136 »Je mehr ich über’s Weltall mache, desto geiler wird’s.« – Amira ben Saoud
Wienpop – Wie klingt Wien heute Glasgow / Disclosure / Gelatin Austra. William Kentridge. The Broken Circle. I-Wolf. Zomby. Im Wortwechsel: Sind Festivals im Osten schon europäische Normalität?
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Leitartikel von Thomas Weber.
The Sound of Musikgeschichte Absurd: Mit »Wienpop« haben wir nun zwar eine ordentliche Oral-History-Aufarbeitung der österreichischen Popgeschichte vorliegen, viele der besprochenen Alben und wegweisenden Songs kann aber kein Mensch nachhören.
ange genug hat sich die österreichische Pop-Geschichte mit den unreflektierten Anekdoten und verhaberten AdabeiZoten des Duos Rossacher und Dolezal zufrieden gegeben, älteren Semestern auch als »Torpedo Twins« bekannt. Dass die beiden über die 80er Jahre nie hinausgekommen sind, hat den ORF nicht daran gehindert, sie noch 2006 mit der Produktion eines TV-Mehrteilers »Weltberühmt in Österreich – 50 Jahre Austropop« zu beauftragen. Das Ergebnis ist nicht umsonst in Vergessenheit geraten. Auf ORF III könnte es dieser Tage dennoch wieder auftauchen. Denn spät (viele der frühen Protagonisten sind inzwischen tot oder blödgesoffen), aber doch sind die ersten Ansätze einer ernstzunehmenden Aufarbeitung, die den Namen Pop-Geschichtsschreibung verdient, erkennbar. Bis ins Jahr 2000 hat es immerhin nun »Wienpop« geschafft, der in Buchform vorliegende Oral-History-Rückblick des Journalistenviergestirns Gröbchen / Mießgang / Obkircher / Stöger. Dass die Gegenwart und die jüngere Vergangenheit darin ausgespart werden, liegt nahe. Geschichtsschreibung eben. Dass keine nüchterne Analyse, sondern der vielstimmige Sound der Dabeigewesenen dominiert, macht das Mammutwerk nur interessanter. Weil es eben nicht bloß die üblichen Verdächtigen sind (Stichwort: Austropop), die zu Wort kommen.
rechnen, nie und nimmer. Ökonomisch hätte solch ein Unterfangen schon in den goldenen Zeiten der Musikindustrie ein Harakiri bedeutet. Doch 2013 verdient mit Musik kaum noch jemand Geld, höchstens mit dem Drumherum. Da sich aber die gestorbenen, vergreisten oder schlicht einfach langweilig gewordenen Akteure von einst nicht als Werbeträger für SneakerHersteller, Mobilfunkanbieter, StreamingDienste oder Wodka-Abfüller eignen, fällt Sponsoring eher aus. Ohne Förderungen wird solch ein Unterfangen aber nicht zu stemmen sein. Und auch mit genügend Geld bräuchte es wohl die vereinten Kräfte von ORF, Falter Verlag (Gerhard Stöger!), Al Birds Trash Rock Archives, SR Archiv, einem krediblen Musikvermarkter wie Hoanzl und einem zeitgemäßen Streaming-Dienst wie Spotify oder Deezer. Oder aber es brächte sich mit Servus TV ein staatstragender Mäzen ins Spiel. Eine Förderung jedenfalls wäre hiermit gefordert! Bild Michael winkelmann
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Schon beim Scannen des Inhaltsverzeichnisses und des Personenregisters zeigt sich allerdings das Dilemma: Erinnerungen an legendäre Lokale, Begegnungen mit dem jungen Hansi Hölzel oder dem späten, verdammt uncoolen Falco schaffen es, eine Aura aufzubauen und ermöglichen es auch Nachgeborenen, zu erahnen, wie es damals gewesen und zugegangen sein könnte. Das Beschriebene aber, die Musik nämlich, die das am besten vergegenwärtigen könnte, ist nur schwer aufzutreiben und in vielen Fällen nicht verfügbar. Wer »Wienpop« liest, wird sich kaum mit Mendt, Danzer, Ambros, den Schmetterlingen und Kruder & Dorfmeister zufrieden geben. Darüber hinaus sind Songs nicht verfügbar, Platten vergriffen, Werke verwaist, das Wenigste wurde digitalisiert und selbst aus den späten 90ern oder über die Anfänge von HipHop in Österreich ist im Netz nichts zu finden. Davor weiß meist kein Mensch, bei wem die Rechte liegen. Selbst die Majors, bei denen durch Labelübernahmen vieles gelandet ist, haben oft keine Ahnung. Wer hören will, muss stöbern und geduldig warten und wird irgendwann – vielleicht – bei Vinyltandlern fündig. Dabei gehörte gerade dieser Schatz gehoben, die österreichische Popgeschichte hörbar und einer geneigten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Was so schnell aber wohl nicht passieren wird. Denn die Sache wäre unpackbar aufwendig – und wenn, dann ohnehin nur Falter-Redakteur Gerhard Stöger, dem verdientesten, konsequentesten und uneigennützigsten Popchronisten des Landes, zuzutrauen. Seinem Fanatismus verdanken wir auch »Wienpop«. Das eigentliche Problem aber: Ein umfangreiches Verfügbarmachen der hiesigen Popgeschichte wird sich nicht
Thomas Weber Herausgeber weber@thegap.at @th_weber
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Wienpop Wien, du tote Stadt. Damals: Sicher! Heute: Smiley. Noch nie gab es so viel hervorragende Musik aus Wien, so richtig ist das allerdings international noch nicht angekommen. Gibt es also eine Wiener Blase, aus der viele nicht hinaussehen? Und gibt es heute – globale Vernetzung und so – überhaupt noch Eigenheiten der Stadt? Wir haben bei einigen Experten nachgefragt. Links: Das ikonische Original zu unserem Cover, geschossen am Wiener Naschmarkt von Michael Snoj.
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Magazin Wien Pop 018 —— Wie klingt Wien heute? Fragen wir anlässlich von drei aktuellen Wälzern, die die Popgeschichte der Stadt aufarbeiten. Golden Frame: Nikolaus Gansterer 022 —— In »Between The Lines Of Thoughts« wird Sicheres zu Flüchtigem und Wahrheiten werden zu Hypothesen. Glasgow 024 —— Chvrches, Hudson Mowhake, Rustie. Mogwai, Belle And Sebastian. Franz Ferdinand. Was macht die schottische Stadt richtig? Wir sind hingefahren. Disclosure 026 —— Disclosure sind die neuen Posterboys der Dance-Music. Ihr Album ist totaler Konsens. Sonst kann man aber nichts dagegen sagen. Deadly Premonition 029 —— Ein gottverlassenes Nest, Untote, ein Held mit gespaltener Persönlichkeit: »Deadly Premonition« ist skurriler Survival-Horror, der den Spieler zum Lachen bringt. Gelatin 030 —— Gelatin graben gern Löcher. Eben wieder im 21er Haus als Teil einer groß angelegten, fünftägigen Performance. Ziemlich sinnlos, ziemlich großartig.
30 Jahre Impulstanz 034 —— William Kentridge wird der Star des Impulstanz Festivals sein. Seine »Multimedia Oper« ist viel besser als der Name vermuten lässt. Poolbar Fotostrecke 036 Das Festival in Vorarlberg feiert heuer seinen 20. Geburtstag. Und es wird eigentlich jedes Jahr besser. Departure Focus Call 038 —— Warum scheitern viele Kreative daran, gute Ideen an die richtige Zielgruppe zu verkaufen? Der Förder-Call »New Sales« der Wiener Kreativagentur departure setzt genau bei diesem Problem an. Design: 042 —— DIY war in der Designszene der vergangenen Jahre ein großes Ding. Was bleibt von dieser Entwicklung?
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Glasgow Am anderen Ende von Europa liegt eine Stadt, die gerade in den letzten Jahren für viel Bassgrummeln sorgte. Aus Glasgow, einer Stadt so groß wie Wien, kommt wie in Wellen Popmusik, die die westliche Hemisphäre durchschüttelt. Ist da vielleicht was im Trinkwasser? Wir waren auf Lokalaugenschein in Schottland.
024 Rubriken Leitartikel Inhalt Editorial / Porträt / Impressum Fondue Unbezahlter Anzeiger Splitter Wortwechsel: Sind Festivals in Osteuropa schon Normalität? Workstation: Karin Wasner Prosa: Iris Blauensteiner Blow-up: ORF und die Quote Reviews Introducing: Armando Iannucci Termine
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Bild der Ausgabe Ja schau, ein Kinderzimmer mit The Gap-Tapete! Mit allen wichtigen Covers, Leuten und den schlimmsten Nieten der letzten Jahre. Eine Wall of Fame. Ein Walhalla. Ein Mahnmal für weitere Generationen von unbezahlten Praktikanten. Und wir mussten noch nicht mal etwas tun dafür. War einfach über Nacht da (Danke an Andreea und Bianca!).
Kolumnen Fabula Rasa Zahlen, bitte Know-Nothing-Gesellschaft
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e d i t r i a l Wie klingt Beton? — Wie klingt eine Stadt? Meistens ist diese Frage herzlich egal und wenn nicht, dann ist das meistens eine Erfindung von ein paar Marketing-Waschln. Wenn aber in einem Jahr gleich drei Bücher dieser Frage nachgehen, mit ausführlichen Interviews und dem wohl umfangreichsten Archivmaterial zum Thema im Gepäck, dann ist da wohl etwas dran. Weil wir diese Geschichten aus Wien nicht einfach nur nacherzählen wollten, haben wir uns der Frage gestellt, wie diese ins Heute strahlen, wo es Folgen gab, wo Brüche (Seite 018). Eher zufällig machte sich Jonas Vogt parallel dazu auf nach Glasgow, um die Leute dort zu fragen, warum sie so zünftige Bassmusik machen (Seite 024). Woher Musiker kommen, ist meistens zwar Banane, seltsamerweise merkt man sich aber doch, dass Vampire Weekend, Interpol und The Strokes aus New York, hingegen Tame Impala und Empire Of The Sun aus Australien sind – und Disclosure aus London. Die Brüder haben soeben das Dance-Album des Jahres veröffentlicht (Seite 026). Und auch im Wortwechsel tauchen Fragen der Geografie auf: Ostöffnung, der Beitritt Kroatiens zur EU und Festivaltourismus sind bald Normalität, meinen zumindest die Event-Experten (Seite 048). Gut so, man kann ja gar nicht oft genug aus Wien rauskommen. Stefan Niederwieser niederwieser@thegap.at @the_gap
k o n t r i b u t r e n
Amira Ben Saoud
Denise Helene Sumi
Amira Ben Saoud – Oida?!? — »I’m not bipolar, see / I’m just known by those couple names«, heißt es in einem Track von Tyler, The Creator. Dieses Satz lässt sich problemlos auf Amira übertragen, die von ihren Freunden nur noch als »Oida?!?« angesprochen wird. Amira ist relativ forsch, was wir an Praktikanten schätzen, aber auch ihr Fluch und Segen zugleich ist. Sie mag eben keine halben Sachen und hält sich mit Lob und Begeisterung zurück, bis ihre Vorstellung des Optimums erreicht ist. Das passiert eher selten. Diplomatie hat Amira jedenfalls nicht gelernt. Dafür Latein, weswegen sie sehr fachlich klugscheißen kann und das auch in ihrer neuen Online-Kolumne beweist. Sie hasst Heuchelei und Kokos, mag dafür aber Wissenschaft und hat ein enormes Verständnis für Kultur und ihren Kontext. Zumindest meistens: Sie zählt HipHop-Hören zu ihren komischen Eigenschaften, was erfrischend 2010 ist. Daneben hat sie aber auch eine Schwäche für Fake-Schlagersingen. Womit wir wieder bei Tyler wären: »a fucking walking paradox«.
303s & Artbreak — Wenige Menschen würden wohl einen Umzug vom 7. in den 2. Wiener Bezirk als ernsthaft große Bereicherung in ihrem Leben bezeichnen. Es würden aber auch wenige Menschen behaupten, sie mögen Clubs um 10 Uhr morgens, aber nicht um 3 Uhr früh. Denise kultiviert solche ungewöhnlichen Blickwinkel, zum Beispiel auch, indem sie bereits seit über einem Jahr für The Gap über Kunst schreibt, diesmal über Gelatin. Das macht sie mittlerweile auch für das Spike Art Quarterly und hat sich – neben einer Kindheit im Schweizer Wald, in Kojen, mit »Pingu« und »Twin Peaks« – auf diese Autorinnenschaft mit zahlreichen Praktika, Assistenzstellen oder als Tutorin vorbereitet. Dass sie bei uns über Kunst schreibt, verdanken wir Friedrich Teja Bach, der Denise damals mit einer Vorlesung über französische Malerei zum Kunstgeschichte-Studium veranlasste, Vorträge von Diedrich Diederichsen und Sabeth Buchmann waren weitere Highlights. Denn viele Dinge erklären sich eben nicht von selbst. Deshalb erklärt sie gern selbst, oder wandert mit Worten um die Kunst herum. Dass Denise dabei noch eine Liebe für 303s, die Hammer Film Studios, Autorenkino oder die ehemalige Dachkantine in Zürich mitbringt, hilft natürlich sehr.
TEXT Jonas Vogt BILD amira ben Saoud
TEXT Stefan Niederwieser BILD privat
Impressum
HERAUSgeber Thomas Weber chefredaktION Martin Mühl, Stefan Niederwieser Redaktion Ranya Abd El Shafy, Niko Acherer, Gregor Almassy, Matthias Balgavy, Claire Benedikt, Josef Berner, Sandra Bernhofer, Liliane Blaha, David Bogner, Manuel Bovio, Ivo Brodnik, Stephan Bruckner, Klaus Buchholz, Johannes Busching, Ann Cotten, Lisa Dittlbacher, Andreea Dosa, Margit Emesz, Juliane Fischer, Holger Fleischmann, Philipp Forthuber, Manuel Fronhofer, Daniel Garcia, Yannick Gotthardt, Manfred Gram, Dominique Gromes, Julia Gschmeidler, Benedikt Guschlbauer, Andreas Hagenauer, Jan Hestmann, Christoph Hofer, Sebastian Hofer, Lukas Hoffmann, Peter Hoffmann, Michael Huber, Konstantin Jakabb, Reiner Kapeller, Iris Kern, Markus Keuschnigg, Hubert Kickinger, Michael Kirchdorfer, Stefan Kluger, Michaela Knapp, Katrin Kneissl, Markus Köhle, Christian Köllerer, Christoph Kranebitter, Rainer Krispel, Michael Bela Kurz, Philipp L’Heritier, Gunnar Landsgesell, Ali Mahlodji, David Mochida Krispel, Christiane Murer, Nuri Nurbachsch, Ritchie Pettauer, Stefan Pichler, Johannes Piller, Stefanie Platzgummer, Mahdi Rahimi, Teresa Reiter, Werner Reiter, Kevin Reiterer, Martin Riedl, Tobias Riedl, Georg Russegger, Joachim Schätz, Barbara Schellner, Bernhard Schmidt, Nicole Schöndorfer, Werner Schröttner, Richard Schwarz, Katharina Seidler, Wolfgang Smejkal, Lisa Stadler, Cornelia Stastny, Roland Steiner, Gerald C. Stocker, Johanna Stögmüller, Peter Stuiber, Denise Helene Sumi, Asha Taruvinga, Hanna Thiele, Horst Thiele, Franziska Tschinderle, Jonas Vogt, Maximilian Zeller, Martin Zellhofer, Barbara Zeman PRAKTIKUM Amira Ben Saoud, Luise Wolf termine Manuel Fronhofer, Stefan Niederwieser AUTOREN Georg Cracked, Michaela Knapp, Michael Lanner, Moriz Piffl-Percevic, Stefan Tasch, Jürgen Wallner, Martin G. Wanko fotografie Florian Auer, Lukas Beck, Stephan Doleschal, Andreas Jakwerth, Georg Molterer, Ingo Pertramer, Kurt Prinz, Karin Wasner, Michael Winkelmann Illbilly-illustration Jakob Kirchmayr COVER Kurt Prinz WORKSTATION-FOTOstrecke Karin Wasner ART DIRECTION Sig Ganhoer DESIGN Elisabeth Els Lektorat Wolfgang Smejkal, Adalbert Gratzer web Super-Fi, m-otion anzeigen Herwig Bauer, Thomas Heher, Wolfgang Hoffer, Micky Klemsch, David Kreytenberg, Martin Mühl, Thomas Weber (Leitung) Distribution Martin Mühl druck Ferdinand Berger & Söhne GmbH, Pulverturmgasse 3, 1090 Wien geschäftsFÜHRung Martin Mühl PRODuktion & MedieninhabERin Monopol GmbH, Favoritenstraße 4–6 / III, 1040 Wien kontakt The Gap c/o Monopol GmbH, Favoritenstraße 4–6/III, 1040 Wien; Tel. +43 1 9076766-41; wien@thegap.at, www.thegap.at, www.monopol.at, office@thegap.at bankverbindung Monopol GmbH, easybank, Kontonummer 20010710457, BLZ 14200 abonnement 10 Ausgaben; Inland EUR 15, Europa EUR 35, Rest der Welt EUR 42; HEFTPREIS EUR 2,— erscheinungsweise 8 Ausgaben pro Jahr; Erscheinungsort Wien; Verlagspostamt 1040 Wien Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Für den Inhalt von Inseraten haftet ausschließlich der Inserent. Für unaufgefordert zugesandtes Bild- und Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung der Geschäftsführung.
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Die direkte Verbindung von der WG zum MQ.
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Die Stadt gehรถrt Dir. 13.06.13 15:35
Legendär!
Die unglaubliche Erfolgsstory der Kult-Cola
Wir schreiben die 1920er Jahre. Karl Flach bringt von seiner USA-Reise eine revolutionäre Idee mit nach Deutschland: ein koffeinhaltiges Erfrischungsgetränk. Er tüftelt und entwickelt das streng gehütete Rezept auf Basis der Kolanuss. Für den Hersteller von Schnaps, Likören und Limonaden beginnt eine neue Ära: 1931 wird afri cola mit seiner stilisierten Palme als Markenzeichen geboren – und erobert sofort den deutschen Markt. In den 60er Jahren herrscht weltweit eine Welle von Rebellion, Aufbruch und Auflehnung. Und auch afri erfindet sich einmal mehr neu: Einerseits erhält sie ihr neues, unverwechselbares Design der heute legendären zeitlos schönen Taillen-Flasche, entworfen von dem renommierten Industriedesigner Professor Jupp Ernst.
Andererseits sorgt sie durch die Markenwerbung des Werbekünstlers Charles Wilp für Aufsehen: Mit seiner Kampagne „Sexy-mini-super-flowerpower-pop-op-cola – alles ist in afri cola“ trifft er genau den Nerv der Zeit. Die Nonnen hinter vereistem Glas verkörpern den Reiz des Verbotenen, verführen durch inszenierte Unschuld und werden zum Symbol für den alles umfassenden Rausch. Die Werbung von Charles Wilp legte den Grundstein für die rebellischen Statements und das außergewöhnliche, aufmerksamkeitsstarke afri Image. Auch in Zukunft wird afri sich immer wieder neu erfinden und damit die Szene mit provokanten Aussagen aufmischen. 2013 geht der Kult weiter – auf das Anders-Sein!
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Wir kennen die lustigen Van-Schiebetüren-Fails aus dem Internet, wo z.B. aus »Starbucks« »Sucks« wird oder aus »Mitchell’s Wholesale Provedores« »Mitchell’s Whores«. Gut. Hier spart man sich einfach einen Zwischenschritt.
Für den sehr, sehr kleinen Hunger zwischendurch.
Bei genauer Betrachtung dieses pfarrkirchlichen Aushangs müsste es wohl eher heißen: »Lass Dich verwöhnen.« Oral et labora?
Snooker im Nachtprogramm ist bestes Einschlaf-TV. Insofern darf’s auch beim U-BahnTaschenbillard schon mal passieren.
Eine Perle mitten im Grazer Red Ligth District.
Bitte jetzt echt keine »Frau am Steuer«-Sprüche. Das hätte deiner Frau genauso passieren können!
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»… denn die massen sind träge und einsichtslos, sie lieben den triebverzicht nicht, sind durch argumente nicht von dessen unvermeidlichkeit zu überzeugen und ihre individuen bestärken einander im gewährenlassen ihrer zügellosigkeit.« (sigmund freud) — Der Sommer kommt und geht wöchentlich. Es regnet, es ist heiß, es regnet, es ist heiß – aber du hast es geschafft, deine Etwasjünger-als-du-Vorgesetzte zu einem Date einzuladen und sie hat zugesagt. Wowee Zowee, wie Frank Zappa sagte. Unverbindlicher Kaffee in der Innenstadt und sie bestellt Eiskaffee, keinen Soja Latte mit Zimt und Amarettini-Streusel. Wie auch – ihr sitzt bei Aida? Die rosa Plastikstühle kleben ein wenig an den Unterschenkeln, egal. Viel schlimmer, ihr seid Euch in allem uneinig, sobald das Gespräch in eine relevante Dimension kommt. Das moderne, mode-bezogene Zeug habt ihr gut drauf: Musik (Foo Fighters), Filme (Johnny Depp), Fernsehen (How I Met Your Mother) und Fortgehen (Sand in the City) ist alles super. Aber wenn du sagst, dass Work-Life-Balance wichtig ist, sagt sie, nur wenn die Leistung stimmt, kann man mit seiner Arbeit zufrieden sein. Wenn du sagst, dass beim Nachhilfeinstitut die Stunde 30 Euro kostet, der Nachhilfelehrer aber nur 13 Euro bekommt, sagt sie was von Lohnnebenkosten und Betriebskosten und dass Handwerker noch teurer sind. Wenn du sagst, für die Reichen sind Vermögenssteuern nötig, sagt sie was von Enteignung und verweist darauf, dass die aktuelle Steuerquote von 55,7 % schon bei einem Bruttoverdienst von 1.500 Euro im Monat weitaus mehr ist als ein Bauer im 18. Jahrhundert an seinen adeligen Herren abgeben musste (nämlich rund 40 %). Langsam nerven Dich ihre hübschen, blauen Augen, die Du gestern noch so faszinierend gefunden hast. »kontrolle ist eine illusion« (meister shi-zu) — Nach dem Kino ist alles wieder gut. Die alten Spielberg-Filme sind unterschätzt, eine gute Actionkomödie ist ein Wert an sich und Quentin Tarrantino sowieso super. Ihr seid Euch einig, dass es noch nie so viele tolle Filmstars gab wie heute. Ihr habt euch das Popcorn geteilt und du ladest sie ein, mit Dir nächste Woche zum Konzert dieses finnischen Underground-Elektronikers zu gehen, von dem Du im The Gap gelesen hast. Und sie sagt, klingt super. Ihr verabschiedet Euch und dann ruft sie: »Und vergiss nicht, am Freitag haben wir Mitarbeiter-Feedback und Entwicklungsgespräch!« Powered by Fudge Tunnel und Boards Of Canada.
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UNBE Z HL T ER A N Z EIGER Es gibt Dinge da draußen, die sind so gut, die sind Segnungen für die Menschheit, echte Hits der Warenwelt, für die machen wir freiwillig Werbung.
Breakfast Liqueurs
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Toilettenaufsatz »Iron Throne«
Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages. Dabei muss man einige Dinge im Auge behalten: Vitamine, Ballaststoffe, Kalorien. Und den Alkoholspiegel. Damit der schon vor 9 Uhr nicht zu niedrig ist und man den Weg ins Büro mit einem Lächeln auf den Lippen antreten kann, hat die Firma »Mama Walker« jetzt Schnaps, der nach Frühstück schmeckt, auf den Markt geworfen. Die Geschmacksrichtungen Bacon, Pancake und Donut lassen zwar auf eine gewissen US-Zentriertheit schließen, bis zur Extrawurst ist es von da aber nur ein Katzensprung.
Der moderne Mensch leidet unter urbaner Entfremdung. Das gilt natürlich besonders für Asiaten – anders sind Filme wie »Dark Water« oder »The Ring« gar nicht zu erklären. Damit man sich beim Abendessen nicht mehr ganz so allein fühlen muss, hat jetzt eine japanische Firma eine Ramen-Bowl mit iPhone-Docking-Station ausgestattet. Da kann man Mama, Opa oder auch den entfernten Bekannten per Facetime daran teilhaben lassen, wie man geräuschvoll Miso-Suppe schlürft. Das nächste zu lösende Problem: Entfremdung durch Smartphones.
Vorsicht, Fäkalhumor folgt: Wir hier im Büro haben ja gerade erst die »The Rains Of Castamere«-Folge von »Game Of Thrones« verdaut. Damit das mit der Verdauung zukünftig noch besser klappt, gibt es jetzt diesen praktischen Aufsatz, mit dem man seine Toilette im Handumdrehen in den Iron Throne verwandeln kann. Dort kann man dann stundenlang sitzen, regieren und Kriegszüge beziehungsweise strategische Hochzeiten planen. Dabei mehr Scheiße als King Joffrey zu produzieren, wird allerdings schwer.
Am Westbahnhof gibt es 7 Tage die Woche 22 verschiedene Brötchen. Mo - Fr: 7:00 - 23:00 Sa: 8:00 - 23:00 So und Feiertag: 8:00 - 23:00
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CH R T S
A M R A D R
Kevin Reiterer (The Gap / j.hruza records)
TOP 10
UM SICH AUF EINEN SONNIGEN SOMMER ZU FREUEN
01 Festivals 02 Open Air-Konzerte 03 Bier im Park trinken 04 Grillen 05 Bier auf der Terrasse trinken 06 Eis essen 07 Schabernack mit der Freundin machen 08 Bier im Gastgarten trinken 09 Inlineskaten 10 Gemütliche Tage am See verbringen
TOP 5
UM SICH AUF EINEN VERREGNETEN SOMMER ZU FREUEN
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Sherlock – Season 3 Breaking Bad – Season 5.2 Pacific Rim The Newsroom – Season 2 Despicable Me 2
auch nicht schlecht:
The Gap Spritztour: Gimme Mur!
MOTSA-EP’s auf j.hruza records & Schönbrunner Perlen
Das Springfestival ist vorbei, unsere erste Ausgabe der Spritztour auch. Ein ziemlicher Erfolg für unser neues Format der Festivalreise.
Maximilian Zeller (Waves Vienna / Bebop Rodeo)
TOP 10
01 Lil Ugly Mane – Mista Thug Isolation 02 The Underachievers - Indigoism 03 Captain Murphy – Duality 04 Madlib Medicine Show – Pill Jar 05 Joey Badass - 1999 06 Chance The Rapper – Acid Rap 07 Cakes Da Killa – The Eulogy 08 Lil B – I’m Gay (I’m Happy) 09 Stalley – Lincoln Way Nights 10 Jonwayne – This Is False
TOP 5
KLEINE LÜGEN UNTER FREUNDEN
01 Ich werde mich etwas verspäten, bin aber schon am Weg. 02 Es ist gar nichts passiert, wir haben nur geredet. 03 Ja, ich schaue später noch einen Sprung vorbei. 04 Dein neuer Pullover schaut echt super aus. 05 Ich gebe dir verlässlich heute noch Bescheid.
auch nicht schlecht: Dean Blunt – The Redeemer (LP) und Inga Copeland – Don’t Look Back, That’s Not Where You’re Going (12")
TEXT Jonas Vogt BILD Jojo Gronostay, FESCHMARKT
FREE RAP MIXTAPES
Das war mehr als gut, und alle waren glücklich. Wir, weil die erste The Gap Spritztour bis auf den letzten Platz mit zufriedenen Teilnehmern gefüllt war. Die Mitreisenden, weil es einfach super war. Mit Unterstützung von Heineken fuhr unsere Reisegruppe ein ganzes Wochenende zum Heineken Springfestival nach Graz. Für außergewöhnlich schlanke 119 Euro bekamen die Teilnehmer aus Wien und Umgebung ein Rundumsorglos-Paket mit Busfahrt, Unterkunft im renommierten Designhotel Daniel (ja, das mit den durchsichtigen Duschen) und Festivalticket. Gratis oben drauf gab es eine ganze Menge Kluggescheiße von den selbsternannten »Experten« von The Gap. Wir waren von diesem neuen Format der Festivalreise überzeugt. Zum Glück waren es genug andere auch. Das Springfestival selber war dann – wie eigentlich jedes Jahr – äußerst ansprechend, auch wenn wir leider den ebenfalls sehr guten Donnerstag verpassten. Graz ist einfach eine super Stadt mit einer großartigen Clubkultur. Zu sehen gab’s dabei Auftritte von Kollektiv Turmstraße, Light Asylum, Planningtorock, DJ Hell, HVOB, Extrawelt, Re.You, Drums Of Death und vielen anderen. Insgesamt war’s vor allem eine große Party, und natürlich endete jeder Abend in der Postgarage. Danke nochmal an Heineken, das Hotel Daniel, das Springfestival und vor allem natürlich an alle Teilnehmer! Sehr gute Leistung, Daumen hoch! Fotos gibt’s auf www.thegap.at. In Zukunft wollen wir die Spritztour weiter ausbauen. Zu Musikund Kulturveranstaltungen in Österreich und im nahen Ausland. Also dorthin, wo wir ohnehin hinwollen. Wir freuen uns auf euch!
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Feschmarkt: Im Zeichen der Kreativität Ziemlich viel Kunst und Design gibt’s bei der sechsten Ausgabe des Feschmarkts. Erstmals drei Tage lang und Open-Air. Wow – so lang gibt’s den schon? Bereits zum sechsten Newcomern auf dem österreichischen Markt und Gastdesignern aus Mal findet der Feschmarkt in der Ottakringer Braue- den Nachbarländern wird es erstmals auch einen Food-Market geben. rei statt. Anfangs als reiner Markt für junge Kunst und Die Kinderausgabe, letztes Jahr noch ein Extra-Event, wurde ebenfalls Design aus semi-professioneller Produktion angelegt, in die Hauptveranstaltung integriert und kommt mit großer Spielecke haben die Verantwortlichen mit jeder Ausgabe etwas – bei der Klientel sicher keine schlechte Idee. Vielleicht liegt darin hinzugefügt, sodass die Veranstaltung mittlerweile überhaupt ein Erfolgsgeheimnis des Feschmarkts. Man bespielt klug leichten Festivalcharakter hat. Neben den reinen Einkaufsmöglich- verschiedene Zielgruppen, ohne die anderen zu verprellen. Die Preise keiten gibt es Gastro, Workshops, Podiumsdiskussionen, Kunstausstel- fangen niedrig an, gehen aber durchaus bis in den gehobeneren Sektor. lungen und eine Party. Es ist im Grunde ja ein bisschen erstaunlich, Für die Studenten gibt’s DJ-Begleitung und eine Party im Ragnarhof dass der Feschmarkt seine Bedeutung aufrecht halten konnte. Als er (heuer mit Wolfgang Hoffer, Pinie Wang und Paul Raal). Neben der vor drei Jahren begann, hatte er quasi eine Monopolstellung. Heute Ottakringer Brauerei werden auch wieder verschiedene Locations im gibt es jedes Wochenende etliche Veranstaltungen in dem Segment. 16. Bezirk einbezogen. Der Feschmarkt ist also weiterhin auf WachsUnd trotzdem wachsen die Schlangen vor dem Feschmarkt mit je- tumskurs. dem Mal. Dementsprechend ist es wahrscheinlich eine gute Idee, dass vom 21. Bis 23. Juni erstmals an drei ganzen Tagen in der Ottakringer Brauerei geshoppt werden kann. Heuer sind es über 200 Aussteller, Der Feschmarkt findet vom 21. bis 23. Juni in der Ottakringer die ihre Kreationen interessierten Käufern feilbieten. Neben etlichen Brauerei und in verschiedenen Locations in Ottakring statt
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A M R A D R
Heinrich Deisl
(Chefredakteur Skug, Autor »Im Puls der Nacht«)
TOP 10
FRÜHE WIENER SUB- / POPKULTUR-NUMMERN
01 Ernst Landl – Steffl Swing aka Harte Nüsse (1943) 02 Anton Karas – Harry Lime (1949) 03 Hans Koller / Roland Kovac – 3×2 (1955) 04 Bronner / Qualtinger – Der Halbwilde (1956) 05 Anestis Logothetis – Phantasmata (1960) 06 Max Brand – Notturno Brasileiro (Jungle) (1962) 07 The Slaves – Slave Time (1966) 08 Novak’s Kapelle – Doing That Rhythm Thing (1968) 09 Worried Men Skiffle Group – glaubst i bin bled (1970) 10 Uzzi Förster – Udrilitten (1972)
TOP 5
HEISSE WIENER CLUBS DER GROSSELTERNZEIT
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Steffl-Diele (Jazzclub während des 2. Weltkriegs) Strohkoffer (»die« Existentialisten-Bar, 1951−53) Fatty’s Saloon (Jazz-Club von Fatty George, 1958−63) San Remo (Beat-Club, Vorgänger der Camera, 1960er) Tenne (Schlagerhochburg der Band Bambis)
auch nicht schlecht: Udo Kier als halbstarker Rowdy in der Trash-Perle »Schamlos« (1968)
www.thegap.at/gewinnen »Breaking Bad« Staffel 5 Es ist schwer, die Geschehnisse dieser acht Folgen »Breaking Bad« zu beschreiben, ohne zu spoilern: Walt und Jesse sind jedenfalls weiter damit beschäftigt, ein DrogenImperium aufzubauen. Dies führt zu ungeahnten Höhen und besonders harten Tiefen. Wir verlosen 3 DVD-Boxen.
»The Last Of Us«-Paket
Stefanie Sargnagel (Österreichische Göttin der Kunst)
TOP 10
DIE COOLSTEN TASTEN AUF DER TASTATUR
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TOP 5
DIE BESTEN AUSDRUCKSFORMEN DES WAHREN, GUTEN UND SCHÖNEN
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Das Grindige Das Hinige Das Abgründige Das Gestörte Das Schirche
auch nicht schlecht: Hitler-Gnocchi
Mit »The Last Of Us« veröffentlicht Sony ein großes Survival-Spiel von den Machern der »Uncharted«-Serie: 20 Jahre nach einem Virusausbruch müssen der erfahrene Joel und die junge Ellie quer durch Amerika. Ein intensives Abenteuer, in dem ihr zwischen Action satt und Stealth wählen könnt. Wir verlosen ein Goodie-Paket bestehend aus Special-Edition-Spiel, Hoodie, Kappe, Fernglas, Trinkflasche, …
»Veep« Staffel 1 Eigentlich wollte Selina Meyer US-Präsidentin werden. Nun hat es doch nur zur Vize gereicht. »Veep« beschreibt ihren Alltag als Sitcom: politische Notfälle, Privatleben und dann noch der Präsident, der nicht unbedingt ihr Freund ist. Wir verlosen die erste Staffel 2 × auf Blu-ray und 2 × auf DVD.
