






















An dieser Stelle schreibe ich ja gerne über bedeutende Dinge –oder zumindest Dinge, die ich für bedeutend halte. Etwa Gefahren für den (Print-)Journalismus, die patriarchalen Strukturen in der Filmbranche oder zuletzt die Notwendigkeit der Hoffnung für politischen Widerstand. Das ist ja alles schön und gut. Deshalb gibt es auch in dieser Ausgabe wieder eine Reihe von Texten, die sich kritisch mit gegenwärtigen Problemen auseinandersetzen. Carina Karner widmet sich beispielsweise der Frage, warum so viele TechBros zunehmend in Richtung Faschismus abdriften. Im zweiten Teil ihrer Reihe zu den monetären Hintergründen der Musikbranche hat sich Lara Cortellini angesehen, warum viele Acts mit Livekonzerten kaum mehr Geld verdienen. Für die Wienwahl haben wir die Parteien gebeten, fünf Fragen zu ihren Plänen für die Hauptstadt zu beantworten. Und in unserer Coverstory stellt Ania Gleich die harte Frage, inwiefern das Konzept Band heute noch zeitgemäß ist.
Die ganzen Übel unserer Gegenwart habe ich also diesmal erfolgreich an unsere Autor*innen delegiert. Was heißt, ich kann mich hier entspannen und über die schönen Dinge des Lebens schreiben. Aber worüber nur? Filme? Serien? Comics? Bücher? Theater? Musik? Die Möglichkeiten sind schier unerschöpflich, und sobald die Kunstsparte dann gewählt ist, werden sie scheinbar nur noch zahlreicher. Die auf Englisch so schön benannte »analysis paralysis« dürfte den meisten nur allzu gut bekannt sein: Man sitzt vor dem Netflix-Auswahlscreen, frisch gekochtes Essen am Couchtisch und verbringt fast so viel Zeit damit, zu entscheiden, was man sehen möchte, wie damit, es schlussendlich zu sehen. Und die Pasta ist dann auch schon kalt.
Doch während Streamingservices das Problem auf die Spitze treiben, ist es wahrlich kein neues. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie ich mit meinen Geschwistern Ewigkeiten vor einem Stapel Disney-Videokassetten (telling my age) verbracht habe. Zeit ist beschränkt, war sie schon immer. Und zumindest in den Städten ist die Fülle von kulturellen Angeboten schon seit vielen Generation deutlich ausgiebiger als die verfügbaren Stunden. Was nicht heißen soll, dass der Turbokapitalismus der letzten Jahrzehnte nicht alles verschärft hat. Ach verdammt, jetzt bin ich doch wieder bei einem ernsten Thema gelandet.
Bernhard Frena Chefredakteur • frena@thegap.at
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Herausgeber
Manuel Fronhofer, Thomas Heher
Chefredaktion
Bernhard Frena
Leitender Redakteur
Manfred Gram
Gestaltung
Markus Raffetseder
Autor*innen dieser Ausgabe
Luise Aymar, Lara Cortellini, Victor Cos Ortega, Barbara Fohringer, Ania Gleich, Jannik Hiddeßen, Carina Karner, Veronika Metzger, Tobias Natter, Sandro Nicolussi, Dominik Oswald, Simon Pfeifer, Jana Wachtmann
Kolumnist*innen
Josef Jöchl, Toni Patzak, Christoph Prenner
Coverillustration
Dr. Knoche
Lektorat
Jana Wachtmann
Anzeigenverkauf
Herwig Bauer, Manuel Fronhofer (Leitung), Thomas Heher, Martin Mühl
Distribution
Wolfgang Grob
Druck
Grafički Zavod Hrvatske d. o. o.
Mičevečka ulica 7, 10000 Zagreb, Kroatien
Geschäftsführung
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Erscheinungsweise
6 Ausgaben pro Jahr; Erscheinungsort Wien; Verlagspostamt 8000 Graz
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Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber*innen wieder. Für den Inhalt von Inseraten haften ausschließlich die Inserierenden. Für unaufgefordert zugesandtes Bildund Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung der Geschäftsführung.
Die Redaktion von The Gap ist dem Ehrenkodex des Österreichischen Presserates verpflichtet.
012 Die Band ist tot – lang lebe die Band! Österreichische Musiker*innen zwischen Kollektiv und Ich-Kultur
022 Cost and Crisis
Wer verdient mit Livemusik Geld?
026 Die Feinheiten menschlicher Erfahrung Paul Poet im Gespräch zu »Der Soldat Monika«
030 Die Trümmer des Fortschritts Wie Tech-Bros zu Faschisten gefunden haben
034 »Die romantische Beziehung ist am Ende « Beatrice Frasl im Gespräch über ihr Buch »Entromantisiert euch!«
038 Eine kleine Wienwahlhilfe The Gap fragt, die Parteien antworten
Being a Band Das Leben als Musiker*in und alles, was dazugehört
003 Editorial / Impressum
006 Comics aus Österreich: Lenz Mosbacher
007 Charts
018 Golden Frame
042 Prosa: Daniel Wagner
044 Gewinnen
045 Rezensionen
052 Termine
008 Gender Gap: Toni Patzak
060 Screen Lights: Christoph Prenner
066 Sex and the Lugner City: Josef Jöchl
Ania ist musikalisch nichts mehr peinlich – im besten Sinne. Denn warum man Musik hierarchisch ordnen sollte, versteht sie gar nicht. So findet sie in fast jedem Genre etwas Berührendes. Entsprechend breit ist auch ihre Coverstory aufgestellt. Wenn sie nicht vom Tod der Band schreibt, dann meistens über all jene Zwischenräume, die sich nicht so eindeutig zuordnen lassen: Identität, Körper, Popkultur, psychische Gesundheit, Queerness, Subkulturen und Sprache. Ihre Liebe zu Lyrik scheint da nur folgerichtig.
Mit Schrecken mussten wir feststellen, dass unser Co-Herausgeber seit seinem (neuerlichen) Aufstieg in diese würdevolle Position noch nie in den Porträts gefeatured worden ist. Das muss sofort korrigiert werden! Denn wer Manuel kennt, weiß, dass ihm an nichts mehr liegt als an seinem Bekanntheitsgrad. Aber Spaß beiseite, tatsächlich sollten mehr Menschen wissen, wie unermüdlich er seit der wortwörtlich ersten Stunde für The Gap hackelt. Und dass er es dabei geschafft hat, nicht Ende der Neunziger stehen zu bleiben.
Auf unserer Seite 6 zeigen Comickünstler*innen aus Österreich, was sie können. Diesmal hievt Lenz Mosbacher eine alte Kunstform in die Gegenwart. ———— Wer vor vielen, vielen Jahren am Sonntag eine Zeitung kaufte, tat dies nicht selten aufgrund knallbunter Zeichnungen. Die sogenannten Sunday Funnies waren oft ganzseitig, mitunter künstlerisch wie narrativ elaboriert und – im Kontrast zu den wochentäglichen Zeitungsstrips – meist in Farbe. Was heute fast banal erscheint, war Ende des 19. Jahrhunderts eine technische Neuheit, und Comics waren das ideale Vehikel, um von der plötzlichen Farbgewalt Gebrauch zu machen. Lenz Mosbacher zollt dieser vergessenen Kunstform in leuchtender Palette Respekt, spielt aber zugleich geschickt mit den Möglichkeiten des Raumes und gewohnten Panel-Konventionen.
Lenz Mosbacher gestaltet auch Ausstellungen: Am 9. Mai startet »Frauen am Bau« im Muba Neutal und am 26. Mai folgt »Für was ist das gut? – Österreichische Comics der 90er-Jahre im Eigenverlag« in der Argentinierstraße 47 in Wien. 2026 wird dann sein lang ersehnter Comic über Joseph Beuys im Avant-Verlag erscheinen.
Die Rubrik »Comics aus Österreich« entsteht in Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für Comics. www.oegec.com
TOP 10
Underground Heartbeat of Austria selected by Radio-Helsinki-Musikredaktion
01 Ranküne »Deutschpunk hasst dich«
02 Lil Franz »Chillen im Elend«
03 Eggenberg »What a Time«
04 Sundl »The Space«
05 Nitsch »Bar von Josefine«
06 Dives »Be Fine«
07 The Zew »Black Feather«
08 Zinn »Stirb, Patriarchat, stirb!«
09 Hase »Gekreuzigt, gestorben und begraben«
10 Crush »Ivy«l
Grazer Hymnen
01 Circle A »Sub bleibt (Eurodance Version)«
02 Phil1pp3 & DBDNB »Elke Kahr«
03 Grazer Grant »Herbert muss weg«
Auch nicht schlecht:
Graz im Frühling, Radio selber machen
Manfred Kinzer ist Programmkoordinator und Öffentlichkeitsarbeiter bei Radio Helsinki – Freies Radio Graz, das heuer sein 30-jähriges Jubiläum feiert, unter anderem mit einer Party am 22. November im Forum Stadtpark.
TOP 10
Lieblingsschriften der Springerin
01 Forma
02 Museo Sans
03 PT Sans
04 Aktiv Grotesk
05 Krub
06 Rubik
07 Logical
08 Helvetica Neue
09 Mulish
10 Cabin
TOP 03
Empfehlenswerte Ausstellungen in Wien
01 »Radical Software: Women, Art & Computing 1960–1991« in der Kunsthalle Wien
02 »Maria Hahnenkamp« im Belvedere 21
03 »Brüche, Lücken, Sprünge – Queere Zeitlichkeiten« im Queer Museum Vienna
Auch nicht schlecht
Zeitunglesen im Park statt Newsticker am Handy
Die Springerin ist das Magazin zur Kritik und Theorie der Kultur der Gegenwart. Die kürzlich erschienene 120. Ausgabe feiert 30 Jahre Springerin.
Toni Patzak
hakt dort nach, wo es wehtut
Ein queeres Leben wird nie langweilig. Da kommst du mit dreizehn, vierzehn Jahren drauf, dass du vielleicht doch nicht so ganz hetero bist. Dann kommt eine Zeit, in der du dir denkst: Scheiße, und was mach ich jetzt damit? Vielleicht folgt eine verwirrende und halb geheime erste Beziehung, aus der du mit dem Bewusstsein herauskommst, dass du in fact ganz sicher nicht hetero bist. Und dann denkst du dir erneut: Scheiße, und was mach ich jetzt damit?
Ein paar Jahre Selbstfindung später, nach der Erkenntnis, dass du nicht alleine mit dieser Frage bist, sondern Teil einer groß en, diversen Community, stehst du am Ende da und kannst laut sagen: Ja, ich bin bi! Ja, ich liebe es! Ja, ich bin stolz darauf! Und was machst du dann damit? Naja, alles! Du bist on top of the game, schaust »The L Word«, hast eine neue Beziehung, die nicht verwirrend oder geheim ist, und alles schaut durch die Regenbogenbrille unfassbar gut aus. Und dann verknallst du dich eines Tages neu in eine Person, die aber nicht – wie die vorherigen Personen – eine Frau ist, jedoch auch kein Mann, sondern halt irgendwas dazwischen oder darüber hinaus. Und dann hast du zwei große Fragen. Erstens: Soll ich mein Branding jetzt auf pansexual umschreiben und für immer mindestens fünf Minuten meine Sexualität erklären müssen? »Ja, pan. Nein, nicht Pfannen, sondern Menschen. Ja, alle Menschen. Nein, nicht mit allen Menschen. Ja, egal, es ist so wie bi, nur ein bissi anders.« Zweitens: Wenn Gender keine Rolle mehr spielt, spielt Sexualität dann eine? Was heißt es, sich zu Männern und/oder Frauen hingezogen zu fühlen, wenn dir diese Begriffe an sich beim genaueren Hinschauen in den Händen zerfallen?
Und dann bist du Anfang zwanzig, stehst vor dem Scherbenhaufen deiner mühsam aufgebauten queeren Identität und blickst wieder einmal auf die Frage: Scheiße, und was mach ich jetzt damit?
Es gibt ein Video im Internet von einem Waschbären, der ganz stolz darauf ist, dass er – aus irgendeinem Grund – Zuckerwatte bekommen hat. Er ist so stolz auf seine Zuckerwatte, dass er sie waschen will, bevor er sie genießt. Ist ja quasi seine Berufsbezeichnung. Nur ist das – und hier zeigt sich, dass Zuckerwatte eindeutig nicht für Waschbären gemacht ist – natürlich der Tod für diese pinke, flauschige Zuckerwolke. Und so muss der Waschbär zuschauen, wie sie sich vor seinen Augen auflöst. Er versteht nicht ganz, wohin sie verschwunden ist – denn da war doch gerade noch etwas in seinen kleinen Händchen.
Plötzlich in der Genderkrise
Und auch wenn das jetzt ein wenig lang ist für eine verkürzende Metapher, fühlt sich das manchmal genauso an, wenn man nach einem langen Selbstfindungsprozess plötzlich vor dem Thema Gender steht. Bin ich eine Frau? Was heißt es überhaupt, eine Frau zu sein? Wie viel Frau bin ich, wenn niemand hinschaut? Bin ich wirklich eine Frau – oder weiß ich nur, dass ich kein Mann bin und dass mir deshalb keine andere Möglichkeit gegeben wurde, als eben das zweite Geschlecht zu nehmen, das unser binäres System zu bieten hat?
Wie wäre es, wenn ich keine Frau wäre –also wenn ich nie als eine sozialisiert worden wäre? Würde ich mit Anfang zwanzig trotzdem wählen, als Frau zu leben? Oder würde ich einfach desinteressiert abwinken und mir denken, dass es gar keinen Grund gibt, überhaupt etwas zu wählen, wenn man jeden Tag etwas anderes sein kann? Oder sich einfach gar keinen Kopf darum machen muss? Und anstatt, dass einem diese Freiheit erlauben würde, in der eigenen Community so zu leben, wie man eigentlich möchte, ist sie plötzlich unfassbar hemmend, weil man in ihr keine Selbstdefinition findet. Man kommt auf ganz komische Gedanken und hinterfragt plötzlich sogar das, was man als Kind schon wusste: dass man nicht hetero ist.
Wäre ich auch bi, wenn ich ein Mann wäre? Oder wäre ich dann hetero geblieben, weil es meiner Meinung nach mitunter schwieriger ist, als Mann bi zu sein als als Frau? Und wenn ich ab heute ein Mann wäre, wäre ich dann auf die gleiche Art bi wie bisher? Und dann beginnt der Strudel von vorne. Und all die Menschen im Internet, die so stolz und so klar sagen, »Ja, ich bin trans«, »Ja, ich bin nicht-binär« oder »Ja, ich bin einfach das, was ich bin«, scheinen so bewusst zu wissen, was das für sie heißt. Die kaufen sich Kleidung, die zu ihnen passt, geben sich einen Namen, den sie auch wirklich mögen, lösen sich von der Geschlechtsidentität, die nie zu ihnen gepasst hat, und wissen genau, was sie tun. Und man selbst schaut zu und fragt sich, ob man das auch so genau wissen sollte. Man denkt sich, ob es valide ist, aus Unsicherheit sein Gender zu hinterfragen, oder ob man solche Dinge einfach wissen sollte – à la »The queers who know, know, the queers who don’t, won’t«?
Mein Platz im Regenbogen
Und dann wacht man eines Tages auf und denkt sich: Scheiße, und was mach ich jetzt damit? Und plötzlich hat man eine Antwort: gar nix. Man macht gar nix damit. Man labelt das mit einem ganz großen Fragezeichen in seinem Kopf und denkt sich: Zwischen den vielen schönen Farben am Regenbogen und zwischen den vielen Buchstaben der zahlreichen Akronyme (siehe FLINTA* oder LGBTQIA*) stehe auch ich irgendwo. Ich, die nicht ganz weiß, ob sie jetzt bi, lesbisch oder gar keine Frau ist. Ich, die nicht weiß, ob das ein Leben lang so bleibt oder sich doch als Phase entpuppt. Ich, die sich trotzdem traut, das Leben einfach so zu leben und zu schauen, was weiter passiert. Und dann fragt man sich viele Dinge: was man heute zu Abend isst oder was man morgen Früh anzieht, zum Beispiel. Aber man fragt sich nicht mehr, was man damit macht. Weil man weiß, dass es okay ist, auch einmal nichts zu machen.
patzak@thegap.at @tonilolasmile
Es geht um Wien.
The Gap im Jahresabo
6 Ausgaben um nur € 19,97
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»Free
Die Vienna Club Commission (VCC) und die Stadt Wien bieten für diesen Sommer ein Projekt für legale Raves auf der Donauinsel an ———— »Clubkultur findet nicht nur in vier geschlossenen Räumen statt«, meint die VCC in einem Facebook-Statement. Allerdings waren Raves unter freiem Himmel bislang kaum legal und schon gar nicht mit Unterstützung durch öffentliche Stellen möglich. Dank des Projekts »Free Spaces« soll sich das künftig ändern. Nach Testläufen 2023 und 2024 ist dieses Jahr erstmals auch die Stadt Wien mit an Bord.
Interessierte konnten sich bis Anfang April darum bewerben, den geplanten Veranstaltungsort unter der Praterbrücke an sieben Terminen zu bespielen. Neben einer Förderung von bis zu 3.000 Euro pro Termin, mobilen WC-Anlagen und potenziellem Stromanschluss soll es auch Erleichterungen im Umgang mit den Behörden geben. Dies betrifft insbesondere die Abstimmung bezüglich Sperrstunde, Personenanzahl, Lautstärke, etc. Details sollen nach Auswahl der veranstaltenden Kollektive geklärt werden.
Laut VCC ist dieses Projekt für einen Teil der Open-Air-Szene enorm relevant und es ist gemeinsam mit dieser Szene erarbeitet worden: »Das Projekt fördert Clubkultur mit einem legalen Angebot, das es davor nicht gab.« Doch die Initiative hat auch Widerspruch aus der Clubszene ausgelöst. Kostenfreie, öffentlich geförderte Angebote stellten eine unfaire Konkurrenz zu kommerziellen Angeboten dar, heißt es dort. Die Debatte erinnert stark an Diskussionen rund um die zahlreichen Gratiskonzerte und -festivals, die in der Stadt jeden Sommer veranstaltet werden. Auch hier orten viele Lokalbetreiber*innen eine Wettbewerbsverzerrung. Und es wird befürchtet, dass das Publikum durch eine Gewöhnung an Gratisveranstaltungen nicht mehr bereit sei, für Events zu bezahlen. Die VCC schätzt die Situation anders ein: »Clubs profitieren dadurch insofern, dass sich Veranstaltungskollektive ausprobieren können, eine Community aufbauen können und diese dann (professionalisiert) in die Clubs bringen.«
Bernhard Frena
Weitere Informationen zum Projekt »Free Spaces« finden sich unter www.viennaclubcommission.at.
Soloacts dominieren die Charts, während Bands angeblich aussterben. Doch was steckt wirklich hinter diesem Narrativ? Zwischen kapitalistischer Vermarktungslogik, patriarchalen Strukturen und künstlerischer Freiheit zeigt sich: Die Band lebt – und das oft als Gegenmodell zur Ich-Kultur. ———— Seit ein paar Jahren schaffen es immer weniger Bands in die Charts. 2024 landete in den Billboard Hot 100 – immerhin der wichtigsten Hitparade der USA – keine einzige Band in den Top Ten. Seither geistert wiederholt der »Tod der Band« durch die Kulturspalten, in denen mittelalterliche Männer beklagen, dass Soloacts allen Erfolg einheimsten, Algorithmen Gruppenacts benachteiligten und Streaming die Rockband als Institution zerstört habe.
Natürlich steckt in diesen Argumenten auch Wahrheit: Ja, Solokünstler*innen dominieren die Charts. Ja, Social Media bevorzugen Einzelpersonen. Ja, Touren sind teuer, und viele Bands lösen sich aufgrund der logistischen und finanziellen Hürden auf. Aber ist das wirklich neu? Und warum klingt diese Diskussion oft wie eine panische Krisensitzung im Herrenklub?
Ein Blick auf die Musikindustrie zeigt: Es sind nicht nur wirtschaftliche Entwicklungen,
die das Bandformat unter Druck setzen. Die Musikbranche war lange von patriarchalen Strukturen geprägt – und Rockbands waren deren Aushängeschilder. Das Narrativ der Band als eingeschworene Bruderschaft wurde über Jahrzehnte reproduziert – mit allen strukturellen Nebenwirkungen. Bands mit Frontfrauen wiederum wurden oft nur als Vermarktungsstrategie gesehen, statt über ihre musikalische Relevanz wahrgenommen zu werden. Jetzt, wo FLINTA*-Personen als Solokünstler*innen sichtbarer werden, bekommt die Frage eine neue Dimension: Wird hier wirklich die Band betrauert – oder nur das alte Machtgefüge?
Dabei darf man nicht vergessen: Besagte Chartstatistik bezieht sich auf die USA. Gleichzeitig gibt es weltweit eine neue Welle junger Bands, die sich jenseits der Marktlogik entwickeln. Sie schaffen es nur nicht mehr so leicht in die Charts. Und damit in den Mainstream. Aber was bedeutet das für Musiker*innen in Österreich? Ist die Band wirklich tot? Oder hat sie sich nur verändert? Und was passiert in den Nischen, abseits der Chartlogik? Acht
»Wenn man Kompromisse eingehen muss, entstehen oft die besten Ideen.«
— Michael Buchegger
Baits finden, dass die Band gerade jetzt wieder relevant ist.
Wenn bei Color the Night mal wer ausfällt, können andere einspringen.
Musikacts aus unterschiedlichen musikalischen Kontexten geben Einblick – von klassischen Bands über Musiker*innen, die beides ausprobiert haben, bis hin zu Soloacts mit Livebegleitung. Was bedeutet Musikmachen heute? Und lebt kollektives Musikschaffen vielleicht weiter – nur flexibler als früher?
Kollektiv vs. Ich-Kultur
Die Idee, dass Bands überholt sind? Die Wiener Rockband Baits kann sich darüber nur wundern: »Innerhalb kürzester Recherche wird klar, dass ›die Band‹ gerade jetzt wieder äußerst relevant ist – Idles, Amyl and the Sniffers, Fontaines D.C., Lambrini Girls und gefühlt hundert Band-Reunions. ›Der Band‹ geht es gut.« Gerade heute sei Band-Sein weit mehr als nur gemeinsames Musikmachen: Social Media, Booking, Tourmanagement, Technik – und dann noch die zwischenmenschlichen Aspekte. »Eine Band ist eine riesige soziale Herausforderung. Man verbringt mehr Zeit miteinander als mit der eigenen Familie oder Freund*innen«, so Fazo von Baits.
Color the Night kennen diese Ambivalenz: Band-Sein bedeutet kreative Gemeinschaft, aber auch wirtschaftliche Organisation. »Man arbeitet an etwas Emotionalem zusammen, aber gleichzeitig braucht es Strukturen, um Entscheidungen zu treffen«, erklärt Michael Buchegger, Gitarrist der Linzer Indie-Band. Reibung sei dabei unvermeidbar – und sogar wertvoll: »Wenn man Kompromisse eingehen muss, entstehen oft die besten Ideen. Aber gerade heute sehen sich viele Leute als ›main character‹ und nehmen wenig Rücksicht auf andere.«
Bands können also ein Gegenmodell zur Individualisierung sein, wie auch Color-theNight-Kollege Raphael Karner betont: »Es gibt eine Parallele zwischen der Mentalität einer queeren Community und dem, was in einer Band passiert. Beides sind Räume, in denen jede*r etwas Eigenes mitbringt und das dann durch Austausch zu etwas Neuem wird.« Auch wirtschaftlich sorge eine Band für Stabilität: »In Soloprojekten gibt es eine zentrale Person, die alles organisiert«, so Buchegger. »Wenn diese Person ausfällt, stirbt das Projekt langsam. Bei uns springen andere ein.« Gleich-
zeitig seien Bands allerdings strukturell benachteiligt, wie er weiter erklärt: »Für uns als sechsköpfige Band ist es viel schwieriger, als Supportact gebucht zu werden. Soloacts sind organisatorisch einfach praktischer.«
Für die Wiener FLINTA*-Swing-Band Major Shrimp hat das Bandmodell zudem eine klar politische Dimension. »Die Bühne ist ein patriarchales System«, sagt Bassistin Maria Leubolt – und genau dieses versuchen Major Shrimp aufzubrechen. Statt klassischer Rollenverteilung setzen sie auf Rotation: Wer an welchem Instrument steht und wer singt, wechselt regelmäßig, damit sich die Wahrnehmung nicht nur auf eine Person konzentriert. Doch selbst wenn FLINTA*-Acts für mehr Sichtbarkeit sorgen, bleiben bestimmte Muster bestehen. »Nach Gigs bekomme ich nur Komplimente für meine Stimme – nie für mein Akkordeonspiel, obwohl ich mich dabei viel mehr abmühe«, sagt Miro Steinkellner, ebenfalls Teil von Major Shrimp. Dies zeigt, wie FLINTA*-Personen oft durch eine sexistisch codierte Brille gesehen werden: Aufmerksamkeit gilt eher den Rollen, die ihnen gesellschaftlich zugeschrieben werden – andere Fähigkeiten werden weniger beachtet.
