The Gap 140

Page 1

Ja, Panik — SüSSe, bessere, unmögliche Welt Hunger Games / Stockfotografie / Koenigleopold 140 Magazin für Glamour und Diskurs. MONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 1040 WIEN, P.B.B. GZ 05Z036212 M, Nº 140, DEZEMBER 2013

140_001_Cover.indd 1

One Direction. Marteria. Twitter-Etikette. Sky Ferreira. Xbox One vs. PS4. M.I.A. Machete Kills. Folkmusik im Kino. San Fermin. Axel Boman. Grim 104. Disaster Design. Carrie.

29.11.13 10:50


Demner, Merlicek & Bergmann

Mehr doppelentdecken:

Wo nehmen die Kinder nur die Energie her? Sicher auch von der OMV, die heute schon mit ihren hochqualifizierten MitarbeiterInnen und modernsten Technologien die Energieversorgung von morgen sichert. Für Österreich und Europa. www.omv.com

140_002-017_Splitter KORR.indd 2 OMV_13017_Offshore_210x280abf_PSOLWCStd.indd 1

Mehr bewegen. Mehr Zukunft.

29.11.13 07.11.13 15:56 10:27


Leitartikel von Thomas Weber.

1 Monat 1.0: Erkenntnisse eines Experiments   Pure Neugier brachten mich dazu, es ein Monat ohne Facebook und Twitter zu versuchen. Vom Leben als digitaler Höhlenmensch.

igaretten sein zu lassen, ist leichter. Denn auch wenn Unbedarfte von Vereinsamung reden: Tatsächlich sind Facebook und Twitter natürlich soziale Drogen. Den Kick verschaffen einem Interaktion, Diskussion und Austausch. Am ersten Tag ist der Entzug am härtesten. Ich fühle mich von der Welt abgeschnitten. Irgendetwas fehlt. Die Nachricht meiner temporären Abstinenz – »Abwesenheitsnotiz. Ein Monat ohne Facebook und Twitter« – beschert mir unerwartete Mails und Kurznachrichten. Theoretisch weiß man es klarerweise. Praktisch überrascht einen dann doch, wer aller von den eigenen Aktivitäten auf Facebook und Twitter Notiz nimmt. Auch Menschen, mit denen man wenig kommuniziert. Tag zwei ist nicht viel besser. Man spricht mich auf der Straße, bei einer JurySitzung, im Kaffeehaus und spätnachts auf der Party auf mein Experiment an. Wahrscheinlich redet man auch im Netz über mich und ich krieg’ von all dem nichts mit. Ich vertraue auf die Vernunft meiner sozialen Kontakte. Als Teenager wäre dieser Druck womöglich unpackbar. Ich müsste mich einloggen. Wozu das Ganze? Ich möchte wissen, wie es sich anfühlt ohne die Annehmlichkeiten meines hyperaktiven 2.0-Lebens. Ob mich meine Absenz zum Außenseiter macht oder entspannter. Wie ich denke, mich informiere. Es ist Neugier, kein Kulturpessimismus. Keine Sekunde zweifle ich daran, ob ich wiederkehren werde. Schnell merke ich: Meine Welt ist kleiner geworden. Ein bisschen komme ich mir vor wie ein Höhlenmensch, kriege nichts mehr mit, fühle mich gestrandet. Aber: Ich habe schon lange nicht mehr so konzentriert gearbeitet. Wenn der unaufhaltsame Nachrichtenstrom am Schirm

Meine Welt ist zusammengebrochen Erst nach einer Woche wird mir wirklich bewusst, wie gestrig und limitiert der mediale Mainstream, auf den ich plötzlich wieder angewiesen bin, nach wie vor ist. Einerseits. Und andererseits: wie selbstreferenziell wir es uns alle in unsrer eigenen »Filter Bubble« (Eli Pariser) gemütlich gemacht haben. Noch bis vor ein paar Tagen alltägliche Themen sind plötzlich von der Bildfläche verschwunden. Die alten Gatekeeper wirken und werken: Subkulturelles, Musik, Design, Umweltthemen, Bio und Landwirtschaft – nichts davon ist Thema. Fast schon absurd, wie sehr ausgerechnet zwei börsennotierte Konzerne die Meinungsvielfalt potenziert haben. Merkbar besorgt über meinen Verbleib

ist Facebook. Vom dritten Tag an erreichen mich automatisierte Mails mit der klar ersichtlichen Absicht, mich zurück auf die Plattform zu locken. Schließlich ist jeder User bares Geld wert. Also schickt man mir eine Art personalisierten Newsletter. X, Y und Z haben etwas gepostet, es warten 26 persönlich an mich adressierte Nachrichten, irgendwann wurde ich 99+mal markiert. Ich lese in der Zwischenzeit wie ein Verrückter lange aufgehobene Artikel, trage Zeitschriftenberge ab, kaufe seit Langem wieder einmal Spex, sogar den neuen Asterix. Unterwegs amüsiert mich zwei, drei Tage lang »Angry Birds«, das HandySpiel: ich schieße mit Spatzen auf Schweine und mich selbst in den Highscore. Als das nervt, widme ich mich anderen Apps und mache eine gar wundersame Entdeckung: Soundcloud. Mir bislang vor allem als Musikmarketingtool bekannt, von dem Bands und Labels Gebrauch machen, erweist sich Soundcloud als perfekter Channel für informative Audio-Inhalte. Hier gibt es weniger Geplänkel als auf Twitter, keine egomanischen Schaugefechte, es dominiert der Inhalt. Die als Podcasts ausgespielten Gespräche der Channels der Harvard und Yale University, die Analysen von New Yorker, Guardian, Economist oder Innovation Hub werde ich auch in Zukunft nicht missen. Nach zwei Wochen meldet sich auch Twitter bei mir. Es lockt mit Leuten, die ich kennen könnte. Auch hier haben X, Y und Z neue Nachrichten für mich. Ja, eh. Bild Michael winkelmann

Z

abreißt, dann passiert Bewegung plötzlich nur mehr in der Inbox, wenn neue Mails eintrudeln. Ein statisches Leben im Schneckentempo. Es ist wie mit den Zigaretten: Am dritten Tag hast du die Sache überstanden. Aber es wird nie wieder wie als Nichtraucher sein. Du bleibst ein Ex-Raucher. Du weißt, was dir abgeht. Vom Tod von Lou Reed erfahre ich nicht auf Twitter, sondern via FM4. Ich wäre gespannt, welche Links zu lesenswerten Nachrufen Kollegen posten. Welche Anekdoten alte Bekannte aus der Musikindustrie, die mit ihm zu tun hatten, auspacken. Welche Velvet Underground-Videos kursieren. Nichts davon bekomme ich mit. Sogar das legendäre Statement des anonymen amerikanischen College-Studenten, dass einen die Nachricht schon irgendwie erreicht, wenn sie wirklich wichtig ist, hat plötzlich an Gültigkeit verloren. Die Nachrichten finden mich nicht mehr. Ich muss mich aktiv informieren. Wann davor habe ich das letzte Mal von selbst Nachrichtenportale angesurft? Das muss 2009 gewesen sein. Überhaupt: Es fühlt sich alles so 2005 an.

Thomas Weber Herausgeber weber@thegap.at @th_weber

003

140_002-017_Splitter KORR.indd 3

29.11.13 10:53


Ja, Panik Auf unserem Coverfoto fällt es sofort auf: Ja, Panik sind nur noch zu dritt. Bei ihrem ersten Interview zum neuen Album »Libertatia« waren sie auf die Frage nach dem Warum noch gar nicht vorbereitet. Manche Dinge ändern sich eben. Manche nicht: Ja, Panik haben immer noch ein Gespür für die kolossalen Ungleichgewichte der Gegenwart. Und schaffen es noch immer, wunderschöne Lieder darüber zu schreiben, wie der Kapitalismus in unser aller Leben eindringt. Dieses Mal sind es fast Gospels geworden. Ja, Panik bringen Sadness und Staatsfinanzen zum Tanzen. Und bleiben damit die relevanteste deutschsprachige Band.

140

018 Magazin ja, panik 018 —— Ja, Panik singen auf »Libertatia« von einer süßen und besseren Welt. Diese bleibt unmöglich, klingt aber verlockend. Golden Frame: Kunst und Kapital 022 —— Im Mumok heißt es durchatmen, eintauchen und Salzwasser inhalieren. Maria Eichhorn und zehn weitere Künstler geben Perspektiven auf das Thema Kapital. Hunger Games 024 —— Der zweite Teil der Reihe kombiniert – vor allem in der ersten Stunde – virtuos den militärisch-industriellen Komplex mit der Entertainment-Industrie. Folk im Kino 026 —— Es wird gesungen. Zwei aktuelle Folkmusik-Filme führen vor, welche Magie Musik als Grundbaustein einer Story entfalten kann. One Direction 028 —— Mit erfolgreichen Singles wie »Best Song Ever« spielte sich die irisch-britische Boygroup One Direction in die Herzen der Mädchen. Social Media machte es möglich. Koenigleopold 030 —— Das steirisch-wienerische Duo hat angeblich ein Album voller »Schlagerscheiße« gemacht. Pardon, Majestät. Wir widersprechen.

Oscar Bronner 031 —— Der bekannte Zeitungsherausgeber malt wieder. Viele andere Prominente tun es auch. Kann das Kunst sein? Wir sagen Ja. Xbox One 032 —— Microsoft zeigt, was Technik 2014 so alles kann und vernetzt die Xbox One in alle Richtungen. playstation 4 033 —— Sony macht alle Ankündigungen wahr und konzentriert die PS4 hauptsächlich auf Spiele. Stockfotografie 034 —— Stockfotografie ist manchmal beängstigend, aber oft zum Lachen. Niko Ostermann hat sich die neuesten Entwicklungen angesehen. Twitter-Etikette 036 —— Shameless Self Promotion ist einer der häufigsten Gründe, Twitter zu nutzen. Das ist nicht verwerflich, man sollte dabei aber einige Grundregeln der Etikette beachten. Design: Disaster Design 038 —— Not macht erfinderisch. Wer sich nicht auf diesen Spruch verlassen will, bereitet sich vorher auf die Not vor, mit Erfindungen des Disaster Design.

kommt bald

140_002-017_Splitter KORR.indd 4

29.11.13 10:59


Postdemokratie im Film Im Jahr 2013 befindet sich Europa im Zustand der Postdemokratie: Politische Entscheidungen wandern vom Souverän – der Bevölkerung – in irgendwelche Hinterzimmer, während wir von einer riesigen Entertainment-Industrie ablenken lassen. Der zweite Teil von »The Hunger Games« fasst diese Entwicklungen in beeindruckende Bilder, aber auch schon lange vorher hat sich die Filmindustrie mit dem Phänomen beschäftigt. Von »Logan’s Run« über »Gattaca« bis »Equilibrium« – wir haben uns durch die Filmgeschichte gewühlt.

024 Rubriken Leitartikel Inhalt Editorial Porträts / Impressum Fondue Fabula Rasa Unbezahlter Anzeiger Splitter Reviews Introducing: Tom Mison Termine

003 004 006 006 009 010 011 012 043 050 058

Bild der Ausgabe Wir sehen uns ja selbst nicht völlig zu Unrecht als Nachwuchsschmiede. Und das haben wir jetzt wieder mal bestätigt bekommen. Das Fachmagazin Der österreichische Journalist wählt in regelmäßigen Abständen »Die Besten 30 unter 30«. Heuer dabei: Jonas Vogt, der uns seit zweieinhalb Jahren täglich mit Besserwisserei auf die Nerven geht und seinen Schreibtisch zumüllt.

Kolumnen Zahlen, bitte Blow Up: Film-Förderungen Know-Nothing-Gesellschaft

016 040 082

kommt bald

140_002-017_Splitter KORR.indd 5

29.11.13 10:59


edit

rial

The Revolution Will Not Be On Facebook. Or Twitter. — Umsturz in Polen, 24.171.817 Leuten gefällt das. Das wird nicht passieren. Aber auch nichts in der Richtung. Eine andere Welt ist möglich – Bullshit, es gibt nur diese da, sagt Andreas Spechtl von der Gruppe Ja, Panik. Ihr neues Album ist eine fröhliche Absage an ein besseres Leben in irgendwelchen Enklaven, das gleichzeitig nach vorne blickt, Seite 018. Irgendwie haben sich von der Coverstory weg Postdemokratie und Social Media als Themen dieser Ausgabe entwickelt. Immer dann, wenn man glaubt, die Kultur der Gegenwart hat nichts Relevantes zu sagen und vergräbt sich stattdessen in Nabelschau und schönem Firlefanz, kommt irgendwo ein Vogerl her. In »The Hunger Games« ist der Vogel ein Häher, der zum Symbol des Aufstands gegen die Postdemokratie wird – und für uns der Anlass, uns mit dystopischen Filmen im Kino zu beschäftigen, Seite 024. Auch dazu passend: Stockfotografie ist das Bilderbuch des Bösen, lachende Gesichter aus dem Menschenpark, jederzeit zum Konsum bereit. Mit dem ungeliebten, aber viel erfolgreicheren Zwilling der ernsten Fotografie beschäftigt sich ja sonst niemand, deshalb tun wir das auf Seite 034. One Direction lachen auch ständig, ihr globaler Erfolg lebt von brillanten Puppenspielern und wäre ohne Youtube, Facebook und Twitter nicht denkbar, Seite 028. Und Twitter, dieser Vogel galt ja irgendwann einmal als Wappentier der globalen Proteste. Also runden wir die Ausgabe mit etwas Twit ter-Etikette ab, Seite 036. Like? Stefan Niederwieser niederwieser@thegap.at @the_gap

kontribut

ren

Kristina Kirova

Stefan Schallert

Schimpfen & Hüpfen — ?%&$&§!!! %$&%§!!! Dass wir unser Porträt mit Flüchen beginnen, hat einerseits schon mit Kristina zu tun. Es heißt aber nicht, dass wir sie nicht mögen würden. Die 24-Jährige hat ihre Diplomarbeit zum Thema »Schimpfwörter in amerikanischen Fernsehserien« geschrieben. Das ist aber nicht der Grund, warum sie mittlerweile als Autorin für uns tätig ist. Es ist Kristinas Faible für Kunst, das wir uns ab dieser Ausgabe zunutze machen. Darüber hinaus steht die gebürtige Bulgarin auf Sohn, Knödel und Evian Christ. Und hat außerdem einen extrem ansteckenden Tanzstil, der hauptsächlich auf Hüpfen basiert und gerne verfügbare Möbel miteinbezieht. Nackenkissen hält sie für unnötig und Terry Richardson für ein sexistisches Schwein. Aktuell nervt sie ihre Umgebung damit, den ganzen Tag das Miley Cyrus-Sinead O’Connor-Mashup laufen zu lassen. Wenn sie damit aufhört, werden wir vielleicht gute Freunde. 

Holz & Herz — Dass Publizistik einen schlechten Ruf hat, liegt ja nicht nur an Ster- und Grissemann. Trotzdem macht Stefan darin gerade seinen Magister. Zum Glück kann er ja sonst auch noch was – er kennt sich beispielsweise mit Holzverarbeitungsprozessen aus, vom Fällen bis zum Heizen. Früher, da hat man sogar Papier daraus gemacht und Buchstaben daraufgedruckt. Stefan ist dann irgendwie von Vorarlberg aus bei uns gelandet. Zum einen wegen einer passiv-aggressiven Bewerbung für ein Praktikum – Stefan hat, sagt er selbst, eine überfürsorgliche Mutter, das hat wohl geholfen. Zum anderen wegen seiner Leidenschaft für Musik, deren Einflussquelle sich im Laufe seines Lebens von seinem großen Bruder hin zu Pitchfork veränderte. Bei uns hat er es geschafft, neben einer Reihe unliebsamer Aufgaben auch einige seiner Herzensangelegenheiten in sehr lesenswerte Texte zu verwandeln. Das lernt man wohl auch an der Publizistik: Man muss für seine Inhalte brennen. Womit wir einerseits wieder beim Holz wären. Und bei Pitchfork. Die machen ja jetzt auch Print. 

TEXT jonas vogt bild lukas maul

TEXT stefan niederwieser

Impressum

HERAUSgeber Thomas Weber chefredaktION Martin Mühl, Stefan Niederwieser Redaktion Ranya Abd El Shafy, Niko Acherer, Matthias Balgavy, Amira Ben Saoud, Josef Berner, Sandra Bernhofer, Liliane Blaha, David Bogner, Manuel Bovio, Ivo Brodnik, Stephan Bruckner, Klaus Buchholz, Johannes Busching, Ann Cotten, Lisa Dittlbacher, Andreea Dosa, Margit Emesz, Juliane Fischer, Holger Fleischmann, Philipp Forthuber, Manuel Fronhofer, Miriam Frühstück, Barbara Fuchs, Daniel Garcia, Yannick Gotthardt, Manfred Gram, Dominique Gromes, Julia Gschmeidler, Andreas Hagenauer, Jan Hestmann, Christoph Hofer, Sebastian Hofer, Peter Hoffmann, Michael Huber, Konstantin Jakabb, Reiner Kapeller, Jakob Kattner, Sophie Kattner, Markus Keuschnigg, Michael Kirchdorfer, Kristina Kirova, Stefan Kluger, Michaela Knapp, Katrin Kneissl, Markus Köhle, Christian Köllerer, Leonie Krachler, Christoph Kranebitter, Rainer Krispel, Michael Bela Kurz, Philipp L’Heritier, Artemis Linhart, Gunnar Landsgesell, Ali Mahlodji, David Mochida Krispel, Christiane Murer, Nuri Nurbachsch, Ritchie Pettauer, Stefan Pichler, Johannes Piller, Stefanie Platzgummer, Lasse Preng, Christoph Prenner, Teresa Reiter, Werner Reiter, Kevin Reiterer, Martin Riedl, Tobias Riedl, Georg Russegger, Joachim Schätz, Peter Schernhuber, Bernhard Schmidt, Nicole Schöndorfer, Werner Schröttner, Richard Schwarz, Katharina Seidler, Wolfgang Smejkal, Lisa Stadler, Cornelia Stastny, Roland Steiner, Gerald C. Stocker, Johanna Stögmüller, Peter Stuiber, Wernr Sturmberger, Denise Helene Sumi, Asha Taruvinga, Hanna Thiele, Horst Thiele, Franziska Tschinderle, Erwin Uhrmann, Jonas Vogt, Luise Wolf, Maximilian Zeller, Martin Zellhofer, Barbara Zeman PRAKTIKUM David Bauer, Stefan Schallert termine Manuel Fronhofer, Stefan Niederwieser AUTOREN Georg Cracked, Michaela Knapp, Michael Lanner, Moriz Piffl-Percevic, Jürgen Wallner, Martin G. Wanko fotografie Florian Auer, Lukas Beck, Stephan Doleschal, Andreas Jakwerth, Georg Molterer, Ingo Pertramer, Kurt Prinz, Karin Wasner, Michael Winkelmann Illbilly-illustration Jakob Kirchmayr COVER Gabriele Summen ART DIRECTION Sig Ganhoer DESIGN Elisabeth Els Lektorat Wolfgang Smejkal, Adalbert Gratzer web Super-Fi, m-otion anzeigen Herwig Bauer, Thomas Heher, Wolfgang Hoffer, Micky Klemsch, David Kreytenberg, Martin Mühl, Thomas Weber (Leitung) Distribution Martin Mühl druck Ferdinand Berger & Söhne GmbH, Pulverturmgasse 3, 1090 Wien geschäftsFÜHRung Martin Mühl PRODuktion & MedieninhabERin Monopol GmbH, Favoritenstraße 4–6 / III, 1040 Wien kontakt The Gap c/o Monopol GmbH, Favoritenstraße 4–6/III, 1040 Wien; Tel. +43 1 9076766-41; wien@thegap.at, www.thegap.at, www.monopol.at, office@thegap.at bankverbindung Monopol GmbH, easybank, Kontonummer 20010710457, BLZ 14200 abonnement 10 Ausgaben; Inland EUR 15, Europa EUR 35, Rest der Welt EUR 42; HEFTPREIS EUR 2,— erscheinungsweise 8 Ausgaben pro Jahr; Erscheinungsort Wien; Verlagspostamt 1040 Wien Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Für den Inhalt von Inseraten haftet ausschließlich der Inserent. Für unaufgefordert zugesandtes Bild- und Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung der Geschäftsführung.

006

140_002-017_Splitter KORR.indd 6

29.11.13 10:59


? P E P T O G MICHAEL ANASTASSIADES Salz- und Pfeffermühlen 5 Degree Mills Ausführung: Werkstätte Carl Auböck, Wien

Foto © sigmarlondon.com Grafik: Perndl+Co

SONNTAGS GEÖFFNET.

140_002-017_Splitter KORR.indd 7

MAK Design Shop Stubenring 5, 1010 Wien Di 10:00–22:00 Uhr Mi–So 10:00–18:00 Uhr MAKdesignshop.at designshop@MAK.at

29.11.13 10:59


y s e e h C FANGEWINNUNGS ADVENTS GEWINNSPIEL www.thegap.at/cheesyadvent

140_002-017_Splitter KORR.indd 8

29.11.13 12:07


F

NDUE

Bild iris blauensteiner, Stof Hofer, Amira Ben Saoud, Thomas Weber

Spähaugen und Schnappschützen aufgepasst: The Gap freut sich immer über bemerkenswerte Momentaufnahmen, optische Querschläger und belichtete Kuriositäten. Einsendungen an fondue@thegap.at

Die Grand Wurst der Volksmusik. Da läuft den weiblichen Fans das Wasser im Knie zusammen.

Wie-sagt-man-noch-Spiele mit Ströck. Ich probiers mal. BOKU-Studentin?

Im Kombiangebot: Gewürfelte Tomaten »Area 51«.

Und das ewige, versehentlich aufgedrehte Fernlicht leuchte ihnen.

Schon die Grobmutter pflegte zu sagen: Ob Weib oder Scharz – vor Gott sind alle Trüffel gleich.

Passend zur Weihnachtssaison: Unser Julipunsch mit frischem Inquart.

140_002-017_Splitter KORR.indd 9

29.11.13 11:01


K

LUMNE

Fabula Rasa All Hail The Captain!

COPIE NON CONFORME 17 01 2014 -15 03 2014 Künstler_innen Jamika Ajalon und Marion Porten, Dara Birnbaum, Teresa Maria Diaz Nerio und Stefanie Seibold, Amina Handke, simon INOU und Mara Niang, Annja Krautgasser, Lena Lapschina, Marko Lulic, Fiona Rukschcio, Peer Sievers, Anat Stainberg, Statt Wien, Hito Steyerl Kuratorin Amina Handke

KUNSTRAUM NOE

ERÖFFNUNG 16 01 2014 | 19.00H

HERRENGASSE 13

140_002-017_Splitter KORR.indd 10

A -1014 WIEN

TEL +43 1 90 42 111

»das, womit er sich früher gequält hatte, was er immer wieder gesucht hatte – ein lebensziel –, war für ihn gar nicht mehr vorhanden. es war kein zufall, dass dieses stets gesuchte lebensziel jetzt nicht mehr für ihn vorhanden war; er fühlte, dass es ein solches lebensziel nicht gab und auch nicht geben konnte. und eben dieses nichtvorhandensein eines lebensziels gab ihm jenes volle und frohe bewusstsein der freiheit, das jetzt sein glück ausmachte.« (»krieg und frieden«, leo tolstoi) Bernhard, Arbeitskollege in der neuen Abteilung und Schnösel Nummero Uno, kommt zu dir, um sich zu entschuldigen, Er habe nicht gewusst, dass ihr zusammen seid, denn sowas würde er nicht machen. Es war ja nur zwei oder drei Mal, immer abends nach dem Seminar. Wo du an den Abenden gewesen bist? Das schmerzt. Gut, dass ihr euch ausgesprochen habt, sagt er, das ist sicher besser so. Aber du hörst schon nicht mehr hin. Nichts wie raus hier, bevor etwas passiert. Zwei Stunden um den Block gehen und tausend Rache-Fantasien später, in denen mal der eine, dann die andere, und dann wieder beide dran sind, hast du endlich einen Plan. Abends kommt Marianne zu dir und nach dem Essen (Pizza, Rotwein – Flasche für € 5,99) wird es romantisch und als es zuwege geht, ziehst du dir ein Kondom über und Marianne sagt: Wofür ist das denn? Und du antwortest nüchtern: Keine Ahnung, wo Bernhard sonst überall dran war. bei dir zu hause brennt’s, welche drei dinge rettest du? »nichts. ich bin froh, wenn die scheisse weg ist.« (wolfgang »wölfi« wendland, »die kassierer«) »Bin ich dir denn gar nichts wert?« schreit Marianne und umso weniger du sagst, desto mehr schreit sie. »Du Arsch, du Arsch, du Arsch! Wie kannst Du nur so ruhig dastehen und dir alles egal sein.« Aber du sagst nichts, denn da kommt noch mehr und das willst du sehen. Endlich echte Gefühle. »Ja, ich habe ihn gefickt, hörst du, es stimmt, aber das hat nichts mit dir zu tun!« Und jeder lapidare Kommentar von dir bringt nur weitere Aggressionen von ihr. »Du hast doch selbst gesagt, es ist nichts Ernstes.« »Meine Güte, du musst selbst wissen, was richtig ist.« »Nein, ich war treu.« Dann weint sie und du sagst, es wäre vielleicht am besten, wenn sie jetzt geht. Und sie geht. Später, kurz nachdem die Flasche Rotwein leer ist, sitzt du allein im Dunkel und bekommst einen tiefen Hass auf Bernhard. Nicht, weil er mit Marianne geschlafen hat (das lastest du ihr an), sondern weil er dich benutzt hat, um ihr weh zu tun. Natürlich hat sie es verdient, aber er ist ein schleimiger Ekelbolzen und du hast dich von ihm vor den Karren spannen lassen. Du greifst zum Handy und textest: Es ist mir überhaupt nicht egal. Und hoffst. 

WWW.KUNSTRAUM.NET

29.11.13 11:01


UNBEZ

HLTER ANZEIGER

Es gibt Dinge da draußen, die sind so gut, die sind Segnungen für die Menschheit, echte Hits der Warenwelt, für die machen wir freiwillig Werbung.

Poop Soap

Cheesus Christ Cheese Grater

In der letzten Ausgabe haben wir euch einen Hände waschen: gut, hygienisch, sinnvoll, Drachen gezeigt, der mit dem Abbild des Got- keimabtötend. Aber irgendwie auch langtessohns geschmückt war. Im zweiten Teil der weilig. Wie kann man dieser stinknormalen christlichen Produktschau geht es um das Hei- Tätigkeit wieder etwas Würze verleihen? Für ligtum des durchschnittlichen Studenten: die Seifensammler wohl ein alter Hut, für den Käsereibe. Ganz klar: Nudeln oder Teigwaren Normalverbraucher das provokanteste Stück jeglicher Form werden in finanziell schweren Hautpflege, das sich finden lässt: die KackseiZeiten dankend unter einem Miniberg gerie- fe. Geformt wie ein durchschnittlich gesunbenen Parmesans versteckt. Das schmeckt der Kotbrocken, schmückt dieses Stück das herrlich und kann mit dem »Cheesus Christ Badezimmer eines jeden gewollten Käufers Cheese Grater« auch dem Allmächtigen gemäß und lädt jeden Gast auf ein unangenehmes vollzogen werden. Er starb für unsere Sünden, Gespräch ein, das in etwas so beginnt: »Äh, also reiben wir ihm den Käse ins Gesicht. Je- auf deinem Waschbecken liegt ein Stück Kot sus nimmt das monatelang gereifte Käsestück …« Man darf in aller Ehrlichkeit sagen: Was für mit einem perfekt in Szene gesetzten Märty- ein Scheiß. rer-Blick an. Mahlzeit. www.poopsoap.com www.amazon.com

KonsumentTestsieger

My Little Pony – Tausendfüßler Ah, der Klassiker »The Human Centipede«. Der perfekte Film für romantische Abende zu zweit. Thema: drei unbescholtene Zivilisten werden von einem verrückten Doktor an Anus und Mund zusammengenäht. Denkt man etwas weiter, werden einem die fürchterlichen Folgen bald klar: der erste muss irgendwann essen. Die unhygienischen weiteren Abläufe bleiben unseren unschuldigen Lesern an dieser Stelle erspart. Auf jeden Fall gibt es jetzt ein Mashup zwischen einem der wohl verstörendsten Horrorfilme und dem beliebten Kinderspielzeug My Little Pony. Wow. Der Film selbst ist ja schon Kapitalismuskritik pur, aber in Verbindung mit den kleinen Kuschelponys wird das nochmal um einiges interessanter.

Brötchen-Listen. Von Tex Rubinowitz. Heute: 8 neue olympische Disziplinen 01 02 03 04 05 06 07 08

Moderner Dreikampf (Kniebeugen / Hahnenkampf / Bankdrücken) Turmspringen mit Przewalskipferd (3, 5 & 10 Meter) Damenschlammcatchen für Herren Elefantenpolo mit Hamstern Cross-Country-Einhandstricken Müllweitwurf Interdisziplinäres Tanzen (Kombination aus Säbeltanz und Watschentanz) Stehen

… und das Ergebnis kann sich durchaus blicken lassen. Fünf der zwölf getesteten Proviantvarianten schnitten mit der Note „sehr gut“ ab. Darunter das Thunfisch-Ei-Brötchen von Trzesniewski am Wiener Westbahnhof …

inserat/konusment-the gap.indd 1

140_002-017_Splitter KORR.indd 11

18.10.13 10:09

29.11.13 11:01


CH

RTS

AM RAD

R

Katharina Seidler (FM4, De:bug)

TOP 10 tracks #7

01 Jeff Buckley – Lover You Should’ve Come Over 02 The Velvet Underground & Nico – Heroin 03 Daft Punk – Touch 04 Francis International Airport – Sulfur Sun 05 Molly Nilsson – (Won’t Somebody) Take Me Out Tonight 06 PJ Harvey – This Mess We’re In 07 Hot Chip – My Piano 08 Actress – Maze 09 Tocotronic – Pure Vernunft Darf Niemals Siegen 10 Blind Melon – No Rain

TOP 5

BÜCHER VON THOMAS BERNHARD

01 Alte Meister 02 Heldenplatz 03 Der Keller 04 Der Untergeher 05 Ein Fest für Boris

auch nicht schlecht: Philadelphia Doppelrahmstufe, Laugencroissants, Landliebe Sahnepudding

www.thegap.at/gewinnen »Hannibal« Staffel 1 Eine Serie zur Vorgeschichte von »Roter Drache« – klingt immer gut und ist entsprechend blutig umgesetzt. Noch besser: Mads Mikkelsen als Dr. Hannibal Lecter. Wir sind dabei! Und außerdem verlosen wir 2 DVD-Boxen.

»Lone Ranger«

Tatjana Domany

Die inoffizielle Nachfolge zur »Fluch der Karibik«-Reihe schickt Johnny Depp in den Wilden Westen und wurde zwiespältig aufgenommen. Gerade deswegen muss man das Teil unbedingt gesehen haben. Wir verlosen 2 DVDs, einmal mit Artbook und einmal mit Rucksack.

(Austrian Music Export, G-Stone Recordings)

Bacardi Superior Package

TOP 10

Bacardi Superior gilt als Rum, der besonders fein zum Mixen von Getränken geeignet ist – eine Zutat, die den Drink weder dominiert, noch im Geschmack verschwindet, sondern sich einfach gut kombinieren lässt. Wir verlosen 4 Pakete, bestehend aus Rum und Mixer.

SHOWCASE FESTIVAL VENUES

01 Übel & Gefährlich, Reeperbahn Festival Hamburg 02 Vera, Eurosonic Festival Groningen 03 La Cigale, Mama Festival Paris 04 Schiffbau, M4music Zürich 05 Kulturpalast, European Music Fair Warschau 06 Belgisches Viertel, c / o Pop Köln 07 Fluc, Waves Vienna 08 Voxhall / Atlas, Spot Festival Aarhus 09 Vooruit, Glimps Festival Gent 10 ATP Stage, Primavera Festival Barcelona

TOP 5

MUSIKFILME

01 Control 02 Meeting People Is Easy 03 Anvil – The Story Of Anvil 04 Still Crazy 05 Es muss was geben

auch nicht schlecht: Art Spiegelman, Bill Watterson, Warren Ellis, Frank Miller, Neil Gaiman, Will Eisner, Scott McCloud

»Das erstaunliche Leben des Walter Mitty« Basierend auf einer Kurzgeschichte von James Thurber inszeniert und spielt Ben Stiller die Geschichte von Walter Mitty, dem unscheinbaren Fotoredakteur eines Magazins, der sich in Tagträumen verliert, bis er eine große Reise antreten muss. Wir verlosen 2 Pakete aus Soundtrack, Plakat und 2 Tickets.

