht so mit Kammerspiel-Epik und expliziter Folter verzettelt. Ein zum Islam konvertierter Nuklear-Experte (Sheen) hat in drei US-Großstädten Atombomben platziert und stellt Forderungen. Als die Behörden ihn festnehmen, werden eine FBI-Agentin (Moss) und ein Verhörspezialist (Jackson) zum unfreiwilligen Paar im Kampf gegen den Terrorismus. Sie schwört auf menschenwürdige Befragungen, er auf menschenunwürdige Foltermethoden. Was ist schon eine malträtierter Mensch gegen eine gerettete Nation? Jordan versucht mit Ethik-Fragen zu jonglieren und scheitert dabei an seiner kurzsichtigen Inszenierung und flachen Psychologisierung. Er schafft es zwar, bis zum Schluss eine makabere Spannung aufzubauen, ergibt sich aber in einem platten Ende. Michael Sheen arbeitet sich derweil am Drehbuch ab, das wirkt überzeugend körperlich und intensiv. 5/10 Klaus Buchholz


Abt. Sachbuch Konstantin Mitgutsch, Christoph Klimmt, Herbert Rosenstingl (Eds.) Exploring The Edges Of Gaming

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(B raum üller ) Mitgutsch, Klimmt und Rosenstingl, die drei neben anderen maßgeblich Verantwortlichen für die inhaltliche Programmierung der FROG-Fachtagung, die jedes Jahr parallel zur Game City im Wiener Rathaus in Wien stattfindest, geben wieder ein Buch heraus, das die Vorträge der Fachtagungen 2008 / 2009 sammelt. Diesmal auf Englisch. Das ist eine feine Möglichkeit, eventuell Verpasstes nachzuholen oder einfach zu schmökern und sich Details in Erinnerung zu rufen. Die 24 Beiträge sind durchwegs gelungen und diskutieren aktuelle Forschungsstände aus verschiedensten Bereichen der Game Studies. In der Natur der Sache liegt allerdings auch, dass andere Bücher leichter konsumierbar sind und den Leser besser an die Materie heranführen. »Exploring The Edges Of Gaming« richtet sich eher nicht an ein allgemein interessiertes Publikum, sondern ein tendenziell akademisches. Worum geht’s? »Education And Learning«, »Playing Together«, »Frontiers in Theory And Methology«, »Conventional Gaming: Evolutions And Revolutions« und »Game Creativity: Case Studies And Frontiers In Game Design«. In diesem Reader steckt einiges Wissen – es könnte aber zugänglicher aufbereitet sein. 7/10 martin mühl

Station Rose 20 Digital Years plus

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(M oderne Kunst Nürnberg ) Elisa Rose und

Gary Danner, a.k.a. Station Rose, blicken per Buch analog auf mehr als 20 digitale Jahre zurück. Begleitet wird die Werkschau von einem Sampler und einer DVD, die eine Auswahl ihrer Projekte dokumentieren. Das früheste Videomaterial stammt aus dem Jahr 1988, womit die Zeitrechnung beginnt. Damals gründeten die beiden Oberösterreicher einen Offspace namens »Station Rose« im vierten Wiener Bezirk, womit sie dem damals jungen Genre »Medienkunst« früh eine Ausstellungsfläche boten. Sie hatte als Background ein Modestudium, er brachte Punkband-Erfahrung mit (Stichwort: The Vogue) und beide verband (nicht nur) das Studium an der Universität für Angewandte Kunst. Durch diese Mischung und die unterschiedlichen Stationen ihrer Tätigkeiten – die sich schwer einem Genre zuordnen lassen: Medienkunst, Netzkunst, Musik, Video? – ergab sich ein buntes Werk, das durch Pioniergeist fasziniert. So verbrachten sie schon im Jahr 1994 fast 300 Tage online. Der paradoxe Output der Aktion brachte so viel Aufmerksamkeit wie noch nie, obwohl sie kaum aus dem Haus gingen. »Digital Cocooning« nannten sie ihr Selbstexperiment und bezeichneten die Art zu leben als »Digital Bohemian Lifestyle«. Eine Vielzahl der Arbeiten loten die Grenzen des jeweils Neuen aus und sind in der Rückschau bemerkenswert. Vermutlich ist es die multimediale Auswahl an Arbeitsmitteln, deren Vielschichtigkeit das Format Buch trotz digitalem Anhang nur zu einem Bruchteil wiedergeben kann – doch der reicht aus, um vom Station Rose-Output fasziniert zu sein.

7/10 richard schwarz

Jessica Weiss, Julia Knolle Modestrecke – Unterwegs mit Les Mads

Forum Corporate Publishing BCP Best Of Corporate Publishing 2010 ( Deutscher Fachverlag)

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Über- statt Einblick Die besten deutschsprachigen Corporate Publishing-Projekte 2010 in Buchform. Man wünscht sich eine leserfreundlichere Aufbereitung.

Jedes Jahr vergibt das Forum Corporate Publishing, ein Zusammenschluss von rund 100 CP-Anbietern im deutschen Raum, einen Preis für die besten CP-Produkte. Das gemeinsam mit Horizont Productions herausgegebene Jahrbuch dokumentiert diesen Preis, feiert die Bestplatzierten und bietet generell einen Überblick. Freudig darf bemerkt werden, dass nicht nur Print-Produkte hier ausgezeichnet und vorgestellt werden, sondern auch digitale Veröffentlichungen und Cross MediaAnsätze. Dieser Wandel nimmt in der 408-Seiten-Publikation zwar keinen wirklich großen Raum ein, wird aber doch an allen möglichen Stellen erwähnt und herausgestrichen. Nach verschiedenen Informationen im Buch beträgt der Gesamt-Markt für Corporate Publishing im deutschspachigen Raum 4,4 bis 5 Milliarden Euro pro Jahr. Bereits 1,6 Milliarden davon sollen auf digitale und mobile Kanäle entfallen. Einen internen Untersuchung zufolge spielt Social Media für die meisten der hier vertretenen Unternehmen übrigens derzeit noch eine untergeordnete Rolle. Auch hier gehen die Autoren davon aus, dass sich das in den nächsten Jahren rasch ändert. Im Hauptteil des Buches werden die Gewinner und die Shortlist aus den verschiedenen Bereichen vorgestellt. Eingeteilt werden sie in B2B, B2C, Mitarbeitermedien, Specials & Annuals, Digital Media und Sonderpreise sowie in verschiedene Branchen. Vorgestellt werden sie jeweils auf einer Doppelseite mit einigen Bildern, Basic-Infos und einem kurzen Text. Dabei wird leider verabsäumt – und das ist die große Schwachstelle des Buchs – die Platzierung ausreichend zu begründen; herauszustreichen und leicht erkennbar zu machen, warum gerade dieses Projekt nominiert oder ausgezeichnet wurden. Dieser Service und ein raffinierteres Layout hätten das Buch noch einmal deutlich besser gemacht. So bietet es einen feinen Überblick, hilft aber letztlich nur bedingt, die Feinheiten des Marktes zu verstehen oder sich mehr als ein paar Ideen abzuschauen. 5/10 martin mühl

ihrer Einkommensklasse so tragen. Man fragt sich, wo der Sinn dabei ist, dass der Inhalt aus dem persönlichen Medium Blog zurück aufs Papier kehrt. Doch schon Modeblog-Giganten wie Facehunter und Scott Schuman (The Satorialist) pressten vor einiger Zeit ihren Geschmack auf Papier. Was den großen Unterschied zu Les Mads macht, ist die Art der Darbietung. Anders als die Vorbilder arbeiten diese nicht mit Modefotos, sondern rein textlich. Und das auf einem sehr basic angelegten Level. Wie

im Vorwort geklärt wird, werfen sie als Amateure einen ersten Schulterblick auf eine Zeit, in der sie immer für den Moment gelebt haben. Für andere ist dieser Rückblick nur bedingt interessant. Dennoch hübsch sind intertextuelle Bezüge zu anderen Büchern, Filmen und Bands, die das Büchlein nach Blogmanier lebendig machen. Hilfreich sind dabei auch die gelungenen, zauberhaften Illustrationen von Silke Werzinger. 5/10 juliane fischer

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03

Taschenbuch) Die Modebloggerinnen Jessiva Weiss und Julia Knolle machen sich Gedanken zur Mode und bleiben dabei – wie das Thema selbst so oft – an der Oberfläche. Mit der Hyperaktualität und Subjektivität haben die Blogger den Modejournalismus zwar nicht auf den Kopf gestellt, aber ziemlich verunsichert. Denn die Leser wollen lieber wissen, was andere in ihrem Alter und

(B erliner

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Abt. Buch Fabian Burstein Statusmeldung

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( L abor) Fabian Burstein ist ein vielbeschäftigter

Wiener: Autor, Werbetexter, Magazinmacher, Verleger, Filmemacher, Grabredner und sicher noch so einiges mehr. Manche seiner Werke sind unglaublich mies, wie die Doku »Porno Unplugged«, er hat aber ein Gespür für Trends und Themen. Und so veröffentlicht er dieser Tage einen Facebook-Roman. Ganz offensichtlich lässt er dabei an Glattauers »Gut gegen Nordwind« und den Nachfolger denken. Im Gegensatz zu diesem fehlt ihm das literarische Talent. Das ist zu verschmerzen. Trotz der gelungenen Idee, den Protagonisten Julian Kippendorf tatsächlich auf Facebook anzulegen und agieren zu lassen, kommt im Buch aber wenig FacebookStimmung auf. Zwar gibt es neben langen Beiträgen auch Chats, Einzeiler und manchmal Kommentare, insgesamt aber sind viele Einträge zu lang und das Schnelle, Humorvolle und mitunter Bescheuerte an Facebook wird unterschlagen. Das mag aber auch an seinem Protagonisten liegen, den er schmerzlich naturgetreu anlegt: Ein 34-Jähriger, der sich benimmt wie ein 25-Jähriger, über eine Beziehung nicht hinwegkommt und sein Leid mit der Welt teilt. Dieser Typ ist zwar gelungen und realistisch gezeichnet – nervt deswegen aber kein bisschen weniger. »Statusmeldung« ist vielleicht der erste Facebook-Roman; es mögen bessere folgen.

