Dorian Concept — Absolute Ohrwaschelmusik Hostiles Design / Zach Braff / Jüdische Comics 146 Magazin für Glamour und Diskurs MONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 1040 WIEN, P.B.B. GZ 05Z036212 M, Nº146, Oktober 2014
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Ulrich Seidl: Im Keller. Caribou. Clubkultur Bratislava. Arca. Cosima von Bonin. Twitch. US-Retro-Serien. Chakuza. Sin City 2. Wanda. Zola Jesus. Hedy Lamarr. Destiny. Wien Modern: Sitcom-Oper. Anita Augustin.
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SLEEPING DOGS - DEFINITVE EDITION © 2014 Square Enix, Ltd. All Rights reserved. SLEEPING DOGS, the SLEEPING DOGS logo, SQUARE ENIX and the SQUARE ENIX logo are registered trademarks or trademarks of the Square Enix Group. “2”, “Playstation” and “À” are trademarks or registered trademarks of Sony Computer Entertainment Inc. “Ø” is a trademark of the same company. Xbox, Xbox One and the Xbox logos are trademarks of the Microsoft group of companies and are used under license from Microsoft.
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Leitartikel von Thomas Weber.
Aus dem Westen viel Neues Dass die heimische Medienblase alles außerhalb von Wien-Umgebung weitgehend ignoriert, ist in vielen Bundesländern – völlig zurecht – als »Wiener Wasserkopf« verhasst. Ein Glücksfall womöglich, dass die »Neue Zürcher Zeitung« ihre Umgebung seit jeher weiter fasst und nun einen Online-Feldversuch in Österreich wagt.
eine Ausweitung der Berichterstattung auf weitere Bundesländer – etwa das Zürich doch so naheliegende Vorarlberg. Was völlig unüblich ist: Sogar die meisten Konkurrenzmedien hoffen auf einen Erfolg der Schweizer Ost-Offensive. Denn die NZZ Österreich ist bis auf Weiteres ausschließlich online geplant und hat darüber hinaus bereits angekündigt, aus Gründen größtmöglicher Unabhängigkeit keine Werbung von Ministerien u.Ä. anzunehmen (man wildert also nicht im wichtigsten Werberevier so mancher Mitbewerber). Nicht zuletzt werden die Inhalte der NZZ Österreich vom Start weg kostenpflichtig sein. Sind die Schweizer damit erfolgreich, dann ist davon auszugehen, dass auch andere Medien hochwertige journalistische Inhalte bald kostenpflichtig hinter einer Paywall anbieten werden. Dass der Start des Projekts ausgerechnet für den Staatsfeiertag angekündigt wurde, zeugt jedenfalls vom Selbstbewusstsein seiner treibenden Kräfte. Und erinnert an einen anderen, großspurig an einem 26. Oktober begangenen Launch: Das Twitter-Engagement von Werner Faymann und seinem »Teamkanzler« ist peinlich in Erinnerung geblieben. Ob der damals zahlenmäßig erfolgreichere Satire-Account – @WernerFailmann selig – auch außerhalb Wiens Anklang fand, ist nicht überliefert. Doch immerhin wurde dieser damals – angeblich – auch von Rudi Fußi betrieben. Und der betreut nun als Marketingstratege die Zürcher Medienexpansion. Bild michael Winkelmann
etzt hat Vorarlberg also gewählt. Davor durften wir drei Wochen lang mehr oder weniger blödsinnige Essays über »die unbekannte Vorarlberger Seele« lesen. Doch spätestens, wenn die Spekulationen über die Regierungskonstellation durch Tatsachen beendet werden, verschwindet das Ländle wieder hinter dem Arlberg. Vermutlich bis zum nächsten Wahltag dort drüben im Westen. Daran würde wohl nicht einmal eine Neuauflage von Schwarz-Blau etwas ändern (bis 2009 regierten Vorarlberger Volkspartei und Freiheitliche gemeinsam), weil eine neuerliche Beteiligung der freiheitlichen Postfaschisten dort abermals zu keiner totalitären Schreckensherrschaft führen könnte. Das Ländle lässt sich also nicht instrumentalisieren. Es taugt dem Rest des Landes nicht als Schreckgespenst. Schwarz hat halt ein bisschen verloren. Die Grünen haben unter anderem den Freiheitlichen Stimmen abgejagt. Rot ist nun noch ein wenig unbedeutender. Und sogar die Neos haben – darauf haben viele Anhänger des Establishments doch nur gewartet – endlich enttäuscht und sind in ihrem wichtigsten Wählermarkt (Vorarlberg ist immerhin die Heimat von Parteichef Strolz) weit unter dem Möglichen geblieben. Wir widmen uns also wieder dem Wichtigsten: dem Eiertanz in Wien-Umgebung. Dass wir in der Hauptstadt uns aber schlicht nicht dafür interessieren, was in unserem westlichsten Bundesland passiert, ist durchaus tragisch. Denn von Vorarlberg könnte Österreich eine Menge lernen. Wie eine gefestigte Demokratie funktionieren kann zum Beispiel oder gelebtes Miteinander. Natürlich war und ist auch Vorarlberg nicht das Paradies auf Erden. Sogar die Kunde von Einschüchterungen durch die zuletzt absolut regierende Volkspartei hat es irgendwie gen Osten geschafft. Doch
man stelle sich vor, welchen Populismus andere Landeskaiser mit der Aussicht auf den sicheren Verlust solch gewohnter Herrschaftsbequemlichkeit ausgelebt hätten. Vorarlberg könnte in vielerlei Hinsicht Vorbild sein. Und vermutlich gilt das manchmal für Tirol und Niederösterreich, für das Burgenland, für Salzburg und für Oberösterreich genauso, womöglich sogar für Kärnten. Wir sind es bloß nicht gewohnt zu beobachten, was dort und dort und dort passiert. Dass die verzerrte Wiener Innensicht dermaßen dominiert, ist vor allem der Ignoranz der klassischen Medien, aber durchaus auch jener der 2.0-Multiplikatoren geschuldet. Womöglich bricht nun ausgerechnet ein Medienprojekt noch weiter aus dem Westen mit dieser unrühmlichen Tradition: die für 26. Oktober angekündigte Österreich-Ausgabe der Neuen Zürcher Zeitung. Was genau passieren wird, darüber hält sich auch deren Vorab-Werkstatt-Blog bedeckt. Doch die Chancen stehen nicht schlecht. Neben Michael Fleischhacker, der sich in den vergangenen Jahren vor allem als kluger Blattmacher der Presse hervorgetan hat, ist es der von dort ins Team nachgeholte Journalist Georg Renner, dem ein Überwinden der Ignoranz zuzutrauen ist. Bei seinem bisherigen Arbeitgeber hatte dieser es nämlich als einziger Journalist des Landes geschafft, kontinuierlich und kritisch über das größte Bundesland, Niederösterreich, zu berichten. Dass ein bekennender Konservativer wie Renner kritisch über schwarzes Hoheitsgebiet berichtet, dabei aber trotzdem fair kommentieren kann, dass bei Weitem nicht alles schlecht ist, was in Erwin Prölls Reich passiert, daran hatte man sich dort dem Vernehmen nach bis zum Schluss nicht gewöhnt. Bei der Presse wird man diesen personellen Verlust hoffentlich zu kompensieren trachten. Für den ÖsterreichAbleger der NZZ bedeutet er jedenfalls eine Riesenchance. Und das nicht nur, weil zu hoffen ist, dass Renner als Chef vom Dienst dort die Wiederholung seines Kunststücks gelingt und womöglich sogar
Thomas Weber Herausgeber weber@thegap.at @th_weber
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Hostiles Design International wird heftig über »Hostile Architecture« diskutiert – Gestaltung im urbanen Raum, die Randgruppen vertreiben soll. Wir sprachen mit Verantwortlichen und Betroffenen über Spikes, Parkbänke und die Kontrollgesellschaft. Wie sieht es in Österreich mit hostilem Design aus und wem gehört der urbane Raum eigentlich?
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Magazin Dorian Concept 014 —— Keyboard hat er selbst gelernt. Stundenlang, wochenlang hat er am ersten richtigen Album gefeilt. Es ist absolute Musikmusik, voller Melodien, aus einem Guss. Golden Frame: Cosima von Bonin 018 —— Von harten, rosa Raketen-Torpedos ist das Geschlecht meist nicht weit entfernt. Clubkultur Bratislava 020 —— Die Stadt wäre näher als Graz, Linz oder St. Pölten. Spätestens zum Waves Festival sollte man mal hin. Was aber kann die Clubkultur dort? Brativslava Tipps 022 —— Kunst, Theater, Musik und Bier. Genügend Gründe, um mal zur Zwillingsstadt zu pendeln. Sitcom-Oper 024 —— Der Komponist Bernhard Gander dürfte für das Festival Wien Modern mehrere Grenzen der zeitgenössischen Oper sprengen. Wir sprachen mit ihm darüber. Caribou 025 —— Liebe in all ihrer Textur und Komplexität als Dance Music. Jetzt auch zum Mitsingen. US-Retro-Serien 026 Im Zuge des Serienbooms fordern auch sie ihren Platz. Aber warum faszinieren uns historische Serien überhaupt?
Hedy Lamarr 028 —— Sie ist eine der ganz großen Töchter Österreichs und wäre heuer 100 Jahre alt. Jüdische Comics 030 —— Juden, die den Staat Israel zeichnen: Comics suchen immer wieder neue Antworten. Twitch 033 —— Wer will schon anderen beim Zocken zuschauen? Antwort: 45 Millionen Menschen monatlich. Zach Braff 036 —— Die Meute hat ihm einen Film gesponsert. In Wien haben wir den Oberguru von »Scrubs« und »Garden State« getroffen. Hostiles Design 038 —— Spikes gegen Skater, Bänke gegen Obdachlose. Gestaltung des urbanen Raums, die Randgruppen vertreiben soll. Wie sieht es damit bei uns aus?
21. – 22. November 2014 craftbierfest.at facebook.com/craftbierfest •
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Clubkultur Bratislava Was hat die Clubkultur in Bratislava außer billigem Bier zu bieten? Keine Lärmprobleme, Clubs in Gehweite zueinander, niedrige Eintritte und ungewöhnliche Locations zum Beispiel. Sperrstunde ist erst um 6, Vergnügungssteuer gibt es auch keine. Alles rosig? Nicht ganz. Ein nächtlicher Streifzug durch die Nacht für künftige Bratislovers.
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Rubriken Leitartikel 003 Inhalt 004 Editorial / Porträts / Impressum 006 Fondue 009 Unbezahlter Anzeiger 011 Splitter 012 Workstation: Katharina Loidl und Thomas Rhube 040 Prosa: Anita Augustin 045 Reviews 049 Termine 058
Bild der Ausgabe »Get Social« hieß eine Kampagne, die wir gemeinsam mit den Kumpels von nked für das Rote Kreuz ausgeheckt haben, mit Video, Story und all dem Geschirr. Dafür gab es einen Award in Glas und Bronze. Unsere Vitrine ist damit fast komplett.
Kolumnen Fabula Rasa Know-Nothing-Gesellschaft
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Du hast keine Ahnung von Bratislava — Das mussten wir uns zuerst einmal selbst eingestehen. Eine Stichprobe in der Redaktion war ernüchternd. Clubkultur, Performance, Kunstszene, wer denn was schreiben will – Schweigen wie im Kalten Krieg. Ob blanke Ignoranz, Vorurteil oder aus Versehen, es ist erschreckend, wie sehr wir uns gerne als Europäer und Kosmopoliten sehen möchten und dabei nicht wissen, was bei den Nachbarn passiert. Nein, du eh nicht, du bist die Ausnahme. Aber er, und er da, sie und er, sie, der da auch, und der findet das auch noch witzig. Zum Glück gibt es etwa die Freunde vom Waves Vienna (nein, wir sind schon seit Jahren nicht mehr daran beteiligt), die sich Osteuropa vorknöpfen und ein Partnerfestival initiiert haben. Die Zusammenarbeit mit dem Waves Bratislava dürfte nicht immer ganz reibungslos sein. Andere Arbeitsweisen, andere Deadlines, Sprache. Aber sie bleiben dran und bauen da etwas auf, für das sie außer einem Danke wenig haben. Unseren kleinen Beitrag versuchen wir heuer mit einem Special zu Clubkultur (Seite 020) und empfehlenswerten Locations (Seite 022) zu leisten. Ein ganz besonderer Dank gilt diesmal auch Design-Ressort-Chef Peter Stuiber. Natürlich hängen sich andere Autoren auch rein, aber nicht jeder würde für einen Artikel über hostiles Design die Gruft und Klos am Bahnhof besuchen sowie mit Obdachlosen reden. Traurig, aber geil (Seite 038). »Joined Ends« einlegen (Seite 014), lesen bitte.
Stefan Niederwieser niederwieser@thegap.at @the_gap
kontribut
ren
Thomas Nussbaumer
Armin Rudelstorfer
Edle Einfalt, stille Größe — Während wir hier über heiße Sub-Reddits, Nicki Minajs Anaconda und Clickbringer reden, lächelt Thomas milde und schweigt. Er kennt zwar dieses Internet, aber wer seinen Nachnamen Nußbaumer auf der Zuckerberg’schen Plattform altmodisch mit sz anstelle des scharfen ß schreibt, will wohl vom gemeinen Medien-Fuzzi gar nicht aufgefunden werden. Gut, dass er also uns gefunden und sich dazu sogar des teuflischen sozialen Netzwerks bedient hat. Man hätte eher mit einem Brief in Kurrent gerechnet – mit liebevoll ausgewählten Pynchon-Zitaten, vielleicht sogar ein paar komponierten Noten und einem beigelegten Kupferstich. Gut, wir zeichnen Thomas hier vielleicht etwas zu romantisch, aber man darf wohl feststellen, dass ihm im Wort Popkultur die letzte Hälfte mehr zusagt als die erste und das in vielen Facetten: Literatur, Theater und natürlich Musik. Hier ist er im Jazz zu Hause und ausgebildet, duldet aber auch Indie und Post-Rock. Er recherchiert lieber genau, als viel über sich selbst zu reden und beschwert sich auch nicht, wenn wir ihn fälschlich mit ss schreiben. Solange wir seine geliebten Strichpunkte in Ruhe lassen, wird er weiterhin milde lächeln.