Action Cult Uncut Pack Centfox holt die 80er-Action-Filme unserer Kindheit zurück. In »F / X« soll Bryan Brown für die Regierung die Ermordung eines Kronzeugen faken und »Vindicator« schließt »Robocop« mit »Frankenstein« kurz und lässt eine Killermaschine ihr Unwesen treiben. Wir verlosen 3 Pakete, bestehend aus jeweils einem Film.

Ernst Molden »Hafen Wien« Geister und Gespenster, der Friedhof der Namenlosen, ein exzentrischer Totengräber und das Donauweibchen als SM-Domina sind die Ingredienzien für Ernst Moldens Horror-Singspiel aus der diffusen Halbwelt zwischen Leben und Tod. Ab jetzt im Rabenhof. Wir verlosen jeweils 2 Karten für den 17., 18., 28. und 29. Januar.

012

140_002-017_Splitter KORR.indd 12

29.11.13 11:04

inse


AM RAD

To Watch In 2014 Wir schauen in die Zukunft, in die digitale Kristallkugel, auf der Suche nach den stärksten, noch unbekannten Alben des kommenden Jahres. Kompiliert von Stefan Niederwieser und Max Zeller.

R

Ja, wir trauen uns das zu. Weil wir schon länger beobachten, wie das die BBC jedes Jahr mit ihrer SoundOf-Kommendes-Jahr-Liste macht, wie Labels und Agenturen ihre Schwerpunkt-Releases für kommendes Jahr in Stellung bringen und sie vorankündigen, wie sich das Line-up des Eurosonic Festivals füllt, wo im niederländischen Winter diverse Sommerfestivals und die europäische Bookingmeute sich ihre Tipps holen. Für unsere Liste der Artists To Watch haben wir insofern versucht Newcomer zusammenzutragen, bei denen das Debütalbum noch aussteht. Ausnahme: Bilderbuch, die heuer einen so enormen Sprung nach vorn gemacht haben, dass man ihr Album als zweites Debüt werten kann. Und Dorian Concept, dessen Debütalbum auf einem quasi unbekannten Album dann fünf Jahre alt sein wird. Fast alle anderen haben ein Album so gut wie fertig. Natürlich gibt es daneben, drüber, drunter immer wieder Alben, die lange unbemerkt bleiben oder scheinbar aus dem Nichts kommen. Aber Buzz will langsam gefüttert werden. Das ist auch bei Angel Haze, Dorian Concept oder Left Boy nicht anders. Die wollen aus diversen Gründen immer wieder eine Schraube noch perfekter einstellen. Oder die wie Jai Paul zwischendurch ganz abtauchen. Wir lassen uns also Hintertürchen offen für unsere Liste der Newcomer 2014.  Reinschauen auf: soundcloud.com/thegapmagazin

Places of TransiTion kuratiert von Gülsen Bal und Walter Seidl

24.01. bis 13.03.2014 // Di bis So 13 bis 19 Uhr Eröffnung: Do 23.01., 19h freiraum quartier21 INTERNATIONAL MuseumsQuartier Wien // Eintritt frei www.quartier21.at // // Libia Castro (ES)* & Ólafur Ólafsson (IS)*, Köken Ergun (TR)*, Vikenti Komitski (BG)*, Aslı Çavuşoğlu (TR), Marco Poloni (CH), Oliver Ressler (A), Milica Tomić (SRB), Santiago Sierra (ES), Akram Zaatari (LB) *Artists-in-Residence des quartier21/MuseumsQuartier #transition

inserat gap 25.11.2013.indd 2 140_002-017_Splitter KORR.indd 13

26.11.13 11:05 17:37 29.11.13


VORHER SEHEN. The Economist – Die Welt 2014 Sichern Sie sich mit der “Presse“ die deutschsprachige Jahresvorschau des renommierten Magazins The Economist. Exklusiv als ÖsterreichLizenzausgabe. Die wichtigsten Trends und Prognosen für 2014, ergänzt durch einen Österreich-Schwerpunkt von der „Presse“-Redaktion. Für „Presse“-Abonnenten statt 7,90 Euro nur 5,90 Euro bei Onlinebestellung unter DiePresse.com/diewelt2014

Wir schreiben seit 1848

140_002-017_Splitter KORR.indd 14

29.11.13 11:05


JE TZ T BESTELLEN!

140_002-017_Splitter KORR.indd 15

29.11.13 11:05


Kolumne: Zahlen, bitte! von Thomas Edlinger

330 967 629   Clicks hat ein Video von Miley Cyrus mit Träne, aber ohne Twerking. Eine Spekulation über den ersten Bubblegumpornopopstar der Geschichte und ihre Konkurrentinnen.

A

lle lieben Miley, alle hassen Miley. Wird sie wieder einem Teddybären an die Wäsche gehen? Wird sie Testimonial für eine Fetisch-Modelinie von Hello Kitty? Oder wird sie, um den »Kaiser« Robert Palfrader zu zitieren, auf der Bühne oder im Familienfernsehen schon auch wieder ein bissl brav sein und ihrem aus unbeschwerten Disney-Tagen ins Pornoland hinübergeretteten Hobby, dem Kamerazeigen der herausgestreckten Zunge, frönen? Die Frau mit dem Namen, der so klingt wie ein unbekannter Planet, ist nach dem nicht einmal ansatzweise als Charakterwandel getarnten Imagewechsel zur Thronfolgerin von Lady Gaga, Britney Spears und Madonna zugleich aufgestiegen und nimmt dabei auch gern noch ein wenig zusammengeklaute Sektlaune aus solide sexistischen HipHop- und R’n’B-Videos mit. Laut erwartbar größenwahnsinniger Selbstauskunft hält sie sich, weil sie das alles ja freiwillig und selbstkontrolliert macht und damit nicht wenig Geld verdient, für »eine der größten Feministinnen unserer Zeit«. Ihre sie gluckenhaft abkanzelnde Popziehmutter Sinead O’Connor nennt das Prostitution. Eine Feministin diesen Zuschnitts hat auf jeden Fall viel zu tun, um ihrer Ruf zu wahren. Überall lauert Konkurrenz. Millionärinnen machen ebenso selbstbestimmt wie sie, was sie wollen, solange sie ihren Körper dabei kapitalträchtig in Schuss halten und präsentieren.

Subversion durch Affirmation »Work Bitch«, empfiehlt eine, die es wissen muss. Schließlich hat sie eine lange Phase des Verdienstausfalls hinter sich, verschuldet durch mangelnde Arbeit an sich selbst und der eigenen Sexyness. Britney Spears macht derzeit eine auf wieder erstarkte Frauendomina. Willkommen zurück! Denn wer »Martinis nippen, heiß im Bikini aussehen, Freunde, einen Lamborghini und eine fette Villa haben will«, der muss arbeiten – und schon knallt Britney im Video dazu die Peitsche auf eine von ihren auf allen Vieren kriechenden Cele-

brity-Aspirantinnen in der obligaten SMUniform. Alle Ladys kuschen. Immerhin kriegt die Chefin jetzt eine eigene Show in Las Vegas. Kollegin Lilly Allen hält nicht so viel vom Fun des Stahlbads und empfiehlt als Königsweg zur Partyqueen nicht Arschwackeln, sondern den ersten oder zweiten oder zumindest irgendeinen Bildungsweg: »I won’t be bragging ’bout my cars or talking ’bout my chains. Don’t need to shake my ass for you ’cause I’ve got a brain.« Der Hinweis ergeht (ungeachtet der von Allen behaupteten postrassistischen Solidarität) an jene Frauen, die sich angeblich oder tatsächlich von den protzigen »Ich hab es geschafft«-Insignien der afroamerikanischen HipHop-Kultur blenden lassen. Zugleich aber wird diese Botschaft mit einem als ironisch untergejubelten Getwerke verkauft. Der Trick mit dem Augenzwinkern und den offensichtlichen pornokapitalistischen Zitaten wie dem sprudelnden Champagnerflaschenphallus versucht sich an der Quadratur des Kreises, die man im Popzirkus seit den 80er Jahren Subversion durch Affirmation nennt. Mehrheitlich farbige Frauen posieren in bewährter Bitch-Manier mit fast nackten Hintern im Video rund um das sich nicht im gleichen Maß entblößende Zentrum Allen (wobei natürlich auch sie, gemessen an Maßstäben von vor 20 Jahren, ein halbnackter Körper ist). Sie performen für und vor und unter Allen das, was sie angeblich mit ihrem Appell an die Kraft des »Brain« überwinden will: die Degradierung der Frau zum Lustobjekt.

Störung als verzweifelter Witz Ähnlich wie Lily Allen steht auch Miley Cyrus derzeit heftig in der Kritik – unter anderem deshalb, weil sie eine ursprünglich schwarze Tanzsubkultur als Novelty-Effekt im Popbiz ausschlachtet. Im Unterschied zu Allen aber wird hier ein kritischer Impuls nicht einmal mehr behauptet. Bei den MTV-EMA-Awards im November in Amsterdam hat der neue Superstar unter anderem Folgendes gemacht: Sie ist als Astronautin verkleidet zu Boden geschwebt, hat im knielangen Kleid mit einer kleinwüchsigen, in einen schwarzen Ganzkörperlatexanzug gehüllten Kollegin fröhlich getwerkt, hat dabei sich selbst auf den herausgestreckten Hintern klatschen

lassen und ihrer Begleiterin im Gegenzug ein wenig auf den Hintern geklatscht. Außerdem hat sie noch »Wrecking Balls« performt und dabei so getan, als müsste sie fast so arg weinen wie im Video. All das war aber noch gar nichts im Vergleich zu dem, was ich verdutzt zufällig zuerst auf MTV gesehen habe. Miley Cyrus stakst in weißem Pelz, High Heels und bis über die Hüften gezogenem Body auf die Bühne, holt sich ihren Preis ab und fischt dann in ihrer Handtasche nach einem offensichtlichen Joint. Und dann zündet sich die junge Frau (zu diesem Zeitpunkt war sie gerade noch nicht 21 Jahre alt!) das Ding an. Und pafft voller diebischer Freude. Nicht eine Sekunde lang, sondern mindestens zwei. So nah am Feuer, so nah am Tabu! Diese Freiheit nehm’ ich mir, mag sich Miley in dem Moment gesagt und dabei daran gedacht haben, dass sie durch lehrbuchartiges »Beim Joint-Rauchen-Erwischen lassen« schon einige geschätzte 100.000 Einheiten mehr verkauft haben dürfte. »Ich habe es gemacht, weil ich wusste, dass die Fans in Amsterdam es lieben würden«, sagt die leutselige PR-Maschine in Mileys Mund. Die Handykameras blitzen, die Massen haben den Skandal, den keiner skandalös findet. Die Störung von heute ist nicht einmal mehr die Innovation von morgen, sondern nur ein verzweifelter Witz. Es war ein Popmoment 2013, wie er trauriger und ernüchternder kaum sein könnte. Wahrscheinlich wird die erwachsene Miley Cyrus nach Lady Gaga noch ihr eigenes »Artpop«-Album machen müssen, in dem sie uns erklären wird, dass Twerken und Teddybären irgendwas mit total subversiver Kunst, zum Beispiel mit Jeff Koons, zu tun haben.

Thomas Edlinger Journalist und Kurator

016

140_002-017_Splitter KORR.indd 16

29.11.13 11:05

Oe1


Eines unserer Clubhäuser. Ö1 Club-Mitglieder haben knusprige Vorteile. Melden Sie sich jetzt an! Oder verschenken Sie eine Ö1 Club-Mitgliedschaft!

Information und Anmeldung: t (01) 501 70-370 e oe1.club@orf.at i oe1.orf.at/club

140_002-017_Splitter KORR.indd 1 17 Oe1_INS_thegap_210x280.indd

→ Ö1 Magazin »gehört« – Abo mit monatlich 60 Seiten Ö1 Programm, Reportagen, Hintergrundberichten und umfassendem Ö1 Serviceteil → Ö1 Club-Rabatt – bis zu 50 % Ermäßigung bei mehr als 20.000 Kulturveranstaltungen (gültig für zwei Personen) → Ö1 Reisen zu besonders günstigen Konditionen → Ö1 Download-Berechtigung zum Sonderpreis (€ 24,– statt € 39,– für 360 Downloads im Jahr) → Ö1 Club-Konditionen für Ö1 cds und Ö1 Artikel im orf Shop → orf RadioKulturhaus-Karte – um 10 % ermäßigt (Mit der orf RadioKulturhaus-Karte erhalten Sie bis zu zwei Tickets pro Veranstaltung um 50 % ermäßigt.) → Ö1 Club-Freikarten – für Theater, Konzerte und Ausstellungen → Ö1 Club-Exklusiv – kostenloser Besuch von Kulturveranstaltungen mit dem gewissen Extra Ö1 Club-Jahresbeitrag: € 32,– (für Student/innen: € 19,–)

29.11.13 26.11.13 11:05 13:42


018

140_018-031_Story.indd 18

29.11.13 11:10


Ja, Panik – »Libertatia« — Gospels für dich und die Postdemokratie

Ja, Panik sind jetzt zu dritt. Ihr zweites Debüt geht nach einem Abstecher über Madagaskar an die Eingeweide einer anderen, besseren Welt, die zwar eben nicht möglich ist, nun aber süß und verlockend klingt.

Kann man ACAB überhaupt zärtlicher hauchen? Der neue Ton der Gruppe Ja, Panik klingt außergewöhnlich. Gleich der Titelsong ist ein Gospel, die Stimme weicher, sie will dahin zurück wo es nach vorne geht, ein federnder Synth, ein gelöster Rhythmus, die Nations werden abgeschafft. Eine Welt. Eine Liebe. So kannte man das noch nicht. Ja, Panik, das waren doch die singenden Querköpfe, für die man seinen Foucault und Benjamin und seine Cultural Studies gelesen haben musste, um hinterher zu bemerken, dass man bei ihnen auch damit nicht weiterkommt. Angst, Money & being kaputt waren früher ihre Themen, die dauernd in immer großartigere Zeilen gegossen wurden. Mit »DMD KIU LIDT« hatte die Band den vielleicht besten Song einer deutschsprachigen Band der letzten 20 Jahre geschrieben. Ein Ungetüm, fast eine Viertelstunde lang, Scheitern in allen Schattierungen, ausgekotzt, auf allerhöchstem Niveau. Dieser kühle, defekte, manchmal fast zynische Ton ist nun verschwunden. Nein, ACAB kann man nicht zärtlicher hauchen. Auch wenn die Band andere Fährten legt, ist das natürlich immer noch die Kurzform von All Cops Are Bastards, die in Berlin, Wien oder Birmingham überall an Häuserwände gesprüht wird, gegen den Scheiß-Apparat. Später singen sie über ein gefühliges Tenorsaxofon – dieses Instrument, das in endlosen Fahrstuhl- und Wartehallenschleifen zum Sound des Konsums schlechthin wurde – von den 20ern als großer Falle, in die es hineingeht mit Karacho. Wer also geglaubt hat, Ja, Panik klingen auf ihrem fünften Album milder und gefälliger, liegt falsch. Eher sind sie heute nur noch vielschichtiger.

Man braucht sich nichts vormachen. Andreas Spechtl sagt das im Lauf des Interviews immer wieder. Ja, Panik sind weiter unnachgiebig. Trotz des helleren, weicheren Sounds, der klareren Texte, auch wenn sie nur mehr zu dritt sind. Beim ersten Interview zu ihrem jüngsten Album sind sie erstaunlicherweise noch nicht auf die Frage vorbereitet, warum das so ist, warum die anderen beiden weg sind. Es hat jedenfalls die Chemie in der Gruppe verändert. Aufbruch also. Das Sprungbrett dafür heißt Libertatia. Dieser Ort lag an der nördlichen Spitze Madagaskars, ganz in der Nähe von Somalia, war eine parlamentarische Republik, gegründet von Freibeutern am Ende des 17. Jahrhunderts, in der geraubtes Eigentum allen gehörte und Menschen aller Geschlechter und Hautfarben ein ganzes Jahrhundert vor der französischen Revolution gleichberechtigt lebten. Nach cirka 25 Jahren wurde Libertatia von einer Flotte der Franzosen niedergemacht. Ob es wirklich existiert hat, ist umstritten, aber auch gar nicht wichtig. Denn Musik muss das sowieso nicht, Auswege anbieten oder konkret werden. Meistens verliert sie dadurch sogar. Die Texte von Ja, Panik sind auch immer schöne Poesie, sagt auch Andreas Spechtl. Immer wieder handeln die neuen Songs von Liebe, von zwei Menschen und all den anderen. Und dann wieder tun sie es blitzartig nicht. In »Au Revoir« singt Spechtl noch über sanft funkelnden Gitarren, dass du schlafen kannst, während ich fahre, entdeckt aber kurz davor seinen inneren Jakobiner, also einen jener Typen, die die grandiosen Vorsätze der französischen Revolution in Terror und Willkür verwandelt haben. Man darf sich eben nichts vormachen. Auch heute sieht man das, ganz egal ob Occupy, Arabischer Frühling oder die Unruhen in London, Paris, Athen, Istanbul und Stockholm – immer drohen Aufstände und Hoffnungen zu kippen.

Text Stefan Niederwieser Bild Gabriele Summen, Studiocanal, 20th Century Fox

Keep On Keeping On

019

140_018-031_Story.indd 19

29.11.13 11:10


Bob Marley sang von einer besseren Welt, »The Beach« handelte davon. Ja, Panik halten davon wenig, singen trotzdem »One World, One Love«.

Die Menschen sind böse und niederträchtig Am Ende sind es ja immer die Menschen selbst, an denen die Utopien scheitern. Nur ganz selten kommt jemand wie Montesquieu oder Rousseau daher, der frech erkennt, dass Menschen grundsätzlich böse und niederträchtig sind und sich deshalb staatliche Ordnungsprinzipien ausdenkt, wie etwa Gewaltenteilung oder Gesellschaftsvertrag, um die Menschen in ihrem eigenen Interesse zu überlisten. Bei Ja, Panik sind die Menschen nicht viel besser, hier ist es ein poetischer Ort, von dem aus es wieder nach vorne gehen soll. Im letzten Song »Antananarivo« greifen sie diesen Gedanken wieder auf, spinnen ihn zum Abschluss weiter wie zu einem utopischen Klartraum. Hier singt Spechtl von einer anderen Stadt, einem anderen Leben, und tatsächlich auch von einem geheimen Kapitel im Buch der Liebe, das mit Jean Jaques Rousseau und Henri de Saint-Simon verfasst wird, zwei der wichtigeren politischen Autoren der Neuzeit. Deutlicher wird er nicht, muss er nicht. Ja, Panik schreiben nun zweifelsohne fantastische Songs, sowohl musikalisch wie auch textlich, aber das tun viele Bands. Es ist ihre Sensibilität für die kolossalen Ungleichgewichte unserer Gegenwart, für die weltweiten Verwerfungen der Immobilien- und Finanzkrise, und wie diese laufend in unseren Alltag eindringen und ihn vergiften, die sie wohl erst zu dieser herausragenden Band macht. Ja, Panik bringen sie tatsächlich zum Tanzen, die Sadness und die Staatsfinanzen. Ganz uneingebildet, ganz zart. Man fühlt sich bei ihnen zum ersten Mal an Style Council erinnert, an Scritti Politti oder auch an Destroyer. Grausliche Pillen werden in süße Watte verpackt, in hübsche, wolkige Lieder. Immer lauert da der Vorwurf, es zu ernst mit dem Pop zu nehmen, ihn in ein Klassenzimmer verwandeln zu wollen. Mag sein. Hier geht er aber ins Leere. Das Geflecht schlauer Referenzen wurde deutlich aufgelockert, das Trio will raus aus der Isolation und sich verständlich machen.

Libertatia, ein Rettungspaket Auf dem relativ kurzen Album sitzt nun nicht jeder Song perfekt, da eine Stimmung, eine Abmischung oder ein Reim. Früher waren diese Fehler Teil der Band. Jetzt fallen sie, wo der Rest polierter ist, stärker auf. Geblieben ist der Mischmasch aus Deutsch und Englisch wie schon beim ewigen Vorbild Falco, geblieben sind die Zeilen, die man sich ins Fleisch ritzen will und Ja, Panik bleiben auch die derzeit relevanteste Band zwischen Genf, Kiel und Eisenstadt. Ihr Album »Libertatia« ist wie ein Rettungspaket. Es geht gleichzeitig an die Wurzeln des modernen Europas, an fantastische Orte, Gefühle und Gedanken. Das muss man erst einmal so locker zum Singen und Swingen bekommen können. Ja, Panik präsentieren ihr Album live am 25. Jänner beim FM4-Fest in der Ottakringer Brauerei.

Ist »Libertatia« eure größte Veränderung bisher? andreas spechtl: Ich denke ja. Für mich ist es ein zweites erstes Album. Natürlich aufgrund der personellen Veränderungen, aber auch musikalisch, von der Haltung. Ich sehe es als unsere wichtigste Platte nach dem Debüt. Das sagen Oasis auch immer über ihr aktuellstes Album. stefan pabst: Zu Recht. — andreas: Ich hätte das bei der letzten Platte vermutlich nicht gesagt. Wir haben »Libertatia« ganz anders – nicht mehr live – aufgenommen, mit anderen Leuten. Jeder von uns hat mehr gespielt, Gitarren, Keyboards … Wir haben ja zwei neue Musiker, wollten aber diese Platte gezielt zu dritt mit einem gewissen Selbstbewusstsein machen, als Band unter neuen Vorzeichen. Die wichtigste Platte war etwas dahergesagt, aber die schwierigste war es auf jeden Fall, die mit der größten Veränderung. Es ist die am wenigsten schwärzeste Ja, Panik-Platte, für unsere Verhältnisse eine fast optimistische Platte, aus einem kritischen Standpunkt heraus. stefan: Viele Mechanismen waren zu dritt nicht mehr möglich. Waren eure Texte immer schon so allgemein, fast universell formuliert, so frei geräumt von Referenzen oder sind die nur schwerer zu erkennen? andreas: Ich finde, dass dieses Mal einige der klarsten Texte drauf sind, die wir je geschrieben haben, dass sie sich auch einfacher erschließen. Und es gibt genügend Referenzen; aber wenn letztes Mal mehr Bücher und Filme vorkamen, hab ich diesmal vielleicht mehr Zeitung gelesen. Ich fand es wichtig, aus diesem Turm herauszukommen. Es ging um Verständlichkeit; und auch um Schönheit. Es sind ja Songtexte, ich verstehe das schon als Poesie, das ging immer etwas unter.

020

140_018-031_Story.indd 20

29.11.13 11:10


Habt ihr »The Beach« gesehen? Ich erkenne da manche Themen wieder, am anderen Ende der Welt das Paradies suchen, ein alternatives System aufbauen, das dann, zumindest im Film, kippt. Ja, das ist nur zu lange her. Aber Libertatia, das gibt es, zumindest die Legende von Daniel Dafoe. In einer Enzyklopädie aller Piraten, Schiffe dieser Zeit kommt dieser Ort auch vor. Obwohl im 17. Jahrhundert von französischer Revolution noch keine Rede war, hatte man dort gewisse Forderungen schon eingelöst. Da wurde die Sklaverei abgeschafft, es gab Religionsfreiheit, Frauenrechte … Es war der Schrecken der Europäer, lag eigentlich an der Küste Somalias. Selbst wenn es nur erfunden ist, das gab es da. Es ist ein ungoogelbarer Begriff, der ein Wink in der Vergangenheit sein soll und in die Zukunft weist. Ihr greift diesen Begriff an mindestens drei Stellen am Album auf. Wie ist das nun mit Ja, Panik und dem gesellschaftlichen Ganzen? Es geht auch darum, einen alten Begriff aufzufüllen. Wir benützen das für uns. Es hat natürlich mit Gemeinschaften zu tun und auch mit uns: Jenseits von irgendwelchen politischen Repräsentationen, die eh schon über den Berg sind, gibt es Verknüpfungen von Menschen. Wir brauchen uns aber nicht vormachen, dass wir an einem abgekapselten Ort das bessere Leben führen können. Es geht nicht um eine Enklave, nicht einmal um eine Heterotopie, davon halte ich nichts. Ich glaube nicht, dass man in einem abgesteckten Raum irgendetwas Utopisches schaffen kann. Das ist im Endeffekt eine Antihaltung gegenüber jeder Subsistenzwirtschaft und gegen alle Bioprodukte. Das gibt es nicht. Auf jedem zweiten Plakat liest man: Eine andere Welt ist möglich. Nein, fuck it. Es gibt da diese hier. Und wenn’s nicht jetzt passiert … Wir haben uns diesen Begriff »Libertatia« aus der Vergangenheit geborgt. Wir füllen das jetzt mit unserem Ding. Seht ihr euch dann eher als Flaneure, die stattdessen halb drin, halb draußen sind? Dieses Flanieren finde ich schwierig. Man könnte das heute aufs Digitale übertragen, wenn ich mich etwa durch Facebook klicke. Das Internet ist eine seltsame Einlösung dieses Gedankens. Wann macht ihr mal wieder eine Platte ohne Manifest? Die letzte war ohne Manifest. Der letzte Song war eigentlich ein Manifest. (Mit einem Hauch Sarkasmus) Genau, ja, ja, das ist richtig. Für uns war der Gedanke eher: Hey, wir machen wieder einmal ein Manifest. Wird doch Zeit dafür. In eurem Manifest steht, dass eine andere Welt nicht möglich ist. Ist denn Musik und Kunst nicht die Vorbedingung für ein anderes Bewusstsein, das dabei hilft, die Welt zu verändern? Ja, natürlich, es hat im besten Fall etwas in die Zukunft Schauendes. Nein, natürlich kann Musik die Welt nicht ändern. Aber einerseits gibt es eine Kommentarfunktion und andrerseits kann man die lange Tradition von Protest-, Arbeiter-, Sklaven- und Partisanenliedern auch nicht leugnen. Musiker so abzutun, was glaubt ihr denn, da würde es Blues und Gospel nicht geben. Im weitesten Sinne sehe ich Musik machen und Texte schreiben in dieser Tradition. Was genau ist diese Große Independent-Halluzination, von der ihr im selben Atemzug sprecht? Es geht um unser Geschäft, um Musik, wer im Endeffekt eh wieder die Finger drinstecken hat. Aber auch um den Alltag, um städtische Enklaven. Alles schön und gut, aber macht euch nichts vor. Wir sind nicht die besseren, faireren Typen. Es wird Business gemacht. Ihr formuliert andererseits fast positive Parolen, als wäre die Krise schon fast hinter uns, singt im Titelstück fast provokativ »One World, One Love«, dann wieder von den 20er Jahren als Falle, die bekanntermaßen in einer großen Katastrophe geendet haben. Lasst ihr das absichtlich offen? Mit den Golden Twenties meine ich, dass Leute in unserer Umgebung langsam 30 werden. Auch da passieren gewisse Katastrophen. Aber eigentlich geht es um das Alter. Und andrerseits wollen wir wieder Forderungen in den Mund nehmen. Wir sagen nie es ist so. Das Titelstück ist in gewisser Weise ein hymnisches Gospelstück, eine Einladung, der Versuch, eine Hymne zu schreiben, die nicht blind verbrüdert oder verschwestert. Es ist auch ein Stück gegen Grenzen und den Nationenwahnsinn. Und im zweiten Stück »Dance The ECB« geht es dezidiert darum, dass die Krise eben nicht vorbei ist. Das wäre gefährlich zu behaupten. Wenn, dann fängt das auf unserer Seite erst an, interessant zu werden. Es geht da um Staatsfinanzen, um die Eu-

» Macht euch nichts vor. Wir sind nicht die besseren, faireren Typen. Es wird Business gemacht.« — Andreas Spechtl

ropäische Zentralbank, auf eine relativ leichte Weise. Ist der Text von »ACAB« ein Teil-Rückzug aus dem Politischen? ACAB bedeutet halt noch immer ACAB, auch in diesem Stück. Es ist in gewisser Weise ein Love Song, aber es geht um eine Verbindung zwischen zwei Menschen, die sich durchaus politisch begreift. Wenn wir »All Cats Are Beautiful« singen, bedeutet es trotzdem auch »All Cops Are Bastards«. Wie missverstanden ist denn Bob Marley? Ich halte ihn eher für einen Pop- statt einen Reggae-Musiker. Natürlich gibt es ein paar großartige Songs, ich halte trotzdem nichts von der ganzen Haltung. »One World, One Love« ist ein Claim wie »Peace«. Aber mit »Fuck The Babylon System« hört es bei ihm auch schon wieder auf. Missverstanden ist das ganze Ding insofern ja nicht. Hättet ihr die Harmonien auf dem Album früher so hinbekommen und wolltet nicht – oder könnt ihr jetzt, weil ihr wollt? Wir können es jetzt nicht besser als früher. Wir haben andere Musik gehört. Und es hat auch mit uns dreien zu tun. Die Punk-Elemente in der Gruppe sind eher weg, die Musiker übrig geblieben. Der große Anarcho-Moment war vielleicht wirklich Thomas Schleicher. Man darf sich nichts vormachen, Ja, Panik und jede Gemeinschaft sind eben die Leute, die etwas gemeinsam machen. Wir haben uns das dieses Mal zu dritt ausgemacht und uns lange mit der Musik beschäftigt, bevor Texte da waren. Und ach, »DMD KIU LIDT« ist eh unsere Vier-Akkorde-Platte. Wie war das mit dem Tenorsaxofon auf »Eigentlich wissen es alle«, sind die anderen beiden deshalb nicht mehr dabei? stefan: Nein, das war eher ich. Da waren die schon lang nicht mehr dabei. Christian ist einfach nach Dublin, Thomas wieder nach Wien. Da ist es dann schwierig. Die Walker Brothers haben eine obskure Platte, »Nite Flights«, in den späten 70ern gemacht, da sind viele tolle Saxofone drauf. Mittlerweile finde ich die Stelle unfassbar super. Hier kommt eine obligatorische Wien-Frage. Wie lautet die Antwort? andreas: (Zögern. Lachen.) Tolle Frage, das mein ich ernst. stefan: Die Antwort könnte sein: Ja. Das ist die Berlin-Frage: Ist die Szene in Berlin weniger blasiert und Arschkriecherei als in Wien? andreas: Ich befürchte nicht. Durch die Größe der Stadt braucht man länger, um die Arschkriecherei in ihrer Tiefe zu überblicken. Aber fünf Jahre reichen aus, um sagen zu können: Berlin steht da Wien um nichts nach. Wir bleiben mal hier und wissen ja mittlerweile, dass es nichts bringt, wegzugehen. stefan: Das ist ein globales Phänomen. 021

140_018-031_Story.indd 21

29.11.13 11:10


Im Mumok heiĂ&#x;t es durchatmen, eintauchen und Salzwasser inhalieren – Maria Eichhorn verwandelt einen leeren Raum in eine raffinierte Heilkammer gegen den Smog der kapitalistischen Welt. 022

140_018-031_Story.indd 22

29.11.13 11:10


Money, Money, Money Im Mumok staunt man derzeit über Salzwasserinhalationen und Fenster mit Weitblick. Elf Künstler geben schwurbelnde Perspektiven auf das Thema Kapital. Wenn Abba »Money Money Money« singen, haben sie schon Recht, dass Reich sein Spaß macht. Aber spätestens seit der Finanzkrise ist allen klar, dass Geld stinkt und mal ganz ehrlich: Bis auf die Handvoll Spekulanten und Heuschrecken kann sich ja kaum jemand am Cash erfreuen. Genau dieses Problem nimmt das Mumok nun auch zum Thema seiner Ausstellung »and Materials and Money and Crisis« und macht damit eine Bestandsaufnahme der Gordon Gekkos und Krisen unserer Zeit. Elf Künstler zerlegen dabei rigide Ordnungsstrukturen und demaskieren, was es zu demaskieren gibt. Beim Betreten der Ausstellungsräume löst sich aber die Vorfreude des verheißungsvollen Themas dann leider in Dampf auf. Da ist viel Leere und vereinzelt loses Zeug wie gestapelte Holzbretter, eine Geldcollage und ein Raum voller Müll. Ein Security macht uns darauf aufmerksam, dass schon das Gebäude die Besucher vor nackten Tatsachen stellt: Die Notausgänge stehen bar, die Decke im vierten Stock ist offen und man sieht ungewöhnlicherweise sogar ein paar Fenster mit Weitblick – versteht sich natürlich alles symbolisch. Inmitten der Leere dann die Explosion: Da ist ein kleiner Raum voller Nebel. Die Ausdünstungen sind eigentlich Salzwasser zum Inhalieren, was aus der Dampfkammer quasi ein Heilmittel gegen den Smog der großen weiten Welt macht. Hinter dem raffinierten Wasserburner steckt Maria Eichhorn. Ein großer Name in der Kunstszene, immerhin war die Bamberger Künstlerin bereits Teil der Documenta in Kassel – einer der bedeutendsten Ausstellungsreihen für zeitgenössische Kunst. Fast epische Ausmaße nimmt da ihr Klimakammer-Titel mit »Meer. Salz. Wasser. Klima. Kammer. Nebel. Wolken. Luft. Staub. Atem. Küste. Brandung. Rauch« an. Bis auf ein paar Titelfragmente an der Wand bleibt der Raum selbst aber fast leer, denn außer vier Stühlen und mehreren medizinischen Zerstäubern ist da nur Dampf. Hier gilt nämlich »weniger ist mehr«: Der Besucher steht mitten im Salzwasserdampfrausch und erlebt die benebelte Sichteinschränkung und die sich verändernde Atmosphäre. Dass hier nichts ganz klar ist, eröffnet mal einen zwar abstrakten, aber tiefgründigen Zugang auf das Thema. Denn die Klimakammer lässt das Wechselspiel von Kapital und Materie spürbar werden und verschlägt einem buchstäblich den Atem. Wer frische Salzluft schnappen möchte, kann dies noch bis 2. Februar in Maria Eichhorns Nebelraum im Rahmen der Ausstellung »and Materials and Money and Crisis« im Mumok (Museumsplatz 1, 1070 Wien) tun.