»Wenn Männer Kunst machen, gilt sie für alle. Wenn FLINTA* Kunst machen, ist sie oft scheinbar nur für FLINTA*. Unsere Musik ist nicht explizit queer oder feministisch, aber unser stärkstes Feedback kommt aus dieser Community«, erklärt Steinkellner. In einer Industrie, die Diversität zunehmend als Selling Point nutzt, stehen Acts wie Major Shrimp deshalb vor einer ambivalenten Entscheidung: Soll das eigene FLINTA*-Sein bewusst vermarktet werden? Und will man sich wirklich in diese Strukturen reinziehen lassen?
Das Beste beider Welten?
Sophie Lindinger kennt beide Seiten der Bandmedaille: als Soloartist, im ElektropopDuo Leyya sowie als Teil der dreiköpfigen Indierock-Band My Ugly Clementine. Jedes Projekt bringe eigene Herausforderungen –und es verändere, wie Musik, Performance und Vermarktung wahrgenommen werden. »Der Unterschied für das Publikum ist riesig. Im Band-Set-up ist alles wuchtiger, intensiver,
lädt mehr zum Tanzen ein. Solo dagegen ist der Sound reduziert – keine Ablenkung, keine Schichten, nur Gitarre und Stimme.« Das mache es intimer, aber auch herausfordernder: »In einer Band kann man sich mehr verstecken. Solo steht man komplett im Mittelpunkt«, so Lindinger.
Auch der in Wien lebende Elektronikmusiker Kenji Araki balanciert zwischen Auftritten als Solokünstler und seinem Bandprojekt Enns. Eigentlich habe er nie eine Band gründen wollen, zu groß seien ihm die finanziellen und organisatorischen Herausforderungen erschienen. Doch mit seinem Bandkollegen Ybsole habe er eine musikalische Verbindung gefunden, die ihn umdenken ließ: »Wir haben eine gemeinsame Tonsprache entwickelt, die ich allein nie gehabt hätte.« Während seine Bandprojekte ihm Spontaneität und Überraschungsmomente geben, beschreibt er seine Solomusik fast wie Architektur: »Ich kann Stunden an einem kleinen Sounddesign feilen, ohne mir Sorgen zu machen, jemanden zu langweilen.«
Nini Riedl (aka Miramio) und Max Mrak (aka Orange Gone) von der Dreampop-Band Lavandine erleben diesen Kontrast ebenfalls: »Mit meinem Soloprojekt weiß ich genau, wo mein Platz ist«, sagt Riedl. »In der Band muss ich mich mit anderen abstimmen, was den
puncto Social-Media-Algorithmus, dass Menschen sich schneller mit Einzelpersonen identifizierten: »Wenn jemand eine starke Persönlichkeit oder Stage-Persona zeigt, entsteht eine direktere Verbindung.« Die klassische Mythenbildung um Bands, die einmal einen Großteil ihrer Fankultur ausmachte, habe sich verändert. »Früher war die Gruppendynamik Teil des Kults. Heute zählt vor allem die individuelle Präsenz«, so Riedl.
Hartnäckige
Doch auch in dieser Außenwahrnehmung blitzt das Patriarchat immer wieder auf: »Wenn eine Männerband ein Album herausbringt, redet sie eine Stunde über Musik. Bei uns geht die Hälfte der Interviews für Fragen über unser Frausein drauf«, weiß Lindinger aus ihrer Erfahrung mit My Ugly Clementine. Auch in technischen Bereichen halten sich Vorurteile hartnäckig. »Technik, Effekte, Synthesizer – das alles gilt immer noch als ›Männerding‹«, sagt Nini Riedl von Lavandine. Besonders im Live-Set-up spüre sie das: »Fast alle Soundtechniker*innen sind Männer, oft wird automatisch angenommen, dass ich keine Ahnung habe.«
Diese patriarchalen Strukturen spiegeln sich selbst innerhalb der Bands. Sophie Lindinger vermutet, dass Frauen seltener um Dominanz buhlen: »Ich glaube, Frauen haben
»Technologische und mediale Entwicklungen haben den Soloact normalisiert. Heute ist es einfacher, eine Soloshow auf die Beine zu stellen.«
— Kenji Araki
Prozess verändert – aber auch bereichert.« Doch während das Kollektiv kreativen Rückhalt gibt, ist es finanziell oft eine Hürde: »Als Band ist es viel schwieriger, Gigs rentabel zu machen«, so Kenji Araki. Als Soloact sei er flexibler, könne spontan Tourneen planen und sich mit wenig Equipment in einen Zug setzen. Gleichzeitig betont er: »Reisen können allein schnell einsam werden. Wenn man Erfahrungen nicht teilen kann, fühlen sie sich oft abstrakt an.«
Sophie Lindinger kennt die wirtschaftlichen Unterschiede ebenfalls: »Als Band ist es einfacher, eine Brand aufzubauen«, meint sie. »Mehrere Personen bieten Identifikationsmöglichkeiten. Dagegen bleibt solo finanziell mehr übrig, weil man nichts teilen muss.« Max Mrak von Lavandine wiederum merkt in
nicht so sehr den Drang, sich als ›Anführerin‹ aufzuspielen. My Ugly Clementine entstand aus gegenseitiger Wertschätzung. Von Anfang an war klar, dass alle gleichberechtigt sind –jede bringt etwas ein.« Gleichzeitig betont sie, dass sich marginalisierende Strukturen nicht von alleine ändern. »Wir fragen einander, ob sich jede gesehen fühlt. Ich glaube, das passiert in männlich dominierten Bands seltener.« Gleichzeitig sieht sie es als Aufgabe von Künstler*innen, über die eigene Arbeit hinaus Veränderungen anzustoßen: »Wir achten zum Beispiel darauf, wer in unserer Crew ist. Aber das Business interessiert sich eher für das, was nach außen hin sichtbar ist.«
Kenji Araki nimmt die Strukturen der Musikbranche in einem anderen Kontext wahr: »Ich bin in einer Band, weil ich in dieser spe-
Gatafiera sehen einen Mangel an Diversität in der österreichischen Musikszene.
Für Sophie Lindinger hat Musikmachen als Band Vor- wie Nachteile.
Bei Major Shrimp werden bewusst Rollen und Instrumente gewechselt.
Für Lavandine gibt das Kollektiv kreativen Rückhalt.
zifischen Band sein will – nicht, weil ich in irgendeiner sein muss.« Für ihn sind Bands heute weniger ein stilistisches Konzept als eine persönliche Wahl. Seine Szene definiert sich nicht über Genres oder Klangästhetiken, sondern über gemeinsame Werte. »Technologische und mediale Entwicklungen haben den Soloact normalisiert. Heute ist es einfacher, eine Soloshow auf die Beine zu stellen.« Problematisch werde das, wenn Bands dieselben Gagen wie Soloacts bekommen: »Leider rechnet sich das nicht, weil dieselbe Gage mehr als eine Person unterhalten muss.«
Letztlich bleibt die Entscheidung zwischen Solokarriere und Band selten eine reine Geschmacksfrage. Während Soloacts oft mit größerer Sichtbarkeit belohnt werden, ermöglicht das Bandgefüge eine andere Art von kreativer Gemeinschaft. Die Wahl ist immer eine Abwägung zwischen künstlerischer Kontrolle, ökonomischer Realität und der Frage, welche Strukturen Musiker*innen mitzutragen oder herauszufordern bereit sind.
Für viele Künstler*innen bleibt eine Band essenziell – zumindest auf der Bühne. »Live habe ich noch nie solo gespielt und würde das auch nicht wollen«, sagt Singer-Songwriterin Pippa Galli. Ihr Projekt Pippa ist nach ihr benannt, ihre Songs entstehen allein, aber der Sound funktioniert nur mit Band. Playback? Keine Option. Trotzdem tritt sie als Solo -
mein Ding machen und alles selbst entscheiden«, meint die Oberösterreicherin. Doch auf der Bühne wird es kompliziert. »Ich liebe es, mit meiner Band gemeinsam zu spielen – das macht alles viel voller«, so Sodl. »Meine Musik wäre ohne sie nie so schön.« Der Widerspruch ist offensichtlich: Solokünstler*innen stehen als Einzelpersonen im Fokus, doch oft braucht es eine Band, um ihren Sound zu komplettieren.
Wirtschaftlich sind Soloprojekte jedenfalls attraktiver. Eine Band bedeutet höhere Kosten – von Proberäumen bis zur Gagenteilung. »Musik hat so viele Haken und Ecken – wenn man da jedes Detail absprechen müsste, wäre das unglaublich mühsam«, so Sodl. »Vielleicht ist es für Labels auch schwieriger, mit fünf Leuten zu verhandeln. Am Ende braucht es immer eine Person, die den Überblick behält.«
Pippa hat diese Dynamik selbst erlebt: »Bei meinem ersten Label wollte man mich als die ›österreichische Lana Del Rey‹ vermarkten – und als ich meinte, dass ich das nicht bin, kam zurück: ›Was willst du dann sein, Pippi Langstrumpf?‹« Heute weiß sie, dass Soloacts gezielt gepusht werden. »Natürlich habe ich momentan Rückenwind, weil FLINTA*-Acts sichtbarer sind. Und Labels setzen gezielt auf Solokünstlerinnen, weil sie besser vermarktbar sind.« Der Sexismus bleibt: »Nach Konzerten sprechen die Leute oft mit meinen Bandkollegen über ihre Instrumente. Zu mir
»Wenn wir eine Band hätten, müsste sie komplett lateinamerikanisch, queer oder trans sein, damit es sich für uns richtig anfühlt.«
— Gatafiera
künstlerin auf: »Ich muss keinem Bandsound treu bleiben. Ich kann mich immer wieder neu erfinden.« Das gibt kreative Kontrolle, bedeutet aber auch: »Alles läuft über mich. Und ich muss aufpassen, dass ich mich nicht verheize.«
Auch Sodl, die diesjährige FM4-AwardGewinnerin bei den Amadeus Austrian Music Awards, kennt diesen Balanceakt: »Ich wollte immer eine Band, die mich live begleitet, aber alle anderen Aspekte mache ich gern allein.« In einer Band werden diese Aufgaben geteilt – wer hingegen solo arbeitet, trägt jede Verantwortung selbst. Das kann anstrengend sein, aber auch befreiend: »Ich wollte immer
sagen sie: ›Du hast gut gesungen.‹ Niemand denkt daran, dass ich die Songs geschrieben habe.«
Für Gatafiera, ein queeres Reggaeton- und Baile-Funk-Duo, ist es nicht nur eine künstlerische, sondern auch eine politische Entscheidung, sich nicht als Band zu formieren. »Es gibt einen enormen Mangel an Musiker*innen, die nicht weiße cis Männer sind.« Eine feste Band mit mehreren Mitgliedern wäre nicht nur logistisch schwierig, sondern auch in Bezug auf Repräsentation: »Wenn wir eine Band hätten, müsste sie komplett lateinamerikanisch, queer oder trans sein, damit es sich für uns richtig anfühlt.« Deshalb bleiben Gatafie-
ra ein Duo, sie können sich aber vorstellen, für Liveshows mit wechselnden Musiker*innen zu arbeiten, um flexibler zu sein.
Was für Pippa und Sodl eine künstlerische oder wirtschaftliche Entscheidung ist, hat für Gatafiera eine zusätzliche Dimension: Zugang und Sichtbarkeit. »Wer hat überhaupt Access zu Ressourcen, Förderungen und Räumen, um sich musikalisch zu entwickeln? Für FLINTA*, besonders für FLINTA* of Color, sind die Möglichkeiten viel begrenzter.« Die Musikindustrie bleibt auch hier von alten Strukturen geprägt. Sodl bringt es auf den Punkt: »Ich höre oft Sätze wie: ›Ach, das liebe kleine Mädel, das Musik macht.‹ Ich bin kein Mädel.« Einem 21-jährigen Mann würde das schließlich niemand sagen.
Ob Band oder Soloprojekt – in beiden Modellen stoßen Künstler*innen auf strukturelle Hürden. Wer sich als Band organisiert, hat es schwerer, sich durchzusetzen. Wer solo erfolgreich ist, muss sich oft, besonders als FLINTA*, doppelt beweisen – und zahlt den Preis der Kommerzialisierung der eigenen Person. Die Musikindustrie setzt gezielt auf diese Vermarktung, weil sie greifbarer und profitabler ist. »Ich will aber nur Musik machen und nicht mein Privatleben teilen, nur weil das ›persönlicher‹ wirken soll«, sagt Pippa.
Die Band bleibt!
Die Diskussion um das »Sterben der Band« erscheint wie ein Symptom für einen größeren Wandel: den Umbruch einer Branche, die lange von männlichen Machtstrukturen geprägt war. Die klassische Rockband galt über Jahrzehnte als Idealbild – eines, das vor allem für Männer funktionierte. Für FLINTA*-Personen war es nie selbstverständlich, gleichberechtigt mitzuspielen, geschweige denn die gleiche Anerkennung zu erhalten.
Dass immer mehr Musikerinnen als Solokünstlerinnen sichtbar werden, ist daher kein Zufall. Solo bedeutet Selbstbestimmung, wirtschaftliche Flexibilität – aber auch mehr Verantwortung für Musik, Management und Marketing. Viele FLINTA*-Artists profitieren davon, sich nicht im Bandgefüge behaupten zu müssen. Gleichzeitig nutzt die Musikindustrie diese Entwicklung für sich: Während FLINTA*-Acts als Aushängeschilder gefeiert werden, bleiben die Strukturen dahinter männlich dominiert.
Bands wie My Ugly Clementine oder Major Shrimp zeigen, dass eine Veränderung nur dann nachhaltig ist, wenn sie über die Menschen auf der Bühne hinausgeht. Die Band als Konzept ist nicht tot – aber sie ist auch kein Selbstzweck. Wer heute kollektiv Musik macht, setzt ein Zeichen gegen die Vereinzelung des Marktes. Gerade in Österreich gibt es Bands, die diesen Weg gehen. Ihr Überleben hängt letztlich nicht nur von Streamingzahlen ab, sondern davon, ob die patriarchalen Strukturen der Branche endlich aufbrechen.
Ania Gleich
Kollektives Musikmachen lebt, aber die Strukturen dahinter müssen sich weiter verändern. In Österreich bietet etwa das Pink Noise Camp – dieses Jahr von 17. bis 23. August – einen Ort, an dem FLINTA* sich musikalisch ausprobieren und vernetzen können. Die Initiative »Musik für alle« versucht wiederum mit Mentorings, Workshops und anderen Unterstützungsprogrammen für mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Musikbranche zu sorgen. Und Sisters of Music ist ein Netzwerk für Frauen in der Livemusikindustrie, insbesondere in technischen Berufen. Weitere Anlaufstellen und Kollektive sind beispielsweise auf der Website des Musikinformationszentrums Mica – Music Austria zu finden.
In seiner Band Enns kann Kenji Araki mit einem anderen musikalischen Zugang experimentieren.
Golden Frame Zeitgenössische Kunst im angemessenen Rahmen
Ihr Hobby bedeutet für die Mitglieder des Modellflugclubs Kappel-Althofen Freiheit. Für »Elysium« hat Pia Wilma Wurzer sie gebeten, an ihre persönliche »Insel der Seligen« zu denken. ———— Das lautlose Blau des Himmels und die unbemerkte Veränderung der Wolken. Das weite Flach der Wiese. Viel Jeans. Viel Sonnenbrille. Viel Stolz. Ein Bomber aus dem zweiten Weltkrieg, ein Gleiter mit sicher sechs Metern Spannweite; Quadcopter; pinke Jets. Die Männer bewegen sich kaum, aber doch ein bisschen.
In formaler Hinsicht ist Pia Wilma Wurzers »Elysium« ein Videoloop, der von einer Soundspur begleitet wird. Dem Video liegt dabei eine andere Kunstform zugrunde: das Tableau vivant, bei dem bekannte Bilder durch lebende Menschen nachgestellt werden. Wurzers Tableau vivant folgt dabei frei einem Gemälde von Josef Abel (geboren 1764), das den deutschen Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock bei seinem Eintritt ins Elysium zeigt – die »Insel der Seligen« aus der griechischen Mythologie. Abels Bild setzt also wiederum die griechische Mythologie und die Dichtkunst voraus. Klopstock war im 18. Jahrhundert ein gesellschaftlicher Star und hatte großen Einfluss auf den Zeitgeist (der »Empfindsamkeit«). Für Goethe und seinen Werther – Figur wie Buch – war er eine wichtige Referenz. In Klopstocks »manisch-suizidaler« Welt, wie es in der Broschüre zur Ausstellung heißt, war das Aus- und Durchleben von Affekten ein wichtiger Faktor auf dem Weg zur spirituellen Utopie. Das fand oft in gemeinschaftlichen Aktionen statt, die wir heute Read-ins oder Cry-ins nennen würden.
Vor ein paar Jahren wurden auf einer Vernissage Wurzers drei selbstkreierte Düfte in kleinen Fläschchen unter den Anwesenden herumgereicht. Diese konnten ein bisschen davon auf Teststreifen sprühen und daran riechen. Dazu gab es einen Text, der von Figuren aus Kärntner Sagen handelte. Zusammen ergab das eine multisensorische Erfahrung, in der sich Raum- und Zeitebenen durch das Zwischenmischen von Projektion und Wahrnehmung überlagerten. Im Fall von »Elysium« stellt die Soundspur eine zweite Wahrnehmungsebene dar, die das Geräusch der drei in der Luft stehenden Drohnen wiedergibt. Und – kaum hörbar – Gesang.
Künstler*innen, die mit Video arbeiten, sind vor die Tatsache gestellt, in der üblichen Ausstellungssituation weder kontrollieren zu können, zu welchem Zeitpunkt Zuseher*innen in einen Film einsteigen, noch, ob sie sich überhaupt auf dessen gesamte Dauer einlassen. Die Form dieses filmisch dokumentierten Tableau vivant umgeht diese Problematik ein Stück weit, indem sie die Entwicklung innerhalb des Werks auf nahezu null reduziert. Gleichzeitig behält sie die Dauer bei, die es dem Publikum erlaubt, eine Entwicklung in sich selbst zu vollziehen. Diese ermöglicht auch das Lesen der kurzen Dichtung, die den Film begleitet: »Die Hände, die sie steuern sind ganz ruhig. / Ganz präzise sind die Bewegungen, die es braucht / um die sensibel eingestellten Lenkruder des Flugzeugs so auszurichten, / dass es Loopings drehen / und sich aus weiter Höhe in die Tiefe stürzen kann, / um dann kurz vor dem Boden wieder eine Kehrtwende Richtung Himmel zu machen. / Manchmal landet ein Flieger im Maisfeld und zerschellt.« Victor Cos Ortega
Pia Wilma Wurzer arbeitet vorrangig mit Bewegtbild, Text und Sound, aber auch performativ sowie mit Düften. Ihre Arbeit »Elysium« ist Teil der Ausstellung »Die Pfeile des wilden Apollo. Klopstockkult & Ossianfieber«. Diese ist bis 25. Mai an der Akademie der bildenden Künste in Wien zu sehen.
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Konzerttickets werden immer teurer, die Gagen von Musiker*innen dafür immer schmäler. Angesichts von Inflation und ungewissen Publikumszahlen ist es dringend an der Zeit, über Livemusik zu sprechen. Denn was wäre eine Welt ohne Konzerte? ———— Kann irgendwas mit dem euphorischen Gefühl mithalten, wenn der Lieblingssong live durch den Raum wummert und man sich gemeinsam mit anderen Beseelten im Takt verliert? Von Ed Sheeran, damals mit dreizehn Jahren eingequetscht zwischen schreienden Jugendlichen, bis hin zu Chelsea Wolfes übernatürlich anmutenden Klängen habe ich wenige Konzerte, auf denen ich gewesen bin, vergessen. Sie sind –wie das Theater oder das Reisen – eine jener Erfahrungen, die nur im Moment ihren Sinn entfalten können.
Nach der Pandemie sind die Umsätze von Ticketanbieter*innen durch die Decke gegangen. Große Popstars wie Beyoncé oder Taylor Swift knacken reihenweise Rekorde, wenn sie auf Welttournee gehen, die größten Arenen reichen für einen derartigen Ansturm nicht aus. Doch in starkem Kontrast zu diesen bekannten Erfolgsgeschichten ist Livemusik insgesamt eine Kunst, die auf zunehmend wackligen Beinen steht.
»Momentan schaut es so aus, als ob man mit Livemusik entweder Millionen oder gar nichts verdient. Und dazwischen wird es für alle Artists schwer«, erzählt die Wiener Künstlerin Leonie Schlager aka The Zew im Interview.
Für Fans wird der Konzertbesuch immer teurer. Dafür sorgen nicht nur steigende Produktionskosten und Inflation; Schuld daran ist im oberen Segment auch das Konzept des Dynamic Pricing, also der nachfrageorientierten Preisgestaltung. Statt eines Fixpreises wird bei großen Ticketanbieter*innen wie Eventim oder Ticketmaster nämlich je nach Andrang ein möglichst hoher Preis abgeschöpft. Bei großen Namen hat das teilweise bereits dazu geführt, dass Tickets für mehrere Hundert, sogar mehrere Tausend Euro verkauft und anschließend wiederverkauft wurden. Michael Rapino, CEO von Live Nation, führte dazu 2019 in einem vom Investmentriesen Goldman Sachs veranstalteten Talk besonders »sympathisch« aus: »Wir sehen dort (im Wiederverkauf; Anm.), dass die Nachfrage trotz hoher Preise stark bleibt. Unsere Ticketpreise haben also noch Luft nach oben.«
Dieses Vorgehen läutet eine neue Ära für Konzertbesuche und -besucher*innen ein. Fans müssen sich nicht nur weiterhin beeilen, um ein paar der begehrten Plätze zu ergattern – künftig könnten Liveerlebnisse überhaupt ausschließlich für gewisse Schichten leistbar sein. Konzerte werden damit zum Luxus, statt allgemeiner Teil des Aufwachsens und Lebens zu sein. Bands wie die Rolling Stones spielen nach dieser Logik in Zukunft nur noch vor wohlhabenden Banker*innen und denen, die ein halbes Jahr auf ihr Ticket sparen. Eigentlich könnte man sich von seinen Idolen erwarten, dass diese mit einem Vermögen, das locker bis zum Lebensende reichen wird, keine Verträge unterschreiben, die solche Umstände ermöglichen. Beim Geld hört die Fanverbundenheit aber anscheinend schnell auf.