»Die Wand« Julian Pölsler brachte Marlen Haushofers großen Roman »Die Wand« mit Martina Gedeck in der Hauptrolle auf die Leinwand. Ihre Erzählstimme führt durch ihre Gedanken, die erwartungsgemäß eindrucksvollen Bilder werden der Szenerie gerecht. Wir verlosen 2 Pakete, jeweils mit Buch und DVD.
»Lincoln« Steven Spielberg reduziert seinen Film auf die letzten Monate im Leben von Abraham Lincoln und seinen Kampf um die Verabschiedung des 13. Zusatzartikels der USVerfassung, dem Verbot der Sklaverei: Politik mit vielen Mitteln. Fokusiertes Kino, in dem der Bombast in den Hintergrund rückt. Wir verlosen 3 Blu-rays.
»Defiance«-Paket »Defiance« ist parallel Online-Shooter und TV-Serie. In der Zukunft müssen sich die Menschen auf der Erde neu einrichten – andere, außerirdische Wesen helfen dabei nur bedingt. Wir verlosen ein großes »Defiance«-Paket bestehend aus PC-Spiel, Figur, Shirt, Tasche und weiteren Goodies.
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Kolumne: Zahlen, bitte! von Thomas Edlinger
1.125.476 lautet die Nummer des US-Patents von 1915 für die erste Neonröhre. Jetzt ist Neon wieder hip.
ie »Springbreakers« in Harmony Korines zuckersüß verkokster Parteinahme für geile Kaputtheit sind nicht nur Flüchtlinge vor dem öden Schulalltag. Die halluzinatorischen und manchmal fast sympathisch hippiemäßigen Träume von neuen, irgendwie auch zarten Gefühlen im hypersexuellen und knallharten Popkulturthemenpark Miami sind von den Neonfarben Rosa, Gelb und Blau umschmeichelt. Neonlicht soll wieder die Hipstermotten anlocken. »The Great Gatsby« stellt den rappelvollen Times Square der 1920er Jahre als glitzernden und blinkenden Las Vegas-Strip 2.0 nach. Das schwedische Duo Icona Pop schiebt den überdrehten Electropunk-Knaller »I Love It« auf der US-Tour mit einem Neonlicht-Altar im Hintergrund und neongeschminkten Lippen bei TV-Auftritten gehörig an. In einem Artikel für das Magazin Slate listet Forrest Wickman noch einige andere Belegstücke für die Renaissance von Neon in de aktuellen Bilderwelt auf. Zum Beispiel das zuckende Video »Monomania« aus dem gleichnamigen aktuellen DeerhunterAlbum. Oder den Trailer zu Nicholas Winding Refns Nachfolger zu »Drive« namens »Only God Forgives« im mittlerweile von ihm gut gepflegten »Neon-Noir-Style« (Jessica Kiang), der sich an die regennassen Neonlicht-Spiegelungen im 1970er New York in Martin Scorseses urbanem Entfremdungsklassiker »Taxi Driver« andocken lässt. Auch »Enter the Void« von 2009, der pulsierende Neon-Trip vom nächtlichen Tokio in das Schneckenhaus der eigenen Seele von Refn-Spezi Gaspar Noé stand hier offensichtlich Pate. Überhaupt die Trailer und die Schriften zu aktuellen Filmen und Videos! Es scheint, als hätten alle die »Neon Bible«, wie Arcade Fire ihr zweites Album 2007 nannten, brav gelesen – sogar manche Innenarchitekten von Wiener Bars und Restaurants (von der »China Bar« bis zum »Neon-Restaurant«). Auch Foto-Apps wie »Neon Motion Life« oder »Neon Mania«
Volkskunst Neon »Neonlicht« heißt ein romantisches Stück von Kraftwerk aus dem Jahr 1978. Schon damals hatte der Song einen nostalgischen Beigschmack. Er kokettierte mit einem Versprechen von Coolness, wie es Hollywood mit ins flackernde Licht gesetzten Hotelzimmern in das Hirn der Boheme gebrannt hatte. Schon damals waren die Lichtskulpturen freilich Chimären aus dem Neonwesten, wie der kalifornische Urbanist Mike Davis die phantasmatische Welt der US-amerikanischen Städte in seinem Buch »Casino Zombies« nannte. Tom Wolfe feierte in einer Reportage über Las Vegas schon 1964 den sensorischen Overkill bei Nacht. Euphorisiert schilderte er den »unglaublichen Spießrutenlauf aus elektrischen Zeichen auf dem Las Vegas-Strip, wo Neon und die Parabollampen – blubbernd, in Spiralen aufsteigend, raketengleich aufjagend, zehn Stockwerke hoch in Sonneneruptionen explodierend bis weit hinaus in die Mitte der Wüste – einstöckige Kasinos verherrlichen.« Die goldenen Zeiten des hauptsächlich für Werbezwecke genutzten Gasröhren waren die 1950er und 1960er Jahre. Eine Zeit, in der die Billboards noch verführerisch in der Wüste leuchteten und man weder Umweltschützer noch Energieprobleme noch LED-Anzeigen kannte. Der NeonFan Rudi Stern bezeichnete in seinem Standardwerk »Let There Be Neon« 1996 Neon als die dynamischte amerikanische Volkskunst. Neon kündete, noch vor der Entdeckung durch Künstler wie Bruce Nauman, Lucio Fontana oder Dan Flavin (dessen Neonlichtskulpturen unlängst im Mumok ausgestellt waren), signalhaft von Freiheit, Konsum und Modernität. Was im Fall von Las Vegas eigentlich auf das Gleiche hinauslief. Die Architekten Robert Venturi, Denise Scott Brown und Steven Izenour empfahlen in ihrer Postmoderne-
Bibel, von Las Vegas zu lernen. »Learning From Las Vegas« erschien 1972 und suhlte sich in der pompösen Glamour-Architektur des Strips. Die Aufmerksamkeitsökonomie lenkte damals vor allem das Neonlicht – es war effektvoll und doch relativ einfach zu inszenieren. Der Film nutzte diese Schauwerte des Leuchtgases seit jeher. Daher ist es nur folgerichtig, wenn der Schriftzug des Wiener Filmcasinos mit der Neon-Nostalgie spielt. Der Neon-Affionado Dusty Sprengnagel ist Geschäftsführer der Wiener Firma Neon-Line. In seinem Geschäft lagern abstrakte Neonskulpturen neben Werbetafeln aus den 1950er Jahren. Sprengnagel stieg 1984 in das Geschäft ein. Damals eröffnete im 7. Bezirk auch die als New Wave-Lokal konzipierte Blue Box, selbstverständlich mit Neonschild. Doch der Geist einer Zeit, in der Bands »Neonbabies« hießen, hielt wesentlich kürzer durch als eine Neonröhre. Anfang der 1990er Jahre gab es laut Sprengnagel in der Stadt nochmals einen kleinen Boom – nämlich in den Rotlichtbezirken, besonders am Gürtel. Das war’s dann aber auch. Auch Las Vegas setzte in den letzten Jahren eher auf digital ausgeklügelte (nicht zuletzt auch die Effekte von Neon simulierende) Lichtarchitektur als auf originalen Neon-Barock. Und es ist wohl nicht sehr wahrscheinlich, dass sich die Hipsterfreude an dem von vielen als kalt empfundenen Gaslicht nochmals in einen breitenwirksamen Trend verwandeln wird können. Schließlich soll der Alltag heute bio, künstlich, sparsam und nicht verschwenderisch sein. Und der 90er-Jahre-Techno in neonfarbenen Outfits wird so wohl auch nicht wiederkommen.
Thomas Edlinger Journalist und Kurator
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zaubern digitale Heiligenscheine auf die Motive der Retrofashionistas. Sie überbieten den eskapistischen Charakter von Neonlicht, indem sie auch die Grenze zwischen analogen und digitale Bildeffekten vernebeln.
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»Wien du tote Stadt«, das ikonische Bild aus den 80ern hat Kurt Prinz am Wiener Naschmarkt neu inszeniert. Wienpop ist heute weiblicher und oft ironisch gebrochen, mit Schmäh. 018
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Wienpop — Wien und Pop in Geschichte und Gegenwart
Wien, du tote Stadt Wie klingt Wien? Das wollen heuer gleich drei Bücher wissen und haben dafür die zweite Hälfte des letzten Jahrhunderts komplett umgegraben. Wir leisten uns den Wahnsinn, die Frage ins Jetzt zu holen. Wien, wie klingst du?
Natürlich hat Wien einen Sound. Denn unterm Strich sind es immer einzelne Menschen, die Musik machen, es sind ganz konkrete Songs und Videos, die aus einer Stadt kommen. Blöderweise aber sind die meist vollkommen unüberschaubar, heute mehr noch wie früher. Sie tauchen in Nischen ab, in Proberäumen und Bars, in Tumblr und auf Soundcloud, verschwinden im globalen Rauschen von Flugzeugen und Bytes. Ja, wir haben Internet. Musik kann sich heute von einem physischen Ort ablösen. Das war lange Zeit nicht so. Zwei Wiener Schulen im Lauf der Jahrzehnte, Austropop und der Boom von Downbeat, können das noch bezeugen. Dabei hat es in den 90ern den »Vienna Sound« eigentlich gar nicht gegeben. Es liegen musikalische Welten zwischen Toscas »Opera« und »Hotel Paral.lel« von Christian Fennesz. Aber der Begriff hat geholfen, dass im Ausland darüber geschrieben wurde, dass Musik wie diese selbst in San Francisco oder einer Bar in Montana laufen konnte. Das ist die Macht eines Wortes. Etwas ansatzweise Ähnliches ist heute nicht in Sicht, ein bestimmender Klang, der die Stadt definiert. Zu unterschiedlich sind die Stimmen, die Sounds, die Inhalte. Man landet also schnell wieder bei konkreten Songs und Videos, die mal deutlicher, mal weniger hörbar aus dieser Stadt kommen, und bei ziemlich wackeligen Argumenten, warum das für Wien stehen soll und anderes nicht. Es können Dinge In Wien riesig sein und im Ausland völlig unbekannt. Oder umgekehrt. Oder erfolgreich, aber fad. Den meisten Musikern ist ihr Wohnort sowieso herzlich egal. Andere, wie Ja, Panik, lassen vor dem Auswandern noch einen kleinen, bösen, lustigen Abschiedsbrief über die Falle Wien zurück.
Früher waren es oft ganz bestimmte Orte, ein Plattenladen, eine Clubschiene, Sendung oder ein Festival, die ein diffuses Rauschen bündelten und verstärkten. Mit dem Netz geht es heute ohne sie. Aber diese Räume können weiterhin Impulse aussenden und sie beschleunigen. Man trifft sich zufällig, feiert, diskutiert, vernetzt sich, kommt auf Ideen. Was sich später als Kristallisationspunkt herausstellt, hängt allerdings ganz allein davon ab, welche Songs in dessen Windschatten geschrieben werden. Und immerhin, im gesamten neuen Jahrtausend kam noch nie so viel großartige, fantastische und bemerkenswerte Musik aus Wien wie in den letzten drei Jahren: Da gab es Soap & Skin, Ja, Panik, Klangkarussell, Cid Rim, Vamummtn, Nazar, Parov Stelar – eigentlich aus Linz –, Elektro Guzzi, Clara Luzia, Ginga, Brenk mit S3, Luise Pop, Kamp & Whizz, Left Boy, Sohn, HVOB, Kreisky, Fauna, Mile Me Deaf, Patrick Pulsinger, Francis International Airport, Wolfram und mindestens sieben weitere Platten, die hier stehen sollten.
Roter Faden Und was sollten die schon gemein haben? Nun, möglicherweise Schmäh, eine Art von Ironie, die ziemlich beißend werden kann und ein leichter Hang zum Aktionismus. Natürlich gilt das nicht für alle, aber für überdurchschnittlich viele. Patrick Pulsinger, der in der Jury des SKE-Fonds und heuer als Popfest-Kurator sehr viel Musik aus Wien hören muss, hält das auch schon für den einzigen roten Faden, den man der Stadt unterstellen kann. Diskutabel ist da schon die Behauptung, dass es in Wien mehr Proberäume und klassisch ausgebildete Musiker gibt als anderswo, die dann teils selbst Songs schreiben oder für Arrangements ins Studio geholt werden. Wien ist nicht so groß, dass man sich nicht bald kennt.
Ziemlich erledigt hat sich dafür die Gemütlichkeit, zumindest in der Aber ganz ohne Ort geht es dann auch nicht. Wien ist keine Insel, Musik selbst. Dope Beats gibt es nicht mehr. Aber eine entspannte Grunddie Stadt prägt mit ihrer Geschichte, ihren Gesetzen, ihren Medien haltung. Das mag mit dem hohen Lebensstandard zu tun haben, den die Lautstärke einer Szene mit. Dazu gehört der Österreichische Rund- man in Wien auch mit relativ wenig Geld erreicht. Wien zwingt einen funk mit seinem Leuchtturm FM4 und ansonsten völliger Ignoranz nicht, Risiken einzugehen. Wien zieht den Stachel, weil es sich in lokaler Musik. Major-Labels wurden zu Drohnen internationaler Kon- der Wiener Blase ganz leicht leben lässt. Als Band ist man schnell auf zerne zurückgebaut und machen seit Jahren das Gleiche. Zu Wien dem Cover einer Wochenendbeilage, spielt ein ausverkauftes Konzert, gehört aber auch ein hervorragendes Beratungszentrum wie das Mica, sammelt Likes, gibt Radiointerviews und schon sind die Egos voll. die wohlmeinenden Förderungen von Departure, die undurchsich- Wer mehr will, wird schnell schief angeschaut. In diesem Klima hatigen Förderungen des Musikfonds, die Kulturgelder der Stadt, die ben es ein paar Leute verschlafen, überhaupt ein Album zu machen schleppende Ostöffnung, weniger Turbofolk, der langsame Tod der – immer noch die wichtigste Währung für internationale Aufmerksamalten Musikindustrie, der Medien, die langatmigen Diskussionen über keit – oder sie haben die Chance verpasst, damit einen Fuß aus Wien Breitbandabgaben und Urheberrecht, die harmlosen Amadeus Awards, hinaus zu bekommen. Sieht man sich internationale Tourpläne oder fehlende Transparenz beim Verteilen von Geld an die Künstler, die die Line-ups der großen Festivals an, gehen die Glanzlichter schnell vielen Musikschulen und Konservatorien, Proberäume, die Sperrstun- aus. Das könnte sich mit dem Eurosonic im Jänner 2014 ändern. Dort denverlängerung, Festivals, Clubs, Bars und vor allem Menschen, die beim europäischen Branchentreffen, wo ein paar Weichen für die sich für Musik die Seele aus dem Leib hackeln und dafür ihre Existenz darauffolgenden Monate gestellt werden, steht Österreich erstmals im riskieren. Man muss noch mehr aus Überzeugung handeln. All das Fokus. Zumindest bis dahin gilt noch: Wien, du tote Stadt, wir finden macht eine Stadt und ihren Sound aus und ist ihr Boden. dich auch so ganz herzig.
Text Stefan niederwieser Bild kurt prinz
Kein Wien ist eine Insel
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Wienpop 2013 Gruppentherapie Eine Bestandsaufnahme zur musikalischen Situation in Wien
INTERVIEW Stefan Niederwieser TRANSKRIPT Amira Ben Saoud Bild Elsa Okazaki, Duzz down san, alexi emanuel, Andreas Waldschütz / Adia trischler
Erschreckend großartig Auf den Wiener Schmäh dürfen wir uns weiterhin etwas einbilden. Musikalisch betrachtet hat sich das angeblich so verschlafene Wien aber angepasst. Vertreterinnen und Vertreter aller Genres haben Wien auf die wichtigste internationale Landkarte gesetzt: das Internet.
the gap: Wie steht es um die Entwicklung von Wiener Musik in den letzten fünf Jahren? pulsinger: Es ist schwer zu sagen, was der Unterschied zwischen jetzt und 2008 ist. Ich bin in Moment extrem überrascht über die Qualität und die Vielfalt. Ich hatte Bedenken, ob ich – wenn ich das Popfest übernehme – noch Leute finde, ohne dass es ein Abklatsch von Roberts (Anm. Rotifer, Vorgänger als Popfest-Kurator) Booking ist. Ich war dann aber überrascht, dass ich bei Weitem nicht alles nehmen konnte. Was vielleicht deine Frage beantwortet, ob es gut steht um die Szene: Erschreckend großartig, die Qualität. Es hat im Laufe der Zeit ein paar Spezifika gegeben, die man zumindest von außen mit Wien verbunden hat. Man hat z.B. versucht, einen Songwriterinnen-Boom zu konstruieren … pulsinger: Der war auch da. … manchmal hat man versucht, Affine Records zum Sound der Stadt zu stilisieren. cid rim: Es gibt zu viele verschiedene Genres, die nie miteinander zusammengehen werden. Was mir in den letzten Jahren generell aufgefallen ist: Die Leute legen es viel durchdachter und größer an – das schaut alles was gleich. Seit Qualtinger, Drahdiwaberl, Falco und Ilsa Gold zieht sich bis heute in Wien ein gewisser Schmäh durch – und eine aktionistische Ader. pulsinger: Ich habe das Gefühl, dass diese beiden Dinge den einzig wirklich legitimen rote Faden bilden, den man Wien zusprechen kann. Diese Selbstironie und wie sich die Leute präsentieren. Du wirst in Wien nie DJs oder Bands finden, die sich nur annähernd so wichtig nehmen wie vergleichbare Acts in Deutschland. Da ist das todernst. vera kropf: Schmäh klingt für mich nach Wien Tourismus. Aber es hat natürlich was für sich, es wird von außerhalb an Wien geliebt und in
Wien gepflegt. cid rim: Ein Beispiel, das das gut auf den Punkt bringt, ist das ursprüngliche Kollektiv von Whizz & Kamp, Versager ohne Zukunft. Gibt es eine Tradition literarischer Bezüge, sich von Thomas Bernhard und Elfriede Jelinek aufwärts inspirieren zu lassen? vera kropf: Das stimmt sicher, ja. Eine überdurchschnittliche hohe, musikalische Grundausbildung, oder einfach nur viele Songs, in denen Bläser- und Streichersätze zu hören sind? vera kropf: Ich tu mir damit schwer. Aber es gibt Leute, die zwischen den Stilen wandeln. Lukas Lauermann ist Cellist bei A Life, A Song A Cigarette, spielt bei Soap & Skin im Ensemble, macht aber auch experimentelle Sachen. cid rim: Viele Leute wachsen am Land mit Blasmusik auf, die gehen dann zum Studieren nach Wien oder Graz. Es gibt hier einfach enorm viel Platz, um Musik zu machen. Da nimmt man sich eine andere Band und kauft sich zu acht einen Proberaum. Das kenn ich von nirgendwo anders. Das ist ein herausragendes Lebensqualitätsmerkmal. Das könnte etwas sein, wo Wien ziemlich gut positioniert ist. In anderen Städten ist es härter, zu überleben. Es gibt immer gewisse Dreh- und Angelpunkte: Musiksendungen, gewisse Lokale, gewisse Plattenläden. Wie steht es darum? vera kropf: Ich glaube, dass es diese Orte immer noch braucht, weil dort eine Konzentration stattfindet. Das Girls Rock Camp hat sich zu einer Art Branchentreffen von musikinteressierten Frauen entwickelt. Lokale wie das Rhiz sind wichtig, auch wenn es oft zu klein ist. Etwas wie die Flittchen Bar in Berlin mit dieser Durchmischung gibt es so nicht. trishes: Im Club-Sektor hat die Loud Minority etwas aufgezogen, was es in vielen anderen Städten nicht gegeben hat. Claus Prechtl muss man da positiv erwähnen: Der hat Hudson Mohawke gebracht, als der noch ein sehr verpickelter blasser Jüngling war. Radio? pulsinger: Ich find’ den »Sumpf« nach wie vor extrem hörenswert. Wenn du 17 bist und HipHop hörst, werden’s die »Tribe Vibes« sein, wenn du Techno hörst, »La Boum Deluxe«. FM4 hat eine Ausnahmestellung. cid rim: Man sollte aber auch Superfly erwähnen. Könnte das Popfest zu einem Kristallisationspunkt werden? pulsinger: Das kann es aus mehreren Gründen nicht sein, zumindest für mich als diesjähriger Kurator: Das Popfest sollte so breit wie möglich aufgestellt sein. Das Popfest ist null elitär. Szenen leben aber davon, elitär zu sein, sich abzugrenzen. Für Bands ist es cool, denn das Popfest ist ein Brandbeschleuniger: Wer dort war, kann nachher besser bezahlte und internationalere Gigs spielen. Und fürs Publikum ist es gut, ein Wochenende lang gratis Musik zu hören. Waren 2011 und 2012 die besten Musikjahre in Wien seit den späten 90ern? vera kropf: Na sicher. Da ist unsere Platte raus gekommen. Es gab davor echt wenig, wir wussten nicht, welches Label fragen, für uns war das eine andere Welt. pulsinger: Es gab auf jeden Fall in den späten 90ern und den frühen 2000ern einen massiven Durchhänger in Wien. Den alten Hasen ging die Luft aus und eine neue Generation war noch nicht da. Aber von dort weg, also sagen wir ab 2000, ging es massiv nach oben. Qualitativ und quantitativ. Eine wichtige Entwicklung ist, dass es seit ca. 2000 möglich ist, ausschließlich am Computer Musik zu produzieren; große Nutznießer davon sind zum Beispiel Frauen. Es gibt jetzt viel mehr Frauen, die Musik machen und selbst mischen, weil der Zugang niederschwelliger geworden ist. cid rim: Wenn es eine breitere Basis gibt, gibt es auch mehr mit hoher Qualität. Majors haben sich komplett aus österreichischer Musik zurückgezogen … pulsinger: Experimente bei Majors: das gibt es heute nicht mehr. Glaubst du, dass da noch irgendwer am Abend unterwegs ist von den größeren Labels und sich ein Konzert von einer unbekannten Band anhört, die leiwand sein soll? Gute Musik entsteht nicht dort, wo das Geld ist. Das hat schon in den 90ern angefangen mit den kleinen Indie-Labels. Und wann hat das eigentlich angefangen, dass der ORF bis auf FM4 aus österreichischer Musik ausgestiegen ist? trishes: Die Ö3-Reform in den 90ern: Bogdan Roscic wird da immer als der große Satan ins Feld geführt, das sag’ jetzt aber nicht ich
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Im Puls der Nacht, Wienpop, Schnitzelbeat
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Nach mehreren Jahrzehnten, in denen die Wiener Popmusikgeschichte aus gerade einmal ein paar Samplern und Diplomarbeiten bestand, erscheinen 2013 gleich drei Bücher, die sich sehr unterschiedlich mit dem Thema auseinandersetzen und allein deshalb schon unverzichtbar sind.
Im Puls der Nacht
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Den Anfang machte Heinrich Deisl, Chefredakteur des Musikmagazins Skug, mit einem soziologischen und kulturwissenschaftlichen Buch, das auf engstem Raum Fakten und verschüttetes Wissen über Wien verdichtet. Man merkt in jeder Zeile den Einsatz, mit dem hier gearbeitet wurde. Das Thema, die Jahre 1955 bis 1976, kommen zwar erst relativ spät vor, das erweist sich aber ausnahmsweise überhaupt nicht als Nachteil. Deisl klebt Theoreme, Filme, Politik, Songs und Alltag aneinander und liefert damit das anspruchsvollste der drei Bücher ab. Deisl arbeitet dabei nicht streng wissenschaftlich, er filtert und interpretiert, das aber mit so viel Sachkenntnis, dass man ihm bereitwillig auf seine Erkundungsreise folgt.
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04 persönlich. Im Fernsehen gab es mehr Musikflächen, »Wurlitzer« zum Beispiel, und generell mehr Kulturflächen. Gibt es die »Wiener Blase«? Damit ist gemeint, dass man schnell mal dazu neigt, in Wien zufrieden zu sein, aber nicht ganz den Mut hat, rauszugehen. Auch, dass man Wien in Wien überschätzt. vera kropf: Ja, die Wiener Blase kenne ich nur zu gut. Ja, Panik haben ja gleich Wien ganz den Rücken gekehrt, auch für Clara Luzia war das hart, sich ihr Publikum zu erspielen. Man führt hier Interviews mit fünf oder sechs Medien und glaubt, man hat jetzt einen kleinen Star-Moment, aber in Berlin hat das natürlich niemand mitbekommen. pulsinger: Weltweit Reisen ist heute kein Privileg mehr. Du kannst genauso international sein, aber keinen Fuß aus der Tür setzen. cid rim: Ich habe mir in den letzten Jahren oft gedacht, dass es der logische Schritt wäre, in die nächstgrößere Stadt zu gehen. Aber ich bin zu dem Fazit gekommen, dass es viel angenehmer ist, dreimal in der Woche Mails mit Leuten in London zu schreiben als mir dort jeden Tag 16 Stunden wie alle anderen den Arsch aufzureißen, um etwas zu essen zu haben. Solang ich die richtigen E-Mail-Adressen habe, kann ich mich auch nach Gramatneusiedl setzen.
Patrick Pulsinger 01 ist Popfest-Kurator und seit den frühen 90ern als Musiker, Produzent und Diskutant essenzieller Teil Wiener Popmusik. Stefan Trischler 02 war als 1773 x Trishes für den Amadeus nominiert, beobachtet bei FM4 als Host von Tribe Vibes und auf Supercity vor allem HipHop und Artverwandtes. Cid Rim 03 hat letztes Jahr sein Debüt auf dem schottischen Bass-Music-Label Luckyme (Hudson Mohawke, Baauer, Rustie, etc.) veröffentlicht. Vera Kropf 04 pendelt zwischen Wien und Berlin, singt bei Luise Pop und engagiert sich beim Girls Rock Camp. Einen jährlichen Querschnitt durch Wiener Musik bietet das Popfest, heuer von 25. bis 28. Juli rund um den Wiener Karlsplatz.
Der dickste Ziegel mit unzähligen Interviews, ein paar Millionen Zeichen Transkripte, die thematisch collagiert wurden, wie man das bereits von »Verschwende deine Jugend« über deutschen Punk bzw. »Es muss was geben« über Linzer Punk kennt und schätzt. Der Vorteil: Es werden darin viele unterschiedliche Meinungen und Wahrheiten abgebildet, neigt nicht zu Geschwurbel und ist damit sehr angenehm zu lesen. Der Nachteil: Wie wählt man aus? Wen lässt man überhaupt zu Wort kommen? Kann man Drum’n’Bass in Wien ignorieren, nur weil es in den 90ern wenig Artefakte, also Platten dazu gab? Von allen Büchern taugt es sicher am meisten als Geschenk, kommen doch gefeierte Leute wie André Heller, Marianne Mendt, Wolfgang Ambros, Kruder & Dorfmeister ausgiebig zu Wort. Obendrauf gibt es noch Massen an Plattencovers und unschätzbare Fotos aus Archiven. Verfilmung anyone?
Schnitzelbeat Al Bird Sputnik kommt zu Recht auch in »Wienpop« üppig vor. Im Unterschied zu den anderen hat er mit seinem Buchprojekt über Beatmusik in Österreich einen enzyklopädischen Anspruch auf Vollständigkeit und versteht sich als Fan und Sammler, der die verschüttete Geschichte von Rock in Österreich vor und während Austropop mit Tonnen von Archivmaterial und Jahren der Recherche mit den Trash Rock Archives (Youtube-Kanal bitte abonnieren) wieder zugänglich machen will. Über 100 Zeitzeugen wurden dafür aufgespürt, mehr als 1.000 Covers, Bandbiografien werden mit Essays interpoliert. Das Buch soll im Dezember erscheinen, davor soll ein Sampler (»Trash Rock Archives Volume One – I Love You Baby!«) veröffentlicht werden. »Im Puls der Nacht – Sub- und Populärkultur in Wien 1955–1976« von Heinrich Deisl, 240 Seiten (Turia + Kant) »Wienpop: Fünf Jahrzehnte Musikgeschichte erzählt von 130 Protagonisten« von Walter Gröbchen, Thomas Mießgang, Florian Obkircher, Gerhard Stöger, 400 Seiten (Falter Verlag) »Schnitzelbeat – Handbuch zu Rock-N-Roll, Beat, Folk, Pop und Proto-Punk in Österreich (1956–1976)« von Al Bird Sputnik, presented by Trash Rock Archives, 300 Seiten (Redelsteiner Dahimène Edition) 021
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golden frame — Nikolaus Gansterer – Between The Lines Of Thought
Denken Chaos Wirklichkeit In Nikolaus Gansterers Arbeiten mangelt es nicht an Zeichen- und Symbolen. Formen und Formeln, Infografiken wie aus Biologie-Lehrbüchern, beschriebenes Glas, Projektionen, Vermessungskarten oder Schiefertafeln. Verfremdete Objekte einer Wissensgesellschaft. Der zweite Blick zeigt Brüche und Spannungen zwischen hart und weich, fest und vage. Der in Wien und Berlin lebende Künstler wandert an der Grenze zwischen sinnlicher »Mytho-Wissenschaft« und referenzieller Kunst. In »Between The Lines Of Thought« stehen Schiefertafeln wie vergessen an der Wand abgestellt. Darauf wird die Projektion eines Schreibprozesses zu sehen sein. Die Schiefertafel ist ein pädagogisches Instrument: Auf ihr wird Wissen vermittelt, das allerdings ebenso schnell wieder gelöscht werden kann. Vermeintlich Sicheres wird zum Flüchtigen, Tatsachen zur Hypothese. Die Projektion ist schwach und nur halb zu sehen – eine Parallele zu den vagen Prozessen der Gedankenbildung, Erinnerung und Wissensbildung. »When thought becomes matter and matter turns into thought« ist der Titel Gansterers Ausstellung im Kunstraum Niederösterreich. Hinter dem Werk steht seine Überzeugung, dass jede Vorstellung einer realen Materie in unserem Körper entspringt. Eine solche »harte«, realistisch-materielle Vorstellung aber bedingt auch eine unglaubliche Relativität innerhalb der »Ideenwelt« – ohne Gott, romantischer Naturvorstellung oder einem universalistischen Sinn ist jedes Weltbild möglich. Die Wirklichkeit ist nur eine »Hilfskonstruktion«, aber tatsächlich gibt es nur »Chaos, in dem wir uns eigentlich da befinden«, so der Künstler. Gansterers Werk spiegelt seine Weltsicht. Auf transparenten, opaken oder zerbrechlichen Materialien werden Differenz und Hypothese projiziert. Prozesshaftigkeit und Perspektivenwechsel sind ihre zentralen Aspekte und Methoden. In ihrer Präsentation vermittelt sie aber auch die notwendige Gelassenheit, um der Komplexität der Gesellschaft heute und ihren unüberschaubaren Möglichkeitsbedingungen zu begegnen. »When thought becomes matter and matter turns into thought« von Nikolaus Gansterer vom 7. Juni bis 27. Juli im Kunstraum Niederösterreich, www.kunstraum.net
Text luise wolf Bild timtom
Nikolaus Gansterers Kunst mäandert zwischen »Mytho-Wissenschaft« und hoch-referenzieller Kunst und lässt aus Gedanken Materie und aus Materie Gedanken sprechen.
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Text jonas vogt Bild Mylou Oord, mads perch
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Musikstadt Glasgow — Lokale Szene und ihre ständige Erneuerung
Eine Stadt und ihr Moment 025 Hudson Mohawke, Rustie und das Label Luckyme haben der elektronischen Musik in den letzten Jahren ihren Bass aufgedrückt. Glasgow war wie keine zweite Stadt damit verbunden. Ein Lokalaugenschein. Über Trends zu schreiben ist häufig Bullshit. Viele Dinge kommen und gehen und kommen wieder. Eines ist aber sicher nicht zu leugnen: Bass Music hat in der elektronischen Musik der letzten fünf Jahre einen zentralen Stellenwert eingenommen. Das Ganze ist untrennbar mit drei Namen verbunden: Hudson Mohawke, Rustie und Luckyme. Eigentlich sogar vier, wenn man Numbers hinzuzählt. Eines haben alle diese Menschen gemeinsam: ihre Heimatstadt ist Glasgow. Um ihre Geschichte zu verstehen, haben wir der größten Stadt Schottlands einen Besuch abgestattet. Glasgow ist eine alte Stadt, der man das aber nur teilweise ansieht. Oftmals sind Büroungeheuer aus Glas und Beton zwischen die Gebäude der letzten Jahrhunderte gequetscht. Der Smog hat die Fassaden in ein durchgängiges Schwarz-Grau gefärbt. Glasgow gehört zu den ärmsten Städten im UK und leidet unter massiven sozialen Problemen. Immer wieder gerät die Stadt durch Messerstechereien, Morde oder Vergewaltigungen in den Schlagzeilen. Davon merkt man im Stadtzentrum allerdings nicht viel. Zu den Sozialsiedlungen am Stadtrand bleibt man dort eher auf Distanz.
dann 2002 mit kleinen HipHop-Partys im Keller einer winzigen Bar. Die Menschen in Glasgow hörten HipHop, R’n’B und Chicago House. »Die Zeit war reif für eine Musik, die das alles zusammenbrachte.« Eine der wichtigen Initialzündungen war Ross’ Promo-Tape »Hudson’s Heeters« aus dem Jahr 2005. Auf ihm bestätigt sich eine Tatsache, in der sich Lauren und Martyn einig sind: Es ist weniger die Obsession für HipHop als Musikrichtung, die sich seither durch die Luckyme-Veröffentlichungen zieht, sondern mehr die Liebe zu der Art, wie HipHop produziert wird. Im Jahr 2007 wurde Luckyme schließlich zu einem Label. Einen wichtigen Einfluss darauf hatte das Numbers-Kollektiv, das vier Jahre zuvor ebenfalls in Glasgow startete. Zusammen liefen die Fäden damals wie heute im Rubadub. Das unscheinbare Geschäft nahe der St.Enochs Station ist vieles gleichzeitig: Equipment-Geschäft, Plattenladen und Distributionsstelle für kleinere Glasgower Labels. Man kennt sich, hilft sich, nutzt die gegenseitigen Kontakte. Zum Beispiel zum deutlichen größeren Label Warp Records, wo Dom heute als A&R-Manager arbeitet und Hudmo und Rustie unter Vertrag stehen.