Text Kristina Kirova Bild Jens Ziehe, »Meer. Salz. Wasser. Klima. Kammer. Nebel. Wolken. Luft. Staub. Atem. Küste. Brandung. Rauch«, 1991, Courtesy Maria Eichhorn und Galerie Barbara Weiss

golden frame — And Materials and Money and Crisis

023

140_018-031_Story.indd 23

29.11.13 11:10


Von »Hunger Games – Die Tribute von Panem« bis »Logan’s Run« — Postdemokratie im Film

Brot und Spiele

Text Jonas Vogt Bild Studiocanal

Die politischen Entscheidungen wandern vom Souverän – der Bevölkerung – weg, der sich stattdessen von einer riesigen Entertainment-Industrie ablenken lässt. Solange die Entscheidungen »richtig« sind, gilt das nicht mal wirklich als Skandal. Die Filmindustrie hat das, was wir heute Postdemokratie nennen, bereits lange vorweggenommen. Ein Essay. Um den zweiten Teil von »Hunger Games – Die Tribute von Panem« angemessen beurteilen zu können, lohnt es sich, einen Blick in eine Szene am Anfang des ersten Teils zu werfen. In ihr kommt keine Waffe vor, und sie findet auch nicht in einer Arena statt. Gale, die Jugendliebe der Protagonistin Katniss, schlägt im Vorfeld der blutigen Gladiatorenkämpfe eine einfache Lösung vor, um diese zu verhindern: »What if everyone just stopped watching?« Doch er weiß genauso wie Katniss, dass dieser Wunsch nicht eintreten wird. Die Hunger Games sind das mediale Ereignis des Jahres, und jeder Einwohner von Panem verfolgt sie. 2004 erschien das wohl einflussreichste Werk der jüngeren Politikwissenschaft: In »Post-Democracy« fasste der Brite Colin Crouch das Unbehagen gegenüber dem Status der Demokratie im 21. Jahrhundert in eine einfache – manche würde sagen populistische – Theorie: Die westlichen Staaten seien in einem Zustand der Postdemokratie angekommen. Demokratische Institutionen und Vorgänge seien dabei keineswegs verschwunden. Wahlen werden abgehalten, Regierungen wechseln, grundlegende Menschenrechte bleiben unangetastet. Aber die Entscheidungen verlagern sich immer mehr in Hinterzimmer, in Expertenrunden, Ausschüsse. Wahlkämpfe drehen sich nicht mehr um zentrale Zukunftsfragen, sondern verkommen zu Scheingefechten über Randthemen, die von PR-Experten ausgewählt werden. Wichtig ist, dass die richtigen Entscheidungen getroffen werden, nicht wer sie trifft. Nicht der Input zählt, sondern der Output. Crouchs Thesen wurden begeistert aufgenommen.

Dystopie und Alltag In der Populärkultur werden diese Mechanismen natürlich immer dramatischer und totalitärer dargestellt. Und doch haben viele der populären Dystopien, die ab den 50er Jahren in Schüben auftauchten, zahlreiche der von Crouchs beschriebenen Mechanismen vorweggenommen. In den berühmten Ökodystopien der 70er Jahre wie »Logan’s Run« oder »Soylent Green« sicherte das System das Überleben der Menschheit in einer Welt mit knappen Ressourcen durch radikale Methoden. Die Filme trafen dabei den Zeitgeist und den Geschmack der durch Ölkrise und die Studie »Die Grenzen des Wachstums« verunsicherten Zuschauer. Die 80er dominierten dann eher postapokalyptische Einzelkämpfer-Szenarien à la »Mad Max« oder »Escape From New York«, während in den 90ern das systemische Element in Filmen wie »Demolition Man«, »Gattaca« oder »Judge Dredd« wieder verstärkt eine Rolle spielte. In den letzten 15 Jahren übernahmen dann nicht nur in der Realität die postdemokratischen Elemente, sondern auch im Film tauchte wieder vermehrt der Leviathan auf. Ganz im Sinne Thomas Hobbes übergeben die Bürger diesem krakenhaften Überstaat einen großen Teil ihrer Freiheit, um im Gegenzug etwas zu bekommen. In »Equilibrium« sichert das System seiner Bevölkerung einen hohen Lebensstandard und schützt sie vor (privaten) Gewalttaten. In »Minority Report« gibt es dank dem Pre-Crime-System keinen Mord und Totschlag mehr. In »Aeon Flux« sichern die Machthaber durch Klonen das Überleben der Menschheit, während die britischen Polizeistaaten in »Children Of Men« und »V wie Vendetta« in einer untergehenden Welt ein Grundmaß an Ordnung versprechen.

024

140_018-031_Story.indd 24

29.11.13 11:19


Brot, Spiele und Körperpolitik So sehr sich die Szenarien im Einzelnen auch unterscheiden, manches haben sie gemeinsam. Es gab im jedem Fall ein Leben vor der Apokalypse und ein großes, einschneidendes Ereignis, das diese Gesellschaft zerstörte. Meist ist es ein großer Krieg oder eine Seuche, die das Land verwüstete. Das daraus entstehende System ist technokratisch, radikal und zum Äußersten bereit, um sein Überleben und das der Restbevölkerung zu sichern. Das Individuum gilt als irrational und ist nichts wert, das System ist logisch und das einzig Erhaltenswerte. Das zeigt sich auch in der Art und Weise, in welcher die Megacitys der Filme gebaut wurden: Riesige, futuristische, phallische Machtarchitektur, neben der die Menschen winzig wirken. Übrigens durchaus auch die Machthaber. Die Elite inszeniert sich oft als primus inter pares, als Diener, welche die Bürde des Amtes auf sich nehmen. Ein häufig wiederkehrendes Element ist die ausgesuchte Körperlichkeit der Regime. So bekommen die Bürger der Gesellschaft in »Logan’s Run« einen Kristall in der Handfläche eingepflanzt, der anzeigt, wenn ihre geplanten 30 Lebensjahre zu Ende sind. Die Einwohner von Libria nehmen jeden Morgen ein Medikament, das alle Emotionen unterdrückt. Und auch die Auswahl der Tribute, also den Teilnehmern der Hunger Games, beginnt mit einer Aufnahme des Blutbilds. Die Macht des Staates über das elementare, nackte Leben hat Michel Foucault einst als »Körperpolitik« beschrieben. Die Macht über die eigene Körperlichkeit ist eine Kernsouveränität des Individuums. Das erklärt auch, warum wir ein so großes Problem mit der staatlichen Aufnahme von biometrischen Daten haben. In postdemokratischen Systemen verfällt die Kommunikation. Die Bürger werden durch Massenmedien ruhig gestellt, eine Auseinandersetzung mit den realen Problemen findet nicht mehr statt. Dieser Aspekt ist etwas, das der zweite Teil der »Hunger Games«-Reihe vor allem in der ersten Stunde virtuos schafft: Die Verbindung des militärisch-

industriellen-Komplexes mit der Entertainment-Industrie. Die Filme sind nicht zuletzt Mediensatire, selbst wenn sie oft nicht so rezipiert werden. Auch der Name des Staates ist nicht zufällig gewählt: panem et circenses ist die lateinische Bezeichnung für Brot und Spiele. Die Hauptstadt mit ihrer Bevölkerung, die sich von den Provinzen ernähren lässt, ist ohnehin visuell und narrativ an das Spätrömische Reich und seine Dekadenz angelehnt. Das System ist im zweiten Teil der Reihe viel deutlicher als Feind erkennbar. »Remember who the real enemy is«, sagt einer der Tribute zu Katniss, als sie ihren Bogen auf ihn richtet. Das macht den Film deutlich angenehmer als den ersten Teil, der als Hauptgegner die Jugendlichen aus den anderen Districts aufbaut und sich dadurch den Vorwurf des Zynismus gefallen lassen muss.

Stürzt die Eliten! In Wirklichkeit ist der Gegensatz zwischen Partizipation und Lösungsorientierung natürlich nie so groß wie in der Theorie. Jede parlamentarische Demokratie stellt einen Kompromiss aus beiden dar, und nur sehr radikale Theoretiker wollen den Rat von Fachleuten völlig aus der politischen Entscheidungsfindung verbannen. Und doch lässt sich die beschriebene Krise der Demokratie schlecht leugnen. Doch wie diese überwinden? Im Film hat das Ganze meist einen klaren Ablauf: Eine Einzelperson, anfangs oft noch im Dienst des Systems, kommt dahinter und bringt es letztlich mit Hilfe von Widerständlern gewaltsam zu Fall. Crouch plädiert – wenig überraschend – nicht für Gewalt, aber auch er empfiehlt, die Macht der ökonomischen Eliten zu begrenzen. Letztlich sei eine Wiederbelebung der Demokratie nur durch verstärkten Einfluss der Bürger möglich. Wir müssen dafür wohl auch nicht mal Pfeil und Bogen in die Hand nehmen. »Die Tribute von Panem 2 – Catching Fire« ist bereits in den österreichischen Kinos zu sehen. 025

140_018-031_Story.indd 25

29.11.13 11:19


Folk meets Film — »Inside Llewyn Davis« und »I Used To Be Darker«

Folkin’ A!

026

Text Leo Dworschak Bild Constantin Film, Stadtkino

Es wird gesungen. Zwei aktuelle Folkmusik-Filme führen vor, welche Magie Musik als Grundbaustein einer Story entfalten kann. Besonders den Gebrüdern Coen gelingt dies beeindruckend. Hand hoch, wer sich an den berühmten Song des Guilty-Pleasure-Epos »Armageddon« erinnert: Ben Afflecks A-Capella-Version von »Leaving On A Jetplane«. Filmfiguren singen heutzutage selten, umso genauer sollte man daher hinhören, wenn sie es tun. Reichlich Gelegenheit dazu bieten die in Kürze anlaufenden Streifen »Inside Llewyn Davis« und »I Used To Be Darker«. Der erste, der neueste Streich der Coen-Brüder, beginnt mit einem Abgesang. Wir sehen ein Close-up des Titelhelden Llewyn Davis, der, sich selbst auf der Gitarre begleitend, ein Klagelied über Verzweiflung und Ausweglosigkeit anstimmt. Bis auf einige wenige Cuts in sein gebannt lauschendes Publikum bleibt die Kamera auf Davis. Er performt »Hang Me, Oh Hang Me« in voller Länge. Als der letzte Akkord verklungen ist, kündigt er die nächste Nummer an … »Eine Handvoll Akkorde, eine gute Melodie und ein paar Worte können mitunter mehr sagen als ein Roman von 700 Seiten.« So formulierte Peter Buck, Gitarrist der legendären R.E.M., die Binsenweisheit, die der Pop-Ära zugrune liegt. Gute Songs erklären uns – in einfacher, komprimierter Form – die Welt. Im Film erklären sie die Protagonisten. Eine anspruchsvolle Angelegenheit wird es dann, wenn sich die Musik ausnahmsweise nicht im Hintergrund versteckt, sondern als Handlungselement im Rampenlicht steht.

Stimmungsbarometer und Plot-transmitter Abseits von Musicals und Biopics sind singende Protagonisten in Filmen eine Rarität, gelegentliche Duschkabinen-Serenaden und Radio-Singalongs ausgenommen. Performt eine Hauptfigur jedoch, handelt es sich meist um tief im kulturellen Gedächtnis verankerte oder aus der jüngsten Charts-Historie bekannte Songs. Denn in der Regel kennt das Publikum beides, verbindet damit bestimmte Stimmungen oder Gefühle. In den richtigen Kontext gesetzt, lässt sich mit dem entsprechenden Klassiker oder einem aktuellen Hit ein allgemeines Befinden – oder ein Kontrast dazu – erzeugen. In »Die Hochzeit meines besten Freundes« (1997) gibt die Tafelrunde gemeinsam Aretha Franklins »I Say A Little Prayer For You« zum Besten. Nur der angehende Ehemann und seine BFF enthalten sich, verweigern ein wohlwollend gegröltes »Forever Together« mit dem Rest der Gäste und offenbaren dadurch ihre Gefühle füreinander. In »Spring Breakers« (2012) klimpert ein Drogendealer für seine Girlie-Killer-Brigade Britney Spears’ »Everytime« auf dem Piano. Die Mädchen, in Sturmmasken und Bikinis gekleidet, tanzen im Kreis, eine Hand an der eigenen Waffe, die andere am Gewehrlauf der Nachbarin. Hier wird die Popschnulze zum realitätsfernen Echo einer überzeichneten, entrückten Traumwelt. Musik-Performances im Film können jedoch noch mehr als Figuren

026

140_018-031_Story.indd 26

29.11.13 11:19


What is this shit? Ein Folk-Familien-Drama mit löchrigem Skript, meinen wir über »I Used To Be Darker«.

zu charakterisieren und ihre Gemütszustände zu offenbaren. Sie können Geschichten erzählen, die die eigentliche Handlung ergänzen, vorantreiben oder vorwegnehmen – wie das berühmte Banjo-Duell im Hillbilly-Thriller »Deliverance« (1972). Zuseher und -hörer müssen dabei die Musik nicht kennen. Besonders eignen sich hierfür Stücke aus dem Folk- und Singer / Songwriter-Bereich wegen ihrer bildlichen Geschichten. Wie etwa »Hang Me, Oh Hang Me«, das die Geschichte eines verarmten, umherstreunenden Musikers erzählt. Womit wir wieder bei »Inside Llewyn Davis« wären.

Musik wie aus dem Tagebuch Der neue Coen-Film orientiert sich am Leben des 2002 verstorbenen Sängers und Gitarristen Dave van Ronk, ist aber in keinster Weise als Biopic zu verstehen. Der Streifen erzählt vielmehr die universelle Geschichte eines brot- und wohnungslosen Künstlers, der sich mit Couchsurfing und gelegentlichen Studiogigs durchs Leben schlägt. Llewyn Davis (Oscar Isaac) ist ein wenig zu selbstverliebt, um als sympathischer Verlierer durchzugehen. Seine Musik ist die einzig wahre, sein Genie wird permanent verkannt. Wer ihm Obdach spendet, ist zumeist schlecht beraten. Einem Freund (Justin Timberlake) schwängert er die Freundin (Carey Mulligan), einem anderen entführt er versehentlich die Katze. Wunderbare Dialoge und herrlich trockener Humor gehören bekanntlich zur Coenschen Grundausstattung.»Inside Llewyn Davis« bildet diesbezüglich keine Ausnahme. Die Erzählstruktur des Films hingegen könnte selbst eingeschworenen Fans des Brüderpaares Probleme bereiten. Der Plot, im New York der frühen 60er angesiedelt, beschränkt sich großteils auf das Herumtingeln der Hauptfigur von Couch zu Couch und Bühne zu Bühne. Die Nebencharaktere (mit Ausnahme der Katze) treten episodenartig auf, anstatt ständig präsent zu sein. Ein durchgehender Handlungsfaden ist nicht erkennbar. »Inside Llewyn Davis« wirkt wie eine Aneinanderreihung von Tagebucheinträgen, nicht wie ein kohärenter Spielfilm. Doch genau darin liegt der Charme des Films, und in eben dieses Konzept passen die zahlreich von Davis dargebotenen Songs perfekt. Seine Geschichte mag keinem klaren Muster folgen, doch wenn er spielt, rückt er sich selbst in den Mittelpunkt seiner eigenen, kleinen Welt, verleiht ihr Bedeutung und Größe.

Llewyn Davis tingelt mit seiner Katze von Couch zu Couch. Eigentlicher Star des Films: Folk Songs.

Misstöne Ungleich anders verhält es sich mit einem weiteren aktuellen Film, der – ähnlich wie »Inside Llewyn Davis« – vorab als Schmankerl für Folk- und Singer/ Songwriter-Fans gehandelt wurde. Die Rede ist von Matthew Porterfields »I Used to Be Darker«, der dieses Jahr im Programm des Sundance Filmfestivals und bei der Viennale zu finden war. Die Independent-Produktion ließ vor allem durch zwei prominente Namen auf der Besetzungsliste aufhorchen: Ned Oldham, Bruder bzw. Teilzeit-Bandmate von Bonnie »Prince« Billy, und Singer / Songwriterin Kim Taylor spielen ein Musiker-Ehepaar, das eine unschöne Trennung durchmacht. Er trinkt Bourbon und zerschmettert seine Gitarre. Sie räumt den Proberaum im ehemals gemeinsamen Haus leer und bandelt mit einem ihrer Band-Kumpanen an. Nebenbei müssen sich die beiden um ihre Tochter und deren schwangere, dem nordirischen Elternheim entflohene Cousine kümmern. Gitarre und Gesang kommen während des Films in regelmäßigen Abständen zum Einsatz. Songs zum Anzapfen des kollektiven Kulturgedächtnisses und vertonte Charakterstudien sind nicht darunter. Ja, der Trennungsschmerz schwingt in manchen Texten mit, doch die wirken nicht auf das Geschehen, nicht einmal auf die Figuren abgestimmt. Hier fügen sich die Songs in keinster Weise harmonisch ins Gesamtbild. Vielmehr erscheinen sie als bloße Lückenfüller in einem löchrigen Skript. »I Used to Be Darker« über die volle Distanz zu verfolgen ist nicht die einfachste (oder angenehmste) Übung. Spätestens nach einem Drittel des Films wandern die Gedanken unweigerlich zu einem der berühmtesten Verrisse der Musikgeschichte. Vor knapp 40 Jahren veröffentlichte Bob Dylan »Self Portrait«, eine skurrile Sammlung traditioneller Folk- und gänzlich unbekannter Popsongs. Der Musikjournalist Greil Marcus schrieb eine Rezension über das Album im Rolling Stone. Sie begann mit dem legendär gewordenen Satz: »What is this shit?« Dass die zerebrale Festplatte gerade diese Assoziation ausspuckt, liegt freilich auch daran, dass kürzlich »Another Self Portrait«, die zehnte Ausgabe von Dylans »Bootleg Series«, veröffentlicht wurde. Im Booklet der neuen Platte zieht Greil Marcus ein versöhnliches Resümee von Dylans durchwachsener Phase Anfang der 70er. Selbst FolkFans dürfen trotzdem getrost einen Bogen um Dylans Selbstporträts machen. Selbiges gilt auch für »I Used to Be Darker«. Wer gute (Folk) Songs im Kino genießen will, sieht sich stattdessen den neuen Coen an. »Inside Llewyn Davis« startet am 6. Dezember in den österreichischen Kinos. »I Used to Be Darker« hat noch keinen Österreich-Starttermin. 027

140_018-031_Story.indd 27

29.11.13 11:19


One Direction – »Midnight Memories« — Der erfolgreichste Boyband-Hype aller Zeiten

Boys II Men Text kevin reiterer Bild Sony, Youtube

Ihr Imagewandel von gecasteter Boygroup hin zum weltweiten Superstardom ist voll im Gange, mit einem Marketingteam rund um Marionettenspieler Simon Cowell geht es für One Direction nur nach oben.

028 Vor drei Jahren, in der siebten Staffel einer Casting Show, wurden fünf englische Jungs im Laufe eines heute allseits bekannten Prozesses zu einer Band zusammengebastelt. Federführend dabei war nicht nur TV- und Label-Mogul Simon Cowell (siehe Kasten), sondern auch Pussycat Doll Nicole Scherzinger. Die Mechanismen, die One Direction zu dem machten, was sie heute sind, waren dort schon für alle sichtbar: die Medien, die Maschinerie, der Wettbewerb um die meisten Stimmen. Schlussendlich landeten One Direction – Harry Styles, Liam Payne, Zayn Malik, Naill Horan und Louis Tomlinson – zwar nur auf dem dritten Platz, sie sind heute dafür Teil einer bedrohten Art: weltweite Superstars. Hinter dem Multimillionen-Dollar-Unternehmen One Direction läuft ein geschmierter Marketingapparat, der darauf bedacht ist, dass neben den großen Popmomenten auch das restliche Bild der Band stimmt und die Web-Tools mit Momenten der Nähe gefüttert werden. Bilder von Strandpartys am südenglischen Meer und familiäre Einblicke vermitteln den jüngeren Fans eine wohliges Gefühl im Leib, fast dabei zu sein. Nicht hastig, aber doch bestimmt wird das Image der Band mittlerweile weg von einer Boyband hin zu einer Popband ge-

028

140_018-031_Story.indd 28

29.11.13 11:22


Inszenieren sich selbst als Sockenpuppen: One Direction. Rechts oben der oberste Puppenspieler: Simon Cowell.

führt. Mit dem gerade erschienenen dritten Album »Midnight Memories« werden sie wieder ein Stück erwachsener, performen ihre ersten große Hymnen und werden – auch im Hinblick auf ihre Stadiontour nächstes Jahr, denn dort liegt der Schotter – merklich rockiger. Selbst wenn One Direction nie die im Gleichschritt tanzende Dresscode-Boyband waren, wird mit dem neuen Album – alle fünf haben zumindest textlich am Großteil der Songs mitgewirkt – versucht, die musikalischen Identitäten der Bandmitglieder zu schärfen. Das Phänomen One Direction spielt sich größtenteils im Netz ab, wo die Directioners, die mehrheitlich weibliche und eingefleischte Fanschar, längst nicht nur mehr Empfänger sind. Schon lange lassen sich Erfolge nicht mehr an Chartplatzierungen dingfest machen, Followers, Views und Likes sind heute die zentralen Maßeinheiten. In dieser Echokammer werden nicht einfach nur Merch, Poster, Konzert- und Kinotickets verkauft, sondern die Fans selbst werden zum Verstärker. Über News, Fanartikel und Songs wird nicht einfach nur im Freundeskreis oder am Schulhof gesprochen, sondern man postet, tweetet und verbreitet all das im Netz, um so den Idolen ein Stück näher zu sein. Klar ging es zu Zeiten der Backstreet Boys um nichts anderes, hier aber erreicht man die Fans punktgenau, keine Streuverluste mehr, keine nörgelnden Eltern oder Journalisten, hier ist man unter sich. Bei ihrem 1D-Day im November auf Youtube schalteten sich über 770.000 Fans zu, mehr als das Dreifache der viel prominenter besetzten YoutubeAwards. Was waren doch die zerknitterten Bravo-Fan-Fotobücher aus den 90ern dagegen für eine Holzkeule.

SM-Gefühlsorgel Herausragend scheint dabei die Treffsicherheit der Marketingstrategie des Labels von Simon Cowell, Syco, und dem 1D-PR-Team Modest! Management zu sein. Jeder öffentliche Auftritt, jedes Foto, jedes noch so kurze Video oder verschwommene Filter-Foto ist stimmig. Jeder der Jungs hat seinen eigenen Twitter- und Instagram-Account, der süß, lustig oder sensibel – je nach Image – befüllt wird. Mit diesen simplen Methoden erzeugen die fünf Burschen mit der Ankündigung einer Tour oder einer Filmpremiere ein größeres Twitter-Beben als etwa der Tod der britischen Premierministerin Thatcher. Die Zahlen sprechen für sich, die Mitglieder haben gemeinsam mehr Twitter-Follower als die weltweiten Top 2, Bieber und Perry, zusammen. Hier wird Social Media nicht »nur« als sozialer Infokanal genutzt, sondern es bildet den Motor der Marke One Direction, die weit über das UK hinaus perfekt auf der Gefühlsorgel spielt. Das alles ist natürlich nicht immer schön. Auch wenn bisher die Dämme in den sozialen Netzwerken und Interviews halten, ist dennoch klar, dass in so einem minutiös geplanten Leben nicht nur enormer Druck und Rivalität, sondern in letzter Instanz auch Angst entsteht. Man kann sich ausmalen, was es für Folgen hat, wenn fünf Menschen Anfang 20 innerhalb von 2 ½ Jahren gerade mal fünf Tage mit ihrer Familie verbringen können und noch dazu die Säulen eines Multimillionen-Dollar-Musik-, Merchandise- und Konzert-Imperiums darstellen. Natürlich suchen sie sich das selbst aus, machen bereitwillig für den Fame mit, so wie Miley Cyrus, Robbie Williams, Britney Spears oder Justin Bieber, deren Grenzgänge dann selbst wieder zum Spektakel werden. Die Maschine fordert Opfer. Die Corporate Kulturindustrie ist aber nicht einfach nur böse, sie arbeitet in den Nischen ganz genau so, nur ist der Umgang mit den Schattenseiten im Pop eine Spur verlogener.

Simon Cowell Der 54-jährige Unternehmer ist Teilhaber der Produktionsfirma Syco Entertainment, die unter anderem die Formate X-Factor und Got Talent in Großbritannien und den Vereinigen Staaten produziert, international vermarktet und anschließend das Künstlermanagement übernimmt. Cowell selbst gilt als eine der einflussreichsten Persönlichkeiten der britischen Musikindustrie und ist der breiten Öffentlichkeit einerseits als eiskalter Businessmann, anderseits als fieser, fast böser Juror in mehreren TV-Shows bekannt. Sein erstes international erfolgreiches Projekt war die Boyband Westlife, danach folgten mit Il Divo, Leona Lewis, Susan Boyle, Olly Murs und One Direction weitere gecastete Erfolgsgaranten.

Virtuose Fädenzieher Gecastete Boy-Bands sind dabei nichts Neues. Angefangen bei den Monkees in den 60ern über die Jackson 5 bis zu New Kids On The Block in den 80ern gab es immer einen Markt für süße Jungs, die von den Problemen und Sehnsüchten der Teens singen. Auch in den 90ern, der unumstrittenen Boyband-Primetime, standen Leute wie Nigel Martin-Smith (Take That), Lou Pearlman (’N Sync, Backstreet Boys) oder eben Simon Cowell (Westlife) hinter den erfolgreichsten Bands des Planeten. Damals wie heute werden wenige Dinge dem Zufall überlassen. Das Management versucht, so weit es geht, zwischen Musik, Image, Drogen und Geld zu vermitteln. Auch hinter dem globalen Siegeszug von One Direction steht ein Beraterteam für jeden erdenklichen Bereich. Diese Tatsache persiflieren Harry, Liam, Zayn, Naill und Louis zwar direkt, wie einst ’N Sync in einem ihrer Videos, letztendlich ist das selbst wieder nur Bestandteil der Marke. Die Maxime lautet Spaß am Leben haben. Auch wenn die Chance gleich null ist, in Gedanken soll man einem der fünf Jungs schon früh morgens beim Weg auf die Schule, die Uni oder die Arbeit begegnen und zuzwinkern können – wie das ihr Konzertfilm-/ Doku-Epos »This Is Us« suggeriert. Fans finden es toll, so toll, dass der Youtube-Kanal der Band über 2 Milliarden Plays aufweist oder dass sie es als erste britische Band überhaupt schafften, ihr Debütalbum »Up All Night« in den USA auf Platz Eins der Billboard-Charts zu bringen. Aber das sind sowieso nur Zwischenschritte auf dem Weg zur größten Band des Planeten. Das Album »Midnight Memories« von One Direction ist Ende November via Sony Music erschienen.

029

140_018-031_Story.indd 29

29.11.13 11:22


Schlagerscheisse und Big Pimpin vor der Wiener Staatsoper: Koenigleopold kotzen sich aus.

Koenigleopold – »Eure Armut kotzt mich an« — Artpop-Schlager-Scheiße

Klingendes Osterreich 030

Text nicole schöndorfer Bild rania moslam

Der Skandal-Hype um den vielgeklickten »Kohlhauser« hängt ihnen noch nach, auf ihrem Debüt spielen sich Koenigleopold mit ein paar österreichischen Traditionen wie Schlager, Schmäh und Auskotzerei. Auf das Album hat er es nicht geschafft, der »Kohlhauser«. Vielleicht aus Furcht vor weiteren Klagen von Fleischhauern oder Wurstfachverkäuferinnen, vielleicht aus diesem charakteristischen Drang, in sie gesetzte Erwartungen zu unterlaufen. Koenigleopold, das sind Lukas König und Leo Riegler, müssen nicht unbedingt nur groteske Dialoge über Debreziner, Krakauer und fettiges Theken-Inventar führen, um in ihnen eine kritisch-kabarettistische Tradition zu erkennen, die in Österreich wohl bis zu Helmut Qualtingers Kult-Monolog »Der Herr Karl« zurückreicht. Dass die Wiener Kleinbürger-Parodie von einem Feinkostmagazineur handelt, ist aber reiner Zufall. Höchstwahrscheinlich. Es wäre aber deutlich zu kurz gegriffen, sie und ihr Album „Eure Armut kotzt mich an« bloß als aktuelleres, absurderes Qualtinger-Musiktheater zu betrachten. Ganz besonders, wenn man die irrwitzige Genrevielfalt des steirisch-wienerischen Duos betrachtet. Dabei sind Genres in der musikalischen Lehre Koenigleopolds nicht existent. Ihre Songs sind zweifellos kein Pop, trotzdem kein Anti-Pop, sie sind experimentell, durch ihre Ausbildung merklich von Jazz informiert, theatralisch und total exzentrisch sowieso. »Schlager-Scheiße« murmeln sie beim Interview, den Bart zwirbelnd und mit ernster Miene.

Schlager-ScheiSSe, Suizid-Hip-Hop, Brachial-Metal Schlager-Scheiße, also. Tatsächlich ergibt das erstaunlich viel Sinn. Der erste Song »Horizont« deutet sie an, diese feine Affinität zur deutschsprachigen Volksmusik, der Schlager in all seiner herrlichen Pracht lässt auf sich warten, entfaltet sich aber schließlich in »Südsee von Palermo« bis hin zum alleräußersten Kitsch. Ob sie das ernst mei-

nen? Sicher. So wie Kanye. Sofort versucht man sich einen Reim darauf zu machen, Verbindungen zu ziehen, Informationen zu entwirren. Zack – 90er – Der Scheitel. Die komische Coverband um Klaus Egger, Michael Krupica und FM4-Sumpfist Fritz Ostermayer hatte das vor gut 20 Jahren vorgemacht und den knalligsten Schlagern ein seriösballadeskes Gesicht verpasst, dass sie nach heiligem John Cale und Nick Cave klangen. Diese ernsten Müll-Aneignungen tauchen immer wieder bei heimischen Songwritern auf, von der Neigungsgruppe Sex, Gewalt und gute Laune oder Attwenger bis zu Binder & Krieglstein und sogar Konstrust. Weil Lukas König und Leo Riegler aber gern Erwartungen unterlaufen, haben sie mit »Jay-Rap« auch noch unterschichtigen Suizid-HipHop und brachialen Death Metal auf ihrem Albumdebüt untergebracht.