5/10 Martin Mühl

Jonathan Coe Die ungeheuerliche Einsamkeit des Maxwell Sim

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( DVA ) Valentinstag ist nicht der richtige Tag, um sich

einsam zu fühlen, aber immer ein heißer Tipp dafür. Maxwell ist ein Opfer dieser valentinstäglichen Einsamkeit. Frau und Tochter haben ihn verlassen, seit sechs Monaten ist Maxwell Sim nun schon bei seinem Arbeitgeber depressionsbedingt krankgeschrieben und eine Reise zum Vater nach Australien bestätigt nur, dass dieser dem Sohn nichts zu sagen hat. Kein soziales Netz, nirgends. Da kommt das seltsame Angebot einer Wettfahrt zu den Shetland-Inseln wie gerufen. Auf dem Weg dorthin entwickelt Maxwell einen neuen Blick auf die Welt und die Menschen um ihn herum. Der lange Weg der klassischen Selbsterkenntnis geschieht durch das Reisen und das Lesen von Briefen, Biografien, aber auch von E-Mails. Jonathan Coe destilliert in seiner soziopathischen Hauptfigur den Grundwiderspruch des digitalen Zeitalters: Durch Smartphones, EMail und Facebook ständig erreichbar zu sein und zugleich verzweifelt auf der Suche nach Nähe zu vereinsamen. Wenn Maxwell nach Tagen in seinen Maileingang schaut, findet er nur Spams mit ViagraAngeboten. Seiner Exfrau kann er sich nur noch nähern, indem er sich im Internet als Frau ausgibt und einen Briefwechsel per E-Mail beginnt. Der Autor zeichnet dabei ein Gesellschaftspanorama, das mehrere Jahrzehnte umfasst, geht es doch um alte Familiengeschichten, vor langer Zeit zerbrochene Beziehungen und unaufgearbeitete Probleme.

Doris Knecht Gruber geht ( Rowohlt)

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Spür Dich, Du Sack Doris Knecht hat in ungezählten Kolumnen schon genug über sich selbst geschrieben. In ihrem Romandebüt beobachtet sie daher einen oberflächlichen männlichen Karrieristen beim Beinahe-Untergang: Beim Einkaufen, Rummachen, Haare lassen und beim Kotzen.

Gruber geht nicht gern zum Arzt, er sorgt selbst für sein Funktionieren. Alkohol, Koks und THC, vor allem aber Schmerztabletten garantieren so etwas wie Wohlgefühl. Auf die Dosis kommt es halt an. Frauen, und deren möglichst viele, sind die große Nebensache in Grubers Leben. Eigentlich eine Hauptsache, nur ihre individuellen Züge und Bedürfnisse interessieren ihn nicht. Eine Zufallsbekanntschaft öffnet dann auch den Brief vom Krankenhaus, den er schon seit mehreren Wochen bei sich trägt. Diagnose Krebs: faustgroß und bösartig. Er möge sich bitte melden, aber pronto. Die Fassade zerbröckelt. Gruber ist ein Macher, ist das Ausgeliefertsein nicht gewöhnt. Gruber beginnt sich selbst in Frage zu stellen, seine Umgebung wahrzunehmen und so etwas wie Empathie und Humor zu entwickeln. Dass dabei die Innensicht der Hauptfigur in der dritten Person erzählt wird, die Wahrnehmungen der Nebenfiguren dagegen aus der Ich-Perspektive, ist ein raffinierter Trick und trägt auf Romanlänge. Vor allem, da einige der Nebenfiguren eine eigene Entwicklung durchmachen. Grubers Schwester Kathi zum Beispiel, die sich in einer Bio-Bobo-MannKind-Haus-am-Land-Idylle als Lämmchen tarnt. Oder Sarah, die Leserin der Hiobsbotschaft und coole Berliner DJane in den Enddreißigern. Auffällig ist, dass Gruber, der ja als Karrierist präsentiert wird, nie über seine Arbeit nachdenkt, nie über den Chef oder die Arbeitskollegen spricht. Finanzielle Sorgen hat er auch mittelfristig keine, dafür hat die Karriere schon gereicht. Trotzdem müsste der Beruf, auch wenn sich Gruber gleich zu Beginn des Romans beurlauben lässt, in der Narration stärker vorkommen. Schließlich setzt sich Gruber mit seinem Erfolg gleich, auch deshalb ist der Krebs so ein Schock. Andererseits: egal. Es ist ein bisschen so, wie Sarah in einem ganz anderen Kontext sagt: »Man ist ja so, man ist cool, man ist tough, erst der Sex, erst das Vergnügen, dann vielleicht die Arbeit, aber eher nicht.« Und über Sex schreibt Doris Knecht gekonnt. Über den Schock, die eigenen Haare büschelweise ausfallen zu sehen auch. Über die Unmöglichkeit, um Hilfe zu bitten, über das Kochen von Suppen als einem Heilsversprechen und über Flirtszenen im Fitnesscenter. Die eingestreuten Songzitate und Facebook-Status-Updates passen sich da perfekt ein. Angst, Schweiß, Sex und gutes Essen brodeln hier unter einer cool-urbanen Oberfläche. 8/10 Doris Mitterbacher

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7/10 Juliane Fischer

Thomas Glavinic Lisa

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( H anser) Es ist Abend. Der Erzähler Tom, der seinen wahren Namen verheimlicht, hat seinen Sohn zu Bett gebracht und widmet sich nun seiner all­ abendlichen Beschäftigung: Er redet via Internet zu einer ihm unbekannten und nicht sichtbaren Hörerschaft. Dabei raucht er wie ein Schlot, säuft wie ein Loch und kokst wie ein Rockstar. Tom ist auf der Flucht und versteckt seinen Sohn und sich in einer abgelegenen Berghütte. Abends redet er sich um sein Leben, aufgepeitscht von Drogen, Schnaps und panischer Angst. Denn Tom wird verfolgt. Glaubt er


Abt. Buch

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zumindest. Indizien sprechen dafür, könnten aber auch bloßer Zufall sein. Bewahrheiten sich seine Vermutungen, hat er tatsächlich allen Grund zur Sorge: Verfolgerin Lisa wäre nämlich keine simple Verbrecherin, sondern eine abgedrehte Psycho­ pathin. Der direkte Einstieg in die einzelnen Kapitel erweckt den Eindruck, als drehe man an einer beliebigen Stelle das Radio auf. Gut gelungen ist vor allem das Konstrukt Kriminalgeschichte versus herbeigeredeter Normalität: Wenn nicht häppchenweise der Kriminalfall erläutert wird, erzählt Tom in atemberaubendem Tempo und wüstem Durcheinander aus seinem Leben und verteilt Seitenhiebe auf Alt-68er, Peter Handke, Bobos, Kleinstädter, Kirche oder Esoterik-Freaks. Das ist dann auch recht witzig – bis zur nächsten explizit grausigen Szene. Schade auch, dass das Buch endet, wie es endet. Die Erwartungshaltung liegt deutlich höher. 6/10 Martin Zellhofer

Constantin Göttfert In dieser Wildnis

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Grönlands. In Tagebuchform erzählt Kim von ihren Begegnungen mit den Einheimischen, die Kolonial­ geschichte der Grönländer wird bei Kim zum Spiegel für Migrantenschicksale rund um den Globus. In Grönland wurde die Kultur der Inuit, einem Volk von Jägern und Fischern, sukzessive durch ihre Eroberer unterdrückt. Kim spricht hier unter anderem von einem Assimilationsprozess im Laufe der letzten Jahrzehnte, der einer regelrechten Tilgung der Inuit-Kultur entspreche. Das Grönländische wurde in den Familien und den Institutionen auf der Insel zunehmend durch das Dänische verdrängt. Kim gibt in ihrem Buch nicht nur Einblicke in die karge Schönheit dieser Insel, sondern liefert dem Leser interessante Informationen über das alltägliche Leben auf der größten Insel der Welt. Das Inuit-Schicksal spiegelt dabei gleichzeitig auch das Fremde in ihr selbst wider und bedeutet eine Reise ins eigene Ich. 6/10 Lisa Dreier