The Kids are alright
Luckyme, Numbers und Rubadub
In Glasgow selbst ist der Hype um Luckyme und Numbers eigentlich schon wieder vorbei. Die Protagonisten wohnen längst in London und haben nur noch eine lose Verbindung zur Stadt. »Glasgow ist besessen von Neuem«, erzählt Daniel Eberharter. Der Wiener verbrachte dort fünf Jahre seines Lebens. »Wenn eine Band sich auflöst oder wegzieht, hält man sich damit nicht lange auf, sondern macht einfach etwas anderes.« Das ist gar nicht so verwunderlich. Glasgow hat nicht nur eine der renommiertesten Art Schools des Landes, sondern aufgrund der fünf Universitäten einen ständigen Zustrom junger Leute. Überhaupt ist das Publikum recht jung, wie auch ein Lokalaugenschein im berühmten Sub Club beweist. Die Glasgower starten ihre FortgehKarriere mit 15 oder 16 Jahren – fast fünf Jahre früher als viele Londoner. Auch sonst unterscheidet sich die Clubszene stark von der in Großbritanniens Hauptstadt. Vor allem durch die zeitliche Strenge: Die Bars schließen um Mitternacht, die Clubs um Punkt drei. »Das macht die Partys aber eigentlich noch besser«, wie Lauren erzählt. »Die Leute sind wie verrückt danach, möglichst schnell betrunken zu werden und am Rad zu drehen.« Anschließend geht man in Glasgow auf Hauspartys. Die verhältnismäßig riesigen, gemeinsamen Afterhours schweißen zusammen und sind der Ausgangspunkt für zahlreiche Bands und musikalische Projekte. Die nächste Generation steht schon am Startpunkt, um Luckyme und Numbers als lokale Größen abzulösen. Eine zentrale Rolle nimmt darin das Kollektiv All Caps ein, dessen Radio-Show bereits einen legendären Ruf genießt. Auch musikalisch wirft ein Wachewechsel seine Schatten voraus. »Die Kids kaufen wieder wie verrückt Techno«, brummt Adam, der hinter dem Tresen von Rubadub steht. »Das kommt wohl jetzt wieder zurück – zum 500. Mal.« Womit wir wieder beim Kommen und Gehen wären. In zwei Jahren werden wohl keine Journalisten aus Wien mehr vorbeischauen, um Storys über die Szene in Glasgow zu machen. Musik wird aber weiterhin gemacht. Oder, um es mit den Worten der Chemical Underground-Macher zu sagen: »Die Jeans werden enger und alle kleiden sich wie mein Vater. Sonst ist hier eigentlich alles wie immer.«
Wobei das nicht nur ein PR-Gag ist. »Wir haben noch nie mit jemandem zusammengearbeitet, den wir nicht zumindest über Ecken kannten«, erzählt Martyn Flyn, einer der Luckme-Mitbegründer. Marty, Dom, Mike und Ross (aka Hudson Mohawke) lernten einander im Glasgow der frühen Nullerjahre kennen. Die Luckyme-Geschichte begann
Hudson Mohawke ist am 29. Juni mal wieder in Wien zu Gast. Beim Beeasy Festival außerdem noch: Sido, Gradmaster Flash, Mobb Deep, uvm.
Leere Fabriken und der »Glasgow-Moment« Das große Narrativ Glasgows ist der Fortgang der Schwerindustrie, der in den 80er Jahren einsetzte. »Glasgow ist von seinem postindustriellen Setting ein bisschen besessen«, erzählt Lauren Martin. Die Musikjournalistin lebt seit ihrer Geburt in der Stadt. »Die Bezüge zur Working Class sind immer noch allgegenwärtig.« Das gilt auch für Menschen, die mit der Arbeiterklasse eigentlich nicht viel gemeinsam gehabt haben dürften. Glasgow war immer eine extrem musikalische Stadt. Es ist auch nicht das erste Mal, dass es so etwas wie einen musikalischen Schub aus Glasgow gibt. Ende der 90er waren es Bands wie Mogwai, Arap Strap oder die Delgados, die vor allem auf dem Label Chemical Underground veröffentlichten. Dessen Verantwortliche sind in ihren Antworten exakt so mürrisch, wie man es sich bei Schotten vorstellt: »Es gab damals ein paar sehr gute schottische Bands, speziell aus Glasgow. Die englische Presse hat eine Story gewittert und sie zu einer Szene zusammengefasst.« Das erklärt, warum man Belle and Sebastian noch heute mit der Stadt verbindet. Franz Ferdinand, deren Debütalbum etwa fünf Jahre nach dem Hype erschien, aber nicht. Auch heute riecht wieder alles nach einem »Glasgow-Moment«. In vielen Gesprächen fällt das Wort »glass ceiling«, der durchbrochen wurde. Es strahlen plötzlich nicht nur die Luckyme-Acts über Schottland hinaus, sondern in ihrem Fahrwasser auch kleinere Produzenten wie Lockah, Samoyed oder Koreless. Von denen hätte man vor einigen Jahren nie gehört. Dass die Wahrnehmung von Glasgow als Hot Spot von elektronischer Musik elementar mit dem Erfolg von HudMo, Rustie und Luckyme zusammenhängt, sieht auch Lauren so: »Die Leute konstruieren gerne Szenen, weil sie den Gedanken mögen, dass Menschen auf natürliche Weise zusammengefunden haben. Weil Glasgow so klein ist, eignen wir uns besonders dazu, eine Story von DIY und Grassroots zu erzählen.«
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Disclosure — Geburt der Dance-Popstars
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Text Moritz Gaudlitz Bild Universal
Disclosure sind die neuen Dance-Popstars. Sie schaffen es, ihre Songs in wirklich jeden Kopf zu bringen, mit cleverer Entschleunigung. Man kann sein letztes Hemd verwetten, mindestens die Hälfte aller englischen Bass-Produzenten hatten dieses Album als Impulsgeber: Burials Meisterwerk »Untrue« von 2007. So auch die Brüder Guy und Howard Lawrence alias Disclosure. Der eine ist 21, der andere 18 Jahre alt. Vor ein paar Jahren haben sie beschlossen, elektronische Musik zu machen, weil sie Burial hörten. Wie viel sich in sechs Jahren tun kann, zeigt »Settle« nun eben eindrucksvoll. Disclosure haben sich an die elektronischen Geräte gesetzt und mal eben alles, was sie an Einflüssen aus ihrer Kindheit und Jugend hatten, in elektronische Tanzmusik gepackt. HipHop, Soul, House, UK-Garage der 90er, R’n’B und Dubstep. Das gefiel erst Moshi Moshi Records und später dann Greco Roman, dem Label des Hot Chips-Frontman Joe Goddard – sicher nicht die schlechtesten Hypemaschinen. »The Face EP« war die erste Platte, mit der die beiden Brüder aus Südlondon ihren signifikanten Disclosure-Sound festlegten. Und weil beide noch etwas Babyspeck im Gesicht hatten, sind ihre Fotos stets unscharf und über ihre Gesichter wurden skizzierte Kanten gelegt. Da verschwanden zwei Menschen hinter Linien wie Feieranten im Puls der Nacht.
Es ist einfach Pop Erst spielten das natürlich nur die Radio- und Club-DJs, später aber auch die DJs der Dorfdiscos und jene der Teenie-Pool-Partys. Entgegen dem üblichen Lauf der Dinge haben aber die DJs, die den Shit zu erst hatten, nicht aufgehört, die Disclosure-Tracks zu spielen. Es ist ein kleines Phänomen, das bei der Musik der beiden zu beobachten ist. Es ist schlichtweg ziemlich gute, einwandfrei produzierte Musik. Klar, es ist Dance. Aber es ist weder Minimal Techno, noch Elektro, House
und schon gar nicht EDM. Es ist irgendwie alles. Vor allem aber ist es tanzbar und voller Pop. Es ist Clubmusik im Songformat. Mit den typischen Brüchen und Filtern, maximal entschlackt, sofort wiedererkennbar. Ihr Rezept: Ein drückender Bass, der den Rhythmus vorgibt, mal Garage, House oder 2Step. Abgerundet mit einer schönen, klaren R’n’B-Stimme, wahlweise von Mann oder Frau, sehr oft prominent: Jessie Ware, Jamie Woon, Eliza Doolittle und ganz aktuell AlunaGeorge. Pitchfork gab über 9 Punkte. Das killt natürlich die derbste Kritik. Zu viel Pop, zu stromlinienförmig, zu gefällig … ja ja, kapselt euch nur weiter ab. »Latch«, Disclosures Chart-Hit des letzten Jahres mit diesem charakteristischen Bass-Schaffel, besteht aus genau diesen Zutaten. »White Noise« war Nummer Zwei in den USA. Das Besondere an den Songs ist aber dieses einzigartige Gefühl – ein Gefühl von Einfachheit, unbeschwerter Nächte, Sex, Freiheit. 16-jährige Mädchen aus Chelsea können »Latch« als Liebeshymne hören, junge Erwachsene gehen zu »White Noise« und »Stimulation« joggen, tanzen, essen oder feiern, Erwachsene verziehen nicht das Gesicht, weil das Duo im Vergleich zu Madonna und Psy ja entspannt und clever klingt. Es ist Musik unserer Zeit. Viel zu perfekt. Komplett aus dem Computer. Voller kleiner Spuren und Hinweise. Und was für Melodien. Dabei möchten wir den Beat vorgeben. Doch eigentlich tut es der Computer. Er sagt uns, was gut ist, er sagt uns, was schnell ist und uns weiterbringt. Disclosure lassen sich zwar auch vom Computer den Beat vorgeben, aber sie haben ganz unterschiedliche Freunde mit wunderbaren Stimmen, die dem Sound noch Entschleunigung, Unordnung und eine gewissen Universalität geben – so absurd das bei Dance Music klingen mag. »Settle« von Disclosure ist bereits via Universal erschienen.
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Neue Pop-Satanisten — Kanye West und Verschwörungstheorien 2.0
Satan Walks 029 Kanye West nennt sein neues Album »Yeezus«. Wie Jay-Z ist er für viele Verschwörungstheoretiker im Netz ohnehin ein satanischer Hohepriester. Weitere Pop-Satanisten: Beyoncé, Rihanna und Lady Gaga. Aber was haben eigentlich die Illuminaten mit alledem zu tun? anderen Pop-Satanisten auf fruchtbaren Boden fallen. Luzifer und die Musik haben schon eine lange gemeinsame Historie. Robert Johnson schloss an einer Kreuzung einen Vertrag mit dem Teufel, dem er angeblich den Blues verdankte, für den er bis heute in Erinnerung geblieben ist. Macht und Verführungskraft der Musik bringen den Teufel schon immer in Verbindung mit Tanz und Ekstase. Der Baphomet, der Teufel als Ziegenbock, ist eine mittlerweile weit verbreitete Darstellung, deren Ursprung im antiken Fabelwesen Pan liegt, das wiederum Sex, Lust, Wein und Musik verkörperte. Gerade in der Popmusik spielte dieses Dionysische, das die Kirche im Mittelalter verteufelt hatte, wieder eine große Rolle – Tanz, Ekstase, das Unkontrollierbare.
»Do what thou wilt« Angebliche Rückwärtsbotschaften auf Platten sind wie Verschwörungstheorien die Vereinfachung von solch komplexen Zusammenhängen. Aber unterhaltsam. Bei dem Beatles-Song »Revolution 9« sollen die Worte »Turn me on, dead man« rückwärts zu hören sein. Eine doppelte Reminiszenz an den Song lieferte Danger Mouse, als er ihn für einen Remix von Jay-Zs »Lucifer« sampelte und eine Rückwärtsbotschaft einbaute: »I can introduce you to evil. Murder murder Jesus. 666. Catholics, I gotta murder them.« Benzin ins Feuer für alle, die ihn sowieso für einen satanischen Hohepriester halten. Aber auch für die Publicity-Maschine. Jay-Z lässt sich nur zu gern mit den Händen zum Dreieck geformt oder einem Sweater mit dem Crowley-Credo »Do what thou wilt« ablichten. Ob es ihm nun der Teufel verraten hat oder nicht, er weiß, wie das Geschäft läuft. In einem Interview streitet er jede Verbindung zu den Illuminaten ab, bevor er einräumt: »I’m an entertainer at the end of the day. Maybe I’ll push your buttons but you know …«
Text sandra adler Bild Universal Music
Kryptische Twitternachrichten kündigten Kanye Wests sechstes Studioalbum zuerst an: »Yeezus«, abgeleitet von Wests Spitznamen »Yeezy«, soll es heißen. 2006 ließ er sich mit Dornenkrone für das Cover des amerikanischen Rolling Stone fotografieren. Diese Blasphemie, sein Riesenerfolg und geheime Handzeichen sind deutliche Beweise, finden einige Verschwörungstheoretiker. Kanye West ist ein Satanist und er ist nicht der einzige im Show-Business. Die neue Riege der Teufelsanbeter besteht nicht aus Metal- und Rockmusiken, sondern ist im HipHop und Pop zu Hause. Viele von ihnen berichten laut Verschwörungstheoretikern offen von ihrer Besessenheit. Beyoncé erzählt z.B., wie Sasha Fierce, ihre extrovertierte Bühnenpersona, beim Auftritt in ihren Körper fährt. Katy Perry hingegen spricht im Interview darüber, ihre Seele verkauft zu haben. Tatsachenberichte. Man mag denken: Egal, lasst die Leute dumm sterben. Durch die rasante Verbreitung und Allgegenwart dieser Ideen im Netz ergibt sich aber auch eine ganz andere Frage: Was ist Wahrheit im Internet und wer hat die Macht, sie zu behaupten? Am deutlichsten wird dieses Problem, wenn in nahezu allen Theorien plötzlich die Illuminaten ins Spiel kommen. Und die Freimaurer. Deren Symbol, das Auge der Vorsehung, hat mit Satanismus nichts zu tun. Bisher. Wahrheit bestimmt, wer die Macht hat und die Institutionen der Macht konstruieren sie, um ihre Hegemonie zu erhalten – so grob eine von Foucaults Kernthesen. 1885 veröffentlichte Léo Taxil, nachdem er aus der Freimaurerei ausgeschlossen wurde, ein Buch über deren angebliche luziferische Orgien. Für die Verbreitung seiner Geschichte nutzte er den Argwohn der katholischen Kirche. Mittlerweile braucht dieses Gerücht den Vatikan nicht mehr. Im Internet ist jede Wahrheit erst einmal gleichberechtigt und Fakten wie Hirngespinste verbreiten sich auch so. Die andere große Frage aber ist, warum Geschichten von Kanye und den
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Der Wahnsinn ist ein Spiel
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»Deadly Premonition« ist das am meisten polarisierende Survival Horror Game – wie selbst das »Guiness-Buch der Rekorde« belegt. Nicht nur deshalb ist es mehr als einen Blick wert. Special Agent Francis York Morgan untersucht eine Serie von Morden, die ihn ins verschlafene Örtchen Greenvale führen. In der Einöde angekommen, muss der FBI-Profiler bald feststellen, dass das hier kein gewöhnlicher Fall ist: Untote suchen die Gegend heim, gehen rückwärts und stecken ihre Arme gern in seinen Mund. Und dann ist da noch Zach, der andere Part seiner gespaltenen Persönlichkeit.
Zu Beginn scheint »Deadly Premonition« ein billiger Abklatsch von »Silent Hill« zu sein. Nach dem Prolog wird jedoch klar: Es ist ein skurriles Stück Software, vollgepackt mit popkulturellen Anspielungen, »Twin Peaks«-Fanservice, schamlosem Humor und Dialogen, die teils Kopfschütteln, teils ungehemmtes Lachen auslösen. Ein Spiel, das, genau wie sein Protagonist, eine multiple Persönlichkeit besitzt – atmosphärischer Horror und lächerliche Comedy in einem. Nicht selten werden unheimliche Situationen mit sinnfreien One-Linern oder denkbar unpassender Musik unterwandert. Grotesk komisch auch Hauptfigur York, der unmittelbar nachdem er Zeuge eines Mordes wurde geschmacklose Witze reißt und fröhlich über besonders brutale Verbrechen plaudert. Der Protagonist ist offensichtlich verrückt. Die meisten der örtlichen Bewohner schlagen jedoch in dieselbe Kerbe: Gasmasken tragende mysteriöse Kapitalisten, die nur durch in Reimen sprechende Diener kommunizieren, verstörende Engelszwillinge, die in Rätseln sprechen, desorientierte Mörder und wahnsinnige Kriegsveteranen sind nur einige der lächerlichen Figuren, die Greenvale bevölkern. Overacting und haufenweise sinnlose Dialoge machen Begegnungen mit ihnen unvergesslich. Es scheint, »Deadly Premonition« habe seinen Verstand verloren, hätte es je einen besessen.
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Der Bart wächst in Echtzeit Nach kurzer Zeit entpuppt sich der Survival-Horror zudem als Open-World-Game. Die Stadt ist frei erkundbar und ziemlich groß. Side-Quests und diverse Sammelobjekte laden zu ausgedehnten Erkundungstouren ein und erinnern an andere Spiele. Wie in »Resident Evil 4« wird gezielt und geschossen (und das stellt aufgrund des verblüffend schlechten Handlings eine ganz neue Art von Herausforderung dar), wie in »Dead Rising« können manche Missionen nur zu bestimmten Zeiten ausgeführt werden und auch die (»Sims«-)Aspekte sind durchaus von Bedeutung und wirken sich bei Nichtbeachtung merklich auf die Fähigkeiten des Ermittlers aus. Was zunächst nach viel Arbeit klingt, ist bei einem Mindestmaß an Organisation aber einfach nur witzig: Rasieren (der Bart wächst in Echtzeit!), Kleidung wechseln, Essen und Trinken wird erfreulicherweise mit Extrageld belohnt. In keinem seiner Bestandteile kann »Deadly Premonition« mit aktuellen Triple-A-Titeln mithalten. Die stimmige Mischung ist es, die das Abenteuer so faszinierend macht. Die Geschichte ist konstant verrückt und macht eigentlich keinen Sinn, die Charaktere agieren lächerlich und die Musik ist oft zu laut oder einfach nur unpassend. Und die Grafik? Die ist sehr unterdurchschnittlich. Es ist ein Spiel, das durch das perfekte Zusammenspiel seiner verschiedenen, denkbar unperfekten Elemente das Gros seiner Konkurrenz hinter sich lässt: Repetitive Kämpfe, lange Autofahrten, billige Story – spielt alles keine Rolle. Wie oft hat der Titel einen zum Lachen gebracht? Wie sehr begeistert? Wie lange beherrscht es die Gedanken, obgleich die Geschichte längst zu Ende ist? Im Gegensatz zu den meisten anderen Spielen unterhält es von Anfang bis Ende. Standardisierte Bewertungssysteme greifen nicht länger. »Deadly Premonition« ist bereits für Xbox 360 und PS3 erschienen.
Text stefan kluger Bild koch
Doris uhlich „more thAn enough“ © AnDreA sAlzmAnn
»Deadly Premonition« — Technische Unzulänglichkeit mit großem Spaßfaktor
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Gelatin — Im 21er Haus
Text Denise Helene Sumi Bild Natascha Unkart, Esel
Gelatin Gelitin Gelochtin Gelatin machen durchdringende Kunstaktionen. Bei »Loch« flogen fünf Tage lang Styroporblöcke zu Boden und Gips-Skulpturen wurden ausgehoben, abgeseilt und im Raum verteilt. Die vierköpfige Künstlergruppe unterstrich damit einmal mehr ihre Einzigartigkeit.
Für Fabelhaftes wie bei Michel Gondry und Unheimliches wie bei David Lynch brauchen wir keine Hasenhöhle wie Alice im Wunderland. Wir brauchen Gelatin. Mit ihnen verbindet man bunte, laute, chaotische und absurde Fantasieproduktionen, Grenzverletzungen und möglicherweise infantilen Humor. Sie gestalten ihre Welt mit Schlamm, Plastilin, Stroh, Holz oder Glitzer einfach selbst. Das tun sie schon eine ganze Weile. Die größten Skandale liegen einige Jahre zurück, was es heute leichter macht, die Sprengkraft von Gelatin zu würdigen. Damals in Salzburg musste auf Druck von einigen wenigen Politikern die Skulptur »Arc de Triomphe«, ein Mann als menschliche Brücke mit erigiertem Riesenpenis, gleich wieder verhüllt werden. Bei ihrer Kunstaktion »Hase« konnte man sich als Wanderer im italienischen Artesina im Piemont in die Arme eines riesigen Hasen legen und träumen, man sei des Hasen Kuscheltier. Rund um die renommierte Frieze Art Fair in London konnte man bei »Sweatwat« durch eine geflutete, mit Ramsch angefüllte Galerie stiefeln. »Für mich ist das hier die Welt, denn wir sind da und machen die Dinge.« Im 21er Haus geben sich Gelatin etwas konventioneller. Dass das dennoch keinen Verlust der gewohnten »Freiformaktivitäten«, wie es Freund Liam Gillick nennt, bedeuten muss, zeigt die derzeitige Ausstellung »Loch«.
Entkrampfung im klaustrophobischen Loch Zwischenräume und Löcher beschäftigen die Künstlergruppe schon lange. In New York 2007 fuhren Gelatin sieben Tage mit Schaufel und Spaten ins sandige Feuchtgebiet von Coney Island. Wo sich andere in alten Achter- oder Geisterbahnen vergnügen, fanden die vier Österreicher Genugtuung beim Löcherbuddeln. In der Aktion »The Dig Cunt« gruben sie sich Tag für Tag gemeinsam mit Freunden in die Tiefe, um 032
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Fünf Tage lang buddeln als groß angelegte, bildhauerische Performance im Wiener 21er Haus. Gelatin sprengten zwar keine Grenzen oder den Kunstbegriff, aber arbeiten damit weiter an ihrer Ausnahmestellung.
am Ende des jeweiligen Tages den Hohlraum einfach wieder zuzuschütten. »In Coney Island, da ging es um sinnvolle Beschäftigung. Man lernt wirklich viel beim eine Woche lang Löcher buddeln.« Die Leere, die durch Löcher entsteht, schafft Freiräume oder ruft klaustrophobische Zustände in uns wach. Im übertragenen Sinn geht es bei der Beschäftigung mit den Löchern neben dem skulpturalen Aspekt, Formen in die Natur zu arbeiten, um die Einengung und Ausweitung von Konventionen. Dafür ist auch die Videoarbeit »Das doppelte Fäustchen« beispielhaft. Darin erkunden zwei Gelatins das Arschloch eines Freundes liebevoll von innen –harte Arbeit, auch irgendwie Skulptur, aber fröhlich und ohne viel Bedeutungsschwere. Um fröhlich sinnlose-sinnvolle Arbeit geht es Gelatin auch weiterhin: »Dinge werden ja nur gut, wenn sie so sind, als ob sie schon immer so existiert hätten, mit einer gewissen Leichtigkeit und ohne Verkrampfung.« Ganz im Gegensatz zu bekannten Wiener Kulturfiguren wie dem Suderer Helmut Qualtinger, dem Anti-Helden Thomas Bernhard oder den strengen Vertretern des Wiener Aktionismus haben Gelatin das Jammern sowie innere Angstzustände und Zwänge hinter sich gelassen und zugunsten des fröhlichen Schaffens ersetzt. Dass sie es damit ernst meinen, sei mal einfach so behauptet.
penschirm in den noch feuchten Gips gesteckt, um die Skulpturen anschließend wie riesige Lollipops herauszustülpen, unter dramatischer musikalischer Begleitung abzuseilen und im Raum zu verteilen. Was von der Aktion übrigblieb, das formt noch bis Ende September die Ausstellung »Loch«. Der Ausstellungsraum wurde zum Atelier und zur Bühne, deren Handlung man folgen konnte, aber nicht musste. »Wir produzieren eine Plattform. Du kannst dich in eine Ecke setzen und zuschauen, du kannst Mauerblümchen spielen, oder du kannst auf die Bühne springen; es ist alles da und möglich.«
Skulpturale Klassik
Gelochtine Skulpturen Die Kunstzeitschrift Springerin meinte einmal, es handle sich bei Gelatin um die Feierlaune einer Bohème, die den Institutionen entpolitisiert den Rücken kehre. Spätestens jetzt muss diese Aussage abgeändert werden. Im 21er Haus geben sich Gelatin nun etwas braver. Keine beiläufigen und heimlichen Aktionen mehr. Kein Aufruhr der Politiker mehr, sondern integeres Arbeiten in der Institution. Im Inneren der gläsernen Ausstellungshalle befand sich zu Beginn ein haushoher Styroporkubus von ungefähr 8×8×8 Metern. Zu E-Harfe und Bösendorfer-Klavier arbeitete Gelatin (Ali Janka, Wolfgang Gantner, Tobias Urban und Florian Reither) fünf Tage lang vor Publikum mit und auf dem monumentalen Werkstoff. Mittendrin, wo das weiße Styropor mal sanft runterrieselte oder ganze Blöcke in die Tiefe stürzten, gruben sie mit selbstgemachten Heißdrahtmaschinen, Schaufeln, Hämmern und Händen Löcher. Die Aushöhlungen wurden ausgegossen und verschiedene Sockel, etwa ein Besenstil oder ein alter Lam-
512 Kubikmeter Styropor, 16 Tonnen Gips standen bereit. »Wir haben noch nie mit Gips gearbeitet. Gips ist an und für sich ein sehr konservatives Material. Die ganzen griechischen Büsten in den Sammlungen der Pinakotheken und die Gipsabgüsse von David sind alle relativ schön und glatt.« Und obwohl Gelatin keine glatte Kunst machen, ist der Vergleich mit den Büsten in den Pinakotheken zulässig. Denn wie die Alten Meister, die damals in den Hallen der Kunst die berühmten Skulpturengruppen studierten, so saßen auch Studenten im 21er Haus und skizzierten zu den Klängen des Getöses die Skulpturen von Gelatin. Das Thema Skulptur wird ernsthaft, sowohl in der Nachfolge klassischer antiker Figurengruppen sowie des österreichischen Bildhauers Franz West, weiter bearbeitet. Gelatin selbst beruft sich im Gespräch auf eine der berühmtesten, ältesten Skulpturengruppen der Menschheit (»Ich denke immer an die Laokoon-Gruppe, wenn ich an den Würfel denke.«). Laokoon und Aktionismus, Kindisches und Ungewisses beginnen zu schillern. »Wir haben keinen Druck dahinter … das Ergebnis ist eigentlich unwichtig auf eine Art und Weise.« Gelatin wandern zwischen Laissez-Faire und komplexer skulpturaler und musikalischer Formsprache hin und her und genau diese Gratwanderung zeigt einmal mehr, weshalb sie zu den relevantesten Künstlern Österreichs gehören. Bedeutend, sympathisch und dazu auch noch zugänglich. Was bleibt, ist immer noch diese belebende und kribbelnde Laune hinterher und der Nachhall der Worte: »Man kann, man muss nicht!« »Loch« von Gelatin ist noch bis 29. September im 21er Haus in Wien zu sehen. Anmerkung: Inspiriert durch Tex Rubinowitz, Liam Gillick und Gelatin. Die Zitate stammen von Florian Reither und Tobias Urban. 033
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Text Yannick Gotthardt Bild john hodgkiss
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30 Jahre Impulstanz — William Kentridge inszeniert gegen die Zeit
William Kentridge wird heuer der Star beim Impulstanz sein. Seine Inszenierungen tarnen sich in kuscheliger Religionsbuchästhetik, entwickeln sich aber schnell zum eindrucksvollen Film noir. Als »Multimedia-Oper« kündigt das Programmheft vollmundig die William Kentridge-Produktion beim diesjährigen Impulstanz an. Doppelter Schrecken! »Multimedia«? Das ist doch dieser leere Begriff für nahezu jede Form der Medialität aus den frühen 90ern. Wer kann nur außerhalb von Kunstakademien so realitätsfremd sein, den wieder aufzutauen? »Oper«, das ist doch der Ort, an dem ein unverhältnismäßig großer Teil der öffentlichen Kulturförderung zugunsten immer noch wohlhabender, aber zunehmend schlechter hörender und sehender Oberschichten-Mittbürger »investiert« wird.
»Multimedia-Oper«, das klingt nach Musical William Kentridge ist der bedeutendste Name, der dieses Jahr zum Impulstanz nach Wien kommen wird. Und gleich vorweg: »Multimedia« und „»Oper« beschreibt seine Performances wirklich sehr gut. Das ist aber kein Nachteil, obwohl es sich danach anhört. Es tut auch nicht wirklich weh. Man muss sich nur ein paar Zeilen nehmen, um es zu erklären. Mit Stop-Motion-Filmen in bester »Hand-zeichnet-inKohle-eine-Figur-die-lebendig wird«-Manier wurde Kentridge bekannt. Da er heute mit 58 zwar relativ alt, aber dann doch nicht so alt wie Käthe Kollwitz ist, läuft er damit natürlich stets Gefahr, mit einem Religionsbuch-Illustrator verwechselt zu werden. Oft thematisierte er als (weißer) Südafrikaner die Apartheid, seine Filme sind dementsprechend düster. Später projizierte er Filme in Räumen, schuf damit also (Multimedia-)Installationen. Kentridge war nie Tänzer oder Choreograf. Mit Arbeiten wie »The Refusal Of Time« für die Documenta13 hat er in den letzten Jahren seine vielleicht etwas angestaubte DritteWelt-Laden-Ästhetik auf Dimensionen aufgeblasen, die wirklich eindrucksvoll sind. Das Religionsbuch, das einem in einem Raum voll Ton, Tanz, Projektionen und überdimensionalen mechanischen Maschinen praktisch entgegenspringt, ist ein Konzept, dass potenziell ästhetisch Großes leisten kann.
»Zeit« steht für das Gegenteil von »Carpe diem« Als Experte für die bedrückende Ästhetik bedrückender Themen wie der Apartheid hat sich Kentridge neuerdings auf das Thema »Zeit« konzentriert. Mit »Refuse the Hour« möchte er dementsprechend auf das genaue Gegenteil zum Motto »Carpe diem« fokussieren. Das Nachdenken und zerstückeln der Zeit beraubt uns seiner Meinung nach immer mehr an Handlungsspielraum und führt zu gruseligen Theoriegebilden wie schwarzen Löchern, die am Ende all die zerstückelte Zeit ohnehin aufsaugen. Mit »Zeit« als Thema ist plötzlich die aus der Zeit gefallene Ästhetik Kentridges wieder logisch. Die Arbeiten wirken eher klar utopisch und befreien sich vom Stigma des Gutmenschlichen. Das Aufblasen einer »Performance« zu einem Spektakel, das sich zahlloser Darstellungsformen bedient (neudeutsch »Multimedia«), scheint dadurch verständlich. Wann, wenn nicht zur Auseinandersetzung mit »Zeit« bietet es sich schließlich an, alle Register zu ziehen? Für diese Art der Performances arbeitet Kentridge mit dem Komponisten Philip Miller und der Choreografin Dada Masilo zusammen – auch in Wien. Dada Masilo ist allein schon ein Grund ins Theater zu gehen. Ihre Schwanensee-Choreografie ist derart energiegeladen, dass sie viele der zahlreichen klassischen Interpretationen wie ein lebloses Missverständnis erscheinen lässt. Darauf kommt es auch an, schließlich ist es sie als Choreografin erst, die Kentridges Produktion die Daseinsberechtigung auf einem Tanzfestival verschafft. Hier lässt
sich der Rahmen also schließen und führt uns zu folgendem, schizophren klingenden Satz: Es gibt sie, die Multimedia-Oper die knallt, sie ist von William Kentridge.
GroSS? Sequel? Jedenfalls sicherlich beeindruckend Kentridges Produktion »Refuse the Hour« soll in Wien eine Weiterführung der Documenta-Installation »The Refusal of Time« werden. Wenn es schlecht läuft, passiert hier nicht viel Neues. Ganz große Namen bei nur fast ganz großen Festivals sind allzu oft mit Skepsis zu betrachten, selbst wenn das Festival sich zum 30. Geburtstag etwas leisten will. Andererseits, selbst wenn beim Impulstanz nicht das epocheprägend neue Werk Kentridges passieren sollte ... Hand aufs Herz: Wer hat schon Kentridge bei der Documenta gesehen und wer, von jenen, die ihn sahen, würde diese Installation nicht gern noch in ihrer Langform erleben? Gründe für Kentridge beim Impulstanz gibt es also genug. Einer weiterer könnte sein: Kentridges Installationen wirken wie ein Film noir, aufgrund seines immer mitschwingenden Humors vielleicht eher wie ein kindlicher Film noir. Wer sich früher bei der »Momo«-Verfilmung zwar schrecklich gefürchtet hat, aber trotzdem nicht auf die Erfahrung verzichten wollte, sollte sich Kentridge ansehen. Kindergeschichte wird es halt keine werden.