Bankiers, eine bedrohte Spezies Besorgt sind Koenigleopold zudem über die Hetze gegen Bankiers und Manager in Künstlerkreisen. Sich selbst zählen sie dazu nicht. Sie haben sich entschieden, die Bankiers, diese bedrohte Spezies, mit ihrer Musik zu unterstützen. Daher geht ein Euro pro verkaufter CD an die Bankenrettung. Echte Charity, eh klar. Nicht klar ist allerdings, warum dieses wahnsinnige Arrangement aus Musiktheater, Kabarett und Komposition so einleuchtend funktioniert. Was es ja tut. Im Booklet steht »Ihr kotzt mich alle so verschissen an«. Publikumsbeschimpfung, noch so ein urösterreichisches Thema, das sie in ihr grandios-garstiges Debüt einflechten. Pardon, Majestät, wir verneigen uns.

»Eure Armut kotzt mich an« von Koenigleopold ist bereits erschienen.

030

140_018-031_Story.indd 30

29.11.13 11:22


Oscar Bronner im Kunstforum — Prominente machen auch Kunst, wie Oscar Bronner

Raus aus der Schublade! 031 Oscar Bronner ist eine Legende – als Gründer österreichischer Qualitätsmedien wie Der Standard, Profil und Trend und als Medienunternehmer mit festen Grundsätzen. Man glaubte ihm schon in den 1970ern kaum, dass er sich »nicht als Verleger verstehe, der ausgestiegen ist, sondern als Maler, der nur für einige Zeit in die Zeitungswelt eingestiegen war.« So beschreibt sich Bronner selbst im aktuellen Ausstellungskatalog. Damals lebte er in New York von dem Geld der zuvor gegründeten und dann verkauften Magazine Trend und Profil – um zu malen. Schon in Wien wand er sich der Bildhauerei zu und beriet sich etwa mit Fritz Wotruba. Daher wirken seine Bilder so plastisch – die Farbe selbst entwickelt hier Motive. Damals trug er sie mit Pinsel zu klassischen Stillleben oder Landschaften auf die Leinwand; heute malt er oft mit bloßen Fingern gegenstandslose Formen, Wirbel und Bewegungen. Die Dicke der Farben vermittelt Räumlichkeit und lässt Gegenstandloses wieder scheinbar dinglich werden. Bilder beider Schaffensphasen werden nun im Kunstforum gezeigt.

Kunst vs. Medien Bronner konnte damals schon von seiner Kunst leben, hatte Ausstellungen in den USA und Europa, auch in Wien. Dennoch – für Österreich wurde er erst wieder so richtig interessant, als er 1988 die Tageszeitung Der Standard gründete. Sein Image war so festgefahren wie die Medienlandschaft jener Zeit zwischen Wirtschaft und Parteien. Bronner – zudem gerade in einer »kreativen Krise« – war schlicht und einfach auf die Idee gekommen und fühlte sich verantwortlich, eine »ordentliche« Zeitung zu gründen, wie er sagt. Er dachte sogar

daran, aus dem Standard eine Art Kunstwerk zu machen, weil er die Kunst so vermisste. Anders als gedacht, wurde ihm das Unterfangen zur Lebensaufgabe – 20 Jahre lang fungierte er aktiv als Herausgeber. Für die Kunst blieb schlicht keine Zeit. Aber der Gedanke daran stärkte seine Durchsetzungsfähigkeit, er hätte ja sonst immer noch Kunst machen können.

Künstler oder Hobbymaler? Heute, als 70-jähriger hauptberuflicher Maler fragt sich Bronner, ob er Medienunternehmer und Hobbymaler oder Maler mit unternehmerisch-journalistischen Talenten sei. Selbstzweifel, die wie bei so vielen Multi-Talenten auch durch die Medien geschürt sind. Leichter als bei Künstlern wie Koons oder Bacon, die jede ihrer Gesten im Auge der Kunstwelt überprüfen, lässt sich künstlerisches Schaffen von Prominenten schnell als Platzhalter, Berechnung oder Selbstüberschätzung abtun. Der Laie findet schnell eine passende Interpretation, Biografisches wird voreilig und grob in die Kunst hineinprojiziert. Kunstkritiker wiederum bezweifeln gern, ob jemand in den Olymp der schönen Künste finden dürfe, der nicht sein ganzes Leben ausschließlich den Farben und Formen widmete. So geschieht es etwa Dylan, Bowie und McCartney; Bronner erfuhr dies schon in den 70ern. Aber auch Rubens war zugleich Diplomat, Da Vinci Ingenieur und gleich noch Universalgelehrter. Für Bronner war und ist die Kunst Lebensaufgabe, Hobby, Krisenbewältigung, bester Freund und vermisste Geliebte zugleich und das macht sie nicht weniger wertvoll, sondern reicher. »Oscar Bronner« ist bis 12. Januar 2014 im Bank Austria Kunstforum zu sehen. Der Eintritt ist frei. www.bankaustria-kunstforum.at

Text luise wolf Bild Oscar Bronner – Ohne Titel, 2012, Tempera auf Leinwand

Der bekannte Journalist und Zeitungsherausgeber Oscar Bronner malt wieder. Viele Prominente, wie Dylan, McCartney oder Manson tun es auch. Kann das Kunst sein?

031

140_018-031_Story.indd 31

29.11.13 11:22


Playstation 4 — Weniger Features, die Aufmerksamkeit liegt auf den Spielen

Der User als Spieler

Text martin mühl Bild Sony Computer Entertainment, microsoft xbox

Sony macht alle Ankündigungen wahr und konzentriert die PS4 zum Start ganz auf Spiele. Die größten Fortschritte gibt es in Sachen Controller und Netzwerk. Auch Sony hatte die erste Pressekonferenz irgendwie verpatzt und wenig gezeigt, sich dann aber zurückgelehnt, die Konkurrenz vorpreschen lassen und die Playstation 4 zur ultimativen Konsole für Spieler ausgerufen. Und viele haben mitgemacht und die Message wiederholt. Die PS4 ist der Konkurrenz grafiktechnisch vielleicht knapp überlegen – wer den Unterschied wirklich im Spiel sieht oder erlebt, möge die Hand heben – und lenkt den Spieler nicht durch Schnick-Schnack ab. Hier geht es wirklich um die Spiele und nur um die Spiele. Und vielleicht noch darum, seine Ingame-Erlebnisse auf Facebook oder Twitter zu teilen. Hatte die PS3 sich noch auf die Fahnen geschrieben, zum Entertainment Center zu werden – das Wort Multimedia war auch 2006 schon böse – will die PS4 von all dem erstmal wenig wissen. Klar, Blu-rays und DVDs können abgespielt werden und es gibt ein paar Apps mit Filmchen zum Downloaden, aber erstmal soll es darum nicht gehen. Große Fortschritte haben deswegen auch vor allem zwei Bereiche gemacht: Der Controller ist eine echte Weiterentwicklung und die bisher mutigste Änderung in der Geschichte der Playstation. Das Ergebnis ist zwar nicht formschön, aber er liegt endlich gut in der Hand und die unterschiedlichsten Genres lassen sich damit angenehm steuern. Das wackelige Touchpad irritiert etwas, aber auch das funktioniert. Lustig ist der eingebaute Lautsprecher als Gimmick, den manche Spiele schon nutzen. Mindestens ebensoviel hat Sony in sein Online-Netzwerk investiert. Hier passiert vieles automatisiert und deutlich schneller als von der PS3 gewohnt. Updates müssen nicht mehr am Tag, bevor man spielen will, erledigt werden, weil sie über eine Stunde dauern. Dieser Netzwerkgedanke spielt auch eine Rolle, wenn man sich ansieht, wie die Spiele im Menü präsentiert werden. Statt in das Spiel zu wechseln und dort Neuigkeiten zu sehen oder eine Auswahl der Spielmodi zu treffen, wird vieles davon schon im Systemmenü der Playstation angezeigt und angeboten. Die Spiele und die Systemsoftware verstehen sich besser denn je und greifen ineinander. Das Launch-Line-up bietet nicht viele Überraschungen – Shooter, Rennspiele, ... – weist aber schon ein bisschen in die kommende Richtung. In Köln, auf der Gamescom, haben sowohl Microsoft als auch Sony ihre Zusammenarbeit mit Indie-Entwicklern (Selfpublishing, App-Markt) betont. Sony konnte damals mehr zeigen und verspricht eine große Anzahl an kleineren, oft auch kreativeren und ausgefalleneren Titeln. Ja und dann gibt es noch die PS Vita und das Zusammenspiel zwischen der mobilen und der stationären Konsole. Der Plan scheint also aufzugehen und die Positionierung ist mehr als Marketing: Die Sony Playstation ist eine attraktive Spielkonsole. Wer auf den Komfort setzen will, sich nicht mit Konfigurationen am Rechner herumschlagen zu müssen und nicht auf auf die Steam-Konsole warten will, ist auch hier richtig und bekommt ein breites Spielesortiment. Mehr allerdings nicht. Sony Playstation 4 ist am 29. November in Österreich erschienen. Infos auf: at.playstation.com

PS4-Exklusivtitel Von Indie ist noch wenig zu sehen und manche Highlights wurden auf 2014 verschoben. Neue exklusive Launch-Titel: Contrast Ein interessantes Konzept, das die viele Technik vielleicht gar nicht bräuchte: Dawn ist eine sexy Cabaret-Sängerin und imaginäre Freundin der kleinen Didi in den 1920ern. Sie muss Lichträtsel lösen, denn auf Knopfdruck wechselt die Umwelt von 3D in 2D und sie kann auf Schatten laufen. Killzone Shadow Fall Der hochpolierte Egoshooter versucht durch Variantenreichtum zu punkten: Große Schlachten wechseln mit klassischen Anti-Terror-Missionen in Hochhäusern. Und dazwischen gibt es sogar Geschicklichkeitseinlagen. Die Geschichte wird persönlicher denn je erzählt. Mehr also solide, aber am Ende More-Of-The-Same. Resogun Ein Sidescrolling-Shooter, der die Rechenpower nützt: Die Spielwelten sind Zylinder, auf deren Mantel man sich bewegt. Es gilt Figuren zu retten und viele bunte Gegner abzuschießen. Die grellen Farben sind in der Anzahl reduziert, verfehlen aber nicht ihre Wirkung. Oldschool-Spielspaß auf dem neuesten Stand.

032

140_032-041_Story.indd 32

29.11.13 11:25


Xbox One — Mehr Features – und trotzdem volles Spielvergnügen

Der Spieler als User Mit der neuen Xbox One setzt Microsoft auf Vernetzung und macht die Konsole auf Wunsch zur zentralen Schaltstelle im Wohnzimmer.

Xbox-One-Exklusivtitel Ich verstehe ja die Begeisterung für »Titanfall« nicht, es kommt aber erst nächstes Jahr. Bis dahin spielt man auf der XBO am besten: »Forza 5« Ja, ein Rennspiel. Aber eines, das mit vielen neuen Features unterhält – und mit natürlich prachtvoller Grafik. Zu den Community-Aspekten: So fährt man vom Start weg mit WagenDesigns anderer Spieler und auch die Gegner in den Rennen sind aus dem Fahrverhalten anderer Spieler errechnete Drivatare. Du fährst immer gegen deine Freunde! »Ryse – Son Of Rome« Crytek haben diesmal keinen EgoShooter entwickelt, sondern ein hochgezüchtetes Hack’n’Slay, das sich in Sachen Blut sichtbar an den »Spartacus«-Serien orientiert. Als römischer Soldat kämpft man sich durch brutale Schlachten und rammt Schwert und Schild möglichst gut getimt in die Körper der Gegner. »Zoo Tycoon« Die »Zoo Tycoon«-Reihe startet neu, verschreckt dabei alle Kenner und spricht stattdessen eine deutlich jüngere Zielgruppe an. Vieles kann hier nicht mehr frei gestaltet werden, dafür ist das Spiel weniger komplex und spricht mit seiner Zugänglichkeit Nachwuchspieler an.

Mit der Xbox One präsentiert Microsoft dem User erstmal schier unendlich viele Möglichkeiten, auf die tatsächlich relativ intuitiv zurückgegriffen werden kann. So funktioniert schon der Login automatisch über Gesichtserkennung per Kinect. Und wenn mehrere Personen im Raum sind, dann weiß sie das auch, loggt diese automatisch ein und verändert den Bild-Ausschnitt, den sie scannt. Automatisch. Von ganz allein. Geboten werden zudem Musikund Video-Services, diverse Apps – leider alle einzeln – und vieles mehr. Nicht zuletzt Skype – dank Kinect mit 1080p-Videotelefonie. Und manches davon gern auch gleichzeitig. Ein kleiner Screen kann in der Ecke eingeblendet werden, um während dem Spielen zu Skypen oder auch Fernzusehen. Denn auch wenn so manches Angebot der Xbox One zum Start in Europa nicht erhältlich ist, weil die Verträge fehlen – Netflix zum Beispiel –, das TV-Signal lässt sich per HDMI durch die Xbox schleifen. Und das bedeutet nicht nur die Menuführung über die Box, sondern eben auch das gleichzeitige Fernsehen, während man spielt, skypt oder was auch immer auf der Xbox macht. Dabei musste Microsoft nach der ersten Pressekonferenz erstmal zurückrudern, bestimmte Daten doch am Gerät und nicht in der Cloud speichern und auch zur Kenntnis nehmen, dass nicht alle Spieler in den USA wohnen oder damit einverstanden sind, vermarktet zu werden. Am Ende werden sie aber recht behalten. Wir haben uns noch nicht an den Gedanken gewöhnt, aber die vernetzten und vernetzenden Features dieser Konsole zeigen schon heute, wie wir in den kommenden Jahren unterhalten – aber auch beworben werden. Kinect beobachtet die Menschen vor dem Fernseher, weiß, wann sie hinsehen und wann sie etwas anderes machen. Die Xbox One ist tatsächlich jener Kasten – im klassischen Hi-Fi-Format –, der als zentrale Schaltstelle vieler Entertainment-Einheiten dienen kann. Zumindest, wenn man sich in das Microsoft-System begibt, denn wenn nicht, dann werden hier bessere Audiound Video-Streamingdienste nicht unbedingt ersetzt. Und zu dem System gehören auch eine Xbox Live Goldmitgliedschaft und ein Wohnzimmer, das groß genug für Kinect ist. Noch nicht – aber wohl sehr bald – ist das alles auch in Österreich über Sprachsteuerung bedienbar. Und das funktioniert überraschend gut und schnell. Musik, Spiele, Downloads: Alles lässt sich per Sprache steuern. Die Xbox One ist damit tatsächlich die zukunftsweisendere Konsole mit der noch besseren Online-Technik und dem breiteren Angebot. Und die Spiele? Die können mit der Konkurrenz zumindest locker mithalten. Die 3rd-Party-Hersteller sind mit allen großen Titeln vom Start weg dabei und Microsoft selbst versucht sich an einem breiten Line-up für alle Zielgruppen. Indie findet man hier noch nicht und die online auf der Xbox 360 erworbenen Spiele können nicht mitgenommen werden. Aber wer Spielen will – und vielleicht auch noch ein bisschen mehr – ist hier genauso richtig. »Xbox on!« Microsofts Xbox One ist am 22. November in Österreich gestartet. Infos auf www.xbox.com 033

140_032-041_Story.indd 33

29.11.13 11:25


Text Nikolaus Ostermann Bild istockphoto.com

stockfotografie — Viele Bilder, viel Erfolg, jetzt geht es weiter

034

140_032-041_Story.indd 34

29.11.13 11:25


Stockfotografie ist oft nicht schön, manchmal beängstigend, kommerziell aber jedenfalls irre relevant. Mit dem Einzug qualitativ hochwertiger Digitalkameras in den Hobbysektor fielen die Preise so weit, dass sie dem Microstock-Bereich jetzt auf den Kopf fallen. Die Entwicklung geht währenddessen weiter: Mobil und im Medienbereich.

Jeder hat seine Bilder gesehen. 2005 begann der 26-jährige Däne Yuri Arcurs, seine Hobbyfotos bei einer der zahlreichen aufkommenden MicrostockAgenturen, den Fast Food-Abteilungen der Fotografie, upzuloaden, um sich neben dem Psychologiestudium einen kleinen Nebenerwerb zu schaffen. Das lief ziemlich gut, er verkaufte Millionen und war mit technischen, blitzeblank-perfekten, überaus und oft überzeichnet lächelnden Bildern binnen vier Jahren zum weltweit bestverkaufenden Stock-Fotografen aufgestiegen. Alles gewinnend, immer schön, effizient im Workflow, gephotoshopt wird in Indien, und vor allem viele Bilder – mehr als 1.000 im Monat. Er hatte früh verstanden, wie der beinharte Quantitätswettbewerb am rasant wachsenden digitalen Bildermarkt gewonnen werden kann, er lieferte. Renommierte Bildagenturen wie Getty Images (gegründet 1995) und Corbis (1989), deren Wachstumssprünge bis dahin eher auf der Digitalisierung von analogen Bildern sowie dem Kauf kleinerer und größerer Bildarchive basierten, stellte die aufkommende Microstock-Industrie, die – digitally native und äußerst flexibel – den Markt mit digitaler Massenware flutete, vor Probleme. Neuere Agenturen wie Shutterstock, Fotolia oder Dreamstime profitierten von den zahllosen ambitionierten Fotografen mit Internetanschluss, die sich an Yuri Arcurs ein Beispiel nehmen wollten. Erst 2006 sprang Getty mit der Übernahme von iStockPhoto auf den Microstock-Zug auf, der sich durch besonders niedrige Preise »auszeichnet«. Da waren andere längst weiter.

»After all, my photography carrier (sic) was born here.« 25 Millionen Fotos stapeln sich auf den Servern des 2003 in New York gegründeten Microstock-Unternehmens Shutterstock, das mit geschickten, schlanken und nicht immer ganz sauberen Anwerbemethoden hunderte Medienkooperationen und damit Suchresultatsmacht aufgebaut hat. Dessen Börsenkurs geriet nach stetigem Wachstum im vergangenen Sommer durch einen bemerkenswerten Schachzug Yuri Arcurs allerdings erstmals ins Wanken. Um nun doch höhere Preise für seine Bilder erzielen zu können, ließ er seine Agentur PeopleImages.com – 20 Fotografen, über 100 Angestellte und rund 100.000 Bilder stark – die Zusammenarbeit mit Fotolia, Dreamstime und eben Shutterstock aufkündigen, um zum Branchenriesen Getty Images zu übersiedeln. Dabei ging es für Arcurs vor allem um die erweiterten Vertriebsmöglichkeiten, die ihm das Getty-Netzwerk bot. So fällt es schwer, ihm seine gebloggte Wehmut – die Unternehmen zu verlassen, die die Geburt seiner fotografischen Karriere ermöglicht hatten – abzunehmen. Sogar ihm selbst, und am Produkt ändert sich ohnehin nichts. »Es geht nicht darum, dass wir kein Junk Food mehr produzieren, sondern einfach darum, es mit einem Partner zu tun, der weiß, wie er es vermarktet«, so Arcurs.

Funny in disguise Getty also. Der Branchengigant verfügt über ein Archiv von über 80 Millionen Fotos und 50.000 Stunden Videomaterial aus dem Macro-, Mid-, und Microstockbereich. Mehr als 1.600 Mitarbeiter in über 50 Ländern bearbeiten die Creative Professional (Werbung und Grafik-

design), Medien (Online und Print) sowie Corporate Communication. Und natürlich findet sich in diesen riesigen visuellen Datenbergen auch jede Menge Schwachsinn, der sich in Form von Blogs oder über Tumblr hervorragend für Spiel- und Sammelspaß eignet. Die Awkwardness der schönen, heilen Stilbildwelt, in der die Menschen mindestens so glänzend strahlen wie die übersättigten Salatblätter und Orangensaftgläser in ihren Photoshop-Händen, liegt für Gettycritics. com oft im Detail. Besonders beängstigend: Getty Dubs. Videomaterial von der Stange, üblicherweise ohne Tonspur erhältlich, wird durch eigene, mehr oder weniger passende neue Tonspuren verfremdet. Awkwardstockphotos.com pickt sich offensichtliche Rosinen aus der klebrigen Masse. Warum um alles in der Welt montiert man ein kleines Mädchen in schwarzem Kleid, lächelnd und die Arme eher ge- als ungezwungen nach oben gestreckt, auf einen Eisbecher (ohne Eis), ein schwarz-oranges Flammenimitat im Hintergrund, und wer zum Teufel (ver-)kauft das? Witze darüber sind so einfach wie Brot oder Witze über Miley Cyrus. Das Geschäft läuft.

Und jetzt mobil Und das Geschäft läuft weiter. Nach der digitalen steht dem Geschäft mit der Fotografie nun die mobile Revolution ins Haus. Online braucht oftmals keine Spiegelreflexqualität, Geschwindigkeit zählt, und nun kommt die Crowd und ihre immer besser fotografierenden, omnipräsenten Smartphonekameras ins Spiel, das sich schnell weiterdreht. Nach der Flutung der Stockfotografie durch die breite Masse steht als nächstes dem medialen Segment, in dem die Faktoren Aktualität und Authentizität eine größere Rolle spielen, ein Umbruch ins Haus. »Die Crowd ist die neue Pressefotografie«, postuliert das im Februar 2011 in Finnland gegründete Start-up Scoopshot. Die GratisApp (u.a. für iOS und Android) verspricht bares Geld durch den Verkauf brandaktueller Fotos an internationale Medienhäuser. Auf mehr als 350.000 mobile Fotografen kann das binnen drei Jahren zum Marktführer ins Sachen Crowdsourced Images for Brands and Publishers aufgestiegene Unternehmen mittlerweile zählen, das sich erst vor wenigen Wochen eine 3,9 Mio. US-Dollar starke Expansionsspritze einer finnischen Investorengruppe gönnte. Das Prinzip ist einfach: Unternehmen oder Medien stellen den Fotografen Aufgaben, die diese zu erfüllen haben. Die besten Bilder werden gekauft und veröffentlicht. Der Auftraggeber gelangt so auf schnellstmöglichem Weg zu vermeintlich authentischen Bildern, der Auftragnehmer gewinnt the fame und im Optimalfall auch the money. Einer, der das mit dem Money, das auf der Auftraggeberseite wartet, verstanden hat, hat sich seine Anteile an Scoopshot diesen Sommer gesichert. Yuri Arcurs war schon im Juli mit 1,2 Mio. US-Dollar eingestiegen. Am selben Tag, an dem der Mann, der weltweit alle acht Sekunden ein Foto verkauft, den Wechsel seines Microimperiums zu Getty bekanntgab. For the money. Der meistverkaufende Fotograf der Welt, Yuri Arcurs (34), bloggt selbst auf arcurs.com – nicht oft, dafür etwas überheblich und lesenswert. Gettycritics.com und Awkwardstockphotos.com nehmen ihn bzw. seine Fotos dafür vollkommen zu Recht aufs Korn. Wird ihn nicht interessieren. 035

140_032-041_Story.indd 35

29.11.13 11:25

m


twitter-etiquette — Die kleine Fibel des schlechten Twitter-Stils

Text judith denkmayr bild istockphoto.com

Hättest du diesen Tweet nicht geschrieben, wärst du Philosoph geblieben

Twitter ist ein Mysterium. Social Network, Microblogging-Plattform, Social News-Plattform, Infofilter – jeder hat seine eigene Interpretation, was Twitter ist oder sein könnte. Fakt ist: nicht jeder kann intuitiv etwas mit den vorbeirauschenden Nachrichten anfangen, die oft auf den ersten Blick sinnbefreit erscheinen. Und es oft auch auf den zweiten Blick immer noch sind. Manch einer klagt über verwirrende Zeichen, die Insider »Hashtags« oder »Retweets« nennen. Andere bewegt die Thematik: wem soll ich folgen? Aber jeder stellt sich früher oder später die Frage: Was soll ich eigentlich twittern? Manche finden darauf nie eine Antwort und bleiben »Lurkers«, in Österreich etwa 17.000 Accounts, andere hingegen finden großen Gefallen an den 140-Zeichen-Nachrichten namens Tweets und sind nicht mehr zu stoppen. »Anything goes«, Paul Feyerabends Leitsatz zur Postmoderne war wie es scheint auch der Leitsatz der Twitteria. Doch Vorsicht, auch wenn technologisch alles geht (okay, bis auf 141 Zeichen), gibt es da eine andere Falle – den schlechten Stil.

Es gibt unterschiedliche Gründe, das Twitter-Service for Attention zu nutzen. Shameless Self Promotion ist einer der Retweeting Auf Twitter sind Justin Bieber, Armin Wolf und Barack Obama nur ein paar Klicks entfernt. Würde man sich im echten Leben dem Prohäufigsten davon. Das ist nicht verwerflich, man mi der Träume wohl langsam und schrittweise annähern und dann sollte dabei aber einige Grundregeln der guten den richtigen Moment für ein Autogramm abwarten, versucht manch einer auf Twitter, die Aufmerksamkeit anders auf sich zu ziehen: mit Twitter-Etikette beachten. begeistertem Retweeten, als wären all die kurzen Updates und InfobroEin Styleguide in Sachen Twitter.

cken plötzlich aus Gold. Der manische Fan macht es seinen eigenen Followern wirklich schwer, ihm nicht sofort die Followerschaft aufzukündigen.

Twitter, die Bassena der Journalisten

Früher, zu den Hochzeiten der Printmedien, wurde man als gemeiner Bürger von den Streitereien unter Journalistinnen und Journalisten weitgehend verschont. So etwas fand ausschließlich im Feuilleton von Zeitungen statt; also jenem Teil, den außer anderen Journalistinnen und Journalisten eh niemand las. Nun ist diese Meute über Twitter hereingebrochen – und leider sind auch professionelle Kommunikatoren nur Menschen. Ihr Wissen um den Wert einer kleinen Kontroverse, ihr gesundes Sendebewusstsein und die damit verbundene Frequenz ihrer Tweets macht sie nur noch fehleranfälliger als den gemeinen Bürger.

Sperrfristen gelten – aber nicht für mich

Jeder Journalist lernt, was eine Sperrfrist ist (ein zeitlich begrenztes Veröffentlichungsverbot für bestimme Informationen), wozu sie gut ist (Zeit zur journalistischen Reflektion), und dass es einen Grund hat, warum man sie einhalten sollte (demokratiepolitische Gründe bei Wahlen, Fairnessgründe bei Buchrezensionen etc.) – doch für Twitter scheinen andere Regel zu gelten. Keine Sperrfrist ist mehr sicher vor TwitterUsern auf der Suche nach mehr Gefolgschaft. Diese Form der stilistischen Nachlässigkeit sollte man sich allerdings sehr gut überlegen – denn auf das Missachten von Sperrfristen sind schon mal Pönalen von bis zu 50.000 Euro fällig, und zwar nicht nur für den ersten Übeltäter.

Die Sittenpolizei

Frauenanteil auf öffentlichen Veranstaltungen, im TV, auf Literaturveranstaltungen (#twittkultur): wer unbedacht für eine Nicht-Genderneutralisierte Sache oder Veranstaltung wirbt, läuft Gefahr, ins Visier der Feminismus-Polizei zu geraten. Die Sache an sich, für die hier mit harten Bandagen gekämpft wird, mag eine Gute sein, aber der Zweck heiligt eben doch nicht alle Mittel. Offen gelassen sei hier auch, ob die Absicht hinter diesen Tweets überhaupt der Sache dienen sollte – oder nur der Positionierung einzelner Twitterantinnen.

Follow-Friday-Tweeting und Heavy Retweeting

Der Follow Friday sollte Usern helfen, interessante Accounts zu entdecken: An Freitagen werden diese mit dem Hashtag #ff versehen und 036

140_032-041_Story.indd 36

29.11.13 12:52


mit einer kurzen Erklärung getwittert. Fünf oder sechs Jahre später zeigt das Ritual des #ff gewisse Abnutzungserscheinungen. Mit dem #ff wird um Aufmerksamkeit gebuhlt, man hofft auf eine Gegenleistung des mit so viel virtueller Aufmerksamkeit Bedachten. Sei es durch Beachtung, einem Re-follow oder ein Re-#ff. Besonders spannend wird es, wenn Empfehlungen am #ff gleich mehrere Accounts erwähnen und dann auch noch retweetet werden. Schon allein um sich die Frage zu ersparen »Wie reagiere ich auf ein #ff, ein #ff ans Rudel oder gar auf den Retweet eines Rudel-#ff« sollte man sich aus diesem Ritual heraushalten.

Top Influencer in eigener Sache

Gerüchteweise gibt es mittlerweile Firmen, die nur Mitarbeiter einstellen, die in ihrem Fachgebiet einen bestimmten Klout-Score (klout. com) haben – also von einem Webservice, das den Einfluss im Netz in harten Zahlen misst und auf Twitter und Facebook die wichtigen »Influencer« erkennt. Mehr Punkte bekommt man, wenn man seinen Wert veröffentlicht, anderen Punkte gibt und auch das postet. Klout ist also die ultimative Echokammer für Egomarketeers. Auch wenn es irgendwie cool ist, ein Influencer in Sachen Bier, Katzen oder Schuhen zu sein – noch cooler ist man, wenn man seinen Klout Score nicht kennt.

Staubsaugervertreter-Tweets

Social Media ist, wie der Name schon sagt, kein Internet-Werbefenster. Dennoch hält sich dieser Irrtum bei manchen Usern beständig. Mehr oder weniger brachial wird auf Produkte aufmerksam gemacht oder gar ein »Call to Action« gesetzt, weil Marketing das so diktiert. Denn man müsse dem Follower schon einen Hinweis geben, wie er denn jetzt eigentlich zu interagieren hat, damit es zur gewünschten »Conversion« kommt, man also auch wirklich Aufmerksamkeit oder besser noch Geld liegen lässt. Warum man in den eigenen TwitterStream absichtlich Werbeeinschaltungen hineinnehmen sollte, ist die Frage, die der Keiler dann meistens nicht mehr zu beantworten weiß.

Hashtag-Trittbrettfahrer

Twitter bedeutet Echtzeitkommunikation. Das fühlt man vor allem dann, wenn man auf besonders prominente Hashtags (#grassermovies, #uausschuss #redwedding) klickt und die Tweets im Hundertstel-Takt an einem vorbeirasseln. Doch bleibt dem Beobachter nicht verborgen, dass viele Tweets so gut zum Thema passen wie eine Goldhaubengruppe bei der Regenbogenparade. Schuld daran sind Twitteranten mit geringem Selbstwertgefühl und meist noch größeren Marketing-Aufträgen. Plötzlich taucht Wodka-Werbung im Stream zum #tatort auf, auf einer Konferenz-Twitterwall beginnen die obligatorischen Vertriebler ihre »Top 10 der wichtigsten Marketingtools« oder ihre »Formulare für ein kostenloses Erstgespräch« zu verbreiten und ein Personalberater will seine spannenden Xing-Gruppenbeiträge unbedingt unter der AntiAlltagssexismus-Diskussion zu #aufschrei unterbringen. Seid achtsam, ihr Spammer, denn hinter eurem Rücken lästern wir erbarmungslos über euch ab.

Fäkalsprachenaufmerksamkeitsspiralenfalle

Um zwischen all den lustigen Bonmots-Poeten, intelligenten 140-Zeichen Literaten und O-Ton-tauglichen-Zitatemaschinen bestehen zu können, muss sich manch simpleres Gemüt einiges einfallen lassen, um aufzufallen. Und wer einmal mit den derben Sprüchen anfängt, der muss die Dosis auch steigern. Das kann übel ausgehen, denn manchmal kostet es sogar Geld. Oder Reputation.

Neverending Storys

Leute, Twitter hat nur 140 Zeichen. Für manche Diskussionen – und auch für manche Egos – ist es nicht das richtige Format. Judith Denkmayr ist Geschäftsführerin der Kommunikationsagentur Digital Affairs und als @linzerschnitte auf Twitter aktiv. 037

140_032-041_Story.indd 37

29.11.13 12:52


Gemacht für große und kleine Katastrophen sollen diese Design Leben retten. Links: eine rote Hütte für überraschende Wetterumschwünge. Rechts: Ein Nothaus von Ikea im Schachtelprinzip.