Eine Konsequenz aus den steigenden Preisen ist auch, dass Fans weniger Budget für andere, kleinere Konzerte haben. Insgesamt werden sowieso zusehends weniger Tickets verkauft, gerade im Vergleich zu den Jahren vor der Pandemie. Artists verschiedenster Bekanntheitsgrade sagen immer häufiger bereits geplante Tourneen ab. Statt aber mit Floskeln wie »produktionstechnischen Gründen« abzulenken, entscheiden sich mittlerweile mehr Künstler*innen dazu, systematische Probleme des Livemusikmarkts offen anzusprechen. Die österreichische Singer-Songwriterin Avec (mit immerhin 170.000 monatlichen
Hörer*innen auf Spotify) postete Anfang des Jahres auf Instagram die Absage einiger Konzerte. Die Begründung: enorm hohe Produktionskosten, und dafür seien zu wenige Tickets verkauft worden.
Gleichzeitig sind Künstler*innen jedoch mehr denn je auf Einnahmen aus Konzerten angewiesen. Denn durch Streaming werden weniger physische Tonträger verkauft, was für viele ein wichtiges finanzielles Standbein eliminiert hat. Das durch Livemusik auszugleichen oder mit dieser überhaupt einen Gewinn zu erzielen, ist für Bands und Künstler*innen allerdings schwierig. Der Begriff »The Cost of Touring Crisis« etabliert sich zunehmend, nicht nur, weil die Preise für Transport, Unterkunft und Essen rasant gestiegen sind.
Verlustgeschäft
Die britische Tageszeitung The Guardian analysierte letztes Jahr die Kostenaufstellungen von zwölf Bands, die als Headliner Konzerte mit Kapazitäten von 150 bis 2.500 Personen spielten. Das Ergebnis: Fast alle von ihnen haben ihre Tourneen mit Verlusten abgeschlossen. Ein volles Haus hat demnach wenig Aussagekraft darüber, ob die bejubelte Band sich von ihrer Gage überhaupt etwas auszahlen kann. Bei Auftritten als Vorband sind wiederum noch geringere – wenn überhaupt vorhandene – Honorare zur Norm geworden. Merchverkäufe und die Unterstützung von Fans sind da existenziell.
Petzi Benes und Valentin Seißler, Mitglieder der Indierock-Band Yatwa, erzählen von ähnlichen Erfahrungen: »Wir sind froh, wenn unsere Auftritte kostendeckend sind. Die Anzahl der Bandmitglieder ist eine echte Herausforderung. Dabei sind wir nur zu viert. Bei Fair-Pay-Regelungen werden wir manchmal abgelehnt, weil die Veranstaltenden es sich nicht leisten können, uns einzuladen. Damit verdrängt man natürlich bestimmte Genres aus der Musiklandschaft. Vieles andere ist halt einfacher, als für eine ganze Band mit Equipment zu sorgen.« Aber nicht nur gewisse Genres werden benachteiligt: Unter derart prekären Bedingungen ist ein Musiker*innenleben für Menschen mit Kindern oder aus Arbeiter*innenfamilien nahezu unmöglich.
Zudem zeigen sich verstärkt Tendenzen dazu, die Musik vielleicht doch lieber vom Band abzuspielen, den Auftritt zu »technologisieren«, nur eine*n Sänger*in zu engagieren oder im Line-up auf weniger bekannte Newcomer*innen zu verzichten. Umso wichtiger ist finanzielle Unterstützung, die aus Fördertöpfen und Fundraisingprojekten kommt und sich nicht nur auf die Wirtschaftlichkeit der Kunst konzentriert. Der Job als Musiker*in war noch nie dafür bekannt, besonders sicher zu sein. Aber wollen wir in Zukunft wirklich nur noch Songs von denen hören, die das Glück haben, sich mit Erbe, Ei-
gentumswohnung oder einem Zweitjob mit ausreichend »Freizeit« die Karriere finanzieren zu können?
»Es ist natürlich ein Auspendeln«, bestätigt The Zew. »Ich mache keine Gigs, die rein zu Promotionzwecken sind. Für mich ist es okay, wenn mich dadurch dann eben ein paar Leute weniger kennen. Bei manchen Angeboten muss ich nicht einmal darüber nachdenken: Es ist allen anderen Musiker*innen gegenüber nicht solidarisch, unterbezahlte Gigs anzunehmen. Die Umstände sind für niemanden fair – egal, ob bekannt oder nicht.«
Artistmanager Dan Potts weist im erwähnten Artikel in The Guardian auf einen weiteren, gerne verzerrten Punkt der Problematik
»Momentan schaut es so aus, als ob man mit Livemusik entweder Millionen oder gar nichts verdient.« — The Zew
hin: »Künstler*innen gehören zur größten Gruppe von Arbeitgeber*innen (!) der Industrie.« Wer sonst bezahle Tourmanager*innen, Crew, Reise, Unterkunft, Produktion und Equipment? Doch das zu leisten, wird sogar für bekannte Acts immer schwieriger: Selbst ein Vertrag bei einem Majorlabel sowie prestigeträchtige Auftritte würden Probleme, die Miete zu zahlen, ganz und gar nicht ausschließen, führt Lily Fontaine, Sängerin der Band English Teacher, weiter aus.
»Das zeigt gut, wie Musiker*innen sich eigentlich für ihre Leidenschaft verausgaben«, meinen Yatwa. »Der Musikmarkt weiß, dass wir nicht nur fürs Geld mitmachen, sondern aus Überzeugung. Das kann man ausnutzen.«
Sie hätten im Laufe der Zeit gelernt, sich mit anderen unabhängigen Projekten zusammenzutun, sich gegenseitig einzuladen, Abende gemeinsam zu gestalten. Ein kleiner Pfad vorbei an Gatekeeping und finanziellem Risiko, der nur durch persönliche Begegnung möglich wird – hinter der Bühne, beim Aufund Abbau sowie zwischen den Sets oder bei Showcase-Festivals. Man könnte das auch ein Minimum an Wertschätzung für alle nennen. Zumindest die Stadt Wien hat erkannt, dass die Förderung einer lebendigen Kunstund Kulturlandschaft das Stadtleben grundlegend zum Positiven dreht, indem sie für Gefühle der Zugehörigkeit, aktive Viertel und gesteigerten Tourismus sorgt.
Niemand will zahlen
Doch von der Stadt geförderte Gratisfestivals belasten als potente Konkurrenz wiederum Clubbetreiber*innen. Einerseits sind sie zwar ein großartiges Angebot, um den Zugang zu Kultur für alle zu ermöglichen. Andererseits verstärken sie die Annahme, dass man für Kunst nichts zahlen müsse. Wie Gitarrist Marc Ribot einmal im Interview mit dem Magazin Guernica sagte: »Sie (die Musikindustrie; Anm.) bricht heute zusammen, weil niemand für Dinge bezahlen will, die man auch ganz einfach gratis genießen kann.«
Wo sollen die Stars von morgen anfangen, wenn kleine und mittlere Konzerte sich nicht mehr rentieren? Wie lange können Künstler*innen noch Verluste einspielen, bis das Kartenhaus zusammenbricht? »Livekonzerte sind das, was dir künstliche Intelligenz nicht geben kann«, meint Valentin Seißler von Yatwa. »Es klingt so banal, aber es kommt dabei aufs Zwischenmenschliche an. Musik, die andere berührt und die Kommunikation ist.« Konzerte sind ein gemeinsames, körperliches Erlebnis. Sie bedeuten loslassen dürfen, schreien, hüpfen – aber ohne die Nachbar*innen dabei aus dem Weg zu stoßen. Dieser Gemeinschaftssinn sollte sich nicht zuletzt auch in den Gagen und der Wertschätzung für die Bands ausdrücken, denen wir durchtanzte, pulsierende Nächte zu verdanken haben. Sonst bleibt irgendwann nur noch die Wahl zwischen 300-Euro-Stadiontickets oder zu Hause zu sitzen. Lara Cortellini
The Zew hat letztes Jahr das Minialbum »Zazel Wants to Fly« veröffentlicht. Am 10. Mai ist sie in Wolfsberg im Container 25 live zu sehen. Yatwa haben mit ihrem Album »Parallel Lines II« 2024 ebenfalls neue Musik veröffentlicht. Ihr nächstes Konzert findet am 5. Juni im Wiener Chelsea statt.
Dieser Text ist im Rahmen des The-GapNachwuchspreises für Musikjournalismus in Kooperation mit dem Festival Waves Vienna entstanden.
Konferenz der österreichischen Musikwirtschaft
�� Montag, 26. Mai 2025
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�� WKÖ | Wiedner Hauptstraße 63, 1040 Wien
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�� Es summt wieder –
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Let’s make some noise! ��✨
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Ein Tag voller Inspiration und Insider-Wissen für alle, die in der Musikwirtschaft neue Wege gehen wollen. Ob Artist, Label, Management, Veranstalter*in, EPU, Verlag oder technische Dienstleister*in – hier treffen sich kreative Köpfe und Macher*innen, um die Zukunft der Branche in ganz Österreich mitzugestalten.
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Seid dabei, wenn wir gemeinsam die Musikwirtschaft erkunden – mit frischen Ideen, neuen Perspektiven und jeder Menge kreativer Energie.
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�� Was euch erwartet:
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�� Impulse & Insights: Keynotes und Talks zu aktuellen Herausforderungen, Chancen und konkreten Gestaltungsmöglichkeiten
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�� Workshops & Information: Praxisnahe Strategien für Self-Releasing, Musik in Sync, Mentoring für Professionalisierung & mehr
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�� Service & Networking: ganztägige Beratungsund Infrastruktur-Angebote sowie Austausch mit Branchen-Expert*innen
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�� Lesung & Diskussion: »Auf den billigen Plätzen« von Rike van Kleef
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�� Cross-over-Talks: Genre-übergreifende Perspektiven auf den Live-Bereich und die Musikproduktion/-vermarktung
�� Ausklang: Abschluss-Empfang (sowie Bewirtung von früh bis spät)
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�� Details & Anmeldung unter www.wko.at/bzzzz
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Der Film ist ein Mix aus Animationen, nachgestellten Traumsequenzen, tatsächlichen Interviews und inszenierten Gesprächen.
»Monika ist nicht erwartbar, deswegen reibt sie sich auch mit den rechten Brüder- und Schwesternschaften, obwohl sie mit ihnen sympathisiert.«
— Paul Poet
Was ein Film über den Rechtsruck hätte werden sollen, ist letztlich zu einer Collage aus D okumentation, Spielfilm, Traumtagebuch, szenischer Familienaufstellung und Animationsszenen über die umstrittene Monika Donner geworden. Im Interview zu »Der Soldat Monika« spricht Paul Poet über zusammengebastelte Identitäten, filmische Besonderheiten und darüber, warum politische Auseinandersetzung auf Augenhöhe stattfinden muss. ———— Schon seit die Rechte in den Nullerjahren zunehmend salonfähig wurde, habe Paul Poet einen Film über den Rechtsruck machen wollen. Mit »Der Soldat Monika« ist es nun endlich so weit. Der Film arbeitet die Lebensgeschichte von Monika Donner auf, einer widersprüchlichen Person mit widersprüchlichen politischen Ansichten. Einerseits hat sie juristisch viel für die LGBTQIA*-Community erstritten, aber andererseits sympathisiert sie stark mit dem rechten Rand.
Als ich Paul Poet im Café Weidinger treffe, ist meine erste Frage an ihn, wie er überhaupt auf Monika Donner gekommen ist. Er lächelt und meint, die meisten Menschen aus der rechten Szene seien extrem kleinkariert und langweilig. Man laufe Gefahr, mit einem Film über sie nur »Make Stupid People Famous« zu betreiben. Bei Donner verhalte sich das komplett anders. Auf sie gestoßen sei er schlussendlich durch Zufall: »Sie ist spannend, weil sie die Idee des ›Menschen der Hypermoderne‹ verkörpert. Sie setzt sich aus unterschiedlichen ideologischen Einflüssen zusammen, reißt Elemente aus verschiedenen Kontexten und konstruiert daraus eine eigene Identität.«
Monika Who?
2009 hat Monika Donner vor dem österreichischen Verfassungsgerichtshof das Ende des Operationszwangs für trans Personen, die eine Personenstandsänderung anstreben, erstritten. Auch in Deutschland wurde das Gesetz unter Bezugnahme auf ihren Fall geändert. Mittlerweile ist sie allerdings eine prominente Person der Coronaleugner*innen-Szene und
teilt sich unter anderem mit verurteilten Neonazis wie Gottfried Küssel die Bühne. »Das macht sie so relevant für den Film«, meint Poet. »Es wäre zu einfach, nur über klassische rechte Bewegungen zu berichten, die in ihrer Struktur oft erwartbar sind. Monika ist nicht erwartbar, deswegen reibt sie sich auch mit den rechten Brüder- und Schwesternschaften, obwohl sie mit ihnen sympathisiert.«
Donners Zerrissenheit zwischen verschiedensten Polaritäten wird im Film deutlich. Sie kritisiert den OP-Zwang mit den Worten »Nationalsozialismus lässt grüßen«, aber neben den Gleisen ihrer Modelleisenbahn stehen Flugzeuge mit Hakenkreuzen auf den
Paul Poet, Regisseur
Seitenrudern und Figuren, deren Hitlergrüße als »Schulterklopfer« mit anderen Figuren kaschiert sind. Sie selbst ist trans sowie lesbisch und spricht davon, dass LGBTQIA*-Personen die »Avantgarde einer freieren und besseren Lebensbestimmung« sein könnten, gleichzeitig ist sie aber der Meinung, dass LGBTQIA*Sein »bis zum Kotzen gehypt« werde – mit dem angeblichen Ziel, eine Bevölkerungsreduktion zu normalisieren.
»Ich fand sie als Mensch in ihrer Widersprüchlichkeit und Uneinschätzbarkeit faszinierend. Die Art, wie sie sich selbst definiert oder nicht definiert, liegt so weit jenseits bisheriger Bezugspunkte«, meint Paul Poet. »Niemand kann abschätzen, wohin das führt, wenn man Geschichte und Kontexte komplett auflöst und sich willkürlich, wie in einem Videospiel, eine Identität zusammenbastelt. Es hat auf jeden Fall sehr bizarre Folgen.«
Vier Jahre lang hat Paul Poet Monika Donner begleitet. Mit Kamera, österreichischer AList-Schauspiel-Besetzung (unter anderem Philipp Hochmair, Maria Hofstätter sowie Roland Düringer) und speziell für den Film geschriebenem Soundtrack der Berliner Noiserock-Band Gewalt. Der Film verbindet dokumentarische und fiktionale Elemente rund um Donners Leben: Archivmaterial, Inszenierungen ihres Traumtagebuchs, eine Familienaufstellung im theatralen Raum, Momente aus ihrem Alltag, Gespräche mit Wegbegleiter*innen sowie Kritiker*innen und Animationsszenen sind zu einer großen Gesamtcollage zusammengesetzt.
Ein Grund für dieses filmische Konzept ist einerseits die Anlehnung an Donners Buch »Tiger in High Heels«, welches stilistisch sehr bunt aufgebaut ist. »Andererseits gab es ein pragmatisches Problem«, erklärt Poet. »So, wie Monika tickt, wollen viele Menschen, die Teil ihres Lebensweges waren, nicht mehr mit ihr vor die Kamera gehen. Das macht klassische Interviews unmöglich.« Gerade ihre früheren Ehen seien für ihre Geschichte essenziell, aber nicht ohne alternative filmische Mittel darstellbar. Da sei es naheliegend gewesen, Schauspieler*innen einzusetzen, die in diese Rollen schlüpfen und als Spielfläche fungieren. Außerdem habe der Regisseur in die vierzig Seiten Dialogskript bewusst einige Unkorrektheiten eingebaut, von denen Donner vorab nichts
Monika Donner hat ein Ende des Operationszwangs für trans Personen, die eine Personenstandsänderung anstreben, erstritten.
gewusst habe. So habe sie sich vor laufender Kamera daran festbeißen können, um diese Fehler aufzuarbeiten.
Dies zeigt sich beispielsweise in einer Szene, in der das Zusammenspiel zwischen Donner und der schauspielenden Person so natürlich wirkt, dass man sich als Zuseher*in nicht ganz sicher ist, ob es sich um eine fiktive Interaktion oder einen echten Wegbegleiter Donners handelt. Der Überraschungseffekt ist dadurch umso größer, wenn sie die Szene unterbricht, um etwas richtigzustellen. Poet: »Es ist wie ein Durchbrechen der vierten Wand, bei dem man dieses künstliche Konstrukt des Films, mit dem eine Art Seelenwanderung erzeugt wird, durchschauen darf.«
Links? Rechts?
Ziel des Films sei es, Monika Donner als ganzen Menschen zu betrachten – mit ihrer Geschichte, ihren Erfahrungen und ihrem Werdegang. Dabei sei dem Regisseur wichtig gewesen, nicht mit einer herablassenden Haltung zu arbeiten: »Man muss sich damit auf Augenhöhe auseinandersetzen, auch in politischer Feindschaft. Ich gebe der rechten Szene keinen Millimeter Raum, aber ich nehme sie ernst und menschlich für voll«, meint er.
Hier kreidet Poet der Linken eine Schwäche an, denn es sei eine wichtige Erkenntnis in der Auseinandersetzung mit der rechten Szene, dass diese nicht homogen – oder, in seinen Worten, »eine große braune Soße« – sei. Es gebe unterschiedliche Abstufungen, die man kritisch hinterfragen müsse. Auch die Linke habe eine demokratische Auseinandersetzung
vermieden, so Poet. Dies wäre jedoch ein wichtiger Andockpunkt gewesen, um Menschen in einem gesellschaftlichen Diskurs zu halten. Stattdessen würden beide Seiten nur weiter in ihre jeweiligen kämpferischen Bubbles abgleiten, meint der Filmemacher.
Durch Donners widersprüchliche ideologische Standpunkte scheint es wiederum, als würde sie sich zeitgleich in mehreren Bubbles bewegen – und nach einer gewissen Zeit be-
»Für mich war es immer eine linke
Qualität, in die Feinheiten menschlicher Erfahrungen einzutauchen.« — Paul Poet
sagter Bubbles wieder verwiesen werden. In Folge ihres Sieges beim Verfassungsgerichtshof trat sie wohl in der Türkis Rosa Lila Villa und am Volksstimmefest auf. Ihr rechter Hintergrund bereitete allerdings vielen in der Community Unbehagen, sie bei Veranstaltungen dabei zu haben, was Donner umso mehr ins reaktionäre Lager pushte. Dort hatte sie – zumindest oberflächlich – mit weniger Be-
rührungsängsten zu kämpfen und erfuhr vor allem für ihre Aussagen im »Corona-Widerstand« Zuspruch. Doch auch Rechtsparteien und alternativ-rechte Medien, die sie einst als Star feierten, wollen ihr nun keine Plattform mehr bieten. Auch für sie ist sie anscheinend zu schwer einordenbar.
Die Arbeit am Film habe Poet jedenfalls darin bestärkt, seinem Weg treu zu bleiben: »Für mich war es immer eine linke Qualität, in die Feinheiten menschlicher Erfahrungen einzutauchen, während es rechts mehr um Parolen und Gewalt geht. Ich hoffe, dass ich diese Sensibilität im Film ausdrücken konnte, auch wenn es nur ein kleiner Schritt in der Auseinandersetzung mit rechten Tendenzen ist.«
Für einige Zeit distanzierte sich Monika Donner übrigens von Film und Crew, obwohl die Erfahrung laut Regisseur für sie einen kathartischen Wert hatte: »Sie war stolz, sich als Beispiel zu zeigen und sich auch selbst betrachten zu können. Es war eine intime und offene Auseinandersetzung mit der eigenen Werdung, die sie auch jetzt noch beschäftigt.« Nun wolle sie doch wieder zur Kinostartpremiere kommen. Seine Angebote, sie menschlich zu unterstützen, wenn der Film dann in der Öffentlichkeit steht und unter Umständen mit einem Backlash zu rechnen ist, lehne Donner aber kategorisch ab, so Poet: »Sie macht sich wie immer alles selbst.« Simon Pfeifer
Der Film »Der Soldat Monika« von Paul Poet ist ab 23. April in den österreichischen Kinos zu sehen.
Jud th P hr nger
Der Engel der Geschichte muss so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. (…) Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in dieZukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmer-haufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.« — Walter Benjamin »Über den Begriff der Geschichte: These IX«
Vom Retter der Menschheit zum autokratischen Faschisten: Wie kam es dazu, dass Elon Musk vom Kämpfer gegen die Klimakrise zum Deregulierungszar wurde? Und wie nahe stehen sich Silicon-Valley-Technologiegläubigkeit und Neue Rechte eigentlich wirklich? ———— Es war Anfang 2017, als ich das erste Mal mit Tech-Bros in Kontakt gekommen bin. Damals ist die Förderung für mein Doktorat ausgelaufen und so war ich gezwungen, mir einen Job in der realen Welt – fernab der Uni – zu suchen. Nicht ganz unglücklich, die Wissenschaft eine Weile hinter mir zu lassen, heuerte ich deshalb bei einer IT-Security-Bude als Programmiererin an.
Falls man, wie ich, die Details von Internetprotokollen interessant findet, war es sogar ein ganz spannender Job. Aber noch spannender waren einige meiner Kollegen. Menschen, die man gerne verallgemeinert als Tech-Bros bezeichnet: Männer, in ihren Zwanzigern und Dreißigern, die davon ausgingen, dass ihre Fähigkeiten im hippen, aber beschränkten Bereich der Webseitenentwicklung sie dazu befähigten, Experten für alles Wissen auf der Welt zu sein. Egal ob Politik, Bürokratie, Klimawandel, Genderforschung oder Quantencomputer, meine Kollegen
Faschismus und Technologiegläubigkeit passen gut zusammen – oft auch ästhetisch. Im Bild: der militärisch anmutende Cybertruck von Tesla.
waren immer nur ein Youtube-Video vom Expert*innentum entfernt.
Und in unabwendbarer Schlussfolge kreisten Kaffeepausenansprachen dann häufig darum, wie sich die größten Probleme der Menschheit doch im Handumdrehen lösen ließen, würde man diese Informatikstudienabbrecher nur mal ungestört ranlassen. Einfach, weil sie mit ihrem IT-Brain allen anderen Menschen auf der ganzen Welt überlegen seien. Mit E-Auto in die Zukunft
Einer durfte 2017 im Tech-Bro-Anrufungskanon bei Kaffee und (von der Firma gesponsertem) Kuchen nie fehlen: Elon Musk. Er war zu diesem Zeitpunkt vor allem bekannt als CEO der E-Autofirma Tesla und des Raumfahrtunternehmens Space X. Meine Kollegen schwärmten von ihm und diskutierten angeregt jeden seiner Tweets. Ganz genau hörte ich damals aber nie zu, wahrscheinlich weil ich so Männer-Heroes immer
ein bisschen meh finde. Erst im Blick zurück, für die Recherche dieses Artikels, versuchte ich, die Faszination meiner Kollegen für den 2017er-Elon nachzuvollziehen. Und ich stellte fest, dass dieses Jahr tatsächlich sehr produktiv für ihn war.
Auf Twitter berichtete er über Fortschritte bei den wiederverwendbaren Raketen von Space X, über die Erforschung von längerer Batterielebensdauer, über ein E-Auto-Ladenetzwerk quer durch die ganzen USA, über die Gehirn- Computer-Schnittstellen seiner Firma Neuralink sowie über den Bau seines Tunnelnetzes unter Los Angeles. Dazwischen waren auch Tweets gestreut, die auf die Auswirkungen des Klimawandels hinwiesen und sich unter anderem gegen den Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen aussprachen. Langsam begann ich die Faszination für Elon zu verstehen. In einer Welt, in der die kapitalistische Ausbeutung unseren Planeten buchstäblich verheizt, stand die Figur
Elon Musk für einen Weg vorwärts: Mithilfe radikaler neuer Technologien können wir weitermachen wie bisher, nur eben nachhaltig und daher ohne schlechtes Gewissen.