Xtravaganza Der krasse, aber wohl ebenso lohnende, Gegenpart von William Kentridge beim Impulstanz wird Trajal Harrell sein. Mit »Twenty Looks or Paris is Burning at The Judson Church« stellt der junge New Yorker Choreograf anstatt einer riesigen Produktion sich selbst ganz allein auf der Bühne – wobei die Bühne beim ihm oft nur ein paar Meter Lauffläche zwischen den Zuschauerstühlen sind. Harrells Thema könnte grundsätzlich fröhlicher nicht sein, es geht ums raven. Naja, genauer gesagt geht es um Vogueing, das ist schon ein ganzes Stück weg von der Love Parade, aber immer noch Clubkultur der 80er und 90er Jahre. Harell nimmt sich den Ballroom-Tanz der schwulen Untergrundkultur im New Yorker Harlem von damals vor. Beim Vogueing (benannt nach der Modezeitschrift) geht es um ein möglichst stylisches Tanzen. Der Ballroom wird dabei zum Laufsteg. Die Gesamtperformance wird von einer Jury bewertet. Die Kostüme und das Make-up zählen ebenso zum Auftritt. Verschiedene »Häuser«, die Namen wie House of Dior, House of Escada oder House of Xtravaganza tragen, treten dabei gegeneinander an. Es gibt Wettbewerbskategorien, Trophäen, Meisterschaften und klare Regeln. Eine Mischung aus schwuler Trash-Kultur und Breakdance-Wettbewerb also. Harell fragt sich in seiner Choreografie, wie man sich eine Verbindung dieser mit der New Yorker HochkulturTanz-Avantgarde der 60er Jahre vorstellen könnte. Die daraus entwickelte Performance kommt einerseits leicht, sexualisiert und verspielt daher und legt gleichzeitig einen knallharten Identitätskampf offen. Schwarz und schwul zu sein, war offenbar in Harlem auch in den 80er Jahren noch ziemlich unlustig. William Kentridge und Trajal Harell werden bei 30 Jahre Impulstanz zu sehen sein. Eröffnung am 9. Juli, bis 11. August. www.impulstanz.com 035
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05 Modisches Poolbar-Festival In Feldkirch wird für die Kultur gebaut. Da an einem neuen, schicken Montforthaus (Stadthalle), dort am Alten Hallenbad, der Heimat des Poolbar-Festivals, dem eine moderne Lüftungsanlage gegönnt wird. Vor diesem Hintergrund wird die neue Poolbar-Kollektion präsentiert: T-Shirts, Hoodies, Kleider. Auch die Rikscha ist nicht nur Kulisse: heuer kann man sich auf Fahrradrikschas zum Poolbar-Festival (und v.a. von dort nach Hause) führen lassen (Reservieren unter rikscha@poolbar.at oder per Telefon: 0650 2507059). Und beim Festival: My Bloody Valentine, Little Boots, Kate Nash, Frank Turner, Vista Chino, Patrick Wolf, Donavon Frankenreiter, Austra, Tocotronic, Goldie, Bad Religion, James, Dry The River, Monster Magnet, Shout Out Louds, Casper u.v.a. Poolbar-Festival: 03. Juli – 15.August 2013, Feldkirch (Altes Hallenbad) www.poolbar.at 037
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diese seite ist teil einer entgeltlichen kooperation mit departure Text und interview Thomas weber Bild martin stöbich
Departure Fokus New Sales — get together
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New Sales
Warum scheitern viele Kreative daran, gute Ideen und Produkte an die richtige Zielgruppe zu verkaufen? Eva Buchleitner, Gründerin des Labels »Eva Blut« über Bauchgefühl, sinnvolle Kooperationen und Pop-up-Stores als temporäre Testmärkte.
departure get together »New Sales«: Gute Ideen, bessere Produkte, neue Märkte Das Produkt ist gut, doch die Welt hat noch nie davon gehört? Wie erreichen Kreative – speziell aus der Multimedia-Branche – ihre Zielgruppe? Welche Unterschiede macht es, wenn meine Zielgruppe Endnutzer oder Geschäftskunden sind? Kann ich mit einem »Freemium«-Vertriebsmodell vielleicht beide erreichen? Darüber spricht Martin Mühl (The Gap) mit erfolgreichen Branchenvertretern. 08. Juli 2013, 18:00 Uhr Sektor 5 / Coworking Space (1050 Wien, Siebenbrunnengasse 44) www.departure.at
Es mag schon stimmen, dass einen wirklich wichtige Nachrichten mittlerweile irgendwie von selbst erreichen; dass relevante News ihr Publikum finden. Für Produkte gilt das freilich immer noch nicht, und noch weniger für Produkte von kleinen Playern, Nischenanbietern, Start-ups oder gar Ein-PersonenUnternehmen (EPU). Ohne durchdachtes Marketing, entsprechenden Vertrieb und sinnvolle Handelspartner wird sich das beste Produkt als Ladenhüter erweisen. Dabei hat jede der Kreativbranchen ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten. Herrenmode gehört anders vertrieben als Verschlüsselungssoftware, Kinderfahrräder haben wenig mit Apps für Lawinensuchgeräte gemein. Zudem wird das Feedback der Zielgruppe mittlerweile oft bereits in der Konzeptions- oder Public-Beta-Phase in die weitere Produktentwicklung miteinbezogen. Gerade in der Kreativwirtschaft sind Kunden nicht mehr die klassischen »Verbraucher«, sondern Mitstreiter und Mitentwickler eines für die eigenen Bedürfnisse und Vorlieben bestmöglich beschaffenen Produkts. Oder – Stichwort: Crowdfunding – sie werden zu Investoren und Promotoren der für gut befundenen Idee. Marketing und Vertrieb sind dabei essentielle Faktoren im Entstehungsprozess eines Produkts. Genau hier setzt »New Sales«, der neue Förder-Call der Wiener Kreativagentur departure an: »New Sales impliziert, dass kreative Produkte und Dienstleistungen andere Marketingstrategien brauchen als traditionelle Produkte und dass diese Strategien nicht hinter der Qualität, der Kreativität und der Innovation der Produkte oder Dienstleistungen zurückbleiben dürfen«, so departure-Chefin Bettina Leidl. »Mit dem Call New Sales unterstützt departure in erster Linie Projekte von Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell zum Beispiel in Hinblick auf neue digitale Marketingkonzepte erweitern und ihre lokalen Erfolge und Erfahrungen nutzen, um internationale Märkte zu erschließen.« Damit schließt das Thema »New Sales« konsequent an den letztjährigen Förderschwerpunkt »Kooperation« an. Nicht zuletzt reagiert departure auch auf die Erfahrung, dass geförderte Projekte und Produkte in der Vergangenheit zwar oft perfekt konzipiert und entwickelt waren, dass diese manchmal aber ihre Schwierigkeiten hatten, sich bei der Zielgruppe die nötige Sichtbarkeit zu verschaffen. Der Name Eva Blut steht für Gürtel, Taschen, Accessoires und Wearables aus Leder in Kombination mit anderen Materialien. Das Label gibt es seit 1998. Wann hast du dir denn das erste Mal überlegt, wie und wo du deine Produkte am besten verkaufst? eva buchleitner: Mode existiert ja quasi nicht ohne Markt. Als Phänomen schon, aber sobald man in Form von Kollektionen denkt, beinhaltet das ja bereits den möglichen Adressaten. 1998 habe ich rein als Versuch begonnen, und noch nicht über Zielgruppen nachgedacht. Die Handschrift, die mir dann durchs Tun erst bewusst geworden ist, hat dann zu Überlegungen der Vermarktbarkeit geführt. Das war 1999 / 2000. Damals stand ich auch durch das Projekt Modebus in intensivem Austausch mit Nina Bernert, Edwina Hörl, Ute Neuner und Ursula Graf (Design-Kolleginnen und eine Kunsthistorikerin), denn als Homebase für Mode war Wien damals recht mager. Du hast deine Kollektionen immer wieder im In- und Ausland auf Messen präsentiert. Wie wichtig sind solche Veranstaltungen? Sie ermöglichen direktes Feedback von Kennern, bieten die Möglichkeit, sich zu evaluieren und natürlich hängt der weitere Entwicklungs-Spielraum vom Umsatz ab. Nach einer Präsentation oder Messe weiß man jedes Mal genauer wo man steht. Vor einem eigenen Laden gab es bei Eva Blut einen Pop-up-Store. Eignen sich Pop-up-Stores als temporärer Testmarkt? Ich finde schon, dass das eine Entscheidungshilfe war. ich konnte sehen ob mein Produkt angenommen wird, wie und warum. Am besten macht man aber den ›Test-Shop‹ in dem Bezirk, wo man später auch landen möchte. Das Kundenverhalten ist einfach verschieden dort und da.
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Wie sind die Menschen jetzt unterwegs? Mit dieser Frage kam Taschendesignerin Eva Blut auf das Fahrrad-Thema.
Seit Herbst 2012 betreiben Eva Blut und der Nobelfahrradhändler das nachhaltig passiert. Meist mischen sich die Kreise nicht, weil Stilrad einen gemeinsamen Laden in der Wiener Innenstadt. Was jeder in seinem Ghetto lebt. spricht denn für diese Kooperation? Hast du die Erfahrung gemacht, dass E-Commerce den stationären Wir adressieren beide etwas unterschiedliche Zielgruppen, aber mit Verkauf in Läden kannibalisiert? viel Potenzial zur Überlappung. Wir führen einander sozusagen potenNein, im Gegenteil. Wenn wir auf einem Online-Portal eine Akzielle Kunden zu, vergrößern damit also unseren Kreis. Und jeder von tion haben (und Aktionen sind immer zeitlich begrenzt), eröffnen uns betreibt unterschiedlich Werbung, die uns aber beiden zugute wir vielen Neuinteressenten den Zugang auf unsere eigene Seite. kommt. Wir haben auch gemeinsame (vehikel) und eigene Veranstal- Wir setzen das also ein wie Werbung. Und selbst die Frequenz im tungen – schränken uns also in unseren individuellen Programmen Geschäft kann davon beeinflusst sein. nicht ein, sondern ergänzen einander lediglich. Es kommt immer wieder vor, dass Unternehmen die Anwendungsmöglichkeiten ihrer Produkte unter- oder fehleinschätzen und diese Wo gibt es denn Eva Blut heute überall zu kaufen? Da wir uns seit der Eröffnung stark auf die Stärkung des eigenen – auch – zweckentfremdet zum Einsatz kommen. Hat sich Eva Blut Standorts konzentriert haben, musste eine Messe ausfallen. Wir sind schon einmal zufällig eine bestimmte, neue Zielgruppe erschlossen? daher zurzeit recht exklusiv präsent: ein Geschäft in Deutschland, Ja, das Fahrradthema ist zu mir gekommen. Das entspringt aber zwei in Kanada, zwei in Italien – und aktionsweise online. der grundsätzlichen Frage, die ich mir beim Entwickeln von TaWie schwer ist es, es als junger Designer auf einschlägige E-Commer- schen immer wieder stellen muss: Wie sind die Menschen jetzt unterwegs oder wie wären sie das gerne? Das Thema Mobilität ist ce-Plattformen zu schaffen? Wenn das Produkt stimmt und man gutes Bildmaterial liefern kann, sowieso präsent. Und was stört die Menschen dabei? ist es nicht schwer. Wesentlich ist herauszufinden, wo die KonditioAlso auch diese potenziellen neuen Markt-Zweige kommen, finnen stimmen. de ich, aus der DNA einer Marke. Mit Design-Aufträgen verhält sich Gibt es Plattformen, die fehlen? das ebenso. Was macht mich geeignet, für die Deutsche Post etwas Ich finde, dass in Österreich das Zusammenführen von der kom- zu entwickeln – worüber ich leider noch nicht sprechen darf. Es merziellen Seite mit dem kreativen Potenzial noch nicht merklich hat wohl schon etwas mit der Herangehensweise, mit der man sich stattfindet. Ich stelle mir vor, da gibt es Unternehmer, die ganz von Aufgabenstellungen annähert, zu tun, mit dem, was einen interesder Wirtschafts- oder Vertriebsseite kommen, die eventuell auch in siert oder inspiriert. Kreativunternehmen einsteigen wollen. Und ich sehe, dass es Kreative gibt, die diese Seite an ihrer Arbeit nicht genügend selbst betreiben Eva Blut, Wien, Jordangasse 3. Geöffnet: Dienstag–Freitag können und sich verstärken möchten. Ich kenne kaum Beispiele, wo 11:00–19:00 Uhr, Samstag 10:00–18:00 Uhr. www.evablut.com 039
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Smart City Wien — So wird die Zukunft
Wien, die Stadt fürs Leben
Intelligent ist, was das Leben einfacher macht. Smart City Wien — das heißt mit Innovationen die Lebensqualität der Menschen erhöhen, gleichzeitig Ressourcen und Umwelt schonen. So wird Wiens Zukunft.
Alltagstauglich und zukunftsweisend
2013 startet das derzeit größte Stadtentwicklungsprojekt der Bundeshauptstadt richtig durch: »aspern Die Seestadt Wiens«. Hier wird ein Traum vieler Menschen verwirklicht, nämlich städtisches Leben kombiniert mit Wohnen im Grünen. Die Seestadt ist nachhaltig, gerade eben weil sie vieles vereint: Karriere und Familie, Stadt- und Land-Lifestyle, und Gesundheit, Mobilität und Umwelt. Zukünftig werden hier rund 20.000 Menschen hochwertigen Wohnraum finden. Dazu kommen 20.000 Arbeitsplätze in Dienstleistungs-, Produktions- und Gewerbebetrieben. Einzigartig: Mehr als ein Drittel des Gebietes steht für aufwendige Frei- und Grünraumgestaltung zur Verfügung. Fußgänger und Radfahrer haben hier absoluten Vorrang. Und ab Herbst 2013 fährt die U2 bis ins Herz der Seestadt. In nur 25 Minuten erreicht man damit die City.
Mobilität neu denken
Mit dem Fahrrad zum Bäcker, zu Fuß zur Freundin, mit der Straßenbahn ins Büro und mit dem Auto ins Grüne – multimodal mobil ist, wer für seine täglichen Wege unterschiedliche Verkehrsmittel benutzt und diese miteinander verknüpft. Auch Carsharing ist eine Säule multimodaler Mobilität. Wien bietet immer mehr die richtigen Rahmenbedingungen, damit Vielfalt und Mobilität möglich sind. Unterstützung gibt es durch Park and RideAnlagen oder auch durch praktische Informationssysteme wie »qando« von den Wiener Linien. Qando, ein App für Smart-Handys, zeigt neben
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den schnellsten Wegen auch zahlreiche Dienste in der Nähe an – und zwar in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland. Es informiert zusätzlich auch über Aufzugsstörungen, Umleitungen und Haltestellenverlegungen der Wiener Linien. Das ist ein smarter Beginn Richtung Zukunft.
Best Practice Floridsdorf
Seit 14 Jahren gibt es sie, die »Autofreie Siedlung« in Floridsdorf. Hier, in der Nordmanngasse 25–27, ist der Bezug einer Wohnung mit dem Verzicht auf ein eigenes Auto verbunden. Die freigesetzten Mittel – aufgrund des Wegfalls der Fahrzeugabstellplätze-wurden für die Errichtung von gemeinsam geplanten Gemeinschaftseinrichtungen, wie beispielweise Grünflächen am Dach, Kinderfreiräume und Sauna umgewidmet. 56 Prozent der BewohnerInnen nützen das Fahrrad für die täglichen Wege. Die Wohnzufriedenheit ist außergewöhnlich hoch und der Mitbestimmungscharakter bei Verwaltung und Planung stößt auf großen Zuspruch bei den MieterInnen, wie zum Beispiel bei Gerda Daniel: »Seit 13 Jahren wohne ich in der Autofreien Siedlung. Hier schätze ich die hohe Lebensqualität ohne Auto. Wir haben ein reges, bereicherndes Nachbarschaftsleben mit vielen Möglichkeiten und Räumen für Gemeinschaftsaktivitäten.« Autofrei bedeutet nicht grundsätzlichen Autoverzicht, sondern Nutzung von Car-Sharing-Autos. Die Stellplätze wurden auf zehn Prozent der sonst üblichen Zahl reduziert und werden zum Teil für Car-Sharing-Autos genutzt, der Rest für Fahrräder.
Neues Energiezeitalter
Die WienerInnen haben sich bei der Volksbefragung stark für den Ausbau alternativer Energie ausgesprochen. Das von der Stadt Wien bereits
Bild Christanell, Schreinerkastler, Fahrrad Wien / Peter Provaznik, Houdek
Nicht nur an heute denken, sondern auch für zukünftige Generationen planen. Jetzt schon überlegen, was Menschen in zehn, zwanzig, dreißig oder sogar vierzig Jahren brauchen und die richtigen Schritte setzen.
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Bild Christanell, Schreinerkastler, Fahrrad Wien / Peter Provaznik, Houdek
Links oben: aspern – die Seestadt Wiens ist das zur Zeit größte Stadtentwicklungsprojekt Wiens. Links unten: Radfahren in der Stadt – beliebte Alternative zum Auto. Rechts: Gut für die Umwelt – Wiener Unternehmen werden mit dem Umweltpreis ausgezeichnet.
im Vorjahr initiierte erste BürgerInnen-Solarkraftwerk war ein nachhaltiger Erfolg. Die vier Photovoltaik-Beteiligungsmodelle von Wien Energie produzieren Ökostrom für rund 800 Haushalte. Sie ermöglichen auch Personen ohne eigenes Haus, die Erzeugung von Sonnenstrom persönlich voranzutreiben. Die Besitzer von Photovoltaik (PV)-Modulen profitieren finanziell mit jährlich 3,1 Prozent des investierten Kapitals. Wien ist bei der Förderung von PV-Anlagen und bei der Beteiligung der BürgerInnen an der Energiewende führend in Österreich. Mit intelligenten Investitionen will die Stadt als Impulsgeber fungieren und die Position Wiens als Wirtschaftsstandort, als Energie – und Ökologie – Musterstadt sowie als Forschungsmetropole ausbauen.
»Open Data« funktioniert so: Basierend auf den Informationen, die von der öffentlichen Verwaltung freigegeben werden, können SoftwareEntwickler ihre eigenen Programme schreiben und sie der Allgemeinheit zur Verfügung stellen. Inzwischen bietet der Katalog mehrere mobile Applikationen für Smartphones oder Tablet-Computer an. Tendenz steigend. Aus den Wiener Daten sind mittlerweile bereits über 80 nützliche Applikationen für Anwender entstanden. Und in Zukunft werden es noch viele mehr sein!
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www.smartcity.wien.at
Intelligente Kommunikations-Technologien
Die Stadt Wien ist längst in der Zukunft angekommen – und greift dabei auch die Vorteile neuer Medien, wie es die Smartphones mit den dazugehörenden und beliebten Apps darstellen, erfolgreich auf. Herzstück ist die sogenannte »Open Data«-Bewegung. Dabei sollen Informationen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Und das Wiener Rathaus hat eine Menge davon. Mit seinem Daten-Katalog stellt die Stadt seit einiger Zeit seinen Bürgern, Unternehmen, Wissenschaftlern und anderen Organisationen unzählige »maschinenlesbare« Verwaltungsinformationen zur Weiterverwendung zur Verfügung. Natürlich kostenlos. Das Angebot wird dabei stetig ausgebaut und umfasst mittlerweile Kataloge aus den Bereichen Verkehr, öffentliche Einrichtungen, Budget, Freizeit, Bildung oder Bevölkerungsstruktur. Wien leistet auf diesem Feld sogar Pionierarbeit. Das Projekt ist wegweisend für andere Verwaltungen in Deutschland und Österreich. Und ist mittlerweile sogar preisgekrönt.
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Smart City Wien — Intelligent planen und leben Wien setzt seit Langem auf die Verknüpfung von Lebens qualität, Technologie und Umweltschutz. Wien ist daher eine der führenden Umweltmusterstädte weltweit und auch in Smart City-Rankings ganz vorne zu finden. Wien setzt auf die Weiterentwicklung dieser Führungsrolle und schafft mit seinen Smart City-Aktivitäten eine intelligente Klammer zwischen den Bereichen Energie, Klimaschutz, Stadtentwicklung, Mobilität sowie Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT).
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Befreit zumindest die Bücher von Zwängen: »Root ’n’ Books«, Entwurf von Matali Crasset, 2013
Der Antler Chair von Diatom, dessen Baupläne unter
DIY Design — Nachhaltigkeitsboom und die Schatten
Basteln für Bobos? 042 Text peter stuiber Bild Max Lamb, Tiago rorke, MAK / Katrin Wisskirchen
Ich baue, also bin ich: Die Do-it-Yourself-Bewegung hat die Designszene der vergangenen Jahre geprägt. Doch wie revolutionär und nachhaltig ist sie tatsächlich? Antworten darauf könnte man in einer neuen Ausstellung im MAK finden. »Nomadic Furniture 3.0. Neues befreites Wohnen?« lautet der Titel einer aktuellen Schau im Haus am Stubenring und er ist für Laien im ersten Moment wohl eher schwer zu verstehen. Denn er spielt auf zwei wegweisende Publikationen mit dem Titel »Nomadic Furniture« an, die der österreichstämmige Victor Papanek, ein Pionier des Green und Social Design, mit dem Designer James Hennessey in den 70er Jahren herausgab. Der Untertitel des ersten Bandes lautete: »How to build and where to buy lightweight furniture that folds, inflates, knocks down, stacks or is disposable and can be recycled. – With many easy to follow illustrations.« Handwerkertum gehörte in den USA der Nachkriegszeit zum Pflichtprogramm für Männer, und diese Tradition griffen die beiden Designer im Geiste der 68er Generation auf, um dem Selbermachen eine neue Dimension zu verleihen: Die Nachbaumöbel waren nicht nur flexibel, was dem Trend zu wachsender Mobilität entgegenkam, sondern verhießen auch eine Unabhängigkeit vom kommerziellen Markt und ökologische Verträglichkeit (gegen Kunststoff!). Mit wenig Geld tolle Möbel zu bauen, das klang vielversprechend.
Ikea-Prinzip – bevor es Ikea gab Klingt es noch immer. Nicht zufällig hat die DIY-Manie uns gerade in einer Krisenzeit erfasst, die derjenigen vor 40 Jahren in manchen Punkten nicht unähnlich ist. Bereits um 1930 entwarf der Niederlän-
der Gerrit Rietveld einfach versendbare Möbelbauteile, die nach Bedarf auch lackiert werden konnten (sozusagen nach dem Ikea-Prinzip, nur vor Ikea). Den Startschuss für den jetzigen Trend zur Eigeninitiative in Sachen Einrichtung setzte vor ein paar Jahren die Gruppe Recession Design bei der Mailänder Möbelmesse, zu einer Zeit, als sich die Krise in der Branche mächtig auszuwirken begann – mit enormen Einbrüchen beim Umsatz und vielen abgebrochenen Projekten von Designern. Die Baupläne von Recession Design kursierten schnell im Internet, und viele andere Designerinnen und Designer folgten. So zum Beispiel Studio Mama mit Möbeln aus Palettenholz. Oder der Berliner Architekt Le Van-Bo, der mit seinen »Hartz IV«-Möbeln zu einer Art Designguru der Facebook-Generation geworden ist. Er finanzierte nicht nur sein Hartz IV-Möbelbuch mittels Crowdfunding, sondern ließ seine Community auch gleich bei den Inhalten mitbasteln. Basisdemokratie pur also, der die sonst übliche Top-Down-Methode in der Designbranche (der Designer entwirft, der Konsument kauft) auf den Kopf stellt. Warum der Erfolg von DIY? Am Billigfaktor allein kann es wohl nicht liegen. »Wir haben viel in Blogs und Foren recherchiert, wo sich die Leute nicht nur austauschen, sondern auch etwas über sich erzählen. Hier findet man vor allem eine junge urbane, kreative Mittelschicht, irgendwo zwischen Berlin und New York«, erzählt Martina Fineder, die mit den beiden MAK-Kustoden Sebastian Hackenschmidt und Thomas Geisler die Ausstellung kuratiert hat. Will heißen: Manche der Neo-Kreativen mögen zwar in prekären Verhältnissen leben,
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www.sketchchair.cc downloadbar sind.
Der DIY-Stuhl von Max Lamb besteht aus 31 Teilen, die alle die gleiche Länge haben (47 cm).
das Selberbasteln spricht aber genauso vermögendere Schichten an, die sich auch »fertige« Designermöbel leisten könnten, aber mit Selbstbaumöbeln an ihrem eigenen Image zimmern wollen: Anti-Kommerz, Kreativität, Hands-on-Mentalität – wer will sich nicht mit solchen Attributen schmücken? Manch einer findet es noch immer total verwegen, sich für seine schicke Altbauwohnung einen Couchtisch aus Sperrholz zusammenzuschrauben. Selbst für die ganz Faulen, die den Weg ins nächste Bauhaus scheuen, gibt es eine Lösung: Die finnische Firma Artek hat ein DIY-Kit nach einem alten Entwurf von Enzo Mari auf den Markt gebracht, da braucht man nur noch die fertigen Einzelteile auszupacken und zusammenzuschrauben – Ikea für Leute mit größerer Geldbörse, sozusagen.
Dilettant ≠ Handwerk Doch zu viel Zynismus ist nicht angebracht, denn der Trend zum DIY hat zweifellos positive Effekte. »Viele Leute können heute gar nichts Handwerkliches mehr im klassischen Sinn«, so Sebastian Hackenschmidt. DIY gebe ihnen somit einen ersten Einblick in eine andere Welt, jenseits der Computerbildschirme. »Wesentlich ist auch das gemeinsame Machen, DIY übernimmt hier eine soziale Funktion«, erklärt Thomas Geisler. Martina Fineder wiederum erinnert an das »Autoprogettazione«Projekt des Italieners Enzo Mari aus den frühen 70er Jahren: Dessen Baupläne waren nicht zwangsläufig als antikapitalistische Anleitungen gedacht, sondern vor allem als Kritik an industriell gefertigter Ware von minderer Qualität. Geisler dazu: »Beim Bauen kriegt man eine Idee davon, wie viel Zeit in Dingen steckt, die von Hand gemacht wurden.« Die Erfahrungen mussten die Kuratoren übrigens auch selber machen, wurden sie doch von den aktuellen MAK-Designern-in-Residence, chmara.rosinke, zum Möbelbauen »verdonnert« (neben anderen Laien): Etliche so entstandene Selbstbaumöbel sollen in der Ausstellung bewusst machen, dass ihnen eben immer auch der Charme (oder der Makel) des Dilettantischen anhaftet. Einfache Entwürfe können letztlich niemals mit professionellem Handwerk konkurrieren: Wer einmal den lässigen »Berliner Hocker« aus der Hartz IV-Serie (um 10 Euro Materialkosten, mit 10 Schrauben in 10 Minuten zusammengebaut und beliebig modular erweiterbar) neben seinen Ideengeber, den berühmten »Ulmer Hocker« von Max Bill, stellt, weiß, warum Letzterer bei Vitra 180 Euro kostet.
Lange war die notwendige Einfachheit der DIY-Entwürfe deren größte Einschränkung, schwierige Konstruktionen sind einem unbedarften Publikum nicht zuzumuten. Das könnte sich allerdings in naher Zukunft ändern – dank der 3D-Drucker. Komplizierte Verbindungsteile etwa könnte man ausdrucken (lassen), den Rest des Materials besorgt man wie gehabt im Bauhaus. Da ist also noch allerhand Potenzial drinnen. »Vielleicht führen die wirtschaftlich schwierigen Zeiten sogar dazu, dass DIY bei manchen von der Bastelei zum zweiten Beruf wird«, verweist Martina Fineder auf eine weitere Zukunftsfacette des Themas.
Ick bin ein Selberbastler Zu welchen langfristigen Veränderungen es in der Designbranche durch DIY tatsächlich kommen wird und welche Rolle dabei den Designern selbst zukommt, ist noch nicht abzusehen. Auch, ob eine Flut von Laien-Entwürfen zu befürchten ist, ist keinesfalls gesagt. Sicher ist: Wenn sie kommt, wird man paradoxerweise die Arbeit der professionellen Designer umso mehr zu schätzen wissen. In der Ausstellung werden übrigens ausschließlich Selbstbaumöbel gezeigt, die von »echten« Designern entworfen wurden – mit gutem Grund. Haben wir dank DIY nun ein »Neues befreites Wohnen?« Die Kuratoren haben diese Frage im Untertitel sicher rhetorisch gemeint, zu differenziert ist das Bild, das sich bietet. Und was ist schon echte Befreiung? Wenn man auf einem Berliner Hocker selbstgebackenes Brot isst? Noch ein Wort zum eingangs erwähnten Victor Papanek. Enttäuschend und unverständlich ist es, dass in der Ausstellung keinerlei Leihgaben der Papanek-Foundation zu finden sind. Letztere befindet sich übrigens nicht – wie man vielleicht vermuten könnte – im entfernten Amerika, sondern ist gleich neben dem MAK an der Angewandten angesiedelt. Den Nachlass des gebürtigen Wieners haben vor einigen Jahren Martina Fineder und Thomas Geisler aufgespürt und nach Österreich geholt. An ihnen soll es nicht gelegen haben, dass ausgerechnet Papanek keinen Auftritt hat in einer Ausstellung, die nach einem Buch von ihm benannt wurde. »Nomadic Furniture 3.0 – Neues befreites Wohnen« ist von 12. Juni bis 6. Oktober im MAK Wien zu sehen. 043
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Alexander Knechtsberger
der wortwechsel. vier personen zur frage:
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Sind Festivals in Osteuropa schon europäische Normalität?
»Der Osten ist schon voll bespielt«, ließ Harry Jenner lapidar via Mail wissen. Der Chef von Skalar Music, dem Quasi-FestivalMonopolisten in Österreich, hat sich vor sechs Jahren noch die Finger in Zagreb verbrannt, obwohl er sich nur erwartet hatte, den Markt etwas aufzubauen. Zu Placebo, Kaiser Chiefs und Queens Of The Stone Age kamen damals schlappe 5.000 Besucher. Da fehlte offenbar noch mehr als das Fundament. Das Glück scheint man in diesem Eck Europas eher an der dalmatinischen Küste zu finden. Und indem man Musiktouristen und Feieranten aus England und Nachbarländern wie Österreich und Italien abzieht. Kroatien tritt mit 1. Juli 2013 nicht nur der EU bei, sondern verfügt über ein exzellentes Autobahnnetz bis hinunter nach Split und wird allein von Ryanair an drei Küstendestinationen angeflogen. Anders lässt es sich schwer erklären, dass Acts wie Wu-Tang Clan, My Bloody Valentine, Azealia Banks, Asap Rocky, Snoop Dogg, Metro Area, Avicii, Mos Def, Modeselektor, Disclosure oder The Horrors diesen Sommer dort spielen. Das Lighthouse Festival pilgerte heuer von Wien aus nach Istrien, das Waves Vienna plant ein Auswärtsspiel in Bratislava. Ebendort wurde gerade das Wilsonic abgesagt. Der Grund war so einleuchtend wie ernüchternd: schlechte Ticketverkäufe. So richtig scheint das mit dem Besucheraustausch noch nicht zu klappen – bei einem Festival, das von Wien aus nur halb so weit entfernt ist wie das Springfestival und unwesentlich teurer als ein Tagesticket in Graz. Umgekehrt: Wie viele Leute haben mitbekommen, dass Dizzee Rascal schon zweimal in Österreich live gespielt hat, in Mayrhofen in Tirol beim Snowbombing nämlich. Dort fallen einmal jährlich ein paar tausend Engländer ein, trinken englisches Bier, starren auf englisches Sponsoring und sind dann wieder weg wie die Heuschrecken. Nun, es gibt Schlimmeres, ist ja genug Fressen da. Im Osten haben es erst ein paar Festivals geschafft, im nahen Ausland bekannt zu werden. Das darf ruhig noch intensiver werden. Sonst müsste man ja dauernd aufs Nova Rock und Frequency fahren. The Gap wird das Thema auf www.thegap.at weiter verfolgen.
dokumentation Stefan Niederwieser, Jonas Vogt text Stefan Niederwieser Bild Privat
Früher musste man für Musik und Badewetter nach Spanien. Seit Briten plötzlich auch Osteuropa für avancierte Line-ups entdecken, liegen diese Feste für Leute aus Graz, Klagenfurt und Wien plötzlich in Autoreichweite. Die Leber ist willig, aber der Kopf ist schwach.
»Kroatien war die richtige Entscheidung« — Wir haben Istrien als Eventlocation bereits 2005 entdeckt. Die anfänglichen Unzulänglichkeiten im Bereich touristischer Qualität wurden von den Kroaten mit unserem Input rasch behoben. Unser Vorteil war, dass eine österreichische Investmentfirma die größte Hotelkette Kroatiens gekauft hatte und wir damit unter unterschiedlichen Venues wählen konnten. Weiters von Vorteil war der Umstand, dass sehr viele Kapazitäten im 2-Sterne-Bereich vorhanden waren und man daher relativ günstige Preise für die EventTourismusgäste anbieten konnte. Kroatien hat dann in den letzten Jahren v.a. durch englische Veranstalter den entscheidenden Drive erlebt und wird nicht zu Unrecht als das neue Ibiza bezeichnet. Das ist sicher auch den sehr offenen und liberalen Behörden und Gemeinden zu verdanken. Nachdem wir in Porec nun bereits zum 9. Mal das Spring Jam veranstaltet haben, ist uns heuer durch die Kooperation mit der Pratersauna mit dem elektronischen Lighthouse Festival ein perfektes Produkt gelungen, welches inhaltlich zu 100 Prozent den PratersaunaJungs zu verdanken ist. Ich sehe in Ost-und Südeuropa ein massives Potenzial im Bereich Festivals, weil die Kombination Vacation und Top Line-ups die Zielgruppe fasziniert. Lange genug ist man nur in pannonischen Gefilden im Gatsch herumgesessen und hat sich mit schlechtem Wetter ärgern müssen. Nein, im Ernst, ich glaube, dass jetzt, wo sogar amerikanische Veranstalter (Ultra) Kroatien als Venue entdeckt haben, sich die Festivals massiv vermehren werden und Ibiza bald neidisch auf Kroatien blicken wird. Ein großer Vorteil ist sicher auch, dass sich die Festivaltouristen mit den sehr musikaffinen Kroaten vermischen und dadurch ein noch größeres Potenzial besteht. Ich bin mir auf alle Fälle sicher, dass es die richtige Entscheidung war, in den Ausbau der Festivals in Istrien zu investieren. Alexander Knechtsberger ist Gründer und Geschäftsführer von DocLX, das u.a. X-Jam und Spring Jam veranstaltet.
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Peter Smidt
Georg Rosa
Clare Dover
Eurosonic Festival
Österreich-Marketing Volt und Sziget
Festival-Promoterin
»Rock-Herkunftsländer sind erst einmal ausgereizt« — Während der Gedanke eines vereinten Europas im politischen Bereich schwere Zeiten durchlebt, wächst der europäische Musikmarkt jedes Jahr mehr und mehr zusammen. In allen Ländern des Kontinents nimmt die Zahl der Festivals zu, und durch Internet und die sozialen Netzwerke kann sich das Publikum die besten herauspicken. Das Marketing über Landesgrenzen hinaus wird deshalb immer wichtiger werden. Manche Festivals wie das Sziget in Ungarn haben damit sehr früh begonnen, Primavera Sound in Barcelona und das Exit in Serbien haben das gut adaptiert. Beim Eurosonic präsentieren wir jährlich etwa 300 der besten europäischen Newcomer. Wir arbeiten dabei mit rund 100 Festivals und 25 Radiostationen zusammen, um die Bekanntheit der Künstler außerhalb ihrer Heimatländer zu steigern und ihnen Karrierechancen zu ermöglichen. Wir sehen nicht nur eine Steigerung in der Qualität der Acts, sondern auch der Festivals, insbesondere in Ost- und Mitteleuropa: Polish Woodstock, Pohoda, Positivus, um ein paar Namen zu nennen. Mit Unterstützung des Kulturprogramms der Europäischen Kommission steigern wir den Austausch der Festivals in der Region untereinander, kümmern uns aber auch um nachhaltige Verbindungen zu den Märkten in Westeuropa. Mit der wachsenden Anzahl an Festivals steigt auch die Nachfrage nach Headlinern. Die »klassischen« Herkunftsländer UK und USA stoßen mittlerweile an ihre Grenzen. Die nächsten Stars werden Österreicher, Kroaten, Holländer sein und unabhängig von ihren Heimatmärkten funktionieren. So wie das bereits mit Kraftwerk, Rammstein, Mano Negra oder – etwas aktueller – Daft Punk geschehen ist. Klangkarussell als Nummer Eins in den Niederlanden macht Hoffnung.