Text Sonja Commentz Bild antarcticfudgesicles, Ikea Foundation / UNHCR, Calearth, Lange&Lange

Disaster Design — Gestalter in Not(standsgebieten)

Designer, die Leben retten 038 Not macht erfinderisch. Wer sich nicht auf diesen Spruch verlassen will, bereitet sich schon vorher auf die Not vor, mit den Erfindungen des Disaster Design.

Ob Erdbeben, Hurrikan oder schnöder Hausbrand: Sobald Disaster drohen, entpuppt sich das cleverste Design oft als schöner Schein. Hier setzen mehr und mehr Gestalter an, die mit einfachen – und eleganten – Mitteln Katastrophenschutz betreiben. Von punktgenauer Prävention, um das größte Unglück zu verhindern, bis hin zu schnellen Rettungsmaßnahmen vor Ort entwerfen sie durchdachte Helfer, die das Leben am Limit leichter machen. Laut Philippe Starck, einem renommierten Vertreter des »Neuen Design«, sollte sich der »Designer von heute vor allem darauf konzentrieren, Leben zu retten«. Ein Ansatz, der weltweit von immer mehr Gestaltern und Architekten aufgegriffen wird, die gezielt Lösungen für Krisengebiete, Katastrophenhilfe, aber auch klassische Outdoor- und Extremsportsituationen entwickeln. Neben futuristischen Nothütten für abrupte Wetterumschwünge wie dem roten Apple-Ufo in Colorado oder kleinen, privaten Rettungskokons, die einfach im Baum baumeln dürfen, hat sich in First-World-Wintersportregionen z.B. eine Designindustrie

herausgebildet, die den Schnee in die Defensive schickt. In Kanada und der Schweiz sorgen minimalistische Schneenetze, -brücken und -dämme, aber auch gezielte Landschaftsarchitektur für Lawinenschutz, während bei uns Freerider mit Walking-Chairs Freeride Info Base ihre nächsten Tiefschnee-Exkurse planen können: Die wattige Infowolke der Wiener für alle, die sich abseits der Piste zuhause fühlen, ist angenehm intuitiv und zeigt auf dem Kitzsteinhorn Outdoortipps zu Lawinengefahr, Sicherheit und Gelände an. Unterwegs sorgen dann Stirnlampen für Erleuchtung, die sich in sanfte Laternen verwandeln lassen, und bei akuter Lawinengefahr lässt Designerin Tatjana Rolle automatische Flugdrohnen aufsteigen, die entfernt an fliegende Ventilatoren erinnern. Direkt nach einer Lawinenwarnung werden ihre retrofuturistischen Flugkörper aktiv, durchkämmen das Zielgebiet und markieren potenzielle Oper mit Leuchtfarbe, um den Rettungsteams Vorschub zu leisten. Und wenn alles nichts (mehr) hilft, ist per Schneemobil schnell der etwas andere Krankenwagen zur Stelle – eine eiförmige Rettungskapsel auf Kufen

038

140_032-041_Story.indd 38

29.11.13 11:34


Dieses modulare Bienenstockhaus von Nader Khalili lässt sich aus billigsten Materialien zusammenbauen. Rechts: Minihubschrauber für die Suche nach Lawinenopfern.

(Lange & Langes GOPR Rescue Mobile) bringt die Verletzten sicher ins Tal. Hier hilft Design in Freizeitsituationen dabei zu kontrollieren, was prinzipiell schwer kontrollierbar ist: die Natur.

Vom Lifestyle-Problem zum ernsten Einsatz Designer verstehen solche Extremanforderungen oft als sportliche Herausforderung, auch wenn die Katastrophe nicht unbedingt sportlicher Natur ist. Gerade in Schwellenländern sind es meist Naturkatastrophen, die ganze Landstriche in den Notstand stürzen, die Menschen an der Basis ihrer Existenz treffen – und schnelle, günstige Hilfe erfordern. Als Zwischen-Improvisation und High-tech-Modell entwerfen motivierte Gestalter mittlerweile nicht mehr nur schicke Utopien, sondern auch praktische und pragmatische Lösungen, die tatsächlich wenig kosten, Schutz bieten und auch von Ungeübten schnell aufgestellt werden können. Zum Beispiel die zeltartigen Concrete Canvas-Unterkünfte, die dank Beton gut zehn Jahre halten. Oder die simplen, höchst effektiven Eco-Domes des Architekten Nader Khalili, die Sandsäcke und Stacheldraht nur mit Muskelkraft in günstige, umweltfreundliche – und nebenbei schmuck aussehende – Bienenkorbbauten verwandeln. Schließlich sind diese Baumaterialien gerade in Krisen- und Kriegsgebieten reichlich vorhanden. In kaum fünf Tagen entsteht so eine vollwertige 40 m2-Bleibe mit Schlafzimmer, Küche, Bad und Eingangsbereich, die verputzt und imprägniert locker 30 Jahre übersteht. Dabei haben Khalilis Kuppeln eigentlich schon Klassikerstatus – er hatte sie 1984 für Kolonien auf dem Mond konzipiert. Einem anderen einfachen Bauprinzip folgen Shradha Bhandaris flexible, fraktale Faltbauten: dem Origami. Dadurch seien die Elemente besonders ökonomisch und anpassungsfähig an die Umgebung. Sie befinden sich noch in Entwicklung. Bereits von Ärzte ohne Grenzen realisiert wurden dagegen die Icosa Villages Pods, die sich aus cirka 40 dreieckigen Polypropylen-Paneelen zusammensetzen und so in Buckminster-Fuller-artige Hütten verwandeln.

Mit solchen konkreten Lösungen lassen kommerzielle Designer nicht nur kreative Muskeln spielen, sondern beweisen analog zum amerikanischen Pro-bono-Konzept auch ihre Sozialverantwortung. Selbst Massenmöbelikone Ikea steigt mit klassischer Flatpack-Architektur in das Thema ein und wirft ein eigenes Hausmodell für Notstandsgebiete in den Ring, das sich in vier Stunden – im typischen Ikea-Prinzip in vier Schachteln abgepackt – zusammensetzen lässt. Ein bisschen clever darf die soziale Visitenkarte natürlich sein: Wenn hilfreiche Anlaufstellen wie Design4Disaster, OpenRelief, Habitat for Humanity, Scientists without Borders oder Architecture for Humanity die besten Beispiele bündeln, wird das Engagement nebenbei zum sympathischen Aushängeschild. Psychic Factorys UNICEF Brick bedient mit seinem reduzierten Designkonzept z.B. sämtliche Notfall- und Nostalgiebedürfnisse: Die stabile, legosteinartige Verpackung versorgt Hilfsbedürftige mit Reis und Wasser – und kommt danach als stabiles Baumaterial zum Einsatz. In diesem Sinne verbinden immer mehr Designer den eigenen Spieltrieb mit Altruismus, um die Möglichkeiten von Technik, Design und Ressourcen auszureizen. Natürlich bleibt bei solchen Fingerübungen auch einiges im Konzeptstadium stecken oder driftet ins Skurrile ab. Bevor wir uns also vor urbaner Kulisse mit dem Tinkerball abseilen oder bei Hurrikans in niedlichen japanischen Taucherkugeln Schutz vor den Elementen suchen, lohnt sich die kritische Nabelschau. Nicht alles taugt für den Einsatz in einer Welt, die immer häufiger unter extremem Wetter leiden wird – sei es, weil es zu schwer, zu teuer, zu umständlich oder zu unflexibel ist. In der Not brauchen Menschen Essen und Schutz. Das sind die vorrangigen Ziele für Designer, die Leben retten. Ein Blick in »Design like you give a damn« von Architecture for Humanity beweist dabei mit etwa 100 konkreten Hilfsprojekten, dass echtes, helfendes Disaster Design für die Zeit nach den akutesten Tagen einer Katastrophe auch noch gut aussehen kann. 039

140_032-041_Story.indd 39

29.11.13 11:34


Kolumne Blow-up: Film in Österreich von Gunnar Landsgesell Gudrun Krebitz

Kurdwin Ayub

Der Film von Morgen   Filmemacher sind kreativ, sie brauchen aber auch Biotope, um es zu sein. Förderungen füllen sie auf. In den Bundesländern herrscht aber teilweise Wassermangel, um sie zu füllen.

D

ie ganze Aufregung liegt leider in der Unschärfe. Im flüchtigen Wahrnehmen und im blinden Rausch liegt das ganze Glück. Ich hab’ mir deswegen nie die Augen lasern lassen.« – Ein Zitat aus dem experimentellen Kurzfilm »Achill« der deutschen Filmemacherin Gudrun Krebitz. Der Film soll als Beispiel erwähnt werden, weil er eigene Wege sucht, sich an das filmische Bild anzunähern. Mal opponieren Bild und Ton, dann finden sie sich wieder. Durch Animationstechniken und flackernde Bildeinschübe entsteht Achill als bewegtes, feministisch hintersinniges Skizzenbuch. Die Frage, wie solche blitzenden Filmentwürfe zustande kommen, hat ebenso viel mit der Künstlerin wie mit ihrem Umfeld zu tun. Wie Filme der, sagen wir, nächsten Generation aussehen, hängt von vielem ab. Biografien, Brain Flow, Sinneseindrücke und sicherlich auch äußere Regulative wie Filmakademien spielen da eine Rolle, ebenso wie Filmförderungen. Auch wenn Förderer nicht in ästhetischen Fragen intervenieren und das Geld immer an konkrete Projekte verteilt wird, pumpen sie ihre Mittel letztlich in bestimmte Biotope. Aus diesen gehen junge Filmemacherinnen wie die experimentell-anarchisch orientierte Kurdwin Ayub oder die mit Rhythmus und Daily-Soap-Formaten spielende Vanessa Gräfingholt hervor. Dass im Österreichischen Filminstitut und im BMUKK unterschiedliche Nachwuchsprojekte

gefördert werden, ist bekannt. Das wird regelmäßig öffentlich kommuniziert. Interessant ist aber, dass auch Landesförderungen keine unerhebliche Rolle spielen. Um zu erfahren, welche Filme finanziert werden, muss man sich aber teilweise erst durch ein Dickicht schlagen. Einige Bundesländer vergeben das Geld mittlerweile über eigene Filmförderungsstellen, bei anderen scheint immer noch der Landesfürst nach Gutdünken die Auswahl zu treffen – bzw. sein Kulturbüro.

Bundesländer-Dickicht Die Budgets variieren von Jahr zu Jahr, sind also wenig verlässlich für die jungen Filmemacher einer Region. Wer Einblicke über vorhandene Mittel oder vergebene Projekte haben will, wird auf den Websites der Kulturabteilungen nicht unbedingt fündig. In Kulturberichten lassen sich mit einigem Glück im Nachhinein bewilligte Förderungen einsehen. Noch vor wenigen Jahren hatte etwa Salzburg sich dabei nicht in die Karten schauen lassen. Der jährlich erscheinende Filmwirtschaftsbericht des ÖFI musste sich bei der Fördertätigkeit der Salzburger mit einer Leerstelle begnügen. Relevant sind die Bundesländer aber, weil sie insgesamt gar nicht so wenig Geld für Film zu vergeben haben. Und für all jene, die sich gerne in Richtung Film vortasten möchten, ohne in der Bundeshauptstadt mit all ihren Förderstellen und Produktionsfirmen zu residieren. Den Bundesländern fällt damit also eine Verantwortung zu, die sie recht unterschiedlich ausfüllen. Zwei Beispiele, das Burgenland und Niederösterreich, beide grenzen an Wien an. Das Burgenland weist in seinem Kulturbericht für das Jahr 2010 eine Fördersumme für »Film, Kino, Video« von 657.050 Euro aus. Die beeindruckend runde Summe von 650.000

Euro ging an »Der Winzerkönig«, den satten Rest von 7.000 Euro erhielten ein paar Vereine als Strukturförderung. Auch für ein Kurzfilmprojekt war Geld vorhanden, 3.000 Euro, aber eben nur für dieses eine. Touristisch gesehen ist die Entscheidung sicherlich top, auch wirtschaftlich wird sie wohl Effekte erbracht haben. Für ein Biotop, aus dem Nachwuchsfilmemacherinnen wie Ayub oder Gräfingholt hervorgehen, um nochmals ganz beliebig zwei Namen zu nennen, dürfte aber im Land des Steppensees das nötige Wasser fehlen. Niederösterreich agiert anders. Auch wenn die Fördersumme von rund drei Mio. Euro im Verhältnis geringer ausfällt, findet sich für 2012 doch eine ganze Liste an geförderten Kurzfilmprojekten. Dem als »Kunstfilm« angeführten »Soldatin Jeannette« von Daniel Hoesl wurden ebenso Mittel zugesprochen wie einem Kurzfilm mit dem beruhigenden Titel »Im Himmel kotzt man nicht«. In Kärnten zum Beispiel gibt es bis heute keine Filmförderung. Eigentlich wäre es an der Zeit, in den Bundesländern einmal den Gärtner zu holen.

Gunnar Landsgesell landsgesell@thegap.at

040

140_032-041_Story.indd 40

29.11.13 11:35


Kult. Klassiker. Kostbarkeiten.

15UE

NFEILME

235 DVDs – die umfangreichste Film-Edition Europas! Alle Filme im Handel und auf derStandard.at/oefilm Die Zeitung fßr Leserinnen

140_032-041_Story.indd 41

29.11.13 11:35


www.super-fi.eu

digital alpin sozial klassisch 140_042-057_Rezensionen.indd 42

29.11.13 11:41


AB HIER: REZENS ONEN

140 Marteria Zum Glück in die Zukunft II (Sony)

Jetzt aber mal im Ernst Nach seinem Exkurs in Marsimotos grüne Welt kehrt Rapper Marteria mit seinem dritten Soloalbum »Zum Glück in die Zukunft II« zu seiner natürlichen Stimmlage zurück. Dabei gelingt ihm der Sprung zwischen Glaubhaftigkeit und Humor ohne ernsthafte Probleme. Da gibt es diese eine Sache mit der Ernsthaftigkeit. Die kann ziemlich dienlich sein als Feuerwehrmann oder Notärztin. Wenn sich aber zum Beispiel Musikjournalisten zu ernst nehmen, wird es heikel. Auch im Deutschrap sind in den letzten Jahren einige am Zwinkern vor dem Spiegel gescheitert. Zu hart, zu smart, zu tiefgründig oder zu zwanghaft ironisch war da vieles und überspannte den Glaubwürdigkeitsbogen durch das ständige An-Sich-Selbst-Glauben. 2012 hat der deutsche Rapper Marteria unter seinem Alter Ego Marsimoto das Augenzwinkern perfektioniert und mit dem KifferErfolgsrelease »Grüner Samt« in Anlehnung an Madlibs Quasimoto-Projekt der zwanghaften Ernsthaftigkeit auf erfrischende Weise ins Gesicht geschlagen. Fast zwei Jahre später steht die Bong in der Ecke, die Stimme ist entpitcht und Marteria rappt wieder als Marteria. Mit seinem dritten Soloalbum »Zum Glück in die Zukunft II« will es der 31-jährige Rostocker ernster angehen. Dass auf den zwölf Nummern der Spagat zwischen Pathos und Witz, Weitsicht und Persönlichem und Charme und Abgeklärtheit gelingt, liegt vor allem an Marterias Art zu rappen. Sein Flow bröckelt nie, die Bilder werden glaubhaft transportiert und wenn die Texte Gefahr laufen, sich in Ernsthaftigkeit zu verlieren, springt schon einmal ein Marsimoto-Sample in die Presche und sorgt für Leichtigkeit. Besonders Marterias Stimmlage sorgt für einen angenehmen Grundton, manchmal zorniger, manchmal nachdenklicher, aber nie unglaubwürdig. Dabei sind die Inhalte bekannt: »Das Thema der Platte ist die Welt«,heißt es im Pressetext. Marterias Welt sieht dabei nicht so anders aus: Liebe, die Entschleunigung einer Generation, Rebellion und Saufen an der Bar war alles schon einmal da, sein raffinierter Wechsel zwischen Metaebene und Ich-Perspektive sorgt aber dafür, dass das alles ziemlich kurzweilig daherkommt. Die Reime und Sprachbilder sind smart und humorvoll, altklug wirkt das selten. Auch der Sound von Marterias Welt ist zeitgemäß. Die Produktionen, zwischen 808s und Samples, unterstützen, aber drängen sich nicht in den Vordergrund. »Zum Glück in die Zukunft II« macht Spaß, Highlights wie das minimalistische »John Tra Volta« oder das grotesk, kritische »Kids« treffen den Zeitgeist und könnten ernsthafte Chart-Kandidaten werden. Marteria begegnet den ernsten Themen seines Rap-Zugangs mit der Leichtigkeit und dem Humor, die es braucht um vor dem Spiegel seinen Rapper zu stehen. 07/10 Andreas Hagenauer 043

140_042-057_Rezensionen.indd 43

29.11.13 11:41


R ez

M.I.A. Matangi (Interscope / Universal)

m u si k

San Fermin San Fermin (Downtown / Pias)

Gute Miene, böses Spiel

Bulle trifft Orchester

Ins Schwarze hinterherhinken oder knapp daneben ist auch getroffen. Matangi ist Post-Internet in Reinform.

Nach der Stierhatz in Pamplona benannt, vertonen San Fermin das Leben als eine opulente, theatralische Jagd nach Liebe, immer kurz vor dem Absprung.

Februar 2012: »Bad Girls« flimmert weltweit über die Bildschirme. Hinter den offen stehenden Mündern lässt sich die eine Frage vermuten: Was ist besser – der Track oder das Video? Überforderung durch Pop-Perfektion. Und viel Lust auf mehr. Lange mussten sowohl wir als auch M.I.A. Geduld haben, bis »Matangi«, das vierte Studioalbum der stets polarisierenden Künstlerin, von Interscope auf den Markt geworfen wurde. Nun ist es da und wird nicht jeden Hörer glücklich machen. Was die vermeintliche Hochglanz-Aktualität von »Bad Girls« audiovisuell zu verschleiern suchte, nämlich dass alles immer schon vorbei ist – »It’s Already Been Did and Done«, wie es auf »Come Walk With Me« heißt – stellt »Matangi« in sein Zentrum. Es ist frei von jedem make believe, es ist Chaos und Destruktion. Und damit natürlich schwerer zu verdauen als die atemberaubenden Autostunts in Romain Gavras Video. Das Album ist ranzig. Die Sounds klingen schlafzimmerproduziert, mindestens ein Jahr in einer Schublade bei den Unterhosen vergammelt. Nicht aktuell, nicht zeitlos. Es tranct, es dubsteppt, es trappt. Auf jedem Track liegen mindestens drei Spuren uralter Dreck. So, als würde man um die Gegenstände auf einem Tisch herumwischen, anstatt sie aufzuheben. Screenshot-Geräusche fügen sich medienkritisch in das musikalische Sample-Wirr-Warr auf »Come Walk with Me« ein. Daneben hingerotzte Kritik am Yolo-Lifestyle auf dem großartigen Stück »Y.A.L.A.« passend zu aktuellen, aber halbherzigen Pop-Referenzen à la »We started at the bottom but Drake gets all the credit« auf dem für das Album zentralen Titeltrack »Matangi«. Die Musik vermittelt pseudofröhliche Wurschtigkeit, einen bunten Nihilismus, die redensartliche gute Miene zum bösen Spiel: »We know it ain't right but we do it anyway«. »Matangi« ist das, was auf Aktualität folgt. Es hinkt immer ein bisschen hinterher, es zitiert kontextfrei, es nivelliert. Ein barocker Tease, aber das echte Fett zum Angreifen fehlt. Es ist Post-Internet in Reinform. Und das verdient reichlich »aTENTion«. 07/10 Amira Ben Saoud

Manchmal braucht es etwas länger. Ein hässliches Cover, ein unbekannter Name, eine Stimme als wäre sie ganz nach The National geformt, verkopfte Instrumentierung wie vom Konservatorium – da lässt sich ein Kleinod wie das Debüt von San Fermin leicht übersehen. Das wurde bereits Anfang des Herbsts veröffentlicht, zwei Monate später nochmals im deutschen Sprachraum, was auch immer das im Zeitalter von Internet bedeuten mag. Ellis Ludwig-Leone hat es in der kanadischen Bergeinsamkeit geschrieben. Sechs Wochen lang, konzentriert, nur dort, mit einem Buch von Hemingway unter dem Kopfpolster. An eine Band hat er damals noch gar nicht gedacht, der Yale-Absolvent, und lässt konsequenterweise gleich andere singen und spielen. Mehr als ein Dutzend Menschen, um genau zu sein. Die Arrangements von San Fermin hängen voll mit Bläsern, Streichern, Piano und Percussion. Meistens sind sie die Träger der Harmonien und also der Songs selbst, sind nicht einfach nur eine teure, orchestrale Fettschwarte, weil man eben kann. San Fermin kann. Die klassische Ausbildung ist deutlich zu hören. Technische Perfektion macht Songs nun normalerweise fader. Wenn sich dazu aber auch noch ein großes Gespür für Songwriting gesellt, wird es schwer, sich dem zu entziehen. Und »Sonsick« – was für eine Hymne. Zudem ist es der vermutlich einzige Song, der den BechdelTest bestehen würde, der – eigentlich fürs Kino gedacht – fragt, ob darin Frauen miteinander reden, nämlich über etwas anderes als Männer. Dieses weibliche Duett türmt eine sonnige Übelkeit zu einem bombastischen Refrain auf. So macht man das wohl heute, wenn man Sounds so mühelos komponieren kann: statt Zwölfton und Jazz schreibt man Songs mit lockerer Feder, die hier gleichermaßen psychedelisch, soulig und folkig klingen. Am Ende geht sich sogar der große Erzählbogen des Albums aus, ein Glaubensbekenntnis ganz ohne Gott, dass nach allen Orgasmen in diesem langen Halbschlaf eben doch ein kleines Etwas von uns übrig bleibt … singt das und klingt mit einem hellen Brodeln in den Geigen und Verdauungsstörungen in den Celli aus. Besseres Stieropfer, quasi. 08/10 Stefan Niederwieser

140_042-057_Rezensionen.indd 44

29.11.13 11:41


R ez

Sky Ferreira Night Time, My Time (Capitol)

m u si k

Grim 104 Grim 104 (Buback)

Au Revoir Hollywood

Breaking Bad Brandenburg

Sky Ferreira fährt mit Dealern durch New York, hat Krach mit der Plattenfirma, duscht mit Fotografen. Ihr Album aber ist der wahre Grund, warum sie den Teen-Pop sprengt.

Deutschrap bekommt seinen Joker, einen anarchischen, herben und galligen Reimspucker namens Grim 104.

Irgendwann ist Sky Ferreira vom glitschigen Schleimhaufen namens Teen-Pop gerutscht. Vielleicht, als sie mit Boyfriend Zachary Smith, fünf Deck Heroin und Extasy im Blut und einem gestohlenen Führerschein durch New York raste. Oder aber, als sie sich für ihr Cover von Skandal-Regisseur Gaspar Noé unter der Dusche fotografieren ließ. Die Shootings von Kitsuné und Benetton hätten viele lieber gesehen. Aber jetzt mal ehrlich: Was für ein Cover. Jeder, der in den letzten Jahren Sky Ferreiras unaufhörliche Versuche ein Album zu veröffentlichen beobachtet hat, weiß, warum es echt stark ist, gerade jetzt so etwas wie ein Risiko einzugehen. Das Leben der heute 21-jährigen Ferreira war bisher eines der Selbstfindung zwischen Fashion und Pop. Man kann es ihr auch nur schwer übel nehmen. Wer weiß schon mit 15, wohin er gehört. Zu der Zeit begann sie erste Songs auf Myspace zu laden – permanent verfolgt vom Traum, die Schule zu verlassen und einen Major-Vertrag zu unterschreiben. Der kam auch, und mit ihm lange Bemühungen, sich auf ein Debüt zu einigen. Zwei EPs, die ALLES zugleich sein wollten, waren das Resultat: Sky Ferreira schrieb Folk (»Sad Dream«), wobbeligen Synth-Pop (»Lost In My Bedroom«), große Pop-Rock Refrains (»Red Lips«) und R’n’B (»108«). Alles in allem ein sehr unübersichtliches Oeuvre. Die Highlights allerdings, die sitzen: Das mit Blood Orange produzierte »Everything Is Embarrassing« etwa lüftet mit 80s-Handclaps nebelige Fassaden um warme Keyboard-Flächen, oder »Night Time, My Time« pumpt das Eurodance-Gefrickel in robuste Rock-Schläuche. Sky klingt wie eine unbeschädigte Courtney Love oder eine poppige Kim Gordon. Im von Surf-Gitarren wuschigen »You’re Not The One« gelingt ihr dabei die goldene Mitte zwischen Elektro-Arrangements und den teils sehr glitzernden Pop-Refrains einer Gwen Stefani. Am Ende ist es doch ein Album geworden, für das man ohne Vorurteile Musikerin sein will. Oder, in den Worten von Sky Ferreira: »The one chance for the world to understand me«. Wir haben verstanden. 06/10

Er sieht nicht ganz zufällig wie ein Zombie aus, am Cover, aber auch so. Sogar die Stimme von Grim 104 klingt, als hätte er die Nacht zuvor durchgekrächzt und feuchte Erde gefressen. Flow ist ihm ziemlich egal, seine kantigen Reime gehören vermutlich genau so, hinken wie wandelnde Tote. Hauptsache, der Zorn kommt an, die Wut und der Hass. Und darauf versteht sich Grim 104. Die sonnigen Seiten des Lebens muss man hier eher mit dem Skalpell suchen. Es geht gegen alles, die eigenen Helden, gegen Cro, Casper und Hafti, gegen Gott und sich selbst, gegen Antifa, gegen die Diktatur des Prekariats und all die anderen Idioten. Denn manche Menschen wollen die Welt einfach nur brennen sehen. Grim 104 ist einer von ihnen. Gewalttätige Fantasien, das kann er. Mal tötet er den rechtsextremen Anders Breivik kurz vor dessen Massenmord, dann wird im braunen Hinterland Berlins Menschenjagd gemacht und beim kommenden Aufstand wird einfach gleich alles dem Erdboden gleich gemacht – ausnahmsweise zu einem Beat, der ab dem ersten Refrain mit einem Ska-Sample versetzt ist. Sonst klingen die Tracks nach Cloud Rap und Witch House, mit viel Druck. Zwischen den schweren Kicks und Bässen schleichen kühle Synths wie Rauchschwaden oder Radioaktivität durch dieses nihilistische Album. Die Bilder passen, pechfarbene Videos, geheimbündlerische Logos, irre Blicke. Erklär mir nicht was Rap will, was Rap ist, reimt Grim 104. Rap kann jedenfalls auf den blitzenden Schwertern des Todes tänzeln. Zur Not tut es auch einfach billiges Bier, Meth aus Brandenburg oder Ephedrin aus Tschechien. Vermutlich ist Grim 104 ja privat ein sehr höflicher, freundlicher Mensch. Sein Zwilling ist es nicht. Wie man diesen acht gefrorenen Stücken der Debüt-EP noch etwas hinzufügen soll, bleibt erst einmal offen. K.I.Z. hätten bereits bewiesen, dass man Provokation und Grenzüberschreitungen immer noch ein bisschen weiter treiben kann. Man muss das nun nicht gut finden um zu erkennen, wie stimmig das formuliert und gezimmert ist, wie unbedingt eigenständig. Und fucking wütend sowieso, wer ist das nicht. 07/10 Stefan Niederwieser

Franziska Tschinderle

045

140_042-057_Rezensionen.indd 45

29.11.13 11:41


R ez

I Break Horses Chiaroscuro (Pias)

m u si k

Axel Boman Family Vacation (Studio Barnhus)

Best of Both Worlds

Alter Schwede

I Break Horses haben sich dazu entschieden, ihren elektronischen Shoegaze doch irgendwann mal im Radio hören zu wollen.

»Purple Drank« war nicht nur ein Glückstreffer. Der Boman’sche House und besticht durch Vielschichtigkeit, Verspieltheit und Eigensinn.

Als My Bloody Valentine im Februar aus heiterem Himmel ihr Comeback-Album »mbv« veröffentlichten, waren die Magazine und Blogs voll mit Shoegaze-Geschichten. Dass I Break Horses bei ihrem großartigen 2011er-Debüt »Hearts« schon lieber auf Synthesizer gestarrt haben als auf Gitarreneffektgeräte, war da schon wieder vergessen. Sie heben das Genre aus seinem noch seichten Grab und geben ihm dabei noch einen frischen Dream-Pop-Anstrich.Treffender hätten sie den Albumtitel jedenfalls nicht wählen können: »Chiaroscuro« steht in der Kunst für den starken Kontrast zwischen hell und dunkel. Die Schweden balancieren also irgendwo an der Kante zwischen Pop und Shoegaze. Aber anders als den zuckersüßen Pains Of Being Pure At Heart geht es ihnen mehr darum, mit viel Hall eine eisige Atmosphäre zu schaffen, als Hits zu produzieren. Sie halten sich lieber in düsteren Gefilden auf und lassen erst in den starken Refrains ihre Pop-Affinität durchblitzen. An diesen Momenten kann man sich festhalten, wenn die Strophen mit ihren flächigen Gebilden zu redundant werden. In »Denial« hört man den Versuch, etwas Radiotaugliches zu machen am ehesten raus. Klare Songstruktur, 80er-Jahre-Synths und ein Beinahe-Mitsing-Refrain. »Faith« ist da schon typischer für das Album. Das Video dazu könnte auch eine Werbung für Parfum sein. Eine Collage aus hippen Menschen in Swimming-Pools, auf Dächern, in Rauchschwaden und überall, wo Schwarzweiß cool aussieht. Zwischendrin streicht sich Maria Lindén, die lässig von der Kamera wegsieht, die Haare hinters Ohr. Sie singt stoisch über wabernde Shoegaze-Schichten, die mit Sägezahn-Synthies in Form geschnitten werden. Für massentaugliches Radio ist dieser schöne Tumblr-Chic zu gut, heute und früher auch schon. Kann man sich von My Bloody Valentine bestätigen lassen. 07/10 Benjamin Agostini

Plötzlich war er da und irgendwie nicht mehr wegzudenken. Der junge schwedische Musiker Axel Boman wurde vor drei Jahren quasi über Nacht von DJ Koze und dessen Label Pampa Records auf das internationale Clubmusik-Koordinatensystem geklatscht. Eine Maxi mit dem Titel »Holy Love« war daran schuld. Der darauf enthaltene Track »Purple Drank« avancierte zum Hit. Der heruntergepitchte House-Track mit wortwörtlichen und sonischen Hustensaft-HipHop-Referenzen war zwingend, machte die Discommunity hellhörig und landete einen Touchdown in sämtlichen Jahres-End-Charts. Anstatt sich auf seiner Kreation Chopped&-Screwed-House auszuruhen, schraubte Axel Boman kontinuierlich weiter an der Spannung elektronischer Musik und baute sein Label Studio Barnhus auf. Wir schreiben das Jahr 2013 – House hat im Clubgeschehen schon lange wieder die Nase vorne und ist fast gar viel Konsens geworden. Groove-Specht Boman ist nun keiner, der sich mit oberflächlichen Dancefloor-Standards zufrieden gibt. Er bohrt tiefer. Sein Debüt-Album »Family Vacation« macht das deutlich. Berührungsängste gibt es hier keine. Genres und Stile zu kreuzen, gehört für den Schweden zum guten Ton. Selbst wenn Boman seine Tracks teilweise überfrachtet, erzielt er überraschende Ergebnisse. Die Tracks rumpeln, knarzen und mäandern im runtergeköchelten Tempo und entwickeln einen speziellen Sog. Die wunderbar organischen Sounds, Samples, Beats und Chords durchfluten den Klangraum, ohne dabei um Aufmerksamkeit zu geifern. Selbst griffige Piano-Loops klimpern teilweise nur im Off herum. Eklektisch und innovativ wird auf »Family Vacation« der große Bottich tanzbarer Musik mit flockigen 4 / 4-Beats angerührt. Zum ganz großen Wurf fehlt diesem Debüt zwar der rote Faden, aber es zeigt eindrucksvoll, welches Potenzial in dem Musiker steckt. House muss nicht eindimensional und gefällig sein, darf ausfransen, experimentieren und mit anderen Stilen liebäugeln. Ja, soll das sogar. House-Um-die-Ecke-Denker wie DJ Koze dürfen sich warm anziehen. Der Boman kommt. 07/10 Maximilian Zeller

046

140_042-057_Rezensionen.indd 46

29.11.13 11:41


Jake Bugg Shangri La (Mercury) — Das zweite Album des englischen Shootingstars, diesmal produziert von Rick Rubin. Zwölf (meist) knappe Songs, die sagen: Bugg is great and here to stay! 07/10 Rainer Krispel

m u si k

The Flaming Lips Peace Sword (Warner) — Es kann Entwarnung gegeben werden: Diese EP ist kein Resteessen bestehend aus Outtakes und B-Seiten, sondern eine wohldurchdachte und -komponierte Gourmetspeise.