Dass diese Rechnung nicht aufgeht, zeigt die Realität spätestens heutzutage. Der Abbau seltener Erden für E-Autobatterien zerstört ganze Landschaften und der steigende Strombedarf wird vielerorts nicht durch grüne Energie gedeckt, sondern durch den Ausbau von Kohlekraft und Atomenergie. Gleichzeitig vollzieht sich – wie etwa der Wissenschaftler und Autor Evgeny Morozov 2023 in einem Gespräch beim Vienna Humanities Festival beschrieb – ein massiver politischer Machtransfer hin zu großen Technologiekonzernen: »Diese Firmen präsentieren sich als die einzige verfügbare Alternative. Wenn du an technologischen Fortschritt und Innovation glaubst, musst du sie als Wohltäter*innen für die Menschheit akzeptieren. Das ist für mich das zentrale Merkmal von Solutionismus. Silicon Valley nutzt Krisen als Gelegenheiten für kapitalistische Akkumulation.«
Tech-Bro × rechte Influencer
Es mag sein, dass diese Umstände vor knapp einem Jahrzehnt noch nicht so klar waren oder im Internetdiskurs untergegangen sind. Jedenfalls konnte diese Perspektive den Glanz von Elons Stern in den Augen meiner Kollegen nicht verblassen lassen. Er war für sie ein Popstar und meine Tech-Bro-Kollegen seine unbändige Anhängerschaft. Es wäre schlimm genug, einen Tech-Popstar als Vorbild einer ganzen Generation zu haben, der nicht liefert, was er verspricht. Aber leider blieb es ja nicht bei jenem Elon Musk von 2017. Denn kurz darauf brach 2020 die Corona-Pandemie herein und mit ihr begann der Aufstieg verschiedenster Verschwörungstheoretiker*innen auf allen Social-Media-Plattformen. Mittendrin: Elon Musk.
Zunächst fing er an, auf Twitter immer mehr Inhalte von Impfgegner*innen zu teilen. Von dort ging es dann weiter bergab durch das gesamte Repertoire rechter US-Diskurse: die Beschneidung der Rechte von trans Menschen, Hetze gegen Migration, Verbreitung rassistischer Stereotype und schließlich der Ruf nach freier Meinungsäußerung – natürlich nur solange selbige von rechts kommt. Das ging bis hin zu komplett irrsinnigen Verschwörungstheorien, etwa der Behauptung, dass haitianische Migrant*innen Kannibalismus betreiben würden.
Solcherlei rechte Diskurse breiten sich zusehends international aus. Social-MediaPlattformen wie X und Youtube spielen
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03/11/25 Leyla McCalla
15/12/25 LYLIT
13/01/26 Anna Mabo & die Buben inn.wien ensemble
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»Die soziale Vernetzung von Influencer*innen macht es leicht, immer extremeren Positionen ausgesetzt zu werden und diesen zu vertrauen.«
— Becca Lewis
dabei eine große Rolle. Die Journalistin und Wissenschaftlerin Becca Lewis hat das Netzwerk der Kollaborationen rechter Influencer*innen untersucht und dabei festgestellt, dass eher konservative Pundits oft nur ein bis zwei Schritte von rechtsextremen Verschwörungstheoretiker*innen entfernt sind: »Die soziale Vernetzung von Influencer*innen macht es ihrem Publikum leicht, immer extremeren politischen Positionen ausgesetzt zu werden und anzufangen, diesen zu vertrauen.« Die österreichischen Rechten sind in diesem Netzwerk übrigens ebenfalls vertreten: Martin Sellner, der Chef der Neonazibewegung Die Identitären ist mit der amerikanischen Alt-Right-Influencerin Brittany Pettibone (mittlerweile Brittany Sellner) verheiratet, deren Content sich oft um eine radikale Ablehnung von Feminismus dreht.
Elon Musk hat diese Alt-Right-Pipeline bereits durchlaufen. Da er inzwischen Twitter – oder besser gesagt: X – besitzt, kann er mit seinem Account ungebremst beliebige Inhalte der rechten Influencer*innenblase verstärken. Musk ist dadurch zwar zum Posterboy dieser Bewegung geworden, es ist jedoch wichtig zu betonen, dass er schlussendlich eben nur auf einer Welle mitschwimmt, die gerade weite Teile der Gesellschaft in den USA wie auch in Europa erfasst hat. Denken wir nur an die Corona-Demos hierzulande, sie gelten als die größte Mobilisierung rechten Gedankenguts seit Jahrzehnten und haben es geschafft, Wähler*innen nahezu aller Parteien in Richtung FPÖ zu ziehen.
Neben Corona-Verschwörungstheorien, gibt es auch weitere Überschneidungen der Trump-Regierung mit rechten Parteien in Europa. Neben der rassistischen Migrationsdebatte und der zunehmenden Beschneidung von LGBTQIA*-Rechten – die jeweils eine eigene Auseinandersetzung verdienen würden – sticht in Bezug auf Elon Musk und das TechBro-Mindset vor allem die Kritik an staatlichen Verwaltungsapparaten ins Auge.
So fügt sich der Gründungsgedanke von Doge, der Abteilung für Regierungseffizienz, bei der Musk von Beginn an federführend war, – nämlich Bürokratie abzubauen, Korruption zu bekämpfen und Budgettransparenz zu fördern – nahtlos in den Diskurs der europäischen Rechten ein. Denn seit jeher kritisieren diese die »überbordende« Bürokratie ihrer Länder sowie der EU. Dahinter verbirgt sich aber selten der Wunsch nach sinnvoller Reform, vielmehr geht es häufig um die Demontage kontrollierender Institu-
tionen. Man denke nur an die 2018 von der FPÖ unter Innenminister Kickl veranlasste Hausdurchsuchung im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, die offiziell der Korruptionsbekämpfung diente – in deren Zuge jedoch sensible Daten zur FPÖ-nahen Neonaziszene sichergestellt wurden, obwohl diese gar nicht Gegenstand der Ermittlungen waren.
Auf ganz ähnliche Art erfüllt nun Doge die Rolle einer institutionellen Abrissbirne, wobei natürlich auffällt, dass von den Kürzungen vor allem Ämter und Institutionen betroffen sind, die der republikanischen Agenda ein Dorn im Auge sind und gegen die sich von rechts besonders gut auf Twitter –pardon, X – wettern lässt: Die weltweite Katastrophenhilfe unter USAID widerspricht der Trump’schen America-First-Agenda, im National Institute of Health wird unter anderem Forschung an (Corona-)Impfstoffen gefördert und mit Kürzungen öffentlich finanzierter Diversitätsprogramme ist es einfach, Rassismus sowie Frauen- beziehungsweise Transfeindlichkeit zu betreiben.
Von Musk und seinen Mitarbeiter*innen – übrigens größtenteils Männer unter 25, die zuvor meist als Praktikanten in Musks Firmen arbeiteten – wird jedoch behauptet, dass die betroffenen Institutionen entweder korrupt und/oder ineffizient seien. Hier geht der technokratische Größenwahn nahtlos in einen Autoritarismus über. Was korrupt und ineffizient ist, entscheiden ein Tech-Bro-Universalgenie und seine Jünger – natürlich mithilfe der rechten Influencer*innenbubble. Dabei werden allerdings nicht nur über Jahrzehnte gewachsene staatliche Förderstrukturen zerstört, sondern es wird gleichzeitig ein demokratisch erarbeiteter, überparteilicher Gesellschaftsvertrag aufgekündigt. Denn nichts anderes ist ein staatliches Budget: ein über viele Legislaturperioden aufgebautes demokratisches Übereinkommen, wer und was in einem Staat fördernswert ist.
Der Slogan »move fast and break things«, beliebt in der Tech-Start-up-Szene, passt sich dabei zynisch in diese Agenda ein. Im Silicon Valley bedeutet das: Wer schnell ist, kann mit mutigen technologischen Innovationen Märkte erobern und reich werden; angewendet auf den Bürokratieapparat scheint dessen Zerstörung nicht einmal eine bedauernswerte Nebenerscheinung zu sein. Ganz im Gegenteil, schließlich seien hier laut den Trumpist*innen die Nutznießer*innen ohnehin auf staatliche Leistung angewiesene Bedürftige, die sowieso nur in der sozialen Hängematte faulenzen würden.
Was den Aufstieg des Tech-gepowerten Faschismus in den USA angeht, so mag es sein, das sich Narzisst*innen wie Trump und Musk vorwiegend vom disruptiven, revolutionären Charakter dieses neuen Faschismus angezogen fühlen und dabei selbst nicht an viele Dinge außer an den eigenen Bekanntheitsgrad glauben. Aber für das Schicksal der Amerikaner*innen sowie für den Lauf der Weltgeschichte ist es vielleicht gar nicht so relevant, durch wessen Zutun sich der Faschismus wieder aufbäumen kann. Marx hat anscheinend einmal gesagt, dass sich die Geschichte immer zweimal ereignet, das erste Mal als Tragödie, das zweite Mal als Farce. An dieses Zitat musste ich in den letzten Wochen nur allzu oft denken.
An wen ich allerdings in letzter Zeit auch oft denke, sind meine alten Kollegen aus dem Start-up. Mit den größten damaligen MuskAnhänger*innen habe ich leider keinen Kontakt mehr, aber Hinweise, wie es manchen davon gerade gehen dürfte, finden sich online genug. Viele schämen sich öffentlich in den sozialen Medien, der Blendkraft von Elon Musk anheimgefallen zu sein. Darunter sind auch einige Tesla-Besitzer*innen, die jetzt ihre Teslas mit Musk-kritischen Stickern versehen (lol) oder sie gleich verkaufen. Vielleicht sind das ja schon die ersten Vorboten dafür, dass die Wende hin zum Faschismus selbst in wohlhabenden und konservativeren Bevölkerungsschichten doch noch nicht mehrheitsfähig ist. Bislang hat sich jedenfalls trotz einiger Kandidaten – laut Wirtschaftsmagazin Trend zuletzt etwa Sepp Schellhorn, vormals Gastronom, nun Staatssekretär für Deregulierung – noch kein Elon-Musk-Äquivalent in Österreich gefunden. Das liegt vor allem daran, dass Hightech hierzulande, wo noch immer Schwerindustrie und Tourismus dominieren, kein besonders starker Wirtschaftszweig ist. Traditionelle Wirtschaftssparten bedingen in diesem Fall auch althergebrachte, konservative Netzwerke mit einem für Österreich typisch katholischen Wertekanon. Das ist anders, aber nicht unbedingt besser, denn von der Geschichte wissen wir, dass es auch von da Wege in den Faschismus gibt. Mir bleibt deshalb nur noch zu sagen: »¡No pasarán!« Carina Karner
Das gesamte Vienna-Humanities-FestivalGespräch mit Evgeny Morozov mit dem Titel »Will A.G.I. Save the World?« ist auf dem Youtube-Kanal »IWMVienna« nachzuhören. Der Report »Alternative Influence« von Becca Lewis findet sich auf der Website www.datasociety.net.
Warum heterosexuelle Beziehungen vor allem Frauen schaden und wieso es andere Formen der Verbundenheit braucht, damit befasst sich Beatrice Frasl in ihrem neuen Buch. ———— Die Autorin, Kolumnistin und Podcasterin (»Große Töchter – Der feministische Podcast für Österreich«) rechnet bereits vor der Veröffentlichung von »Entromantisiert euch!« damit, dass ihr neues Werk nicht allen gefallen wird. Schließlich ist es kaum üblich, dass jemand das Konzept der romantischen Liebe einer umfassenden Kritik unterzieht. In den Buchhandlungen sehen wir stattdessen meist Beziehungsratgeber. Dort und anderswo sind es vor allem Frauen, die sich in romantischen Beziehungen zu Männern befinden sollen, die dabei ihre Bedürfnisse negieren und jene ihres Partners priorisieren, die unbezahlte Arbeit leisten und die von Jugend an lernen, unter einem männlichen Blick zu existieren. Im Interview mit The Gap erzählt Beatrice Frasl, warum das Konzept der Liebesehe ein eher neues Phänomen ist, wie sowohl Kapitalismus als auch Patriarchat von der romantischen Liebe profitieren und warum wir Alternativen zur klassischen Kleinfamilie brauchen.
Für dein neues Buch hast du dich intensiv mit der Geschichte der romantischen Liebe beschäftigt. Welche Erkenntnisse hast du über sie gewonnen?
beatrice frasl: Nicht die Gefühle für eine andere Person sind konstruiert, aber definitiv das Modell der romantischen Liebe, wie wir es kennen, sowie deren zentraler Stellenwert in unserer Gesellschaft. So ist etwa die Liebesehe ein relativ neues Phänomen. Der Adel heiratete lange, um sein Reich zu erweitern und Frieden zu sichern. Andere Schichten, um Besitztümer zu erhalten. Die Menschen wären damals nie auf die Idee gekommen, aus Liebe eine Ehe einzugehen. Im Zuge der Industrialisierung kam es dann zu einer Trennung zwischen der öffentlichen und der privaten Sphäre: Während Frauen zu Hause arbeiten mussten, waren Männer in der Öffentlichkeit präsent. Dabei wurde das Konzept der romantischen Liebe wichtiger. Aus einer feministischen Perspektive ist es interessant, wie sehr das Narrativ der romantischen Liebe dazu dient, Frauen in eine Rolle zu drängen, eine Rolle, die privat und dienend ist; voll von Aufgaben, die »aus Liebe« gemacht werden – und daher nicht bezahlt werden müssen. Das ist eine patriarchale Strategie.
Was haben der Kapitalismus und das Patriarchat davon, dass sehr viele Menschen romantische Beziehungen eingehen oder zumindest eingehen wollen?
Der Kapitalismus hat extrem viel davon. Unzählige Geschäftszweige verdienen daran, dass Menschen romantische Beziehungen an-
streben. Das prominenteste Beispiel ist natürlich der Valentinstag, zu dessen Anlass es zahlreiche Geschenke zu kaufen gibt – Blumen, Herzpralinen, Candle-Light-Dinners oder Wellness-Wochenenden. Auch Dating-Coaches, Paartherapien, Scheidungsanwält*innen und die Schönheitsindustrie verdienen am Konzept der romantischen Liebe. Besonders Dating-Apps verzeichneten in den letzten Jahren einen enormen Zuwachs, aber nun brechen sie langsam ein. Und das Patriarchat profitiert ebenso von der romantischen Liebe: Frauen wird von Beginn ihres Lebens an beigebracht, männliche Bedürfnisse zu erfüllen, die romantische Liebe gilt für ihr gelungenes Leben als notwendig, obwohl Studien ein anderes Bild zeigen.
Warum wird das Single-Sein so problematisiert – vor allem bei Frauen?
Ich finde die Bezeichnung »Single« schwierig. Studien zeigen immer wieder, dass gerade Frauen ohne romantische Beziehung keineswegs alleine sind – sie haben viel mehr Freund*innenschaften, engagieren sich eher, sind besser in Communitys eingebunden. Wir sollten diese Vorstellung, dass jemand entweder in einer romantischen Beziehung oder »alleine« ist, hinterfragen. Gerade Frauen in romantischen Beziehungen sind oft alleine, aber über diese Form der Einsamkeit spricht niemand. In unserer Gesellschaft herrscht die
Beatrice Frasl hinterfragt, ob unsere Gesellschaft um die romantische Zweierbeziehung organisiert sein muss.
Vorstellung, dass weibliche Singles niemanden abbekommen haben, dass sie gescheiterte Existenzen sind. Das ist bei männlichen Singles weniger der Fall. Sie gelten als Freigeister, dürfen Bachelors sein. Das zeigt, wie sehr Frauen noch immer in Bezug auf Männer betrachtet werden. Und wie sie kritisiert werden, wenn sie Männern nicht zur Verfügung stehen.
In welcher Hinsicht sind Darstellungen romantischer Liebe in Medien und Popkultur problematisch?
In vielen Romcoms wird anhand großer, vermeintlich romantischer Gesten – etwa Stalking, ungewolltem Auftauchen am Arbeitsplatz und bloßstellenden Situationen – versucht, Frauen zu kontrollieren. Das sind Erzählungen, mit denen wir aufwachsen und durch die wir lernen, was Liebe ist. Alleine die Vorstellung davon, dass romantische Liebe eine Person überkommt, dass man sich gegen diese großen Gefühle nicht wehren kann, ist kritisch zu sehen. Jane Monckton Smith recherchierte zu Männern, die ihre Partnerin getötet haben. Diese sagten vor Gericht, sie hätten es aus Liebe getan. Viele bekamen deshalb eine geringere Strafe. Männer überschreiten Grenzen, Frauen halten toxisches Verhalten aus – beides wird mit Liebe begründet.
Inwiefern haben Frauen den männlichen Blick auf sich selbst internalisiert? Und welche Maßnahmen gibt es dagegen? Männer werden dazu sozialisiert, sie selbst zu werden, Hobbys und Träumen nachzugehen. Frauen wiederum sollen Männern gefallen. Sie sollen gefällig sein, die Arbeit im Haushalt leisten und die Liebe finden. Dieses Narrativ haben wir alle internalisiert. Aus der feministischen Filmwissenschaft wissen wir, welche Macht Blickstrukturen haben und in welchem Ausmaß Frauen diejenigen sind, die auf der einen Seite als Objekte betrachtet werden sowie auf der anderen Seite den objektifizierenden Blick internalisieren, sich also selbst als Objekt betrachten. Es hilft, sich dessen bewusst zu werden. Im Laufe des Lebens merken viele Frauen, wie sehr sie bestimmten Blicken ausgesetzt sind beziehungsweise waren. Es hilft, älter zu werden – das kann befreiend sein. Immerhin haben junge Frauen heutzutage, denke ich, ein diverseres Frauenbild. Ich würde jeder jungen Frau raten, sich nicht in romantischen Beziehungen zu verlieren und auch andere Beziehungen zu priorisieren – etwa Freund*innenschaften und die Beziehung zu sich selbst.
Warum nehmen uns romantische Beziehungen so oft die Möglichkeit, mehr mit anderen Menschen in Verbindung zu treten?
Wir dürfen nicht vergessen, dass unsere gesamte Gesellschaft um romantische Beziehungen organisiert ist. Selbst wenn man keine romantische Beziehung hat beziehungsweise seine romantische Beziehung weniger fokussiert, ist man Strukturen ausgesetzt, die diese Form des Zusammenseins favorisieren. Romantische Beziehungen sind durch die Ehe und durch eingetragene Partner*innenschaften rechtlich abgesichert. Man denke an Hochzeitseinladungen, Familiengründung und die Anschaffung eines Eigenheims – all das machen wir mit Partner*innen. Mit wem kaufe ich einen Hund, mit wem feiere ich Weihnachten, mit wem mache ich Urlaub? Auch darauf lautet die Antwort der Gesellschaft: mit der Person, mit der man in einer romantischen Beziehung ist. Noch gibt es wenige Modelle dafür, wie wir anderen Formen von Beziehungen mehr Raum geben können.
Welche Prognosen kannst du hinsichtlich des aktuell wieder vermehrt konservativen Frauenbilds stellen? Beeinflusst dieses auch romantische Beziehungen?
Dazu lässt sich vieles noch nicht einschätzen. Ich konnte bei der Recherche zu meinem Buch vor allem einen Trend erkennen: Die politischen Einstellungen von jungen Männern und Frauen gehen weiter auseinander; Männer werden konservativer und Frauen progressiver. Daher wird es für die Geschlechter schwieriger, romantische Beziehungen zu führen. Vor allem Frauen haben immer weniger Lust darauf und diskutieren das unter Hashtags wie #heteropessimismus und #boysober. In den Medien liest man vermehrt auch über ältere Singlefrauen. Trends wie Tradwives scheinen darauf eine Gegenreaktion zu sein, aber ich bin mir nicht sicher, inwiefern dieses konservative Frauenbild im
Alltag tatsächlich zurückkommen wird. Es gibt aktuell viele Bewegungen, die zeigen: Die romantische Beziehung ist am Ende.
Wie kann Einsamkeit besser bekämpft werden?
Bisher haben wir unterschätzt, wie groß dieses Problem ist. Stets hieß es, dass wir auf gesunde Ernährung und Sport achten müssen, aber Einsamkeit schadet uns viel mehr. Erst bei der Recherche zu meinem Buch »Patriarchale Belastungsstörung« stellte ich fest, wie problematisch Einsamkeit ist. Damals stieß ich auf viele Ratschläge, die romantische Beziehungen als Mittel gegen Einsamkeit propagierten. Das war der Anstoß für mich, »Entromantisiert euch!« zu schreiben. Wir brauchen Freund*innenschaften und Community. Es ist ein Problem, dass viele Menschen sozial so schlecht eingebunden sind. Social Media und Dating-Apps tragen zur Einsamkeit bei. Sie imitieren Verbindungen, sind aber eher Beziehungsattrappen. Wir sollten neue Modelle schaffen, wie Menschen gemeinsam durchs Leben gehen können. Wir leben nicht mehr in Sippen und die romantische Beziehung sowie die Kleinfamilie konnten nur bedingt gegen Einsamkeit und Vereinzelung helfen. Gerade sind wir in einer Phase des Umbruchs: Es braucht neue gesetzliche Rahmenbedingungen und kreative Gedanken dazu, was Familie, Beziehungen jeglicher Art und Gemeinschaft bedeuten könnten. Barbara Fohringer »Entromantisiert euch!« von Beatrice Frasl erscheint am 24. April im Haymon Verlag.
Von 8. bis 14. Mai zeigt die Ethnocineca wieder aktuelles Dokumentarfilmschaffen aus Österreich und der ganzen Welt. In guter Tradition vergeben wir in Kooperation mit dem Festival auch heuer ein Schreibstipendium im Wert von 500 Euro.
Du interessierst dich für Film? Besonders für Dokumentarfilm? Außerdem möchtest du gerne in die journalistische Praxis eintauchen? In Kooperation mit dem Filmfestival Ethnocineca suchen wir Nachwuchsjournalist*innen, die auf thegap.at vom Festival berichten wollen.
Unser Schreibstipendium ist mit 500 Euro dotiert. Als Ergebnis sollen drei Texte entstehen, in denen Eindrücke vom Festivalgeschehen und den gezeigten Filmen in Form eines Ethnocineca-Tagebuchs verarbeitet werden. Für die Erstellung der Texte wird der*die Stipendiat*in von der The-GapRedaktion betreut und gecoacht.
Bewirb dich jetzt!
Du bist interessiert? Dann schick ein kurzes Motivationsschreiben samt allem, was wir über dich wissen sollten (max. 2.500 Zeichen) sowie eine Textprobe (gerne auch unveröffentlichtes Material) per E-Mail an office@thegap.at. Die Einreichfrist endet am 28. April 2025.
Über die Vergabe des Stipendiums wird bis 30. April durch eine Jury entschieden, die sich aus Vertreter*innen von Ethnocineca und The Gap zusammensetzt.
Das internationale Dokumentarfilmfestival Ethnocineca findet heuer zum 19. Mal statt. Das Festivalprogramm wird am 24. April veröffentlicht und ist von 8. bis 14. Mai im Votiv Kino und im Kino De France zu sehen. www.ethnocineca.at
Die Wienwahl steht vor der Tür. Wir haben an jene sieben Parteien, die am 27. April in ganz Wien antreten, einen Fragebogen ausgeschickt –mit der Bitte um kurze, prägnante Antworten.
Die Wiener Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahlen finden am 27. April statt. Wahlberechtigte, die an diesem Tag nicht in der Stadt sind, können online eine Wahlkarte beantragen.
Wie kann Wohnen – gerade für junge Menschen –wieder leistbarer werden?
Die Mieten in Wien sind im moderaten Bereich. Mit der »Wohnbau-Offensive« und der Regelung, dass bei Neuwidmungen zwei Drittel für sozialen Wohnbau reserviert werden, sichern wir leistbaren Wohnraum für alle Generationen. Mit der Jungwiener*innen-Aktion gibt es leistbare Gemeindewohnungen für Siebzehn- bis Dreißigjährige. Außerdem haben wir die Wohnbeihilfe erhöht.