»Transeuropäischer Festivaltourismus ist Normalität« — Immer mehr Musikbegeisterte stimmen ihre Urlaubsplanung mit diversen Festivalterminen ab. Dass in diesen Plänen in den letzten Jahren vermehrt auch ost- und südeuropäische Festivals berücksichtigt werden, ist also nur ein logischer Schritt. Erstens lässt man sich lieber – beispielsweise im sonnigen Kroatien – von seinen musikalischen Heroen unterhalten, als im wettertechnisch doch etwas unsicheren Mitteleuropa. Zweitens gibt es kaum noch Acts, deren Tourrouting nicht in den Osten bzw. Süden unseres Kontinents führt. Somit kann man dort auch lineup-mäßig quer durch alle Musikstile goutieren. Das niedrige Preisniveau bzw. die etwas lockerer gehandhabten Vorschriften bei Sperrstunde, Lautstärke etc. steuern ihr Übriges zur Attraktivität bei. Trotzdem dürfte der Zenit bald erreicht sein. Immer mehr Veranstalter springen auf den – bereits mit ziemlichem Tempo dahinbrausenden – Festivalzug auf, immer mehr Großbühnen sprießen wie die sprichwörtlichen Schwammerln aus dem (oftmals schlammigen) Boden. Nicht umsonst gibt es bereits eigene Pages, die dem geneigten Besucher den Weg durch den Festivaldschungel weisen. Bleibt zu hoffen, dass sich keiner der vielen Veranstalter in den nächsten Jahren beim »Abenteuer Festival« eine blutige Nase holt …
»Wachstum der Festivalindustrie in Kroatien ist beispiellos« — Das Wachstum der Festivalindustrie in Kroatien im Laufe der letzten Jahre ist beispiellos. Alles begann mit dem Garden Festival, das die Festivaltradition in Kroatien begründete. Die Briten Nick Colgan und Eddie O’Callaghan, die schon lange in der Musikindustrie gearbeitet hatten, riefen das Festival in Petrcane 2006 ins Leben – anfangs mit nur 500 Besuchern. Damals war Kroatien als Feriendestination von Briten noch weitestgehend unentdeckt. Aber nicht nur britische Promotoren profitieren von dieser Festivalexplosion. Kroatien bietet großartige eigene Festivals wie das Terraneo in Sibenik: Das Line-up findet gleichermaßen beim einheimischen und internationalen Publikum Anklang und hat sich schnell einen Namen gemacht. Rob Garza (Thievery Corporation) ernannte es kürzlich zu einem seiner Lieblingsfestivals und wird sich künftig bei der Kuratierung des Events einbringen. Kroatien erfährt generell viel Tourismus aus Deutschland, Österreich und Italien: So ist es nur folgerichtig, dass das Publikum aus diesen Regionen zunimmt und noch mehr internationale Promotoren nach Kroatien kommen. Festivalliebhaber suchen immer etwas Neues – wenn der Markt gesättigt ist und die Preise steigen, wird es für Festivals erforderlich sein, etwas Einzigartiges anzubieten. Die Kosten der Festival-Tickets, der Unterbringung und der Verpflegung sind auch viel billiger als in Westeuropa; dadurch sind die Festivals ein kostengünstiger Weg, um große Acts und DJs zu sehen, während man einen Festivalurlaub in der Sonne verbringt.
Georg Rosa kam 1998 zu Zomba Records. Seit 2003 arbeitet er selbstständig und ist aktuell u.a. für das Österreich-Marketing der ungarischen Festivals Volt und Sziget verantwortlich.
Clare Dover ist Partner bei Globalpublicity, einer britischen PR-Agentur, die Festivals wie das Exit in Serbien, B’estfest in Rumänien, Kazantip in der Ukraine, das Off in Polen, das Snowbombing in Tirol oder das Terraneo in Kroatien international betreut.
» Das Wachstum der Festivalindustrie in Kroatien im Laufe der letzten Jahre ist beispiellos.« (Clare Dover)
Peter Smidt ist Creative Director beim Eurosonic Noorderslag und Manager Pop / Rock bei Buma Cultuur.
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bild karin wasner dokumentation stefan kluger
Workstation — MENSCHEN AM ARBEITSPLATZ
Ingrid Brodnig, 28, Journalistin
Sie will eine Geschichte erzählen. Eine, die zur Gänze noch niemand erzählt hat: »Die Geschichte der Anonymität im Netz«. Ingrid Brodnig hätte selbst gern ein Buch darüber gelesen, wurde aber nicht fündig. »Da dachte ich mir: Toll, mach es halt selber!« Wie wirkt sich die Anonymität im Netz auf das menschliche Miteinander aus?, ist ihre zentrale Frage. Anonymität werde sowohl von Cyber-Dissidenten als auch von Internet-Trollen genutzt; dennoch fehle Literatur, die das Thema in allen Facetten beleuchtet. Klar, ihr Buch richtet sich an Geeks, »aber auch Nicht-Geeks werden damit einen tieferen Einblick ins Netz bekommen«, versichert sie. Im Gegensatz zum Falter-Redaktionsalltag sei das Schreiben zuhause eine sehr einsame Tätigkeit, die eingestreuten Interviews für ihr Buch eine willkommene Abwechslung. Bis Sommer muss das Buch fertig sein. Abends müssen deshalb noch öfter als sonst Sozialkontakte geölt werden. Denn tagsüber schleichen nur die Katzen durch die Wohnung.
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die Katzen durch die Wohnung.e.
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Simon Winterling, 41, Schafhirte
Im ersten Jahr hat er sieben Kilo abgenommen. Da wurden Zäune geschleppt, um jeden Tag einen Pferch für zwei Hektar auf- und abzubauen. »Ich glaube, man nimmt allein schon dadurch ab, regelmäßig über 1.000 Meter zu leben«, sagt Simon Winterling. Schäfer am Berg (in Hauser Kaibling) sei er geworden, trotz einer Phase, in der er gar kein Interesse an Tieren hatte. Er habe nie genau gewusst, was aus ihm werden soll. Erst ein Aufenthalt auf einem Isländischen Bauernhof brachte Klarheit. Dort stellte sich die Sinnfrage erst gar nicht: »Ich bin am Abend fix und fertig, aber zufrieden ins Bett gegangen.« Zurück in Österreich bewarb er sich dann rasch um den Almjob. Einen typischen Tagesablauf bei seiner Tätigkeit als Schäfer gebe es nicht. Grundsätzlich müsse er bloß schauen, den Plansoll zu erfüllen: »Dass die Schafe das Gebiet beweiden, das zu beweiden ist.« Und dass die Tiere gesund bleiben.
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diese seite ist teil einer entgeltlichen kooperation
bild karin wasner dokumentation Amira Ben Saoud
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Workstation — MENSCHEN AM ARBEITSPLATZ
Sandra Noeth und Lejla Mehanovic, Tanzquartier Wien
Sandra Noeth und Lejla Mehanovic sitzen zum Fotoshooting im Studio 3: »Die Liegestühle – ursprünglich eine Requisite – haben uns deufert+plischke überlassen.« Seither kann darauf bequemer gedacht werden – was mitunter auch mal schnell gehen muss, denn das Studio oft nur für gerade einmal eine Stunde frei. Im Tanzquartier treffen sich Tänzer und Performancekünstler aus In- und Ausland und finden Unterstützung und Betreuung bei der Entwicklung ihrer Konzepte. Dafür skypen die Tanzdramaturgin und ihre Assistentin auch schon mal nach Beirut, Paris, oder New York. Dazwischen nehmen sie neue Stücke und Ideen unter die Lupe, denn es wird hier nicht nur aufgeführt, sondern auch produziert. Sogar die Bücher auf dem Studioboden tanzen mit. Wenn sie gerade nicht so schick im Raum stehen, werden sie vor allem gelesen – ob von den beiden oder in der öffentlichen Bibliothek.
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Prosa von Iris Blauensteiner
pärchenalptraum häuslbauen? iris blauensteiner lässt in dieser kurzgeschichte, exklusiv für the gap verfasst, den spiessbürgertraum eigenheim in staub, pilz und tierkadaver untergehen. allerdings nicht ohne hoffnung auf vollendung.
Hinterholz 8 ½ d u n k le eiche ————— »Schön haben wir’s hier.« Martin drückt die Zehen in die Erde unterm frischen Rasenstück. Die letzten Rauchfäden steigen aus dem Griller. »Wir machen uns unser Paradies.« Roland lehnt sich tiefer in den Gartensessel, stöhnt vom Muskelkater und blickt auf das Gerüst zwischen den Bäumen. Das Haus hinterm Gerüst ist noch verletzlich, lehmig graubraun und nass vom Regen. In ein paar Wochen wird es pastellgrün sein. Roland hat die Farbe ausgesucht. Er stopft die Stanniolpapierreste, Kartoffelschalen und Saucedosen in einen Kübel, holt eine Schüssel aus dem Campingwagen, füllt sie mit Wasser aus der Gartendusche und legt das Geschirr hinein. Das Radio kracht. Martin dreht am Empfänger, bis der »Sommer« aus den »Vier Jahreszeiten« leicht verkratzt heraustönt. Er legt die Beine in die letzten Abendsonnenstrahlen. Das Papier-Windrad im Karottenbeet dreht sich. »Nach einem richtig staubigen Arbeitstag ist so ein kühler Bierschaum das Schönste.« Seitdem die Steckdose funktioniert, ist das Bier eiskalt. Die Nächte verbrachten Martin und Roland mit Kabel-Einziehen. Martin schob an einem Kabelende, Roland zog am anderen und die Möglichkeit, das jeweils falsche Kabel anzuschließen, wuchs mit dem Kabelsalat in den Mauern. Eine Taube sitzt am Gerüst. Sie streckt einen Flügel hoch und gurrt. Roland mag die Tauben. Die wachen, kleinen Taubenaugen.
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Jeden Tag legt er Müslikörner auf das Campingwagenfensterbrett und freut sich, wenn sie in der Früh weg sind. Roland und Martin haben ein Haus gekauft. Drei Tage der Woche arbeiten sie in der Stadt. Vier Tage renovieren sie. Sie schlafen im Campingwagen, denn das ist praktisch. Gleich in der Früh legen sie damit los, den Verputz, der in der Nacht von den Mauern gefallen ist, aufzukehren und wegzubringen. Es ist wie Urlaub. Im Grünen. Am eigenen Grund. Im eigenen Haus. Bald. »Was willst du denn stattdessen?« – »Ja einfach eine ausgemalte Decke. Weiß oder vielleicht eierschalengelb.« Martin verdreht die Augen. »Dezentes Eierschalengelb!«, sagt Roland. Martin kippt den Schnapsbecher. »Komm, ist doch egal.« – »Martin, der Plafond muss weg. Die dunklen Eichenbretter sind wie ein plattgedrückter Sarg. Wenn morgen meine Eltern kommen, soll’s perfekt sein!« Martin hebt sich aus dem Stuhl und macht sich daran, das Bett, das in fünf Teilen zwischen Kofferraum und Rücksitz steckt, aus dem Auto zu laden. Er lehnt es ans Haus und wickelt Plastikfolie darum – falls es regnet. Roland bringt noch einen Schnapsbecher und säuselt: »Martin, unter den Balken wird schon irgendetwas sein. Gips oder was weiß ich. Da kann ich dann eierschalengelb drüberstreichen.« Martin macht heute nichts mehr. Roland klettert auf die Leiter. Diese hässlichen Eichenbretter kleben so fest, dass er sie nicht mit dem Schraubenzieher wegbiegen kann. Und auch nicht mit der Brechstange, die er zwischen einem Haufen aus Rechen, Besen
und einem vermangelten Gartenschlauch hervorgezogen hat. Die Eichenbretter sind wie angewachsen. »Ich hasse dunkle Eiche. Dieser Plafond ist hässlich. Ich geniere mich.« Martin reagiert nicht. Roland brüllt energisch: »Martin, liebst du mich jetzt oder was?« Martin holt die Kettensäge. Er sägt mitten in den Eichenbretterplafond hinein. Feiner Staub rieselt aus dem Spalt. Es kracht. Es poltert. Martin springt von der Leiter. »Raus!« Ein Wiesel fällt von der Decke und zischt fauchend zwischen Rolands Beinen durch. »Schnell! Raus!« Unglaublich. Martin nimmt Rolands Hand. Aus der Ferne sehen sie durch die offene Tür, wie die aschige Staubwolke sich senkt. Die Katastrophe schält sich aus dem Nebel. Irgendwo im riesigen Haufen aus pilziger Dämmwolle quiekt es aufgeregt aus einem Nest. Das Grundstück ist voll von beißendem Schimmelgestank, der am Körper juckt und in den Augen brennt. Kniehoch füllt schwarz vermoderte Dämmwolle das dachlose Haus aus. Die Dachbalken und Eternitplatten stecken zerbrochen mitten drin. Unzählige Tierleichen, Vögel, Siebenschläfer und Marder rotten mit ihren Nestern und allem, was in ihren Nestern drin war, in der Wolle. Wespen fliegen einzeln und verwirrt durch die Luft. Aus einem Fenster steht ein Eichenbrett nach außen, als würde es winken.
»Wann kommen morgen deine Eltern?« – »Mittags.«
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Die Jalousien im Campingwagen sind heruntergelassen. Martin legt eine Line auf eine Zeitschrift und fragt nach einem Zehneuroschein. Er presst seine Lippen wortlos an Rolands Ohr. Danach saugt er das Pulver in die Stirn. Er rollt den Zehneuroschein wieder auf, faltet ihn zweimal und gibt ihn so zurück, wie er ihn bekommen hat. Seine behaarte Brust ist verstaubt. Er gräbt eine Hand in den Brustpelz und hält sich daran fest. »Du musst keine Angst haben«, sagt Roland und weiß nicht genau, ob er das zu Martin sagt oder zu sich selbst. Martin stützt seinen Kopf auf den Arm. Auf dem Fensterbrett wächst eine kleine, fleischige Wüstenpflanze. Ihre Blätter und Stängel sehen hinter seinem Kopf aus wie ein Geweih. »Es regnet zwischen den Dachplatten durch. Die Balken und die Wolle darunter schimmeln. Irgendwann nagt ein Tier einen Eingang ins Dach und das nächste Tier kriecht auch hinein und das übernächste nagt den Gang weiter und so geht das, bis alle Wohnungen in der Dämmwolle belegt sind. Wenn die Eichenbretter darunter weg sind, fehlt die Stütze. Logisch.« Martin tupft die Reste mit dem Zeigefinger von der Zeitung. »Damit ich schlafen kann«, sagt er. »Ich werde schlafen wie ein Stein.« Die Gießkanne fällt um. Das Wasser tropft vom Fensterbrett.
Ad Personam: Iris Blauensteiner
Die Wienerin Iris Blauensteiner studiert Bildende Kunst. Ein Studium der Theaterwissenschaften ist bereits erledigt. Die Medien Text und Film sind die kreative Heimat der 27-Jährigen. Momentan wird gerade der Kurzspielfilm »Schwitzen« realisiert. Für ihr Schreiben erhielt Blauensteiner 2011 das LiteraturStart-Stipendium des BMUUK und im Vorjahr nahm sie beim renommierten Literaturwettbewerb Wartholz mit dem Gedichtzyklus »Wachs« teil. Wie literarisches und filmisches Schreiben bei ihr Hand in Hand gehen, demonstriert Blauensteiner mit der kurzen Geschichte »Dunkle Eiche« eindrucksvoll. Mit wenigen Worten vermag sie kleinen, unscheinbaren Alltagsnebensächlichkeiten große Bedeutung zu geben. Sie lebendig zu machen. Da darf und muss der Wunsch nach häuslicher Spießbürgerlichkeit, die Sehnsucht nach der Norm, letztlich auch zusammenkrachen.
Schwer liegt Martin am Rücken und schnarcht. Es ist stickig, heiß, dampfend wie in einer Sauna. Kaum auszuhalten im Wagen. Unterm Boden ist ein Tier. Es knabbert rastlos. Manchmal ruht es sich aus. Dann nagt es weiter und schabt das Geknabberte mit den Krallen zur Seite. Die Luft im Wagen steht. Die Hitze presst den Schweiß aus der Stirn und aus dem Rücken. Dort, wo sich Hautflächen berühren, ist es glitschig. Die Mückenstiche brennen. Roland kann nicht mehr ruhig liegen. Er geht in den Garten. Kurz hadert er damit, in Hausnähe zu gehen. Es ist dunkel. Er sieht kaum, riecht nur. Er stellt sich unter die Dusche und lässt das Wasser über den Körper rinnen. Die nasse Erde quillt matschig zwischen die Zehen. Roland legt sich in den Liegestuhl und trocknet an der Nachtluft. Fledermäuse, Heuschrecken, Morgenvögel, Eulen, Katzen, Gelsen, Zecken – alle beobachten sie ihn. Die ersten Dämmerungsvögel singen. Mit der Helligkeit kommt das morgendliche, hundertstimmige Vogelgekreische in Gang und hinein mischt sich die Calypso-Melodie des Handyweckers. Rolands Nacken schmerzt, er blickt auf das überstehende Wasser im Wüstenpflanzenuntertopf, als er die Augen öffnet. Die Müslikörner auf dem Fensterbrett sind weg. Am Campingwagenfenster landet eine Taube und sagt: »Hallo. Kommst du mit mir mit in die Hölle?« Roland sagt: »Nein danke, ich bleibe lieber hier.« Die Taube hebt ab. Er küsst Martins kleine Halsspeckfalte. »Ich will es schön haben«, denkt er, schaltet die Calypso-Melodie ab und sucht online nach einem Lastentransporter.
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Kolumne Blow-up: Film in Österreich von Gunnar Landsgesell
»Cop Stories«
Totemismus und Ethnographie Über Huldigungen für Format und Quote droht der ORF, Inhalte zu vergessen. Fernsehserien, Teil 2.
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er ORF hat Quote eingebüßt, vermelden österreichische Medien periodisch. ORF eins bald nur mehr einstellig, titelte eine Programmzeitschrift. Steckt hinter diesen Zeilen die Sorge um den öffentlichrechtlichen Rundfunk oder Schadenfreude mit Blick auf Marktzuwächse der Privaten? Kernaufgabe der ÖffentlichRechtlichen ist nicht die Quote, sondern Qualität. Das erklärte kürzlich Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin des deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen (das doppelt so viele Einwohner hat wie Österreich). Eine klare Ansage, die den Kern des Problems auch aus österreichischer Sicht trifft. Mittlerweile scheint der ORF kritisch nur mehr im Zusammenhang von Sparmillionen, vorenthaltenen (Gebühren) Millionen und verlorenen (Zuseher-) Millionen im Vergleich zum Jahre Schnee wahrgenommen zu werden. Die Bewohner des Küniglberg wirken aufgescheucht, da ist nur noch reflexhaft von Reformen, Programminnovatoren und Formaten die Rede. Formatiertes Fernsehen und das Quotendingsda, das ist mittlerweile ein siamesischer Zwilling, der ständig ganz böse Druck macht. Statt inhaltlicher Diskussionen geht es um die Frage: Wo kriegen wir die besten Formate her, um bloß das Dingsda zu erfüllen? Aber: Sollte das Fernsehen heute wirklich vor allem ein Lizenzgeschäft sein, in dem sich der ORF als möglichst effizienter Einkäufer zu verstehen hat? Weniger Budget (Stich-
wort: Gebührenrefundierung) bedeutet dann mehr Output-Deals, mehr Einkäufe in Kalifornien oder auch Schweden und eben weniger selbst entwickelte Inhalte, weil diese zu produzieren ein Mehrfaches kostet. Mit strategischer Planung und öffentlich-rechtlichen Inhalten hat dieses Lizenzgeschäft dann nicht mehr viel zu tun, weil das Kaufprogramm erstens zu einer bestimmte Form von Unterhaltung und zweitens zu einem Zufallsprodukt jeweiliger Finanzlagen wird. Auf diese Weise marginalisiert sich (mit sich ist das »Selbst« des ORF, das nicht profitorientierte Kerngeschäft im Info-, Edu-, Kultur- und sonstigen öffentlichrechtlichen Bereichen gemeint) der Sender allerdings selbst – und damit auch die Gesellschaft des Landes, deren Ethnograph er eigentlich sein sollte. Ein paar jüngste Beispiele aus der schönen Welt des Lizenzhandels: »Undercover Boss« ist eine DokuSoap, in der der Firmenchef zwischen seinen Mitarbeitern anonym abtaucht. Das Format hat der britische Sender Channel 4 entwickelt. Der ORF hat es »übernommen«, so wie zuvor schon der deutsche Privatsender RTL. Warum auch nicht, meinte ORF-Programmdirektorin Zechner, es habe doch bereits in 15 Ländern erfolgreich funktioniert. Durch geschicktes Framing verschiebt Zechner zudem das Problem Richtung Moral, wenn sie nachsetzt, dass es ja »nicht anstößig« sei, die richtigen internationalen TV-Lizenzen zu kaufen. Natürlich nicht, aber das war auch nicht das Problem. Oder, anderes Beispiel: »CopStories«: Die Krimiserie, die als »etwas anders« promotet wird (und auch ist, was schon die geringe Quote beweist, ganz im Sinn von Georg Seesslens Blödmaschinen-These: »Menschen werden nicht blöd geboren, sondern gemacht«), die Serie also hieß in den Niederlanden
»Van Speijk«. Auch in diesem Fall wurde ein Sendungsformat nachvollzogen. Produzent Florian Gebhardt spricht auf die »CopStories« bezogen zu Recht von einer »progressiven Bildsprache«, nur wurde sie halt eben auch nachvollzogen. Der ORF ist vor lauter Format-Suche zum Nachvollzieher statt Impulsgeber geworden, und wenn man das ORF-Programm durchgeht, findet man vor allem nachvollzogene Produkte. Von »Bösterreich« (ist dieser bescheuerte Arbeitstitel Programm?) ist zu lesen, einer geplanten Comedy-Serie, mit der nach dem Vorbild der bissigen britischen Satire »Little Britain« auch in Österreich Quote gemacht werden soll. Selbst Formate wie etwa das gelobte »Mein Leben« von Mari Lang (letztes Jahr vorgestellt und nun aus Spargründen, wegen Babypause oder einfach überhaupt schon wieder eingestellt) wurden nicht selbst entwickelt, sondern aus dem Ausland importiert. Bei allem Respekt für den Totemismus, mit dem Formate gehuldigt werden – aber wer kümmert sich im Lizenzverein ORF jetzt noch um soziale Ethnographien – um Inhalte?
Gunnar Landsgesell landsgesell@thegap.at
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Festival für Kulturelles von Nischen bis Pop Feldkirch ~ Altes Hallenbad
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Zomby With Love (4D)
Where were U in 2013? Back to the Future: Zomby assoziiert sich wild durch die letzten 25 Jahre der elektronischen Musikgeschichte. Und klingt damit erstaunlich modern. Rosen sind die neuen Dreiecke. Auch wenn es für sie noch keinen Hot-Key auf der Mac-Tastatur gibt, findet sich der florale Inbegriff der Liebe heuer auffallend häufig im Artwork wieder. Man darf wieder romantisch sein. Rosen zieren auch Zombys Drittwerk »With Love«. Und grenzt sich damit auch optisch von seinen Vorgängern ab, die mit 8-Bit-Ästhetik und Typographie spielten. Zombys vielbeachtetes Debüt »Where were U in ’92?« erschien im Jahr 2008 und war ein kohärente Beschäftigung mit der Ravekultur der frühen 90er. »With Love« ist hingegen – Phrasenpolizei aufgepasst! – ein Opus Magnum: Ein Doppelalbum mit 75 Minuten Spielzeit und insgesamt 33 Tracks. Davon die erste Hälfte eher Richtung Dancefloor orientiert, die zweite eher ruhiger. Die Platte schafft es erstaunlicherweise gleichzeitig, schlüssig und wirr zu sein. Sie ist ein Kaleidoskop, ein Mosaik der – primär britischen – elektronischen Musik der letzten 25 Jahre. Die Tracks sind eigentlich eher Soundschnipsel, jeder zwischen einer und sieben Minuten lang. Sie führen in teilweise atemberaubender Geschwindigkeit durch Rave, Garage, Drum ’n’ Bass, Jungle (der auf der Insel aktuell einen ziemlichen Aufwind erlebt), aber auch Post-Dubstep-Anflüge und Electronica, die an Radiohead erinnert. Doch Zomby nimmt den Hörer nicht mit auf eine Reise – eine Reise hat immer einen nachvollziehbaren Weg. »With Love« ist aber weder Lexikon noch DJ-Set. Die Methode ist weder eine durchdachte Aufzählung noch einer smoother Übergang zwischen den Stilen. Man kann sich das Album eher wie einen Timetravel-Film vorstellen, bei dem die Handlung auf verschiedenen Zeit ebenen hin- und herspringt, sich gegenseitig bedingt, Voraussetzungen hintenangestellt werden. Und umgekehrt. Assoziation wird wichtiger als Chronologie, und Brüche bewusst in Kauf genommen. Irgendwo hätte da sicher auch noch ein Gastauftritt von Emmet Brown hineingepasst. Man weiß nicht viel über den Musiker Zomby, der immer mit Maske auftritt. Man kann sich aber ziemlich sicher sein, dass er viele der Musikstile, die er auf »With Love« verarbeitet, nicht aktiv miterlebt hat. Ja, es sind vielfach »stories from the elder brother«. Aber das stört überhaupt nicht. Das Album überführt diese Storys ins Heute und weist trotz all der Rückgriffe nach vorne. Das ist das eigentlich Gute daran: Kein Track ist lang genug, um wirkliche Nostalgie aufkommen zu lassen. 1992 ist lange vorbei. Willkommen in 2013. 09/10 Jonas Vogt 057
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Austra Olympia (Domino)
Crying at the Discotheque Das Bett ist noch kalt. Eingehüllt von Dunkelheit fühlen sich Austra am Wohlsten. Dort, wo der jedermann zum Philosophen wird. Dort und am Dancefloor. Austra haben sich mit ihren Debüt »Feel It Break« vor zwei Jahren der düsteren Seite des Elektropop gewidmet, mit einer Mischung aus Kaltschnäuzigkeit und Klagelied, unterlegt mit 80er-JahreSynthies. Der Erfolg steht ihnen zu. Seither haben sie die großen Gesten auf der Bühne perfektioniert und Tanzbarkeit zu schätzen gelernt. Aus dem ursprünglichen Dreier wurde nun eine sechsköpfige Band, in der alle etwas zum Mitreden haben. Mit »Olympia« haben Austra den Rhythmus entdeckt, sagt Sängerin Katie Stelmanis. Sie gibt sich auf »Olympia« viel intimer. Die Texte stehen mehr noch im Kontrast zu den glatten Synthiesounds und dem treibenden Beat, als man es vom ersten Album gewohnt ist. Ihre dramatische, zerdehnte Stimme ist dagegen weiterhin der größte Unterschied zu unzähligen Electropop-Bands, die prinzipiell aus den selben Beats geschnitzt wären. Mit viel Vibrato werden einfache Worte zu mehr als ihrer einfachen Bedeutung, sie bekommen Schwere und Tiefe. Vielleicht noch mehr, weil sie in Kontrast zu computerisierten Rhythmen und billigen Synth-Sounds stehen. Ein monumentaler Echoraum um die menschlichen Stimmen des Albums verstärkt den Eindruck noch weiter, dass es sich hier um Tragödien handeln könnte, die ihre eigene, offensichtliche Vergänglichkeit eben doch transzendieren. Die Geschichten sind nicht neu: etwa die Sorge, was eine Geliebte denn dazu anstiftet, die ganze Nacht über nicht nach Hause zu kommen oder die Frage, was sie denn tun muss, damit ihr vergeben wird. »Sleep« zieht mit dezenten Gesten einen Spannungsbogen, der in ein ausbrechendes Schlagzeug mündet. Eine gut ausgewogene Dynamik wie hier beherrscht auf »Olympia« die meisten Songs. Man kehrt gerne zurück zu dieser seltsamen Mischung aus tanzbaren Songs und dunkler, beklemmender Stimme, die überraschenderweise beim zweiten Album besser als jemals zuvor funktioniert, die aus den Ruinen eines Dancefloors gebaut ist, Caspar David Friedrich in der Disco, Selbstporträt mit fiedelndem Tod, quasi. 08/10 Benjamin Agostini
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J. Cole Born Sinner (Sony)
Yeezus! HipHop kämpft um seine Werte, durchstöbert seine Schattenseiten, vorbei ist die Zeit von Raubtier-Rap. Und J. Cole findet Liebe an einem hoffnungslosen Ort. J. Cole ist kein Einzelkämpfer am untersten Ende der Gesellschaft, der sich Moral auf dem Weg nach oben nicht leisten kann, sondern einer, der zumindest über sein schlechtes Gewissen redet, wenn er jemand vögelt und dann kalt abserviert. Verglichen mit früher ist das richtig lieb. Nicht nur er macht sich heute im HipHop Gedanken um Übermorgen. Das ist natürlich nicht ganz neu. Seit Grandmaster Flashs »The Message« wurde gepredigt, angeklagt oder positiv gegen die Knarrenfraktion getextet. Heute ist der Ton anders. Ja, es ist verdammt schwer, das Richtige zu tun und sich in einer Gesellschaft zu behaupten, für die es dazu gehört, andere abzuzocken und ihnen hinterher zu erklären, dass sie doch wussten, wie es läuft. Wir lassen uns also volllaufen, aber wissen, dass sich etwas ändern muss. HipHop steckt sich realistischere Ziele, scheint es. Leute wie J. Cole, Kendrick Lamar, Frank Ocean, Macklemore oder Lupe Fiasco reden über den zerstörerischen Spaßalltag, sind dadurch aber keine Spur weniger kunstvoll und aufregend. J. Coles zweites Album wurde einige Male verschoben, »Power Trip« war schon vor einigen Wochen eine der Singles des Jahres, besoffen, verbissen, wie im Taumel. Gleich zu Beginn zeigt ihn »Villuminati« auf der Höhe seines Könnens, dunkel, mit blitzartigen Wechseln der Themen, Lautmalerei, Aufschneiderei, Gazellenflow, wie auf einer Verfolgungsjagd durch die Gegenwart. Mehr Geld ist natürlich ein Problem, Beyoncés Bugatti Veyron allein ist schon mehr wert als er, sagt er selbst. Am Ende klart das Bild auf. Da wird J. Cole zum braven Buben aus einer gut integrierten Nachbarschaft, mit schiefen Zähnen, buschigen Augenbrauen und patschertem Blick. Die Stärken liegen eindeutig weiter vorn. Da sind auch die Beats zugleich erdig und wolkig, mit sanft eingewobenen Texturen, kein Eurotrash, sondern ziemlich idealer Untergrund für seine erstklassigen Geschichten. Und trotzdem ist es gut möglich, dass dieses Album hinterher von Kanye West, Wale und Joey Badass gleich drei Mal übertrumpft wird. Hoffentlich. 07/10 Stefan Niederwieser
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Maya Jane Coles Comfort (I / AM / ME / Kobalt)
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Empire Of The Sun Ice On The Dune (Universal)
Voller Groove Ein Debüt, das stimmiger kaum sein könnte. »Comfort« gibt dem Dub-House mit Ruhe, Gelassenheit und Erfahrung seine Sexyness zurück. Maya Jane Coles kann mit Sicherheit als Gegenentwurf zu dem gesehen werden, was man 2013 unter dem Begriff Superstar-DJ versteht. Releases auf Hypercolour und 20:20 Vision sowie ein amtlicher DJ Kicks-Mix hat sie neben dutzenden Gigs von Moskau bis Los Angeles auf der Habenseite stehen, doch ihr Debüt releast sie auf dem eigenen Label. »Comfort« strotzt nur so vor dem Selbstvertrauen, das sich Maya Jane Coles über die letzten Jahre angeeignet hat. Ihr Soundmix aus House und Dub ist immer noch so sexy wie zur ersten Sekunde. Da wo Nina Kraviz vor einigen Jahren begonnen hat, macht sie weiter. Das Album ist in ihren eigenen vier Wänden entstanden, ohne Einflussnahme von außen, ganz ihr Baby. Hier zeichnet sie ihre Komfortzone nach – hypnotisierende Sounds, traumhafte Klangbilder und ein warmer Bass bilden das Grundgerüst, meist begleitet, manchmal sogar getragen von zauberhaften Vocals. »Comfort« ist ein Album, bei dem man ohne schlechtes Gewissen das Wort Groove mit vollem Ernst in den Mund nehmen darf, ja sogar muss. »Easier To Hide« hat Ende 2012 schon die Runde gemacht und die basshungrige Meute ordentlich in Aufruhr versetzt, die geschmeidigen Vocals gleiten über Coles magische und einzigartige Arrangements. Auch »Burning Bright« geizt nicht mit Sexyness, Kim Ann Foxman (Hercules And Love Affair) spendiert hier Gesang und Texte, so inbrünstig wie zuletzt Dillon. Und obwohl ständig etwas passiert, neue Schichten und Sounds dazukommen, wirkt das Album sehr reduziert und aufgeräumt, fast nüchtern. In den richtigen Momenten nimmt sie lieber ein Scheibchen weg als ihre Tracks zu groß werden zu lassen, auch die Single »Everything« folgt diesem Schema. Am Ende strahlt »Comfort« vor allem eines aus, Erfahrung. Nicht etwa, weil im Schlussdrittel Tricky und Miss Kittin auf ein Stelldichein vorbeikommen, sondern weil Maya Jane Coles als Twentysomething mehr Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt wie andere Produzenten nach Jahrzehnten. Die Londonerin versteht es, ihre Ideen chic und sexy, aber trotzdem einfach zu verpacken. 07/10 Kevin Reiterer
Pathos, Pomp und gute Laune Empire Of The Sun erschlagen einen sanft mit positiver Energie und Falsetto-Filter-House. Synthpop fürs Stadion in der Optik von »Final Fantasy«. Seit den Werbejingle-Überhits »Walking On A Dream« und »We Are The People« im Jahr 2008 ist viel passiert. Empire Of The Sun aber machen weiter das, was sie am besten können: MGMT-Sounds für die Großraumdisko. Mit Indie hat die Band sowieso nur noch drei Buchstaben gemein. »Ice On The Dune« ist ein Feldzug der Positivität, der einen erschlägt. Zugleich trotzdem ein stimmiger, in sich geschlossenes Konzeptalbum für Synthpop-Jünger mit einer Schwäche für Pathos nahe am Kitsch. Es ist der Sound des Sommers – und du kannst nichts daran ändern. Das zweite Studio-Album gibt Einblick in den Pomp und Größenwahn der Sonnenimperialisten. Das von MMORPG-Charakteren beeinflusste und als »Emperor« und »Prophet« inszenierte Album-Artwork zeigt Nick Littlemore und Luke Steele mit Elfenkönig-Kopfbedeckung respektive Fell-Leder-Jumpsuits vor digitalen Kunstwelten. Musikalisch entwerfen sie mit Cinemascore-Dramatik (Drumroll, Pauken und jaulende Synths) und in Filtersynths eingemantelter Indie-Großraumdisko einen wahnwitzig banalen aber effizienten Sound: Sophisticated House irgendwo zwischen David Guetta und Daft Punk. Praktisch und genauso furchterregend ist dabei die Austauschbarkeit der Songs, die fürs Mitfiebern im Moshpit geschrieben sind. Die Single »Alive« steht neben Songs, die an Ibiza und R.I.O.s »Shine On« erinnern (»Awakening«), und anderen, welche die Grenzen zwischen Noch-Falsett und Schon-Vocoder verschwimmen lassen. »Celebrate« feiert ungeniert das ab, wovon sich all jene krampfhaft zu distanzieren versuchen, die nicht wissen, wie sie ihren Musikgeschmack sonst definieren sollten. »We celebrate love« ist keine besonders einfallsreiche Zeile, sie funktioniert aber in Kombination mit Synth-Riffs Marke à la mode. Neben Synthpop-Pumpen gibt es auf »Ice On The Dune« auch ein paar Balladen. Von Adult-Contemporary-Radiosendern gespielt zu werden, ist hier nicht das Ziel. Empire Of The Sun definieren vielmehr, wie das Formatradio im Sommer 2013 klingen wird. 05/10 Martin Riedl 059
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I-Wolf & The Chainreactions Skull & Bones / Flesh & Blood (Seayou)
Dr. Wolfgang und Mr. Wolf Der Wiener I-Wolf streunt wieder zielstrebig um die Gemäuer von Elektro, Blues und Soul. Entstanden ist ein weitläufiges Konzeptalbum im Doppelpack. Der österreichische Musiker Wolfgang Schlögl hat über die Jahre die unterschiedlichsten Identitäten angenommen: Von den in den späten 90ern gegründeten Sofa Surfers zum mit Franz Reisecker lancierten Projekt Paradies der Tiere über das Paul Divjak-Joint-Venture Team Tool Time bis zu seinen unzähligen Theater- und Filmkompositionen. Als I-Wolf war er knapp zehn Jahre nicht mehr aktiv, damals bekannt für Schichtungen von allerlei Stilen wie Soul, Dub, Downtempo, HipHop, Techno oder deepem Funk, und eines der raren Lebenszeichen der Wiener Musikszene in den frühen Nuller Jahren. Damit schuf er nicht nur ein unruhiges Alter Ego, sondern wahrhaftig intelligente Fahrstuhlmusik. Für sein jetzt bei Seayou unter I-Wolf erschienenes Doppelalbum soll Schlögl insgesamt vier Jahre lang gearbeitet haben. Beim Hören fasziniert die Art und Weise, wie thematische Verbindungsstränge zwischen den beiden Teilen aufgebaut werden. Wenn »Soul Strata« von 2003 die schlanke Club-Produktion war, ist dieser Ziegel der Prototyp eines Konzeptalbums, das auf interessante und unzeitgemäße Art an seinen Ansprüchen scheitert. Kompositionsmäßig wird vordergründig mit dem dualen Charakter beider Alben gespielt: »Skull & Bones«, vorwiegend analog aufgenommen, klingt dumpfer, introvertierter, aber strukturierter, »Flesh & Blood«, mit seinen Ausflügen in Trance, Elektro und Trip-Hop im Gegenzug beschwingter und experimenteller. Ersteres ist mit seinem an Singer / Songwriter orientiertem Blues das zugänglichere Album geworden, während »Flesh & Blood« vor allem mit abstrakteren Club-Klanglandschaften punktet. Dafür hätte es nun zwar nicht die Länge eines Doppelalbums gebraucht und drei verschiedene Sängerinnen sind möglicherweise eine zuviel, aber musiziert wird auf hohem Niveau, gelenkig, zwischen den Polen einer nur scheinbar zersplitterten Existenz. 07/10 Franziska Tschinderle
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Sigur Rós Kveikur (XL / Beggars)
Wale killen Sigur Rós schnüren neun Säckchen Potpourri, um sie abwechselnd in Wohlfühlharmonien und ausgefranste, verzerrte Gitarrenschichten zu tränken. Letztes Jahr verließ das einzig klassisch trainierte Mitglied, Multiinstrumentalist Kjartan Sveinsson, die Band. Sigur Rós kanalisieren die Gefühle über diesen Abgang nun auf ihre Weise: Auf »Kveikur« findet man vermehrt verzerrte Gitarren und drängende Drums, die in die Luft gestellte Pianowände perforieren. Der Opener »Brennisteinn«, ein Crescendo, das von elektronischem Soundgeplänkel hin zu einem beschwörend pulsierendem Eiskristall mutiert, bringt diese neue Ästhetik Sigur Rós’ exemplarisch auf den Punkt. Die milde Kälte, die »Kveikur« anfangs versprüht, ist jedoch nur oberflächlich und wird mit einer ordentlichen Portion Wohlfühlharmonien zersetzt. Gewohnt chiffriert Jónsi derweil die ihm als Katalysatoren dienenden Tracks mittels Volenska hin Richtung Unverständlichkeit. Ersteres beweist den Willen und die Fähigkeiten der Isländer, stetig neue Nischen im eigenen Sound zu finden, um bloß nicht im eigenen Referenzsud zu verharren. Letzteres zeugt von ihrer Motivation, die Brücke zum Hörer über den Sound an sich zu schlagen. Auch Diversifikation ist auf »Kveikur« gelebtes Prinzip der Isländer: Jeder Track steht für sich, kein Song gleicht dem anderen – und doch verbindet sie eine gewisse klangliche Semantik: Ab und an tauchen bereits bekannte Passagen wieder auf oder Soundfragmente werden verändert und wiederverwertet. Das eingangs erwähnte elektronische Gebruzzel ist auf dem titelgebenden »Kveikur« abgewandelt wiederzufinden. »Var«, der obligatorische Instrumental-Track, behauptet sich als Rausschmeißer und präsentiert sich als herzerwärmendes Konglomerat aus Pianoschichten und fragilen Synth-Parts. Auf ihrem siebten Studioalbum distanzieren sich Sigur Rós von ihren Ausflügen in Richtung Aromatherapie-Sountrack, sind eindeutig kantenreicher und räudiger als auf dem Vorgänger »Valtari«. Gerne wird den Isländern vorgeworfen, ihre Musik klinge, als würden sich Wale unterhalten. Auf »Kveikur« sind die Wale dahingerafft worden und liegen nun blutend in ihren letzten Zügen am Strand. 08/10 Christoph Kranebitter
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These New Puritans Field Of Reeds (PIAS)
Karte und Gebiet These New Puritans sind heute eher Konzept denn Band. »Field Of Reeds«, das bemerkenswerte dritte Album der Engländer, bemüht sich um die totale Kunst. Jack Barnett überschreitet keine Grenzen mehr, lieber will er das mittlerweile fast ausschließlich von ihm alleine dirigierte Schlachtschiff These New Puritans gleich ganz der Konvention von U-Musik entheben. Entertainment, das ist für Kinder. Mit ihrem Debüt-Album »Beat Pyramid« hat die in London stationierte Band 2008 noch nervösen Postpunk ins Zeitalter von Nu Rave geführt, der Zweitling »Hidden« war zwei Jahre später schon epochal an der Entgrenzung interessiert: Japanische Taiko-Drums, Orchester, Chorgesang. Das neue Album geht nun mit ähnlichen – jedoch weit spartanischer eingesetzten – Klangmaterialien weiter und findet an der Außenkante des Sektors »Pop« vielleicht gerade noch in Björk und ihren gleichsam dem Traditionalismus wie dem technischen Fortschritt verpflichteten Kunstliedern oder den üblichen RadioheadGeschwistern ihr Pendant. These New Puritans aber wollen mehr: Die Referenzgrößen sollen hier wohl Neue Musik und Musique Concrete heißen, Minimal Music, Avantgarde-Oper und mulmig stimmende, am Katzenklavier zusammengeklimperte Theater-Scores. Man mag sich Jack Arnett gut vorstellen, wie er sich in gewissenhafter Vorbereitung im Cognac-Zimmer die Arbeiten von Steve Reich, Michael Nyman und Benjamin Britten zuführt; und wenn es denn schon Pop sein muss, dann die Metall- und Krach-Versuchsanordnungen von Scott Walker, die filigran gestrickten Stücke eines Robert Wyatt oder die wie im Labor mit der Pinzette angerichteten Glas-Skulpturen der späten Talk Talk. Jack Barnett hat mit »Field Of Reeds« eine dunkle Landschaft zusammenarrangiert, meist karg, öd und dürr. Glass splittert, Gongs scheppern schwer, eine FadoSängerin haucht, ein Falke flattert durchs Studio – den hat man auch aufgenommen. Man merkt dem gerade mal in seinen mittleren 20ern steckenden Barnett die Anstrengung an, hier unbedingt ein finsteres Opus stemmen zu wollen. Aber mit noch jugendlich-frischem Wissen und Tatendrang neue Welten probieren, das ist es vielleicht doch auch schon: Punk. 08/10 Philipp L’heritier
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KINO UNTER STERNEN Open Air am Karlsplatz
28. Juni – 20. Juli 2013
www.kinountersternen.at
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30 Seconds To Mars Love Lust Faith + Dreams (Virgin) — Ein Album wie ein Bond-Soundtrack: Prog-Pop mit Muse-Anleihen und Formatradio-Produktion – pompös, schmalzig und mit Stärken in den Balladen.