07 Rainer Krispel In seinem dritten Prosaband Der Sommer als Joe Strummer kam schickt der 1979 in Wien geborene Autor seelisch (McPublish) Rainer Krispel, ehemals Booker im deformierte Adoleszente und Teenager in die WildChelsea in Wien und der Kapu in Linz, seit langem nis des Lebens, zumal in der Provinz. Die zehn IchMusikjournalist und Musiker und aktuell Sänger Erzählungen in kühler Sprache zeigen die Spuren bei Red River Two und Seven Sioux, ist nun der Entfremdung, die sich in den Figuren meist auch in die Welt der Literatur eingestieaus familiären Beziehungskonflikten hegen. Zwei Dinge vorweg: Sein Debütroraus in Schweigen und latenter Gewalt man ist nur als E-Book zu haben, als einzige Kommunikationsformen und Beistrichregeln werden mit manifestieren. Wenn etwa der Vater einer brutalen Unregelmäßigkeit im Puff hinter der slowakischen MEHR REVIEWS (möglicherweise absichtlich) Grenze eine Prostituierte filmt, WWW.THEGAP.AT missachtet. wird das eigene Petting schal; Hat man sich mit diesen beiden wenn senegalesische AsylantenGROSSES ARCHIV Umständen arrangiert, taucht kinder auf Teneriffa Benzin schnüfman in eine stark autobiografisch feln, lassen die Bauchschmerzen gefärbte und zeitlich nicht linear erder Freundin daneben kalt; und wenn zählte Geschichte rund um die Hauptder brandvernarbte Stiefvater Angst figur Gustav ein. Mittelpunkt ist Gustavs verbreitet, brät die Tochter schon mal eine langjähriges Dasein als Punker und späterem Nacktschnecke. Mittels eines superb gehandHC-Fan, Rückblenden erzählen vom Kindsein im habten filmischen Erzählens beleuchtet Göttfert Linz der 70er und 80er Jahren. In zahlreichen emotionale Devastierung und die aus ihr resultieaneinander gereihten Episoden, kleinen Anekdötrenden Körperunzugehörigkeitsgefühle, dass es chen, oft mit ironischem Unterton oder melanchoeinen fröstelt. Oh Wildnis Familie, oh Schutz vor ihr! 8/10 Roland Steiner lischem Einschlag, zeichnet Krispel ein Bild der Linzer Subkultur rund um deren damaliges ZenJack Kerouac 05 trum Kapu. Über all dem steht Punk als Religion, Mein Bruder, die See als Antrieb und Sinnstifter, der Gustav und seinem (E del ) It’s Beat – nicht weniger, aber auch nicht Umfeld die Möglichkeit eines anderen Lebens aufmehr. Durch das überhitzte 40er-Jahre-New York zeigt – inklusive Scheitern. Das ist eine relativ unvon einem Bier zum nächsten zu schlendern, dazwiaufgeregte, liebevolle Hommage an eine Zeit und schen flüchtige Saufbekanntschaften und Kurzzeitan Orte, die vielen in Erinnerung geblieben sein lieben zu entfachen, das ist Kerouacs Element. Das dürften, erzählt von einem Autor, der dabei war. 6/10 Martin Zellhofer zeigte sich auch schon in seiner ersten größeren Erzählung »Mein Bruder, die See«, die nun erstmals Paul Murray 08 veröffentlicht wird. Der Autor verarbeitet darin seiSkippy stirbt ne Erfahrungen bei der U.S. Navy. Das reißt mit, (Kunstmann) Der 800-seitige Roman des für man ist dicht am Erzähler dran. Beim Lesen stellt »An Evening of Long Goodbyes« gerühmten Iren sich gar das Gefühl ein, selbst Schritt für Schritt ist eine epische doch kurzweilige Tragikomödie über den Riverside Drive mit Kerouac und seinen über die existentielle Hölle namens Pubertät. Im Kumpanen zu flanieren und auch einen kräftigen priesterlichen Seabrook College von Dublin werSchluck Scotch abzubekommen. Verstärkt wird den Rivalenkämpfe geführt und Drogen angerührt, dieser Eindruck durch mehr als 50 zeitgenössische Pornoclips verschickt und Spirituosen mit Ritalin Fotografien von endlos scheinenden Landstraßen eingekippt, erste Lieben zurück- und Paralleluniund einengenden Seemannskojen. So wird dieses versen aufgestoßen. Der 14-jährige Außenseiter vergessene Werk zum authentischen Zeitdokument. Skippy, der gleich zu Beginn bei einem DoughnutAllerdings: Ganz lässt sich der Eindruck nicht verWettessen stirbt und dessen Leben retrospektiv meiden, dass hier einmal mehr mit dem Namen erzählt wird, teilt sich ein Zimmer mit dem fetten Kerouac Geld gescheffelt werden soll. 5/10 Andreas P. Jagersberger Mathematikgenie Ruprecht, verliebt sich dann aber in Lori. Denn unter dem Ennui ausstrahlenden Anna Kim 06 Coolness-Panzer der ziellosen MittelschichtInvasionen des Privaten Teenager klafft die Schlucht der Fragilität allzu (D roschl ) Die in Südkorea geborene und in schnell in die Erwachsenenwelt gestoßener NochDeutschland aufgewachsene Anna Kim beschreibt Kinder – und die Verbindung beider Generationen in ihrer dritten Veröffentlichung die Geschichte besteht aus Missbrauch. Murray ist ein Meister (P oetenladen )

des Fabulierens bei gleichzeitigem Bewahren einer großen Übersicht über die unzähligen Handlungsstränge seines vor Lebensechtheit strotzenden Personals sowie im Einbetten leiser Tragödien in eine schrille Komödie. 10/10 Roland Steiner

Julya Rabinowich Herznovelle

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( Deuticke) Da ist eine krank und geht zum Arzt. Nach ihrer Herz-OP verliebt sie sich, ohne ihn zu kennen. Was ist auch intimer, als wenn einer am eigenen Herz rummacht. Danach ist sie gesund. Soll heißen, sie sieht den Arzt nicht mehr. Muss dafür erkennen, dass ihr Leben, jetzt wo sie gesund ist und alles machen könnte, ziemlich leer ist. Da ist Bernhard, der Freund, übergeduldig und distanziert. Sie könnte sein Haustier sein, er kümmert sich, er sorgt sich, aber er nimmt sie kaum wahr. Zumindest nicht, solange sie funktioniert, was sie auch mit krankem Herz tat. Ihr wurden ohnehin nur leichte Aufgaben übertragen. Da ist Carla, die Freundin, die ihre Probleme (Midlifecrisis, Unzufriedenheit, Alkohol) und ihre Lösungen (Esoterik, Alkohol) aufdrängt. Carla muss aufdringlich sein, denn die Freundin bemerkt nichts, beobachtet nichts, lauscht nur nach innen, auf den Herzrhythmus, der gestört ist, der gestört sein muss, damit sie wieder zu dem Arzt gehen kann, von dem sie träumt, den sie begehrt. Außer Rottönen – Wein, Blut – nimmt die Figur nichts wahr. Die Autorin hat keine Angst vor drastischen Bildern, arbeitet mit Verfremdungen, Verdrehungen von Redewendungen, spricht von der »Endlösung der Kinderfrage«, von einem »Amorspfeil der anderen Art« (Skalpell) oder von der Angst »nicht zur Stelle, an der man ihn brauchen könnte« zu sein. Lyrische Passagen werden der Ich-Figur zugeschrieben, unterscheiden sich allerdings nur wenig von der Erzählstimme, passen in ihrer lakonischen Kenntnisnahme der Distanz zum angebeteten Mann nicht zur Figur. Die stalkt den Arzt ja richtiggehend. Trotzdem sind die Gedichte auch schön und effizient, fügen sich in den Text besser ein, als zu Beginn erwartet. Die Prosa schwebt zwischen Poesie und Pathos. In diesem Schwebezustand liegt die besondere Qualität des Buchs. 7/10 Doris Mitterbacher

Philip Roth Nemesis

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( Hanser) Der ewige Literaturnobelpreiskandidat Philip Roth fügt seinem jüngsten Erzählzyklus eine weitere Studie über menschliche Seelenqualen hinzu. Nemesis komplettiert eine Reihe schmaler Romane, in denen der Autor gekonnt in Abgründen stochert. Dieses Mal stößt er einen jungen Sportlehrer hinein. Der ist aufgrund einer Sehbehinderung im Zweiten Weltkrieg nicht als Soldat eingezogen worden und sieht sich mit einer Polio-Epidemie konfrontiert, die vor allem rund um seinen Sportplatz Opfer fordert. Als er zu seiner Verlobten aufs Land zieht, verfolgt ihn die Kinderlähmung und es treten auch dort die ersten Fälle auf. Schließlich erkrankt er selbst. Damit beginnt der körperliche und seelische Verfall des einst so kräftigen Mr. Bucky Cantor. Der aktuelle Band enthält alles, was die Literatur von David Roth ausmacht: Einen Plot, der sich langsam entwickelt und in dem er seine Figuren fast genussvoll leiden lässt, eine fiktive Handlung, angesiedelt in der jüdisch geprägten Realität von Newark und vor allem eine Sprache, die Alltagszenen ebenso präzise und unaufgeregt beschreibt wie das Hadern seiner Figuren mit der Vorsehung (oder dem Zufall). Was Nemesis aber fehlt, sind die kunstvollen Haken, die Roth sonst in seine Geschichten einbaut. Die Handlung ist über weite Strecken vorhersehbar. 6/10 Werner Reiter

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Abt. Comic

Pascal Girard Bigfoot

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a. 114/ Re zens ione n

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( D rawn & Q uarterly ) Ach, Teenager, verliebt, unsicher und eifersüchtig sein. Was waren das doch für Zeiten … Mit großer Sicherheit haben die meisten das schon erlebt. Und trotzdem kann kaum jemand darüber erzählen und das gleiche Gefühl wieder aufkommen lassen. Pascal Girard schafft das in »Bigfoot«. Die Peinlichkeiten, die Schwärmereien, ambivalente Machtverhältnisse, der eigene Körper. Analytisch betrachten kann es jeder, aber dieses Gefühl wiederzuerwecken, besser gesagt, das nostalgische Gefühl sich daran zu erinnern, wie man glaubt, dass es sich damals angefühlt haben könnte, das ist es, was Girard gelingt. »Bigfoot« beschwört eine Sensibilität des Zwischenmenschlichen, wie sie vergleichbar bisher nur im expressiven »Blankets« von Craig Thompson bewundert werden konnte. 7/10 Nuri Nurbachsch

Sarah Glidden How to understand Israel in 60 days or less

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( D C Vertigo ) Taglit oder Birthright Israel wurde 1999 gegründet, um Juden im Alter von 18 bis 26 Jahren die Möglichkeit zu geben, Israel zu besuchen. Sarah Glidden macht von diesem Programm Gebrauch und sammelt ihre Eindrücke in »How to understand Israel in 60 days or less«. Als persönliches Dokument einer Reise ist das Werk gelungen. Ihre Erfahrungen in einer Region, deren politische und soziologische Konflikte Eindrücke auf der ganzen Welt und vor allem im Identitätsverständnis religiöser Gruppen hinterlässt, bringt Sarah Glidden fließend und anmutig zu Papier. Um dokumentarisch gelesen zu werden – trotz aller Bemühungen Gliddens, dem Erlebten mit skeptischer Haltung gegenüberzutreten – ist der Inhalt aber dann doch zu US-amerikanisch geprägt. 6/10 Nuri Nurbachsch