Große Bilder — Man muss Fotografie nicht zum Beruf machen. Armin Rudelstorfer hat Blende, Objektiv und Kadrage ganz unter Kontrolle. Das macht er seit zehn Jahren, bevorzugt bei Konzerten und allgemein bei wenig Licht, mittlerweile auch Nachtfotos im Gigapixelformat, meist für große Firmen als Auftraggeber. Seit fast vier Jahren blickt er für The Gap auch live durch die Linse, oft auf ältere Semester wie Gonzales, Belle And Sebastian oder Neil Young, aber auch zu Kreisky und Fuckhead scheint er eine enge Verbindung aufgebaut zu haben. Auf seiner Playlist stehen Skandinavier, Isländer, Postrock und Atonales. iTunes: 50.000 Titel. Aktive Instrumente: 0. Als gebürtiger Linzer hat er natürlich ein gespaltenes Verhältnis zur Stadt. Wie auch zur Politik in diesem Land. Oder zu seinem Job. Agentur, Studium, dann Agentur, dann Schnauze voll, dann doch kein PhD, dann wieder Agentur. Das kann er wohl, Fotografie allerdings auch. Für die aktuelle Ausgabe hat er die Workstation fotografiert. Dass als Motivation für seine Fotografie Geld allein nicht reicht, ist für uns natürlich ein irrer Vorteil, vor allem aber kann man die Leidenschaft in seinen Bildern sehen. TEXT Stefan Niederwieser
TEXT Amira Ben Saoud BILD Elisabeth Els
Impressum
HERAUSgeber Thomas Weber chefredaktION Martin Mühl, Stefan Niederwieser Redaktion Ranya Abd El Shafy, Niko Acherer, Benjamin Agostini, Amira Ben Saoud, Josef Berner, Sandra Bernhofer, Manuel Bovio, Ivo Brodnik, Stephan Bruckner, Johannes Busching, Ann Cotten, Lisa Dittlbacher, Juliane Fischer, Holger Fleischmann, Philipp Forthuber, Manuel Fronhofer, Miriam Frühstück, Barbara Fuchs, Carola Fuchs, Daniel Garcia, Yannick Gotthardt, Manfred Gram, Dominique Gromes, Philipp Grüll, Julia Gschmeidler, Andreas Hagenauer, Jan Hestmann, Magdalena Hiller, Christoph Hofer, Sebastian Hofer, Peter Hoffmann, Michael Huber, Reiner Kapeller, Jakob Kattner, Sophie Kattner, Markus Keuschnigg, Michael Kirchdorfer, Kristina Kirova, Stefan Kluger, Michaela Knapp, Markus Köhle, Christian Köllerer, Alexander Kords, Christoph Kranebitter, Rainer Krispel, Michael Bela Kurz, Philipp L’Heritier, Franz Lichtenegger, Artemis Linhart, Gunnar Landsgesell, David Mochida Krispel, Davi Maurer, Christiane Murer, Nuri Nurbachsch, Dominik Oswald, Ritchie Pettauer, Stefan Pichler, Johannes Piller, Stefanie Platzgummer, Christoph Prenner, Teresa Reiter, Werner Reiter, Kevin Reiterer, Martin Riedl, Tobias Riedl, Gabriel Roland, Georg Russegger, Stefan Schallert, Joachim Schätz, Peter Schernhuber, Bernhard Schmidt, Nicole Schöndorfer, Werner Schröttner, Tanja Schuster, Richard Schwarz, Katja Schwemmers, Katharina Seidler, Wolfgang Smejkal, Lisa Stadler, Cornelia Stastny, Roland Steiner, Gerald C. Stocker, Johanna Stögmüller, Peter Stuiber, Werner Sturmberger, Denise Helene Sumi, Yasmin Szaraniec, Asha Taruvinga, Hanna Thiele, Horst Thiele, Franziska Tschinderle, Erwin Uhrmann, Jonas Vogt, Luise Wolf, Maximilian Zeller, Martin Zellhofer, Barbara Zeman PRAKTIKUM Franz Lichtenegger, Yasmin Szaraniec termine Manuel Fronhofer, Stefan Niederwieser AUTOREN Georg Cracked, Michaela Knapp, Michael Lanner, Moriz Piffl-Percevic, Jürgen Wallner, Martin G. Wanko fotografie Florian Auer, Lukas Beck, Stephan Doleschal, Andreas Jakwerth, Georg Molterer, Ingo Pertramer, Kurt Prinz, Karin Wasner, Michael Winkelmann Illbilly-illustration Jakob Kirchmayr COVER Ingo Pertramer, ART DIRECTION Manuel Fronhofer, Thomas Wieflingseder DESIGN Elisabeth Els, Manuel Fronhofer, Erli Grünzweil, Thomas Wieflingseder Lektorat Wolfgang Smejkal, Adalbert Gratzer web Super-Fi, m-otion anzeigen Herwig Bauer, Thomas Heher, Wolfgang Hoffer, Micky Klemsch, David Kreytenberg, Martin Mühl, Thomas Weber (Leitung) Distribution Martin Mühl druck Ferdinand Berger & Söhne GmbH, Pulverturmgasse 3, 1090 Wien geschäftsFÜHRung Martin Mühl PRODuktion & MedieninhabERin Monopol GmbH, Favoritenstraße 4–6 / III, 1040 Wien kontakt The Gap c/o Monopol GmbH, Favoritenstraße 4–6/III, 1040 Wien; Tel. +43 1 9076766–41; wien@thegap.at, www.thegap.at, www.monopol.at, office@thegap.at bankverbindung Monopol GmbH, easybank, IBAN AT77 14200 20010710457, BIC EASYATW1 abonnement 10 Ausgaben; Inland EUR 15, Europa EUR 35, Rest der Welt EUR 42 HEFTPREIS EUR 2 erscheinungsweise 8 Ausgaben pro Jahr; Erscheinungsort Wien; Verlagspostamt 1040 Wien Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Für den Inhalt von Inseraten haftet ausschließlich der Inserent. Für unaufgefordert zugesandtes Bild- und Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung der Geschäftsführung. ERRATUM Die Coverstory in Ausgabe 145 wurde von Yasmin Szaraniec und Stefan Niederwieser gemeinsam geschrieben, nicht wie irrtümlich vermerkt Text von Stefan Niederwieser und Bild von Yasmin Szaraniec.
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live @ wiener stadthalle Dirty Dancing / Erste Bank Open / Roger Cicero / Helene Fischer / John Legend / David Garrett / Lady Gaga / Michael Bublé / Andrea Bocelli / Kiddy Contest / The Piano Guys / Lenny Kravitz / Anastacia / Linkin Park / Annett Louisan / OneRepublic / CRO / Slash / Peter Kraus / Uwe Kröger / Udo Jürgens / Andrea Berg / Bryan Adams / Andy Lee Lang / Die Fantastischen Vier / Holiday On Ice Platinum / We Will Rock You / Ennio Morricone / Masters of Dirt / Eurovision Song Contest 2015 / Katy Perry / Michael Mittermeier / und viele mehr TICKET CALL CENTER 01 79 999 79 WIEN-TICKET.AT 01 58885 /StadthalleWien
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Welch Ironie! Seit die nämlich den Baum dahinter zugepflastert haben, kann ich hier mein Dope nicht mehr vergraben.
Also irgendetwas stimmt hier nicht. Hat Südkorea echt einen Tennisball auf der Flagge?
Da bleibt kein Auge trocken! Dafür aber am Folgetag rot.
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Stell dir vor, es ist Kino, und nicht mal Sabine geht hin.
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hausdermusik das klangmuseum
TALL TALL TREES
hausdermusik das klangmuseum
7. OKTOBER 2014, 20:00 UHR
BRENDAN ADAMS
17. OKTOBER 2014, 20:00 UHR
Brendan Adams
Tall Tall Trees © Bjørn Giesenbauer
LIVE ON STAGE
»Give the people something good to read on a Sunday« (The Clash) Guido ist schon wieder voll drauf: »Warum muss ich das Kinoticket ein halbe Stunde vorher abholen, wenn ich die Karte eh reserviert habe? Muss ich im Restaurant eine halbe Stunde vorher da sein, wenn ich einen Tisch reserviere? Und komm mir jetzt nicht mit, die müssen die Möglichkeit haben, die Karte zu verkaufen, weil das in keinem anderen Land der Welt so ist! Nur hier!« Wo er Recht hat, hat er Recht. »Und dann sag mir, warum die Leute bei grün blinkender Ampel losrennen, um noch über die Straße zu kommen, aber kaum sind sie am Zebrastreifen, fangen sie zu schleichen an als würden sie einschlafen? Ich mein, wenn ich bei Rot am Zebrastreifen bin, da tät ich mich beeilen. Aber die fordern’s ja heraus. In die Richtung: Du traust dich eh nicht, mich zu überfahren!« Hat er wieder Recht. Ändert aber nichts. Er ist nur so aggressiv, weil er im Job frustriert ist. Er ist Junior Retail Business Consultant bei einem internationalen Beratungsunternehmen. Sein Konzept für eine Billig-Produkte-Linie für Hofer hat sein Chef »den größten Quatsch seit wirklich langer Zeit« genannt. »Hofer hat eine Premium-Produkt-Linie, da kann er auch eine billige machen!« Naja, möglicherweise hat er Recht, ist aber schlecht argumentiert. »Some fun, some fun, some fun, some fun« (Psychotic Youth) »Ich bin ein Fan von Milchprodukten. Zum Beispiel Vanilleeis.« Sagt Melanie. Naja, kann man so stehen lassen. Wenn man nicht darüber nachdenkt, was mit »kann man so stehen lassen« eigentlich gemeint sein soll. Auf dem Papier, im Raum, zwischen uns, im Porzellanlwaden? Das Einzige, was klar scheint, ist, dass das Zusammenleben mit Melanie zu einem grauen Nebel aus unerkennbaren Schwierigkeiten geworden ist. Es hat aber keinen Sinn darüber zu reden, denn wir verbringen zu viel Zeit mit unseren Freunden und zu viel Zeit zusammen, und da wird schon genug geredet und zu wenig gesprochen. Guido redet viel, ich wenig und bei den beiden Mädels, ach, wer weiß das schon. Guido sagt, sicher reden sie über dich. Die ganze Zeit. Über alles. Da bin ich mir so sicher – und unterstreicht das mit so einer schwingenden Handbewegung. Aber er sagt auch: »Ich sage, um meinen Freunden und Liebsten den Schmerz zu lindern, immer nur: Der Zweck heilt die Mittel.« Powered by Kate Tempest, The Heavy und Kraftklub.
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H LTER A N Z EI G ER
Es gibt Dinge da draußen, die sind so gut, die sind Segnungen für die Menschheit, echte Hits der Warenwelt, für die machen wir freiwillig Werbung.
Spinnensauger
Geil skaliert
Essen und Schlafen
Wenn die Angst so groß ist, dass man sich dem Untier nicht einmal in Tötungsabsicht zu nähern traut, gibt es diesen Staubsauger für jede Art von Horror auf vielen dünnen Beinchen. Der Sicherheitsabstand kann so immer gewahrt bleiben. Wem das zu teuer ist, der kann immer noch den Mund offen halten und die Augen zu machen. Angeblich verschluckt man ja im Laufe eines Lebens zehn Stück Spinnen im Schlaf. www.amazon.com
Waagen sind die Tiger-Moms der Haushaltsgeräte. »Du bist nicht gut genug«, flüstern ihre gemeinen Zahlen ganz leise. »Ich bin enttäuscht«, zischen sie. Deswegen lieber zur Hippie-entfalte-dich-selbst-Mama greifen. Bei Waagen geht das nämlich. Die Yay-Waage lobt immer und sagt, dass man gut aussieht. Darüber hinaus glitzert sie extrem. Mit anderen Worten: die Waage sieht in jedem Fall schlechter aus als man selbst. www.voluptuart.com
Das sind die zwei besten Dinge auf der Welt. Kombiniert man sie, scheint ein nirvanaähnlicher Zustand zumindest erreichbar. Wer sich als Kind noch niemals krank gestellt hat, nur um im Bett Suppe gefüttert zu bekommen, hat Glück und Zufriedenheit nicht verstanden. Die Kreatoren dieses Polsters offensichtlich schon. Zusätzlich riecht ein angebissenes Bettutensil irgendwie nach Freud. Bloß so. www.etsy.com
DIE GRÖSSTEN HITS VON
GENESIS
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auch nicht schlecht: Stricken
Wendelin Amtmann (Strom Club, Schwarzbrot)
TOP 10
WRESTLER NAMEN
01 Crybaby Cannon 02 Pork Chop Cash 03 Abdullah the Butcher 04 King Kong Bundy 05 The Mongolian Stomper 06 Sweet Daddy Siki 07 Mad Dog Vachon 08 Gorgeous George 09 Bad News Brown 10 One Man Gang
TOP 5
MOST LOVED ANIMALS
01 Axolotl 02 Schuhschnabl 03 Mongolischer Manul 04 Grüne Meerkatze 05 Blob-Fisch
auch nicht schlecht: Aspirin C
www.thegap.at/gewinnen »Grand Budapest Hotel« Wes Anderson vereint in seinem aktuellsten Film wieder einmal gekonnt Humor, Romantik und glanzvolle Ausstattung. Hier sitzt alles perfekt und selbst in den kleinsten Nebenrollen brillieren Leute, die man gern auf der Leinwand sieht. Worum es geht? Das titelgebende Hotel und dessen Concierge werden in einen Kunstraub und diverse Familienfehden verstrickt. Wir verlosen 3 Blu-rays.