Airbourne Black Dog Barking (Roadrunner) — Drittes Studioalbum der australischen Hardrocker deckt fast alle Aspekte der Funktionsmusik »Metal« ab. Zehn Songs zum deppat und laut sein. 06/10
05/10 Werner Schröttner
Rainer Krispel
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Beady Eye BE (Columbia) — Mit ihrem zweiten Album gelingt der Band um den streitbaren Liam Gallagher der endgültige Befreiungsschlag vom Verliererimage rund um die Oasis-Trennung. 07/10
CSS Planta (SQE / Cargo) — Mitreißendes oder Tiefgründiges wird auf »Planta« nicht eingepflanzt. Neben viel Unkraut sind aber ein paar genießbare Electropop-Zwiebeln vergraben. 04/10 Martin Riedl
Abe Duque Rules for the Modern DJ (Abe Duque) — New Yorks House- und Techno-Pionier Abe Duque zeigt eindrucksvoll, dass er die 303 wie wenig andere mit rohem Maschinenfunk füttern kann.
Lady Glittersky, 2009, C-print, 121x92cm, © Thorsten Brinkmann & VBK, Wien 2013
01/10 grottig 02/10 schlecht 03/10 naja 04/10 ok, passt eh 05/10 guter Durchschnitt 06/10 sehr gut 07/10 super 08/10 ein Top-Album des Jahres, Genre-Klassiker 09/10 absolutes Meisterwerk
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06/10 Konrad Kippe
Gerald C. Stocker
Daft Punk Random Access Memory (Sony) — Soft-Rock-Disco mit einem Überhit, der in einer gekonnt orchestrierten Aufmerksamkeitsblase im Retrohimmel über unseren Köpfen explodierte. 06/10 Stefan Niederwieser
Emika DVA (Ninja Tune) — SubbassFeuerwerk-technisch ist »DVA« Silvester. Emika hat auf ihrem zweiten Album etwas Wichtiges geleistet: die Erwartungen nicht enttäuscht und neue gesteckt.
The Fall Re-Mit (Cherry Red) — Ihr 30. Studioalbum in knapp 40 Jahren kann sich hören lassen, zählt aber sicherlich nicht zu den Top 5 ihrer Karriere. 05/10
Miles Kane Don't Forget Who You Are (Sony) — Er zählt in seiner Heimat England zurzeit als hoffnungsvoller Paul Weller Nachfolger, nicht nur optisch, sondern auch musikalisch.
Gerald C. Stocker
06/10 Gerald C. Stocker
Kölsch 1977 (Kompakt) — Der dänische Produzent scheitert auf hohem Niveau an seinem Debütalbum, legt damit aber eine großartige Sammlung an Primetime-Krachern hin. 06/10 Jonas Vogt
07/10 Amira Ben Saoud
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Mile Me Deaf Brando (Siluh) — Ähnlich wie am Cover ihres Debüts »Eat Skull« zieht es Mile Me Deaf auf dieser EP zu beidem: Rosa Zuckerwatte im Prater und abgestandenem Bier im Underground. Hopfen und Schmalz treffen sich irgendwo dazwischen. 06/10
Mary Ocher Eden (Buback / Indigo) — Schrill, elektronisch und politisch unterfüttert: Mary Ocher bewegt sich auf dem ExzentrikLevel von HGich.T. 06/10 Sandra Bernhofer
Franziska Tschinderle
Siriusmo Enthusiast (Monkeytown Records) — Der Über-Enthusiast Siriusmo verschmilzt auf seinem zwei ten Album House-, Technound HipHop-Patterns mit Schmunzeln und Ideenreichtum. 07/10 Kevin Reiterer
Portugal. The Man Evil Friends (Atlantic) — Mit Genauigkeit wiegen Portugal. The Man betäubende Text-Antibiotika mit aufputschenden SoundAphrodisiaka auf. Wichtigstes Eichwerkzeug: Buntpsychedelische Klangfarben der Pink-Floydschen Spähren-Palette. 07/10
Quasimoto Yessir Whatever (Stones Throw) — Witzigschlampiger LoFi-HipHop mit dem sich das Heliumrapperoriginal entspannt aus seinem grasbunten Anarcho-Comic-Universum zurückmeldet. 06/10 Thomas
Henrik Schwarz, Dettmann | Wiedemann, DIN Masse (Ostgut Ton) — Gefangen im Soundpool der Masse verlaufen sich fünf Große der Techno-Szene zusehends auf ihrem Avantgarde-Ausflug. 05/10 Kevin Reiterer
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Christoph Kranebitter
Shampoo Boy Licht (Function) — Shampoo Boy ist großartig, stand letztens im Standard. Hey, Christian Schachinger hat den Text über seine eigene Band eh nicht selbst geschrieben. Alles sauber, ihr Neider!
Tricky False Idols (False Idols / K!7) — Tricky is back. Er besinnt sich dabei auf seine musikalischen Wurzeln, die da wären: Trip Hop mit schrägen Beats und einem Schuss Improvisation. 07/10 Konrad Kippe
Various Artists Kitsuné America Vol. 2 (Kitsuné) — Kitsuné ist nicht Frankreichs Antwort auf das Wiederaufkommen von Disco und 80er New Wave-Styles, sondern vielmehr einer der Ausgangspunkte dieser Bewegung. 06/10 Konrad Kippe
Youand:Themachines Behind (Ornaments) — Handgemachter Ambient-Dub-Techno-Detroit-Field-RecordingHouse ohne Samples. Darf es sonst noch etwas sein?! 07/10 Johannes Piller
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Lady Glittersky, 2009, C-print, 121x92cm, © Thorsten Brinkmann & VBK, Wien 2013
Faceless part I
04.07. bis 01.09.2013 // Di bis So 13 bis 19 Uhr Eröffnung: Mi 03.07., 19h freiraum quartier21 INTERNATIONAL MuseumsQuartier Wien www.quartier21.at // Eintritt frei
Marina Abramović (RS/US), Thorsten Brinkmann (DE), Dora Budor and Maja Cule (CR/US), Asger Carlsen (DK/US), David Haines (UK/ NL), Peter William Holden (UK/DE), Brian Kenny (US), Ute Klein (DE), Zachari Logan (CA), Maison Martin Margiela (BE), Slava Mogutin (US), Gareth Pugh (UK), Mustafa Sabbagh (IT), Sergei Sviatchenko (DK), Levi van Veluw (NL), Viktor & Rolf (NL), Anne de Vries (NL), Addie Wagenknecht (US), WOODKID (FR) u.a.
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Wir wollen fördern – auch Sie. Bank Austria Kunstpreis 2013.
Die Bank Austria, einer der führenden Kultursponsoren in Österreich, vergibt 2013 zum vierten Mal den Bank Austria Kunstpreis in vier Kategorien. Der Preis zeichnet innovative Projekte im Kulturbereich sowie herausragende Leistungen im Kulturjournalismus aus. Die Ausschreibungsfrist läuft noch bis 4. September 2013. Die Ausschreibungsrichtlinien sind auf der Kunstpreis-Homepage der Bank Austria abrufbar: kunstpreis.bankaustria.at. Die Fachjury zur Ermittlung der Preisträgerinnen und Preisträger tritt im November zusammen. Bank Austria Kunstpreis 2013 – Regional – dotiert mit EUR 70.000,–. Der Preis richtet sich an heimische Kulturinitiativen, die lokale Projekte realisieren. Ziele sind die Förderung und die Stärkung des Kulturlebens und einer entsprechenden Infrastruktur auf regionaler Ebene.
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Bank Austria Kunstpreis 2013 – International – dotiert mit EUR 70.000,–. Der Preis zeichnet heimische Kulturprojekte aus, die sich international behaupten können. Damit soll die Position Österreichs als kreative Kulturnation international gestärkt werden. Bank Austria Kunstpreis 2013 – Kunstvermittlung – dotiert mit EUR 70.000,–. Der Preis richtet sich an heimische Kulturprojekte, die eine aktive Auseinandersetzung mit Kulturthemen in der Öffentlichkeit fördern. Ziel ist es, Barrieren abzubauen, möglichst viele Menschen an Kunst heranzuführen sowie Kunst und soziale Anliegen zu verbinden. Bank Austria Kunstpreis 2013 – Kulturjournalismus – dotiert mit EUR 8.000,–. Mit diesem Preis werden Kulturjournalistinnen und -journalisten ausgezeichnet, denen es mit herausragenden Beiträgen gelingt, kulturelle Inhalte einem möglichst breiten Publikum niveauvoll nahezubringen.
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Laurence Anyways (von Xavier Dolan, mit Melvil Poupaud, Suzanne Clément, Nathalie Baye, Monia Chokri) — Im Montréal der 90er, zwischen hässlichen Hemden und kaltem New Wave von Visage, lässt Autor und Lehrer Laurence plötzlich das Mannsein sein. Praktisch über Nacht wird er mit 37 zur Frau. Das stößt am meisten seine Freundin Fréd (bezaubernd: Suzanne Clément) vor den Kopf. Doch selbst sie nimmt die neue Identität von Laurence – vorerst – an. Protegiert vom kanadischen Enfant terrible Gus van Sant gelingt Regie-Wunderkind Xavier Dolan mit »Laurence Anyways« ein Liebesfilm, der sich in keinem Augenblick an Gender-Klischees bedienen muss. Mühelos hangelt sich Dolan durch ein schrilles (und überlanges) Gefühlskino, auf der Jagd nach der einen, bedingungslosen aber unmöglichen Amour fou. Verliebt ins kleinste Detail (von Farben bis zu Frisuren und Kostümen und 4:3-Format), kitschig, pompös, banal, rauschig und mit dem unverbesserlichen Gefühl, dass diese Liebe viel purer ist als alles, was man sich als Seher jemals vorstellen könnte. Ständig pocht die unbequeme Frage im Kopf, ob man denn selbst stark genug dafür wäre – die Grenzen des Körpers zu überwinden und über die Schranken im Kopf zu klettern. »Laurence Anyways« ist der kleine Entwurf einer großen Liebe. 08/10 Martin Riedl The Place Beyond The Pines (von Derek Cianfrances; mit Ryan Gosling, Bradley Cooper, Eva Mendes, Rose Byrne) — Ryan Gosling als verbrecherischer Stuntfahrer, die Zweite. Haarfarbe und Vehikel haben sich seit »Drive« verändert, geblieben ist die Reduktion der Mimik und der Wortspenden. Funktioniert hervorragend in Winding Refns Film noir, geht in Derek Cianfrances Familiendrama »The Place Beyond The Pines« gehörig in die Hose. Die Figuren bleiben unnahbar und unverstanden. Statt einzutauchen, mitzufühlen, mitzufiebern, fragt man sich hier nur ständig, was die Charaktere denn nun antreibt und bewegt. Der Film erzählt – in drei chronologisch strikt getrennten Akten – eine langatmige Geschichte von Schuld und Sühne. Akt eins gehört dem Stuntfahrer, der Banken für eine potenzielle Zukunft mit seiner Familie ausraubt, Akt zwei dem Polizisten (Bradley Cooper), der ihn stellt und seine politische Karriere darauf aufbaut. Im dritten Akt treffen schließlich die leicht kaputten Söhne der beiden aufeinander. Auch für Goslingund / oder Cooper-Fans ist das kein Pflichttermin. 03/10 Leo Dworschak
Confession Of A Child Of The Century (von Sylvie Verheyde; mit Charlotte Gainsbourg, Pete Doherty, Lily Cole, August Diehl) — Charlotte Gainsbourg ist zweifelsohne eine großartige Schauspielerin, Sängerin ist sie nebenbei auch. Bei Pete Doherty ist dieses Verhältnis genau gegenteilig gelagert und entsprechend beeindruckt sein Spiel – nämlich überhaupt nicht. »Confession Of A Child Of The Century« will ein großes Liebesdrama um eine Generation von Dandies sein, lange bevor es Dandies wirklich gibt. Das Metier ist spät-adelig bis früh-bürgerlich, die Kostüme sind voluminös; den ganzen Film überzieht ein Nachkriegsgrau und die empfindlichen Worte von Pete Doherty geben uns den Rest. Nicht falsch verstehen, die Regiearbeit von Sylvie Verheyde ist nicht furchtbar, aber aufregend ganz bestimmt auch nicht. August Diehl glänzt, wie gewohnt, hier als abgeklärter Diskursstifter. Alles andere verfliegt wie der Nebel zwischen den Kulissen und das Drama bleibt blass wie die Haut von Charlotte. 04/10 Klaus Buchholz
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The Broken Circle (von Felix Van Groeningen; mit Johan Heldenbergh, Veerle Beatens)
Die Blue Note, die das Leben spielt Felix Van Groeningen erzählt die Ballade von der Tätowiererin und dem Banjospieler. »The Broken Circle« zählt zur dramatischen Sorte Musikfilm. Spärlich, nur in Rückblende sind die unbekümmerten Szenen am verfallenen Bauernhof zwischen der tätowierten Elise und dem Rockabilly-Musiker Didier. Elise wird überraschend schwanger, doch die Leukämie der kleinen Maybelle überschattet das Familienglück. Mit ihrer Tochter gehen sie durch alle Stadien der Krebshölle. Chemotherapie, Bestrahlung, Stammzellentherapie. Fortunas Rad schraubt sich tief ins Fleisch, Felix Van Groeningen verlangt dem Betrachter einiges ab. Das Thema transportiert er mit genialer Feinfühligkeit über unerwartete Wendungen, die aus dem Hollywood-Rahmen fallen. Wenn man in der Halbzeit nach Luft schnappt und konditioniert darauf wartet, dass sich der Kreis wieder schließt, beginnt die kritische Auseinandersetzung mit der einfach gestrickten Story: Paar bekommt überraschend Kind, liebt sich trotzdem halb unkonventionell weiter, Kind stirbt mit sechs Jahren an Krebs und die Liebe zerbricht. Eine Gefühlswucht geht gekonnt durch Krankheit, Tod und Liebe oder stellt große Fragen der medizinischen Ethik. Welche Trauerarbeit leistet man sich als Atheist und wie erklärt man einem Kleinkind das ewige Leben, wenn man selbst nicht daran glaubt? Die durch die Musik von Didier so verehrten USA belasten ihn durch ihre Stellungnahme im Kampf zwischen konservativer Politik und Wissenschaft. Immer wieder wird kritisch auf die Regierung von George W. Bush angespielt. Die zweite Hauptrolle spielt die Filmmusik. Country hilft immer, begleitet durch gute und schlechte Zeiten. Die Musik ist Religionsersatz für Didier, für Elise sind es ihre Tattoos. Die beiden treten in mehreren Schlüsselszenen mit einer Country- und Bluegrass-Band auf. Dass die Schauspieler den Soundtrack selbst einspielen, funktioniert bei den wenigsten Filmen so gut wie hier. Die 15 Songs sind mehr als Untermalung. Titel und Songtexte korrespondieren direkt mit der Handlung. Didiers Bluegrass-Banjo und weinerliche Gitarren begleiten unmittelbar auf dem emotionalen Seiltanz durch Liebe, Tod, Rockabilly und Religion. Ein Film, der sich unter die Haut schreibt wie ein tintenschwarzes Tattoo. 08/10 Juliane Fischer
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Film
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F e s t i va l presented by
Opel ADAM
Featuring:
Weekend (von Andrew Haigh; mit Chris New, Tom Cullen)
Der ganz normale Alltag
jamie lidell
»Weekend« erzählt, wie ein One-Night-Stand zwei junge Menschen durcheinanderbringt. Eine ganz normale (schwule) Liebesgeschichte – mit Diskurs.
attwenger
»Weekend« gehört zu einer Reihe von Filmen eines jungen queeren Kinos, das mit Zuschreibungen mittels solcher Hilfsbegriffe ein Problem hat. So verständlich die Abneigung der Filmemacher gegenüber einer Schubladisierung ist, so diskussionswürdig sind auch ihre Rollen innerhalb eines möglichen Generationenwechsels. Die Filme von Andrew Haigh, Travis Mathwes (»In Their Room«, »I Want Your Love«) oder Ira Sachs (»Keep The Lights On«) verfolgen einen ähnlichen Anspruch. Ihnen geht es darum, den Alltag von homosexuellen Liebenden zu thematisieren und darzustellen, aber nicht unbedingt auszustellen. Der Fokus liegt auf alltäglichen Konflikten und Dramen, die alle Menschen einer Gesellschaft gleichermaßen betrifft, auch wenn diese Gesellschaft heteronormativ und patriarchal geprägt ist. Mainstreaming könnte man das einerseits nennen, oder andererseits die Unlust gegenüber einer Ghettosierung, die auch nicht vor Kinosälen halt macht. »Weekend« ist zuallererst ein Drama, dessen Liebesgeschichte abwechslungsreich, unaufdringlich und dennoch ganz selbstverständlich sexpositiv ist. Keine Angst: biederes Kino sieht anders aus und fühlt sich anders an. Dem Titel entsprechend lässt Andrew Haigh in seinem Film zwei junge Männer ein Wochenende miteinander verbringen. Russell und Glen lernen sich in einem Club kennen, nach ausgetauschten Blicken und vielen Drinks landen sie schließlich in der Wohnung von Russell irgendwo im 14. Stockwerk einer Hochhaussiedlung in Nottingham. Er ist ein bescheidener, aber zuversichtlicher und vielleicht auch romantischer junger Mann, der als Bademeister jobbt. Glen gibt den exaltierten, zynischen Künstler, dem Konventionen, Sachzwänge und Beziehungen zuwider sind. Während sie sich letztlich beide ineinander verlieben, diskutieren und reflektieren sie immer wieder aus unterschiedlichen Perspektiven das, was diese Gesellschaft ihnen als moderne schwule Männer abverlangt. »Are you happy?« – Aus naheliegenden Empfindlichkeiten heraus entwickelt Regisseur Haigh eine kleine Diskurs- und eine große Liebesgeschichte. Seine Kamera wechselt zwischen Diskretion und Neugier. Grenzen der Annäherung werden quer durch die Inszenierung immer wieder ausgelotet, bis der Film sich dann in eine angenehm unverkrampfte Sexszene hineinfallen lässt. Doch am Morgen danach begnügen sich die aufgeworfenen Fragen nicht mit der Einfachheit eines Happy Ends. »Weekend« ist ein sehr nachvollziehbarer und spannender Film über den ganz normalen Liebeshaushalt zwischen zwei Menschen – die zufällig schwul sind. 09/10 Klaus Buchholz
kreisky koenigleopold
2. 3.7.2013 Theater Akzent Theresiuanumgasse 18, 1040 Wien
Ticketpreise Festivalpass Kat. 1 € 58 (VVK) € 65 (AK) Festivalpass Kat. 2 € 52 (VVK) € 59 (AK) Tagesticket Kat. 1 € 32 (VVK) € 38 (AK) Tagesticket Kat. 2 € 29 (VVK) € 35 (AK) Kategorie 1: Parkett, Reihe 1–7 Kategorie 2: Parkett, Reihe 8–20
TickeTs & iNFO www.interlude.at
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Arbitrage (Universum) von Nicholas Jarecki; mit Richard Gere, Susan Sarandon, Tim Roth
Introducing Armando Iannucci Es ist höchste Zeit, die großartige Arbeit von Armando Iannuci zu würdigen. Seine neue TV-Serie »Veep« ist die passende Gelegenheit – und eine Einladung zur Ohrfeige. Das tagespolitische Geschäft fokussiert aufzuarbeiten, gehorcht einer langjährigen Tradition im britischen Fernsehen. »Yes Minister« und »House Of Cards« sind hier nur zwei Höhepunkte aus den 80ern, die bis heute prägen. Zwischen diesen beiden Meilensteine, zwischen die verspielte Satire und den aufreibenden Politthriller, hat Iannucci zwischen 2005 und 2012 seinen eigenen gesetzt. »The Thick Of It« erzählt von kopflosen Ministern, die Spielbälle ihrer Partei, ihrer Berater, den Medien und ihrem Narzissmus sind. Mit spürbarem Nachgeschmack von »The Office« (Ricky Gervais) hat Iannucci eine PolitMockumentary geschaffen, die entwaffnend, scharfsinnig und haarsträubend komisch ist. Gleichzeitig demoliert »The Thick Of It« aber auch das, was zuvor Aaron Sorkin mit »The West Wing« jenseits des Atlantiks etabliert hat. Im alten Europa wird Pathos durch Peinlichkeit ersetzt. Statt vernünftigen Liberalen veranschaulicht »The Thick Of It« verschlagene Machtmechanismen. Das charakteristische kopflastige Walk-and-Talk-Storytelling von Sorkin wird hier pervertiert, seine kopflosen Akteure kontert er mit menschlichen Abwärtsspiralen, die sprachlos zurücklassen. Die Oskar-Nominierung für das Spin-off »In The Loop« hat ihm 2009 die Tore zum Weißen Haus aufgestoßen. In seinem HBODebüt »Veep« dekonstruiert er nun das Fernsehbild des Oval Office. Mit Julia LouisDreyfus als inkompetente Vizepräsidentin spielt der Schotte Iannuci das vorbildliche Polit-Epos von Sorkin an die Wand. Das dürfte nachhaltig wirken, auch wenn »Veep« im Vergleich zu »The Thick Of It« spürbar sanfter ausfällt. So viel wird so nah am Präsidentensessel, mit so einer Starbesetzung, kaum geflucht. »That’s like trying to use a croissant as a fucking dildo!« – Tugendhafte Spitzenpolitiker klingen anders. TEXT Klaus Buchholz BILD Honeyfizz
Blank City (Rapid Eye Movies) von Céline Danhier auf DVD
Lincoln (20th Century Fox) von Steven Spielberg; mit Daniel Day-Lewis, Tommy Lee Jones, Sally Field
Die Wand (Studiocanal) von Julian Pölsler; mit Martina Gedeck
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Robert Miller (Richard Gere) ist ein bemerkenswert erfolgreicher Mann. Beruflich hat er sich als Manager einen Namen gemacht, privat wird er geschätzt und geliebt. Doch ein missglückter Deal droht, sein Lebenswerk zu vernichten. Schnell bröckelt die Fassade, hinter der er sich verbirgt. Dem erfolgsverwöhnten Miller ist jedes Mittel recht, um seinen Hals zu retten. Als er in einen fatalen Unfall verursacht, weicht er nicht ab von seinem Weg. Mit Geld regelt er all seine Probleme – sehr zum Missfallen von Familie und Freunden. Und als seine Tochter Brooke den gigantischen Betrug im Unternehmen aufdeckt, steht der Patriarch vor einer scheinbar schwierigen Entscheidung. Äußerst ungelegen kommt ihm dabei Detective Michael Bryer (Tim Roth), der sich an seine Fersen heftet. Hoffentlich liegt es nur an der grandiosen Performance von Richard Gere, dass man verleitet ist, mit dem Betrüger, zu sympathisieren. 08/10 Stefan Kluger Der knallbunte HipHop-Film »Wild Style« und der krachende Noise von Sonic Youth sind artverwandt. Im New York der 70er Jahre wird die Lower East Side zum Zentrum einer Filmkultur, deren Einflüsse und Ausprägungen ein breites künstlerisches Spektrum bedienen. Transgression, Lust und Punk sind die Stichworte eines heftigen Aufbruchs. Céline Danhier erklärt in ihrer umfangreichen Doku, was alles unter dem Label »No Wave« verstanden werden kann. Bis Jim Jarmusch am Ende an die Macht der Ideen appelliert, deutet sie den Aufstieg und die Zersetzung dieses IndependentGenres. Dicht gespickt mit Originalaufnahmen und klassischen Interviewszenen illustriert der Film die künstlerische Entwicklung dieser Bewegung. Im Vorbeigehen werden Gentrifizierung und Kommerzialisierung in Kontext gebracht, werden Aids und künstlerische Integrität diskutiert. Nach außen etwas zu unaufgeregt, inhaltlich dafür umso kompakter. 07/10 Klaus Bucholz »Lincoln« ist mit zweieinhalb Stunden Laufzeit nicht gerade schmal angelegt. Und doch: Es ist ein fokussierter, klarer Film über die letzten Monate von Abraham Lincoln und seinen Kampf darum, den 13. Zusatz zur US-Verfassung durchzubringen, der den Sklavenhandel verbieten soll. Spielberg konzentriert sich auf eigentlich wenige Szenen, lässt diese aber breit wirken. Lincoln ist als geralterte Überperson ständig präsent, einzelne Szenen bringen unterschiedliche Charakterzüge zum Vorschein: Lincolns Hang zum Geschichtenerzählen, aber auch seinen Sinn für durchaus bösen Humor, ein schwieriges Beziehungsleben und später seine Durchsetzungskraft und sein Wille. Die Wahl im Repräsentantenhaus kann nur gewonnen werden, wenn auch einzelne Demokraten dem Zusatz zustimmen – und diese müssen auf verschiedene Art überzeugt werden. Daniel Day-Lewis spielt gewohnt körperlich, große Auftitte hat auch Tommy Lee Jones. Als Film überzeugt »Lincoln« durch erprobte Technik und aussagekräftige Reduktion. Fast überraschend gut. 08/10 Martin Mühl Julian Pölsler verfilmt Marlen Haushofers Roman aus dem Jahr 1963 und entschied sich für einen sehr direkten Weg, das Buch auf die Leinwand zu bringen, arbeitet handwerklich hochwertig – und scheitert doch. Inhalt des Buchs ist die Ich-Erzählung einer Frau, die über Nacht in den Bergen von einer durchsichtigen Wand eingeschlossen wird und sich damit abfinden muss, nun allein zu sein. Sie kümmert sich um einen Hund und eine Kuh, muss der Natur ihre Nahrung abringen. Der Leser erfährt ihre Geschichte über ihre Gedanken in Ich-Form, was das Buch ausmacht, sind die Fragen, die sich im Kopf des Lesers breit machen. Das fängt bei Offensichtlichem wie Einsamkeit oder dem Verhältnis des Menschen zur Natur an und hört bei Gender-Fragen noch lange nicht auf. Wenig davon wird im Buch wörtlich gefragt und formuliert. Pölslers Textauswahl ist nachvollziehbar und schlüssig, Bilder und Musik sind ansprechend und Martina Gedeck spielt ziemlich wunderbar. Fragen im Zuseher ruft das alles aber nicht hervor. 05/10 Martin Mühl Auf www.thegap.at außerdem Reviews von »Breaking Dawn – Biss zum Ende der Nacht (Teil 1)«, »Cold Blood«, »Hell On Wheels Staffel 1«, »Der Hobbit: Eine unerwartete Reise«, »House Of Lies – Staffel 1«, »Jack Reacher« , »John Dies At The End«, »Prometheus – Dunkle Zeichen«, »Person Of Interest«, »Red Eagle«, »Sons Of Anarchy Staffel 1« , »Verbrechen«, »Wolfblood«, …
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SUBOTRON/WKW pro games Veranstaltungsreihe zur Praxis von digitalen Spielen im MuseumsQuartier / quartier21 / Raum D, 1070 Wien subotron.com/veranstaltungen/pro-games/
Do. 04.04.13, 19h
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Die rechtlichen Aspekte der Spieleindustrie
#15: Seamless Mobility Mobilität, von vielen als allgemeines Grundrecht bezeichnet, wird gleichgesetzt mit Selbstbestimmung, Individualität und Freiheit. Nachhaltige Mobilitätskonzepte setzen auf umweltschonende Verkehrsmittel und auf intelligente Steuerung der Verkehrsströme. Die größte Herausforderung liegt aber bei den Schnittstellen. Bislang waren die einzelnen Verkehrsinfrastrukturen weitgehend monolithische Systeme – der Übergang zwischen Schiene, Straße und öffentlichem Nahverkehr dementsprechend holprig. Zur Realisierung multimodalen Verkehrs braucht es verbesserte physische Interfaces zwischen Verkehrsmitteln und bessere Vernetzung der Infrastrukturen auf der Steuerungsebene. Im Rahmen von twenty.twenty #15 wollen wir diskutieren, was es braucht, um die Vision der Seamless Mobility zu erfüllen, und wie Technologien unsere Mobilitätskultur prägen.