Carla Jablonski, Leland Purvis Resistance (Book 1)

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( F irst S econd ) Wir sollten nicht den Fehler begehen, die Ereignisse der Vergangenheit als verstanden und verarbeitet zu betrachten. Unsere jüngste Geschichte wird vom Zweiten Weltkrieg dominiert, den es noch immer aufzuarbeiten gilt. Frankreich, Anfang der 40er Jahre, unbesetztes Gebiet. Hier hält die Illusion des freien Frankreichs, trotz wütendem Krieg und der ständigen Präsenz der deutschen Streitkräfte. Kind sein ist nicht einfach für Paul Tessier, seine jüngere Schwester Marie und ihren gemeinsamen jüdischen Freund Henry. Als dessen Eltern plötzlich verschwinden und das Hotel der Familie beschlagnahmt wird, versteckt Paul seinen Freund im Keller, um ihn zu schützen. Und erregt damit die Aufmerksamkeit der französischen Widerstandsbewegung. Spätestens jetzt wird »Resistance« zu einem Abenteuer, das dem Versuch der Tapferkeit im Angesicht großen Terrors zu huldigen vollständig erliegt. Auch wenn Jablonski und Purvis bemüht sind, der Realität der Scheußlichkeiten treu zu bleiben, so gleitet »Resistance« fortwährend in den Mythos der Heldenromantik, interpunktiert von wenigen poetischen Momenten der Klarheit. 4/10 Nuri Nurbachsch

► 0 7 2 / AUSGABE 114

Martin Flink The Man Of Glass ( Accent U K )

Nur ein paar Seiten

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Es ist überwältigend, welch starke Emotionen man auf wenige, beinahe wortlose Seiten bannen kann. »The Man Of Glass« schafft dies auf zutiefst berührende Weise. Es ist ein klassisches Drama. Viele tausende Male zum Besten gegeben, in vielen tausend Varia­ tionen und Interpretationen. Der Schicksalsschlag, der das Leben heimsucht. Die Schuldgefühle, die Verluste und unerfüllten Sehnsüchte. Dieser alte Mann, der sich an eine andere Zeit erinnert, als er noch ein Boxer war, eine Familie hatte. Die Erinnerungen, manche fetzenhafte, flüchtige Impressionen längst vergessener Ereignisse. Andere wieder klar und schneidend, als ob kein Tag vergangen wäre. Auch der süßeste Traum kann bitter werden. »The Man Of Glass« füllt eben mal 40 Seiten. Das schmale Heftchen würde in einem Regal kaum auffallen, der Titel und der Name des Autors sind auf dem dürren Rücken gerade noch leserlich. Aber hat man das Glück, es in die Hand genommen und durch seine stillen Seiten geblättert zu haben, dann verwandelt es sich. Plötzlich wiegt es schwer in den Händen und ist umhüllt von einem Sturm an Eindrücken, Emotionen, fremden und eigenen Erinnerungen. Tage später noch erfasst eine berauschende Schwere das Herz, wenn einem das einfache Cover – der fleischige Boxer, sein Kopf gesenkt – in den Sinn kommt. Martin Flink (Nielsen) tauchte als Gigant der essentiellen Verknappung aus der dänischen Comic-Szene auf. Bereits aus den Selbstveröffentlichungen »Epilepsi« (2005, 12 Seiten) und »Robotten« (2006, 8 Seiten) spricht überwältigende Dichte und Fokussierung. In Flinks simpler Bildsprache verhüllt sich eine wahre Supernova an fokussierten Impressionen. Seine Comics zu lesen ist beinahe so, als ob man alles selbst erleben und spüren würde. »The Man Of Glass« führt seine Kunstfertigkeit auf ein unglaubliches Niveau. Selbst bei größter Distanziertheit ist es unmöglich, nach der Lektüre unberührt zu bleiben. Flinks Bilder reiten auf heimlichen Wegen in unser Unbewusstes, erblühen dort zu Fragmenten aus einem fiktiven Leben. Er schafft es, die Grenzen zwischen der eigenen Realität und der fiktiven Realität verschwimmen zu lassen. »The Man Of Glass« ist das erste internationale Comic von Martin Flink. Es ist zu hoffen, dass jede weitere seiner Arbeiten ein solches Erdbeben verursachen kann. 10/10 Nuri Nurbachsch

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Abt. Games

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a. 114/ Re zens ione n

Dead Space 2 (Visceral / E A ) ; Xbox 3 6 0 getestet, P S 3 , P C ; www. ea. com/de /dead- space- 2

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Harter Kampf in Alltagsräumen Auch im zweiten Teil besticht die »Dead Space«-Reihe mit außergewöhnlich gutem Design und blutigem Survival-Horror.

Drei Jahre nach seinen Überlebenskampf auf der USG Ishimura erwacht Isaac Clarke auf der Krankenstation der Raumstation The Sprawl. Er wurde von der Regierung abgefangen und mittels Stase ruhig gehalten, da man befürchtet, sein Kontakt zum religiös aufgeladenen Marker verleihe ihm besondere Macht. Doch auch The Sprawl wurde von den Necromorphs überrannt und Issac muss mit wenigen anderen Menschen – von denen ihm nicht alle freundlich gesinnt sind – abermals ums Überleben kämpfen. Die Raumstation fühlt sich nicht merkbar größer an, als es die Ishumura war, aber es macht einen Unterschied, dass die Spielumgebung nun nicht die funktionale Maschinerie eines Raumschiffs ist, sondern Isaac sich durch vormals belebte Alltagsräume kämpft: Marktplätze, Wohnungen, Kindergärten oder Kirchen. Sympathisch ist dabei, dass das Macht-Konglomerat von Staat und Kirche durchwegs bedrohlich und rücksichtslos gezeichnet wird. Weniger abwechslungsreich, aber dafür umso perfekter inszeniert und programmiert ist das eigentliche Gameplay. Isaac kämpft sich durch dunkle Räume, wird von Necromophs angegriffen und muss sich gegen diese wehren, indem er ihre Gliedmaßen mit verschiedenen Waffen abtrennt. Während im ersten Teil Taktik erst in den höheren Schwierigkeitsgraden eine Rolle spielt, wird der Spieler hier früh motiviert, etwa Stase (das kurzzeitige Ruhigstellen der Gegner) oder Telekinese zu seinem Vorteil einzusetzen. Auch die Vielfalt an Waffen und kleineren Rätseln ist durchaus gelungen. Abgerundet wird das Spiel durch einen feinen Multiplayer-Part, in dem einige Spieler die Rolle der Necromorphs übernehmen. Die Direktheit, mit der das Game vor allem auch in den Kampfpassagen vorgeht, sorgt derzeit wieder einmal für Kritik und Diskussionen in Deutschland. Und ja, »Dead Space 2« ist hart und manchmal von bitterem Humor gezeichnet – es ist aber auch eines der gelungensten Survival-Horror-Entertainment-Produkte derzeit. 9/10 martin mühl

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Abt. Games Angry Birds ( R ovio / Chillingo ); PS3, PSP; ww. rovio. com

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Mit Vögeln auf Schweine schießen. Damit ist das Gameplay von »Angry Birds« erklärt. Die bösen Schweine haben den Vögeln ihre Eier gestohlen und die Vögel möchten die natürlich zurückhaben. Dazu schießt der Spieler Vögel mit einer Art Steinschleuder auf die Schweine, die sich hinter immer komplexer und robuster werdenden Konstruktionen verbarrikadieren. Für die PSP ist dieses Puzzlegame mit seinen zahlreichen kurzen Levels gut geeignet, allerdings unterscheidet sich das Spiel in keinster Weise von der bekannten Version für iPhone bzw. Android. 8/10 Niko Acherer

Astroslugs

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( H eadup Games / B it Barons); P C getestet, M ac; www.astroslugs .com

Schleimige Schnecken wollen den Weltraum erobern – so viel zur Storyline. »Astroslugs« ist ein weiteres der unzähligen Knobelgames, die seit Facebook, Smartphones und iPad um die Gunst der Spieler ringen. Diesmal gilt es Kugeln, die sogenannten Slugballs, in vorgegebenen Kombinationen miteinander zu verbinden, bis keine Kugel mehr für sich alleine auf dem Spielfeld steht. Die Verbindungen werden mit der Maus gezeichnet, somit eignet sich die Steuerung perfekt für Touch-Interfaces, der eigentlichen Zielplattform für dieses Game. Auf Grund des simplen Prinzips entstehen unzählige Levels, von denen man an manchen auch schon mal eine gute halbe Stunde sitzt, bis man auf die Lösung gekommen ist. Soweit so gut, leider nerven aber die ewig gleichen Zwischensequenzen nach jedem bestandenen Rätsel, der Düddelsound hilft beim Knobeln auch nicht und der Ausblick, dies noch weitere 100 Levels aushalten zu müssen, drückt auf Motivation und Spielspaß. Weniger wäre hier mehr gewesen. 4/10 johann scholz

DC Universe Online

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( S ony Online E ntertainment ); PS3 getestet, PC; www.dcuniverseonline .com

Die stärkste Waffe dieses Online-Rollenspiels ist offensichtlich: die Lizenz für DC, einen der beiden ganz großen Superhelden-Verlage. Nachdem im Editor Geschlecht, Aussehen und Superkräfte des Protagonisten definiert wurden, darf ein Mentor – alle wichtigen Helden und Schurken stehen zur Wahl – bestimmt werden, der in Folge Aufträge vergibt. Und MMO-typisch stehen unzählige Quests und Instanzen auf dem Programm; Letztere gibt es in diversen Koop- und PvP-Varianten. Die Geschich-

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te rund um einen außerirdischen Superbösewicht, der die Existenz von Helden und Schurken gleichermaßen bedroht, bietet einen guten Rahmen für die unzähligen Fights. Allerdings hätte die Action variantenreicher ausfallen dürfen. Gemeinsam mit der schlichten Gegner-KI gestaltet sich das Spielgeschehen so recht eintönig. Das ist schade, bietet »DC Universe Online« doch gelegentlich grandiose Atmosphäre. Ein Highlight für Batman-Fans: der Flug übers nächtliche Gotham City.

oder Buchstaben zu schreiben. MEHR REVIEWS »Körper- und Gehirnübungen« ist WWW.THEGAP.AT deswegen viel schneller langweilig und bis auf den Grundantrieb, GROSSES ARCHIV besser zu werden, wenig motivierend. In der Gruppe, Familie oder in bestimmtem Alter lässt sich damit sicher ein wenig Spaß haben – die zwingende Breitenwirkung der Vorgänger fehlt aber.