»Edge Of Tomorrow« Tom Cruise stirbt in »Edge Of Tomorrow« viele Tode und muss sich seiner Aufgabe so wie Bill Murray in »Groundhog Day« immer wieder aufs Neue stellen. Immerhin geht es ja auch um einen ziemlich aussichtslosen Kampf gegen besonders fiese Aliens. Wir verlosen 3 Pakete, bestehend aus DVD und T-Shirts.
Viennale-Paket Wir verlosen 3 Viennale-Pakete, bestehend aus je 2 Tickets für die Gala »In Honour of« und einem V’14-Package mit der begehrten A1-Viennale-Tasche, die käuflich nicht zu erwerben ist, einem Festivalkatalog sowie einem Retrospektiven-Katalog und einem Schlüsselband der V’14.
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The Walking Dead, 5. Staffel Ab Oktober
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Dorian Concept – »Joined Ends« — Wiener Elektronik und ein Himmel voller Synths
Absolute Ohrwaschel musik Keine neue K&D Session. Dafür eine Suite für die Gegenwart, ein Reigen aus feinsten Synths und Melodien, als wäre Wien wirklich eine Weltstadt der Musik.
Abtauchen, ausatmen, auftauchen Man hat nun in Wien auf kein Album gleichzeitig so lange und so sehnsüchtig gewartet. Es ist eh fertig, raunte man sich immer wieder zu, er redet gerade noch mit dem Dingsda, ein bisschen tackern noch, es kommt sicher bald, dort ein bisschen was nachstellen. So ging das sehr lange. Denn nach seinem ersten Album, das für ihn eigentlich nur zufällig passiert ist und nicht richtig zählt, teilte er sich mit den besten seines Fachs die Bühne, allen voran Flying Lotus. Von den paar Live-Auftritten gemeinsam und solo erzählte man sich noch Tage und Jahre später. Da wachsen natürlich Erwartungshaltungen. Und die mag Dorian Concept nicht besonders. Er kann abtauchen. In den letzten drei Jahren gab es fast keinen neuen Mucks von ihm zu hören. Zwei Remixe, eine in sich gesackte Skizze, das war es. »Joined Ends« klingt womöglich deshalb nicht so, wie das manche glauben, dass es sollte. Es ist nicht mehr ganz so zappelig. Dass man die Entwicklung dahin, wo er heute ist, von außen nicht ganz nachvollziehen kann, ist viel
leicht ein kleiner strategischer Fehler gewesen. Aber die Zeit als junger Hund am Microkorg mit narrischem Rhythmus-Rodeo ist vorbei.
Ästhetik, bitches So ein Album ist allerdings schwer zu erklären oder aufzuschlüsseln. Zumindest im Kontext heutiger Popmusik. Es erfüllt keinen offen sichtlichen Zweck. Tanzen, Mitsingen, Kopfnicken, Wohlstandspro bleme haben, Pumpen oder Amore, das geht damit erst einmal nicht so richtig. Vielleicht sitzt man ja da und kommt sich richtig geil vor, weil man in all diese Melodien und diese Detailfülle, diesen Brokat und Kaschmir aus Tönen, hineinschlüpfen kann und das versteht, weil man Musik liebt, ohne gleich etwas davon zu wollen. Vielleicht glau ben ja deshalb manche, das Jazz nennen zu können. Das ist es defini tiv nicht. Es gibt auf »Joined Ends« wenig Angriffspunkte und wenig Hinweise, wie das alles gemeint ist. Musik folgt hier einer Eigenlogik, der von Dichte, Entspannung und Linien im Sand, sie spielt mit der Aufmerksamkeit und macht am blinden Fleck ganz irre Sachen, wenn man gerade nicht richtig hinhört. Und das ist einzigartig. Simon & Garfunkel haben vielleicht einmal solche Musik gemacht. Oder Tor toise. Oder Schubert. Dabei ist das Großartige an Pop ja eigentlich, dass es wirklich immer um etwas geht. Dass man dabei trinkt, protestiert, läuft, fickt oder träumt – und eben gerade nicht zuhört, als Objekt eines interesselosen Wohlgefallens. Aber wenn Pop das eben jetzt auch kann – das Gute, das Angenehme und das Schöne –, ist es zwar vielleicht gar kein Pop mehr, aber warum denn nicht. Dann haben wir soeben eine neue PopTechnologie-Stufe freigespielt. Und ja, Absolute Musik, Kontrapunkt, Konzeptalbum ohne Konzept, solche Begriffe fallen im Interview. Das soll niemanden beeindrucken oder einschüchtern, denn das Album ist wie ein alter bester Freund, der nach dieser debilen Maturareise ins Ausland ging, Mechatronik und Kaligrafie studiert hat und Jahre später plötzlich sympathisch vom Magazin-Cover lächelt – nein, es soll verdeutlichen, wie sehr hier jemand aus den Sounds zur Zeit auf etwas hinaus will, das bleibt. Nenn’ es vielleicht Kunst von den Rändern von Bass und Synth.
Text Stefan Niederwieser Bild Ingo Pertramer
Es macht nicht Bumm. Dorian Concept duckt sich unter den Erwartungen weg. Stattdessen macht er eine ganz andere Welt auf, für sich, für uns. Die der Melodien, des Flows, der Zwischentöne. Und wie er das macht. Dorian Concept galt früh bereits als so etwas wie ein Wunderkind, selbst wenn er dafür im mer schon zu alt war. Egal, es war auch so arg genug. Der Microkorg war seine spektakulärste Waffe, ein billiger, wirklich beliebter und für das Geld sehr vielseitiger Synthesizer. Wenn Dori an damit herumblödelte, wussten wenige, was da eigentlich abgeht, wie schwierig und fragil das Ding eigentlich zu spielen ist. Auf You tube konnte man ihm öfters dabei zusehen, wie er hyperaktiv Knöpfe, Sounds und Wahnsinn beherrschte. Beigebracht hat Dorian Concept das keiner. Keine Musikerfamilie, kein Mentor, kein Vom-Blatt-Spielen, er hat das nur nach Gehör und Intuition gelernt. Darüber hat er nie viel Wind gemacht, dafür ist er viel zu bescheiden. Er würde ohne die Affine-Familie heute nicht Musik machen, sagt er stattdessen. Das Wiener Label war seine Keimzelle, die Stadt sein geliebter Rückzugsort.
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Die einfachste Frage: Was hat denn so lange gedauert? Gute Frage. Im Endeffekt waren es die kompliziertesten Nummern, die ich je gemacht habe. Equalizing, Layering, wie man eine Nummer dicht klingen lassen kann und zur gleichen Zeit leer, wenn man sie leise dreht … teilweise bin ich an einer Nummer zwei Monate geses sen, habe vielleicht auch zu viel Zeit damit verbracht. Ich wollte, dass sie auch noch ein Jahr später gut für mich klingen, dass man immer wieder neue, kleine Details entdecken kann, dass sie langlebig sind. Mit dem neuen Equipment musste ich mich auch lange umstellen und einspielen. Das Album ist in weiten Teilen von Hand eingespielt, ohne Sequencing. Es ist ja schon fast ein Jahr lang fertig. Es gibt noch ein paar Nummern für eine EP. Dann kamen noch Labelsuche, Verträge, Tracklist. Ab wann wolltest du wieder ein Album machen? »When Planets Explode« war ja weniger ein Album, sondern ist passiert. Ich hatte relativ früh wieder das romantische Bild, das im Nachhinein ein bisschen lächerlich ist, dass man sich da hinsetzt und überlegt, wie das Album anfängt, aufhört und das so schreibt. Es gab sicher auch viele halbfertige Tracks? Klar. Ich habe sicher noch vier Stunden fertiger Nummern, die nie rauskommen werden. Vielleicht mache ich einfach ein Zip-File und haue das irgendwann raus. Ich brauche diesen Friedhof, um das Beste raussuchen zu können. Hat Ninja Tune irgendwann gesagt, wir brauchen einen Banger? Mit Ninja zu arbeiten war super angenehm. Sie sind noch Indie. Ich hätte verstanden, wenn da Ansprüche gekommen wären – und ich hätte ihnen gesagt, dass ich zu den Nummern stehe – aber es hat für sie gepasst. Sie haben das als Gesamtwerk verstanden. Wir waren schnell auf demselben Blatt. »Nest Nest« erfüllt eine sehr wichtige Funktion, da ganz in der Mitte, fast wie auf einem Konzeptalbum, aber es gibt zum Album keinen versteckten Bauplan? Ich bin ein großer Freund davon, wenn Leute ihre eigene Vorstel lungskraft verwenden müssen. Ich habe schon als Jugendlicher jene Kunst geschätzt, die mir nichts aufzwängt und Dinge offen lässt. Ich mag Abstraktes und Surreales. Außerhalb von Rap-Texten habe ich nie auf Texte gehört und kann dir bei keiner einzigen Radiohead-Nummer sagen, was Thom Yorke singt. Ich hatte Angst davor, wie ein Preacher zu wirken, ohne dass es andererseits hohl wirken sollte. Es ist ein Konzeptalbum ohne Konzept. Das Album kommt mir selbst für elektronische Verhältnisse relativ nah an Absoluter Musik vor, als wäre alles, was man zu sehr interpretieren könnte, rausgeräumt. Ich wollte auf jeden Fall etwas Einfaches machen, etwas, das zu gänglich ist, aber auch verstört und beunruhigt, wenn man genauer hinhört. Auch früher schon war das bei tanzbarer Musik mein Ziel, dass sich Leute bewegen, aber wenn sie daran denken, warum sie das tun, sich nicht auskennen, wo alles von einer intuitiven Reaktion lebt und der Sinn sich nicht leicht erfassen lässt. Vielleicht war das auch eine Gegenbewegung zu dem, von wo ich herkomme. Dynamik war mir wichtig, aber weg von ADD ( Attention Deficit Syndrome), weg da von, dass laufend etwas Neues passieren muss, was ich früher oft aus einer Unruhe heraus verspürt hatte. Ich wollte etwas Simples machen und gleichzeitig bin ich daran gescheitert.