Gesaffelstein Aleph (Parlophone) — Das Debüt des Mannes im Anzug mag weder voll überzeugen, noch groß enttäuschen. Zu sehr schwankt er zwischen alten Idealen und neuer Überzeugungen. 06/10 Kevin Reiterer

07/10 Michael Kirchdorfer

Lumbar The First And Last Days Of Unwelcome (Southern Lord) — Ein Projekt mit misslichen Zukunftsaussichten: LumbarMastermind Aaron Edge wurde multiple Sklerose diagnostiziert. Beklemmender Doom / Sludge-Metal.

Nguzunguzu Skycell (Fade To Mind) — Darf’s ein wenig digitale Ultragewalt sein? Das Duo Nguzunguzu aus Los Angeles taucht ein in die virtuelle Gigantomanie und gibt dabei ganz eigenständig dem CGI-Zeitgeist Töne.

06/10 Werner Schröttner

07/10 Stefan Niederwieser

Shifted Under A Single Banner (Bed Of Nails) — Zu Hause ist Shifted in den Katakomben des Genres, mit Monotonie und Repetition erzeugt er kalten Schweiß und Verfolgungswahn beim Hörer. Gut so. 06/10 Kevin Reiterer

Spain The Morning Becomes Eclectic Session (Glitterhouse) — Ein ganz wunderbares Kleinod mit sieben Stücken der hier verblüffend »leicht« daherkommenden Schwerenöter von Spain. Wunderschön!

Patterns Waking Lines (Melodic) — Kein Meister-, aber ein Musterwerk: Psychedelischer Shoegaze aus Manchester, der die Past zur Present Tense zu erhebt. 06/10 Michael Kirchdorfer

John Talabot DJ-Kicks (!K7) — Der Mann der Stunde hängt noch 15 Minuten dran und liefert auf 75 Minuten eine angenehme Reise durch die internationale Techno-Musik. 07/10 Lasse Prang

07/10 Rainer Krispel

Toy Join The Dots (Heavenly) — Die fünf Londoner experimentieren auch auf ihrem zweiten Album eindrucksvoll mit Krautrock und Post-Punk. 08/10 Gerald C. Stocker

Ásgeir In The Silence (One Little Indian) — Zurück­haltende Gitarren, Piano, durchgemergelte 8-Bit-Rhythmen, entspannter R’n’B – und über allem zerbrechlicher Falsettgesang. Großartig! 08/10 Christoph Kranebitter

Wolves In The Throne Room BBC Sessions 2011 Anno Domini (Southern Lord) — Black­ metal, Post-Rock und Shoe­ gaze werden zu Post-Metal. Konzerte zu atmosphärischen Messen – gut eingefangen von diesen BBC-Sessions. 06/10 Werner Schröttner

01/10 grottig 02/10 schlecht 03/10 naja 04/10 ok, passt eh 05/10 guter Durchschnitt 06/10 sehr gut 07/10 super 08/10 ein Top-Album des Jahres, Genre-Klassiker 09/10 absolutes Meisterwerk

R ez

>>HIER & JETZT<<

SA 14. DEZEMBER 2013

Rüfikopfbahn, Lech am Arlberg

Kuratierte Animationskurzfilme im Gondelkino Kunst & Musik am Berg

DJs MOUSSE T., BORIS DLUGOSCH,

MAX SCHELL, DENIS YASHIN, MATTHIAS FUCHS, uva.

LIVE DAPAYK & PADBERG (Mo’s Ferry Prod.)

DER EINDIMENSIONALE MENSCH, NEOANGIN

Jetzt Tickets sichern über Oeticket, Raiba Club & der Lech Zürs Tourismus.

www.cineasticgondolas.at 140_042-057_Rezensionen.indd 47

29.11.13 11:41


R ez Carrie (von Kimberly Peirce; mit Chloë Grace Moretz, Julianne Moore, Gabriella Wilde) — Carrie on: Brian De Palmas Adaption von Stephen Kings Story, gilt heute längst als Genreklassiker. In Kimberly Peirces Neuauflage gibt Chloë Grace Moretz die Außenseiterin an einer spaß- und sexorientierten US-Highschool. Schüchtern und sensibel kämpft die 16-Jährige nicht nur mit den generellen Schrecken der Pubertät, sondern auch mit der krankhaften Körperfeindlichkeit ihrer autoritären, fanatisch religiösen Mutter (Julianne Moore). Deren Strenge, die sich mit Carries paranormalen Aktivitäten grausam steigert, wird nur von den Demütigungen der Mitschüler übertroffen. Das perfide Mobbing mündet schließlich in blutiger Gegenwehr. Dass diesem Remake nun mancherorts mit Missgunst begegnet wird, mag am geänderten Zeitgeist liegen: Der Glaube an Parapsychologie und Esoterik waren in der Ära Erich von Dänikens noch omnipräsent, Menstruation im Film ein Tabu und eine rigide Sexualmoral konkurrierte mit Libertinage. Moretz und Moore bilden dennoch ein sehenswertes Mutter-TochterLiebe-Hass-Gespann und die Schauwerte schwebender Möbel und fliegender Messer sind dank raffinierter Special Effects ungebrochen. Ebenso lässt Regisseurin Peirce die psychische Fragilität einer jungen Frau außerhalb massenkonformer Standards nie außer Acht. 06/10 Sophie Kettner Ganz weit hinten (von Nat Faxon und Jim Rash, mit Liam James, Steve Carell, Toni Colette) — Nat Faxon und Jim Rash haben bereits für »The Descendants« oscarprämiert als Drehbuchautoren zusammengearbeitet. Ihr gemeinsames Regiedebüt, das Comedy-Drama »Ganz weit hinten« , ist nun herzerwärmender, pubertärer Unfug. Der 14-jährige Duncan fährt mit seiner Mutter und deren neuem Freund auf Urlaub. Dabei durchlebt er ein Coming-of-Age inmitten einer Gruppe Erwachsener, bei denen selbiges noch ausständig zu sein scheint. Um dem Alltag der elterlichen SpringBreak-Atmosphäre zu entfliehen, nimmt Duncan einen Job im nahegelegenen Wasserpark an und gibt sich der Freundschaft mit dessen Manager Owen hin, der ihm Tapferkeit, Lebenslust und Machismus vorlebt. 06/10 Artemis Linhart Genug gesagt (von Nicole Holofcener; mit Julia Louis-Dreyfus, James Gandolfini, Catherine Keener) — Der vorletzte Filmauftritt des am 19. Juni verstorbenen James Gandolfini hat herzlich wenig mit dem gewohnt mürrischen und jähzornigen Soziopathen seiner Lebensrolle Tony Soprano gemein. In Nicole Holofceners »Genug gesagt« mimt er Albert, einen liebenswerten, übergewichtigen Normalo mittleren Alters. Dieser hat zahlreiche nervenzermürbende Angewohnheiten, seine rührende Schwerfälligkeit erstreckt sich bis ins Schlafzimmer. Angenehm authentisch wird erzählt, wie dieser Albert und Eva (Julia Louis-Dreyfus, »Veep«) auf humorvolle und alltägliche Weise zueinanderfinden. »Our middleness is kind of sexy and comforting«, heißt es da bezeichnenderweise einmal. Beruhigend ist es auch für jeden, der schon mal eine gescheiterte Beziehung hinter sich hat, wie Eva sich selbstzerstörerisch an die Lippen von Alberts giftsprühender Exfrau hängt. Denn, wie sie es selbst so treffend ausdrückt: »Wenn du verhindern könntest, in einem schlechten Hotel unterzukommen, würdest du diese Möglichkeit nicht nutzen?« »Genug gesagt« ist eine dezente, wunderschöne und unkitschige romantische Komödie geworden. Wer cleveren und unaufdringlichen Humor zu schätzen weiß, kommt hier absolut auf seine Kosten. 07/10 Leonie Krachler

Film

Blau ist eine warme Farbe (von Abdellatif Kechiche, mit Adèle Exarchopoulos, Léa Seydoux)

Blaues Wunder Aus einer Liebesgeschichte entwickelt Abdellatif Kechiche einen traumhaften, verzweifelten Film über zwei junge Frauen auf der Suche nach dem schönen Leben. »Anders zu sein verweist nun nicht mehr auf einen gesellschaftlich produzierten Makel, (…) sondern erscheint als positive Selbstauszeichnung angesichts eines Zustands, in dem jeder aufgerufen ist, noch seine Wunden, Schwächen und Fehlleistungen als Differenzierungsmerkmale zu Markte zu tragen«, schreibt der Autor Magnus Klaue über gegenwärtige Queer- und Genderdiskurse. Umgelegt auf das Kino lässt sich diese Tendenz in der Freude mancher Cinephiler ausmachen, noch den unbekanntesten Queer-Porn-Genre-Film zum filmischen Meisterwerk der Selbstbestimmung zu adeln. Abdellatif Kechiche setzt seine homoerotische Liebesgeschichte hingegen inmitten der Gesellschaft an: Adèle (Adèle Exarchopoulos) ist 17 und machte bisher mit Jungs rum. Diese Klarheit wird zerrüttet, als sie ein Mädchen mit blau lackierten Fingernägeln auf dem Schulhof küsst. Vollkommen aus der Bahn gerät Adèles Liebesleben, als sie Emma (Léa Seydoux) trifft – eine selbstbewusste Malerin mit blauem Haar. Im Grunde würde es keine Rolle spielen, ob Emma und Adèle ein lesbisches oder ein Hetero-Pärchen sind. Liebe passiert. So auch den beiden. Einzig ihre Liebe findet nicht im luftleeren Raum statt. Sie ist den alltäglichen Zumutungen ausgesetzt. Ihre Glückseligkeit finden die beiden in intimer Zweisamkeit, im Privaten. Dann also, wenn die Society ringsum keinen Handlungsspielraum hat. Tagtäglich führt der mediale Bilderrausch Körperakte vor. Kechiches Bilder sind dagegen elegant und grazil, bisweilen auch explizit. Nicht austauschbare Körperhülsen sind es, die wir beim Sex beobachten, sondern zwei junge Liebende. In größtmöglicher Intimität verdichtet der Regisseur Sehnsucht, Begehren und Leidenschaft. Sofian El Fanis intensive Kamera lässt keine Distanz zu den Charakteren zu. Jede Träne auf der Leinwand könnte auch im Publikum fließen. Fasziniert folgt man Adèle durch Euphorie und Tristesse, Himmelhoch-Jauchzen und Enttäuschung. Kechiche lässt beim Publikum Gefühle für die beiden Frauen reifen, verweigert letztlich aber nicht nur ihnen ihr Glück. Für den heurigen Cannes-Jury-Präsidenten Steven Spielberg war es eine Selbstverständlichkeit, neben dem Film selbst auch die herausragenden Hauptdarstellerinnen mit der Goldenen Palme zu ehren: »Ohne sie hätte der Regisseur seine genauen und peniblen Beobachtungen nicht umsetzen können.« Nach »Frances Ha« ist »Blau ist eine warme Farbe« der zweite Film dieses Jahres, der genaue, penible und vor allem kluge Beobachtungen zu unserer Zeit anstellt – und dabei auch eine leibhaftige Kinofreude ist. 09/10 Peter Schernhuber

048

140_042-057_Rezensionen.indd 48

29.11.13 11:41


R ez

Film

highlights Mi. 04.12. – Sa. 07.12. Improtheater

14. Österr. Theatersport-Meisterschaften

Do. 05.12. // 20:00 Figurentheater

Michael Hatzius: Die Echse und Freunde

Fr. 06.12. // 20:00 LiteraturSalon

Alex Capus: Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer

Machete Kills (von Robert Rodriguez, mit Danny Trejo, Mel Gibson, Amber Heard)

Machete don’t move Robert Rodriguez beerdigt im Sequel seines Überraschungshits das Hihi-schau-mal-wie-trashig-Kino. Entspannt uncool. Die Beerdigung, nein, Hinrichtung für diese Art von Kino findet auf der karg grauen Parkplatzfläche des Autokinos statt. Vielleicht ist es sogar nicht einmal ein echtes Autokino. Robert Rodriguez zeigt uns weder die Leinwand, ja, noch nicht einmal den Wellblechschuppen, in dem das Popcorn verkauft wird. Kaltes Popcorn. In so pimmelförmigen, mit Clowns bedruckten Klarsichttüten, die, einmal aufgerissen, die weißen Puffflocken einfach nicht mehr zusammenhalten mögen. Alles kullert einem über die Hose und doch kann man sich sicher sein, dass letztlich nichts kleben bleiben wird. Alle sind gekommen. Um Abschied zu nehmen. Um sich noch einmal über alles lustig zu machen. Nur Machete selbst, der eigentlich Danny Trejo heißt und bereits die Schlinge um den Hals trägt, schaut grimmig. Alle anderen lachen. Über den dummen Witz, den Robert Rodriguez schon vor Beginn der eigentlichen Show reißt: »Machete in Space« … Hihi, da gehört er hin (mehr Ideen, das beschleicht einen recht schnell, hat er gar nicht erst mitgebracht). So muss der nun folgende Film einzig auf dieses eine hohle Versprechen hinarbeiten. Viel mehr passiert nicht. Soll es wohl auch nicht, denn was nun folgt ist eine Übung in völliger Verweigerung. Ein Film, der in keiner Sekunde Spaß machen will. Der einem über beinahe volle zwei Stunden lang den kalten Hintern hinstreckt. Wenn hier noch einer etwas retten könnte, dann Mel Gibson. Aber dessen offenbar immer noch andauernde Verbannung wurde leider nicht wirklich aufgehoben: Er wird von Rodriguez in ein barbie-blaues Austin-Powers-Kostüm gesteckt, muss in einem Spielzeug-Auto rumfahren und sich Voz nennen lassen. Sex wurde hingegen komplett eliminiert, so wie alles aus diesem Film komplett eliminiert wurde, was irgendwie für Intensität sorgen könnte. Action, Dynamik oder auch nur Bewegung werden nicht einmal mehr zitiert. Nur noch Figuren gezeigt, die in staubtrocken eingerichteten Räumen sitzen oder stehen. Hin und wieder wird noch mit Autos gefahren. Selten schnell. Machete muss bezeichnenderweise immer wieder wiederholen, was er so alles nicht tut – und als wären all die »Machete schreibt keine SMS«-Witze nicht inzwischen nur noch hohl und schal, wird noch eins draufgesetzt und Machete dann eben doch beim simsen gezeigt. Hihi … soooo lustig. 02/10 Sebastian Selig

Mi. 11.12. // 20:00 Kabarett

Thomas Maurer: Neues Programm

Do. 12.12. // 20:00 LiteraturSalon

Anna Mitgutsch: Die Welt, die Rätsel bleibt

Fr. 13.12. // 20:00 Pop / Rock

Lautstark! Unplugged Sessions: Johnny Summerville / JFT-Trio

Di. 17.12. // 20:00 Balkangroove

Shantel & Bucovina Club Orkestar

Fr. 20.12. // 20:00 Pop

Bilderbuch / Farewell Dear Ghost / A Colourful White

Sa. 21.12. // 20:00 Punk-Cabaret

The Tiger Lillies

Do. 16.01. // 20:00 Electronic Rock

I-Wolf & The Chainreactions

Do. 16.01. + Fr. 17.01. Diskurs

Symposion 2014: Feministische Perspektiven

Fr. 24.01. // 20:00 Indie

Caged Animals

POSTHOF – Zeitkultur am Hafen, Posthofstraße 43, A – 4020 Linz Info + Tickets: 0732 / 78 18 00, www.posthof.at

140_042-057_Rezensionen.indd 49

29.11.13 11:41


R ez

Borgen – Gefährliche Seilschaften Staffel 2 (Entertainment One) von Sidse Babett Knudsen; mit Pilou Asbaek, Mikael Birkkjaer

Introducing Tom Mison mit feinsinn und schmäh gegen das kopflose grauen: mit seiner magnetischen performance in »sleepy hollow« empfiehlt sich tom mison als englands nächster schauspiel-exportschlager — Nennen wir sie den Cumberbatch-Effekt, jene karrierekatalysatorische Ausholbewegung, die einen in der britischen Heimat renommierten, insbesondere am Theater seine Meriten eingebucht habenden Charakterdarsteller über den Weg einer TV-Serien-Hauptrolle in höhere Sphären der Schauspielerwertschätzung sprungbrettern lässt. Wo gerade mal knapp eine Handvoll »Sherlock«-Folgen für Benedict Cumberbatch gereicht haben, um im kommerziellen wie im künstlerischen Kino zum gleichermaßen gefragten Mimen aufzusteigen, stehen auch die Chancen für einen gewissen Tom Mison nicht schlecht. Vermutlich darf es auch als gutes Omen betrachtet werden, dass man Mison ausgerechnet an der Seite von Cumberbatch erstmals in Erscheinung treten sah – im mehrteiligen Brit-Historiendrama »Parade’s End«. Seine Bestimmung hat der 31-Jährige nun aber in Übersee gefunden: In der Serien-Adaption der gut abgehangenen Erzählung »Sleepy Hollow«. Mison gibt darin den dereinst mit Wort und Waffe im US-Unabhängigkeitskrieg engagierten englischen Universitätsprofessor Ichabod Crane, der nach 230 Jahren in der wortwörtlichen Versenkung in der Jetztzeit einer US-Kleinstadt strandet. Dass diese eigentlich schon vor Start höchstens als Guilty Pleasure verbuchte Serie nun besser als erwartet aufgeht, sogar zu einem echten Einschaltgaranten wurde, ist denn auch tatsächlich dem magnetischen Spiel Misons zu verdanken, der zusammen mit seiner nicht minder wundervollen Partnerin Nicole Baharie in bester und amüsantester Mulder&-Scully-Manier dem Mystery-Wahnsinn zu begegnen weiß. Eine hübsch nuancierte Performance ist das, die den bisweilen wild wuchernden Handlungsfäden mit portioniertem Feinsinn und subtilem Schmäh begegnet. Eine Herangehensweise, die sich schließlich auch schon beim neuen Schauspielpapst Benedict I. bewährt hat. 

TEXT Christoph Prenner BILD Fox

Gangs Of Wasseypur 1 (Polyband) von Anurag Kashyap; mit Manoj Bajpai, Tigmanchu Dhulia, Piyush Mishra

Only God Forgives (Tiberius Film) von Nicolas Winding Refn; mit Ryan Gosling, Kristin Scott Thomas, Vithaya Pansringarm

A Place Beyond The Pines (Studiocanal) von Derek Cianfrance; mit Eva Mendes, Ryan Gosling, Bradley Cooper

DVD

Da ist diese Frau, die sich Gedanken macht über ihre Kinder, ihren (inzwischen) Ex-Mann und seine neue Freundin, über Sex, über alte Freunde und neue Gegner, Frieden in Kharun und darüber, was es zum Abendessen gibt. Und Birgitte, wo hast du diese gutsitzenden Business-Kostüme her? Aus der widersprüchlichen Frauenfigur der Premierministerin Birgitte Nyborg, die um sie herumgesponnenen Charaktere – allen voran Kasper Juul (Pilou Asbæk) mit seinem scharfen Verstand, seinen gut sitzenden Krawatten und der schwierigen Kindheit – und der fast schon erfrischenden Ästhetik des Europäischen wird ein Gesamtpaket geschnürt, das »Borgen« zur vielzitierten »besten Fernsehserie« der Welt macht. Borgen, der Kopenhagener Regierungssitz in Christiansborg, ist in der 2. Staffel der Serie (wohlgemerkt eine Produktion des staatlichen dänischen Rundfunks) Schauplatz für internationale Friedensgespräche, europäische Diplomatie, persönliches Scheitern und den Kampf zwischen Politik und Medien. Euphorie und Idealismus werden jetzt allerdings gegen Taktiererei und (Un-) Berechenbarkeit getauscht. 08/10 Johanna Stögmüller Indisches Gangster-Kino auf den Spuren von Scorsese und Kollegen. Die ausufernde Erzählung von »Gangs of Wasseypur« lässt auch an Sergio Leones »Es war einmal in Amerika« denken – auch wenn die Musikwahl und Bollywood-Einflüsse die mystische Schwere mitunter durchbrechen und manches einfach deutlich lächerlicher wirken lassen. Erzählt wird die Geschichte von Sardar Khan, dem Sohn eines Inders, der schon zu Kolonialzeiten Züge ausraubte und später gegen den korrupten Ramahdir Singh rebellierte, aber von diesem getötet wird. Sardar gelingt es, seine Macht im Gebiet auszuweiten und Sing zu bekämpfen. Dabei gehört es zu den Eigenheiten des Films, dass Sardar im Gegensatz zu seinem Vater mitunter lächerlich wirkt. Dafür wird umgekehrt ein Gangsterfilm geboten, der sich über viele Jahrezehnte streckt und der in Setting, Bildern und Tönen von eigentlich allem abweicht, das uns sonst so in dem Genre geboten wird. 08/10 Martin Mühl »Only God Forgives« gerät vor allem zu Beginn zu einer traumhaften Wanderung durch das visuell grandios in Neonlicht getauchte Bangkok. Hier ist alles fast schon ein wenig zu stylish und kühl. Insgesamt nimmt die Dialogarmut der letzten Filme von Nicolas Winding Refn noch einmal zu. Eine Entwicklung, die der dänische Regisseur zuletzt in »Valhalla Rising« und »Drive« zelebrierte, um sie dann mit Momenten erdrückender Brutalität zu zerfetzen. »Only God Forgives« hingegen besitzt nichts, wofür es sich wirklich zu kämpfen lohnt. In dieser alles zermalmenden Gewaltspirale gibt es weder Unschuld noch Zuneigung. Erlösung findet sich nur im Tod. Visionen dieser Ausweglosigkeit erfährt Julian schon zu Beginn des Films und dort beginnt auch die stete Talfahrt, die mit aller Konsequenz zu Ende geführt wird. Das ist in Teilen natürlich deprimierend, vor allem ist es aber auch ein größtmögliches »Fuck You!« in Richtung erlernter Sehgewohnheiten. Auch wenn es weh tut, für diesen ordentlichen Tritt in den Allerwertesten müsste man Refn eigentlich fast schon wieder danken. 07/10 Reiner Kapeller Derek Cianfrance, der in »Blue Valentine« so gekonnt eine PaarBeziehung zerlegt hat, nimmt sich nun Familienmodellen an und dem, was uns Vorfahren so hinterlassen können. Das Drehbuch setzt dabei eher auf große Wirkung denn auf ungewöhnliche Einfälle, die Schauspieler und seine Regie zusammen mit Ausstattung und Musik (Mike Patton) machen all das wett und »A Place Beyond The Pines« zu einem angenehm wuchtigen Film. Ryan Gosling versucht als Motorrad-Stuntfahrer Luke ein Vater zu sein und seine Ex zu beidrucken und wählt dabei nicht nur legale Wege. Bradley Cooper spielt den Cop, der ihm in die Quere kommt und der darüber hinaus an seiner korrupten Umgebung scheitert. Und 15 Jahre später treffen ihre beiden Söhne aufeinander. Der Film könnte subtiler sein und vielleicht auch schlauer – aber nur schwer wirkungsvoller. 08/10 Martin Mühl Auf www.thegap.at außerdem Reviews von »Corridor« , »Der große Gatsby«, »Hangover 3«, »House Of Cards«, »Iron Man 3«, »Die Monster Uni«, »Moral Orel«, »Paradies: Liebe«, »Spuren des Bösen«, »Top Of The Lake«, »Weg in die Wildnis«, »World War Z«

050

140_042-057_Rezensionen.indd 50

29.11.13 11:41


Join us: /CampaigningSummitVienna

31.01. KAMPAGNEN, DIE BEWEGEN. SPEAKER SPEAKER2014 SARA TAYLOR FAGE

N (USA)

Political Director Ehemals White House ibutor vocacy & CNBC Contr Ad C DD r Aktuell: Partne

SA SHA ISSENBERG

(USA)

k Times Magazine, Polit-Journalist New Yor r Buchautor & Blogge

KATIE WHITE (UK)

ector, ONE European Campaign Dir ) /U2 no Bo by (initiated

PHILIPP MADERTHAN

ER (AUT )

端nder & Initiator Campaigner, Agentur-Gr g .or campaigners

MAGGIE HA AB (CH)

/ beiss-den-hai.ch Z端rcher Mieter verband

.12. ETS BIS 20 BIRD TICK EARLY 20 N IE W 44 IO 13STUD MMIT.COM

1..CAMPAIGNING-SU .0NA 31EN VI

*Der gesamte Campaigning Summit wird simultan Englisch/Deutsch 端bersetzt.

MEDIAPARTNER

140_042-057_Rezensionen.indd 51

HOSTEDBY

29.11.13 11:41


R ez Greg Bardsley Cash Out 01 (Rowohlt Verlag) — Dan Jordan ist ein anerkannter Geschäftsmann, der in einer gehypten IT-Firma in Silicon Valley groß abzockt. Aber er hat vom turbulenten Leben die Schnauze voll und sehnt sich nach etwas Ruhe für sich und seine Familie. Er hat auch einen passablen Plan: Nach Ablauf der Sperrfrist will er seine auf einen gigantischen Gewinn angewachsenen Firmenaktien verkaufen. Drei Tage fehlen noch zu seinem Glück, doch dann geht’s Schlag auf Schlag: Gekündigte IT-Spezialisten erpressen ihn, hinzu kommt ein bulliger Glatzkopf, der ihn verfolgt, und schließlich ist da Jordans Frau, die ihn zu einer Sextherapeutin schleift. Krimis über wuchtig wachsende Technologiekonzerne gibt es schon einige. Selten sind sie jedoch so temporeich und zugleich mit unvorhersehbaren Wendungen ausgestattet wie »Cash Out« von Greg Bardsley. Besonders gut gelingt es dem Autor, Silicon Valley und die ganze IT-Branche in äußerst schlechtem Licht darzustellen. Es scheint der Ort zu sein, wo ohne jegliche moralische oder ethische Komponente nach Lust und Laune agiert werden kann. An skurrilen Charakteren und bizarren Handlungssträngen mangelt es der Story nicht, einziger Wermutstropfen ist das etwas zu seichte Ende. 07/10 Martin G. Wanko

Ann Cotten Der schaudernde Fächer (Suhrkamp)

Ann Cotten Der

schaudernde Fächer Suhrkamp

Beschreiben mit Essenzen Ann Cottens Erzählband »Der schaudernde Fächer« überwältigt durch kunstvolle Teilnahmslosigkeit. Eine neue Welt, eine fremde Sprache. Angesichts der Texte von Ann Cotten könnte man wieder einmal Gefallen daran finden, sich über Gattungsbegriffe und die Unterscheidung zwischen den Darreichungsformen von Literatur Gedanken zu machen. Cottens 2010 erschienenes und seinerzeit zu Recht über den Klee gelobtes Buch »Florida-Räume« firmierte offiziell als Lyrik-Band; die 1982 in Iowa geborene, über den Umweg Wien in Berlin gelandete Autorin hatte da jedoch ihre Gedichte mithilfe einer vorangestellten, fingierten Zeitungsanzeige und eines sogenannten »Begleitschreibens« in eine Art narrative Klammer gespannt. »Florida-Räume« war nicht bloß eine Sammlung von Gedichten, sondern darüberhinaus eine abstrakte Verhandlung des Formats »Gedicht-Sammlung«. Einige der Texte in »Florida-Räume« waren einer Autorin namens Ann Cotten zugeschrieben, für andere hatte die Verfasserin weitere fiktive Erzählstimmen, »Bettine & Bettines Mutter« beispielsweise, ersonnen. »Der schaudernde Fächer« versammelt nun 17 Texte, die als »Erzählungen« ausgewiesen sind. Zweifelsfrei sind sie das, jedoch sind sie immer wieder aufs Stärkste von Lyrik durchwirkt. Manchmal ist dann solch eine Erzählung in »Der schaudernde Fächer« doch auch wieder ein Gedicht. Nun geht es bei Ann Cotten und im Speziellen in »Der schaudernde Fächer« freilich um mehr als die Frage, wie denn die Buchstaben hinsichtlich des Schriftbildes auf dem Papier angeordnet sind: Das Zurücklassen oder immerhin fallweise Auflösen altbekannter formaler Überlegungen spiegelt sich auch in der Haltung zu Sprache, Takt, Rhythmus und der Ansicht dazu, was denn nun so eine »Geschichte« ausmachen könnte, wider. Der erste Satz des Buches lautet »Nichts ist vergleichbar mit dem exquisiten Eindruck, den eine gelangweilte Combo macht«, viele weitere ähnlich schöne Sätze werden folgen. Sätze, in denen nicht Action funkelt, sondern in den vielleicht das Langweilige die Essenzen fürs Leben liefert. Man ist in Berlin oder in Japan, in Bars und auf Straßen, trinkt Bier. Man sieht Gebäude und Architektur, man bewegt sich entlang der Oberfläche. »Und laut Leuten wie ihnen bedeutet Geschmack, dass man das Gleiche schick findet, und zwar das Urbane. Urban klingt für mich wie ein Gähnen.« Viel ist von Sex die Rede, von Liebe bzw. ihrer Abwesenheit, Wörter wie »Mösen« sind zu lesen. Wir haben es hier aber weder mit von der Welt angeekeltem Ennui-Gedonner zu tun, noch mit ranschmeißerischer Pop-Prosa. In kunstvoll gebauter Sprache entsteht in »Der schaudernde Fächer« eine künstliche Welt, die wohl derjenigen, in der wir wohnen, sehr ähnlich ist, in der aber eine schnöd nachvollziehbare Abbildung von Realismus nicht gerade das höchste Ideal ist. Kalt, monochrom, großartig, verwirrend. »Als ich bemerkte, dass ich mit meiner Masturbation den ganzen Anbau zum erzittern brachte, schnallte ich, dass es die richtige Entscheidung war.« 08/10 Philipp L’Heritier

Christoph W. Bauer In einer Bar unter dem Meer 02 (Haymon) — 19 Kurzgeschichten, die, mal intensiv und brachial, mal beruhigend aus dem Leben verschiedenster Personen erzählen. Das große Kunststück dieser Streiflichter ist, auf engstem Raum die Personen so zu beschreiben, dass sie bizarr wirken, aber einem doch vertrauter sind, als man zugeben würde – sei es der verkaterte Professor, der nicht genau weiß, wer er ist, oder der Gesichtslose, der zu Hemingway wird, um seinem Cordhosenleben für ein paar Stunden zu entkommen. Jede Episode handelt an der Oberfläche von Geschichten aus dem Alltag, die aber nie banal erscheinen. Die Sprache des Buches ist genauso wandelbar wie seine Protagonisten – komisch, traurig, poetisch und exzessiv. Die Antihelden des Alltags erzählen zugleich von ihren verpassten Träumen und ihren verschiedenen Rollen, von denen jede doch nur eine Attrappe ist. Rastlos saugt man die Zeilen auf und findet sich am Schluss in der blaugefärbten Dunkelheit. Und das Meer ist plötzlich nah. 07/10 Markus Schwarz Richard Burton Die Tagebücher 03 (Haffmans & Tolkemitt) — In fremden Tagebüchern zu schmökern ist verwerflich. Allerdings ist der walisische Schauspieler und Jetset-Promi Richard Burton jetzt auch schon wieder fast 30 Jahre tot. Zweimal war er mit Liz Taylor verheiratet, in seinen Tagebuchaufzeichnungen, die sauber und gewissenhaft ediert nun erschienen sind, kommt die Diva dementsprechend oft vor. »Den ganzen letzten Monat ist sie volltrunken ins Bett gegangen. Und ich meine wirklich volltrunken.« Szenen einer Ehe? Nicht nur, denn Burton ist ein messerscharfer Beobachter, hochgebildet, voller bodenständiger Poesie und nicht selten noch voller mit Hochprozentigem. Das macht Urteile oft gnadenlos, manchmal aber auch gnadenlos schön: »Ich liebe meine Frau. Ich liebe sie von Herzen. Ganz ehrlich. Wir reden hier über die Morgenschönheit, blank und schweigend.« Die Tagebücher, die die Jahre 1965–1972 abdecken, machen eine glamouröse Schauspielepoche wieder lebendig. Sie sind unterhaltsam, kurzweilig und gegen etwaige Gefühle von Indiskretion, die einen beschleichen könnten, hilft das fette Vorwort.