Di., 18.06.2013 – Empfang 18:30 Uhr – Start 19:00 Uhr The Hub Vienna, vienna.the-hub.net Wien 7., Lindengasse 56/ Top 18 –19 Die Veranstaltungsreihe twenty.twenty widmet sich als offene Diskussionsplattform Zukunftsszenarien einer Welt 2020. Denn: Zukunft kann nicht gepredigt oder verordnet werden. Sie gehört diskutiert und gestaltet.
Konstantin Ewald, Partner Osborne Clarke, Köln Alexander Schnider, Associate Baker & McKenzie, Wien Sebastian Kellermayr, Rechtsanwalt, KBL Kellermayr Business Law, Wien Gregor Eigner, Managing Director Mi’pu’mi Games, Wien
Do. 18.04.13, 19h
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Game Jams – Theorie und Praxis kollaborativen Rapid Game Prototypings Jürgen Musil & Roland Moritz
Do. 02.05.13, 19h
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Building a Multiplatform Game Business Tommy Palm, “mobile guru” game designer and entrepreneur, Stockholm
Do. 16.05.13, 19h
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Projektanalyse: „Hitman: Absolution“ – Einblicke in die Entwicklung eines Blockbusters Hannes Seifert, Production Director & Executive Producer IO Interactive
Do. 06.06.13, 19h
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Eine tolle (Spiele)Idee – und nun? Dr. Karoline Simonitsch, Expertin für digitale Medien & Geschäftsmodelle
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Live-Pitch österreichischer Games #2 Die Vertreter der nominierten Games aus den Kategorien „Studentenprojekt“ und „Firma“ haben im Vorfeld der Veranstaltung einen PitchWorkshop der Wirtschaftskammer Wien absolviert. Jetzt müssen sie in 5 Minuten die internationale Expertenjury von ihrem Projekt überzeugen und bekommen umgehend direktes Feedback. Beurteilt werden sowohl die Präsentation als auch das Spiel selbst Unterstützt von www.creativespace.at– Die Kreativplattform der Wirtschaftskammer Wien
Medienpartner:
www.twentytwenty.at | www.facebook.com / exploring2020 | www.twitter.com / exploring2020
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Warren Ellis Gun Machine (Heyne)
William E. Bowman Die Besteigung des Rum Doodle 01 (Rogner & Bernhard) — »Die Besteigung des Rum Doodle« ist eine britische Bergsteigersatire, die zwar in Bergsteigerkreisen Kultstatus genießt, aber darüber hinaus zu Unrecht wenig bekannt ist. Jetzt gibt es diesen Geheimklassiker aus den 50er Jahren erstmals auf Deutsch. Erzählt wird die Geschichte einer Expedition, bei der so gut wie alles schief geht. Verständlich, wenn man sich das Team ansieht: Der Navigator findet trotz Einsatz eines Kompass nicht den Ort zur Vorbesprechung in London, der Arzt ist ständig krank, der Hauptkletterer leidet an Antriebslosigkeit, der Übersetzer versteht die Sprache der Einheimischen nicht. Und am Ende haben sie alle den falschen Berg bestiegen. »Das lustigste Buch, dass Sie jemals lesen werden«, verspricht Bestsellerautor Bill Bryson, ein großer Fan des Romans, im Vorwort. Nun, ganz so wild ist’s auch wieder nicht. Aber das Bergsteiger-Klamaukpendant zu »Per Anhalter durch die Galaxis« ist William E. Bowman (1911–1985) jedenfalls gelungen.
Manhattan Hate Story Der grimmige Warren Ellis baut sich einen CSI-Film: manischer Mörder, kultische Verschwörung, keine klaren Linien. Ergo: Man hat es mit einem politischen, hard-knuckled Ultra-Mystery-Thriller zu tun.
08/10 Philip Hautmann
Ilias Dahimène, Stefan Redelsteiner (Hrsg.) Reise durch Europa – Elf Essays 02 (Redelsteiner Dahimène Edition) — Wahnwitz und Liebe zur Literatur gehört dazu, gründet man am Anfang des 21. Jahrhunderts einen Verlag. Ilias Dahimène und Stefan Redelsteiner, beide Labelbetreiber (Seayou bzw. Problembär Records) und somit bereits gut geschult im Möglichmachen von Wahnwitzigem, haben dies getan. Zwei Bücher hat der junge Verlag nun im Portfolio. Neben der aktualisierten Oskar Bronner-Biografie »Trotzdem« wurden für den Essayband »Reise durch Europa« elf Autoren, teilweise jung, nicht selten auch mit musikalischem Background (Gregor Fröhlich, Hubert Weinheimer, Nino Mandl), zusammengefischt und liefern Reiseberichte und Gedankengänge zum Thema ab. Wobei der Essay- und Reisebegriff elegant offen gefasst ist. So arbeitet etwa Christine Schramm in vier übers schmale Kompendium verteilten Gedichten auf eine Prosaskizze hin, die in einem austauschbaren Club-Nirgendwo endet. Und Maria Hofer zerpflückt ein derbes Après-Ski, oder besser: zertrümmert heimische Alpenregionalismen und Hüttenklischees. Dazwischen führen die Autorenreisen nach Italien, Berlin, Spanien, den Balkan oder, wie bei Stefanie Sargnagel, in die Ukraine. Dieser Reisebericht sticht nicht nur wegen seiner Länge heraus. Zwischen Bier und Busfahrten, Autostopps und Ortswechseln werden mit ungekünsteltem Blick und tragikomischer Feder Land und Leute, Bekanntschaften und nicht zuletzt auch das eigene Ich erkundet. 07/10 Manfred Gram Dave Eggers Ein Hologramm für den König 03 (Kiepenheuer & Witsch) — Die Sonne brütet über den Saudi-Arabischen Emiraten und Alan Clay über sein Leben oder dem, was übrig ist davon: ein Haufen Schulden und Probleme, die damit einhergehen. Der Globalisierung hinkt er hinterher, seine persönlichen Stärken hat er selbst in der Halbzeit seines Lebens noch nicht gefunden. Er gehört zu den Verlierern in einer neuen Weltordnung, in der Arbeitsplätze ausgelagert und Traditionsunternehmen verkauft werden. Während die mit ihren Ideen noch brav auf ihre Kunden warten, haben die Chinesen längst schon den Deal klargemacht. Doch Alan Clay hofft auf eine neue Chance: ein Auftrag für den saudi-arabischen König persönlich soll alles ändern und mit einem Schlag das Leben wieder lebenswert machen. Mitten in der Wüste soll eine funkelnde Wirtschaftsmetropole entstehen, die dem absolutis-
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Der amtsmüde Kriminalbeamte, ernüchtert an der Bürokratie und am Alltag eines Berufs, der vielleicht mal aus übereifrigem Idealismus gewählt wurde. John Tallow, Protagonist von »Gun Machine«, ist ein exzellentes Beispiel für diesen Krimi-Archetyp. Und nebenbei geht es auch um ein Aufbäumen dieses verbrauchten Mannes. Das ist nicht minder klassisch. Aber es wäre nicht Warren Ellis, wenn es sich dann doch so einfach abfrühstücken ließe, wie es sich auf den ersten Blick präsentiert. Zur Veranschaulichung erfindet der Autor daher eine Zaubermaschine, manifestiert in Form eines Raums voller Waffen und schmiedet ein Spinnennetz aus Waffenstahl. John Tallows Partner wird erschossen. Mehr höchst unglücklicher Zufall als sonst etwas. Das reicht aber schon, um Tallow eine Entdeckung machen zu lassen, die zum ersten Startfunken für seinen rostenden Motor werden soll: Die Spurensicherung findet eine Wohnung, vollgestopft mit Schusswaffen, die in Mustern an Wänden und Boden angebracht sind. An dieser Stelle beginnt der Kern des Romans. Diesem entspringt der Antagonist, ein Serienmörder, der als andersartiger Schamane der Handlung erst den relevanten Biss verleiht. Hier jetzt aber mehr zu verraten, wäre ein Verbrechen. »Gun Machine« ist tatsächlich weniger Krimi als Psychogramm einer Stadt. Oder, genauer gesagt, der Menschlichkeit einer Stadt. Manhattan ist der Star, die Menschen sind tragende Nebenrollen. Wo Warren Ellis in seinem Erstling »Crooked Little Vein« in (vermeintlich) perversen Kulturlöchern herumstocherte, Schocktaktiken an vorderster Front, kriecht er in »Gun Machine« unter die Haut. Es mangelt hier an Grausigkeiten, dafür geht es tiefer. Die Frage richtet sich nach der Herkunft: Wie, wo und womit wurde diese Stadt gebaut? Und was bedarf es, um sie am Leben zu erhalten? Ellis setzt klugerweise eine unaufgeregte, minimalistische Erzählweise ein, erreicht damit eine Verstärkung der verstörenden Dimensionen der Erzählung. Das Buch ist trotzdem packend, zeigt sich aber weniger als klassischer Spannungsroman, sondern viel mehr als enthüllender Bericht eines zuvor verborgenen Rituals. Glücklicherweise schrieb Ellis keine Fortsetzung von »Crooked Little Vein« und erlaubt so »Gun Machine« als klugem Mystery-Thriller, auf eigenen Füßen zu stehen. 07/10 Nuri Nurbachsch
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tischen König entspricht. Die arabische Langsamkeit und das Projekt spannen die Geduldsfäden der Beteiligten. Schlicht, schmucklos und amerikanisch schreibt Eggers von der Angst einer Nation vor fundamentalen Veränderungen, die seit einigen Jahren ein Gefühl der Unsicherheit in der Supermacht erzeugen. 07/10 Juliane Fischer Daniel Odija Auf offener Straße 04 (Zsolnay) — Daniel Odija (geb. 1974) hat mit dem Erscheinen dieses Romans 2001 in seiner Heimat Polen heftige Kontroversen ausgelöst. Drastische, aber notwendige Milieuschilderungen vom Rand der polnischen Gesellschaft, der gar nicht so weit am Rand ist, wie man glauben möchte, sahen die einen, übertriebene, auf Schockwirkung bedachte Reißerliteratur sahen die anderen. Am Anfang der Lektüre mag man zur zweiten Position hin tendieren, aber im Lauf des Lesens kommt immer mehr das MenschlichAllzumenschliche angesichts einer Gesellschaft, die sich im radikalen Wandel befindet, zum Vorschein. Grenzsituationen sind es, die Odija beschreibt, nüchtern und illusionslos. 06/10 Philip Hautmann Sylvia Plath Die Glasglocke 05 (Suhrkamp) — 1963, kurz nach dem Erscheinen ihres Romandebüts »Die Glasglocke«, nahm sich Sylvia Plath das Leben. Vor 50 Jahren also, Grund genug für Suhrkamp, dieses Jahrhundertwerk neu und schön ausgestattet aufzulegen. Und zwar in der Übersetzung von Reinhard Kaiser (aus dem Jahr 1997), die den komischen, übersteigerten
Ton des Romans ins Zentrum rückte. Zur Erinnerung: Plath siedelte »Die Glasglocke« im Herzen von New York an. Ein Dutzend Mädchen aus ganz Amerika gewinnt ein Volontariat bei einem Hochglanz-Modemagazin. Während sich ein Großteil der Mädchen freut wie die Mäuschen, kann sich Esther noch nicht so richtig mit der Situation anfreunden. Kurz gesagt, sie hat einen anderen Blick, reagiert auf Kleinigkeiten, das Wetter, die Architektur, in Summe wächst in ihrem Kopf alles zu einem bedrohlichen Dschungel zusammen. Je mehr sich vor ihr die Welt entfaltet, desto mehr treibt es Esther in eine dunkle Ecke – Dramatisches folgt. Fazit: Sagenhaft. prägnanter Stil, großartige Metaphern. Hier bleibt nichts zu wünschen übrig. 10/10 Martin G. Wanko
Kevin Powers Die Sonne war der ganze Himmel 06 (S. Fischer) — Kevin Powers Roman ist dem Genre Kriegsrealismus zuzuordnen, trotz der präzisen, literarisch hochwertigen Landschaftsbeschreibungen der Wüste im Irak sowie des aufkeimenden Frühlings. Es ist ein authentischer Erfahrungsbericht eines jener jungen Soldaten, die man vor rund zehn Jahren in das Verderben schickte. Eine Geschichte zwischen Schuld und Unschuld, zwischen Wahrheit und Lüge, sehr gut aufgeteilt in elf, zu unterschiedlichen Zeiten spielende Kapitel. Es geht um die tragische Freundschaft zwischen den Soldaten John Bartle und Daniel Murphy. Der schrille Ton der Mörsergranaten, der Geruch vom verbrannten Fleisch gefallener Soldaten, eine Überdosis Selbsthass und dazu als Kontrastbild
die im Frühling blühenden Bäume. Szenen also, die man aus vielen Antikriegsromanen kennt. Dennoch ist die Intensität von Kevin Powers Sprache erfrischend, ebenso wie die Mischung aus Abgebrühtheit und literarischem Feinschliff. 04/10 Martin G. Wanko
Dimitri Verhulst Monolog einer Frau, die in die Gewohnheit verfiel, mit sich selbst zu reden 07 (Covadonga Verlag) — »Covadonga ist der Verlag für Radsportliteratur«, liest man auf der Website. Die Novelle des flämischen Schriftstellers Dimitri Verhulst greift eine reale Geschichte auf, die letzte Etappe des Radprofis Frank »VDB« Vandenbroucke. Er ist einer der gefallenen Engel des Radsports nach einer Karriere der allzu großen Versprechungen, Skandale und vertanen Chancen – gestorben »im abgefucktesten Hurennest von ganz Senegal« und das unter mysteriösen Umständen. Protokollartig klingt es aus dem Mund der Prostituierten, mit der Jens de Gendt, das literarische Alter Ego von Frank Vandenbroucke, seine letzten Stunden verbracht hat. Einem Rechenschaftsbericht gleich, spricht sie sich alles von der Seele, denn schließlich steht sie unter Mordverdacht. Diese Perspektive der Rekapitulation gibt der Geschichte die spannende Dimension, die es braucht, um schnell gelesen zu sein. In wenigen Stunden liest man hier über Lebenshunger und Kampfwillen und zwei unterschiedlich gepolte Kontinente. Ansonsten bietet das Büchlein ein eher mittelmäßig aufregendes Lesevergnügen. 05/10 Juliane Fischer
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R ez David B. Black Paths 01 (SelfMadeHero) — 1919. Gabriele D’Annunzio hat mit seinen Anhängern Fiume (das heutige Rijeka in Kroatien) belagert. Er ruft die italienische Regentschaft am Quarnero aus. Fiume wird für einen kurzen Augenblick zum Sammelbecken der unterschiedlichsten Weltanschauungen. Demokratische Republikaner, Monarchisten, italienische Radikalisten, Liberalisten, Nationalisten, Dadaisten, Futuristen, Kommunisten, Anarchisten, Nachfolger der Dekadentisten, Freigeister und die verschiedensten Faschisten. D’Annunzios ultranationale Haltung legt den Grundstein für Mussolinis spätere Despotie. Fiume stürzt immer mehr in Gewalt und Freibeuterei. In dieser anbrechenden Finsternis treffen Laureano und Mina aufeinander. Er ist ein ehemaliger Ardito, Mitglied dieser gefeierten Sturmtruppen des italienischen Heeres. Krank vom Krieg, verloren in seiner Suche nach einer neuen Zukunft für sich. Sie ist Sängerin, auf der Flucht vor Ausbeutung und auf der Suche nach Ruhm. PierreFrançois Beauchar, alias David B., setzt sein Talent, Fiktion zu Geschichte und Historie zu Fantasie zu machen, perfekt ein für »Black Paths«. Die Romanze zwischen Laureano und Mina ist durchwebt von den dunklen Pfaden einer Welt, die aus der Vergangenheit in die Zukunft ausbrechen will, doch sich selbst dabei immer wieder mit Prügel und Geschrei zurückreißt. Ein symbolisch aufgeladenes Juwel der grafischen Erzählkunst. 08/10 Nuri Nurbachsch
Gerald Hartwig Chamäleon (Luftschacht)
Schöner scheitern Mit dem autobiografischen Trip »Chamäleon« katapultiert sich Gerald Hartwig in die 90er Jahre zurück. Erwachsenwerden und seinen Traum vom Filmemachen will der junge Held verwirklichen. In Los Angeles. Doch der Moloch hält einiges an Fallstricken und Schlaglöchern bereit … Gerald macht sich auf, nach L.A., ins Filmbusiness. Um langsam erwachsen zu werden und das mühsam erarbeitete Geld der Elterngeneration in den Sand der eigenen Sinnsuche zu setzen. Man denkt sich: So und nicht anders muss es sein. Der Wechsel der Generationen. Der Lauf der postmodernen Welt. Altmodisch und sympathisch daran ist, dass Gerald kein hedonistischer Lebenslaufoptimierer ist, der sich voller Karriereoptimismus an die angesagtesten Orte des Planeten begibt. In ihm lebt einfach der rohe, unbearbeitete Wunsch, Filme zu machen: »Länge: Solange das Geld reicht. Budget: So lange Geld da ist. Vertrieb: Kommt Zeit, kommt Rat« (Seite 063). Irgendwie wird es schon funktionieren. Doch irgendwie funktioniert es nicht. Die Filmschule ist abgeschlossen, der schnelle Einstieg ins Filmemachen will sich aber nicht ergeben. Im Rückblick geht es dabei ebenso um die Versuche des Filmemachens wie um die zwischenzeitlichen Versuche des Weiterlebens: Die Distanzierung von allem und jedem, das Verdauen des Scheiterns, die spirituelle Erneuerung, die Suche nach neuen Bezugspersonen und den Anlauf zum nächsten Projekt. Es sind mühsame Anpassungen des Egos an eine sperrige Umwelt, die Hartwig vor den Kulissen dieser »Stadt der Träume« beschreibt. L.A. kann alles sein und ist gerade deshalb manchmal nichts (siehe Thom Andersens »Los Angeles plays itself«). Eine Eigenschaft, die man ohne Weiteres auf die moderne Identitätssuche übertragen kann: Zu viele Möglichkeiten, und dann doch wieder gar keine. »Sich selbst spielen lernen« gilt dann ebenso sehr für die Stadt wie für die in ihr umherirrenden Träumer. Irgendwie lockerer werden. Sich freimachen. Sich fürs Kleinere entscheiden. Vielleicht glücklich werden. Und trotzdem nie die Leidenschaft für diese verführerisch funkelnden Lichter verlieren. Außerdem: Scheitern macht sympathisch. Vollends, wenn der Aussteiger aussteigt. Escape from L.A. – mit einem Lächeln. Stilistisch ist Chamäleon variantenreich, lebendig und offen gehalten und löst sich manchmal gekonnt vom Konkreten ins Metaphorische, um die Bewusstseinszustände des Protagonisten einzufangen. 08/10 Alexander Kesselring
Gilbert Hernandez Marble Season 02 (Drawn & Quarterly) — Es ist schier unmöglich, sich an die eigene Kindheit zu erinnern. Was uns als Kind mystisch erschien, uns in seinen magischen Bann zog, ist rückblickend kaum noch verständlich, geschweige denn mit der fantastischen Aura versehen, die wir als echte Kindsköpfe wahrnahmen. Gilbert Hernandez hingegen dürfte sein Kind-Ich noch stark spüren oder er versteht Kinder besser als die meisten. »Marble Season« ist eine Hommage in zeitlosen Momenten an diese Zeit in unserem Leben, als unsere Vorstellungskraft so stark war, dass sie unsere Realität verändern konnte – als Geschichten faktisch unser Leben beeinflussten. Mit seiner meisterlichen Reduktion und seiner Beherrschung des Erzähltakts dirigiert Hernandez einen fließenden Reigen an Auszügen aus einem Kinderleben im vorstädtischen Kalifornien der 1960er. Und aus den Seiten, die dieser Hernandez-Bruder abseits von »Love & Rockets« erschaffen hat, strömt das Aroma dieser vergangenen Tage hervor, so stark, dass man fast weinen möchte. Nicht aus dummer Nostalgie oder Sentimentalität, sondern weil diese wundervollen Gedanken und Gefühle aus der eigenen Kindheit wieder auftauchen und mitschwingen. 10/10 Nuri Nurbachsch Yoshikazu Yasuhiko Mobile Suit Gundam: The Origin Vol. 1 03 (Vertical) — 1979 flimmerten die ersten Episoden von »Kidō Senshi Gandamu« (»Mobile Suit Gundam«) über japanische Fernseher. Anfänglich kein kommerzieller Erfolg, gelang der Durchbruch der Serie erst mit Einführung der mittlerweile legendären GundamPlastikmodelle von Bandai. Von den Kritikern wurde die Serie aber vom Fleck weg mit Begeisterung empfangen und es dauerte nicht lange, bis auch Fans erkannten, was Gundam anzubieten hatte. »Mobile Suit Gundam: The Origin« ist zwar schon die dritte Manga- Adaption der ursprünglichen TV-Serie, allerdings von Yoshikazu Yasuhiko, dem Charakterdesigner des Originals, geschrieben und gezeichnet. Der Funke springt dank Yasuhikos genauem Verständnis der Vorlage problemlos über und zeichnet das Manga aus. 07/10 Nuri Nurbachsch
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Story-Driven Survival »The Last Of Us« präsentiert sich dank überdurchschnittlicher Technik als berührender Survival-Trip und macht einfach alles ein bisschen besser. Mit »The Last Of Us« erscheint zum Ende der Konsolengeneration ein Genre-Highlight. Egal was Naughty Dog, die Entwickler der immens erfolgreichen und zugänglichen »Uncharted«-Blockbuster, hier neu oder anders machen, im Kern ist »The Last Of Us« ein Survival-Spiel, das einfach vieles besser macht. Die durchaus bekannte Story: 20 Jahre nach der Infektions-Apokalyspe muss der alte Haudegen Joel die 14-jährige Ellie auf einer Reise durch die USA begleiten. Überleben ist das Ziel. Daran versuchen die beiden nicht nur von Pilzen infizierte »Zombies« zu hindern, sondern auch das Militär und andere Fraktionen. Der Start greift auf ein paar emotionale Tricks zurück – der Spieler übernimmt die Rolle von Joels Tochter, die kurz darauf von einem Soldaten erschossen wird – die aber funktionieren und mitnehmen. Und das Spiel bleibt hart: Die Ressourcen sind eher knapp, Auseinandersetzungen intensiv und die Steuerung tendenziell komplex. Dabei will »The Last Of Us« nie mehr sein als ein Spiel: Joel hat etwa die Fähigkeit, durch Wände zu lauschen und auch sonst ist der Titel realistischer als viele andere, versucht aber nie, seine Genre-Traditionen vergessen zu machen. Joel heilt nicht automatisch, sondern muss zeitraubend Medi-Packs herstellen und benutzen. Das stresst im Kampf. Auch die Erzählung wird ernst genommen und diese hilft, um den Spieler bei der Sache zu halten. Klar, die Übersetzung ins Gameplay ist eher klassisch, aber trotzdem schlüssig. Und sie funktioniert im äußerst stimmigen Gesamtpaket und sorgt so dafür, dass der Bruch zwischen Story-Inhalt und dem, was der Spieler zu tun hat, weniger störend wirkt als sonst oft. Tatsächlich neu ist am Gameplay von »The Last Of Us« die Möglichkeit zwischen offensiver Vorgangsweise im Kampf und Schleich-Passagen zu wechseln. Wer sich einmal in den Kampf begeben hat, kann immer wieder versuchen, Deckung zu finden und sich zu verstecken. Praktisch ist dies vor allem bei verschiedenen Gegner-Typen, die unterschiedliches Vorgehen erfordern. Manche sind bei der ersten Berührung tödlich. »The Last Of Us« ist ein großartiges Survival-Game, das durch Story und Inszenierung berührt und nicht unbedingt von jedem geliebt werden will und deswegen auch nicht um jeden Preis zugänglich ist. Vorsprung durch Techik, willkommene Technik. 09/10 Martin Mühl
The Last Of Us (Naughty Dog); PS3; www.thelastofus.com 071
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R ez Assassins Creed 3: Die Tyrannei des Königs George Washington 01 (Ubisoft); Xbox 360 getestet, PS3; assassinscreed. ubi.com — In drei Teilen schreibt der DLC die Geschichte um und schenkt Connor magische Fähigkeiten: amüsantes, aber recht teures Add-On mit Macken. 06/10 Harald Koberg Defiance 02 (Trion Worlds); Xbox 360 gestetet, PC, PS3, www. defiance.com — Als Spiel eher ein mittelmäßiger Open-World-Online-Shooter, der parallel zur Geschichte der gleichnamigen TV-Serie spielt. 06/10 Martin Mühl
Grid 2 03 (Codemasters); Xbox 360 getestet, PS3; www.gridgame.com — Codemasters beweist sich mit »Grid 2« abermals als wahrscheinlich immer noch bester Rennspiel-Entwickler überhaupt. Der GameplayKern ist ähnlich geblieben: Es ist der Versuch der ultimativen Verschmelzung von Simulation und Arcade-Vergnügen. »Grid« bemühte sich damals aber nicht nur darum, die Balance zwischen diesen beiden Polen zu finden, sondern glänzte darüber hinaus mit einer über alle Maße druckvollen und bombastischen Inszenierung. Grafische Effekte sorgten nicht nur für außerordentliches Geschwindigkeitsgefühl, selbst das Menü wollte um jeden Preis beeindrucken. Darüber hinaus gab es die vergleichsweise neue Rewind-Funktion: Wer einen Fahrfehler begeht, spult an eine gewünschte Stelle zurück und setzt dort wieder ein. Das ist nicht unbedingt realistisch, gibt aber die Möglichkeit, bei Fehlern im Rennen zu bleiben und die Spannung aufrecht zu erhalten. Dieses Feature ist auch Teil von »Grid 2«. Die Präsentation hingegen wurde zurückgefahren (auch wenn die Musik im Menü immer noch Blockbuster-Soundtrack-Dramatik bietet). Und technische Ressourcen werden nun weit weniger für Effekte genutzt: »Grid 2« ist eine Grafikpracht, die mit Genauigkeit und Detailfreude begeistert. Dies trifft auch auf das Gameplay zu. Dieses ist prinzipiell zugänglich, wer aber nicht bereit ist, die ideale Fahrlinie zu finden und vor allem zu lernen, sein Fahrzeug richtig zu beherrschen, hat nicht viel Chance. Und dann gibt es noch den Multiplayer. 09/10 Martin Mühl
Injustice: Götter unter uns 04 (Warner Bros); Xbox 360 getestet, PS3, Wii U; www. injustice.com — Superhelden sind neuerdings die Heuschrecken unter den Videospielbewohnern. Über sämtliche Genres fallen sie her und manchmal verdrängen sie die Ansässigen gleich vollständig. So auch in »Injustice«. Da prügeln sich jetzt nur noch 24 DC-Figuren und scheinen daran große Freude zu haben. Und damit gleich zur wohl wichtigsten Information: Gefertigt wurde das Spiel von den Machern der »Mortal Combat«-Spiele. Wer prügeltech-
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nisch in dieser Serie beheimatet ist, wird sich auch in »Injustice« schnell zu Hause fühlen, auch wenn die Entwickler sich einige Neuerungen und Auflockerungen ausgedacht haben. So gibt es etwa eine aufladbare Spezialanzeige, um Supermoves auszulösen und bei Kraftvergleich-Spielchen zu gewinnen. Und auch die Umgebung trägt ihren Teil dazu bei, den kämpfenden Comicfiguren zuzusetzen. Insgesamt ist hier ein sehr klassisches Beat ’em up entstanden, das vereinzelt fast nostalgische Erinnerungen an die Anfänge des Genres wecken könnte: Striktes 2D, eine überschaubare Anzahl an Kombinationen und ein Hauptaugenmerk auf Timing und Distanzgefühl. Als Draufgabe gibt’s noch einen hübschen, wenn auch kurzen Storymodus und fertig ist ein solides, wenn auch nicht herausragendes Spiel. 07/10 Harald Koberg
Metro: Last Light 05 (A4 Games / Deep Silver); Xbox 360 getestet, PS3; www.enterthemetro.com — »Metro: Last Light« führt die Story von »Metro 2033«, dem Spiel zum Roman von Dimitri Gluchowski, weiter. Abermals übernimmt der Spieler die Steuerung von Artjom und die Menschen leben nach dem Atom-Unfall vor circa 20 Jahren immer noch in den U-BahnSchächten Moskaus. Diesmal muss Artjom hinaus, weil ein Schwarzer (eine andere Lebensform) – die Gegner im ersten Teil – gesichtet wurde. Er gerät auf seiner Reise in Gefangenschaft verschiedener Fraktionen, muss sich freikämpfen und entscheiden, ob die angenommenen Feinde wirklich die Gegner sind. Das Spiel wurde von einem relativ kleinen Studio auf hohem Niveau entwickelt und besticht wie der Vorgänger mit Atmosphäre. Darüber hinaus wird dem Spieler ein seltener Mix aus engen Tunneln und Gängen und großen, freien Flächen geboten. All das überzeugt in einem, das Gameplay betreffend, recht gewöhnlichen Shooter. Einziger Schwachpunkt bleibt, dass die einzelnen Abschnitte und Level eher kurz ausfallen und durch harte Schnitte nicht unbedingt schlüssig verbunden sind. Genau dies hätte aber bei einem solchen Setting – die Unterwelt Moskaus nach dem Atom-Unfall – so richtig Freude gemacht. Außergewöhnlich ist »Metro: Last Light« irgendwie trotzdem. 08/10 Martin Mühl Red Johnson’s Chronicles 06 (Morphicon); PC; www.red-thegame.com — Klassisches Point-and-Click-Adventure, das etwas zu sehr an den pixeligen alten Zeiten hängt. Vor allem in Hinblick auf das Gameplay muss einiges verziehen werden, um damit Spaß zu haben. In Hinblick auf die gute Geschichte und mitsamt ihren glaubwürdigen Charakteren jedenfalls einen Versuch wert. 06/10 Stefan Kluger
Resident Evil – Revelations 07 (Capcom); PS3 getestet, Xbox 360, Wii, PC; www. residentevil.com / revelations — Es wurde ja viel
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geschimpft über »Resident Evil 6«. Letztlich war es aber ein grundsolides Actiongame; lediglich den Spirit der frühen Teile ließ es vermissen. Was mit Teil 5 begann, wurde fortgeführt: weniger (bis gar kein) Gruseln zugunsten fetter Shootouts. »Resident Evil: Revelations«, das ursprünglich auf dem 3DS erschien, ist nun als HD-Fassung für Konsolen und PC erhältlich. Erstaunlicherweise schafft es das einstige Handheld-Game, regelmäßig schaurige Momente zu liefern. Enge Korridore, durchdacht platzierte Monster, Munitionsknappheit – ein Horrorspiel der alten Schule. Das betrifft leider auch die anspruchsvollen Rätsel und ein Backtracking, das schamlos bereits besuchte Areale wieder verwertet. Doch auch jene Kritikpunkte sind nun mal Charakteriska der Serie; Resi-Fans der ersten Stunde freut's, alle anderen eher weniger. Ein Zugeständnis an aktuelle Trends mussten die Entwickler dann scheinbar doch machen: immer wieder gilt es, Wellen anstürmender Feinde auszumerzen. Sei’s drum, wenn es »Resident Evil« sein muss, dann am besten »Resident Evil: Revelations« spielen. An die Klasse von »Dead Space« reicht es jedoch nicht heran. 07/10 Stefan Kluger The Walking Dead 08 (Telltale); PS3 getestet, Xbox 360, PC; www.telltalegames.com / walkingdead — Erstmals gibt es die komplette Erzählung (fünf Episoden) zusammen. Im Mittelpunkt steht über die gesamte Dauer Lee Everett, ehemaliger Professor und verurteilter Straftäter. Durch einen Unfall unverhofft in Freiheit, muss Everett schnell feststellen, dass die Welt über Nacht zu einem furchteinflößenden, lebensbedrohlichen Ort wurde. Auf seiner Flucht vor den Untoten trifft er auf die achtjährige Clementine, die er väterlich unter seine Fittiche nimmt. Basierend auf Robert Kirkmans preisgekrönter Comic-Serie (und einem daran angelehnten, stilsicheren Artdesign) entspinnt sich ein Abenteuer, das packender kaum sein könnte. Spannend auch die Entscheidungsfreiheit in zahlreichen Situationen, die spürbare Konsequenzen nach sich zieht. Hier wirken sich Entscheidungen tatsächlich auf den weiteren Verlauf aus, sind Teil des Konzepts (und nicht schmückendes Beiwerk). Durch Quick-Time-Events gestaltet sich der Spielablauf sehr dynamisch, nicht selten kommt dadurch regelrecht Panik auf. Dieses System und die filmreife Inszenierung täuschen gekonnt darüber hinweg, dass spielerisch letztlich nicht sonderlich viel geboten wird. Wer jedoch Wert auf fein ausgearbeitete Charaktere und eine spannende Geschichte legt, kommt an »The Walking Dead« nicht vorbei. 09/10 Stefan Kluger
Way Of The Dogg 09 (505); Xbox 360 getestet, PS3, iOS; www.wayofthedogg.com — Ziemlich witzloses, mit Quick-TimeEvents gesteuertes Beat ’em up, das zumindest auf Konsolen in keinem Punkt überzeugt. 02/10 Martin Mühl
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TEXT Andreea Dosa BILD Elfie Semotan, 2013, Sammlung Essl Privatstiftung, Bernhard Angerer, Archiv HZ, Katharina Stögmüller, Gabriel Orozco, Diego Agulló & Dimitry Paranyushkin
Die österreichische Künstlerin Elfie Semotan arbeitete zunächst als Fotomodell und begann Ende der 60er Jahre ihre Karriere als eine der anerkanntesten Fotografinnen in Europa und den USA. Die Grenzen zwischen Werbefotografie und künstlerischer Fotografie sind in ihrer Arbeit fließend. Semotans Aktfotografien oder ihre Straßenszenen von New York würdigt die Kunsthalle Krems ebenso wie die »Wegwerf fotos«, die beinahe abstrakte Qualität annehmen Eröffnung: 13. Juli, 18 Uhr; Ausstellung: 14. Juli bis 6. Oktober Krems, Kunsthalle
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TERMINE KULTUR
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Sommerbilder: Summertime im Essl Museum
TEXT Andreea Dosa BILD Elfie Semotan, 2013, Sammlung Essl Privatstiftung, Bernhard Angerer, Archiv HZ, Katharina Stögmüller, Gabriel Orozco, Diego Agulló & Dimitry Paranyushkin
Wenn der Sommer so lange auf sich warten lässt, hilft das Essl Museum mit der Ausstellung »Sommerbilder« nach. In den lichtdurchfluteten Ausstellungs räumen werden Bilder von Sigmar Polke, Hubert Scheibl, Max Weiler, Herbert Brandl, David Salle, Wolfgang Herzig, Alex Katz und vielen anderen gezeigt. Inspiriert von den Werken der Ausstellung gibt es kreative Sommergerichte und kühle Summerdrinks. Eröffnung: 18. Juni, 19.30 Uhr; Ausstellung: 19. Juni bis 29. September Klosterneuburg, Essl Museum
Tour du Monde: Fahrradgeschichten Anlässlich des Wiener Fahrrad-Jahres und der internationalen Konferenz Velo-City 2013 zeigt das MAK die Ausstellung »Tour du Monde: Fahrradge schichten«. Die Schau erzählt anhand von Fahrrad-Ikonen des 20. und 21. Jahr hunderts von der gestalterischen Qualität und Vielfalt des drahtigen Esels. Ausstellung: 14. Juni bis 6. Oktober Wien, MAK
Heimo Zobernig Als Fortsetzung der Retrospektive im Palazzo Velázquez der Reina Sofia in Madrid präsentiert das Kunsthaus Graz eine Ausstellung, die Arbeiten aus 30 Jahren Ausstellungstätigkeit Zobernigs konzentriert. Der international renommierte ös terreichische Künstler lotet dabei die Grenzen von Installation, Skulptur, Malerei und Raum aus. Ausstellung: 7. Juni bis 1. September Graz, Kunsthaus
Cash, Cans & Candy Von Juni bis September findet in Wien Street Art mit Festivalcharakter in der Galerie Hilger statt. Pioniere wie Robbie Conal, etablierte Street-Artists wie Retna, Shepard Fairey oder Roa und aufstrebende Künstler nehmen teil. Block Party, Walks, Fahrradtouren und eine Art Workshop runden das Programm ab. Ausstellung: 1. Juni bis 14. September Wien, Hilger BrotKunsthalle & Galerie Hilger Next
Gabriel Orozco: Natural Motion Mit dem aus Mexiko stammenden Gabriel Orozco präsentiert das Kunsthaus Bregenz einen international äußerst einflussreichen Künstler. Seit den 90er Jahren zeichnet sich Orozcos Karriere durch fortwährende Überraschung und Erneuerung aus. Seine Arbeiten bewegen sich zwischen Zeichnung, Fotografie, Skulptur, Installation und Malerei. In Bregenz zeigt Orozco größtenteils neue, eigens für diese Ausstellung konzipierte Werke. Eröffnung: 12. Juli, 19 Uhr; Ausstellung: 13. Juli bis 6. Oktober Bregenz, Kunsthaus
Alles muss raus! Das Saisonende naht, also: »Alles muss raus!«. Das Brut lädt zum großen Aus verkauf der Highlights aus der vergangenen Saison ein. An fünf Abenden wer den zu Sonderpreisen »Humping Pact. Vienna Mission« von Diego Agullós und Dmitry Paranyushkins gespielt, Doris Uhlichs »Come Back«, »Hotel Totale« von Sabine Marte, aber auch das heißbegehrte »Club Burlesque Brutal«. Der Vorhang wird dann einen Sommer lang geschlossen. Termine: 19. und 20. Juni, 19 Uhr; 21. Juni, 18 Uhr; 22. und 23. Juni, 20 Uhr Wien, Brut im Künstlerhaus 075
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Monatsmagazin fĂźr Politik und Gesellschaft.