»Tried (Now Tired)« hat ja den Preis für den besten Fake-Fade Out der letzten Jahre verdient, der mitten im Track mal einfach abklingt. Wie ist das denn passiert? Eigentlich hätte der gleich so anfangen sollen, es sollte der epische Abschluss sein, wo nach dem Fade Out plötzlich alle Ebenen da sind. Ein Freund, Zanshin, meinte, es wäre doch schön, wenn ich die ein zelnen Elemente vorstelle. Ich kenne das aus meiner Kindheit im Pop, statt die Nummer zu beenden, kommt sie zum A-Teil zurück und faded aus. Daran wollte ich erinnern. Ich habe auch einige blöde Fragen mit. Eine wäre: Warum eigentlich so viele Melodien? Das ist ein bisschen ein neuer Fetisch geworden. Ich war früher sehr Harmonie- und Akkord-bezogen. Als Keyboarder dachte ich, das sei, womit ich anfangen müsste. Durch die vielen, neuen monopho nen Synthesizer (können nur eine Tonhöhe auf einmal spielen, Anm.) konnte ich keine mehrstimmigen Akkorde aufnehmen. Dadurch muss te ich Melodie über Melodie aufnehmen, bis die letzte Ecke voll war. Das erinnert mich an Barockmusik, wo sich Melodiefolgen schichten. Das gibt es sonst gerade nirgends. Kontrapunkt, ja, das war auch so ein Gedanke, der mich fasziniert hat. Wenn sich zwei Linien gegeneinander bewegen. Das habe ich früher nie gemacht in meinem autodidakten Jazz-Zugang. Das wollte ich die letzten zwei Jahre erforschen, Melodielinien, die gemeinsam zu sich morphenden Akkorden werden. Mich haben Ohrwürmer sehr fasziniert. Wie kann man einen einfachen Hook wieder mit anderen Melodien so entfremden, dass er trotzdem heraussticht. Warum eigentlich nicht Warp oder Brainfeeder? Ninja Tune waren am motiviertesten. Es braucht nicht nur den rich tigen Namen, sondern auch Leute, die an das ganze Ding glauben und verstehen, wo du damit hinwillst. Nach zwei Monaten war ziemlich klar, dass es Ninja wird. Kennst du auch andere Artists von Ninja Tune? Die meisten habe ich bei der 20-Jahre-Feier in Brüssel, London, Paris kennengelernt, im kleinsten Tourbus, den man sich für sieben Leute vorstellen kann, wo Kid Koala, Daedalus usw. dabei waren. Falty DL, Machinedrum, mit solchen Leuten bin ich eher in einer Generation. Und dann gibt es ja noch Affine. Jamal, der das Label macht, war mein erster Supporter. Das ist alles aus Freundschaft entstanden. Es gab eine längere Ruhephase. Jetzt kommt wieder viel zusammen. Holy Oxygen, da kommt auch noch anderes. Ogris Debris sind Studiokollegen, die sind auch gerade mit tendrin. Es gab letztens eine Podiumsdiskussion mit der Frage, ob denn Affine das neue G-Stone in Wien ist. Das Label setzte anfangs ein paar große Statements, dann kam der Label-Sampler, es gibt noch diese Freundschaften, aber jetzt verstreut sich das doch in alle Winde. Es braucht auch diese Ausflüge, um mit einem Statement wieder nach Hause zu kommen. Affine ist eine Homebase, wir beeinflussen uns gegenseitig, haben voneinander gelernt. Ich würde nicht Musik machen, wenn mir der Paul (The Clonious, Anm.) nicht Reason gezeigt hätte. Ohne Gregor (Ladenhauf, Zanshin und Ogris Debris, Anm.) gäbe es das Studio nicht und alles, was ich an rhythmischen Sachen mache, wäre ohne Clemens (Cid Rim, Anm.) wesentlich einfacher gestrickt. Das geht über ein Label hinaus. Hast du jemals mit dem Gedanken gespielt auszuwandern? Hmm. Kurz nach der »Trilingual«-EP und mit all den UK-Bookings hat mir die Idee zugesagt, künstlerisch und persönlich, aber finanziell wäre es eine Belastung gewesen. Ich hätte sicher ein anderes Album in London gemacht. In Wien ist es leichter, sich zurückzuziehen. Ich hatte ein bisschen Angst, was London mit mir machen könnte. Mental habe ich das gebraucht, daran zu denken wegzuziehen, um zu merken, wie sehr ich Wien liebe. Ist in Wien nicht die größte Gefahr, dass es zu gemütlich ist? Ja, schon. Wenn ich von einem Festival zurückkomme, brauche ich das. Es bleibt einem schon viel Zeit für nötige und unnötige Selbstre flexion. Das ist etwas, das uns von Tieren unterscheidet, dass wir uns langweilen können. Ich genieße die Freizeit hier, und dass nicht zu
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» Ich wollte auf jeden Fall etwas Einfaches machen, etwas, das zugänglich ist, aber auch verstört und beunruhigt, wenn man genauer hinhört. «
viel passiert. Für mich war aber immer viel los, es gab gute Bookings, Leute, die neue Musik hören wollten, in der Fluc Mensa, bei The Loud Minority. Vielleicht wussten manchmal Leute zu wenig Bescheid. Aber so sehr es für einen Künstler schrecklich ist, wenn nur fünf Leute da sind, habe ich diese Tristesse und das Makabere gemocht. Ich mag die Tristesse einer schlecht besuchten Party. Was machst du, wenn du wieder mal offline bist? Du arbeitest dann sicher nicht nur? Oder doch? Nur arbeiten nicht. Ich bin dann schon oft heimlich online, ein biss chen ein Lurker, ohne Mails und Social Media, eher auf Youtube, um die Skurrilität der Welt zu sehen. Durch mein eigenes Studio hat sich das seit einem Jahr geändert. Ich habe außerhalb von Musikmachen nicht wirklich andere Hobbys. Du studierst also nicht heimlich arabisch oder hast geheime Laster? Das überhaupt nicht. Aber ich zeichne. Das begleitet mich. Ich bin ein Fan von schwierigen Zeichnungen. Ich checke mir den dünnsten Fineliner und mache eine 2 × 2 cm-Fläche innerhalb von vier Stunden voll. Das Artwork ist ja eine Illustration von mir, die hat fast zwei Monate gedauert und baut auf einer 40 cm großen Zeichnung auf, die ich zerschnitten und neu zusammengesetzt habe. Das ist ein bisschen
eine Metapher für meine Art Musik zu machen: improvisieren, Loops raus schneiden, die Fetzen neu zusammensetzen. Wenn es Musik nicht gäbe, würde ich das machen. Es gibt drei Blocks voll alter Car toons von mir. Ich habe »Die Hard 4«, bevor der rausgekommen ist, in der U-Bahn gezeichnet, »Die Hard 5« im Einkaufszentrum. Bruce Willis hat da viele Leute umgebracht. Was war denn das größte Konzert, das du bisher bespielt hast? Das war wohl die Royal Albert Hall, ein Abend von Cinematic Or chestra, wo ich mit Streichquartett, Cid Rim und anderen gespielt habe. Das war einschüchternd, ein surrealer Ort. Hast du da wieder deine Brillen abgenommen, um das auszublenden? Ja, zu der Zeit habe ich sie überhaupt nie getragen. Ich habe zwei verschwommene Jahre. Wirst du eigentlich erkannt? Gelegentlich. Es kommt vor, aber nicht zu oft. Letztens habe ich ein Paar Hosen gekauft. Da meinte der Verkäufer: »Jetzt kann ich erzählen, dass ich Dorian Concept ein Paar Hosen verkauft habe.« »Joined Ends« von Dorian Concept erscheint am 17. Oktober via Ninja Tune / Hoanzl. 017
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Wenn auf großen, langen, harten Gegenständen geritten wird, die Zerstörung bringen, dann ist das Geschlecht meist nicht weit. Besonders wenn sie rosa und süß sind. 018
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golden frame — Cosima von Bonin – Missy Misdemeanor
Ride The Pink Pony Das Ding zündet nicht. Es ist hart, rosa, hübsch und dekorativ. Wenn so eine Torpedo-Rakete von Cosima von Bonin stammt, wird damit auch eine große Referenzmaschine befeuert. Nicht nur Vergangenes, sondern auch das kulturelle Milieu aus Freunden und Bekannten beeinflusste die künstlerische Sprache von Cosima von Bonin. Als Barfrau im Kölner Künstlerlokal Königswasser und zwischen den Regalen der Buchhandlung Walther König lebte sie die Kunstszene der Stadt am Rhein. Obwohl man nicht mehr unter der Repression älterer Generationen zu leiden hatte und die Stadt in Sachen Musik, Kritik und Kunst brodelte, entstand im Kontext einer neo-liberalen Gesellschaft ein neuer Druck auf das (Künstler-)Subjekt: eine neue Repression im Zeitalter eines normativen Narzissmus unter dem Aufschwung des Kunstmarkts – eine Problematik, die Cosima von Bonin über die Jahre gemeinsam mit ihrem Umfeld thematisierte und eine radikale Stellung dazu einnimmt.
Eine aufgebahrte, weiß-rosa-grüne Torpedo-Rakete changiert zwischen den militärischen und maritimen, gewalttätigen und harten Implikationen des Torpedos und der monumentalen Gestik des faulen, fluffigen und weichen Stofftierkonglomerats, das auf ihr verweilt. Der Torpedo besitzt dieselbe Form wie die Rakete auf einem Albumcover des Moritz von Oswald Trio. Die Gestaltung des Covers stammt von Cosima von Bonin. Die Sounds ihrer Serie »The Fatigue Empire« (Das ermüdete Imperium) produzierte wiederum der deutsche Komponist. Wie auch die experimentellen, flächigen Sounds, die in Wellenformen auf unseren Körper schlagen, erschaffen die Untertöne der Torpedoröhre Spannungen und manchmal eine Melancholie in den Tiefen des Gewässers der Egos. Dem scheinbar gewalttätigen Handeln des Torpedos wird mit dem lazy, cosy Stofftier eine Form des »Scheiterns« gegenübergestellt. Die Rakete zündet nicht. Lässig und in einer gewissen Verneinungshaltung überhaupt nicht mehr aggressiv sitzt da ein pop-kultureller Referent eingehüllt in feinste Fashion-Stoffe faul auf der riesigen rosa Rakete. Denn der Titel der Arbeit, »Missy Misdemeanour«, gibt direkte Referenzen zur Populärkultur, genauer zu Missy Elliot als erfolgreiche weibliche Rapperin, Musikerin und Produzentin der 90er Jahre. Irgendwie sind auch das wieder autobiografische Verbindungen hin zu Cosima von Bonin selbst, die als Historikerin, Künstlerin, Produzentin und charmante Kommandeurin ihrer Flotte auftritt. Die unterschiedlichen Komponenten, die Cosima einsetzt, eine Pop-Diva im neo-liberalen, männlich geprägten US-HipHop-Show-Business, die Kriegsmaschinerie Torpedo, die Musikmaschinerie, der faule Kommandant, all das wirkt selbstreflexiv, antiautoritär und als Statement doch ziemlich radikal in Zeiten, in denen wir 24/7 zu funktionieren haben. Am 3. Oktober 2014, 19.00 Uhr, wird die Ausstellung »Hippies Use Side Door. Das Jahr 2014 hat ein Rad ab« von Cosima von Bonin im Mumok eröffnet. Über 100 Werke, Textilbilder, Filme, Skulpturen, Raum- und Klanginstallationen, Plüschtiere, Raketen und Riesenkraken werden dort bis 18. Jänner 2015 zu sehen sein.
Text Denise Helene Sumi Bild Cosima von Bonin. Hippies Use Side Door.
Schlaffes, weiches Imperium
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Clubkultur in Bratislava — Streifzug mit Adressen zu ausgewählten Clubs
Du hast keine Ahnung von Bratislava Wiener kennen keine Clubs in Bratislava. Faulheit oder Unwissen? Die Stadt wäre näher als Graz, Linz oder St. Pölten. Spätestens zum Waves Festival sollte man mal hin. Was aber kann die Clubkultur dort?
Text Yasmin Szaraniec Bild Martin Haburaj
Es bräuchte ja nicht einmal den Easyjet-Set. Während Feieranten aus ganz Europa für ein Wochenende schnell einmal in die Technotempel Berlins fliegen, würde von Wien nach Bratislava eigentlich schon ein Taxi reichen. Grund für den Ausflug könnte derselbe sein: billige Getränke, wenig Regeln, ungewöhnliche Locations, noch dazu großteils mitten im Zentrum in Gehweite voneinander entfernt. Die Clubs in Bratislava sind definitiv eine Reise wert. Nur mit den internationalen Bookings hapert es hinter der slowakischen Grenze noch.
Billiges Bier Das Nachtleben in der slowakischen Hauptstadt ist vor allem eines: günstig. Ein Bier kostet abseits kommerzieller Clubs durchschnittlich zwei Euro. In den letzten Jahren sind die Eintrittspreise sogar nach unten gegangen, selbst internationale Acts kosten fast nie mehr als sechs Euro. Barbara Farkaš, D-Jane bei Assquakess, ist in Bratislava geboren, in Wien aufgewachsen und legt in beiden Städten auf. Ihres Wissens sind Free Partys mittlerweile ziemlich ausgestorben. Lokale DJs bekommen meistens gerade einmal dreistellige Gagen, weiß sie. Clubs haben ein kleineres Budget, die gebuchten Namen sind entsprechend nicht so bekannt, sagt Radoslav Tomek. Er ist Mitbesitzer des Nu Spirit Club, legt selbst auf und hat eine eigene landesweite Show beim beliebten slowakischen Radiosender Radio FM. Dafür bleibt Clubs in Bratislava die Vergnügungssteuer erspart. In Österreich hat man letztes
Jahr versucht, eine Kampagne gegen diese Abgabe auf Eintritte und Getränke zu initiieren, die aber kolossal versandet ist. In der Slowakei kann man dagegen mit deutlich weniger Staat rechnen. Lange hatte man überhaupt eine sehr liberale Flat Tax, viele Unternehmen siedelten sich an. Bratislava ist heute laut Eurostat die fünftreichste Region in Europa, noch vor Wien. Das Pro-Kopf-Einkommen ist fast doppelt so hoch wie im EU-Schnitt.
Lautstärke nach Belieben Die Musik wird so laut aufgedreht, wie es gefällt – kein Club in Bratislava musste jemals wegen Lärmbelästigung zusperren. Gleichzeitig sind Polizeikontrollen oder Anrainerbeschwerden sehr selten. Die meisten Clubs sind unter der Erde, in Kellern oder in einem ehemaligen Luftschutzbunker untergebracht – wie der einstige U Club, heute als Subclub bekannt. Wie bei uns spezialisiert sich jeder Club auf eine bestimmte musikalische Richtung: Bratislava verbindet eine lange Drum’n’Bass-Tradition mit Wien. Aber so wie in der Pratersauna auch mal Med-&-Law-Feste stattfinden, kann man im Subclub an einem Samstag auch auf einer Indie-Party landen. Katarina Sido, tschechisches Model und Künstlerin, die auch den Eingang des Nu Spirit Club designte, hat in ihrer Jugend viel Zeit im Subclub verbracht. Er hat eine düstere Atmosphäre, aber abwechslungsreichen Sound und ist auch abseits des Mainstreams ein sehr beliebter Club. Im Nu Spirit Club ist das Booking hingegen internationaler. Es gibt auch Jazz-Konzerte oder bekannte Bands bei entsprechend höherem Eintritt. Warm-
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Adressen:
up-Partys von internationalen Festivals, Red Bull Music Academy, Nôze oder Theophilus London, man bezeichnet sich als Anti-Mainstream, Underground und Punk-Club, obwohl es auch Partys mit Funk und R’n’B gibt. Die slowakische Jugend steht aber scheinbar auch auf harte Bässe, auf UK Garage, Grime und Juke, die hier besonders gerne laufen. Nu Spirit ist der einzige Club, der eigene Securitys hat, die noch dazu gut Englisch sprechen. In der Slowakei ist es sonst nicht üblich, Rausschmeißer für die Nachtclubs zu engagieren.
Klub Dole Námestie Slovenského národného povstania 30 811 01 Bratislava
Fashionistas und Festivals Daneben gibt es auch kleinere Locations wie das Fuga bzw. das Batelier. Im Klub Radost – slowakisch für Freude – kann man außer sonntags immer elektronische Sounds erwarten. Sieht aus wie ein Kanalrohr und ist recht klein, aber mit gutem Soundsystem ausgestattet. Vor allem junges Publikum gibt es im neuen Refresh Club mit allen Musikrichtungen quer durch die Stile. Ein richtig hipper Club wäre das KC Dunaj, sagt Katka Sido. Er befindet sich in einem alten, kommunistischen Gebäude im vierten Stock mit Aussicht auf die Stadt und hat eine einzigartige Atmosphäre. Auch hier ist Lärm kein Problem. Das KC Dunaj ist mehr Kulturzentrum als Club. Im Keller des selben Gebäudes ist der Klub Dole (Club »Unten«). Er hat eine hervorragende Soundanlage sowie eine LED-Decke und bringt frischen Wind nach Bratislava. Soll heißen, dort tummeln sich – wie Tibor Holoda sie nennt – »Fashionistas«. Als Mitbegründer des schon erwähnten Subclub ist er in der elektronischen Szene von Bratislava fest verankert. Er wickelt große Festivals wie das Electronic Beats oder Wilsonic ab und ist darüber hinaus in anderen osteuropäischen Städten aktiv. Natürlich bedeutet das hier, ganz besonders am Limit zu arbeiten. Als Tibor Holoda letztes Jahr zwei Wochen ins Krankenhaus musste, stockten viele wichtige Arbeiten, ein Line-up mit Underworld, Trentemøller und My Bloody Valentine für schlappe 39 Euro musste abgesagt werden.