Buch

01

02

03

04

05

06

07

08/10 Manfred Gram

052

140_042-057_Rezensionen.indd 52

29.11.13 11:41


R ez

Buch

Douglas Coupland Spieler Eins 04 (Tropen Verlag) — Douglas Couplands Roman »Spieler Eins« umfasst eine Zeitspanne von genau fünf Stunden, dann ist Schluss. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn in nur fünf Stunden soll die Erde untergehen. Witzigknackig fährt er mit »Spieler Eins« in den Weltuntergang – oder gibt es doch eine Rettung? Fünf Personen befinden sich in einer öden Bar in der Nähe eines Flughafens. Alle haben dasselbe Problem: Sie finden ihr Leben zum Wegwerfen und pfuschen daran herum. Natürlich rechnen sie nicht damit, dass sie kurzerhand von der Zukunft überrollt werden. Eine Giftgaswolke ist im Anflug, die Menschen verbarrikadieren sich und ein unorthodoxer Scharfschütze schießt sich langsam auf die fünf Gäste ein. Dieser Roman kann schon was: Er spielt mit dem Sinn des Lebens, driftet aber nicht in die Esoterik-Ecke ab, eher ist er eine intelligente Abhandlung der Realität mit einer Nuance Zukunft. Coupland kokettiert schon länger mit ScienceFiction-Themen, das tut ihm gut. Jedoch ereilt ihn einmal mehr das Schicksal des One-Hit-Wonders: Sein Debüt »Generation X« bleibt nach wie vor unerreichbar. Und darum wird er sich wohl wieder einmal in den Arsch beißen! 07/10 Martin G. Wanko Ben Fountain Die irre Heldentour des Billy Lynn 05 (dtv) — Der Autor begleitet die Bravo-Squad, acht amerikanische Kriegshelden aus dem Irak-Krieg, einen Nachmittag lang. Die acht Soldaten haben ein waghalsiges Manöver mehr durch Glück als durch Verstand gewonnen. Fox News drehten zufällig mit und binnen Stunden waren Kriegshelden geboren. Als Propaganda-Maßnahme werden die Jungs nun auf eine aberwitzige Blitz-Tour durch die USA getrieben, um danach wieder an die Front zurückzumüssen. Der Autor beschreibt die letzten Stunden vor der Rückkehr, für die sie als Stargäste zum Footballspiel der Dallas Cowboys geladen sind. Ein dichter Roman zwischen Medienkultur, Popkultur, Kriegsbericht, Größenwahn, Familientragödien, Sex, Erniedrigung und tatsächlich Spaß. Ein amerikanischer Alptraum der feinsten Sorte. Im Prinzip eine Mischung aus Don DeLillos »Unterwelt«, Bret Easton Ellis’ »American Psycho« und von mir aus auch Norman Mailers »Die Nackten und die Toten«. Das Außergewöhnliche an dieser Heldentour sind die Normübertretungen. Der Krieg verkommt zur Show, und der Autor mixt daraus einen genial grausamen Cocktail aus Lust, Ekel, Gier und Angst. 09/10 Martin G. Wanko Christian Futscher Marzipan aus Marseille 06 (Czernin) — Auf diesen Seiten wurde Lyriker Christian Futscher schon öfters vorgestellt. Etwa mit Auszügen aus seinem Fragment-Kompendium »Zwei Herren, vier Daumen. Kleine Heldentaten« oder dem Venedig-Prosafetzen »Nur Mut, kleiner Liebling«. Nun gibt es mit »Marzipan aus Marseille« ein neues Lyrikbändchen. Das ist gewohnt voll mit prallem Leben, das sich zwischen Dichterklause, Familienverband und kleinen Abstürzen an der Theke abspielt. Eine erbauliche, aberwitzige Lektüre, auch weil Futscher es schafft, die Würdelosigkeit in ihre Bestandteile zu zertrümmern und Dinge durch die Blume, Marzipan oder Obst zu sagen: »… Das ganze Obst wird abgestochen: / Zitronen, Äpfel, Bananen, Kiwi … / Es hätte mich nicht so frech / anschauen dürfen / das Gesindel, das Pack … / Vitaminreichtum allein / genügt nicht, um zu überleben / ihr Arschlöcher!« 08/10 Manfred Gram William Shaw Abbey Road Murder Song 07 (Suhrkamp) — William Shaw besinnt sich auf die Tradition des klassischen Krimis, der sehr gut in das Swinging London der 60er Jahre hineinpasst. Kurz zum Inhalt: Ein Mädchen wird in einem Hinterhof tot aufgefunden, keiner kennt dessen Identität, ein Sexualverbrechen wird nicht ausgeschlossen. Detective Breen muss den aussichtslosen Fall übernehmen und seine junge Kollegin Tozer soll ihn dabei unterstützen. Das Verbrechen wurde in der Nähe der berühmten Abbey Road Studios begangen und schon bald findet sich das zu Beginn sehr unglücklich agierende Polizisten-Duo in der Beatles-Szene wieder. Ein pikantes Detail am Rande erschwert die Arbeit: Tozers jüngere Schwester wurde ebenfalls tragisches Opfer eines Sexualdelikts und die Ermittlerin ist darüber noch nicht hinweggekommen. Shaw scheint die Swinging Sixties in London wie seine Westentasche zu kennen. Häppchenweise lässt er die wilde Zeit einfließen und spart nicht mit Fakten, beispielsweise der Verhaftung von John Lennon wegen illegalen Drogenbesitzes. Der Autor bleibt jedoch nicht in den pulsierenden Vierteln hängen, sondern zeigt auch den farblosen Osten der Metropole und ihre mürrischen Bewohner in der noch lange nicht verebbten Nachkriegszeit. William Shaw ist ein Meister der Charakterzeichnung, weiß trotz aller Behutsamkeit zu überraschen und schickt die gesamte Hippie-Gesellschaft auf einen sehr lesenswerten Horrortrip. 07/10 Martin G. Wanko

140_042-057_Rezensionen.indd 53

Mit gemeinschaftlicher Unterstützung von

Sponsoren/Partner: Neutrik, Red Bull, VN, W&W, vol.at, RTV, Der Standard, The Gap, FM4

Ein Experiment aus dem poolbar-FestivalUmfeld in Zusammenarbeit mit Designforum Vorarlberg Fachhochschule Vorarlberg Jazzseminar Dornbirn Literatur Vorarlberg Musikschule Feldkirch Popakademie Baden-Württemberg Spielboden Dornbirn Theater am Saumarkt Feldkirch Tonnzoo Studios Vai (vorarlberger architektur institut) WIFI Vorarlberg / WDA Werbe- und Design-Akademie u.v.a.

29.11.13 11:41


R ez Anya Davidson School Spirits 01 (Picturebox) — Wer hat nicht in der Schule in Hefte gezeichnet? Wer ist nicht Tagträumen über die Lieblingsband oder dem Schwarm nachgehangen? Jugend, Füllhorn der Fantasie! Anya Davidson verbindet Okkultes mit Pubertät in einem nahtlosen Bewusstseinsstrom. Via Protagonistin Oola verschwimmen unsere Grenzen zwischen übernatürlichen Erscheinungen oder natürlichen Gedankenwelten immer mehr. »School Spirits« ist visuell und narrativ von einer ungewöhnlichen Kraft besessen. Davidsons Stil ist den Kritzeleien gelangweilter Schulbankdrücker in ihrer Unwiderruflichkeit sehr nah. Es entsteht der Eindruck, dass es keine zweiten Chancen gab, keine Überarbeitung. So wie es beim ersten Mal auf dem Papier endete, so blieb es auch. Zugleich zieht sich eine magische Kohärenz durch die Seiten. Eine Art Beschwörung, die den unglaublichsten Elementen zu Realität besonderer Art verhilft. Ein nicht zu unterschätzendes Kleinod.

comics Charles Forsman TEOTFW (Fantagraphics)

Hoffnungslose Jugendkriminalität Charles Forsmans Mini-Comics Krimi-Drama in einem Band gesammelt. Ein Auf- oder Abstieg in Depression, Lebensangst und Mord über die Hilfsleiter Liebe.

07/10 Nuri Nurbachsch

Brendan Leach Iron Bound 02 (Secret Acres) — Heutzutage ist Ironbound in Newark, New Jersey eine wohlhabende Gegend. 1961 war es eine Arbeiternachbarschaft, der es weder wirklich gut noch schlecht ging. In Ironbound gab es natürlich Greaser, Gangs junger Männer mit pomadegefetteten Haaren, Lederjacken und Vorliebe für protzige Autos. Rebellisch, vorlaut und voller Stolz. So sah sich mancher Greaser gern. Einige waren auch nicht abgeneigt, schnelle Wege zu Geld und Unabhängigkeit zu finden. Und es gab genug gewiefte Gangster, die sich das zunutze machten. Brendan Leach trifft das Lebensgefühl des frustrierten, jugendlichen Außenseiters in »Iron Bound« präzise. Er führt uns in eine Abwärtsspirale aus kurzsichtigen Entscheidungen und eskalierender Gewalt. Er erinnert uns an die versteckten Wurzeln der über-romantisierenden »West Side Story« und an »Grease«. Alles umgebend: New Jersey, das ehemalige industrielle Zentrum der Region, nun stagnierend und kämpfend. »Iron Bound« legt keinen Wert auf Feinschliff, dafür verfügt es über eine beeindruckende emotionale Explosivität.

Das erste Kapitel von »TEOTFW« beginnt mit dem Satz »When I was 9, I realized I had no sense of humour«, und setzt den Ton für alles Folgende. Wohin es Alyssa und James zieht, was immer sie tun, nichts davon ist witzig und alles ist endgültig. Zwei Teenager auf der Flucht vor sich selbst. James ist kalt. Er möchte etwas spüren, ganz gleich was es ist. Bisher war sein Leben von diesem einen Imperativ geformt. Gewalt wurde zu seinem Begleiter. Im Töten kleiner Tiere, in Selbstverstümmelung, in seinen Fantasien als Ausdrucksmittel und in seinem sozialen Umgang in Form von Ablehnung. Alyssa fühlt sich verlassen. Sie ist unsichtbar für die Welt, meistens kann sie sich selbst nicht sehen. Manchmal stellt sie sich vor, kein Mensch zu sein, ein anderes Tier. Ganz selten findet sie Ruhe, kann ohne Erwartungen an sich selbst und ihre Umwelt sein. Aber das passiert sehr selten. Als sie James kennenlernt und sich in ihn verliebt, sind beide 16. Bei ihm zu sein wird zu ihrem Anker. Als er das Auto seines Vaters stiehlt und gemeinsam mit Alyssa davonläuft, sind sie 17. Als James den Besitzer des Hauses, in dem die beiden sich eingenistet haben, ermordet, sind sie noch keine 18. Forsman zeichnet »TEOTFW« wie ein minimalistischer Bill Keane oder ein punkiger Charles Schulz. Nur wenige Striche reichen ihm, auf Hintergründe verzichtet er weitgehend. Seine Figuren könnten beinahe als niedlich durchgehen. Wenn sie nicht so trostlos menschlich wären. Wenn man nicht vom ersten Umblättern an wüsste, dass es für sie kein gutes Ende nehmen wird. Und wenn er sie nicht gelegentlich aus der Nähe zeigen würde, wo ihre kleinen Stupsnasen und schwarzen Knopfaugen Symbole für die Illusion der Unschuld werden. Sparsam geht er auch mit Worten um. Ein paar markante Zeilen geben mehr als genug preis vom Innenleben der gequälten Antihelden. Dialoge schweifen nicht aus, es gibt auch gar nicht viel zu sagen. Was man wissen muss, sieht man, was die Charaktere wissen müssen, zeigt sich in ihren Handlungen. »TEOTFW« steht für »The End Of The Fucking World«. Das Gefühl, das Alyssa und James haben, als sie aus ihren alten Existenzen in den dichten Nebel einer unbestimmten Zukunft flüchten. Viel mehr noch als das: Diese beiden haben nicht das Gefühl, in Kontrolle zu sein, sie haben keine Macht zu bestimmen oder zu wählen. Ursprünglich erschien »TEOTFW« als Mini-Comic in acht Teilen in Forsmans eigenem Mikroverlag Oily Comics. In dieser Urform müsste man es lesen, um dem vollen Potenzial dieses Comics so nahe wie möglich zu kommen. Die gesammelte Version von Fantagraphics ist nur wenig davon entfernt und ein strahlendes Juwel alternativer Comic-Kunst. 10/10 Nuri Nurbachsch

08/10 Nuri Nurbachsch

Sara Ryan, Carla Speed McNeil Bad Houses 03 (Dark Horse) — Unsere individuelle und kollektive Vergangenheit stellen, von einem gewissen Blickwinkel aus, die Ingredienzen unserer Gegenwart. Zwischen Anne und Lewis ist es bestimmt so. Diese jungen Menschen lernen sich bei einem Nachlassverkauf kennen. Er, pragmatisch den Verkauf handhabend. Sie, auf der Suche nach der Bedeutung der Objekte. Eine Romanze nimmt ihren Lauf. Aber beide bringen Teile ihres psychologischen »Gepäcks« gleich mit. Annes Mutter verspürt den Zwang, Sachen in Ordnung zu halten, was in ihrem Privatleben zu zwanghaftem Horten und zweifelhafter Partnerwahl führt. Lewis’ Mutter hat Vertrauen und Zuversicht verloren und kann oder will in Folge ihre Gefühle nicht ausdrücken. Ryan und McNeil schaffen aus diesen Versatzteilen eine hoffnungsvolle Skulptur der Zerbrechlichkeit, wiewohl auch der Standhaftigkeit zwischenmenschlicher Beziehungen. Ryans einsichtiges Skript ist natürlich, lebensnah. McNeils fantastisches Illustrationstalent transportiert etliche weitere Nuancen, bereichert »Bad Houses« und lässt es lebendig werden. Teilweise wird dieser Geist von Ryans Worten etwas erstickt, doch zum Glück nur an wenigen Stellen. Eine ausgezeichnete Leistung dieser zwei herausragenden Künstlerinnen. 07/10 Nuri Nurbachsch

01

02

03

054

140_042-057_Rezensionen.indd 54

29.11.13 11:41


R ez

G a m es

Hohoho, und ne Buddel voll Rum! Etwas weniger Assassinen-Mythos als bislang, dafür gibt’s Piratenleben hautnah und jede Menge zu tun. Teil 4 macht auf den neuen Konsolen eine gute Figur. Jetzt also die Karibik – der Wille zur Weiterentwicklung lässt sich den Herrschaften von Ubisoft nicht absprechen. Mit jedem neuen Titel der Serie werden allerlei neue Elemente ausprobiert und viele – wie etwa die strunzlangweiligen Tower-Defense-Passagen in Istanbul – wurden sofort wieder verworfen. Nicht so die Seeschlachten aus »Assassin’s Creed 3«. Da haben die Entwickler offenbar nur die große Zehe ins kalte Wasser gesteckt um zu hören, was die Gamer-Community davon hält. Und nach all den positiven Kritiken für donnernde Kanonen am offenen Meer ist dieses Element zum Kern des vierten Teiles geworden. Zurecht. Piraterie macht Spaß. Nicht nur in Politik und Internet, sondern vor allem auch auf den Konsolen. Denn auch wenn sich an der Spieldynamik zu Land wieder recht wenig verändert hat, bieten die unzähligen Inselchen der Karibik paradiesische Bedingungen für engagierte Entdecker. Und so gelingt es »AC4« als erstem Spiel seit Langem, dass ich mich unentwegt in Nebenaktivitäten verliere: Schatzsuchen, Walfang á la »Moby Dick« und natürlich entern, kapern, brandschatzen – stets begleitet von den herrlich vertonten Seemannsliedern der Crew. Die große Geschichte rund um die ewige Fehde von Templern und Assassinen tritt diesmal etwas in den Hintergrund, was für Serienfans schade sein mag, dem Stimmungsaufbau jedoch durchaus gut tut. Gerade hier hatte der Vorgänger seine Schwächen und hier feiert »Black Flag« seine größten Erfolge: Auch wenn alte Schwachstellen wie die zu einfachen Kämpfe und der Mangel an Handlungsfreiheiten innerhalb einiger Missionen bestehen bleiben, reißt »AC4« wieder mit und begeistert für sein Szenario – einer der besten AAA-Titel des Jahres. 08/10 Harald Koberg

Assassin’s Creed IV – Black Flag (Ubisoft); PS3 getestet, PS4, Xbox 360, Xbox One, PC; assassinscreed.ubi.com/de-de 055

140_042-057_Rezensionen.indd 55

29.11.13 11:41


Rez Battlefield 4 01 (EA); PS3 getestet, Xbox 360, PC, Xbox One, PS4; www.battlefield.com/de/battlefield-4 — Die Möglichkeit zur gezielten Zerstörung bzw. Veränderung der Umgebung, kurz »Levolution« genannt, erscheint dabei nicht nur als Getöse riesiger, einstürzender Bauten, sondern bietet auch taktische Möglichkeiten, Einfluss auf das Spiel zu nehmen. So verhindern Straßensperren das Weiterkommen von Fahrzeugen, lässt sich die Beleuchtung in einem Gebäude ausschalten oder verraten Metalldetektoren und die Alarmanlage eines Autos die Position eines Spielers. Auch zwei neue Spielmodi haben es ins Spiel geschafft. »Obliteration« verlangt vom Spieler eine an immer neuen Plätzen auftauchende Bombe an vordefinierte Plätze zu tragen. In »Defuse« kann der Spieler nicht wiederbelebt werden, was das eigene Vorgehen spürbar vorsichtiger werden lässt. Neben dem vielseitigen Multiplayer für immerhin bis zu 24 Spieler verfügt »Battlefield 4« erneut über eine Einzelspielerkampagne. Diese ist zwar nur leidlich originell, gefällt aber zumindest mit einer druckvollen Inszenierung und der Möglichkeit, seinem Trupp Angriffsbefehle zu erteilen. Zwar treffen die Kameraden nur bedingt ihr Ziel, dennoch hält so zumindest teilweise Ordnung in die oft konfuse KI ein. Als Möglichkeit, sich mit der Steuerung vertraut zu machen, funktioniert die Kampagne dennoch gut. Bei all den maßvollen Neuerungen und Verbesserungen ist »Battlefield 4« zugleich auch ein Abgesang auf die aktuelle Konsolengeneration. Zeigt sich der Feldzug der Einzelspielerkampagne technisch ansehnlich, erinnert spätestens der Multiplayer an die in die Jahre gekommene Hardware. Neben diversen Grafikfehlern stört vor allem das recht späte Nachladen von Texturen. Inmitten des großen Getöses lässt sich aber auch darüber hinwegsehen. 08/10 Reiner Kapeller

Call Of Duty Ghosts 02 (Activision); Xbox 360 getestet, PS3, PS4, XBO, PC; www.callofduty.com — Am Anfang von »Ghosts« macht das neue »Call Of Duty« vieles richtig. Zum einen ist da die abermals wirklich gelungene Inszenierung mit stylischen Zwischensequenzen. Und zum anderen ist die Action so abgedreht, dass es schon wieder Spaß macht: Hier gilt es etwa im Weltraum eine kleine Mission zu bestehen, die allerdings nicht verhindert, dass eine terroristische Organisation – die Feinde sind diesmal wenigstens nicht einem bestimmten Land zuzuordnen – eine riesige Waffe im All auf die Erde richtet und ganze Städte auslöscht. Das hat schon fast James Bond-Dimensionen. Leider gibt es davon aber recht wenig und dazwischen eher die gewohnte »Call Of Duty«-Action, die zwar mit Intensität begeistert, aber: Wirklich, schon wieder unentdeckt irgendeinem Typen folgen? Das tun wir nun schon ziemlich viele Spiele lang. Trotzdem: »Call Of Duty« ist die derzeit wohl erfolgreichste Shooter-Serie und bietet Fans ziemlich genau das, was sie wollen: Knackige Einspieler-Missionen, ewige Multiplayer-Schlachten und noch ein paar mehr Möglichkeiten und Modi. »Ghosts« hätte für meinen Geschmack noch ein bisschen abgedrehter sein können, als Paket ist die Sache aber durchaus rund und attraktiv. 07/10 Martin Mühl

01

02

03

04

05

Games

Diablo 3 03 (Blizzard); PS3 getestet, Xbox 360, PC; eu.blizzard. com/de-de/games/d3 — Nach einigen verflogenen Stunden im Level- und Sammelrausch an der Konsole bleibt vor allem die Frage: Warum gibt’s das erst jetzt? 08/10 Harald Koberg F1 2013 04 (Codemasters); PS3 getestet, Xbox 360, PC; www. codemasters.com/de/f12013 — Im Cockpit mit Helmut Berger: Die 2013er-Auflage der Rennsimulation bietet neben Detailverbesserungen endlich wieder einen Klassikmodus. Mitunter ein Grund, auch für Gelegenheitsfahrer, zuzuschlagen. 07/10 Reiner Kapeller

Goodbye Deponia 05 (Daedalic); PC; www.daedalic.de/de/game/Goodbye_Deponia — Adventures von Daedalic genießen seit Jahren einen ausgezeichneten Ruf. Das liegt nicht zuletzt an den quer durch die Bank gut geschrieben Geschichten und der stilsicheren Grafik. Und bei Rätseldesign und Originalität reichen manche Abenteuer des kleinen deutschen Studios beinahe an die alten Klassiker von Lucas Arts heran. Auch in »Goodbye Deponia«, dem dritten und letzten Teil der Trilogie, versprühen Welt und Charaktere noch reichlich Witz und Charme. Und einmal mehr finden wir uns in einer Geschichte wieder, die unter ihrer kindisch-bunten Oberfläche erstaunlich erwachsene Themen aufgreift. Verlust- und Versagensangst, Verantwortungsgefühl und die seltene Kunst, loslassen zu können, fließen gekonnt in die witzig präsentierte Handlung ein. Mehr Umfang, Rätsel und Gags – ein würdiger Abschluss einer durchwegs guten Adventure-Reihe. Dass nicht jede der zahlreichen Rätselketten auf Anhieb logisch erscheint, ist bedauerlich. Mit etwas Geduld lassen sich aber auch jene Stellen überwinden. 08/10 Stefan Kluger

Fussball Manager 14 06 (EA); PC; www.ea.com/de/fm14 — Achtung! Hier wird das Spiel des Vorjahres erneut zum Vollpreis angeboten. Lediglich Daten und Trikots wurden überarbeitet. Das steht zwar hinten auf der Packung, ärgerlich ist es dennoch. 04/10 Stefan Kluger Just Dance 4 07 (Ubisoft); Xbox One u. Wii U getestet, PS3, Xbox 360; just-dance-thegame.ubi.com — Hier entscheidet die Konsole über die Qualität: Auf Wii U und PS3 eher mau, auf der alten und der neuen Xbox dank Kinect eine Freude für Tanzwütige. 05/10 bzw. 07/10 Harald Koberg

Knack 08 (Sony Playstation); PS4; at.playstation.com/knack — Sony veröffentlich zum Start der PS4 unter anderem diesen actionreichen Plattformer. Knack ist ein Wesen, geschaffen von einem Wissenschaftler aus historischen Artefakten, um die Menschen im Kampf gegen Oger zu unterstützen. Seine Besonderheit ist neben allerlei Kampffähigkeiten die Möglichkeit, diverse Artefakte aufzunehmen und so zu wachsen. Sehr schön gelöst ist der Abwechlungsreichtum, so

06

07

08

09

wird Knack nicht nur einfach im Laufe des Spiels immer größer – parallel zu den Gegnern –, sondern teilweise innerhalb eines Levels immer wieder kleiner und größer. Gewöhnungsbedürftig, aber nicht nur negativ ist der vom Start weg knackige Schwierigkeitsgrad: es ist beinahe nicht möglich, nicht immer wieder zu sterben, sondern Angriffen souverän auszuweichen. Tatsächlich unnötig ist das doch eindeutig militärische Setting, ebenso wie die im Laufe der Zeit trotz aller Bemühungen etwas monotonen Level und Kämpfe. Alles in allem ein souveräner Plattformer mit ein paar netten Ideen und dem Versuch, sich ein bisschen abzuheben. Aufgrund des hohen Schwierigkeitsgrades aber weniger familientauglich als vielleicht geplant. 06/10 Martin Mühl Lost Planet 3 09 (Capcom); Xbox 360 getestet, PS3, PC; www.lost­ planetthegame.com — Angenehm druckvoll inszenierter 3rd-Person-Shooter, der sich leider doch schnell wiederholt: Zurück auf einen eisigen Planeten! 07/10 Martin Mühl

NBA2K14 10 (2K); Xbox 360 getestst, PS3, PS4, PC; www.2ksports. com/games/nba2k14 — Neue Steuerungsvarianten und die Rückkehr des Crew-Modus, sonst gibt’s vom König des virtuellen Korbballs Altes auf höchstem Niveau. 07/10 Harald Koberg Die Sims 3: Into the Future 11 (EA); PC; www.ea.com/de/die-sims-3-into-thefuture — Routinierte Erweiterung, die es den Sims endlich ermöglicht, in die Zukunft zu reisen. Wer die Serie bereits spielt, kommt an der Erweiterung »Die Sims 3: Into The Future« kaum vorbei. 07/10 Stefan Kluger

Skylanders Swap Force 12 (Activision); PS3 getestet, Xbox 360, PC; www. skylanders.com/de — Gleiches Gameplay, neue Story. Die neuen Figuren sind etwas schriller als die bekannten Helden, fügen sich aber dennoch gut in die Truppe ein. Nach wie vor ist das Spielgefühl etwas träge, was der immensen Popularität der Serie wohl keinen Abbruch tun wird. Dank der neuen Swap-Funktion ist es nun möglich, sich noch mächtigere Kämpfer zu bauen. Offensichtlich gingen die Entwickler davon aus, dass möglichst alle Figuren gespielt werden möchten; denn nur so gibt »Skylanders Swap Force« sämtliche Geheimnisse und Boni preis. Und schließlich lebt das Abenteuer (und die Entwickler) davon, dass regelmäßig neue Figuren ins Spiel kommen. Wer auch längerfristig alles aus dem Game herausholen möchte, muss somit tief in die Tasche greifen. Aber das sind »Skylanders«-Spieler mittlerweile schon gewöhnt. Wenn das Ganze bloß ein wenig dynamischer wäre. 07/10 Stefan Kluger

WRC 4 – FIA World Rally Championship 13 (Bigben); PS3 getestet, PS Vita, Xbox 360, PC; www. wrcthegame.com — Wer die Vorgänger nicht kennt, wird mit dieser Rally-Sim durchaus Freude haben, auch wenn’s nur der aromatisierte dritte Aufguss ist. 05/10 Harald Koberg

10

11

12

13

056

140_042-057_Rezensionen.indd 56

29.11.13 11:53


WEEKEND

+ Persteasy & Fist

02. November 2013

Carinisaal, Lustenau

CRYSTAL FIGHTERS 07. November 2013

www.vinyltom.at

Conrad Sohm, Dornbirn

THE ANSWER 10. November 2013

+ Tracer

Conrad Sohm, Dornbirn

MACEO PARKER

www.wholelottasound.eu

12. November 2013

Conrad Sohm, Dornbirn

EDWYN COLLINS 13. November 2013

Conrad Sohm, Dornbirn

EXCUSE ME MOSES 15. November 2013

Carinisaal, Lustenau

VOLBEAT

*AUSVERKAUFT!