6/10 stefan kluger

5/10 martin mühl

De Blob 2

(THQ); Xbox 360 getestet, PS3, W ii , DS, 3D S ; www. deblob. com

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Abermals gilt es als Blob die Spielwelt vor den Machenschaften von Staat und Inkt Corporation zu retten. Diese entziehen alle Farbe und damit jegliche Individualität. Der erste Teil für Nintendos Wii setzte das schon charmant und detailreich um, der Nachfolger erscheint nun für alle gängigen Konsolen und steht dem in Nichts nach. Es gilt sich durch die Spielwelt zu bewegen, Gebäude und andere Einrichtung mit Farben und Mustern zu versorgen und Inkt zurückzudrängen. Dass die Verbindung von Staat, Konzern und ein bisschen Kirche hier als Spaß-Killer verstanden wird und in diesem Sinne nicht blinder Gehorsam gegenüber diesen Institutionen im Vordergrund steht, ist durchaus ungewöhnlich in Spielen. Junge Spieler haben sicher noch mehr Spaß am Einfärben. 7/10 martin mühl

Dr. Kawashima’s Körperund Gehirnübungen (Namco); K inect fü r Xbox 3 6 0 ; www. de.namcobandaigames.eu

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»Dr. Kawashima’s Gehirnjogging« und der Nachfolger waren ungewöhnliche Spielehits auf Nintendos DS. Rätselspaß für viele Altersgruppen (Zahlen und Schreibkenntnis sind Voraussetzung), der motiviert und offensichtlichst Unterhaltung jenseits von Gewalt-Diskussionen bietet. Ob die Übungen tatsächlich das Gehirn trainieren sei dahingestellt, Schaden kann aber ausgeschlossen werden. Nun soll das Gleiche mit Kinect für Xbox 360 funktionieren und folgerichtig den ganzen Körper mit einbinden. Leider fallen die Übungen in diesem ersten Titel aber arg einfältig aus. Es gilt, leichte Aufgaben zu lösen (Rechnen, Formen erkennen, Wege bilden, ...) und mittels Gliedmaßen die richtigen Antworten zu triggern. Dies ist zwar ohne Zweifel eine Verbindung von Kopf und Körper – aber eine nicht besonders verlockende. Darüber hinaus unterscheiden sich die Aufgaben sehr wenig, weil die Kamera eben doch weniger Eingabemöglichkeiten bietet als Pen und Touchscreen, wo es auch möglich war, Zahlen

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Prince Of Persia 3D-Trilogie ( Ubisoft) ; P S 3 ; www. ubisoft. de

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Updates, die ältere Titel auf aktuelle Konsolen bringen, können technisch mit modernen Spielen nicht mithalten. So auch die »Prince Of Persia«Trilogie, der man trotz HD-Polierung ihr Alter jederzeit ansieht. Dafür profitiert man als Spieler vom nach wie vor weit überdurchschnittlichen Gameplay aus Kampf- und Geschicklichkeitspassagen. Und wer einen 3D-Fernseher zur Verfügung hat, kann sich davon überzeugen, dass der Effekt bei Spielen dieser Art tatsächlich einen Unterschied macht. Während das Setting eher unbeeindruckend an einem vorbeizieht und 3D in den Hüpfpassagen zumindest hier keinen Unterschied macht, ist es durchaus beeindruckend in einem Kampf beim Ausweichen das Schwert des Gegners in 3D an einem vorbeiziehen zu sehen. Die vorliegende Trilogie spielt sich immer noch großartig – und deswegen: Wir wollen mehr Spiele in dieser Qualität, aber mit modernster Technik und 3D! 8/10 martin mühl

Wallace & Gromit: Grand Adventures

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(Telltale Games / Daedalic); PC; www.telltalegames.com/wallaceandgromit

Die kultigen Knet-Figuren des britischen Animationsmeisters Nick Park feiern bereits ihren vierten Auftritt auf dem PC. Telltale setzt das Flair rund um die West Wallaby Street 62 gekonnt in Szene. Die reduzierte Grafik, die man schon aus anderen Spielen der Adventureschmiede kennt, passt sehr gut zu dem Stil der Animationsfilme. Auch die neuen Charaktere, der Witz und die Storyline geben einem das Gefühl, nah an den Protagonisten dran zu sein, nicht zuletzt durch die sogar in der deutschen Version verwendeten Originalsprecher. Leider erbt »Wallace & Gromit: Grand Adventures« aber auch die Schwächen der anderen Produkte von Telltale: Die Rätsel sind für Adventure-Fans einfach zu leicht, die MausTastatur Steuerung umständlich, und wer mit dem Humor der Vorlage schon nichts anfangen konnte, wird auch von den Spielen nicht bekehrt werden. 5/10 johann scholz


poolbar style & architektur Wettbewerbe: Votings jetzt! Die Ausschreibungen der Wettbewerbe in den Bereichen Architektur und Mode sind abgeschlossen - jetzt geht´s darum, wer die Publikumspreise erhält. Die Galerien zu beiden Wettbewerben samt Votingmöglichkeit sind jetzt online. poolbar in Wien: 19.5. - 22.5. poolbar in Feldkirch: 1.7. - 15.8. Wer´s genau wissen will: www.poolbar.at

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Termine Musik

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sound:frame 2011 festival for audio:visual expressions

8. april 2011 RindeRhalle neu marx starting at 20:30 freier eintritt Patrick Wolf macht hymnischen Electro-Pop. Fesch ist er auch.

Patrick Wolf

«atom»

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Noch vor der Veröffentlichung seines mittlerweile fünften Studioalbums im Mai kommt der talentierte britische Sänger, Komponist und Multiinstrumentalist für eine Show nach Österreich. Erstmals von sich reden machte Patrick Wolf bereits 2003 mit seinem Debütalbum »Lycanthropy«, das auf dem Label Tomlab erschien. Mit seiner Mischung aus synthetischen Elektronik-Klängen, Folk und Popmelodien konnte sich der britische Künstler einen fixen Platz in der gegenwärtigen Musikszene erobern. An der elektronischen Musik fasziniere den jungen Sänger das Frische, das Futuristische, denn im Vergleich zu anderen Musikstilen könne dieses Genre auf keine weit zurückreichenden Traditionen zurückgreifen. Vor allem sein drittes Album »The Magic Position« lieferte Hits, die noch immer in den Indie-Clubs auf und ab gespielt werden. Der britische Musiker inszeniert sich in der Öffentlichkeit als Gesamtkunstwerk im Sinne von Björk oder dem frühen David Bowie. Als Vorboten für das neueste Werk veröffentlichte Wolf bereits die Singles »The Time Of My Life« und »The City«. Und diese beiden Lieder liefern den perfekten Soundtrack, um sich auf das bevorstehende Konzert einzustimmen. 08. April Wien, Wuk

Live Av PerformAnce for A mAtrix of 64 gAs bALLoons, Lights & sound robert henke & christopher bauder isolée - live the blessings - live & dJ duffsteP - Live Av inA d & decoLLAge.tv And mAny more ...

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Bilderbuch

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Die vier jungen Oberösterreicher von Bilderbuch überraschten mit ihrem ersten Album »Nelken & Schillinge« die heimische Musikwelt. Mitreißende rockige Klänge treffen bei den jungen Herren auf abstrakte Texte. Nach dem Erfolg des Erstlings folgt nun im März das zweite Werk der Band samt Österreich-Tournee. Die erste Single des neuen Albums »Karibische Träume« ist bereits erhältlich. 11. März Linz, Ars Electronica Center 24. März Graz, PPC 12. März Salzburg, Große N8musik 25. März Klagenfurt, Stereo 16. März Wien, Flex 26. März Sinabelkirchen, Shagadelic 19. März St. Pölten, Freiraum 06. April Innsbruck, Weekender


077 HDM SpringBreakFestival

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Das Wiener Haus der Musik begeht den Frühlingsbeginn mit einer Reihe internationaler und nationaler musikalischer Größen. Neben einem umfangreichen Kinderprogramm treten der Austro-Brite Trouble Over Tokyo und Moneybrother auf. Ersterer ist bekannt für seine unverkennbare Falsettstimme und Moneybrother reist aus Schweden mit wunderschönen Melodien im Gepäck an. Support gibt es unter anderem von Destroy, Munich. 25. bis 27. März Wien, Haus der Musik

Tripledecker

Burn, Baby, Burn

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Ein Gipfeltreffen musikalischer 80er-Jahre-Underground-Legenden verspricht die Burn, Baby, Burn-Tour im Wiener Fluc. Es treffen hier Julee Cruise, Alex Hacke, Kid Congo Powers und eine Reihe anderer namhafter Musiker aufeinander. Gespielt wird ein Sammelsurium an Songs der einzelnen Bandmitglieder. Im oberen Stock des Fluc werden gleichzeitig verschiedene Künstler zu Ehren Julee Cruises Songs des »Twin Peaks«-Soundtracks neu interpretieren. 21. März Wien, Fluc

Vorspiel

Paul van Dyk

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Wochenendausflug ins Wiener Disneyland? Der international erfolgreiche DJ und Grammy-Gewinner Paul van Dyk kommt nach Wien. 04. März Wien, Pratergalerien