Nu Spirit Club Štúrova 19/3 811 02 Bratislava Batelier & Fuga Továrenská 2586/14 821 01 Bratislava
Refresh Music Club Ventúrska 5 811 01 Bratislava KC Dunaj Nedbalova 3 811 01 Bratislava
Bild Klub Dole, Club Nu Spirit, Terézia Hornáčková, Jakub and Martina Photography, Martina Mlcuchova
Ob es sich lohnt … ? Außergewöhnliche Bookings scheinen trotz allem im Cluballtag Bratislavas Mangelware zu sein. Eine richtige Clubkultur hat sich in Bratislava noch nicht entwickelt. Tomáš Ferko aka Teapot spielt regelmäßig in den Clubs und spricht einen wichtigen Punkt an: »Bratislava ist weder Berlin noch London und ist nicht Teil der großen Music-Biz-Hype-Maschinerie, vor allem, weil es an einer funktionierenden und vielfältigen Musikpresse fehlt. Alle interessanten Dinge passieren außerhalb institutioneller Strukturen. Es liegt an Facebook, Twitter & Co, dass Veranstaltungen überhaupt wahrgenommen werden.« Auch Sponsorings von den großen Marken sind rar. Player wie Red Bull, Heineken oder Eristoff sind viel weniger involviert. Das schafft zwar Freiheit im Kopf, aber auch knappere Budgets. Und Clubkultur hat natürlich Konkurrenz. Radoslav Tomek meint, dass die Leute heute weniger bereit sind auszugehen und ihr Geld lieber für wichtigere Dinge wie iPads ausgeben. Im nächtlichen Bratislava gibt es mittlerweile zahlreiche Cafés, Bistros und gepflegte Bierlokale, die bis weit in die Morgenstunden geöffnet haben. Wenn man also nach Mitternacht trinken möchte, muss man dafür nicht mehr in einen Club gehen. Die Öffis fahren ab Mitternacht stündlich zum Hauptbahnhof und zurück – von dort sind es wenige Gehminuten zu den Clubs, die im Zentrum liegen. Aber wenn man um 3.30 Uhr morgens den Bus verpasst, war’s das. Von den Intervallen der NachtU-Bahn in Wien ist man noch Längen entfernt. Dabei dürfen die meisten Clubs bis 6 Uhr früh offen halten. Für Sperrstunden gibt es keine einheitlichen Regeln, jeder Betreiber muss sich das mit den zuständigen Ämtern aushandeln. Dass neue Locations wie der Klub Dole oder der Refresh Club vor Kurzem eröffnet haben, zeugt aber davon, dass die Clubszene sehr wohl aktiv ist und voranschreitet. Bis die Twin Citys auch in Sachen Clubkultur zusammenwachsen, braucht es wohl noch einiges an Aufklärungsarbeit, bis die Scheuklappen aus den Köpfen verschwinden. Ein billiges Eldorado in Bunkern und Kellern wartet. Das »Waves Bratislava – Music Festival and Conference« findet vom 3. bis 5. Oktober 2014 in Bratislava in den erwähnten Clubs KC Dunaj, Nu Spirit Club und Club Dole statt. Wer mehr über die Bratislava Untergrund-Musik-Szene erfahren möchte, der kann diese auf Twitter verfolgen: twitter.com/_BA_Underground
Radost Music Club Obchodná 528/48 811 01 Bratislava
A4 Námestie Slovenského národného povstania 811, 811 06 Bratislava
Subclub Nábrežie arm. gen. Ludvíka Svobodu 811 02 Bratislava
WEITERE WAVES BRATISLAVA LOCATIONS: Rádio_FM Stage im V-Klub Námestie Slovenského národného povstania 12 812 34 Bratislava Atelier Babylon Námestie Slovenského národného povstania 473/14 811 06 Bratislava Gorila.sk Urban Space Námestie Slovenského národného povstania 473/14 811 06 Bratislava Polnisches Institut Námestie Slovenského národného povstania 486/27 811 01 Bratislava Urban House Laurinská 213/14 811 01 Bratislava 021
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Bratislava Tipps — Coole Kleinode einer zu selten bereisten Stadt
Du hast keine Ahnung von Bratislava
Text Dominik Oswald Bild Galéria Nedbalka, Satelit Gallery, Artforum/Bene, Kino Lumiére, Waves Bratislava, Pod Kamenným Stromom, Obývačka
Man sollte mal wieder oder überhaupt nach Bratislava fahren. Denn die Stadt ist wie Wien, nur anders. Ein kleiner Guide für künftige Bratislovers. Mal ehrlich: Als West-, Ober- und Südösterreicher sowieso, aber auch als Wiener ist man viel zu selten in Bratislava. Wenn man sich die Entfernung der beiden Hauptstädte ansieht, ist das mehr als verwunderlich. Nur zwei europäische Hauptstädte sind sich näher, aber bei Rom und Vatikan Stadt ist der Vergleich eher unfair. Mit einer Luftlinie von rund 55 Kilometern und einer Route von rund 80 Kilometern ist Bratislava noch dazu deutlich näher an Wien als Linz oder Graz. An der Entfernung kann es also nicht liegen. Auch nicht am Hinkommen. Mit dem Fahrrad – bei insgesamt nur 150m Steigung selbst mit dem Fixie, falls 2014 noch jemand so etwas fährt – ist man in rund fünf Stunden da. Kräftesparender geht es mit dem Bus in rund 45 Minuten. Man darf da auch gerne mal im Stadtzentrum aussteigen und nicht nur – wie so viele – am Flughafen bei Ryanair. Schiff gibt es auch, für das besondere Feeling und mit Anlegestellen direkt im Zentrum der Städte. Mit Bratislava verhält es sich so wie mit jeder europäischen Stadt. Ist man einmal dort, kommt einem alles bekannt vor. Lokale und Locations sind, wenn auch deutlich rarer, ähnlich wie in Wien, für die meisten heimischen Lieblingsorte gibt es ein Äquivalent in Bratislava. Bratislava ist wie ein kleines Wien. Also wie Graz. Nur anders. Bratislava ist nah und fühlt sich gleichzeitig fremd und wie daheim an. Und mal ehrlich, selbst New Yorker fahren gelegentlich nach Boston oder Philly. Wie willst du dich weiter über US-Amerikaner lustig machen, die kein europäisches Land auf der Karte finden, wenn du selbst keine Ahnung von Bratislava hast? Eben.
Kino Lumiére. Das Top-Kunst-Kino Bratislavas und wichtiger Bestandteil der alljährlichen Filmfestivals. Filme kosten hier nur vier Euro und das Warten ist elegant wie selten wo.
Film
Bühne
Wie es der Zufall so will, finden im Oktober und November zwei der wichtigsten Filmfestivals der Slowakei in Bratislava statt. Das bekannteste davon ist das Internationale Film Festival Bratislava (IFF), das heuer bereits zum 16. Mal stattfindet und sich in etwa im selben Rahmen wie die Viennale bewegt, alles eine Spur kleiner und alternativer. Es lohnt sich hinzufahren, da – beginnend zwei Tage nach dem Ende der Viennale – in Wien verpasste Filme nachgeholt werden können. Unter den Kinos des IFF stechen im restlichen Jahr vor allem die Kinos Mladosť und Lumieré hervor, die den Kunstkinos in Wien in nichts nachstehen. Letzteres ist auch Schauplatz des zweiten Festivals, dem Slovak Queer Film Festival, das Ende Oktober über die Leinwand geht und je nach thematisch passender Verfügbarkeit auch Filme großer Festivals zeigt. In sämtlichen Kinos werden fremdsprachige Filme in der Originalversion ausgestrahlt und untertitelt. Anders als in Wien kann man also vorbehaltlos in jedes Kino gehen. Und das zu einem Preis, zu dem man in Österreich nicht mal eine Portion Sportgummi bekommt.
Noch bis Ende Oktober findet das slowakische Äquivalent zum ImPulsTanz Festival, das internationale Bratislava In Movement Festival statt, abseits davon sind Tanzperformances eher rar. Viele Locals nehmen dann den Weg die Donau aufwärts, ebenso verhält es sich mit Konzerten. Die meisten großen und mittelgroßen Acts verzichten weiterhin auf Shows in Bratislava, als Einzugsmagnet ist Wien vielen ausreichend. Mit dem Waves Bratislava, das heuer zum zweiten Mal als Zwilling des Wiener Showcase-Festivals fungiert, haben die 420.000 Einwohner ein Festival bekommen, das die vorhandene Lücke an gut besetzten Shows schließt. Aus Mangel an wirklich geeigneten Locations setzt das Waves größtenteils auf Bühnen, deren übliches Programm deutlich von dem entfernt ist, was während des Festivals geboten wird. Aber natürlich gibt es das ganze Jahr über Konzert-Locations, die vor allem direkt am Námesti SNP liegen. Welche das sind? Einmal zurückblättern zu Clubkultur, bitte. Wer sich im Theatersaal wohler fühlt und Lust auf eine günstige Big Night Out hat, kann ins Slovak National Theatre gehen und bei Opern und Balletts mit tollen Ensembles in der ersten Reihe sitzen. Sprechtheater sind leider weder zahlreich noch fremdsprachig.
Kino Mladosť, Hviezdoslavovo námestie. 17, 811 02 Bratislava Kino Lumiére, Špitálska 4, 811 08 Bratislava
Slovak National Theatre, Pribinova 17, 811 09 Bratislava 022
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Galéria Nedbalka. Die Innenstadtgalerie zeigt in architektonisch eindrucksvoller Art vor allem Werke slowakischer Künstler der Moderne. Aktuell gibt es eine Sonderausstellung zu Vincent Hložník.
Gorila.sk Urban Space. Der Café-meets-Lifestyle-Shop bietet auch viel Auswahl, was das Sitzmobiliar betrifft. Beim Waves Bratislava wird das Lokal kurzerhand zur Bühne umfunktioniert.
Kunst und Literatur
Café und Vorglühen
In Bratislava gibt es eine fein austarierte Galerienlandschaft. Die historischen Museen sind größtenteils mit den Wiener Habsburgermuseen ident, nur kleiner. Mehr im Jetzt daheim ist die Galéria Nedbalka. Wer es kleiner und cheesiger mag, ist in der CT Gallery gut aufgehoben, die Artotéka ist eher für Freunde des Grafikdesigns und der Buchillustration gedacht. Für Architektur- und Designkunst-Interessierte gibt es die Satelit Gallery – in einer ehemaligen Kaserne einen Besuch wert. In Gehweite sind sie alle. Ein Blick auf jene Galerien, die am jährlichen Bratislava Art Festival teilnehmen, bieten weiters einen guten Überblick über die klein- und mittelgroßen Galerien der slowakischen Hauptstadt. Wer Kunst nicht nur passiv konsumieren will, sondern auch Bücher darüber kaufen und selbst bei Kurztrips den Wiener Lieblingsort für Literaturinteressierte, das Phil, vermisst, sollte dem Artforum einen kurzen Besuch ausstatten. Ab und zu gibt es dort auch Konzerte.
Wer weder Kunst, Kultur noch Musik mag und sich schon tagsüber von den sehr günstigen Bierpreisen – ein Krügel kostet selten mehr als zwei Euro – überzeugen will, kann gleich die Bars der Stadt anvisieren. Am praktischsten ist dabei das etwas nördlichere YMCA-Gebäude, das, nicht immer ganz geschmackssicher, verschiedenste Bars und Lokale beherbergt. Dass die gesamte Lokalszene des Wiener Gürtels in ein einziges Haus passt, sieht man dafür auch nicht alle Tage. Für diejenigen, die es ein bisschen stilsicherer mögen, sei unter anderem der Gorila.sk Urban Space empfohlen, der sich zwischen den beiden Waves Bratislava-Locations KC Dunaj und Klub Dole erstreckt. Wie üblich passen die Möbel nicht perfekt zueinander, Berlin lässt grüßen. Ähnlich gestaltet sich die Sache im eindrucksvollen Café Obývačka, im Café Kontakt oder im sehr versteckten Café Pod Kameným Stromom, das auch sehr gute Burger im Angebot hat. Alle sind natürlich im Zentrum.
Galéria Nedbalka, Nedbalova ulica 17, 811 10 Bratislava CT Gallery, Panská 17, 811 10 Bratislava Galéria Artotéka, Kapucinska 1, 811 03 Bratislava Satelit Gallery, Kollórava námestie, 811 07 Bratislava Artforum, Kozia 20, 811 03 Bratislava
YMCA-Gebäude, Karpatská 2, 811 05 Bratislava Gorila.sk Urban Space, Námestie SNP 30, 811 01 Bratislava Café Obývačka, Dunajská ulica 54, 811 08 Bratislava Café Kontakt, Ventúrska 12, 811 01 Bratislava Café Pod Kamenym Stromom, Sedlarska 10, 81101 Bratislava 023
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Bernhard Gander – »Das Leben am Rande der MilchstraSSe« — Der Komponist einer Sitcom-Oper für Wien Modern im Interview
Eine schrecklich nette Sitcom-Oper Text Stefan Niederwieser Bild Bregenzer Festspiele / Anja Köhler
Kommt mit Metal-Shirt an, plaudert wirklich nett über spaßbefreites Musiktheater, Couch-Gags und das Büro als Familienersatz. Bernhard Gander dürfte für das Festival Wien Modern mehrere Grenzen der zeitgenössischen Oper sprengen.