Hat Wien ein Verkehrsproblem?
Wien hat eines der dichtesten Öffi-Netze. Mit dem Bau der U5, der Verlängerung der U2, dem Ausbau des Straßenbahnnetzes und einem Jahresticket, das seit zwölf Jahren nur einen Euro pro Tag kostet, ist Wien Klimamusterstadt. Durch Verkehrsberuhigungen, Fußgängerzonen und Begrünung unter dem Motto »Raus aus dem Asphalt« bleibt Wien auch in Zukunft so lebenswert.
Leistbares Wohnen wird für immer mehr Wienerinnen und Wiener zur Herausforderung – das ist das Ergebnis der verfehlten Wohnungspolitik der Stadtregierung. Die Stadt Wien hat in den vergangenen zehn Jahren über 220.000 Menschen aufgenommen, aber in diesem Zeitraum nur rund 1.400 Wohnungen gebaut. Es braucht daher eine Wohnungsoffensive für leistbaren Wohnraum. In einigen Verkehrszonen kann man durchaus von einem Verkehrsproblem sprechen, etwa in Floridsdorf oder der Donaustadt. Davon berichten uns täglich Bewohnerinnen und Bewohner. Es braucht daher unbedingt den Bau des Lobautunnels, um ganz Wien zu entlasten. Zudem ist der Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel in den Außenbezirken essenziell.
Leistbarer Wohnraum soll allen Menschen, aber vor allem jungen Erwachsenen zugänglich sein. Neben einer Offensive im sozialen Wohnbau, mit der wir bis 2030 25.000 gemeinnützige Wohnungen und 10.000 Gemeindewohnungen fordern, braucht es einen Wohnungskautionsfonds, eine Wohnbeihilfe für junge Menschen in Ausbildung und attraktivere Studierendenwohnheime.
Mit weniger Bauvorschriften wird der Wohnbau attraktiver und mehr leistbarer Wohnraum geschaffen. Zusätzlich unterstützen wir gezielt junge Menschen mit geförderten Wohnkonzepten wie »Smart Wohnen« mit geringerer Eigenmiete sowie dem »Wohn-Ticket« für Jungwiener*innen, das bei der Wohnungssuche im Gemeindebau hilft.
Die Stadt Wien muss endlich wieder Gemeindewohnungen mit hohen Zugangsbeschränkungen wie etwa der österreichischen Staatsbürgerschaft errichten. Mietzinsreduktion im Gemeindebau auf das Niveau von 2020. Ausschütten einer Sonderdividende von der stadteigenen Wien Energie zur Abfederung der explodierenden Stromkosten.
Unser Mietzins soll niemandem zur Bereicherung dienen. Dazu benötigt es vor allem kommunalen Wohnbau – denn das »Rote Wien« ist längst nicht mehr das, was es einmal war. Weiters gehen wir gegen Immobilienspekulant*innen vor, die Wohnraum als Spekulationsobjekt eher leer stehen lassen oder illegal kurzzeitvermieten, als auf dem Wohnungsmarkt zugänglich zu machen.
Team HC Strache Nur durch größere Anstrengungen im sozialen Wohnbau!
Ja. Die Stadt Wien hat sich zum Ziel gesetzt, dass bis 2030 nur noch 15 Prozent der Wege mit dem Auto zurückgelegt werden. Wir stehen seit Jahren bei 26 bis 27 Prozent. Vor allem in den Außenbezirken sind die Öffis schlecht ausgebaut. Wir fordern siebzehn neue Bimlinien in den Außenbezirken, kürzere Intervalle, Vorrang für Öffis und Beibehaltung des 365-Euro-Tickets.
Wir müssen Verkehr neu denken und nicht verschiedene Verkehrsteilnehmer*innen gegeneinander ausspielen. Durch den Ausbau nachhaltiger öffentlicher Mobilitätsangebote, einer hochwertigen, sicheren und effizienten Radinfrastruktur sowie von qualitätsvollem Aufenthaltsraum mit Grünraum für Fußgänger*innen schaffen wir attraktive Alternativen zum Auto.
Ja, weil die Stadt Wien künstlich Staus zum Beispiel durch Straßenverengungen und falschgeschaltete Ampelphasen erzeugt. Ausbau der Park-&-Ride-Anlagen an den Stadtgrenzen für ein attraktives Angebot an die Pendler. Wien ist für das ineffiziente und männlich dominierte Verkehrsmittel Auto ausgelegt, das für ein Viertel der Nutzer*innen zwei Drittel der Verkehrsfläche belegt, besonders Ärmere an Durchzugsstraßen durch Emissionen belastet und uns alle stark einschränkt. Um die Milliarden für den Lobautunnel könnten wir das Straßenbahnnetz verdoppeln. Also JA, Wien hat ein AUTOPROBLEM.
Ja, aber das Problem wird von den Regierenden (SPÖ / N eos / G rüne) künstlich erzeugt! Durch falsche Ampelschaltungen, Verkehrsbehinderungen, Fa hrbahnverengungen, …
Welche Maßnahmen müssen gesetzt werden, um Femiziden vorzubeugen?
Der europaweit einzigartige 24-Stunden-Frauennotruf, fünf Frauenhäuser, die Kompetenzstelle gegen Cybergewalt und Initiativen wie »Ich bin dein Rettungsanker« sind Beispiele für unser dichtes Gewaltschutznetz, das wir stetig ausbauen. Besonders wichtig ist die Prävention durch verstärkte Männer- und Bildungsarbeit, etwa mit Schulprojekten wie »Respekt«.
Um der Gewalt gegen Frauen weiterhin entschlossen entgegenzutreten, werden wir unseren Weg im Bereich des Gewaltschutzes fortsetzen und weiter in den Ausbau des Opferschutzes und der Täterarbeit investieren. Darüber hinaus braucht es eine Fortsetzung des Kampfes gegen ehrkulturelle Gewalt sowie einen weitreichenden Ausbau des Schutzes im Internet.
Neos
FPÖ
KPÖ und Links
Es braucht mehr Fokus auf den Ausbau von Gewaltprävention und Gewaltschutz und mehr opferschutzorientierte Täterarbeit. Das Projekt »Stadtteile ohne Partnergewalt« soll in jedem Bezirk implementiert werden. Außerdem notwendig: Ausbau der Männerberatung und ein sechstes Frauen*haus in Wien. Mehr sichtbare feministische Politik ist generell der beste Gewaltschutz.
In Wien haben wir die Mittel für Gewaltschutz verdoppelt und ein fünftes Frauenhaus eröffnet. Prävention beginnt in Schulen und mit gezielter Burschen- und Männerarbeit. In der Bundesregierung haben wir eine stärkere Bekämpfung von Femiziden, insbesondere durch bessere Prävention und eine verbesserte statistische Erfassung, festgeschrieben.
Restriktive Außerlandesbringung straffälliger Nichtösterreicher. Zuzug und Familiennachzug sofort stoppen. Aufstockung der Exekutive anstatt Wachzimmerschließungen.
Soll Fair Pay eine Bedingung für Kulturförderung werden?
Ziel der Wiener Kulturförderpolitik ist eine effektive, effiziente und nachhaltige Umsetzung der Kultur- und Wissenschaftsförderung. Zentrales Anliegen: Fair Pay. Seit 2018 haben wir das Kulturbudget um mehr als fünfzig Prozent erhöht, um faire Arbeitsbedingungen zu unterstützen. Fördernehmer*innen werden angehalten, Fair Pay in ihren Ansuchen zu berücksichtigen.
B esonders im Bereich der Kulturförderung in Wien gibt es eine Vielzahl von Baustellen. Unabhängig davon, dass im Bereich der Kulturförderung Abermillionen von Steuergeld in fragwürdigen Projekten – wie den Wiener Festwochen – versickern, halten wir es für unerlässlich, Künstlerinnen und Künstler für ihre Arbeit fair zu bezahlen.
Ja . Aber Fair Pay wird in Wien nur möglich, wenn das Kulturbudget insgesamt angehoben wird, da selbst anerkannte Institutionen oft nicht die Honorarrichtlinien erfüllen können, weil sie angesuchte Förderungen nicht in vollem Umfang erhalten. Das Kulturbudget muss so erhöht werden, dass Fair Pay und Inflationsanpassungen möglich werden.
Wir setzen uns dafür ein, dass Fair Pay im Kulturbereich bestmöglich umgesetzt wird. Mehr Geld soll direkt bei Künstler*innen ankommen, statt in überzogene Bürokratie zu fließen. Mehrjährige Förderungen schaffen mehr Planungssicherheit. Zudem stärken wir gezielt junge Talente und schaffen mehr Raum für niederschwellige Kulturangebote in der Stadt.
Ja. Die FPÖ spricht sich in jedem Bereich gegen Ausbeutung und Sozialdumping aus.
Team HC Strache
Zunächst müssen Gewaltschutzeinrichtungen wie Frauenhäuser und Beratungsstellen ausgebaut werden. Prävention bedeutet weiter Sensibilisierung und Abbau von Strukturen, die FLINTA*-Personen entrechten, marginalisieren und ökonomisch benachteiligen. Wir stehen für eine Gesellschaft ohne auferzwungene Geschlechterrollen und frei von patriarchaler Gewalt.
Die Täter, die man ja kennt, sofort verhaften und dann abschieben! Und aus diesen »Kulturkreisen« keine Männer mehr nach Österreich als »Asylsuchende« hereinlassen!
B ei Kulturprojekten muss Fair Pay Voraussetzung für Förderungen sein und diese müssen so erhöht werden, dass alle gerecht bezahlt werden. Es darf nicht an denen gespart werden, die das Projekt tragen. Unbezahltes Volunteering gehört abgeschafft, da es Ausbeutung normalisiert – essenzielle Arbeiten wie Einlass oder Garderobe müssen fair entlohnt werden.
Ja , warum nicht!
Wien als 24-Stunden-Stadt: Sind rund um die Uhr verfügbare Club- und Kulturangebote sowie andere Dienstleistungen wünschenswert?
Kultur muss für alle zugänglich sein – durch kostenfreien Eintritt, wie beim Donauinselfest, Kultursommer und Wien Museum. Fair Pay und gute Arbeitsbedingungen sind dabei essenziell. Eine 24-Stunden-Stadt darf nicht zulasten der Beschäftigten gehen. Wichtig ist die Balance zwischen lebendigem Stadtleben und hoher Lebensqualität für alle Wiener*innen.
Das Club- und Kulturangebot in Wien reicht von den frühen Morgenstunden bis weit hinein in die späte Nacht. Zusätzlich gibt es einige Angebote – wie die Lange Nacht der Museen –, in denen Kulturangebote auch nachts für alle Wienerinnen und Wiener zugänglich sind. Einen Ausbau dieser Dienstleistungen, halten wir daher für nicht notwendig.
24-Stunden-Lizenzen sollen Betreiber*innen mehr Flexibilität und weniger Bürokratie bei den Öffnungszeiten ermöglichen – das unterstützen wir. Weiters lehrt die Erfahrung, dass Sperrstunden nach sechs Uhr früh die Nachbarschaft weniger stören als zwischen zwei und vier Uhr, weil sich Nachtschwärmer*innen dann mit den Früharbeitenden mischen.
Wir wollen die Vielfalt der Wiener Clubkultur aktiv stärken, indem wir die Sperrstunde flexibilisieren, einen Schallschutzfonds für Veranstaltungsstätten schaffen und indem wir uns für mehr Rechtssicherheit für Clubs einsetzen. Mit einem »Tag der Clubkultur« wollen wir die Highlights der Szene einmal im Jahr künftig groß feiern.
Nein, Kosten und Arbeitnehmerschutz sprechen dagegen.
Sind Teil des Eröffnungskonzerts in der Remise in Amstetten: Lou Asril und Sigrid Horn
Von 16. Mai bis 20. Juli wird das Mostviertel zum Schauplatz für einzigartige Kunst- und Kulturprojekte. Zum Auftakt des Viertelfestivals geben namhafte Mostviertler Musikschaffende ein gemeinsames Konzert in der Remise in Amstetten.
Im Rahmen des jährlich stattfindenden Viertelfestivals lädt die Kulturvernetzung Niederösterreich zur kulturellen und künstlerischen Entdeckungsreise ins Mostviertel. 48 Projekte stehen dabei auf dem Programm – von Musik über Film und Fotografie bis hin zu Performance- und bildender Kunst. Auf Dorfplätzen, am Bahnhof, in Kulturzentren, an der Donau oder im Wirtshaus spiegelt das Festival die Vielfalt und Breite einer unkonventionellen Regionalkultur wider und lädt als »Begegnungszone« zum Staunen, Diskutieren und zur Teilhabe ein.
Wien braucht wieder vielfältige Kulturangebote. Wir begrüßen eine Ausweitung der Sperrstunde mit Berücksichtigung der Arbeitsverhältnisse. Es braucht Räume für Subkulturen ohne Angst vor Polizei oder Anrainer*innen, in denen sich die Szene frei ausleben kann. Clubräume sind Safe(r) Spaces und sollten häufiger als nur am Wochenende zur Verfügung stehen.
Ja! Dadurch wäre Wien als Touristenstadt noch attraktiver. Aber auch für die ansässige Bevölkerung vor teilhaft!
Festivalstart mit prominenter Singer-Songwriter-Szene Zur Eröffnung am 16. Mai finden namhafte Musikschaffende aus dem Mostviertel für ein gemeinsames Konzert in der Remise in Amstetten zusammen. Mit dabei sind Lou Asril, Sigrid Horn, Sarah Bernhardt, Tini Trampler, Litha, Gravögl und Dritte Hand. Weitere Highlights: das Klangereignis Donauklangbrücke mit Musiker*innen aus zehn Donauländern (24. Mai), das Ausstellungsprojekt S chau*, bei dem in umgenutzten Schaufenstern Kunst zu sehen ist (Eröffnung am 14. Juni mit einem Konzert von Alicia Edelweiss und Beauchamp*Geissler), die abendliche Kurzfilmtour Street Cinema vom Verein Filmzuckerl und 4 Days 4 Noise Camp, ein Musikcamp für FLINTA*-Personen (von 9. bis 12. Juli). Sowie vieles, vieles mehr!
Das Viertelfestival findet heuer von 16. Mai bis 20. Juli im Mostviertel statt. Nähere Informationen zum Programm unter www.viertelfestival.at
In »Trocken« erzählt Daniel Wagner von seinem Kampf gegen die Alkoholsucht und schildert deren zerstörerischen Einfluss auf sein Leben. Das Buch ist aber mehr als eine biografische Aufarbeitung. Es vereint Hoffnung mit Reflexion und beleuchtet gleichzeitig den gesellschaftlichen Umgang mit Alkohol kritisch.
Neulich hast du im Internet so einen »Habe ich ein Alkoholproblem?«-Test gemacht. Bei den Angaben hast du zwar eh schon geflunkert, aber trotzdem hat der dumme Test gesagt, dass du ein Alkoholproblem hast. Aber das kommt da sicher bald einmal raus. Die müssen das ja so machen, damit die jungen Leute weniger trinken. Du denkst an einen Freund von dir, der viel mehr trinkt als du, und beruhigst dich damit. Wenn der kein Alki ist, bist du auch keiner. Außerdem hast du letztens, als du krank warst, fast zwei Wochen nichts getrunken und da hattest du auch kein Problem. Also, alles gut. Oder doch nicht? Es gelingt dir nicht so ganz, deine Zweifel abzustellen. Aber du wüsstest auch gar nicht, mit wem du über diese leichte Angst, die dich beschleicht, reden solltest. Man würde dich ohnehin nicht verstehen und da viel zu viel hineininterpretieren. Dabei hast du ja gar kein Problem. Also entschließt du dich zu schweigen. Du willst nicht, dass sich jemand unnötig Sorgen macht. Es wäre ja wirklich unnötig. Schließlich gehst du ganz normal zur Arbeit und machst sogar regelmäßig Sport. Und Schnaps trinkst du auch keinen, aber alle Alkoholiker trinken Schnaps. Außerdem bist du noch jung und möchtest ganz einfach hin und wieder Spaß haben. Das soll nicht heißen, dass du nur mit Alkohol Spaß haben kannst, aber er macht die Stimmung nun mal lockerer. Überhaupt kommst du sonst so schwer aus dir raus und da tut es gut, auch mal loslassen zu können.
In letzter Zeit bieten sich auf einmal so viele Anlässe zum Feiern, sodass du deine »trinkfreie Woche«, ehemals »trinkfreier Monat«, gar nicht einhalten kannst. Aber unter anderen Umständen wäre es kein Problem für dich, denn du trinkst ja auch ab und an mal einen Tag gar nichts, und da zitterst du auch nicht. Leider werden die Kater in letzter Zeit immer schlimmer. Das ist aber dem zuneh-
menden Alter geschuldet, und nicht der Intensität deiner Räusche. In deinem Umfeld trinken auch fast alle. Gut, ein paar Freundinnen und Freunde siehst du mittlerweile seltener, aber die melden sich ja auch nie. Permanent beobachtest du das Trinkverhalten der dich umgebenden Menschen und vergleichst es mit deinem. Wenn einer mal aussetzen will, versuchst du, ihn oder sie zum Trinken zu überreden. Du glaubst, du tust das, weil er dir sonst leidtäte, aber du tust das, weil du Angst hast. Angst davor, plötzlich allein auf deinem sinkenden Schiff zu sein. Du trinkst abends auch mal allein vor dem Fernseher und du schaust Willkommen Österreich und denkst dir jedes Mal, die zwei trinken auch ständig und die sind immerhin im Fernsehen. So machst du das andauernd. Du gehst an einem Obdachlosen vorbei, der sich früh am Morgen mit Wein betrinkt, und erzählst dir, dass das und nur das ein Alkoholiker ist. Du sammelst diese Eindrücke und hortest sie in deinem Gewissenspolster, damit du ruhig schlafen kannst. Du überlegst, wie es wäre, gänzlich auf Alkohol zu verzichten, und es fällt dir schwer, dir Feierlichkeiten oder Urlaube nüchtern vorzustellen. Eigentlich unmöglich. Du bekommst Angst davor, einmal nicht mehr trinken zu dürfen, also nimmst du dir mal wieder vor kürzerzutreten. Du verbringst vier gute nüchterne Tage und das ist dir Beweis genug. Du belohnst dich mit einem Saufgelage und deinem Scheinattest, kein Alkoholproblem zu haben.
Bevor es zu einer Feier geht, trinkst du ein Bier, um warm zu werden. Es ist doch eh egal, du trinkst ja dann sowieso. Wenn du selbst einlädst, wird’s immer früher. Du machst das, weil es dir sonst immer zu spät wird, glaubst du. Aber du machst das, weil du früher betrunken sein willst. Zu Beginn trinkst du sehr schnell und auch deutlich mehr als dein Umfeld. Weil du Alkohol viel besser
verträgst und die anderen zu schnell betrunken werden, denkst du. Immer wieder findest du neue Situationen, in denen es Sinn macht zu trinken. Du gibst Wochentagen mit Alkohol eine Bedeutung und verbindest Orte damit. Überall lauern Gelegenheiten zum Saufen und du spürst sie akribisch auf. Zwei, drei Leute sind da häufig dabei. Sie sind dein Alibi. Dein Rettungsanker. Deine »Aber die ja auch«-Fahrkarte aus dem Problemkarussell. Deine Probleme häufen sich. Du verbindest sie nicht mit dem Alkohol, du hast gerade einfach Pech. Du trinkst dir diese Phasen schön. Um abzuschalten. Um durchzuatmen. Du hast dir das verdient. Gerade läuft einfach viel beschissen. Würde es dir besser gehen, würdest du auch sicher nicht so viel trinken. Außerdem säuft der eine noch viel mehr und der ist immerhin Lehrer. Du entdeckst das Bier in der Mittagspause für dich. Du argumentierst es dir mit dem Recht, das auf deiner Seite ist. Außerdem wird man von einem Bier ja nicht betrunken. Du wirst zunehmend zorniger, wenn dich jemand auf dein Trinkverhalten anspricht. Nach wie vor beschwichtigst und leugnest du. Du gestehst dir ein, dass du zwar recht viel trinkst, aber Problem hast du keines. Es ist halt jetzt gerade so, aber solange du das erkennst und dir dessen bewusst bist, ist das schon in Ordnung. Es fällt dir gar nicht auf, aber jede deiner Unternehmungen beinhaltet Alkohol. In all deinen Entscheidungen fließen auch ein paar Promille. Bis auf das Trinken hast du eigentlich keine Interessen. Aber so bist du einfach, so warst du schon immer.
Ein Schicksalsschlag zeigt dir die dreckigste Seite deiner Sauferei. Noch während es dir den Boden unter den Füßen wegzieht, rechtfertigst du dich, dass du jetzt trinken darfst. Du musst eigentlich. In so einer Situation würden alle trinken. Und du weißt, wie erbärmlich es
Daniel Wagner hat mit seinen 35 Jahren bereits bewegende Zeiten hinter sich. Der Kärntner ist Alkoholiker und seit sechs Jahren trocken. Jahrelang trank der Werbetexter heimlich bis zu zehn Liter Wein am Tag. Das ist in mehrfacher Hinsicht anstrengend, denn so eine Menge muss man erst einmal gegenüber Freund*innen und Kolleg*innen vertuschen. Aber: Nach einer Nacht auf Messers Schneide entdeckte er seinen Lebens- und Überlebenswillen. In »Trocken«, erschienen im Verlag Kremayr & Scheriau, erzählt er seine Geschichte schonungslos offen und nüchtern.
ist, aus deiner persönlichen Tragödie Profit zu schlagen, aber du kannst nicht mehr anders. Du genießt die legitimen Räusche, die du zur Trauerbewältigung brauchst. Du kuschelst dich darin ein und breitest dein Drama vor deinem Umfeld aus, auf dass sie verstehen, warum du gerade mehr trinkst. Jede geäußerte Sorge von Freunden oder Verwandten führt zu einem Streit. Und jeder Streit führt zu mehr Alkohol. Aber nur weil dich niemand versteht. Nur weil dich alle allein lassen.
Du stehst vor dem Spiegel und starrst in ein Gesicht. Es ist dein Gesicht, aber es ist dir so fremd geworden, dass du kaum Augenkontakt halten kannst. Die unterdrückte Wahrheit versucht sich in Form einer Träne aus deinen Augen zu emanzipieren, aber du gibst ihr keine Chance. In deiner Hand hältst du alles, was du brauchst, um sie zu vernichten. Also trinkst du das Bier, dem du gehörst, und du weißt, dass du alkoholkrank bist, aber du bist besoffen, also scheiß drauf. Scheiß auf alles.
Im Wien der 1980er-Jahre baut sich die junge Künstlerin Perla mit ihrer Tochter eine neue
Existenz auf. Als sie erfährt, dass ihr Ex aus dem Gefängnis entlassen wurde, muss sie mit Kind und neuem Mann eine Reise zurück in die kommunistische Tschechoslowakei antreten –und sich letztlich zwischen Vergangenheit und G egenwart entscheiden.
Wir verlosen 7 � 2 Tickets für die Sondervorstellung von »Perla« präsentiert von The Gap – inklusive anschließendem Gespräch mit Regisseurin Alexandra Makarová und Darsteller Simon Schwarz.
Gewinnspielteilnahme bis 15. April 2025 unter www.thegap.at / gewinnen möglich.
In Kooperation mit
Teilnahmebedingungen: Die Gewinnspielteilnahme kann ausschließlich unter der angegebenen Adresse erfolgen. Die Gewinner*innen werden bis 16. April 2025 per E-Mail verständigt. Eine Ablöse des Gewinns in bar ist nicht möglich. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Mitarbeiter*innen des Verlags sind nicht teilnahmeberechtigt.
1 »Pop 1900–2000«
Der Katalog zur gleichnamigen Ausstellung dokumentiert die steirische Musikgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts – unter anderem in Form seltener Fotos, Flyer, Plakate und Plattencovers sowie durch Zitate vieler Beteiligter. Wir verlosen drei Exemplare.