_ KK Null & The Noiser _

Die Linzer Partyreihe Vorspiel lädt zum wiederholten Male zu einer Techno/Electro-Party. Als Liveacts treten DDDisco (Alex Jöchtl & Didi Bruckmayr) und Der Eindimensionale Mensch in der Stadtwerkstatt auf. On the Decks: die DJs Pröll, Thomas Kay und TonPhysiker. Für Fans von bassigeren Klängen sowie Drum’n’Bass gibt es im Strom ein Kontrastprogramm mit DJs wie Alexx Aiyax und Nives. 11. März Linz, Stadtwerkstatt / Strom

TBA=5 Geburtstagsfest

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Das Forum Stadtpark lädt zu einem handfesten HalliGalli auf drei Floors ein. Dafür garantieren Künstler wie Sir Tralala & The Golden Glanders oder das Nachfolgeprojekt des Beautiful Kantine-Sängers mit dem klingenden Namen Bo Candy & His Broken Hearts. DJ-Sets gibt es unter anderem vom Wilhelm Show Me The Major Label. Die Abgesandten der ElectronicSzene Machinedrum und Kelpe reisen extra aus New York und London ins Forum deines Vertrauens. 19. März Graz, Forum Stadtpark

KK Null aus Japan und The Noiser aus London bringen den experimentellen Umgang mit Soundmaterial auf die Bühne. KK Null ist Mastermind der Avantgarde-Rock-Band Zeni Geva. Nun ist er auf Solopfaden unterwegs und lotet die Möglichkeiten der elek­ tronischen Musik aus. Was dabei rauskommt, kann als Cosmic Noise Maximal/Minimalism beschrieben werden. The Noiser alias Julien Ottavi vereint in seiner Arbeit Sound Art und Realtime Video mit neuen Technologien und Körperperformances. 15. März Wien, Rhiz

_ Deckchair Orange

Der erste runde Geburtstag des Magazins ist ein gebührender Anlass, um eine große Party mit Live-Konzerten, DJ-Sets und Performances zu schmeißen. Das DJ-Set bestreitet kein Geringerer als Joe Goddard (Hot Chip). Doch das Line-up wartet noch mit einer Reihe weiterer musikalischer Highlights auf, darunter die britische Band Young Rebel Set, Horse Meat Disco, Dry The River, Francis International Airport, Marilies Jagsch, My Name Is Music und The Freaks Come Out At Night. 26. März Wien, Arena

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Wir befinden uns im Zeitalter des Pfaus. Was auch immer das bedeuten mag, es hört sich gut an. So wie eben auch das neueste Werk von Deckchair Orange. Seit dem ersten Album noch mehr in die Musik hineingewachsen und um etliches an Live-Erfahrung reicher, verortet sich die Band irgendwo zwischen Wien und dem Produzenten Ron Flieger in München. Aus der Dienje-Familie stammen auch die Labelgeschwister This Is The Arrival, welche beim Release im Fluc die Bühne vorwärmen werden. 02. März Wien, Fluc


jeunesse jazz+ experimental 19.03.

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Termine Kultur

21.03.

Porträt 19.03. Peter Jakober

Sa | 20:00 : neue.musik : ORF RadioKulturhaus | Argentinierstraße 30a | 1040 Wien Das Portraitkonzert spannt einen großen Bogen von Stücken für Solostimme und Elektronik bis hin zu Chor und Orgelpfeifenorchester – inklusive Uraufführung einer Auftragskomposition von Jeunesse und ORF! Annelie Gahl Violine Sylvie Lacroix Flöte Axel Kircher Viola Michael Moser Violoncello Krassimir Sterev Akkordeon Satori-Quartett A Cappella Chor Tulln Grazer Orgelpfeifenorchester Peter Jakober Live-Elektronik

»Brauchen wir einen Unfall?« fragt Filme­ macherin Sabine Marte kokett. »Nein, hatten wir schon«, sagt das Bild dazu.

Hollerer / Marte »Brauchen wir einen Unfall?«

Tony Malaby‘s 21.03. Apparitions

In der Ausstellung Hollerer / Marte trifft das Werk der Filmemacherin und letztjährigen DiagonalePreisträgerin Sabine Marte auf die Installationen des Bildhauers Clemens Hollerer. Die beiden verbindet das Interesse an den Bedingungen und Wirkungen des Raumes. Film und Raum gehen dabei einen Dialog ein. Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit der Diagonale 2011.

Tony Malaby Sopran- und Tenorsaxophon Drew Gress Kontrabass John Hollenbeck Schlagzeug Tom Rainey Schlagzeug Freiheit und Form als duale Aspekte musikalischer Evolution – avancierter Jazz, der die Grenzen zwischen Komposition und Improvisation auflöst.

Eröffnung: 10. März 2011, 19.30 Uhr 11. März – 15. Mai 2011 Kunsthaus Graz, Space 02, Graz; www.museum-joanneum.at

Mo | 20:00 : jazz : Porgy & Bess | Riemergasse 11 | 1010 Wien

NICE PRICE! <26 Jahre 10,– EUR Vollpreis 17,– EUR

Teheran im Kino Eine Metropole und über acht Millionen Einwohner in den Fängen eines Regimes, das in jeden Bereich des Lebens einbricht – in einer Filmreihe werden in Zusammenarbeit mit dem Kulturverein Andischeh neun aktuelle Beispiele auf die Leinwand gebracht, die sich der verschiedenen Realitäten dieser Stadt annehmen. Jeder Film zeigt aus einer anderen Perspektive das Leben, die Menschen und die Probleme im Nahen Osten. 04. – 10. März 2011 Admiral Kino, Wien; www.admiralkino.at

saison

klassik

jazz

2010|11

world

neue musik kinderkonzerte

(01) 505 63 56

www.jeunesse.at

Imagetanz 2011 Die diesjährige Ausgabe des Tanzfestivals stellt den Effekt ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Es geht um die Frage nach der Wirkung von Theater, Performance und Choreografie. Das Festival präsentiert neben Tanz und Performance auch Partys und Konzerte. Zum Auftakt testen die Superamas den Wohlfühleffekt. Abgerundet wird ihre Lounge-Performance von einem Konzert des Electro-Pop-Trios The Bandaloop. Eröffnung: 4. März, 20.00 Uhr 04. – 19. März Brut im Künstlerhaus / Konzerthaus, Wien; www.brut-wien.at

Fading Moments – Ein kubanischer Traum

bratfisch

» Unter Wasser«

DJ-Line designed by John Megill

31.03.

Donnerstag | 20:00 Einlass | 21:00 Beginn Badeschiff Wien | Eintritt Euro 5,–

Fotografin Petra Benovsky ging zusammen mit dem Model Julia Horvath auf einen »Model-Roadtrip« quer durch Kuba. Die im Jahr 2010 entstandenen Fotos vermitteln karibisches Flair und lassen hinter die verfallenen Fassaden Kubas blicken. Neben den analogen Fotografien, welche die Vergänglichkeit festhalten, wird auch eine Filmdokumentation über die abenteuerliche Reise gezeigt. Vernissage: 17. März 2011 Showroom der Firma Neudörfler, Wien; www.modelroadtrip.com

Martin & The Evil Eyes Of Nur Das Musikperformance-Trio Martin & The Evil Eyes Of Nur setzt sich aus den drei Kunstfiguren Herr Leitung, Kaiser Kurzweil und Pussy Hass zusammen. Sie präsentieren im Rahmen der MAK Nite-Reihe ihre eigenen Songs in einer exzentrischen Show. Das Trio kann als Zerrspiegel für Popmusik und Mode und den damit verbundenen endlosen Retro-Schleifen verstanden werden. 22. März, 20.00 Uhr MAK Säulenhalle, Wien; www.mak.at

www.jeunesse.at | (01) 505 63 56


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Termine Galerien

REDAktion Stefan Tasch

HIGHLIGHTS MÄRZ / APRIL FR. 4.3. 20:00 | INDIE/ALTERNAT

IVE

TROUBLE OVER TOKYO / PILOTS / ELECTRIC THEATRE / VISITIV: INDIE-NATIVE # 6 SA. 12.3. 23:00 | DRUM ’N’ BASS

NO COMMENT FEAT. SIGMA (BBK / UK) FR. 18.3. 20:00 | KABARETT

ANDREAS REBERS: DER GEGENBESUCH

FR. 18.3. 20:00 | ROCK

MADSEN: LABYRINTH TOUR 2011 DI. 22. – DO. 24.3. 20:00 | KABARETT

Gavin Turk, Kragi Vunt, 2010 Ton, 34 × 21 × 23 cm Courtesy Galerie Krinzinger

Lori Hersberger, Cuboid 300 Black, 2008 Stahl, Emaille, Lack, 300 × 180 × 100 cm Courtesy Galerie Thaddaeus Ropac

Gavin Turk

Lori Hersberger

Der 1967 in England geborene Künstler Gavin Turk zählt zur Generation der YBAs (Young British Artists) die in den 90er Jahren die internationale Kunstszene dominierten. Er nahm 1997 an der von Charles Saatchi organisierten Ausstellung »Sensation« teil und zeigte mit seiner Arbeit »Pop« eine lebensgroße Wachsfigur, die sowohl Selbstporträt als auch Sid Vicious von den Sex Pistols darstellte. Turks eigenes Gesicht bildet immer wieder die Grundlage seiner Skulpturen, Zeichnungen und Prints, die Andy Warhol ebenso einbeziehen wie Marcel Duchamp oder Elvis Presley. Er hinterfragt darin die Autorenschaft des Künstlers, dessen Stellung im Kunstbetrieb oder seine kunstgeschichtliche Relevanz. In der bei Krinzinger gezeigten Ausstellung »Before the world was round« zeigt Turk unter anderem auch seine 2010 entstandenen Tonskulpturen »En Face«.