Ist es eher »MA 2412« oder an den schwarzen, österreichischen Kabarettfilm angelehnt ? Eher nicht. Wir hatten Angst, dass es wie »Mitten im Achten« wird oder zu österreichisch. Wir haben den Prozentsatz der Wuchteln zurückgeschraubt. Es gibt natürlich Witze, aber nicht dauernd Schenkelklopfer. Laufend musikalische Witze wären auch schlimm, es braucht einen längeren Atem, es soll subtiler gelagert sein. Arbeitest du wie deine Figuren in einem Büro? Ich hab in zahllosen Bürojobs gearbeitet, man wird ja nicht als freischaffender Komponist geboren – Adressieren, Marken kleben, Gastronomie. Heute ist das Büro ja eine Art Familienersatz. Gibt es am Ende ein großes Finale oder eine Katharsis? Ja, schon. Es gibt aber auch einen Cliffhanger am Schluss, so dass man sich wünscht, dass es weitergeht. Es bleibt offen. Es gibt aber eben auch ein großes Finale wie in vielen Sitcoms, in denen zwei Menschen zusammenkommen sollen, das 5.000 Folgen lang nicht schaffen und am Ende aber doch? Das gibt es auch. (Lachen) Die Aufteilung ist drei Männer, drei Frauen, es kommt zur potenziellen Paarbildungen. Eine Vatergeschichte ist da noch einmal übergeordnet. Der Agent aus Brüssel kommt ja, um das Büro zu evaluieren, und weiß, dass der Bürovorstand sein Vater ist, aber er traut es sich lange nicht zu sagen. Am Ende dann: »Luke, ich bin dein Vater!« Genau, ganz klar. Es werden ganz viele Filme zitiert, »Rambo«, »Der Pate«, auch Opern, Wagner, Monteverdi, manches davon verwoben. Ein langer C-Dur-Akkord? Eine Folge ist auf dem Tristan-Akkord aufgebaut. Ist denn zeitgenössisches Musiktheater zu spaßbefreit? (Zögern) Ja. (Lachen) Definitiv. Ich hoffe, wir können mit unserer Oper dagegenhalten. Leichte Muse will ich jetzt nicht sagen. Oder schon. Ich glaube, es ist das Schwierigste, eine gelungene Komödie zu machen. Kannst du dir das leisten, weil du Metal hörst? (Lachen) Das ist mir eigentlich relativ egal. Haben denn die Leute in Bregenz bei der Uraufführung von drei der insgesamt sieben Teile gelacht? Ja, lustigerweise bei beiden Aufführungen an unterschiedlichen Stellen. Bei der zweiten mehr, weil wir uns auch mehr getraut haben. An denen, wo ihr gedacht habt, dass gelacht wird? Eher an anderen, wo ich mir nie gedacht hätte, dass die Leute lachen. Wenn man zwei Jahre mit einem Text beschäftigt ist, wird man ja betriebsblind. Ich war wirklich überrascht über manche Stellen, wo das passiert ist. Die Stimmung überträgt sich sofort auf die Akteure, die dann aufgedreht haben. Ihr sagt, dass Oper heute relevant ist. Man könnte fragen: Warum? Musik und Theater sind für sich relevant, also muss beides zusammen relevant sein. Etwas Neues in Bewegung setzen, sei es einfach nur um der Musik willen. Sogar wenn ich nichts total Sozialkritisches machen will, sondern etwas Lustiges, Spaß ist genauso wichtig wie der Ernst, damit werden Bedürfnisse abgedeckt. Wie privilegiert ist man denn heute in Österreich, wenn man ein Oper per Auftrag schreiben kann? Eigentlich schon. Es ist natürlich Geld im Spiel und die Möglichkeiten, Opern aufzuführen, sind sicher begrenzt. Wien Modern macht normalerweise ja keine Opern, jetzt zum ersten Mal. Wiener Festwochen, Salzburger Festspiele, Bregenzer Festspiele, es ist enden wollend. Hast du jetzt Lust, öfter und mehr zeitgenössische Formate aufzugreifen? Ja. Eine Youtube-Oper als nächstes? Warum nicht? Ich mag Live-Musiker halt sehr. Horror, Soaps, es gibt wahnsinnig viel. Sitcom und Serien, da arbeiten mittlerweile irrsinnige Teams daran, das sind für mich die aktuellsten Formate.
»Das Leben am Rande der Milchstraße« Staffel I+II, Folge 1-7 wird bei Wien Modern in drei Fortsetzungen am 31. Oktober sowie am 1., 7., 8. und 21. November aufgeführt. 024
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Caribou – »Our Love« — Liebe in all ihrer Textur und Komplexität als Dance Music
Liebesdinge und Mitsing-Sachen Das neue Album ist besser als »Swim«. Ja klar, darüber lässt sich herrlich streiten, steht aber jetzt einfach mal da. Manche finden die psychedelischen Sachen von früher sowieso besser oder brauchen eine gerade Basstrommel, wie sie bei dem auf den Tanzboden schielenden Daphni-Nebenprojekt häufig zu hören war. »Odessa« ist kein zweites Mal drauf, derselbe Überhit fehlt. Aber dieser andere neue Song da mit dem langen langen Aufbau – für den Club gibt es ja Edits mit mehr Bumms – den konnte man seit dem allerersten zarten Loop, der einem einflüstert, nicht und nicht und nicht und nicht, und nicht und nicht und nicht und nicht ohne dich zu können, bis die Synths immer intensiver brennen, diesen Hit konnte man schon sehr oft unterwegs hören. Vielleicht ja doch ein Überhit. Und weil das erste Album seit vier Jahren durch ein Leck massiv ins Internet gedrungen ist, »Silver« auch.
fen, deine am allermeisten. Ein erfolgreiches Album bedeutet in so einer Situation ohnehin nur, Fans nicht mit neuen Wegen zu sehr zu überfordern oder sie nicht mit dem Gleichen zu fadisieren. Das hier könnte ein Text über solche Alben sein, von The XX, Jamie Blake, Sbtrkt, Mgmt oder The Klaxons. »Our Love« ist nun gleich, aber ein bisschen anders. Zehn Songs mehr aus demselben edlen Holz, feinere Sounds, noch bessere Gefühle. Es ist nicht der große Wurf, der war schon, aber es geht auch um etwas anderes. Der kanadische Mathematikersohn Daniel Snaith aka Caribou Love Dance Music möchte die Komplexität und Textur aller Beziehungen in seinem LeAuf »Silver« hört man das Flüssige ganz besonders, das den Vorgän- ben darstellen, Familie, Freunde, Tochter, im Guten wie im Schlechten, ger schon so einzigartig gemacht hatte. Erst am Ende taucht der Song sagt er im Interview. Auf Tour merkte er, wie die Shows immer größer aus dem Wasserdom auf, die Melodie strahlt, ohne Wabern, klar, hym- wurden. Leute sangen mit, obwohl das nie das Ziel war und auch gar nisch, gelöst, wie für einen ganz neuen Tag. Das Liquide wird durch nicht leicht ist, absorbierten die Musik, machten sie zu ihrer. Caribou Liebe verdrängt, dem Überthema hier. Nun wird Caribou gerne damit vermeidet es, davon zu reden, etwas zurückzugeben. Aber er will sich erklärt, dass er Songs mit Tracks so mühelos verkreuzt hat. Denn frü- verdrahten, ankoppeln, Musik machen, die über ihn selbst hinausgeht. her, da hatte man noch über Gitarre oder Elektronik gestritten, was Es ist für sie alle. Gelbe, violette und grüne Herzen, die Renaissance ernsthaft besser ist. Auf eine Diskussion über die Formate, entweder von R’n’B, Fußballer und Emo-Rapper, die ihre Hände zu Herzen falten Club oder Konzert, muss man sich dankenswerterweise heute nicht – das hat in den letzten Jahren unsere Timelines besetzt. mehr einlassen. Du willst trollen? Talk to the Caribou. Einen Grammy fürs Lebenswerk setzt es bitte hinterher. Und ernsthaft, was soll nach Das Interview gibt‘s auf thegap.at/ourlove. so einem Hype eigentlich kommen? Erwartungen sind schwer zu tref- »Our Love« von Caribou erscheint am 7. Oktober via Merge.
Text Stefan Niederwieser Bild thomas neukum
Wenn das Kapital im 21. Jahrhundert uns enttäuscht hat und der Seele nicht mehr richtig Treibstoff liefert, besinnen wir uns auf das, was uns niemand nehmen kann, keine Bank und kein Staat – unsere Liebe.
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US-Retro-Serien — Wieso faszinieren uns historische Serien?
Once Upon A Time Retro-Serien gab es schon immer. Im Zuge des neuen Serienbooms gewinnen sie wieder an Bedeutung. Aber warum interessiert uns das eigentlich so sehr?
Retro ist jetzt schon seit Längerem die bestimmende Design-Maßeinheit. Ob in den meisten Läden diesseits der Donau, in den Konsumangeboten der Werbeindustrie oder auf den Laufstegen zwischen Mailand und New York. Natürlich musste auch das Fernsehen auf Retro reagieren, das immerhin die meisten wiederaufgenommenen Jahrzehnte – 1950er bis 1990er – selbst begleitet hat, und der neu erwachten Liebe am alten Design etwas entgegensetzen. Dazu gehören unsägliche Nostalgiesendungen im Hauptabendprogramm, aber zum Teil eben auch richtig gute TV-Serien.
Retro: Vintage Natürlich schielten Fernsehserien schon immer in Richtung Vergangenheit, mit Westernklassikern wie »Rauchende Colts« (ab 1955) oder »Bonanza« (ab 1959), die um 1870 spielen oder dem wegweisenden Crime-Drama »The Untouchables« (ab 1959), das cirka 30 Jahre davor spielte. Wenn man sich heute diese Serien ansieht, sind diese allerdings nicht wirklich »retro«. »Vintage« wäre richtiger. Obwohl meist gleich verwendet, bezeichnet vintage das, was tatsächlich alt ist. Retro können nur neue Produktionen sein, die mit der Ästhetik von alten Serien spielen und dementsprechend häufig storytechnisch in der Vergangenheit angesiedelt sind. »Masters Of Sex« ist retro, »Dallas« ist vintage, »Bonanza« sogar beides. Got it?
Retro / Boom
Text Dominik Oswald Bild FOX, Cinemax, ITV, WGN America
Es gab also immer schon genügend Serien, die im Damals spielten. In den letzten Jahren kamen aber neue Qualitäten hinzu und das Angebot an nostalgischen Serien stieg rapide. Selbst wenn man kleinere Produktionen außer Acht lässt, kann man auch bei den großen Budgets einen massiven Anstieg an Retro beobachten. So waren 2014 insgesamt 45 historische Serien und Fernsehfilme für einen Emmy nominiert. Dort zählten eher neuere Serien wie »Downton Abbey« oder »Fargo«, das ja 2006 spielt, zu den größten Gewinnern. Auch der hierzulande nahezu unbekannte Fernsehfilm »The Normal Heart«, der starbesetzt die Aids-Welle der 80er Jahre in New York thematisiert, konnte reüssieren (große Empfehlung an dieser Stelle). Zwei jüngere Glanzlichter: Bei »The Knick« führt Clive Owen den Trend weiter, dass Schauspieler der Kinoleinwand immer öfter im TV-Format vorbeischauen. Im Herbst werden etwa Matt Dillon, Ryan Philippe oder Laurence Fishburne folgen. Owen spielt seit August im von Steven Soderbergh gedrehten »The Knick« einen Arzt, der um 1900 ein innovatives Hospital leitet und dabei vor allem mit seinem Privatleben und seinen Süchten kämpft. Ganz anders stellt sich die zweite, mit höchsten Erwartungen versehene Serie dar: »Gotham«, das Prequel zu sämtlichen »Batman«-Sagas, hat von den übermächtigen Kinovorlagen her ein schweres Los zu tragen. Der Kriegsveteran Jim Gordon – gespielt von »O.C. California«-Hartschaler Ben McKenzie – hat gerade bei der Polizei angefangen und muss in der Stadt der Sünde mit Kleinund Großkriminellen, die später zu Bruce Waynes Haus- und Hoffeinden werden sollten, aufnehmen. Noch dazu soll er dabei sein Ego in den Griff bekommen. »Gotham« versprüht seinen Glanz vor allem dann, wenn man meint, Referenzen an »Batman«-Filme zu erkennen. Und – Spoiler – die gibt es reichlich. Das Binge Watching-Potenzial ist riesig. Verpasst man eine Folge, verpasst man womöglich auch den ganz jungen Joker. Auch wenn »Gotham« nicht bewusst in einer bestimmten realen Dekade spielt, schreit die gesamte Serie nach den 70er bis frühen 80er Jahren. Autos, Waffen, Kleidung, Technik. Alles kein Zufall, wie wir bald sehen werden. 026
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Retro / Aber warum? Es kommt nämlich nicht von ungefähr, dass gerade besonders viele Serien in den 60er bis 80er Jahre spielen. Neben Sixties-Serien wie »Mad Men« und »Masters Of Sex« spielen auch die an dieser Stelle schon besprochenen Period Pieces wie »Halt And Catch Fire« oder »The Americans« in diesem Zeitraum. Sozialpsychologisch gilt es als gesichert, dass man insbesondere im Alter von 40 bis 60 den sehr emotionalen Blick auf die eigene Vergangenheit und ihre Lebenswelten richtet, sei es Mode, Musik oder andere Devotionalien. 1963 wurden die meisten Österreicher geboren, in den USA lag der Rekord bis vor Kurzem im Jahr 1959. Was das alles mit den Jungen zu tun hat? Die meisten Menschen in der US-amerikanischen Film- und Fernsehbranche sind Babyboomer, die Medien (also sie selbst) reagieren darauf und machen »retro« zum kulturellen Phänomen, dem sich auch Jüngere nicht entsagen können. Nostalgie gibt es also eigentlich schon seit immer, existiert als Lebensgefühl aber erst, seitdem sich die vergangenen kulturellen Phänomene ins gegenwärtige Lebensgefühl integrieren können. Die NS-Generation konnte etwa ihre Retromanie nicht ausleben, die Jugend war (hoffentlich) nicht positiv besetzt. Menschen geht es ja immer irgendwie schlecht, Retro soll diesen Mangel ähnlich wie beim »Self Tracking« lindern. Bei diesem Trend vermisst man sich selbst, weil der Körper als letzte Einflusssphäre des »kleinen Mannes« gilt. Während wir uns wegen all der modernen Geräte nicht mehr authentisch fühlen, verschaffen uns ausgerechnet diese Tools wieder ein bisschen Gewissheit über uns selbst. Ein Blick in die Vergangenheit erfüllt einen ähnlichen Zweck. Wenn Selbstverständlichkeiten nicht mehr selbstverständlich sind, hilft oft ein Blick in den Spiegel und ins Gestern.