2 »The Brutalist«
In Brady Corbets gefeiertem Aufstiegsepos liefert Adrien Brody eine kraftvolle Karrierebestleistung als nach dem Zweiten Weltkrieg in die USA ausgewanderter jüdischer Architekt. Der Mythos des amerikanischen Traums dekonstruiert. Wir verlosen drei Blu-Rays.
3 Markus Köhle »Land der Zäune«
Der Protagonist in Markus Köhles neuem Roman zieht sich sozial zusehends zurück, baut sein Vorstadthäuschen zur Trutzburg aus und gründet die ZPÖ, die Zaunpartei Österreich. Buchpräsentation am 28. April in der Alten Schmiede in Wien. Wir verlosen zwei Exemplare.
4 »Des Teufels Bad«
Anja Plaschg (Soap & Skin) als eine von Depressionen geplagte Frau im 18. Jahrhundert, die in auswegloser Lage zu drastischen Mitteln greift. Beklemmend inszenierter Horror von Veronika Franz und Severin Fiala. Wir verlosen drei Mediabooks (inklusive Soundtrack).
5 »Allahs mächtige Influencer«
Social Media als Rekrutierungs- und Radikalisierungsplattform. Stefan Kaltenbrunner und Clemens Neuhold sind für die Undercover-Recherche zu diesem Buch tief in die Schattenwelt der islamistischen TiktokPrediger eingetaucht. Wir verlosen drei Exemplare.
6 Biershampoo Klar Seifen × Brlo
Das Reinheitsgebot einmal anders: Deutschlands älteste Seifenmanufaktur und eine der kreativsten Brauereien Berlins haben ein festes Shampoo kreiert, das mit hochwertigem Hopfen für kräftiges, glänzendes Haar sorgt und die Kopfhaut beruhigt. Wir verlosen drei Exemplare.
Knappe zwanzig Minuten ungefilterter Baddies-Sound treffen bei »Sudaca ataca« von Gatafiera auf queere Punkrock-Attitüde, die so gut in den Ohren knallt, dass selbst der straighteste cis Dude bei seiner nächsten Clubnacht kurz ins Wanken gerät – zwischen Abriss und dem Gefühl, dass Widerstand auch auf dem Dancefloor beginnt. Die zwei Köpfe hinter Gatafiera halten den kollektivistischen Gedanken als wichtigstes Gut hoch. Dabei scheuen sie nicht davor zurück, sich selbst radikal in den Dienst der Sache zu stellen – sei es mit verschwitzten Livesets, DIY-Produktion oder der Weigerung, sich von der Musikindustrie vereinnahmen zu lassen.
Wer von Gatafiera noch nicht gehört hat, der sollte schnell mal sein österreichisches Musiklexikon aktualisieren. »Funk da Paloma« und »Perreo deculonizado« waren 2024 nicht nur die ersten Singles des Zweiergespanns, sondern eröffnen auch das vorliegende Album, das als kompromisslos queeres Reggaeton-Baile-Funk-Statement den Gatafiera-Mode in der hiesigen Szene einläutet. Was dieser ist? Ein Ritual, das beim Aufstehen beginnt und mit maximaler Attitude auf der Straße endet, dort, wo wilde Katzen auf patriarchale Normen treffen und sie zerkratzen – »Calle fiera«!
Ihr Motto »Shaking Ass in Peace« nehmen sich die beiden Gatas dabei für jeden Aspekt ihres Tuns zu Herzen: Am Ende des Tages will das Latinx-Duo einen Sound entheteronormieren, der viel zu lange schon von Misogynie und Sexismus geprägt war. Und dazu ordentlich feiern – in Peace. Denn Rebellion kann auch nach Glitzer, Schweiß und verzerrten Gitarren klingen. Mit »Sudaca ataca« ist Gatafiera das jedenfalls genauso gelungen, wie eine Fangemeinde zu etablieren, die schon jetzt jedes Wort mitsingen kann – mitunter, auch ohne alles zu verstehen. Und mensch kriegt Bock auf mehr.
(VÖ: 21. April) Ania Gleich
Live: 26. April, Wien, Badeschiff
Breath in Definition — Trost
In einer Welt der Soloisierung von Musikprojekten sind Kollaborationen per se bereits etwas Wundervolles. Dass ein paar Menschen ihre eigene Vision zurücknehmen, um der Idee eines Gegenübers Raum zu geben, ist wohltuend. Magisch wird es, sobald diese Individuen realisieren, dass die Fusion der Ideen viel mehr der eigenen Vision entspricht, als sie es selbst zu formulieren hätten können. Die Musik ist dann – um diese Einleitung maximal kitschpathetisch abzuschließen – größer als die Summe ihrer Teile. So kann man sich das jedenfalls sehr gut vorstellen, wenn man sich in die vier Nummern von »Breath in Definition« fallen lässt. Das Debütalbum von Drank, der Kombination aus Ingrid Schmoliner und Alex Kranabetter – beide seit gut einem Jahrzehnt feste und produktive Säulen der explorativen Seite der österreichischen Musikszene –, macht Minimalismus zur Maxime. In letzter Zeit war es immer wieder trendy, Neuveröffentlichungen den Terminus »hypnotisch« oder »meditativ« anzuhängen, sobald die Musik einen Hauch texturreicher war als der tonale Kanon. Vergessen wird dabei aber gerne, dass derartige Zustände Zeit und Raum brauchen –und bei aller Genauigkeit auch Imperfektion zugelassen werden muss.
Auf »Breath in Definition« geht fast nichts unter zehn Minuten. Mit »Iridescent« eröffnet ein reduzierter Slowburner das Album. Und holt Zuhörende direkt in den Kosmos von Drank. Denn man hört das Klacken von Kranabetters Pedalknöpfen, kleine Schepperer, vermutlich vom präparierten Klavier Schmoliners, sowie etwas, das wie Gespräche während des Aufnahmeprozesses klingt. Gegen Ende öffnet sich die Nummer in eine abrasive Wand, die auf die tranceartigen und obertonreichen Klaviermotive von »Min« vorbereitet. Dann zwei Features: »Gitta« mit Österreichs Vorzeigedrummer Lukas König und der titelgebende Schlusstrack »Breath in Definition« mit der ergreifenden Spoken-Word-Stimme von Anja Plaschg. Narrativer und hypnotischer kann dieses starke Werk Musik nicht enden als mit einer Passage von einer guten Minute absoluter Stille, bevor es in Gänsehaut induzierender Reduktion schließt.
(VÖ: 4. April) Sandro Nicolussi
Mit sanften Stimmen und starken Sätzen präsentieren sich Duo Lia auf ihrem Debütalbum »In the Morning Light«. Das klingt nach musikalisch avanciertem folkigem Feel-good-Indie mit tiefgründigen, nachdenklichen Texten. Insgesamt gesehen. Denn während Duo Lia ihren Sound eigentlich gefunden haben, zieht sich dieser leider nicht stringent durchs Album. Zwischenzeitlich driftet es in seichte Synthie -Beats ab, die aus der sonstigen Stimmung herausfallen. Dabei möchte man doch so gerne weiter in den Harmonien der Sängerinnen Alia Viola Wüschner und Julia Maria Jackel schwelgen. Die eine Stimme tiefer, satt und samtig wie ein Saxofon, die andere höher, ätherisch. Insgesamt erinnert die Musik der beiden an bekanntere Acts wie Boygenius oder Oh Wonder und sie kann es in Sachen Qualität definitiv mit diesen aufnehmen. Eingängige Melodien und überraschende Akkorde, Texte über das Menschsein und Erwachsenwerden. Emotional genug, um sich in die Songs hineinfallen zu lassen, jedoch nicht so erdrückend, dass man von ihnen überwältigt wird. Wehmütig, aber nicht schwermütig – eine Gratwanderung, die Duo Lia durchaus beherrschen.
Der Song »The Other Daughter« sticht mit seiner Verletzlichkeit und einem gleichzeitig seltsam selbstbewussten Arrangement qualitativ hervor und beschreibt die Atmosphäre des Albums, die auch die Atmosphäre der Mittzwanziger ist: voller Unvereinbarkeiten, die irgendwie doch zusammen funktionieren. Sich selbst suchend und stets widersprechend. Alles in allem zeigt ihr Debütalbum, dass Duo Lia sich gefunden haben. Jetzt müssen sie es nur noch wagen, ihren Sound vom Anfang bis zum Ende durchzuziehen. Aber es ist ja schließlich ein Album über das Erwachsenwerden, da traue sich mal jemand, sich völlig treu zu bleiben.
(VÖ: 9. Mai) Veronika Metzger
Live: 9. Mai, Wien, Sargfabrik — 10. Juli, Zwischenwasser, Hägi Wendls — 23. Juli, Feldkirch, Poolbar
Zwischen Virginia Woolf und queer-feministischem Rage öffnen Ernst liebevoll ihr Märchenbuch und erzählen von ihrem Misfit-Lifestyle in Dunkelrot. Das neue Album »Mere Illusions« packt dabei Wut, Grunge und eine Prise Melancholie in zehn Tracks und lässt uns mit jeder Zeile tiefer in ihre Welt eintauchen. Ernst, das sind Nicole Salomon, Daniel Courtney, Ralf Grabuschnig, Elias Marte und Philipp Demuth. Zusammen greifen sie tief in ihren Ideenfundus und pressen ihre Message in kantige Dreiminüter, deren Geschichten weit über die fünfköpfige Band hinausgehen.
Ernst machen dabei Spaß, ohne flach zu sein und sind ernst, ohne pathetisch zu werden. Die punkige Attitüde kickt schon in »The Maze« los und verliert bis zum Schlusstrack »The Museum« nicht an Drive. Ob Labyrinth oder Museum, Ernst zeigen, dass kein Ton »Umsonst« ist und enden trotz bilingualer Fahrbahn nicht im Gestrüpp aufgeblasener Worthülsen. Nein, wenn Nicole Salomon Worte ins Mikrofon schmettert, dann glaubt man ihr. Statt selbstgefälliger Phrasen gibt es präzise gesetzte Brüche, die den Songs Widerständigkeit und Nachhall verleihen. Und hätte Virginia Woolf hundert Jahre später gelebt, dann hätte auch sie wahrscheinlich Ernst gehört.
»Mere Illusions« klingt zunächst nach Täuschung, nach etwas, das sich in Luft auflöst. Doch was die Band hier entwirft, sind keine Illusionen, sondern Visionen einer Utopie, die eigentlich vor unserer Nase liegen sollte: radikal ehrlich, voller queerer Fürsorge und der Möglichkeit, sich eine eigene Sprache jenseits normativer Entwürfe zu schaffen. So entsteht ein Sound zwischen Tagebucheintrag und Revolutionsaufruf, roh, poetisch und unbequem. »Mere Illusions« ist kein Eskapismus, sondern Konfrontation – mit sich selbst, mit der Welt, mit dem, was uns geformt hat. Und gerade darin liegt die Schönheit dieses Albums: in seinem Mut, weich zu sein, ohne je leise zu werden.
(VÖ: 25. April) Ania Gleich
Live: 29. April, Wien, Flucc
Ernst Molden hat einmal gesagt: »Eigentlich schreibe ich seit Jahrzehnten Lieder, um von ein und derselben Frau cool gefunden zu werden.« Das Liebeslied, in Wien auch etwas rustikal »Hadern« (also Fetzen) genannt, ist eine Kunstform, die er stets kultivierte. Dafür sicherlich zuträglich war Moldens Teilnahme an Nick Caves Kurs »The Love Song and How to Write One«, den dieser 1998 an der Schule für Dichtung hielt. Dort erklärte Cave, es gebe keine noblere Kunst, als das Schreiben eines Lovesongs.
»Mei Liab«, Moldens neues Album, widmet sich nun exklusiv dem Liebeslied und ist ein bunter Blumenstrauß auch für die Liebe selbst. Jeder Song gleicht einer zarten Blume, vom Liedermacher an die verschiedenen Facetten dieser wunderlichen Sache überreicht. Poetisch, anekdotisch, launisch und deshalb auch wienerisch.
Mit den Neuen Wiener Concert Schrammeln hat Molden exzellente Interpreten des Wienerlieds für dieses Album an seiner Seite. Unter anderem auch noch Walther Soyka, die erst kürzlich verstorbene Koryphäe an der Wiener Knöpferlharmonika. Und so schmachten die Geigen picksiaß, die Ziehharmonika verdichtet die seelenvolle Atmosphäre mit Nuancen der musikalischen Erzählkunst und während Moldens Blues von dessen Gitarre tropft, vereinigt sich all das zu einem Wiener Destillat, auf das die Stadt gewartet zu haben scheint. Moldens Poesie geht »unta d’Haut«, ist melancholisch, humorig und virtuos auf dem Weg in ihre Tiefgründigkeit. Seine Texte sind von einer fantastisch-realistischen Kraft, verweben das Alltägliche mit dem Magischen. Molden, der Dichter, hebt uns auf seine Flügel und fliegt in ein Land voller einfühlsamer Geschichten: »Der Wiener is a Wind und raunzt in die Bam.« Oder: »Mei Liab is a Turm im Nebl, wo des obere End kana siecht.« Ganz ohne Tran und Trenz ist »Mei Liab« eine Hommage an das Zwischenmenschliche, es klingt nach der Weisheit fahrender Spielleute und trägt
Wien tief in seiner Brust.
(VÖ: 4. April)
Tobias Natter
Live: 14. April, Wien, Stadtsaal — 25. April, Linz, Posthof — 4. Mai, Wien, Stadtsaal
Diejenigen, die dort aufwachsen, wo sich das kulturelle Treiben vor allem auf lodendekadente »Hochkultur« und alkoholexzessive »Brauchtumsveranstaltungen« beschränkt, haben tatsächlich einen Vorteil, den die Kids aus den vermeintlichen Hotspots nicht haben: das Wissen, dass Coolness keine Standortfrage, sondern eine Sache der Persönlichkeit ist. So macht das Bild, das Flirtmachine, die (mittlerweile) Gruppe um Robert Gerstendorfer, mit ihrem Albumtitel malen, auch ein wenig Sinn. Das Lässige von Flirtmachine kann der geografisch bedingten Enge und Horizontlosigkeit ihrer Heimatstadt das krasse Gegenteil überstülpen: die unendliche Weite der Highways, wo statt eines Horizonts die Erdkrümmung sichtbar wird. Während sich konsensorientiertere Acts aufs Burgenland einigen würden, geht Gerstendorfer den Weg bis an die Westküste und präsentiert – wie schon auf den beiden Alben davor – sehr schönen Highway-Slacker-Pop, Funkrock amerikanischer Prägung und Skate-Pop, der selbstredend diesen inneren Eskapismus vertont. Alleine schon die Titel! »Been in the Train«, »My Motorcycle« oder auch »Back in Summer« – Hauptsache: weit weg; Hauptsache: schnell; aber vor allem Hauptsache: laid back. Am Steuer sitzt dabei immer der ziemlich offensive DIY-Ethos. Eine gewisse Schrammeligkeit ist ja sowohl dem Inhalt als auch dem Genre geschuldet, was dann aber doch immer wieder überrascht – und Flirtmachine auch von vielen heimischen Indie-Slacker-Gruppen unterscheidet –, ist, dass sie ihre Instrumente auch wirklich spielen können. Dass die Livepartie jetzt auch am Songwriting für das Album beteiligt war, wirkt sich natürlich positiv aus. Das ist teilweise schon Jazz-Qualität, wenn man das so sagen kann. Apropos: Im einzigen deutschsprachigen Stück »Jazz Track Number 2« heißt es: »Die Straßen von Wien hören kein Flirtmachine.« Abgesehen vom eher lockeren Verhältnis dieser Aussage zur Wahrheit, befindet sich die Zielgruppe ja auch gar nicht in jenen Häuserschluchten, sondern bekanntlich in den hitzeflimmernden Asphalthöllen von Southern California. (VÖ: 11. April) Dominik Oswald
Live: 12. April, Salzburg, Jazzit — 25. April, Innsbruck, Treibhaus — 2. Mai, Linz, Stadtwerkstatt
»Kitana kills, flawless victory«, verkündet eine Videospielstimme gleich zu Beginn des Intro-Songs »Projekt«, bevor Kitana ihre ersten Zeilen über den aggressiv verzerrten Industrial-Beat spuckt. Und damit ist schon fast alles gesagt. »Fatality«, zu Deutsch »Todesopfer«, ist der Titel des zweiten Albums der Wiener Rapperin. Genau wie Kitanas Künstlerinnenname, ist er dem Videospielklassiker »Mortal Kombat« entnommen. Ähnlich brachial, wie es dabei auf dem Bildschirm zugeht, kommt auch das Album daher.
Mit Singles wie »Kitana Firestarter«, »Parisienne« oder »Dust« machte Kitana schon vor der Albumveröffentlichung deutlich, wohin sich ihr Sound seit dem letzten Album entwickelt hat. Gemeinsam mit dem Wiener Produzenten Vittoria PS hat sie für »Fatality« eine Klangwelt geschaffen, die im deutschsprachigen Raum ihresgleichen sucht. Jungle-artige Breakbeats treffen auf verzerrte Basslines und rabiate elektronische Effekte. Das Ganze erinnert akustisch stark an The Prodigy, erhält durch Kitanas selbstbewusste Rap-Perfomance aber eine ganz eigene Note.
Das Album hat aber noch eine zweite Seite: Songs wie »Rotwein«, »Doechii Type Beat (Lohnen)« oder »Boombap & Heartbreaks« sind klassischere Hip-Hop-Tracks und bieten Kitana die Möglichkeit, ihr Talent fürs Storytelling unter Beweis zu stellen. Besonders hervorzuheben ist auch der Song »Hell on Earth«, bei dem sie sehr eindrücklich über ihre Eltern und ihr Aufwachsen rappt.
Das Album balanciert musikalisch wie inhaltlich gekonnt zwischen diesen zwei Polen. Der Kontrast von selbstbewussten Battle-Rap-Texten auf Industrial-Beats zum einen und ruhigen introspektiven Hip-Hop-Songs zum anderen hätte das Potenzial, den Rahmen eines Albums zu sprengen. Letztendlich ist aber genau das Gegenteil der Fall. Erst die Verbindung beider Welten macht dieses Projekt außergewöhnlich und das Album trotz seiner Dichte so gut hörbar.
(VÖ: 25. April)
Jannik Hiddeßen
Lieblingslieder — Las Vegas
Wie viele ironische Wendungen braucht es, bis wir wieder beim unironisch zu verstehenden Ausgangsstatement angekommen sind? Wenn Low Life Rich Kids auf ihrem Track »NNNDW« davon singen, ob man »den Unterschied zwischen Neuer Deutschen Welle und diesem Lied« höre, dann bin ich mir höchst unsicher, auf welcher Ironieebene sich diese Frage abspielt. Denn der Track klingt – völlig unironisch – so sehr nach Neuer Deutscher Welle oder Neuer Neuer Deutscher Welle oder indeed Neuer Neuer Neuer Deutscher Welle wie kein anderer bisheriger Track des Wiener Trios. Gleichzeitig singen sie von Absagen an alte Muster, von Retrotrends, zu denen sie nicht gezählt werden wollen, sowie von falschen Schubladisierungen. Ist das Postironie? Metaironie? Superironie?
Jedenfalls ist es ein super Track, vermutlich einer der besten auf dem Debütalbum der realsten Fake Band. Eine Bezeichnung, die wir hiermit übrigens einstampfen können, denn zwischen den Ursprüngen als fiktive Jugendtheaterband und »Lieblingslieder« stehen eine beachtliche Menge an Liveauftritten, (FM4-)Hits, eine EP (»LLRK«) sowie eine deutliche musikalische Entwicklung. Wo die ersten Releases (»Angst«, »Paralysiert«) noch merklich nach Sprechtheater klingen, haben Mara Romei, Coco Brell und Bernhard Eder mit neueren Singles wie »Italien« oder »Samba allein« einen markanten Sound gefunden. Ein bisschen Punk, ein bisschen Synthie, ein bisschen Schlager, hier eine Heimorgel, da ein trashiges Drum-Sample. Und nun sind wir mit »NNNDW« bei der Apotheose dieser Entwicklung angelangt. Ein Track, dessen tongue firmly in cheek platziert ist, der gekonnt mit Erwartungen koketiert und der nicht mehr aus dem Gehörgang zu bekommen ist. Umso mehr schmerzt es, dass zwei Drittel des Albums von der EP recycelt sind. Das wirkt dann mehr wie ein »Was bisher geschah«Mixtape als ein konsequentes künstlerisches Statement. Sicher, was geliefert wird, ist gut, zu großen Teilen sogar sehr gut. Aber wenn eben alle bisherigen Tracks »Lieblingslieder« sind, dann ist der Wert dieses Prädikats beschränkt. (VÖ: 23. Mai) Bernhard Frena
Live: 14. Mai, Graz, Postgarage — 21. Mai, Wien, Rhiz — 22. Mai, St. Pölten, Cinema Paradiso
Plattenbesprechungen sind für gewöhnlich jene Orte, an denen Klischees blühen wie Metastasen, wo man formuliert, wie »sphärisch« oder »hemdsärmelig« die Musik denn nicht sei, oder, auch ziemlich … äh … gut: »Popmusik zum Nachdenken«. Hier müssen wir aber tatsächlich für das neue Album von Viech einhaken, weil, die haben da eine interessante Hypothese aufgestellt: »Von allen Tieren ist der Mensch das traurigste«, heißt es nämlich. Es kommt aber immer darauf an, weil: Massentierhaltung für Billigfleisch, Tierversuche für Billig-Make-up, Zoos als billige excuses for quality time mit der Familie. Da werden Tiere, wie die traurigsten aller Menschen, zu Subjekten der spätkapitalistischen Ausbeutung. Es kommt also nicht von ungefähr, wenn Viech – pun not intended –groß auf die Schaufensterflächen der Empfangsgeräte schreiben: »Schiebt euch eure Wettbewerbsfähigkeit in den Arsch«. So heißt die zweite Single aus dem bereits sechsten Album, die neben der Titelzeile nur noch ein »und lasst euch eure Minderwertigkeitskomplexe anschauen« verträgt. Und Viech sind sich selbst da gleich ein Vorbild, weil erstens alleine das schon ziemlich wenig wettbewerbsfähig ist und weil’s zweitens das ganze Album so dahingeht. »Vollmond« ist quasi ein Konzeptalbum, das das Konzept eines Albums hinterfragt. Es klingt mehr wie eine aufgenommene Jamsession – ist es tatsächlich auch, eine Vollmondnacht hat gereicht. Man hört Regieanweisungen, Lachen, verbales Feedback, mehrstimmigen Gesang, unterschiedliche Stimmen als Lead, Krachen, Knacken, Knarzen, Wolfsgeheul, Fehler als Stilelemente. Dass bei all dem dann der ganz große Pop-Appeal etwas flöten geht, darf durchaus als beabsichtigt verstanden werden. Künstlerisch ist das aber tatsächlich nicht weiter schlimm, denn man hört vor allem eine unbändig große Lust am Spielen, am Musizieren, am wunderbaren Gefühl, Teil einer Band zu sein, mit seinen Freund*innen gemeinsam Krach zu machen. Also, nehmt euch ein Vorbild, bildet Bands und Banden und scheißt auf die Wettbewerbsfähigkeit! Dann klappt’s auch mit der Traurigkeit.
(VÖ: 13. April) Dominik Oswald
Live: 10. April, Graz, Styrian Sounds Festival — 18. April, Wien, Rhiz — 24. April, Salzburg, Arge Kultur
Die Donauinsel in Budapest wird auch heuer wieder zur »Island of Freedom«, wenn von 6. bis 11. August Abertausende Menschen aus zig verschiedenen Ländern am Sziget Festival zusammenkommen, um friedlich zu feiern – das Miteinander, die Vielfalt, den Sommer und natürlich die Musik. Wir von The Gap freuen uns, in Kooperation mit Radio FM4 und gemeinsam mit euch wieder eine Band in die ungarische Hauptstadt entsenden zu dürfen. Welchen der fünf nominierten Acts möchtet ihr auf der Europe Stage am Sziget Festival sehen?