Der 1964 in Basel geborene Künstler Lori Hersberger zeigt in seiner aktuellen Ausstellung »Heroic Nihilism« ein für ihn typisches Multimedia-Setting. Im Zentrum stehen vier große Stahlskulpturen aus der Serie »Cuboids« die wie ein Gegenentwurf zu Donald Judds scharfkantigen Perfektionismus zerbeult und eingedrückt im Raum stehen. Begleitet werden diese monochromen Riesen von Malerei und einer Lichtskulptur aus weißen Neonröhren. Hard-Edge, Minimal, Land Art und Pop bilden das Referenzsystem für Hersbergers Kunst, die immer auch den Rahmen sprengt – vor allem in seiner Malerei – und für ein visuell ganzheitliches Raumkontinuum eintritt. Der Aspekt der Spiegelung, insbesondere an der Oberfläche der polierten Skulpturen, spielt ebenfalls eine große Rolle und verstärkt die wechselseitigen Reflexionen der unterschiedlichen im Raum ausgestellten Medien.

GALERIE KRINZINGER GALERIE KRINZINGER bis 26. März

GALERIE THADDAEUS ROPAC Halle, Vilniusstraße 13, 5020 Salzburg bis 26. März

WIEN KERSTIN ENGHOLM GALERIE Schleifmühlgasse 3, 1040 Wien 16. März bis 24. April Björn Dahlem

NIEDERÖSTERREICH GALERIE JÜNGER Pfarrgasse 1, 2500 Baden Bis 07. Mai Oswald Oberhuber. Ohne Zweifel

GALERIE ERNST HILGER Dorotheergasse 5, 1010 Wien 08. März bis 15. April Mel Ramos. works on paper

OBERÖSTERREICH GALERIE AM STEIN MONIKA PERZL Lamprechtstrasse 16, 4780 Schärding Bis 03. April Jakob Gasteiger SALZBURG GALERIE NIKOLAUS RUZICSKA Faistauergasse 12, 5020 Salzburg 15. März bis 09. April Opera Seria – Serial aspects in contemporary art

GALERIE GRITA INSAM An der Hülben 3, 1010 Wien 24. März bis 30. April Manuel Knapp GALERIE MARTIN JANDA Eschenbachgasse 11, 1010 Wien 16. März bis 23. April Gabriel Sierra / Christian Hutzinger GEORG KARGL FINE ARTS Schleifmühlgasse 5, 1040 Wien 16. März bis 04. Mai Bernhard Leitner. Earspacebodysound Box 16. März bis 04. Mai Liddy Scheffknecht CHRISTINE KÖNIG GALERIE Schleifmühlgasse 1A, 1040 Wien 16. März bis 30. April Tex Rubinowitz. Bend it GALERIE KROBATH Eschenbachgasse 9, 1010 Wien Bis 16. März bis 30. April Despina Stokou GALERIE EMANUEL LAYR An der Hülben 2, 1010 Wien 24. März bis 07. Mai Julien Bismuth

TIROL GALERIE JOHANN WIDAUER Erlerstrasse 13, 6020 Innsbruck 11. März bis 30. April Alfons Egger VORARLBERG GALERIE LISI HÄMMERLE Anton-Schneiderstr. 4a, 6900 Bregenz 12. März bis 23. April, Nikolaus Gansterer, Kozek Hörlonski, Brigitte Kowanz u.a. connected STEIERMARK GALERIE EUGEN LENDL Bürgergasse 4/1, 8010 Graz 02. März bis 02. April Stefan Maitz KÄRNTEN GALERIE JUDITH WALKER Schloss Ebenau, 9162 Weizelsdorf/Rosental Bis 31. März Bruno Gironcoli, Max Weiler, Hans Staudacher u.a.

THOMAS MAURER: OUT OF THE DARK

FR. 25.3. 20:00 | LITERATURSALO

N

ARNO GEIGER: DER ALTE KÖNIG IN SEINEM EXIL SA. 26.3. 20:00 | METAL

HEAVEN SHALL BURN MI. 30.3. 20:00 | TANZTAGE 2011

QUASAR DANCE COMPANY: CÉU NA BOCA SO. 3.4. 20:00 | SOUL

ALOE BLACC & THE GRAND SCHEME

MI. 6.4. 20:00 | TANZTAGE 2011

HELSINKI DANCE COMPANY: XPSD FR. 8.4. 20:00 | POP

ANAJO / DESTROY, MUNICH DO. 14.4. 20:00 | TANZTAGE 2011

CARTE BLANCHE COMPANY: LOVE / KILLER PIG

Das komplette Programm gibt’s auf www.posthof.at POSTHOF – Zeitkultur am Hafen, Posthofstr. 43, A-4020 Linz Info + Tickets: Fon: 0732 / 78 18 00 www.posthof.at


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Termine Festivals

3 Fragen an

Haiko Pfost

Künstlerischer Leiter Brut Wien /  Freischwimmer 2011 Das Thema des heurigen Festivals ist »Rückzug ins Öffentliche« – ist damit auch Social Media gemeint? Das vorgegebene Thema ist immer offen zu verstehen und persifliert dieses Mal den aus der Politik stammenden Slogan »Rückzug ins Private«. Das hat sicher mit einem Verlust eines klaren Begriffs von privat und öffentlich zu tun und auch die Frage nach Social Media sollte darin anklingen. Gleichzeitig gibt es ja über das Internet auch neue Öffentlichkeiten, die sehr konkret wirken und Einfluss auf die Realpolitik haben.

Geht es heuer um die Auflösung der Performance im Alltag oder gibt es die Vierte Wand noch? Das vermischt sich immer mehr. Interessanterweise sind die österreichischen Beiträge überhaupt keine klassischen Bühnenperformances. Barbara Ungepflegt wird in einem auf dem Brut-Vorplatz aufgestellten ›Notstand‹, eigentlich eine Art Hochsitz, ein täglich wechselndes Unterhaltungsprogramm für Notgeile und Notleidende anbieten und auch die Gruppe Mariamagdalena und Gäste wird die Vierte Wand völlig einreißen und mit dem Publikum eine polnische Hochzeit feiern. 8. – 16. April Brut Wien www.freischwimmer-festival.com

Das Opening in der Ottakringer Brauerei am 19.3. bildet den fulminanten Auftakt ins Femous Year 2011. Mit Ober-Harlekin Peaches.

Femous – Ein Jahr der Frauenkultur

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Zu Ehren des 100-jährigen Jubiläums des Internationalen Weltfrauentags finden 100 frauenbezogene Veranstaltungen in 200 Tagen statt. Zum Auftakt ins Femous Year 2011 findet am 19. März eine große Opening Party in der Ottakringer Brauerei statt. Unter dem Motto »A Femous Centenary Night« versammelt sich dort eine illustre Schar berühmter Powerfrauen aus der internationalen Musikszene, um zu zeigen, dass man sich keineswegs hinter den männlichen Kollegen verstecken muss. Größen wie die Electroclash-Ikone Peaches oder die Jazzerin Nailah Porter sowie die heimischen DJ-Pionierinnen Electric Indigo und Sweet Susie werden an diesem Abend performen. Femous will Bilanz ziehen darüber, wie vielfältig und manchmal sträflich unbeachtet das künstlerische Schaffen von Frauen in der ganzen Palette der Kunstrichtungen ist; aber auch darüber, dass Frauen nach hundert Jahren erkämpfter Gleichberechtigung immer noch nicht dort angekommen sind, wo ihre männlichen Kollegen alle Positionen und Rollen besetzt halten. Auftakt: 19. März, Ottakringer Brauerei, Wien März – September in ganz Österreich

bild Beggars Group, ingo pertramer

Wie fällt man als junger Performing Artist einem Festival wie Freischwimmer in die Hände? Ganz einfach: Es gibt eine Ausschreibung mit einer thematischen Vorgabe, auf die sich erst einmal jeder bewerben kann. Eine gewisse Erfahrung ist nicht schlecht, da man dem Druck einer ersten internationalen Tour standhalten muss, aber keine Voraussetzung. Es gibt immer wieder Neuentdeckungen.


number

Das Architekturzentrum Wien veranstaltet sonntags regelmäßige Führungen. Am 13.11. heißt der Treffpunkt Wien Schwechat. Für 4620,– Euro geht es einmal quer durch Brasilien zu den Highlights um den Architekten Oscar Niemeyer. Anmeldung bis 28. März. Es wird Führung Nummer 250 gewesen sein. Führung Nummer 1000 geht dann nach Mittelerde. An den Projektkosten wird noch gefeilt. Der französische Illustrator Mc Bess wird über seine Technik referieren.

Pictoplasma – Festival Of Contemporary Character, _ Design And Art Weltweit ist dieses viertägige Festival eines der führenden seiner Art. Im Mittelpunkt von Pictoplasma steht Character Design: Der Besucher bekommt auf zahlreichen Konferenzen, Workshops und Ausstellungen einen guten Einblick in aktuelle Entwicklungen und Techniken aus den Bereichen Design, Illustration und Animation. Weiters bietet das Festival auch ein ansprechendes Rahmenprogramm mit Live-Performances und Partys. Der Straßeninstallationskünstler Mark Jenkins oder der französische Illustrator Mc Bess werden Vorträge halten. Interessant ist auch eine geführte Tour durch Berlin-Mitte, die verschiedene Ausstellungen zur reduzierten Figurenkunst zeigt. 06. – 09. April diverse Locations, Berlin

Tricky Women

Auch in Sachen Film gibt es in diesem Monat Frauenpower zu vermelden: »Tricky Women« ist ein Animationstrickfilmfestival, das ausschließlich weibliche Produktionen zeigt. 10. – 14. März Top Kino, Wien

H.O.M.E. D.E.P.O.T

Eine Möbelmesse für alle Designinteressierte, die sich mit eigenen Augen von den neuesten Trends in Sachen Wohnaccessoires und Möbel überzeugen wollen.

bild Mc Bess, Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion

16. – 20. März Semperdepot (Atelierhaus der Bild. Künste), Wien

Re:design Bratislava

Über eine Woche lang können die Gewinner des Re:design Work Awards 2010 in Bratislava bewundert werden. Die Ausstellung zeigt somit die besten Stücke aus insgesamt 106 Entwürfen und Modellen von unverwirklichten Produkten aus Abfallmaterialien.