16. November 2013

Event.Center, Hohenems

THE SOUNDS 22. November 2013

Conrad Sohm, Dornbirn

PRINZ PI

BREIVIKS ERKLÄRUNG

von Milo Rau / IIPM 11.12. – Nur ein Mal!

c

30. November 2013

LIVE @ RKH

ÖSTERREICHS CLUBSZENE IM RADIOKULTURHAUS

MATTHEW CAWS (Nada Surf)

CLARA BLUME

Conrad Sohm, Dornbirn

& THE FREEMENSINgERS

14.01.2014

G A R AG E

KARTEN UND INFOS: http://radiokulturhaus.ORF.at

CHAKUZA

07. Dezember 2013

Conrad Sohm, Dornbirn

G A R AG E

14. Dezember 2013

Roman von D. Foster Wallace Ab 15.01. 14.11.13 09:29

(Fm4)

Conrad Sohm, Dornbirn © georg Blume

UNENDLICHER SPASS

140_042-057_Rezensionen.indd 57

06. Dezember 2013

JOHN MEGILL

www.garage-x.at

GarageX_GAP_56x82_1314-02.indd 1

Carinisaal, Lustenau

BILDERBUCH 14. Dezember 2013

Carinisaal, Lustenau

www.soundevent.at 29.11.13 15:55


140_058-065_Termine.indd 58

TEXT Andreea Dosa BILD markus Krottendorfer – aus der Diashow JPL Mars Yard, 2013, Tanja Boukal, aus der Serie: Unfinished, 2012/13, Stickerei auf Leinwand, Christian Vorhofer, Stefanie Holler, o.T. (Pillen), Kohlezeichnung, 2011, cyril helnwein, Courtesy of Amar Kanwar, courtesy of the artist

Ausgehend vom Buch des Wissenschaftlers William Reed »Phantom Of The Poles« hat sich der Wiener Fotograf Markus Krottendorfer mit dem Thema Science-Fiction auseinandergesetzt. Die Ausstellung thematisiert anhand dreier Dia-Projektionen sowie Fotoarbeiten Vorstellungen von verschiedenen Weltbildern und beschreibt den Blick von unserer Welt aus in unerforschte Gebiete. Ausstellungsdauer: 15. November 2013 bis 18. Januar 2014 Salzburg, Fotohof

Markus Krottendorfer: Phantom Of The Poles

TERMINE KULTUR

058

29.11.13 11:54


TERMINE

KULTUR

Tanja Boukal: Political Correctness Das Museum der Moderne in Salzburg zeigt mit »Political Correctness« die erste Einzelausstellung der Wiener Künstlerin Tanja Boukal. Die Schau umfasst Fotos, auf denen zeitlich nicht zusammenpassende Sujets abgebildet sind, sowie Rauminstallationen, die auf gesellschaftspolitische Missstände hinweisen. Boukal setzt sich in ihren Arbeiten mit Menschen und deren Umgang mit Veränderungen innerhalb gesellschaftlicher Beziehungen auseinander. Ausstellungsdauer: 9. November 2013 bis 2. März 2014 Salzburg, Museum der Moderne

Wim Botha

Christian Vorhofer, Stefanie Holler, o.T. (Pillen), Kohlezeichnung, 2011, cyril helnwein, Courtesy of Amar Kanwar, courtesy of the artist

Die neueste Werkserie des südafrikanischen Bildhauers Wim Botha wird unter dem Titel »Predicates« zum ersten Mal in Österreich gezeigt. Seine Kunstwerke sind wie optische Täuschungen. Er verändert zu diesem Zweck religiöse Ikonen oder Gestalten aus der Mythologie und schafft Büsten aus Materialien wie Büchern oder Holz. Ausstellungsdauer: 9. November 2013 bis 11. Januar 2014 Innsbruck, Kunstraum

Stefanie Holler Die alltägliche Warenwelt verrät heutzutage mehr über den Menschen als das Porträt. Durch die detailgenaue, fotorealistische Wiedergabe von inszenierten Objekten verwandelt Stefanie Holler Dinge in Zeichen, die auf unterschiedliche soziale Themenkomplexe verweisen, und einen kritischen Blick auf das tägliche Leben und auf das Gesicht des Menschen werfen. Ausstellungsdauer: 15. November 2013 bis 4. Januar 2014 Wien, Museum auf Abruf

Cyril Helnwein Von Cyril Helnwein sollte man sich nicht allzuviel Ernsthaftigkeit erwarten, denn wenn es nach ihm geht, wird »Ernsthaftigkeit« und alle ihre Grenzen nicht berücksichtigt. Im Rahmen der Vienna Art Week stellt Helnwein die Fotoserie »Beautiful Disasters« aus, die der wichtigsten Sache der Welt gewidmet ist, nämlich dem Spaß. Eine Mischung aus Satire, nackten Frauen und respektlosem Humor, was sonst? Ausstellungsdauer: 20. November 2013 bis 31. Januar 2014 Wien, Yoshi’s Contemporary Art Gallery

Amar Kanwar: The Sovereign Forest Das anlaufende Forschungs- und Ausstellungsprojekt »The Sovereign Forest« des indischen Künstlers und Filmemachers Amar Kanwar behandelt die destruktiven Folgen der Schwerindustrie im indischen Odisha, dessen Landschaft durch industrielle Eingriffe umgeformt und teilweise für immer zerstört wurde. Ausstellungsdauer: 23. November 2013 bis 23. März 2014 Wien, TBA21–Augarten

Essl Art Award CEE Die junge Kunstszene Zentral- und Südosteuropas blüht, findet ihren Weg aber nur schwer in den Westen. Das Essl Museum wirft mit einem Award sein Scheinwerferlicht in Richtung Osten und sucht jeweils zwei junge Künstler aus, deren Arbeiten die sozialen, politischen und kulturellen Umbrüche und Veränderungen verarbeiten. Ausstellungsdauer: 6. Dezember 2013 bis 2. März 2014 Klosterneuburg, Essl Museum 059

140_058-065_Termine.indd 59

29.11.13 11:54


Perspektive wechseln. Magazin f端r Politik und Gesellschaft

Datum_The Gap_210x280.indd 1

140_058-065_Termine.indd 60

27.06.13 16:02

29.11.13 11:54


Kunsthalle Wien

T ermine

G a lerien

New Times For Other Ideas / New Ideas For Other Times

Nils Jorgensen – Hidden Frames

Maurizio Nannucci

Der dänische Künstler hat seine Heimat gegen die Metropole London ausgetauscht, wo er zu einem Straßenfotografen mit Blick für ungewöhnliche Momente und Perspektiven reifte. Seine Bilder vermitteln eine scheinbar alltägliche Poesie, die selten geworden sind, weil man selbst so schlecht die Augen vom Smartphone-Display wegbekommt. Dafür ist er da, um uns an diese Augenblicke zu erinnern. Seine scheinbar inszenierten und humorvollen Kompositionen beruhen darauf, dass er ziellos umherwandert und nach Geschichten sucht. Wie er sagt: »To start, all you have to do is walking around aimlessly with a camera.« Eröffnung: 26. November Dauer: 27. November bis 4. Januar 2014 Eigen­sinnig – Schauraum für Mode und Fotografie

Maurizio Nannuncci zählt zu den innovativsten Installationskünstlern weltweit. Der aus Florenz stammende Konzept-Künstler kreiert Raum mit Text und Licht und weist so einmal mehr darauf hin, das jeder Raum von uns selbst konstruiert wird. Dabei hat er eine ganz eigene poetische Sprache entwickelt und arbeitet mit verschiedenen Medien, Fotografie, Sprache, Raum und Licht und nimmt auch Anleihen bei einer Grande Dame des Denkens, Hannah Arendt: »Freiheit ist denkbar als Möglichkeit des Handelns unter Gleichen / Gleichheit ist denkbar als Möglichkeit des Handelns für die Freiheit«. Eröffnung: 24. November, Dauer: bis 11. Januar 2014 Galerie Ruzicska, Salzburg

Kärnten

Tirol

Niederösterreich

Vorarlberg

27.06.13 16:02

Jochen Hein – Landschaft. Porträt Stadtgalerie, Klagenfurt bis 26. Januar 2014 Sweet Poison – Dafür habe ich noch Zeit Kunstverein Baden bis 26. Januar 2014 10 Zwei Fotogalerie Feuerbachl Neunkirchen bis 15. Januar 2014

TEXT Carola Fuchs BILD nils jorgensen, Maurizio Nannucci

Oberösterreich

Herbert Brandl, Markus Prachensky Galerie 422 Margund Lössl Gmunden bis 11. Januar 2014 Marc Adrian, Norbert Pfaffenbichler – Texit Galerie der Stadt Wels bis 19. Januar 2014

Salzburg

Mel Ramos – Prints & Multiples 2C for Art, Salzburg bis 18. Januar 2014

Steiermark

Stadt und Verkehr Kunsthaus Muerz, Mürzzuschlag bis 26. Januar 2014 Kristian Schuller Atelier Jungwirth bis 1. März 2014

140_058-065_Termine.indd 61

Rainer und die Frauen Galerie Elisabeth und Klaus Thoman, Innsbruck bis 18. Januar 2014 In Between Galerie Z., Hard bis 28. Dezember

Wien

Markus Wilfing – Eigentlich Projektraum Viktor Bucher bis 10. Januar 2014 Janus Lust Gallery bis 18. Januar 2014 Thomas Feuerstein – Futur II Kunstraum Bernsteiner bis 25. Januar 2014 Baby Bellini Galerie Krobath bis 18. Januar 2014 Gottfried Bechtold-Panmera / Ready Maids /  REZ-Projekt Galerie Krinzinger bis 16. Januar 2014 Michal Budny – Ashamed and shameless Galerie nächst St. Stephan bis 18. Januar 2014 Robert Mittringer – Witz, Charme und Fichten Kro Art Gallery bis 10. Januar 2014

Museumsquartier Kunsthalle Wien ShOP Die neue Einkaufsadresse für Kunst und Design #Geschenke Mitten im Museumsquartier bietet der neue Shop in der Kunsthalle Wien neben Ausstellungskatalogen, themenspezifischen Publikationen und Künstlerbüchern ein ausgewähltes Sortiment an internationalen Kunst- und Designmagazinen. Zudem findet man hier eine spannende Auswahl an kreativen Produkten aus der Kunst- und Designszene, sowie Objekte, die um das neue Logo der Kunsthalle Wien – den Adler – kreisen. Best of Shopping für Geschenke! Kunsthalle Wien Shop Museumsquartier, Museumsplatz 1 1070 Wien, Austria Täglich 10–19 Uhr , Donnerstag 10–21 Uhr www.facebook.com/KunsthalleWien www.twitter.com/KunsthalleWien

29.11.13 11:54


TERMINE

FESTIVALS

3 Fragen an Alex Bennett (Event Director, Snowbombing) Fünf Tage Party und Skifahren in einem Tiroler Tal – was ist das Geheimnis von Snowbombing? Erstens die tolle Lage. Snowbombing war das erste Festival seiner Art. Nicht nur, dass es in einem Skigebiet stattfindet, sondern auch die Partys finden an einzigartigen Locations statt. Die Arctic Disco ist das perfekte Beispiel dafür, ein Club am Berg ganz aus Schnee und Eis. Wir haben Partys auf einer kleinen Waldlichtung oder in einer 300 Jahre alten hölzernen Scheune in einem versteckten Tal. Auf eurer Website werden die Preise in britischen Pfund angegeben. Was hat es damit auf sich? Die Veranstaltung wurde von einem kleinen Reiseunternehmen in Großbritannien gegründet, das nach einem Weg gesucht hat, die Popularität für Skitrips zu erhöhen. Gründer Gareth Cooper beschloss, anständige Musik und Skifahren zu kombinieren. So wurde die Idee des Snowbombing vor 15 Jahren geboren. Die Zukunftsplanung sieht einen stärkeren Fokus auf ein europäisches Publikum vor, aber wir wollen die Veränderung langsam vornehmen. Mayrhofen hat 3.821 Einwohner, das Snowbombing Festival bis zu 5.000 Besucher. Wie kann die wilde Feiermeute in Zaum gehalten werden? Wir arbeiten sehr eng mit den lokalen Behörden und den Menschen im Ort zusammen und beziehen sie in die Planung mit ein. In den ersten Jahren kam es noch zu kleineren Reibereien mit Einheimischen, es stellte sich jedoch schnell heraus, dass in einer normalen Saisonwoche mit den Skigästen mehr Probleme entstehen als durch unser Publikum. Die Resorts und all die Einheimischen erkennen auch den Nutzen der Veranstaltung für die lokale Wirtschaft, besonders da es am  Ende der Saison stattfindet. Mayrhofen 7. bis 12. April 2014 www.snowbombing.com

Dünne Höhenluft und atemberaubende An- und Aussichten zwischen Tirol und Vorarlberg.

Cineastic Gondolas Lech im Winter. Neben Unmengen an Schnee im hochalpinen Gefilde ist der Ort vor allem bekannt für seine Extravaganz. Nicht ohne Stolz wird die Wintersaison heuer zum dritten Mal auf ganz besondere Art und Weise eingeleitet: mit den Kinogondeln. Im Herzen des interdisziplinären Kulturfestivals steht die spektakulär inszenierte Bergkulisse rundum das namensgebende Kurzfilmfestival in den Lecher Bergbahnen. Zwischen 1.450 und 2.350 Höhenmetern werden die Innenwände der Gondeln zu Leinwänden, um einen am Ziel der Fahrt eine zur Galerie umgebaute Bergstation zu präsentieren, nebst von Visualisten verziertem Bergpanaroma-Erlebnis. Abgerundet wird die Berg- und Talfahrt der Sinneseindrücke mit akustischen Darbietungen von Klassik bis Dancefloor, u.a. mit Mousse T. (ja, den gibt es noch), Boris Dlugosch, Denis Yashin und zahlreichen Visualisten. 14. Dezember Lech am Arlberg, www.cineasticgondolas.at

062

140_058-065_Termine.indd 62

29.11.13 11:54


TERMINE

FESTIVALS Kommen Sie nach Groningen, unser Schmäh ist schon vor Ort: Sex Jams, Gudrun von Laxenburg, Attwenger, Cid Rim

60 ... So viele Tonnen Eis werden am Ice Camp am Kitzsteinhorn zu drei riesigen Iglus mit Bar und Lounges verbaut, die miteinander verbunden sind. Drinnen wird zur Eröffnung am 6. Jänner Philipp Van Het Veld House eisgekühlt kredenzen.

Eurosonic Wiener Clubgeher sind ja schon bestens vertraut mit dem Konzept Showcase Festival, u.a. wegen des Waves Vienna. Vom Eurosonic, dem größten seiner Art in Europa, kann allerdings noch einiges abgeschaut werden: 300 Künstler treffen sich mit 3.000 Konferenzteilnehmern und bespielen 34 Bühnen für 33.000 Festivalbesucher. Das besondere Schmankerl: Österreich ist heuer Fokusland. 15. bis 18. Jänner Groningen, Niederlande

TEXT stefan schallert BILD Pete Ionian, Attwenger – Gerald von Foris, S. Eigner

Wenn der Berg nicht zur Kultur kommt, kommt die Kultur eben zum Berg.

Rave On Snow Der Koloss unter den nationalen Winterfestivals geht in die 20. Auflage. Saalbach-Hinterglemm liefert ein Wochenende lang die Antithese zur besinnlichen Adventszeit. Sven Väth, Extrawelt u.v.a. sind die Geschenke, welche die 100.000 Festivalbesucher erwarten. O du Fröhliche! 12. bis 15. Dezember Saalbach-Hinterglemm

Gay Snow Happening Sölden hisst die Regenbogenflagge. Das Gay Snow Happening, die rosa Skiwoche, verwandelt das Skimekka in das Sitges der Alpen. Bekannte Partyveranstalter der Szene wie Sexy Cologne und Forever Tel Aviv sind dabei, Menschen in großen Peniskostümen ebenfalls. 22. bis 29. März Sölden

Ski und Boarder-Cross Weltcup / Europacup Montafon

Art On Snow Das Art On Snow ist der eindrucksvolle Beweis, dass der alpine Winter zwischen Piste und Après Ski noch genügend Platz lässt für die nicht ganz so simplen Freuden des Lebens. Eine Woche lang wird das winterliche Gastein Bühne für vergängliche Kunstwerke aus Eis und Schnee, Board-Design, Lichtinstallationen und Fotografie. 1. bis 7. Februar Gastein

Einmal Schnee haben wir noch: Zum SnowboardCross-Weltcup (5. bis 8. Dezember) bzw. Ski- und Snowboard-Cross-Europacup (13. bis 15. Dezember) in Vorarlberg werden an zwei Wochenenden Sportbegeisterte und Feierlustige gleichermaßen versorgt. Cro und die Sportfreunde Stiller heizen dabei mit Open-Air-Auftritten an der Talstation kräftig ein. Cro, 7. Dezember — Sportfreunde Stiller, 14. Dezember Schruns 063

140_058-065_Termine.indd 63

29.11.13 11:54


Porgy & Bess Riemergasse 11 | 1010 Wien

|14 saison 2013

TERMINE

MUSIK

Nice price! < 26 Jahre EUR 10,– Vollpreis EUR 18,–

16.1. Do | 20:30 | Fast Forward MIVOS Quartet Jorge Sánchez-Chiong

Turntables

Olivia De Prato, Joshua Modney, Victor Lowrie & Mariel Roberts

20.1. Mo | 20:30 | All That Jazz Bonebridge »The Nighthawks Tour«

Erik Friedlander, Doug Wamble, Trevor Dunn & Michael Sarin 19:15 | Meet the artists: Ute Pinter im Gespräch mit den Künstlern

22.1. Mi | 20:30 | Jazz & beyond A Turn in the Road Christy Doran, Heiri Känzig & Gerry Hemingway

Prinz Rosa Do | 20:30 | GARAGE X

12.12.

Bilderbuch Da haben die (ehemaligen) Indie-Boys von Bilderbuch etwas vorgelegt: zuerst die sprachverspielte Pool- und Schaumwein-Party »Plansch«, dann das überhöhte, in Gelb und Schwarz gehaltene FahrzeugFetisch-Fest »Maschin«. Beide Songs nicht nur mit starken Videos, sondern auch musikalisch und textlich eigenwillig, geradezu großspurig, auf schräge Art sexy. Ein kolossaler Doppelschlag von einer Band, die offenbar mehr will als bloß ein bisschen spielen. Und neues Material ist auch schon in Arbeit. Man darf sich auf dessen Live-Premiere freuen. 13. Dezember Innsbruck, Weekender — 14. Dezember Lustenau, Carinisaal — 20. Dezember Linz, Posthof — 28. Dezember Weyer, Bertholdsaal — 25. Januar Salzburg, Rockhouse — 1. Februar Wien, Brut

© Max Berner

20:00 Einlass EUR 12,– | 14,– (VVK | AK)

Living Transit Do | 20:30 | GARAGE X

16.1.

20:00 Einlass EUR 12,– | 14,– (VVK | AK)

Petersplatz 1, 1010 Wien

Jeunesse – musik.erleben

DJ-Duo vor Ölschinken – die Herren Laminat und Moogle drehen erst zum Jahresende so richtig auf.

Silvester mit Jack by The Gap saison 2013|14 klassik jazz world neue musik kinderkonzerte

www.jeunesse.at

Tanzvogel Jack ist flügge geworden. Zum Jahreswechsel entfliegt er dem Heimatnest Morisson Club und nistet sich mit den Kollegen von Homewerk in der Grellen Forelle ein. Am Kitchenfloor des Clubs wird eine rauschende Silvesterparty steigen. Die Sektkorken lassen die DJs Laminat und Moogle (Bebop Rodeo) sowie Bcksrckr und Goldcut Crates (Farbtechnographie) knallen. Gereicht werden dazu Delikatessen aus House, Techno und avantgardistischer Electronica. Am Clubfloor dürfte es auch gehörig zur Sache gehen – unter anderem bei einem Live-Set von Ken Hayakawa. Prosit! 31. Dezember Wien, Grelle Forelle

Text manuel fronhofer, Max Zeller Bild niko ostermann, Tanya Traboulsi, Chuff media, Matthias Hombauer, Danny Clifford, Archiv (2)

© Lukas Beck

Gelber Lack, heißer Motor – Bilderbuch nennen ihren Lamborghini liebevoll »Maschin«.

Jeunesse Kartenbüro . Bösendorferstraße 12, 1010 Wien im Musikvereinsgebäude . Tel: (01) 505 63 56 E-Mail: tickets@jeunesse.at . Mo – Fr, 9:00 – 19:30 Uhr 140_058-065_Termine.indd 64

29.11.13 11:55


Text manuel fronhofer, Max Zeller Bild niko ostermann, Tanya Traboulsi, Chuff media, Matthias Hombauer, Danny Clifford, Archiv (2)

www.dasTAG.at

TERMINE

MUSIK

Ellie Goulding Radiofreundlicher Dance-Pop? Ganz das Ihre! Hübsche Folktronica-Einlagen? Sicher doch! Spuren von Dubstep? Gehen sich aus! Und zwischendurch hat natürlich auch der eine oder andere Piano-Schmachtfetzen Platz. Nach ihrer Show im Gasometer setzt Ellie Goulding mit dem Konzerthaus nun auch in Sachen Venue auf Abwechslung. Gute Idee, finden wir. 7. Februar Wien, Konzerthaus

Bauchklang Das Ausscheiden ihres »Basses« Alex Böck nehmen Bauchklang zum Anlass, noch einmal gemeinsam durchs Land zu ziehen. Bevor es standesgemäß in ihrer Heimat­ stadt St. Pölten zum letzten Konzert in der aktuellen Besetzung kommt, gibt’s im Wiener Gasometer einen bunten Abend, bei dem Wegbegleiter wie Elektro Guzzi, Violetta Parisini und Skero mit von der Partie sein werden. 5. Dezember Salzburg, Rockhouse — 6. Dezember Graz, PPC — 7. Dezember Aflenz, Sublime — 19. Dezember Wien, Gasometer — 21. Dezember — St. Pölten, Warehouse

Babyshambles Die öffentlich ausgeschlachteten Eskapaden sind zuletzt ausgeblieben, es ist fast ein wenig ruhig geworden um Pete Doherty. Dafür ist er nun wieder vermehrt wegen seiner künstlerischen Aktivitäten in den Medien – etwa wegen seines Schauspieldebüts (»Confession Of A Child Of The Century«) oder wegen des neuen Babyshambles-­Albums »Sequel To The Prequel«, wobei Zweiteres deutlich mehr Spaß macht als Ersteres. Und durchaus ein Anlass ist, mal wieder in den Gasometer zu pilgern … 10. Dezember Wien, Gasometer (mit: Sado Maso Guitar Club)

nellsten

oder Der Teufel rennt am sch

Stromae

Uraufführung

Mit »Alors on danse« hat Stromae sein Verständnis von Popmusik gleich mal auf den Punkt gebracht: Simpel muss sie sein, aber deshalb nicht unbedingt blöd. Eingängig, tanzbar und inhaltlich nah dran am Alltag, am Alltäglichen. Im französischen Sprachraum immer noch eine große Nummer, hat der Belgier den Erfolg von damals (Platz eins und immerhin 39 Wochen in den Charts) hierzulande nicht wirklich prolongieren können. Bei seinem Auftritt dürfte aber dennoch mehr als einen Song lang getanzt werden. 5. Februar Wien, Arena

Von Arturas Valudskis Sehr frei nach Michail Bulgakows „Der Meister und Margarita“

FM4 Geburtstagsfest

Blood Red Shoes

VARIETÉ VOLANT

Das heimische Jugendradio feiert sich selbst – und zwar mit Recht! 19 Jahre FM4, das heißt natürlich jede Menge Musik: Blood Red Shoes (Bild), Caged Animals, Mr. Dero & Klumzy Tung, Hannes Duscher, The Hidden Cameras, Neonschwarz, The Notwist, Sohn, Temples und zwei Acts, deren Namen satzzeichenbedingt jede Auflistung erschweren: Fuck Art, Let’s Dance! sowie Ja, Panik. Sämtliche Bands und die zahlreichen DJs werden übrigens indoors auftreten, die Sause steigt 2014 nämlich erstmals in der Ottakringer Brauerei. 25. Januar Wien, Ottakringer Brauerei

ab Mi 4. Dez. 2013, 20 Uhr

„Sie werden doch zugeben, dass es im Bereich der Vernunft einen Beweis für die Existenz Gottes gar nicht geben kann.“

Weiters im DEZEMBER im

TAG

SPORT VOR ORT

So 8. Dez. 2013, 19 Uhr

The Tallest Man On Earth

Ezra Furman

Nach dem ausverkauften WUK im Vor- Auf seinem neuen Soloalbum »Day Of jahr nimmt sich der mit dieser unglaub- The Dog« gibt Ezra Furman den angry lich eindringlichen Stimme gesegnete young man mit Erdung im Vintage-RockFolksänger nun immerhin schon eine ’n’-Roll. Keine schlechte Ausgangsbasis der, wenn auch kleineren, Bühnen der für die anstehenden Konzerte. 30. JaWiener Stadthalle vor. Es könnte trotz- nuar Krems, Cinezone — 31. Januar dem eng werden: Im Umkreis von 800 Mödling, Red Box — 1. Februar LusteKilometern sind sonst keine Konzerte nau, Carinisaal — 6. Februar Inns­ des Schweden geplant. 5. Dezember bruck, Week­ender — 7. Februar Steyr, Röda — 8. Februar Ebensee, Kino — Wien, Stadthalle / Halle F 9. Februar Wien, Chelsea

140_058-065_Termine.indd 65

Spot On Denmark In ihrem fünften Jahr bringt die dänische Leistungsschau wieder eine Handvoll frischer Acts nach Wien. Das Line-up stand zu Redaktionsschluss noch nicht fest – stilistische Breite und musikalische Qualität dürften aber, wie in den Jahren davor, auch 2014 stimmen. 31. Januar Wien, WUK

HEINRICH 4

Uraufführung von Gernot Plass ab Di 10. Dez. 2013, 20 Uhr

Theater:Gig TOM RUSSELL Mi 11. Dez. 2013, 20 Uhr

TAGebuch SLAM

So 15. Dez. 2013, 19 Uhr Tickethotline: 01/586 52 22 oder karten@dasTAG.at Onlineticket: www.dasTAG.at Theater an der Gumpendorfer Straße 29.11.13 11:55


Know-Nothing-Gesellschaft von Illbilly The K.I.T.T.

illustration Jakob Kirchmayr

N

icht gerade oft, aber doch in unregelmäßigen Abständen, tritt man an mich heran und sagt so Sachen wie: »Mein lieber Kolumnenwicht, spielst du manchmal mit dem Gedanken, deine glänzenden Einfälle und herrlichen Ideen in eine andere Form zu gießen, um vielleicht einmal in ferner oder naher Zukunft an einem Literaturwettbewerb teilzunehmen?« »Ja«, erwidere ich dann gerne, auch weil es der Wahrheit entspricht, gebe aber zu bedenken, dass ich nicht weiß, welcher der zahlreichen Ausschreibungen ich mich zuwenden soll. Nun hat sich aber etwas Aufregendes zugetragen. Ich bin im Internet über den Literatur-Wettbewerb, den das Duschgel Fa ausgeschrieben hat, gestolpert. Die machen in ihrer Werbung das total hammergeile Wortspiel »Fühl dich FAntastisch«, und wenn man die knackig in Lila-Shades gehaltene Seite dazu ansurft (www.famoments.at) findet sich in leserlicher, aber doch leicht schlampiger Schreibschrift oben rechts der Schriftzug »Diary of Wonderful Moments« hingepflanzt. Leicht schlampig deswegen, weil ich, als doch einschlägig Gestörter, statt »Wonderful« wieder einmal »Wonderfut« gelesen habe. Und dann natürlich sofort »FAntastisch wäre, jetzt ein bisschen FAllus reinstecken!«, gedacht habe. Aber das soll hier nur eine Randbemerkung bleiben, denn um den Literaturwettbewerb der Duschgelmarke geht es mir. Wir wollen der Vollständigkeit wegen erwähnen, dass Fa unter dem Konzerndach von Henkel firmiert, ein – wie man so schön sagt – Global Player, der uns Endverbrauchern so auch nicht mehr wegzudenkende Dinge wie Persil, Pril und Pattex geschenkt hat. Thema des Wettbewerbs übrigens: »Schreiben Sie eine kurze Geschichte im Tagebuchstil – real oder aus Ihrer Fantasie zu einem der vier Fa Moments.« Die vier Fa Moments sind »Mystic« (Sheabutter / Passionsblüte), »Fantasy« (Jadeblüte), »Luxurious« (pinke Viola / schwarzer Amethyst) und »Romantic« (weiße Rose). Als Preis für die teilnehmenden Literaten winkt eine Veröffentlichung in einem österreichischen Magazin. Welches? Das erfährt man leider nicht auf dieser Seite. Aber weil ich ein kleines Suchhundi, ein von Pattex kaputt gemachtes Schnüffelschweindi bin, hab ich die Sache mal anrecherchiert, wie man so schön sagt. Es dürfte sich um eine Veröffentlichung im Rahmen einer Werbekampagne in der active beauty handeln. Ein Kundenmagazin, das einem die Drogeriekette dm – drogeriemarkt zuschickt. Die hatten früher übrigens den

schönen Slogan »Große Marken, kleine Preise«, diesen aber schon vor geraumer Zeit in »Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein« abgewandelt. Eine Zitatverballhornung aus Goethes Faust, wenn es wer jetzt genau wissen will. Und wenn es jetzt jemand noch genauer wissen will: Beim Geheimrat heißt es wörtlich: »Hier ist des Volkes wahrer Himmel, Zufrieden jauchzet groß und klein: Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s seyn! (940)« Ja, »sein« schreibt man in meiner FaustAusgabe mit »Y«. Das man dies heute nicht mehr tut, finde ich traurig, denn ich liebe das »Y«, es verleiht vielen Wörtern einen exotischen Glanz. Egal, ich mach jetzt jedenfalls beim Fa-Literaturwettbewerb mit, denn in einem Gratismagazin, im Rahmen einer Werbekampagne veröffentlicht zu werden und das ganz ohne Geld dafür zu sehen, wird vielleicht einer der Höhepunkte in meinem literarischen Lebenslauf. Außerdem ist es sowieso erschreckend nahe an dem dran, was hier bei The Gap veranstaltet wird. Was ich nicht weiß, ist, ob nur Frauen beim Wettbewerb zugelassen sind. Eine erste Analyse der bereits veröffentlichten Konkurrenzarbeiten legt diesen Schluss nahe. Ich will es aber nicht wahrhaben. Ich habe mich trotzdem für ein Pseudonym entschlossen, das bewusst im Graubereich der Geschlechtlichkeiten daheim ist. Ursprünglich wollte ich als »Mandi« dort in Erscheinung treten, ich finde aber, dass »Mandy79 (34)« mehr knallt. Auch weil man hier wieder einmal sieht, was mein guter, alter Kumpel »Y« alles so drauf hat. Er kann nämlich nicht nur ohne viel Aufwand Wörter in eine andere Sprache rutschen lassen, sondern bei guter Laune auch schwach männliches schwupsdiwups extrem weiblich machen. Zauberei, Magie, vor allem, wenn man bedenkt, dass nichts in der Natur männlicher als das Y-Chromosom ist. Und da ich als alter Feministenstecher in genderspezifischen Angelegenheiten über die Jahre ziemlich geeicht wurde, finde ich den Griff zu einem geschlechtsneutralen Pseudonym, das sich hinter einer extrem weiblichen Fassade verschanzt, besonders gelungen und müsste schon alleine deswegen einen Preis beim Fa-Literaturwettbewerb bekommen. Leider keimt in mir der leise Verdacht, dass die Fachjury aus dem Hause Henkel über derartige Feinheiten galant hinweggehen wird. Leider habe ich jetzt ein kleines Platz- und Zeitproblem. Sonst könnte ich nun eine Huldigung auf die Schlagerband Mandy und die Bambis zu Papier bringen. Geht aber nicht, denn viel mehr muss

ich mir überlegen, zu welchen der vier Fa Moments (zur Erinnerung: Mystic, Fantasy, Luxurious, Romantic) ich denn schreiben möchte. Romantic, der Duft nach weißer Rose, scheidet aus. Zum einen bin ich eine romantische Minderbegabung. Zum anderen stünde bei mir ein Fa Moment-Text zum Thema »Weiße Rose« unter keinem so guten Stern und endete zwangsläufig mit den Geschwistern Scholl in der Badewanne – sehr heikel. Ich möchte jetzt schon wissen, wer sich so ein unsensibles Scheißprodukt eigentlich ausdenkt? Das Fantasy-Fa (Jadeblüte) geht auch nicht, denn meine geheime Badwannen- und Duschgelwünsche sind ein bisschen neben der Spur. So plagt mich, muss man wissen, die Fantasie, Besitzer eines begehbaren Aquariums zu sein. Das ist voll mit diesen kleinen Knabberfischen, die einem die Neurodermitis und Psoriasis runter schnabulieren. Ich lass mir darin von den kleinen hungrigen Freunden, Saugbarben heißen die glaub ich, die Haut auf Vordermann bringen und bin im Aquarium nicht allein. Wenn die fleißigen Fischchen fertig sind, brösle ich rund 600 Bio-Suppenwürfel mit Ursalz rein, erhitze das Ganze und bereite eine schmackhafte Bouillabaisse zu. Die kann gerne im Rahmen eines Candle-Light-Dinners verputzt werden, denn nur weil ich romantisch minderbegabt bin, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht weiß, was sich gehört. Mit Luxurious (pinke Viola / schwarzer Amethyst) geht ebenfalls nichts. Bei Viola denke ich zuerst nämlich an Bratsche und nicht an Veilchen. Und Amethyst ist ein Stein. Aus Quarz. Und obwohl er ein »Y« bereit hält, ist er eher eine nicht so geschmacks- und geruchsintensive Angelegenheit wie ich meine. Esoteriker behandeln mit Amethysten übrigens Trunksucht. Wie das gehen soll weiß ich nicht, ich schalte immer auf Durchzug wenn ich so etwas höre, aber vielleicht muss man die Steinchen trinken und sich dann erbrechen. Niemand in der Fa-Jury, die ich ja überzeugen muss, wird einen Text über betrunkene Bratschenspieler beim Baden positiv bewerten. Bleibt also nur noch Mystic, mit der Kraft der Sheabutter und der Passionsfrucht. Watch out for Mandy79 (34), soon in der active beauty.

Illbilly The K.I.T.T. www.facebook.com/ illbilly

066

140_066-068_Know_Nothing.indd 66

29.11.13 11:55

Geb


Audiolith Blood Red Shoes Caged Animals FM4 Ombudsmann Fuck Art, Let’s Dance! Hermes Ja, Panik Mr.Dero & Klumzy Tung Neonschwarz S O H N Temples The Hidden Cameras The Notwist und viele DJs VVK: EUR 26,- (wienXtra Jugendinfo, oeticket.com und saturn) / AK: eur 28,-

140_066-068_Know_Nothing.indd 67 Geb.Fest_14_gap.indd 1

fm4.orf.at

29.11.13 21.11.13 11:55 15:42


Rot Rot ist ist ja ja sowas sowas von von out. out. Weihnachten Weihnachtenwird wird schwarz-weiß: schwarz-weiß:mit mitafri. afri.

afri.at afri.at facebook.com/afri.fanseite facebook.com/afri.fanseite

MIN_A1_13063_AZ_210x280mm_TheGap_01.indd MIN_A1_13063_AZ_210x280mm_TheGap_01.indd 1 1 140_066-068_Know_Nothing.indd 68

sawos aj .tuo nov

Wir Wirwünschen wünschendirdirfrohe froheWeihnachten Weihnachten und undein eintolles tolles2014! 2014!

driw nethcanhieW .irfa tim :ßiew-zrawhcs

fua uahcs nnaD ?nekcoS fua kcoB nieK hcod knehcseG negithcir med hcan ehcuS renied ed.pohs-irfa.www :iebrov reih lam hcafnie

nethcanhieW ehorf rid nehcsnüw riW !4102 sellot nie dnu

t a .i r f a etiesnaf.irfa/moc.koobecaf

Kein KeinBock Bockauf aufSocken? Socken?Dann Dannschau schauauf auf deiner deinerSuche Suchenach nachdem demrichtigen richtigenGeschenk Geschenkdoch doch einfach einfachmal malhier hiervorbei: vorbei:www.afri-shop.de www.afri-shop.de

26.11.13 26.11.13 13:46 13:46 29.11.13 11:55

MIN_ MIN_


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.