Gekonnt zwischen R&B und Hip-Hop changierend, beherrscht Chovo alle emotionalen Spielarten: happy, kontemplativ, energisch, relaxed – überzeugend!
Höchst experimentierfreudig bezieht sich Kässy (unter anderem bekannt von Sharktank) für ihren Glitch-Pop auf PC Music ebenso wie auf Nirvana.
Selbstfindung und emotionale Ehrlichkeit sind zentrale Motive in Lukas Oscars leichtfüßigem, modernem Soul-Pop. Und eine Stimme hat der!
Entgegen allen (Genre-) Regeln führen Kenji Araki und Ybsole Post-2010sInternet-Pop, Postpunk und experimentelle Clubsounds zusammen.
Hyperpop trifft auf sanfte Emotionalität und großes Gefühlschaos – eine wilde Mischung, die Siska aber zu einem harmonischen Ganzen verbindet.
Von 23. bis 30. April könnt ihr unter
Du liest gerade, was hier steht. Ja, sogar das Kleingedruckte! Und damit bist du nicht allein. Werbung in The Gap erreicht ein interessiertes und sehr musikaffines Publikum. Und das Beste daran: Für Bands und Musiker*innen bieten wir besondere Konditionen. Absolut leistbar, auf all unseren Kanälen und nah dran an einer jungen, aktiven Zielgruppe. Melde dich, wir beraten dich gerne! sales@thegap.at
»Confusion Is Next« – so heißt nicht nur ein Song von Sonic Youth, sondern so lautet auch das Überthema des heurigen Donaufestivals, das zum mittlerweile zwanzigsten Mal »abenteuerliche Ästhetiken und Vibrationen aktueller Gegenwartskunst« präsentiert. Neben Performance, Kunst, Film und Diskurs bildet Musik dabei einen wichtigen Schwerpunkt – diesmal etwa jene von Derya Yildrim & Grup Şimşek (Bild), Spiritualized, Jeff Mills sowie Moor Mother & Lonnie Holley. 2. bis 4. Mai und 9. bis 11. Mai Krems, diverse Locations
Das Wiener Vorzeige-Indie-Label Siluh Records feiert zwanzigsten Geburtstag und gönnt sich – und uns – ein zweitägiges Minifestival. Neben hauseigenen gibt’s auch befreundete Acts sowie musikalisch Artverwandtes zu sehen und hören. So wird etwa Christiane Rösinger Lieder aus all ihren Schaffensphasen (bis zurück zu den Lassie Singers) spielen, Bulbul werden am Samstagnachmittag ein Kinderkonzert geben und Gardens (Bild) die Songs ihres sehr guten Debütalbums hochleben lassen. 13. und 14. Juni Wien, Wuk
Auf ihrem neuen Album »Furie« hat Alicia Edelweiss acht Songpanoramen zusammengestellt, die am klassischen Drei-Minuten-Format des Popsongs kein übergroßes Interesse zeigen und stattdessen lieber ihren eigenen Kopf durchsetzen. Gut so! 26. April Linz, Stadtwerkstatt — 29. April Salzburg, Arge Kultur — 3. Mai Villach, Kulturhofkeller — 10. Mai Wien, Konzerthaus — 14. Juni Haag, Stadtzentrum
Mit »Jo-Jo« hat Fritzi Ernst zuletzt ihr zweites Album nach dem Ende von Schnipo Schranke vorgelegt. Zwischen vermeintlicher Naivität und ziemlicher Cleverness bespielt sie darauf die Gefühlsklaviatur von tragisch bis komisch. Support für Wien: Leni Ulrich, bekannt von Bipolar Feminin, mit ihrem Soloprogramm. 29. April Wien, Rhiz — 30. April Salzburg, Arge Kultur — 1. Mai Linz, Stadtwerkstatt
Es beschäftige sie schon lange, sagt Sophia Blenda, dass weiblich gelesener und queerer Schmerz in unserer Gesellschaft so verharmlost werde. Mit ihrem neuen Album »Die Summe der Vereinzelung« setzt sie dem nun vom Klavier aus eine Art feministischen Weckruf entgegen. So intensiv wie kritisch.
9. Mai Wien, Radiokulturhaus — 17. Oktober Salzburg, Arge Kultur — 18. Oktober Graz, Orpheum Extra
Das Festival für experimentelle und elektronische Musik bringt auch heuer wieder ein Line-up auf die Bühnen, das – über Kontinente und Disziplinen hinweg – queere, feministische und dekoloniale Stimmen in den Fokus rückt. Unter anderem mit dabei: Cashu, DJ Diamond (Bild), Evelyn Plaschg, Olgica, Rojin Sharafi, Teto Preto, Thao und Valentina Magaletti. 23. und 24. Mai Wien, Otto-Wagner-Areal
»Wir kommen in Frieden«, lautet das Motto für die Open-AirShows von Feine Sahne Fischfilet. Ausgeliehen ist es beim ersten Singlevorboten ihres neuen Albums, das die Politpunks für Ende Mai in Aussicht gestellt haben. Das Konzert ist bereits ausverkauft, aber einigen wenigen kann noch geholfen werden: Auf www.thegap.at gibt’s Tickets zu gewinnen. 4. Juni Wien, Arena Open Air
Als Band aus dem Norden Englands nach Sommer und Strand zu klingen, muss man auch erst einmal hinbekommen. Das dachte man sich schon beim Durchbruch Cassias im Jahr 2019. Nun meldet sich das Trio mit dem Album »Everyone, Outside« und abermals sehr sonnigem Indiepop zurück. 10. Mai Wien, Flucc Wanne
Bex und Ængl (früher bekannt als W1ze) sind nicht einfach nur beste Freundinnen, der Austausch der beiden ist auch in musikalischer Hinsicht überaus fruchtbar: Kompromisslose Raps und kraftvolle Vocals treffen dabei auf Hip-Hop-Beats und experimentelle Elektroniksounds. 19. Mai Wien, Konzerthaus
Auch heuer darf man sich beim Stream Festival in Linz auf ein spannendes Angebot in den Programmschienen »Stage«, »Club« und »Talk« freuen – inklusive großer Open-AirBühne am Pfarrplatz. Zu sehen sind Sofie Royer, Pressyes, Resi Reiner, Buntspecht, Sohn und mehr. 30. und 31. Mai Linz, diverse Locations
Leiter*innen Ethnocineca
Namentlich steht bei Ethnocineca ja der ethnografische Film im Fokus. Woher kommt das?
Mit dem Namen halten wir die Ursprünge der Ethnocineca in Ehren und das, was das Festival in den ersten zehn Jahren seines Bestehens geprägt hat. Seit 2016 haben wir den Fokus erweitert. Mit dem zusätzlichen Titel International Documentary Film Festival Vienna weisen wir in die Zukunft des Festivals. Der ethnografische Film als Herzstück der Ethnocineca findet weiterhin seine Anerkennung im Excellence in Visual Anthropology Award, einer von fünf Wettbewerbskategorien, in denen Preise verliehen werden.
Welche Stellung hat der Dokumentarfilm in der österreichischen Filmlandschaft?
Der österreichische Dokumentarfilm und dessen Resonanz im In- und Ausland sind eine große Erfolgsgeschichte. Die Anzahl der in Österreich geförderten Kinodokumentarfilme steigt jährlich, aber auch auf europäischer Ebene geht die Tendenz nach oben. Die Zahl der Kinoerstaufführungen im Dokumentarfilmbereich nahm in den letzten Jahren ebenfalls zu und somit wurde auch das Dokumentarfilmpublikum in den österreichischen Kinos in den letzten Jahren immer mehr.
Worauf freut ihr euch persönlich besonders bei der diesjährigen Ethnocineca?
Am meisten freut man sich schon mal grundsätzlich auf die Festivalwoche, auf die Filmgäste und vielen Gespräche vor und nach dem Kino und den Austausch mit dem Publikum. Besonders freuen wir uns heuer auf den diesjährigen Festivalfokus »Hauntings«. Dessen Filme beleuchten komplexe Beziehungen zwischen Europa und anderen Regionen der Welt, untersuchen koloniale und postkoloniale Hegemonien anhand des künstlerischen Zugangs von außereuropäischen Filmschaffenden, beschäftigen sich mit Dekolonialisierungsprozessen, mit Auswirkungen des Klimawandels und mit persönlichen Biografien, die von rezenter Gewalt und Kriegserfahrungen geprägt sind.
Ethnocineca 8. bis 14. Mai Wien, Votiv Kino und Kino De France
Einer Zeit, in der wir besonders in der Politik mit Hass und Hetze konfrontiert werden, stellen die Wiener Festwochen dieses Jahr eine Republik der Liebe entgegen. Unter dem Motto »V Is for Love« geht das Festival einer emotionalen und komplexen Frage auf den Grund: Was heißt Liebe? Eine Frage, die im wahrsten Sinne in Bewegung und Aktion gebracht sowie in den Kontext von Begriffen wie Schönheit, Gemeinschaft, Macht und Krieg gesetzt wird. So lassen uns die Wiener Festwochen – die mit Programmpunkten wie Installationen, Communityprojekten, Late-Night-Shows und sogar schamanistischen Partys wie üblich weit mehr als nur ein klassisches Theaterfestival bieten – Liebe in all ihren Facetten spüren. 16. Mai bis 22. Juni Wien, diverse Locations
Mit seiner interkulturellen Reise durch das europäische Kino kreiert Crossing Europe einen internationalen Diskurs auf der großen Leinwand. Im Gepäck mit dabei sind rund 130 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme, vielfältige Blickwinkel, neue Stimmen sowie etablierte Filmgrößen, die die cineastische Vielseitigkeit des gesamten Kontinents repräsentieren. Neben hochkarätigen neuen Produktionen stehen auch filmische Highlights der vergangenen Festivalsaison und damit diverse Filmdestinationen – von Cannes, über Venedig bis Berlin – im CrossingEurope-Reiseführer. 29. April bis 4. Mai Linz, diverse Locations
Wie prägen digitale Technologien die Zukunft kultureller Erlebnisse? Dieser Frage widmen sich die heurigen Creative Days Vienna. Dabei verrät der Titel des Festivals bereits, dass hier eine Vielzahl unterschiedlicher Kreativschaffender – beispielsweise Sean Bidder von den Londoner 180 Studios (Bild) in seiner Keynote – nach den Überschneidungen von Technologie und Kultur suchen. Gemeinsam stellen sie sich zukunftsrelevanten technologischen Fragen, um wesentliche Impulse für Architektur, Design, Film, Gaming, Mode, Musik und bildende Kunst zu liefern. 14. und 15. Mai Wien, diverse Locations
Vor neun Jahren fand das Festival für alle kreativen Geister, die gerne selbstständig Bücher, Magazine und andere Druckwerke produzieren zum ersten Mal statt. Damals noch in Istanbul, ist die Fanzineist mittlerweile in Wien angekommen. Auch 2025 bietet sie wieder einen Ort für alle, die den Schritt gewagt haben, selbst und unabhängig zu publizieren. 16. bis 18. Mai Wien, Semperdepot
Queer, jüdisch, kurz, fantastisch, animiert, (ost-) europäisch, ethnografisch: Die heimische Filmfestivallandschaft bedient zahlreiche Nischen. Seit nunmehr drei Jahren hat mit dem Red Lotus Festival auch das Filmschaffen des größten Kontinents eine neue Plattform gefunden – für Kenner*innen wie für Neulinge. 24. bis 27. April Wien, Stadtkino und Gartenbaukino
Um Kinofans nicht ein ganzes Jahr auf die nächste Ausgabe des Festivals für fantastischen Film warten zu lassen, beglückt uns das Slash auch heuer wieder mit einer Halbjahresausgabe. Drei Tage lang begibt sich das kleine Geschwisterchen auf Streifzüge durch die Untiefen des Genrekinos. The Gap wird auch dieses Mal einen der Filme präsentieren. 8. bis 10. Mai Wien, Filmcasino
Ob Designer*innen, Designstudierende oder Designliebende – sie alle versammeln sich für 24 Tage unter dem Dach des Designmonats Graz. Rund um das Motto »The New Real« können vielfältige Ausstellungen erkundet, in der festivaleigenen »Design Clinic« Hilfe gesucht sowie im »Rage Room« der alltägliche Ärger abgebaut werden. 9. Mai bis 1. Juni Graz, diverse Locations
Kurze Filme mit großer Wirkung: So könnte man die Intention von Vienna Shorts zusammenfassen. Denn durch eine politisch-ästhetische Kinolinse begreift das Festival für internationalen Kurzfilm ebendiesen sowohl als klaren Spiegel unserer Gesellschaft als auch als Werkzeug, um unsere Welt selbstbewusst zu gestalten. 27. Mai bis 1. Juni Wien, diverse Locations
Philipp Fleischmann: 13 Film Works
Bedeutung für die Arbeit eine*r Filmemacher*in habe, ist damit schon viel gesagt. Dieser Ansatz steht in der Regel für eine grundlegende Auseinandersetzung mit Bedingungen der Produktion und Rezeption von sogenannten Bewegtbildarbeiten. So geht auch Philipp Fleischmann den Mechanismen nach, die innerhalb institutioneller Räume wirken sowie Darstellungskonventionen prägen. Und er setzt mit seinen zwischen Film und Skulptur angesiedelten Werken zum Widerstand gegen diese Strukturen an. Die Ausstellung
Wien, Franz-Josefs-Kai 3
Wenn es in der Vorschau heißt, dass die physische Materialität des Filmstreifens eine zentrale
Film Works« umspannt sein Schaffen der letzten fünfzehn Jahre und verspricht ein »sinnliches Erlebnis, das über konventionelle filmische Wahrnehmung hinausgeht«. bis 18. Mai
Das aktuelle Jahresprogramm im Kunstraum Niederoesterreich mit dem Titel »Noisy Tongues« widmet sich der Kommunikation. Ausgehend von der Krise demokratischer Prozesse werden dabei künstlerische Ansätze präsentiert, die sich mit Formen des Austauschs auch abseits des Sprachlichen beschäftigen. Den Anfang macht »Silent Spills I« von Deva Schubert. Formal zwischen Soundinstallation und Performance zu verorten, wird dabei inhaltlich eine Verbindung zwischen Körpersekreten und der als »gossiping« bezeichneten Praxis von Wissensweitergabe unter Frauen gezogen. bis 26. April Wien, Kunstraum Niederoesterreich
Seit 2019 verfolgt die Fotogalerie Wien mit der Ausstellungsreihe »Propeller« das Ziel, alle zwei Jahre die aktuellen studentischen Tendenzen in der Auseinandersetzung mit Fotografie und Neuen Medien einzufangen. Elf Künstler*innen stehen in der vierten Ausgabe repräsentativ für das Treiben in diesen Fachbereichen der österreichischen Kunsthochschulen. Als Schwerpunkte machen die Verantwortlichen hinter dem Projekt die Themen Identität sowie Sehnsucht nach Geborgenheit und Poesie aus. bis 26. April Wien, Fotogalerie
Fotos sind zentral für Simon Lehners künstlerische Praxis, trotzdem sind die Ergebnisse nicht unbedingt Fotos im klassischen Sinne. Unter Einsatz verschiedener Technologien und Techniken werden Aufnahmen aus dem persönlichen Archiv für die Ausstellung »Clean Thoughts / Clean Images« zu Skulpturen, Filmen oder Gemälden verarbeitet. So werden Funktionsweisen von Bildern sowie Fragen bezüglich Identität und Erinnerung, aber auch Vorstellungen von Männlichkeit und mentaler Gesundheit erforscht. bis 1. Juni Wien, Foto Arsenal
Die Onlinerecherche zur Künstlerin Elena Narbutaitė bringt wenige Ergebnisse. Überraschend wenige, angesichts der institutionellen Aufmerksamkeit ihr gegenüber. Von zumindest ambivalenter Fassbarkeit ist auch der Stoff, dem sich ihre jüngste Ausstellung widmet. Diese ist als Retrospektive angelegt und geht als solche gegen die Flüchtigkeit des Werks an – und die Künstlerin setzt sich darin mit einem ephemeren Stoff auseinander, als physikalischem Phänomen und Medium von Begegnungen: mit Licht. bis 1. Juni Graz, Kunstverein
Für ihre Kunst nutzt die griechisch-armenische Künstlerin Aikaterini Gegisian das Potenzial der Collage zur Dekonstruktion hegemonialer Narrative. Wo Bilder des weiblichen Körpers und der Natur aus ihrer Erzählung von nationaler und geschlechtlicher Identität herausgenommen sowie neu zusammengesetzt werden, geraten visuelle Machtverhältnisse im besten Fall in eine Krise, die den Raum für Neudefinitionen öffnet. In diesem Sinne spricht die Künstlerin selbst von einer Praxis des »worldmaking«. bis 10. Juni Innsbruck, Kunstraum
Vor dem Hintergrund der frisch gewählten türkis-blauen Regierung (»Kurz I«) und in Erwartung des kommenden Drucks entstand 2018 der »Index« als lose, aber dennoch unterstützende Plattform nicht-kommerzieller Kunsträume in Wien. Nach außen hin tritt dieses Netzwerk vor allem in Form des jährlich stattfindenden Festivals auf, bei dem alle Räume über ein (verlängertes) Wochenende offen haben. Einen Überblick bieten die Festivalwebsite und die roten Flyer, die überall ausliegen. 30. Mai bis 1. Juni Wien, diverse Locations
Regisseur »The Witness«
Was war der Anstoß für die Geschichte, die in »The Witness« erzählt wird?
Die Ereignisse der letzten zwei Jahre im Iran, die als »Frau, Leben, Freiheit«-Revolution bekannt sind, bewegten mich tief. Ich hatte das Gefühl, dass ich als Künstler auf diese bedeutende soziale Bewegung reagieren musste. Deshalb beschloss ich, einen Teil des Lebens der iranischen Bevölkerung in diesen Jahren filmisch zu dokumentieren.
Der Film wurde im Iran gedreht – ohne Genehmigung des Regimes. Wie ist das abgelaufen?
Von Anfang an versuchten wir nicht einmal, eine Drehgenehmigung zu bekommen – wir drehten den Film ohne sie. Bei den Innenszenen gab es nicht viele Probleme, da wir einfach die Türen schließen und drinnen arbeiten konnten. Bei den Außenszenen mussten wir jedoch verschiedene Techniken für den Bildausschnitt und die Absperrung anwenden. Wir versteckten die Kameras in Taschen oder Autos und verwendeten Teleobjektive. In einigen Fällen mussten wir aus dem Inneren eines Fahrzeugs mit getönten Scheiben filmen, um sicherzustellen, dass die Kamera unsichtbar blieb.
Denken Sie, dass die Geschichte des Films eine universelle ist?
Als ich mit diesem Film in verschiedene Länder reiste und mit Zuschauer*innen auf der ganzen Welt interagierte, wurde mir klar, wie universell dieser Film tatsächlich ist. Die meisten von ihnen hatten in ihren eigenen Ländern ähnliche Situationen erlebt. In europäischen Ländern mag diese Geschichte schon Jahre zurückliegen, in anderen Ländern geschieht sie jedoch immer noch und wird auch weiterhin geschehen. In den Ländern des Nahen Ostens sind die Hände der Politiker*innen normalerweise mit Blut befleckt. Vielleicht kommt das in westlichen Ländern in anderer Form vor. Auf jeden Fall ist die Freiheit wie ein Baum, der immer Pflege braucht. Wenn Sie ihn nur ein Jahr lang vernachlässigen – ihn nicht gießen oder das Unkraut nicht entfernen – verwelkt er schnell. Egal, wo auf der Welt dieser Baum wächst, er muss gepflegt werden.
»The Witness« Start: 16. Mai
Regie: Alexandra Makarová Wien in den 1980er-Jahren: Perla (Rebeka Poláková) ist eine junge Künstlerin und alleinerziehende Mutter von Julia (Carmen Diego). Das Geld reicht kaum zum Leben, geschweige denn für die Klavierstunden der begabten Tochter. Als sie den wohlhabenden Josef (Simon Schwarz) kennenlernt, beginnt sich langsam Licht am Ende des Tunnels abzuzeichnen. Dann wird jedoch Andrej (Noël Czuczor), der Vater von Julia, aus dem Gefängnis entlassen. Perla muss mit Kind und neuem Mann in die kommunistische Tschechoslowakei zurück – aus der sie vor zehn Jahren geflohen war. Hin- und hergerissen zwischen Jetzt und Damals muss sie eine Entscheidung treffen – für ihre Tochter und für sich selbst. Mit Perla ist Alexandra Makarová das Porträt einer ambivalenten Figur gelungen – nicht zuletzt in Hinblick auf die Bedeutung von Mutterschaft. Start: 11. April
Regie: Mwita Mataro und Helmut Karner Mwita Mataro ist Österreicher. Und Mwita Mataro ist Schwarz. In »Austroschwarz« verleiht er der Lebenserfahrung Schwarzer Menschen in Österreich Ausdruck. Der Film folgt Mataro – von Besuchen am Kindheitsort Fuschlsee über musikalische Erfolge mit At Pavillon und Reisen nach Tansania bis hin zu psychischen Ausnahmezuständen. Mataro und Karner paaren intime persönliche Einblicke mit Expert*innengesprächen, Konzertmitschnitten und antirassistischen Brandreden. Gerahmt wird das alles jedoch von Gesprächen mit Kindern. Deren fantasievolle Geschichten über den Charakter Blue Kid im fiktiven Greenland offenbaren, wie früh sie bereits ein sehr genaues Gespür für rassistische Mechanismen entwickeln mussten. Und sie überraschen damit, wie knapp und prägnant sie ebendiese Zusammenhänge auf den Punkt bringen. Start: 23. Mai
Regie: Thomas Woschitz ———— Ein Film, der auf wahren Begebenheiten beruht: Die beiden befreundeten Profipokerspieler Jack (Justin Cornwell) und Hank (Douglas Smith) leben – eh klar – in Las Vegas. Nach einer durchzechten Nacht schließen sie eine Wette ab: Der dem Sport sonst nicht sonderlich zugetane Hank will innerhalb von 24 Stunden dreimal die Marathondistanz laufen; eine Million Dollar stehen auf dem Spiel. Start: 9. Mai
Regie: Nathalie Borgers ———— Der türkische Militärputsch am 12. September 1980 war Anlass für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen und der Anfang für einen langen Prozess der zunehmenden Entdemokratisierung und religiösen Radikalisierung. In ihrer Doku wirft Nathalie Borgers einen Blick auf die titelgebenden Narben des Putsches – metaphorisch im Land wie auch ganz materiell am Körper ihres Mannes Abidin Ertuğrul, der damals Revolutionär war. Start: 9. Mai
Regie: Tereza Kotyk ———— Trauma aufzuarbeiten und Schweigen zu durchbrechen, das steht im Fokus des Films »Nebelkind – The End of Silence«: Als die Wolfshüterin Hannah (Jeanne Werner) in das tschechische Heimatdorf ihrer Großmutter Victoria (Susanne Michel) zurückkehrt, trifft sie dort auf ihre Mutter Miriam (Klára Melíšková) und wird mit der Vergangenheit konfrontiert. Ein Porträt über drei Frauengenerationen und neue Anfänge. Start: 9. Mai
Regie: Rúnar Rúnarsson ———— Kunststudentin Una (Elín Hall) genießt die Zeit mit ihrem neuen Freund Diddi (Baldur Einarsson), der eigentlich noch liiert ist. Plötzlich kommt dieser bei einem Autounfall ums Leben. Kurz danach trifft Una Diddis Ex-Freundin Klara (Katla Njálsdóttir). Rúnar Rúnarsson erzählt eine berührende Dreiecksgeschichte über Liebe, Verlust und Identität, die mehrfach ausgezeichnet wurde. Start: 16. Mai
Regie: Guy Maddin, Evan Johnson und Galen Johnson ———— Cate Blanchett als deutsche Kanzlerin, das sollte man sich nicht entgehen lassen. »Rumours« bewegt sich zwischen Komödie und Soap-Opera und folgt den sieben Staats- und Regierungschef*innen der reichsten Länder auf dem Weg zum G7-Gipfel. Auf einem deutschen Landsitz sollen sie eine vorläufige Erklärung zu einer globalen Krise verfassen, während die Zustände zunehmend abstrus werden. Start: 23. Mai
Idee: Craig Mazin und Neil Druckmann Fans des Games und der ersten Staffel können sich nun auf eine Fortsetzung freuen. Abermals stehen Ellie (Bella Ramsey) und Joel (Pedro Pascal) im Fokus, die zu den letzten Überlebenden zählen, nachdem ein zombiefizierender Pilz die Zivilisation zerstört hat. Fünf Jahre später sind sie in die Siedlung Jackson zurückgekehrt und haben sich in der Gemeinde integriert. Alles ist gut, bis Joel eines Tages in einen Hinterhalt gerät. ab 14. April Sky
Idee: Chris Weitz und Paul Weitz Basierend auf der Buchreihe »The Murderbot Diaries« von Martha Wells erzählt die Serie vom Security-Roboter Murderbot (Alexander Skarsgård), der sich zu Menschen hingezogen fühlt, obwohl ihn menschliche Emotionen eigentlich verstören. Er muss seinen freien Willen verbergen, um eine gefährliche Aufgabe zu erfüllen. Die Serie lebt von ihrem ironisch-lakonischen Hauptcharakter sowie der eigenwilligen Mischung aus Humor und Spannung. ab 16. Mai Apple TV+
bewegen bewegte Bilder – in diesem Kompendium zum gleichnamigen Podcast schreibt er drüber
Die beiden Serien »Deli Boys« und »Government Cheese« nehmen den Mythos des American Dreams aufs Korn.