Kein Foto von der Nightline der letzten Diagonale, sondern eine OktoberfestImpression aus Nikolaus Geyrhalters Eröffnungsfilm »Abendland«.

Diagonale 2011

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Als Festival des österreichischen Films ist die Diagonale vieles zugleich: für die Branche ein alljährlicher Treffpunkt, für Graz ein Bestandteil des Kulturkalenders, für Cinephile eine Fundgrube von Nebenreihen und für alle Interessierten eine Chance, Verschiebungen und Sensationen im heimischen Filmschaffen verdichtet zu erleben. 2011 schaut gut aus: Eröffnungsfilm ist die Weltpremiere der Europa-Reflexion »Abendland« des Dokumentaristen Nikolaus Geyrhalter, Spezialprogramme stellen außerdem das Werk des famosen Found-Footage-Monteurs Peter Tscherkassky und der Kamerafrau und Filmemacherin Elfi Mikesch vor. Ökologisch will die Diagonale heuer einen schlanken Fuß machen: Die Festivalorganisation schwört sich auf Green Responsibility ein. 22. – 27. März diverse Locations, Graz

24. Februar – 6. März Galéria Satelit, Bratislava

Salzburg Biennale

Zum mittlerweile zweiten Mal findet das Festival für Neue Musik in Salzburg statt. Österreichische und internationale Künstler nehmen sich aktueller Entwicklungen der Neuen Musik an und verknüpfen sie mit musikhistorischen Kontexten. Das Festival agiert im Grenzbereich zwischen bildender Kunst, Film und Musik. 3. – 27. März diverse Locations, Salzburg


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►KOLU M NE / k now- not h i ng- g es e l l sc h aft ►Von Illbilly The K.I.T.T.

etztens fiel mir wieder ein, dass die EuroMünzen echt ziemlich obszöne Säue sind. Und das kam so: Wie so oft erntete ich nach einem kräftigen, verbalen Rundumschlag weniger anerkennende als vielmehr verwunderte Blicke. Ich weiß leider nicht mehr genau worum es in dem Monolog ging, denn nur den Schlusssatz meines Plädoyers habe ich noch im Ohr: »Die Österreicher sind deswegen alle so, weil sie in einem Land leben, das die Umrisse eines dummen Schnitzels oder total hässlichen Koteletts hat.« Von der perfekten Grammatik dieses Satzes sollte man sich jetzt bitte nicht blenden lassen. Inhaltlich ist diese Erkenntnis nämlich sehr banal, wie mir jetzt gerade wieder auffällt. Jedenfalls freute ich mich sehr, als mich meine Gegenüber danach fragte, wohin ich denn im Fall der Fälle auswandern würde. Die Antwort darauf habe ich nämlich schon oft leise in meinem Kopf geübt. Man muss nämlich wissen, dass das fiktive Durchspielen von Small-Talk-Situationen eine heimliche Marotte von mir ist. »Was, wirklich Freitag? Mein Lieblingswochentag ist Montag – verrückt nicht?« Oder »Ja, ja, Bauchspeicheldrüsenkrebs, ein Todesurteil. Da kann Steve Jobs schon mal sein Testament machen, aber wissen Sie, in Amerika gibt es dafür wirklich die besten Spezialisten auf der ganzen Welt. Bei uns gibt es übrigens auch supertolle Internisten, die schon das Leben von so manchem arabischen Diktator verlängert haben. Aber, wie glauben Sie, geht es dann mit Apple weiter?« Um nur zwei Beispiele zu nennen. Doch hopp, hopp zurück zum Auswandern. »Also wenn«, sagte ich, »wenn ich auswandere, dann nur nach Skandinavien.« Natürlich war ich bestens auf die nächste Frage präpariert. Ich erwartete ein »Warum?« und kriegte es auch. Ich hielt mich kurz für Gottes smartestes Arschloch auf diesem Erdenrund, aber das war wohl meiner oft groben Selbstüberschätzung, die zu allem Unglück auch noch auf einer leichten Megalomanie fußt, geschuldet. Ein »Warum« im Gespräch kommen zu sehen ist nämlich keine besondere Leistung, kein intellektueller Supertrick. »Weißt du«, sagte ich, »Ländergrenzen sind sehr wichtig für mich. Drum finde ich auch Armenien so fad. Das Land sieht von seinen Umrissen her aus wie Österreich, nur ungefähr 100 Grad gegen den Uhrzeigersinn gedreht. Oder 260 Grad im.« Ich schweifte ab. Manchmal ärgern mich die deutschen Ablautreihen schon. Viel schöner fände ich etwa, wenn man abschweifen, abschwief, abgeschwiffen beugen könnte. Ich bin abgeschwiffen sagen zu dürfen, gäbe so manchen Erzählungen ungleich mehr Pfeffer, finde ich. Aber was soll’s. Jedenfalls bleibt nicht viel übrig, wenn man sich als Auswanderungsziel Länder sucht, deren Umrisse einen an irgendwas erinnern und im besten Fall auch noch im Stande sind, positive Gefühle zu evozieren. Kroatien ginge sich bei mir aus. Das Land sieht aus wie ein Bumerang. Auf diesen Umstand verweisen selbst mittelprächtige Reiseführer. Ich liebe übrigens Bumerangs, seit mir anhand dieser australischen Wurfwaffe das Prinzip der Haushaltsversicherung erklärt wurde,

► 0 8 2 / AUSGABE 114

nachdem ich damit als kleiner Wutzi eine Fensterscheibe im Nachbarhaus demoliert hatte. Leider gibt es kein Land, das entfernt an eine Haushaltsversicherungspolizze erinnert, dort würde ich mich nämlich dann vielleicht niederlassen wollen. Leben könnte ich auch in Russland, das mich, so wie es auf den Weltkarten fett und ausgebreitet daliegt, immer an einen umgefallenen Dodo mit Genickbruch erinnert. Ich mag Dodos, sie kommen auf einer Liste »Ausgestorbene Tiere, die ich mag« locker unter die Top Ten, neben dem Quagga, eine Zebraart, die nur am Kopf und Hals gestreift ist und zuletzt 1901 gesehen ward. Ich sag, weil ich Dodos so mag, auch immer Fjodor Dodojewski. Weil ich das immer so schnell und undeutlich ausspreche hat mich deswegen noch nie jemand bekrittelt oder gar zur Rede gestellt. Ach ja, auf den Bermudas würde ich mich übrigens auch niederlassen wollen. Die kleine atlantische Inselgruppe erinnert mich nämlich an die drei Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel. Alle, die keine regelmäßig auf den Bermudas urlaubenden HNO-Ärzte sind, können jetzt gerne ihre Smartphones zücken – oder etwas oldschooliger – zu den Atlanten und medizinischen Büchern stürmen, um nachzuschauen, ob das alles stimmt, was ich da so von mir gebe. Ich hab leider kein Smartphone, ich bin in dieser Hinsicht ein wenig digitalbehindert. Aber das macht mir eigentlich nichts aus. Auch weil ich der Überzeugung bin, dass zuviel Touchscreen das Fingerspitzengefühl ruiniert. Ich hörte nämlich schon zahlreiche Damen sich darob beschwerden, dass es viele Technik-Liebhaber gibt, die an der Mumu herumscrollen als wäre sie ein LCDDisplay. Jüngere Hengste sind mittlerweile überhaupt schon übergegangen, die Daumen-Zeigefinger-Zoom-Bewegungen ins Vorspiel zu integrieren. Deswegen sei hier nun kurz postuliert: »Zuviel digital ist schlecht beim Fingern!« Der Vollständigkeit sei aber auch erwähnt, dass sich »digital« von lateinisch »digitus – Finger« ableitet und sich dieses Postulat als sprachliches Paradoxon verkleidet. »Nicht abschweifen, bitte, warum Skandinavien«, erinnerte mich meine Gegenüber. »Na ja, die Gegend dort oben schaut auf der Landkarte aus wie ein Schwanz.« Und weil wir beide keine Smartphones besitzen, kramte ich in meinem Hosensack nach Ein-Euro-Münzen. Dort sieht man, wie Finnland und Schweden einen astreinen, langen, unbeschnittenen, schlaffen Penis in Seitenansicht bilden. Was die Sache besonders pikant macht. Schweden und Norwegen geben zusammen einen prächtigen, erigierten Pimmel mit zwei saftigen Eiern ab, der stramm Richtung Polarkreis weist. Dieses einprägsame Bild ist allerdings nur auf Münzen, die bis 2007 geprägt wurden zu sehen. Die neuen Euros zeigen nur den schlaffen Beidl, den Schweden mit Finnland macht. Warum, das so ist, weiß kein Mensch. Norwegen ist nicht in der EU, Schweden nicht in der Euro-Zone, aber ich hätte da eine Theorie: Die allerdings behalte ich für mich, das wäre sonst wirklich zuviel Geschweife auf einmal. ¶ www.facebook.com/illbilly

ILLUSTRATION JAKOB KIRCHMAYR

der skandinavische beidl


Mein Bier ist schön!

Fohrenburger poolbar-Bieretiketten Design Wettbewerb 2011 Für das poolbar Festival 2011 wird ein Designwettbewerb ausgeschrieben: gesucht werden erfrischende, außergewöhnliche Etikettendesigns für die neue Fohrenburger 0,33 l PET-Bierflasche. Die Preise: • Jurypreis (€ 400,–) • Publikumspreis (Jahresbedarf an Fohrenburger-Bier) • poolbar-Festival-Tickets Informationen und Einreichungen bis 30.April via Upload auf poolbar.at/pages/bier poolbar-Festival #18, Feldkirch: 1. Juli – 15. August 2011 (Altes Hallenbad) poolbar mit pratersauna, Wien: 19. Mai – 22. Mai 2011 (Pratersauna) www.poolbar.at

www.fohrenburger.at



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