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Kunsthalle Wien
T ermine
G a lerien
Museumsquartier Alexander Rodtschenko, Lilja Brik. Porträt für das Werbeplakat »Knigi«, 1924
TEXT Margit Emesz BILD A. Rodtschenko – W. Stepanova Archiv, Museum Moskauer Haus der Fotografie, Lernout / Eden
Alexander Rodtschenko. Revolution und Fotografie
Die Ausstellung im Kunstverein Schattendorf verwandelt Alltagsgegenstände in Kunst und fragt sich hinterher wie das geht.
On things on minds
Rund 200 Arbeiten des Vertreters des russischen Avantgarde werden in der Galerie Westlicht gezeigt. Der als Maler, Bild hauer, Architekt und Werbedesigner vielseitig tätige Kon struktivist hat in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem die Fotografie revolutioniert: Sein Interesse an der Per spektive sorgte damals für großes Aufsehen, seine Fotogra fien wurden als die Darstellung des »modernen sozialistischen Menschen« wahrgenommen. Extreme Bilddiagonalen eine nie dagewesene Sicht der Dinge evozieren. Eröffnung 10. Juni, bis 25. August Wien, Westlicht Schauplatz für Fotografie
Wann wird ein Objekt zum Kunstwerk? Welche Kriterien und Vorgänge führen dazu, dass ein Gegenstand auf einmal einen unverhältnismäßig hohen Mehrwert oder symbolträchtige Be deutung hat? Diesen Fragen stellt sich ein dreiköpfiges Kura toren-Team. Es werden Werke am Grat zwischen Kunst-und Alltagsobjekt präsentiert. Mit Hugo Canoilas, Eva Chytilek, Ju lien Diehn, Rouven Dürr, Luisa Kasalicky, Stefan Lux, Raimund Märzinger, Michael Part, Hans Schabus, Fabian Seiz, Victoria Tremmel, Flora Watzal, Christoph Weber, Andrea Witzmann. Eröffnung: 8. Juni, bis 20. Juli Schattendorf, Kunstverein
Oberösterreich
Tirol
Gunter Damisch Gmunden, Galerie 422 bis 28. Juli Walk and Traces … Off The Map Linz, Atelierhaus Salzamt Eröffnung: 12. Juni, bis 26. Juli
Salzburg
Zu Gast bei Gustav. Hans Schabus, Nicole Six, Paul Petritsch Seewalchen, S.I.X. Raum für Kunst Eröffnung: 14. Juni, bis 16. Juli François Morellet, Olivier Mosset, Liam Gillick, Katja Strunz, Florian Maier-Aichen Salzburg, Galerie Ruzicska Eröffnung: 16. Juni, bis 31. August Hohe Dosis. Recherchen zum Fotografischen heute Galerie Fotohof & Atterseehalle Eröffnung: 18. Juli, bis 7. September
Steiermark
Heimo Zobernig. Editionen Graz, Artelier Contemporary bis 12. Juli Maßnahmen zur Rettung der Welt – Teil 2 Graz, Rotor bis 7. September Sven Johne. Where the sky is darkest, the stars are brightest Graz, Camera Austria bis 1. September Stella Maris. Franz Konrad Galerie am Flughafen Graz Eröffnung: 17. Juni, bis 21. Juli
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Pan und Plan. Monika Baer und Jochen Klein Galerie der Stadt Schwaz Eröffnung: 9. Juli, bis 6. September Hubert Scheibl Galerie Schmidt, Reith i.A. bis 20. Juli René Luckhardt – Kristallpalast Innsbruck, Galerie Bernd Kugler Eröffnung: 2. Juli, bis 10. August Pimp Mei Heimat. Roland Maurmair Innsbruck, Galerie im Andechshof bis 23. Juni
Wien
Bryan Adams. Exposed Ostlicht. Galerie für Fotografie Eröffnung: 19. Juni, bis 22. September Nilbar Güreş: Nilbar Wien-Na Galerie Martin Janda bis 27. Juli Phantoms & Ghosts Das Weisse Haus Eröffnung: 11. Juni, bis 27. Juli Marcin Maciejowski Galerie Meyer Kainer bis 27. Juli Marius Engh, Eschscholzia Californica, Plamen Dejanoff Galerie Emanuel Layr bis 3. August Julian Opie Galerie Krobath bis 27. Juli Tomek Baran, Bartosz Kokosinski, Monika Smyla Galerie Knoll bis 15. August
4th INdEPENdENT PubLISHErS ANd ZINE FAIr VIENNA crITIcAL, ExPErIMENTAL, ArTIST-LEd, SELF-PubLISHEd, ExPANdING THE bouNdArIES oF booK ArT MEdIA 28/6 – 30/6 2013 #ZineFair Fr 16 – 22 uHr SA 13 – 22 uHr So 13 – 18 uHr Von 28. bis 30. Juni 2013 verwandelt sich die Kunsthalle Wien mit der Independent Publishers and Zine Fair Vienna, an der über sechzig nationale und internationale AusstellerInnen teilnehmen werden, bereits zum vierten Mal in einen pulsierenden Treffpunkt für Produzenten und Konsumenten von Gedrucktem wie Künstlerbücher, -magazine und Zines, Posters, T-Shirts und Ephemera. Neben zahlreichen künstlerischen Interventionen, einer historischen Ausstellung, einer Party sowie Talks, Performances und Lectures, kann man nach Herzenslust stöbern und schmökern sowie die AusstellerInnen direkt zu Ihren Werken befragen. Join us, it’s gonna be fun! Eintritt frei Alle Infos unter: www.kunsthallewien.at Kunsthalle Wien Museumsplatz 1 1070 Wien, Austria www.kunsthallewien.at www.facebook.com/KunsthalleWien www.twitter.com/KunsthalleWien
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FESTIVALS
4 Fragen an Judith Wieser-Huber (Kino unter Sternen) Zum diesjährigen Motto »Richtung Zukunft« – Wie steht’s um die Zukunftspläne des Kino unter Sternen? Für Kino unter Sternen steht nach wie vor die Erhaltung der bestmöglichen Qualität in der Pro grammierung und der Präsentation im Mittelpunkt, das ist an einem öffentlichen Platz immer eine Herausforderung. Die Digitalisierung stellt uns vor finanzielle Probleme, da wir die Filme in dem ihnen entsprechenden technischen Medium zeigen wol len, und sowohl digital wie auch 35mm vorführen. Dieses Jahr wird zum Beispiel »Erdbeerland«, ein Film von Florian Pochlatko (Jahrgang 1986) gezeigt – wie siehst du die Entwicklung des jungen österreichischen Films in der letzten Zeit? Der junge Film ist sehr lebendig und erfrischend, noch immer. Die letzten Jahrzehnte haben so viele Talente hervorgebracht und ich hoffe, dass die Ener gie, der Mut der jungen Generation ausreichen wird, weiterzumachen. Es fehlt an öffentlichen Mitteln für Förderung und Entwicklung von kleineren und mittleren Produktionen. Es fehlt an Wertschätzung und an der Liebe zur heimischen Produktion. Ein Film, der dir besonders wichtig ist im diesjährigen Programm? Sehr stolz bin ich auf unseren Eröffnungsfilm. »Talea« ist ein Film, der mich überrascht und sehr berührt hat. Katharina Mückstein hat sehr be hutsam, sensibel mit beeindruckender Sicherheit inszeniert, mit wunderbaren Schauspielerinnen und Schauspielern, einer großartigen Kamera. Zum Thema Wolfsmenschen (Special des diesjährigen Programms): Wer ist dein Lieblings gestaltenwandler in einem Film und warum? Auf jeden Fall der »Wolf Man«, er ist eine tragische Figur, die schmerzvolle Veränderung seines Körpers kann er nicht verhindern und sein Menschsein vergeht unter der Übermacht der animalischen Triebe, die er in sich wachsen spürt. Er ist Opfer und Täter zugleich. Kino unter Sternen, 28. Juni bis 20. Juli Open Air am Karlsplatz, Wien bei freiem Eintritt; www.kinountersternen.at
Die Knieschützer laden zum sicheren Exzess! Disco-Moves und Musikvideo-Ästhetik werden bei der Österreichpremiere von »Altered Natives Say Yes to Another Excess – Twerk« zu einem tanzenden Ganzen verbunden.
Sommerszene Salzburg Performance ist alles, alles ist Performance. Verschiedenste Spielarten des Begriffs werden von der Sommer szene in Salzburg unter dem freien Motto »You Are Here« präsentiert. Man will sich inhaltlich und ästhetisch nicht beschränken lassen, denn die zeitgenössische Bühnenkunst soll in möglichst vielen Facetten gezeigt werden. Da geht es auf der Bühne mal um das Kindsein, mal um die Natur, mal um die ganz persönlichen Biografien der Künstler. Den Außenraum können die Besucher in Form von partizipativen Spaziergängen und Ausflügen erobern – beim Finale wird zum Tanz gebeten. In den elf Tagen des Festivals mausert sich Salzburg zu einem Ort der Begegnung und Interaktion. 3. bis 13. Juli Salzburg, diverse Veranstaltungsorte
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FESTIVALS
World Music kann auch aus England kommen. Sam Lee singt Lieder seiner Urgroßmutter. Naja, Folk halt.
50 … so viele Bands sollen an den vier Festivaltagen beim Popfest Wien auftreten. Patrick Pulsinger ku ratiert dieses Jahr und wird der österreichischen Musikszene neben der Seebühne am Karlsplatz weitere ausgesuchte Konzertorte zum Bespielen bieten. Am 25. Juli geht es los.
TEXT Lisa Schmid BILD kino unter sternen, Emile Zeizig / Sommerszene , Glatt und Verkehrt, Italo Rondinella / La Biennale Di Venezia
Glatt und Verkehrt »Around The World« heißt es ja schon bei Daft Punk: Brasilien trifft bei »Glatt und Verkehrt« auf Grafenegg, Sufi-Soul spielt’s in Krems. Die musikalische Viel falt der Weltmusik spiegelt sich in den verschiedenen Locations des Festivals wieder, die sich allesamt in Niederösterreich befinden. Zu Schiff mit 100 Musi kern wird auf der Donau – Thema zahlreicher musikalischer Hommagen – ver kehrt: Das geht hoffentlich glatt! 29. Juni bis 28. Juli 2013 Niederösterreich, verschiedene Spielorte
Espressofilm Dieses Jahr hat es sich Matthias Poledna mit »Imitation of Life« im Österreichpavillon gemütlich gemacht.
So kurz und gut wie Espresso ist das gleichnamige Freiluftfestival, das im Sommer donnerstags und freitags besucht werden kann: Eine handverle sene Auswahl an Kurzfilmen – oft mit Kunstbezug – kommt zur Aufführung. Festivals wie Youki und Filmschulen wie die Wiener Filmakademie oder die Film School Lódz präsentieren ausgewähl te Arbeiten. Auch Kurzfilme von Ulrich Seidl sind dieses Jahr vertreten. 5. Juli bis 30. August Wien, Gartenpalais Schönborn
Viertelfestival NÖ
Biennale Di Venezia Die Biennale ist das Schlaraffenland der Kunst. Es gibt dort tatsächlich nichts, was es nicht gibt. Das ist nicht erst seit diesem Jahr so, dennoch passt das heurige Motto ganz besonders gut: »The Encyclopedic Palace« war das Projekt eines imaginären Museums, das sämtliche Erfindungen und Ideen der Men schengeschichte zusammenführen wollte. Mit der Übernahme des Namens lässt Venedig den Traum von der Sammlung universellen Wissens weiterleben. Die ersten Reaktionen waren positiv, manchmal überschwänglich. 1. Juni bis 24. November Venedig
»Kultur ist der Platzhirsch« – klingt das nicht schön? Musikalisch geht es da mit Events wie »Blasmusik = Weltmusik« oder »BaRock 2.0« rund. Wir würden da eher ein wenig regional-bezogene Weiterbildung mit dem Theodor-Kramer-Soundwalk oder dem DialekteAbend »Aunawaunta, Biadl und Zweckarl« empfeh len. Ansonsten Wein trinken und beten. 9. April bis 11. August Niederösterreich, diverse Locations
Festspiele Stockerau
Wer es etwas gediegenerer will, begebe sich nach Stockerau, wo sich die Festspiele neu ausrichten, öffnen und gleichzeitig auf ihre Wurzeln fokussie ren: das Sprechtheater. Die Festspiele wurden um eine neue Musikschiene namens »querfeld1« be reichert. Auf dem Programm stehen Jazz, Klassik, Pop und Folk. 25. Juni bis 11. August Stockerau 079
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MUSIK
Css(br)·MúM(is)
skreaM feat. sgt. pokes (uk) MMoths (ie) · Charli XCX (uk) sohn (uk) · girls in hawaii (be) eleCtriC soft parade (uk) au revoir siMone (us) · slut (De) kari aMirian (pl) · kate boy (se) ghost Capsules (at) · brns (be) leure (au) · krystal klear (uk) i-wolf & the ChainreaCtions (at) japanther (us) · fuCkhead (at) anika (De) · nowhere train (at) kingsfoil (us) · Cousins (ca) CoMpuphoniC (be) · the gf’s (cz) say yes dog (lu) · kill kenny (si) illute (De) · the beth edges (at) griMus (ro) · kieslowski (cz) aMatorski (be) · alise joste (lv) Cold MailMan (no) · fijuka (at)
Mit Rihanna kommt die Kaiserin der Restmonarchie namens Popmusik nach Wien.
Rihanna – Diamonds World Tour Mit ihrem letzten Album »Talk Talk Talk« ist Rihanna das Identifikationspotenzial leider ein wenig abhanden gekommen – Dramen um Sex und Gewalt scheint der kalte Engel hinter sich gelassen zu haben. Ganz in der Rolle einer R’n’B-Queen – mit Glamour und Gloria – hat sie nun eine Welt-Tournee plus Konzertdokumentation und eigener Mode- und Parfümmarke. Um den Draht zu ihren Fans zu halten, startete Rihanna jetzt eine Social Media-Kampagne, die sie z.B. an Stränden ihrer Heimatinsel Barbados zeigt. 9. Juli Wien, Stadthalle
... and Many More Jamie Lidell hat nicht nur Neo-Soul die Ehre gerettet, er gilt noch dazu als einer der besten Live-Performer. TickeTs: www.wavesvienna.com fesTival Pass: € 51 TwinciTy fesTival Pass: € 56 (wien + Bratislava + shuttleBus) early bird Pro Pass: € 100 (festival + conference) like us: www.faceBook.com/wavesvienna
3.- 6. oct. 2013 136_074-081_Termine.indd 80
Interlude Festival Interlude heißt das neue Wiener Festival für Pop mit Sitzplatz. Wobei sich am Line-up bereits abzeichnet, dass es dort eng werden könnte – ein ganz kleines, gemixtes, aber feines Programm, das auf bewusstes Zuhören setzt: Welche österreichischen Acts muss man unbedingt gesehen haben? Kreisky und Attwenger. Wer steigt in Österreich auf? König Leopold. Wer ist international gerade extrem erfolgreich? Jamie Lidell. Hingehen und Häkchen setzen. 2. bis 3. Juli Wien, Theater Akzent
TEXT Luise Wolf BILD Universal Music, Archiv Theater Akzent, Edgar Retro, Shawn Brackbill, Universal Music, Lauren Michelle Pires, Simon Brugner / Theyshootmusic
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TEXT Luise Wolf BILD Universal Music, Archiv Theater Akzent, Edgar Retro, Shawn Brackbill, Universal Music, Lauren Michelle Pires, Simon Brugner / Theyshootmusic
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MUSIK
Jack by The Gap Techno is back. Nicht nur Briten wie Blawan, Boddika oder Joy Orbison wissen das. Auch in Wien kocht eine junge vitale Szene ihr eigenes Süpp chen aus rohen Beats, Acid-trunkenen Synths und tiefen Bässen. Edgar Retro und Cem, Resident DJs der Clubs »Sodom + Gomorrha« und »F*cken Plus« werden nun den Morisson-Club in einen Berghain’schen Darkroom verwandeln. Support wie gewohnt von den Jack-DJs Moogle und Laminat. 28. Juni Wien, Morisson Club
Kurt Vile Der Folk-Rocker hat sich mit seinem letzten und bisher bereits fünften Al bum »Wakin On A Pretty Daze« zum Vollprofi gemausert – referenziell aber unbeschwert, eingängig, doch vielschichtig und tiefschürfend. Obendrein ist er ein wahrer »Folk« im Herzen – ein Familienmensch, ein bescheidener Zeitgenosse und obsessiver Musik-Nerd in einem. Identifikationspotenzial ist da also gewiss. Tagtraumsongs ebenfalls. 18. Juni Wien, Wuk
Haim R’n’B à la Destiny’s Child und experimentierfreudiger Folk wie Fleetwood Mac zusammengemixt? Das geht für Haim, die kalifornische Band der drei Schwestern Danielle, Alana und Este Haim mit Freund und Drummer Dash Hutton. Seit frühester Kindheit wurde im Stil der elterlichen Platten sammlung musiziert und dieser dann kindlich-spontan mit der eigenen Musik-Biografie kombiniert. 10. Juli Wien, Wuk Foyer
Benji B � Dimensions Festival Benji B ist einer dieser Radio-DJs aus dem UK, die Trends setzen. In seiner Sonntag-Nacht-Show auf BBC Radio 1 spielt er HipHop, Dubstep and Broken Beats. Getanzt kann dazu monatlich in der Londoner Club Night »Deviation« werden. Er mixt Musik, die Seele hat, wie er sagt. Als Zimmerwärmer für das Dimensions Festival in Kroatien legt er in der <>< auf. 28. Juni Wien, Grelle Forelle
Popfest Das Popfest Wien wird heuer vom Sound-Spezialisten Patrick Pulsinger kuratiert. Wieder wurden um die Seebühne Karlsplatz spezielle Locations ausgeforscht, Genaues weiß man noch nicht. Das komplette Programm wird Ende Juni bekannt gegeben und soll fast keine Überschneidungen mit den Jahren zuvor haben. Fix sind bislang: HVOB, König Leopold, Bauchklang, Steaming Satellites, A.G. Trio, Catastrophe & Cure, Ghost Capsules. 25. bis 28. Juli Wien, Seebühne am Karlsplatz
The Full Hit Of Ton am Strom Summer Festival Festival
Queens Of The Stone Age
Ein Tag. Ein Festival. Drei Acts und alles für Indie-Herzen: Modest Mouse mussten eben noch ihre Europatour absagen. Übrig bleiben Frightened Rabbit aus Schottland als chor-sin gende Folkies, British Sea Power als emotional-exzentrische Noise-Popper und Me. 20. Juni Wien, Arena
Trotz olympischer Besetzung der Wü stenrocker ist »… Like Clockwork« das bravste Gemetzel aller Zeiten. Mit dem neuen Album kam die Vorfreude, ein Ventil zu öffnen – Energie, wundervolle Aggressionen, traumhafte Depression – aber auch Zweifel, Stagnation, Neu anfang. Die Queens Of The Stone Age werden ein paar Lieder davon singen. 2. Juli Wien, Stadthalle
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Sie kommen, sie gehen, Festivals am Strombauamt an der Donau in Greifenstein unweit Wiens. Temp und Am Strom sind nicht mehr, dann eben zum zweiten Mal Ton am Strom. Es wird Bass serviert: Ogris Debris, König Leo pold, Julian & der Fux, Johann Sebas tian Bass uvm. Deko und Visuals, gra tis Zelten, Shuttle und Bio-Küche gibt es noch dazu – also Tanz durch den Tag und die Nacht! 28. bis 29. Juni. Greifenstein, Strombauamt
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Know-Nothing-Gesellschaft von Illbilly The K.I.T.T.
Kommissar Zufall
illustration Jakob Kirchmayr
N
icht selten passiert es, dass Menschen ihrer Freude mit dem Wörtchen »coolio« Ausdruck verleihen. Zumindest beschleicht mich das Gefühl, von Personen verfolgt zu werden, die »coolio« in ihrem aktiven Wortschatz verankert haben und so etwas von gar nicht davor zurückschrecken, es auch zu verwenden. In Gesprächen, in formlosen, halbvertrauten Mailkontakten, ja sogar in einer SMS ist mir »coolio« schon untergekommen. Gern wäre mir das ja egal, aber das Wort ist halt so ungeil. »Coolio«, das ist für mich in erster Linie ein ziemlich erfolgloser Rapper mit einer extrem depperten Frisur. Keinesfalls ist es etwas, womit Wohlwollen signalisiert wird. Zudem fällt mir auf Anhieb nie dieser Refrainsänger ein, der in Coolios »Gangsta’s Paradise« immer so weinerlich reinjammert. »Ja dann schleich dich doch zum Computer oder nestel aus deiner Hose das Smartphone raus, um nachzuschauen, wie der Vogel geheißen hat!«, höre ich es jetzt verständlicherweise lieblich in meine Richtung schalmeien. Aber dazu muss ich sagen, dass ich stets versuche, derart kleine, unnütze Alltagsfragen ohne Digitalunterstützung zu beantworten. Auch weil ich mir denke, dass es durchaus den Telefonakkumulator schont, wenn man nicht ständig wegen jedem Furz am Display herumwischt. Zudem kommt einem meist ohnehin der Zufall zu Hilfe, wenn man etwas lösen will und dann wird es immer irgendwie spannend. Unlängst klopfte so ein Zufall in Form einer jungen Dame bei mir an. Wir warteten gemeinsamen auf das passende Transportmittel des öffentlichen Personennahverkehrs. War es ein Bus, eine Bim oder die U-Bahn? Ich kann es nicht mehr mit Exaktheit sagen und es ist auch unerheblich für den weiteren Fortgang dieser Episode. Jedenfalls sagte sie mehrmals (Achtung Achtung, gleich platzt die Bombe) »coolio« während sie telefonierte. Und ich dachte schon wieder: »Coolio?! Hmm, wie hieß denn dieser Refrainjammerlappen bei ›Gangsta’s Paradise‹ nochmal schnell?« Während ich also die Dame ein wenig anstarrte, fiel mir auf, dass sie auf ihre Schulter einer dieser allseits belieb-
ten, in dezentem hamsterarschlochbraun gehaltenen Taschen von Louis Vuitton baumeln hatte. Louis Vuitton stand zwar nicht drauf, aber die Tasche war über und über mit dem Monogramm des Luxusunternehmens, also mit lauter »LVs« übersät. Und in dieser Kombi dämmerte mir dann gleich auch der Namen des Coolio’schen Refrainsängers herauf: L. V. hieß der ja und ich war ganz knapp daran, ein leises »coolio« über die Lippen zu lassen, ob dieses herrlich unaufgeregten Zufalls – konnte mich aber beherrschen. Leicht war es nicht, denn die Dame, die auch in ihrer übrigen Erscheinung im hochpreisigen Markenkleidungssegment zu Hause war, passte perfekt in eine erotische Fantasie von mir, die schon seit Jahren in mir lustvoll gärt. Ich bin darin der jüngste habilitierte Professor für Internationale Betriebswirtschaft auf der ganzen Welt. Alle halten mich für einen mit allen Wassern gewaschenen Liberalen, der ein bisschen anders ist, weil er in der Vorlesung Thomas Bernhard zitiert. Aber das stimmt nicht. Und der Grund, warum ich mich völlig vom Ehrgeiz zerfressen in ein von mir nicht sonderlich geliebtes Studium schmiss, um dann höchste akademische Weihen zu empfangen, ist ein ebenso primitiver wie zutiefst menschlicher: Ich liebe es, in intimen Privatissima die teuren, statusunterstreichenden Kleidungsinsignien wohlgeborener Töchter – im Austausch gegen gute Noten versteht sich – mit meinem Samen zu verzieren. Ich schleudere literweise meine DNA gen Burberry-Trenchcoats und HilfigerJeans. In unstillbarer Gier batike ich mit meiner geilen Soße Festmeter an rosaroten Ralph-Lauren-Blusen und verpasse Barbour-Jacken verbotene Imprägnierungen. Außerdem bin ich noch ziemlich gut aussehend und sehr beliebt bei Studenten und Kollegen. Und natürlich bin ich auch finanziell unabhängig, so dass ich mir zusätzlich auch noch kleinere sexuelle Spleens leisten kann, die nicht jedermanns Sache sind. Zum Beispiel auserkorene Studentinnen dazu auffordern, mir bei Zeiten zarten Schamhaarnachwuchs zu spenden, damit ich mir dann diese bei den Follikelingenieuren der Moser Medical Group als Augenbrauen einpflanzen lassen kann. Ich mein, so etwas muss doch möglich sein? Und bevor mich jetzt jemand falsch verstehen will: Ich bin sehr froh, dass die Intimrasur im Mainstream angekommen ist. Noch nie
gab es weltweit so wenige Filzläuse wie heute. In Sidney, das ist die größte Stadt in Australien, aber nicht die Hauptstadt, die heißt anders, wurde der letzte Fall vor drei oder vier Jahren diagnostiziert. Wobei ich schon festhalten möchte, dass es prinzipiell natürlich immer ein wenig zu betrauern ist, wenn Tieren Lebensraum genommen wird. Andererseits kann ich mir aber gut vorstellen, wenn zum Beispiel in 20 Jahren aus retronostalgischen Beweggründen heraus Printprodukte wieder belebt werden, vielleicht ein Sex-The-Gap-Heftl auf den Markt kommt, das als Gimmick eine in Biokunststoff eingeschweißte Filzlauszucht beigelegt hat. So Yps-mäßig. Pfff, so, jetzt ist es endlich raus, jetzt fühl ich mich besser und kann normal weiter machen. So weit das noch möglich ist. Egal. Es ist noch nicht so lange her, ungefähr 45 Zeilen nämlich (wer will, darf gerne nachzählen und bekommt bei Zusendung eine kurz vor dem Verramschen stehende Ausgabe des erbaulichen, bei Luftschacht und Monopol erschienenen Büchleins »Didgeridoo zum Frühstück« im Wert von 17,50 Euro), da schrieb ich, dass der Zufall oft Alltagsfragen beantwortet und es dann spannend wird. Nun, ich frug mich vor Kurzem, was denn offiziell das längste Wort in der deutschen Sprache ist, als mich eine Eilmeldung erreichte, in der stand, dass das »Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz« mit seinen 63 Buchstaben als längstes deutsches Wort ausgedient hat, da es das Gesetz nicht mehr gibt. Neue Nummer eins: Die »Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft« mit ziemlich pimperlmäßigen 43 Zeichen. Und während ich überlegte, wie und ob diese Info verwertbar ist, stolperte ich gleich über die neue Nummer zwei: Die »Fremdschamhaartransplantationsassistentin«. Irgendwie coolio.
Illbilly The K.I.T.T. www.facebook.com/ illbilly
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OMV Die vielfältige Welt der OMV Wir leben und brauchen Vielfalt. Das macht uns stark und kommt bei uns aus drei Zentren: Österreich, Rumänien und der Türkei. Unsere rund 29.000 Mitarbeiter stammen aus 60 Nationen. So entwickeln wir den besten Mix in unseren Teams für die Tätigkeit in knapp 30 Ländern. So bunt ist unsere Welt, das gehört gefeiert. Am 21. Mai ist „Welttag der kulturellen Vielfalt für Dialog und Entwicklung“ der UNESCO.
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W i l l ko
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i l a s f Ca
Demner, Merlicek & Bergmann
Exotisch unterwegs.
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