Schon einigermaßen gloomy and doomy geworden in letzter Zeit, was? Also nicht nur draußen in der permanent proaktiv aus den Angeln gehobenen Welt, sondern auch in diesen Niederschriften, die deren Bewegtbildfiktionen ausloten. Sicher, die rezente Awards-Season hat es nun mal an sich, vorrangig Werke in den Vordergrund zu rücken, die sich eher seriös mit brennenden Fragen von Politik und Gesellschaft auseinandersetzen – was sich dann freilich nicht immer als Quell unbeschwerten Hochgefühls entpuppt … Aber bei aller epischen Erhabenheit, mit der »The Brutalist« den amerikanischen Traum aus migrantischer Perspektive als einen das Individuum zermalmenden Albtraum deutet (wovon an dieser Stelle eh auch schon ausführlich und auch begeistert berichtet wurde): Das kann ja, bitte schön, nicht die alleinige Blaupause sein. Und ist es zum Glück auch nicht.
Die Frühlingspielzeit, gemeinhin eher von der Bürde der Gravitasgenerierung entbunden, bringt nun alternative Aufrollungen von Szenarien, die jenem von »The Brutalist« im Kern nicht total unähnlich sind, – allerdings nicht in den Filmtheatern, sondern auf den an dieser Stelle zuletzt ohnehin etwas stiefmütterlich behandelten Streamingplattformen. Die beiden jeweils zehnteiligen Serien mit ihren prägnanten halbstündigen Episoden, um die es hier gehen soll, erheben dabei gar nicht den Anspruch, um jeden Preis prononciertes Prestigefernsehen sein zu wollen, wenn sie kenntnisreich von gern marginalisierten Randbereichen der Gesellschaft erzählen. Was natürlich nicht heißt, dass es ihnen an Impact mangeln würde – und eben ganz besonders nicht an Schmäh und Esprit. Den Anfang macht »Deli Boys« (ab 25. April bei Disney+), eine ungehemmt freidrehende Crime-Comedy über zwei pakistanischamerikanische Rich Kids (ein unreflektierter Freigeist, ein naives Nervenbündel), die nach dem Unfalltod ihres Babas herausfinden, dass
dessen Vermögen nicht aus der landesweiten Deli-Kette der Familie stammt, sondern aus dem Kokainschmuggel, der darüber abgewickelt wurde. Prompt in harsche, handfeste Machtkämpfe verwickelt, müssen sich die beiden Tunichtgute durch ein Szenario schlagen, das wahlweise »Breaking Bad« oder »Weeds« extrapoliert – mit weitaus weniger subtiler, südasiatisch scharfer Würzung, wohlgemerkt. In frenetischem Tempo wirbelt diese Show zwischen glorreich gorereichen Gangster-Hijinks, deftigem Schabernack und ultraspezifischen kulturellen Bezügen hin und her, um zu einem Ergebnis zu gelangen, das so schrill und albern ist wie aufrichtig authentisch. Ja, dieser Struggle ist real – und verdammt unterhaltsam.
Regierungskäse
Höchst greifbar wird das Raufen mit dem amerikanischen Traum auch in »Government Cheese« (ab 16. April bei Apple TV+), wo es aus der Perspektive einer schwarzen Familie in einer sehr weißen Vorstadt der Sechzigerjahre inspiziert wird. Nach seiner Haftstrafe will Hampton Chambers (David Oyelowo) sein Leben wieder in geregelte Bahnen lenken, zumal seine Liebsten längst ohne ihn, in ihrem eigenen Groove zurechtzukommen scheinen. Mit seiner vermeintlich visionären Erfindung, einem selbstschärfenden Bohrer, will Hampton den Turnaround schaffen; doch prompt locken ihn einschlägige Bekannte mit windigen Plänen – schließlich gilt es ja auch, Altlasten zu begleichen. Wie lange lässt sich der angestrebte Pfad der Tugend beschreiten? Insbesondere, wenn ohnehin alle um einen rum jeden Schritt kritisch beäugen, weil sie einen für einen unbelehrbaren Kriminellen halten? Der auf den ersten Blick etwas verschroben wirkende Titel der Serie verweist auf einen aus diversen Käsesorten zusammengepanschten Schmelzkäse, der in den USA lange Jahre an Sozialhilfeempfänger verteilt wurde. ’s Reste-Eck vom Käs’ sozusagen, für das aus ganz wenig doch etwas mit Mehrwert gemacht wurde – eine viel-
sagende Allegorie für die Erfahrungen all der zahlreichen Menschen, deren Ziele und Träume mit ihren aktuellen Lebensumständen nicht in tune sind. Oder eben: noch nicht.
Apropos in tune: In der Ausführung schlägt »Government Cheese« unerwartete Töne an. Mit einem Arsenal exzentrischer Charaktere, die ebenso an die Inszenierungen eines David Lynch oder der Coen-Brüder erinnern wie die teils schwer surrealen Szenarien, wirft die Serie zwar immer wieder gesellschaftspolitische Fragen auf, beantwortet diese aber auch mal in einer Manier, die Leitplanken der Realität beherzt umcruist. Weniger die Auseinandersetzung mit systemischer Benachteiligung an sich steht im Fokus als vielmehr der kreative Einfallsreichtum, mit dem ihr begegnet wird. Eingefasst in superstilisierte, farbsatte Tableaus, die fast an Wes Anderson denken lassen (genug Namedropping!), gelingt dieser Serie damit in Zeiten allgemeiner Verunsicherung oft etwas nachgerade Erbauliches. Was beide Produktionen letztlich verbindet, ist ihr offensiver Rückgriff auf Gesellschaftskommentare. Einordnung wird hier gerne auch im schrägen Detail gesucht, in den sonderbaren Volten des Alltags. Diese Realitychecks werden dann und wann mit dem Signum des Surrealen unterfertigt. Und das hat durchaus seine Logik, denn mitunter sind es gerade die verspielteren, wilderen Erzählweisen und eigenwilligen Tonlagen, das Chaos und die Übertreibung, die diese komplexen Verhältnisse am pointiertesten auf den Punkt bringen. Zwischen albern und abgründig, lakonisch und überdreht, Drama und Komödie wollen »Deli Boys« und »Government Cheese« wissen: Wenn die Wirklichkeit schon so hochgradig absurd ist, warum sollte man sie nicht auch entsprechend erzählen?
prenner@thegap.at • www.screenlights.at
Christoph Prenner plaudert mit Lillian Moschen im Podcast »Screen Lights« zweimal monatlich über das aktuelle Film- und Seriengeschehen.
derStandard.at
Der Haltung gewidmet.
Eine Haltungsübung für stürmische Zeiten: Nach vorne schauen. Und zwar so oft es geht. Dann spüren Sie nämlich nicht nur den Gegenwind, sondern sehen vielleicht auch die Chancen und Möglichkeiten, die auf Sie zukommen.
Aye, aye, Captain! Mit »14.000 Kilo« wird im Kosmos Theater gegen Körpernormen gemeutert. Frei nach »Moby-Dick« wird die Obsession von Kapitän Ahab mit der Jagd nach dem Wal dem inneren Kampf gegen das eigene Körpergewicht entgegengestellt. Maria Sendlhofer und ihr mehrgewichtiges Ensemble werfen sich in einen humorvollen, assoziativen und einfühlsamen Dialog mit den Themen Körperfett sowie Gewichtsdiskriminierung und den inneren Stimmen, die uns ständig bewerten. Das Stück navigiert zwischen Hoffnung und Hass, es öffnet neue Horizonte für eine befreiende Auseinandersetzung mit den eigenen Körperdimensionen. Ein Theaterabend, der gesellschaftliche Ausschlüsse hinterfragt und die Segel Richtung Selbstakzeptanz setzt. 30. April bis 16. Mai Wien, Kosmos Theater
DasIm Wartezimmer einer Klinik treffen Menschen mit unterschiedlichen Geschichten aufeinander, verbunden durch denselben Grund: die junge Frau, die nichts über Verhütung wusste, die zweifache Mutter, die sich kein weiteres Kind leisten kann, und die Tochter, die in Begleitung ihrer Mutter kommt. Allesamt mit Partnern, die mal unterstützend, mal selbst hilflos agieren. »Das« zeigt die Vielfalt an Gedanken und Gefühlen, die in diesem Moment aufeinandertreffen, aber auch die Komik, die in der Absurdität dieser geteilten Intimität liegt. Magdalena Marszałkowska erzählt diese Begegnungen, ohne zu moralisieren, aber mit einem feinen Gespür für die Zwischentöne. 10. Mai bis 15. Juni Salzburg, Schauspielhaus
Wer Lust auf immersives Theater hat, kann sich im Off Theater mit »006 am Psychosee« auf eine ungewöhnliche Studiotour begeben. Quer durch das ganze Theater ist ein Filmset aufgebaut voller Enthusiasmus, großer Träume und nackter Tatsachen. Sich frei bewegend, kann man die Dreharbeiten einer Sexkomödie hautnah miterleben – bis der Regisseur plötzlich alles infrage stellt. Zwischen Klamauk und Krise, Glamour und Abgrund öffnet sich eine absurde Welt, in der nichts so bleibt, wie es geplant war. 8. April bis 10. Mai Wien, Off Theater
Im Gegensatz zur Band Alphaville, die »Forever Young« bleiben will, möchten das die Klassikerfiguren von Molière, Shakespeare und Tschechow in »Immer noch hier – Von Ängsten und Alten und alten Ängsten« nicht. Aber – Pension hin oder her – zur Ruhe setzen wollen sie sich auch noch lange nicht. Humorvoll, poetisch und mit einem scharfen Blick auf unsere Angst vor dem Altern fragen Rebekka David und ihr Ensemble, warum es in unserer Gesellschaft so wenige positive Entwürfe für den letzten Lebensabschnitt gibt. 11. April bis 17. Mai Graz, Schauspielhaus
Welcome to Smile Smile Inc., wo Content sprudelt, klickt und rauscht – sinnfrei, endlos und unaufhaltsam. Regisseurin Aslı Kışlals adaptiert Elias Hirschls dystopischen Roman »Content« für die Bühne, überdreht die Gegenwart bis zum Anschlag und zeigt eine Welt, in der alles verwertet wird, während im Keller die KI wächst. Das Stück verspricht einen wilden Theatertrip zwischen Algorithmus, Aufstand und – allem zum Trotz – unwahrscheinlicher Nächstenliebe. 7. Mai bis 29. Juni Wien, Schauspielhaus ab 18. September Bregenz, Theater Kosmos
For one night and one night only – oder eher: for 24 hours and 24 hours only, again and again and again. »The Second Woman« ist ein Theaterexperiment, das Liebe, Macht und Geschlechterrollen seziert: hundert Begegnungen, eine wiederkehrende Szene, unzählige Überraschungen. Pia Hierzegger bleibt, ihre Gegenüber wechseln – und mit ihnen alles. Mal intim, mal beklemmend, mal lustig. Wie lange man bleibt, entscheidet jede*r selbst. Aber Achtung: Laut Veranstalter*innen macht »The Second Woman« süchtig. 28. und 29. Mai Wien, Museumsquartier Halle E
Gewidmet all denjenigen, die beim Lesen auf die eine oder andere Wissenslücke gestoßen sind.
Kapitalistische Akkumulation bezeichnet die Anhäufung von Kapital. Nach marxistischer Theorie geschieht dies immer aufgrund einer Ausbeutung. Das angehäufte Kapital muss nämlich erst extrahiert werden – aus der Arbeitskraft des Proletariats. Baile Funk, auch Funk carioca oder Brazilian Funk genannt, heißt ein harter Hip-Hop-Stil, der Einflüsse diverser Genres miteinander vereint und weit über Brasilien hinaus Verbreitung gefunden hat. Als hegemonial werden Wertesysteme, Konventionen und andere Strukturen bezeichnet, die eine vorherrschende Rolle in einem bestimmten Kulturkreis spielen. Oft ist für Menschen, die unter einer gewissen Hegemonie leben, schwer bis unmöglich, diese infrage zu stellen. »Indecision by your own admission« – so lautet eine Zeile aus dem Refrain des Songs »Indecision«, der 2014 erschienenen zweiten Single der britischen Electropop-Künstlerin Shura. Gottfried Küssel ist ein österreichischer Holocaustleugner und Neonazi, der bereits mehrfach wegen Verhetzung sowie Verstößen gegen das Verbotsgesetz verurteilt worden ist. Er gilt als Schlüsselfigur der rechtsextremen Szene. »¡No pasarán!«, wörtlich übersetzt »Sie werden nicht durchkommen«, drückt als Slogan den Widerstand gegen Faschismus aus. Diese Bedeutung geht auf den spanischen Bürgerkrieg zurück und wurde von der Antifaschistin Dolores Ibárruri in einer Radioansprache geprägt. Reggaeton ist ein Genre elektronischer Musik, das aus Dancehall, Hip-Hop, lateinamerikanischer und karibischer Musik hervorgegangen ist. Es zählt zu den weltweit populärsten musikalischen Stilen. Ed Sheeran ist ein britischer Singer-Songwriter, unter anderem bekannt durch einen Gastauftritt in der HBO-Serie »Game of Thrones«. Unter Solutionismus versteht man den Glauben daran, dass neue Technologien – insbesondere Big Data und KI – in absehbarer Zeit alle Probleme der Menschheit lösen können. Tableaux vivants existieren seit dem Mittelalter und dürften ihren Ursprung als Darstellung sakraler Szenen bei Messen haben. Ihren Höhepunkt hatten sie im 19. Jahrhundert, als vor allem im Adel zunehmend die Darstellung von berühmten Begebenheiten, Gemälden und Skulpturen populär wurde.
Lego und sein Pop-Appeal. ———— »Kreativität und Kapitalismus, Popkultur und Plastik, Steckverbindung und ›Star Wars‹: Lego ist das passende System für unsere Welt.« Das schrieb Peter Stuiber 2014 in seiner Coverstory anlässlich der Renaissance des dänischen Spielzeugklassikers. Für die Titelseite ließen wir uns von Beate und Tobi Prisching das Wort Pop aus Legosteinen basteln. Und im Text zu »The Lego Movie« erkannte Christoph Prenner in diesem »ultimativen Product-Placement-Film« ein »unerwartet subversives Loblied auf Kreativität und Anarchie«. Lego mag offenbar wirklich jede*r. Aber das Spielzeug kann auch wehtun – was man merkt, wenn einzelne Bausteine achtlos auf dem Bogen liegen gelassen wurden. Abseits dieser eingebildete Schmerzen auslösenden Einsicht im Heft zu finden: ein Interview mit Diedrich Diederichsen rund um dessen Standardwerk »Über Pop-Musik«, Statements von Filmschaffenden über das »Musikvideoland Österreich«, ein »Wortwechsel« zu Graz als Unesco City of Design und ein Text über das zehnjährige Jubiläum des Donaufestivals, das heuer, also 11 Jahre später, – aufgrund einer coronabedingten Pause 2020 – zum zwanzigsten Mal stattfindet.
Erst kürzlich wurde das kleine, aber feine Arthousekino in Margareten vom Magazin Variety zu einem der 21 coolsten Kinos der Welt gewählt. Wir können nur zustimmen! Vom ikonischen Neonschild auf silberglänzender Fassade über das holzgetäfelte Interieur und den Saal, in dem man von wirklich jedem Platz eine gute Sicht hat, bis hin zur durchdachten Filmauswahl, den regelmäßigen Retrospektiven und den zahlreichen Filmfestivals: Hier stimmt wirklich alles. Inklusive gratis The Gap für die Lektüre vor wie nach dem Kino. Margaretenstraße 78, 1050 Wien
Stuwo Villach
Dank dieses Studierendenwohnheims mitten im Technologiepark Villach – nur 550 Meter zum FH-Campus! – ist The Gap auch in der zweitgrößten Stadt Kärntens zu finden.
Europastraße 11, 9524 Villach
Brot & Spiele Graz
»Panem et circenses« war nicht nur ein römischer Leitspruch, sondern beschreibt auch das Motto des Lokals, in dem unter anderem Billard- und Schachspieler*innen ein- und ausgehen.
Mariahilfer Straße 17, 8020 Graz
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Josef Jöchl
artikuliert hier ziemlich viele Feels
Je älter du wirst, desto öfter holt dich die Vergangenheit ein. Sei es durch eine Nacht in deinem Kinderzimmer, eine alte Melodie, die im Supermarkt an dein Ohr dringt, oder das papiergewordene Tor in die eigene Lebensgeschichte: eine Einladung zum Klassentreffen. Letztere wurde mir kürzlich von meinem besten Freund aus Schultagen weitergeleitet. Genau genommen war sie gar nicht aus Papier. Ein JPEG in Tafeloptik erinnerte mich daran, wie alt ich geworden war. »Wenn die sich nicht mal die Mühe machen, mich persönlich einzuladen, gehe ich sicher nicht hin«, antwortete ich zunächst ablehnend. Wenige Menschen sind leichter zu googeln als mäßig erfolgreiche Komiker.
Der Freund, der mittlerweile wieder am Land wohnte, bat mich jedoch, es mir noch mal zu überlegen. Diese Gelegenheit käme schließlich nur einmal im Leben. Außerdem wäre es bestimmt ein großer Spaß zu sehen, wen sein jugendlicher Stoffwechsel bereits verlassen hatte oder wer immer noch raucht. Damit hatte er natürlich nicht ganz unrecht. So ließ ich mich also zur Whatsapp-Gruppe hinzufügen und dazu breitschlagen, auch gleich meine beste Freundin aus Schultagen zu kontaktieren, die trotz aktiven Linkedin-Accounts als ebenso unauffindbar galt. Ganz wohl fühlte ich mich jedoch nicht dabei. Wollte ich wirklich noch mal in die Schule gehen, auch wenn es nur für einen Abend war?
Feel Old Yet?
Klassentreffen lassen eben niemanden kalt. So ein Wiedersehen kann sich wie eine psychologische Zeitreise anfühlen, auf der deine gegenwärtige Identität mit dem kollidiert, was früher ein Prepaidhandy, ein paar Alcopops und eine Handvoll Haargel in einem Trenchcoat war. Als fester Bestandteil der Whatsapp-Gruppe gab es für mich jedoch kein Zurück mehr.
Meine beste Freundin, die wie ich in der Stadt wohnhaft geblieben war, reagierte eher
negativ. »Wenn die sich nicht mal die Mühe machen, mich persönlich einzuladen, gehe ich sicher nicht hin«, antwortete sie. »Außerdem wollen die doch nur sehen, ob ich fett geworden bin oder noch rauche«, schob sie misstrauisch hinterher. »Also, das glaube ich nicht«, versuchte ich zu beschwichtigen. »Denen ist unser Aussehen doch egal, die bewerten uns doch viel eher nach unserem Vermögen und beruflichen Erfolgen.«
Doch dieses Argument überzeugte sie nicht. Sogar mich selbst verunsicherte es. Warum wollten wir noch mal auf dieses Klassentreffen gehen? Ich wechselte den Chat und fragte meinen besten Freund aus Schultagen. Wollten wir uns wirklich einen Abend lang die Geschichten all jener anhören, die von Geburt an mit einem Bein im Grundbuch standen? Waren wir als junge Erwachsene zwischen zwei Rezessionen nicht genug gedemütigt worden? Wie viele Fotos beige gekleideter Kinder konnten wir ertragen? Doch er reagierte ziemlich gelassen.
Ob in der Stadt oder am Land, mittlerweile säßen wir doch alle im selben Boot. Alle hätten die gleichen Reallohnverluste erlitten, wären vom selben Klimawandel betroffen. So ziemlich jeder Arbeitsplatz sei durch KI gefährdet. »Stell’ dir mal vor, du versuchst irgendwie eine Kleinwohnung zu finanzieren, um deinen Nachwuchs durchs aussichtslose Studium zu bringen oder ihm wenigstens ein Auskommen durch Airbnb zu ermöglichen«, endete die Sprachnachricht des besten Freundes aus Schultagen auf einer eigenartig spezifischen Note.
Im Grunde gäbe es keinen besseren Zeitpunkt für ein Klassentreffen als während eines umgreifenden wirtschaftlichen Strukturwandels, nach dem es allen in allen Belangen schle chter gehen würde. Ich solle mir also einfach ein paar Talking Points über Immo -
bilienpreise und den Fachkräftemangel zurechtlegen, das würde mich selbst als kinderlosen, schwulen Komiker irgendwie relatable machen. Einfach mit der Truppe von damals ein bisschen auf den Sound der Finanzkrise abgehen!
Genau so verkaufte ich das meiner besten Freundin aus Schultagen: Ein Klassentreffen sei im Grunde nichts anderes als eine kleine Party von Menschen im mittleren Alter, die sich schon einmal begegnet sind. »Aber genau das ist ja das Problem«, antwortete sie defätistisch. »Es ist eine Party von Menschen im mittleren Alter, die sich schon mal begegnet sind.« Sie könne sich das schon vorstellen: plötzliche Altersmilde gegenüber Personen, die man früher hasste, etwas bemüht Erinnerungen aufkochen und sich dann verstohlen eine Zigarette teilen, bevor die Ersten losmüssten, um den Babysitter abzulösen. Darauf hätte sie nun wirklich keine Lust!
Dann würden wir uns wohl erst im nächsten Jahr wieder treffen, lenkte ich die Unterhaltung auf die Zielgerade. Irgendwann gehst du eben öfter zur Mundhygiene, als du deine besten Freund*innen triffst. Aber so wie sich manche Menschen vor einer Konfrontation mit ihrer Vergangenheit fürchten, mümmeln sich andere in sie ein wie in eine Kuscheldecke. Letztere gehören zu der Art, die aus freien Stücken Whatsapp-Chats für Klassentreffen aufmachen und dadurch mäßig erfolgreiche Komiker vor ein Riesenproblem stellen. Dabei könnten sie doch einfach googeln. joechl@thegap.at • @knosef4lyfe
Josef Jöchl ist Comedian. Sein aktuelles Programm heißt »Erinnerungen haben keine Häuser«. Termine und weitere Details unter www.knosef.at.
Tanztheater von Mathilde Monnier und Dance On Ensemble
10. & 12. Mai 2025 20.00 Uhr