»Retro / Heute« Manchmal sind Retro-Serien sogar wie Geschichtsunterricht, den man wirklich sehen will, wie etwa das sehr gute »Manhattan«. Sonst leben sie oft vom sozialgeschichtlichen Aspekt: »Downton Abbey« oder »Mad Men« vermitteln vergangene Lebenswelten von verschiedenen Figuren und erklären sie, wie sie frontaler Unterricht oder ein paar Tagebuchaufzeichnungen niemals leisten könnte. Natürlich halten sie sich nie einfach nur an Fakten oder sind vollständig akkurat. Das sind Serien nie. Immerhin sollen sie uns etwas über das Hier und Heute sagen. Serien spiegeln die Gesellschaft wider, sie sind Kinder ihrer Zeit. In einer Epoche, in der Fortschritt nicht mehr funktioniert, ist Retro eben mehr als ein Trend. Die erstarkte US-amerikanische Serienlandschaft reagiert darauf mit erhöhtem Output. Dabei geht es aber meistens gar nicht darum, was wer wann entschieden hat, um den Lauf der Menschheitsgeschichte zu verändern. Es geht vielmehr darum zu zeigen, dass die Menschen immer schon gleich waren. Egal ob mit Smartphone oder ohne. Seit 22. September läuft »Gotham« immer montags auf Fox. Freitags kann man »The Knick« auf Cinemax sehen. »The Knick« ist für November auf Sky Atlantic HD angekündigt. 027
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100. Geburtstag von Hedy Lamarr — Ein Leben im Frequenzsprungverfahren
Bist du große Tochter Höhere Tochter, Skandalnudel, Gattin, Hollywoodstar, noch fünfmal Gattin, Erfinderin, Diebin, Irrlicht. Hedy Lamarr, eine der ganz großen Töchter Österreichs, wäre bald 100 Jahre alt. Ihr Leben hält keiner geradlinigen Erzählung stand. Darum: Versuch einer Würdigung in Anekdoten.
Döbling Text Sebastian Hofer
Hedwig Kiesler kommt am 9. November 1914, nach eigenen Angaben möglicherweise aber auch 1913 oder 1915, als Tochter von Emil und Trude Kiesler zur Welt. Der Vater ist Direktor in der Kreditanstalt Bankverein, die Familie bewohnt eine dreistöckige Villa in der Peter-JordanStraße in Döbling, schon damals eine der besseren Wohngegenden Wiens. Hedwigs Erinnerungen an die letzten Tage der Menschheit: »Da draußen gab es hungrige Kinder und dünne Babys. Ich dagegen war ein dickes Baby. Der Krieg kam mir niemals wirklich nah.« 028
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Berlin-Washington Auf der Laufbahn einer höheren Tochter (Schweizer Internat etc.) verlässt Hedy Kiesler Wien im Jahr 1930 in Richtung Berlin, um dort an Max Reinhardts Schauspielschule anzuheuern. Während einer Probe diktiert der Direktor anwesenden Journalisten: »Hedy Kiesler ist die schönste Frau der Welt.« Nur zwei Jahre später ist sie auch die nackteste: Gustav Machaty besetzt sie mit der Rolle der Eva in »Ekstase«, filmt sie unbekleidet und lässt sie einen Orgasmus darstellen (nach eigenen Angaben war der aber möglicherweise auch echt). Skandal! In mehreren Ländern wird der Film verboten, der Vatikan schäumt und auch in den USA wird »Ekstase« Chefsache: Präsident Roosevelt lässt seinen Finanzminister Henry Morgenthau Jr. den Film beurteilen, dieser spricht auf Vorschlag seiner Frau Elinor ein Verbot aus.
Normandie Am 10. August 1933 feiert die erst 18-jährige Hedwig Kiesler in der Wiener Karlskirche ihre erste von sechs Hochzeiten. Der Bräutigam heißt Fritz Mandl, ist Chef der Hirtenberger Patronenfabrik, im Krieg unvorstellbar reich geworden – und ein großer Fan des europäischen Faschismus. Er pflegt gute Kontakte zum ungarischen Autokraten Miklós Horthy und lädt zu seinen eleganten Diners nicht nur Ödön von Horváth, Franz und Alma Werfel oder Sigmund Freud ein, sondern auch seinen italienischen Kumpel Benito Mussolini. Aber, bei aller Freundschaft: Als der notorisch eifersüchtige Mandl nach der Hochzeit versucht, alle Kopien von »Ekstase« vom Markt zu kaufen, mag ausgerechnet der Duce seine persönliche Kopie partout nicht hergeben. Im August 1937 gelingt Hedy Mandl die Flucht aus ihrem Wiener goldenen Käfig via Paris nach London und von dort mit dem Luxusdampfer »Normandie« nach New York. An Bord macht sie sich mit dem Hollywood-Studioboss Louis B. Mayer bekannt. Bei der Ankunft hat sie einen Vertrag mit MGM in der Tasche – und einen neuen Namen.
Mittelscheitel
Rollen & Affären Abgelehnte (oder wegen vertraglicher Verpflichtungen verpasste) Filmrollen: »Die Frauen«, George Cukor (1939), »Casablanca«, Michael Curtiz (1942), »Wem die Stunde schlägt«, Sam Wood (1943), »Laura«, Otto Preminger (1944), »Der Fall Paradin«, Alfred Hitchcock (1947), »Vater der Braut«, Vincente Minelli (1950) Angebliche Affären: Anatole Litvak, David Niven, Douglas Fairbanks Jr., Erich Maria Remarque, Woolworth Donahue, Clark Gable, Charlie Chaplin, Frank Sinatra. Angeblich abgelehnte eindeutige Angebote: John F. Kennedy, Howard Hughes (der Milliardär soll Hedy Lamarr eine stattliche Summe geboten haben, um nach ihrem Modell eine Gummipuppe produzieren zu dürfen).
Warhol Im Jahr 1966 dreht Andy Warhol den Film »The 14 Year Old Girl«, auch bekannt als »Hedy, The Shoplifter«. In der Titelrolle einer offenbar schwer derangierten ehemaligen Hollywood-Schönheit: Mario Montez. Soundtrack: The Velvet Underground. Die Vorlage für Warhols Farce ist seinen Zeitgenossen unverkennbar: Im Jänner 1966 wurde Hedy Lamarr, damals 51 und schon deutlich über dem Zenit ihrer Karriere, in Los Angeles festgenommen. In einem Drugstore hat sie Waren (Halskette, Make-up, Männerparfum, Grußkarten) im Wert von 86 Dollar entwendet. Im folgenden Prozess plädiert sie auf Unzurechnungsfähigkeit. Klassischer Kommentar: »Als Schauspielerin fand ich mich stets am überzeugendsten vor Gericht.«
Bereits ihre erste Hollywood-Rolle macht die österreichische Skandalnudel zur US-Filmdiva. Nach dem durchschlagenden Erfolg von »Algiers« (1938) gingen sogar gestandene Hollywood-Schönheiten wie Joan Crawford oder Joan Bennett zum Friseur, um sich den neuen Lamarr-Look zu verpassen: brünett, Mittelscheitel, ätherischer Blick. Berühmter Lamarr-Spruch aus dieser Zeit: »Glamourös sein ist einfach. Nirvana Alles, was man tun muss, ist stillstehen und dumm gucken.« TatsächDie zweite Lebenshälfte der Hedy Lamarr verläuft beschaulich und lich war ihr Schauspiel eher beschränkt. Klassischer Kommentar vom tragisch. Nach dem Kaufhaus-Prozess und der im selben Jahr veröfFilmkritiker der Los Angeles Times: »It may be a fact that the lady can’t fentlichten (und von ihr vehement bekämpften) Biografie »Ekstase act.« Bis 1945 folgen trotzdem weitere 14 Filme mit Co-Stars wie Clark und Ich« verschwindet die Diva aus der Öffentlichkeit, unterzieht Gable, James Stewart, Spencer Tracy, Lana Turner oder Judy Garland. sich Schönheits-OPs, entfremdet sich von Freunden und Familie und Lamarr verdient Millionen und landet am Cover von Life, Newsweek, strengt – wohl auch unter dem Eindruck zunehmenden Geldmangels Cahiers du Cinéma oder Look, das sie 1944 – ex aequo mit Ingrid Berg- – zahlreiche Prozesse an, unter anderem gegen die Verleger ihrer Autobiografie und gegen den Softwarehersteller Corel, der sein Programm man – zur schönsten Frau der Welt erklärt. Corel Draw 1996 mit einer Vektor-Grafik von Hedy Lamarrs Gesicht Brüste verpackt. Lamarr klagt und bekommt fünf Millionen Dollar. Die GeldSex sells: Anfang der 1940er Jahre hat der französische Avantgarde- sorgen sind weg, das Irrlicht brennt weiter. Ihre engste Freundin aus komponist George Antheil (»Ballet Mécanique«) mangels kommerziel- jenen Jahren, Arlene Roxbury, über Hedy Lamarrs allerengsten Freund: ler Verwertbarkeit seiner Musik zum Drüsen- und Hormonspezialisten »TV was her buddy«. umgesattelt. Als sie Antheil bei einem Abendessen vorgestellt wird, kommt Hedy Lamarr schnell zum Punkt: Könne man denn bezüglich Wienerwald ihrer etwas zu gering geratenen Oberweite mit Hormonbehandlung Am 19. Jänner 2000 stirbt Hedy Lamarr in Beisein ihres allerengsten etwas erreichen? Antheil ist optimistisch, trotzdem verlagert sich das Freundes an Herzversagen, sie wird 85 Jahre alt. An ihrer Bestattung in gemeinsame Interesse bald in Richtung Torpedos; wie genau, ist un- Altamonte Springs, Florida, nehmen keine 20 Menschen teil, darunter bekannt. Lamarr und Antheil wollen den Krieg gegen Nazideutschland ihr Börsenmakler. Im September 2003 erfüllen ihre Kinder Anthony durch Erfindung einer gegen Störsender resistenten Torpedo-Steue- und Denise Hedys letzten Wunsch und verstreuen ihre Asche an der rung beschleunigen und entwickeln dafür das Frequenzsprungverfah- Wiener Höhenstraße. In einer Meidlinger Wohnanlage ist heute ein ren (bei dem eine Funkübertragung immer wieder das Frequenzband Gehweg nach ihr benannt. Der Hedy-Lamarr-Weg verbindet den Amawechselt). Lamarr bringt ihr Rüstungswissen aus ihrer Zeit mit Fritz lie-Seidel-Weg mit dem Gertrude-Wondrack-Platz Mandl ein, Antheil den Mechanismus seiner automatischen Klaviere, der zur Synchronisierung von Sender und Empfänger dienen soll. Das Zur weiteren Vertiefung sei Hedy Lamarrs Autobiografie »Ecstasy Patent für dieses »Secret Communication System« wird im Juli 1941 an- and Me« empfohlen. Das Medienhaus Wien veranstaltet am 23. und gemeldet, seine Anwendung nie realisiert. Dass digitale Kommunikati- 24. Oktober einen Filmbrunch mit Lecture. Das Bezirksmuseum on heute maßgeblich auf dem Frequenzsprungverfahren basiert, wird Währing zeigt ab 7. September eine Ausstellung. Seit 2011 zeigt der Lamarr erst reichlich spät gedankt, nämlich um das Jahr 1997, als erste Houska-Preis, ein Forschungspreis, das Profil von Hedy Lamarr. In Fachmedien die Verbindung herstellten. Lamarrs knapper Kommentar: Deutschland, Österreich und der Schweiz wird der Tag der Erfinder an »Das wurde auch Zeit.« Auf die Feststellung, ihr Patent sei seiner Zeit ihrem Geburtstag gefeiert. Hedy Lamarr wäre am 9. November 2014 um Jahre voraus gewesen, erklärt sie: »Das bin ich immer.« runde 100 Jahre alt geworden. 029
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4 Jüdische Identitäten in Comics — Vier herausragende Comic-Zugänge
Gezeichnete jüdische Identität 3
Was bedeutet es, jüdisch zu sein? Comics suchen seit den 30er Jahren immer wieder Antworten. Vier zeitgenössische Künstler stehen exemplarisch dafür.
Jüdisch zu sein ist ziemlich komplex. Mal wird man von anderen dazu gemacht, mal wird einem eine Tausende Jahre alte Tradition und Geschichte aufgebürdet. Sich damit zu identifizieren, geht auf unterschiedlichste Arten. Manche betrachten sich als große Gemeinschaft, egal ob säkular oder religiös. Für andere gibt es strikte Trennungen zwischen den diversen Definitionen und Auslegungen. Die Frage nach der jüdischen Identität – und auch nach dem Staat Israel – ist gerade eben für Juden weder banal noch einfach. Eine Reihe jüdischer Comic-Künstler bemühen sich um Klärung. Sie setzen dabei unterschiedlichste Werkzeuge ein, für manche ist es der Blick auf die Menschen, für andere eine Aufarbeitung der Geschichte oder ein biografisches Journal.
Text Nuri Nurbachsch
Rutu Modan Rutu Modan wuchs in einem Krankenhaus in der Nähe von Tel Aviv auf. Ihre Eltern waren Mediziner. Wenn schwerverletzte Soldaten oder Opfer von Anschlägen mit Helikoptern ins Krankenhaus gebracht wurden, war das für die kleine Rutu nichts Ungewöhnliches. Vielleicht rührt es daher, dass Modan in ihren Comics selten nach Unterschieden zwischen Jüdin, Moslemin, Israeli und Palästinenserin sucht. Stattdessen richtet sie ihre scharfe Beobachtungsgabe darauf, was diese (vermeintlichen oder tatsächlichen) Differenzen im Leben und in den Beziehungen der Menschen bedeuten. Und damit richtet sie auch einen Blick auf sich selber. In ihrem Graphic-Novel-Debüt »Exit Wounds« macht sie das durch die Augen einer Soldatin und eines Taxifahrers in den Straßen von Tel Aviv. Der Symbolismus ist nicht von der Hand zu weisen, aber anstatt sich in Politischem und Abstraktem zu ergehen, bleibt Modan beim Zwischenmenschlichen. Ihre Figuren
sind dem Alltag entnommen und in diesen eingebettet. Wenn also die Soldatin dem Taxifahrer erzählt, dessen Vater wäre wahrscheinlich bei einem Selbstmordattentat ums Leben gekommen, dann passiert das ganz selbstverständlich. Die Wut und Trauer des Taxifahrers sind greifbar, verweisen aber auf das große Ganze. In einem späteren Werk, »The Property«, verfeinert Modan diesen Zugang. Hier begleitet sie eine alte Dame und ihre Nichte auf ihrer Reise nach Polen, wo sie ihren ehemaligen Familienbesitz zurückfordern wollen. Die Vorurteile der Großmutter gegenüber den Polen, die Gleichgültigkeit der Nichte gegenüber dem Besitz, die Reaktionen ihrer Familie auf eine romantische Beziehung zu einem jungen Mann aus Warschau und ein Geheimnis ihrer Großmutter – wieder befasst sich Modan mit den Beziehungen der Menschen, sieht darin weit über individuelle Elemente hinaus. Modan nimmt als Mitbegründerin des (mittlerweile aufgelösten) Künstlerkollektivs Actus Tragicus eine prägende und treibende Rolle in der Comic-Kunst Israels ein. In ihren hochintelligenten Storys bildet sie die Schattierungen des Lebens einer jungen Israeli ab, ohne einfache Erklärungen.
Sarah Glidden Im Gegensatz zu Modan ist Sarah Glidden nicht in Israel geboren oder aufgewachsen, sondern 1980 in Boston, Massachusetts. In ihrer Kindheit hörte sie, wie wichtig Israel für Juden sei, dass es ihre eigentliche Heimat sei, dass sie Israel unterstützen müsse. Später umging sie das Thema, meldete sich aber 2007 für eine Taglit-Birthright-Reise nach Israel an. Taglit-Birthright ist eine Non-Profit-Organisation, die für nicht-israelische jüdische Jugendliche zwischen 18 und 26 Jahren Reisen nach Israel sponsort mit dem Ziel, sie jüdischer Kultur und dem Staat Israel näherzubringen. In »How To Understand Israel In 60
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Leseliste Rutu Modan ¹ »Exit Wounds« (Drawn & Quarterly, 2007) »The Property« (Drawn & Quarterly 2013) Sarah Glidden ² »How To Understand Israel In 60 Days Or Less« (DC Vertigo 2010) Harvey Pekar ³ »Not The Israel My Parents Promised Me« (Hill and Wang, 2012) Miriam Katin 4 »We Are On Our Own« (2006, Drawn & Quarterly) »Letting It Go« (Drawn & Quarterly 2013) JT Waldman »Megillat Esther« (The Jewish Publication Society, 2005)
1 Days Or Less« hielt Glidden ihre Erfahrungen vor, während und nach dieser Reise fest. Vor Reiseantritt stürzte sich Glidden in die Recherche und studierte Unmengen an Material über Israel. Sie ist überzeugt, den Palästina-Konflikt verstehen zu können. Auch wenn sie sich der teils nicht besonders gut getarnten Propaganda erwehren kann, berichtet Glidden dennoch von Momenten, in denen sie plötzlich Sympathie für Positionen verspürt, die sie zuvor noch als unhaltbar empfand. Die Taglit-Birthright-Reise führte sie an historische Orte Israels, an denen sie immer wieder erkennen musste, dass ihre Informationen unvollständig oder einseitig waren. Schlussendlich wird Glidden nicht pro-israelisch, aber sie erlangt ein tieferes Verständnis.
Bild Vertigo, Simon & Schuster, Jonathan Cape, Drawn & Quaterly
Harvey Pekar Judentum war in Harvey Pekars Arbeiten zuvor nie besonders vordergründig, noch weniger seine Einstellung gegenüber dem Staat Israel. Im posthum veröffentlichten »Not The Israel My Parents Promised Me« ändert er das. Erst kurz vor seinem Tod stellte der mürrische alte Mann der Comic-Welt das Werk mit Illustrator JT Waldman fertig. Pekar wuchs als Sohn zionistischer Eltern auf. Seine marxistische Mutter betrachtete Israel aus politischer Sicht als unabdingbar und als Emanzipation der Juden. Für Pekars religiösen Vater hingegen war Israel nichts anderes als die vorausgesagte Rückkehr der Juden in ihre ursprüngliche Heimat. Ähnlich wie für Glidden gab es für den heranwachsenden Pekar die »Israel-Frage« nicht. Erst später fand er immer mehr über die Widersprüche des israelischen Staates heraus. Diese bilden auch den Kern von »Not The Israel My Parents Promised Me«. Auch wenn sich ein Großteil des Comics mit der Geschichte der Juden und des modernen Staates Israel beschäftigt, der wirkliche Knackpunkt kommt an anderer Stelle. Pekar berichtet von einem Artikel für eine Zeitung, den er 1978 schrieb, in dem er eine kritische Haltung gegenüber jüdischem Nationalismus einnimmt. Und dem darauf folgenden Leserbrief, der ihn mehr oder weniger als Verräter bezeichnet. Pekar hadert mit dieser, wie er meint, weit verbreiteten Positionen unter Juden, dass Kritik an der in Israel betriebenen Politik gleichzusetzen wäre mit genereller Abwendung vom Judentum. Hierin steckt, was jüdisch sein für ihn bedeutet: Er möchte sein Judentum selbst definieren und nicht einen großen Block an Wertevorstellungen ungefragt schlucken müssen, um akzeptiert zu werden.
Miriam Katin Wenn auch in erster Linie kein kritischer Blick auf das Judentum, so schwingt in »We Are On Our Own« immer die Frage nach dem Warum mit. Miriam Katin wurde 1942 in Ungarn geboren. Ihre Mutter floh mit ihr aus Budapest, als die Nazis einmarschierten. Ihre jüngsten Jahre wurden von Flucht, Verlustangst, Armut und anhaltender Bedrohung
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Actus Tragicus / Projekt Cargo »Cargo« (Avant Verlag 2005) James Sturm »The Golem‘s Mighty Swing« (Drawn & Quarterly, 2001) Leela Corman »Unterzakhn« (Schocken / Pantheon, 2012) Art Spiegelman »Maus« (Pantheon, 1991)
durch Nazis geprägt. Katin wirkt unversöhnlich mit dem Umstand, dass sie und ihre Familie Opfer der Shoah wurden. Im Subtext sucht sie nach einem Grund. Es ist schwierige, emotional mitnehmende Lektüre und es muss noch viel aufreibender gewesen sein, sie zu erschaffen. Anhand von alten Fotografien, tiefgehender Recherche und ihren eigenen Erinnerungen schreitet Katin in den Seiten von »We Are On Our Own« Schritt für Schritt durch diese illustrierte AutoPsychotherapie. Erst mit »Letting It Go«, das sieben Jahre nach »We Are On Our Own« veröffentlicht wurde, schließt sie so etwas wie Frieden mit dieser unbeantwortbaren Frage. In einer fiktiven Geschichte, angelehnt an ihr eigenes Leben, entwirrt sie ihre inneren Konflikte. Sie verabschiedet sich vom Bild der Jüdin als Opfer. Diese interne Zeitreise bringt sie in die Realität einer Gegenwart, in der andere Probleme zu bewältigen sind. Sanft und vorsichtig gleitet sie zwischen impressionistischen Darstellungen, die zugleich ihre Gefühlswelt widerspiegeln, und erzählerischen Schlüsselmomenten. Sukzessive taucht sie dabei Stück für Stück aus dem Ballast ihrer unverdauten Sorgen hervor.
»Was bedeutet es, jüdisch zu sein?« Selbstverständlich lässt sich die Frage nicht übergreifend beantworten, sondern bleibt eine höchst subjektive Position. Für diese und andere Künstler, denen es schwerfällt, zu einer eigenen Position zu gelangen, finden sich im Comic die richtigen Forschungswerkzeuge. In diesem Medium können sie frei zwischen höchster Emotionalität und Rationalisierung, Faktischem und Fantastischen wählen. Auf individuellste Art und Weise kommunizieren sie so mit sich selbst, aber auch mit ihren Lesern. Zwischen ihren unterschiedlichen Zugängen, Stilen und Strichen verbindet sie das redliche Bemühen um eine kritische Haltung. Sie ringen mit ihren eigenen Vorurteilen und versuchen Erwartungshaltungen abzulegen, um selbst zu einem positiven, konstruktiven Verständnis eines modernen Judentums zu gelangen. Viele Juden halten gerade das, dieses Ringen um Erkenntnis, für den wahren Kern des Judentums. 031
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Österreichs erstes Magazin für Fashion, Beauty & Luxury
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Twitch TV — Gaming-Glotzen und TV-Revolutionen
Ich mag’s, wenn du mir dabei zusiehst 033 Wer will schon anderen beim Zocken zuschauen? Antwort: 45 Millionen Menschen monatlich, und das alleine auf Twitch – Fenster und Epizentrum der Gaming Community. Der Zauber von all dem?
I WANT IT ALL AND I WANT IT NOW Mit explodierenden Zugriffszahlen stellt Twitch vor allem klar, dass dieses Teilen von Spielerfahrung ein Bedürfnis darstellt, das lange seitens der klassischen Medienkonzerne ignoriert wurde. Gamen spielt sich nicht mehr alleine oder mit ein paar Kumpels aus dem Netz vor
irgendeiner Art von Bildröhre ab. Man nimmt stattdessen Teil an etwas Größerem und das am liebsten live. Das geht so weit, dass Spieler sich in Bars treffen, um gemeinsam Pros beim Zocken zuzusehen und über ihr Hobby zu reden. Einer, der solche Treffen initiiert, ist Thomas Sched, Mitgründer von Barcraft Austria und selbst begeisterter Gamer. Der Bedarf war schon lange da, meint Sched, es brauchte nur das Internet als Katalysator. Mit der entsprechenden Bandbreite wird Streamen live und simpel möglich, um das nächste Level der Spielerfahrung einzuläuten. Sched ist davon überzeugt, dass dieses interaktive Format die Spieler international zusammenrücken lässt und eine Global Culture im Entstehen ist. An die Zukunftstauglichkeit des Formats glaubt ja auch Internetriese Amazon.
Let’s Play vs. e-Sports Was man auf Twitch sehen kann? Es teilt sich grob in zwei Gruppen. Der kleinere Teil läuft als kommentiertes Gameplay (zB. Let’s Play, Speedruns) ab, bei dem ein Streamer auf lustige und aufschlussreiche Weise das Spielgeschehen kommentiert, oder die Zuseher an Themen teilhaben lässt und via Chat mit diesen interagiert. Ähnlich wie bei erfolgreichen Youtube-Vloggern kommt man zwar wegen bestimmten Inhalten zu einem Stream, verweilt dann aber aufgrund der Persönlichkeit des Streamers, im Idealfall holt man sich ein Abonnement. Der größte Teil des Traffic kommt allerdings von kompetitiven Inhalten, die im weitesten Sinne unter dem Banner der eSports zusammengefasst werden können. Sie sind das Herzstück von Twitch und maßgeblich für die Entwicklung von Technologie und Subkultur verantwortlich. Ranglisten und Ligen, Statistiken und permanente kleine
Text Stefan Schallert Bild Riot Games
Auf Twitch kannst du anderen Zockern beim Spielen zuschauen. Warum dich das interessieren sollte? Weil Twitch gerade Sehgewohnheiten umkrempelt und Dinge möglich macht, die vorher nicht möglich waren. Es verändert unsere Medienkultur. Amazon war das kürzlich fast eine Milliarde Dollar wert. Falls du eher auf Zahlen stehst. Wer, was und wie es über den Schirm läuft, dafür gibt es kaum Beschränkungen – jeder kann zuschauen, jeder kann streamen und alle können live per Chat mitreden. Fernsehen der Zukunft also, zumindest teilweise. Die Plattform ist verantwortlich für über zwei Fünftel des gesamten Livestreaming Traffic in den USA. Zum Vergleich: Youtube gerade einmal für fünf Promille, und nein, Pornos sind ja nur ganz selten live. Ob eSports-Turniere, Zelda Speedruns, Minecraft Minimundus oder der Typ, der von seinem kuriosen letzten Date erzählt, während er eine Horde Orks verprügelt, alles ist auf Twitch. Du benennst ein Spiel, und einer der unzähligen Sender dort hat ein Video dazu, live oder on demand. Twitch ist die digitale Couch, auf der Gamer sich feierabends mit Brüdern und Schwestern im Geiste von ihrem Lieblingshobby berieseln lassen, ungestört von verurteilenden und tadelnden Blicken. Denn wir alle wissen: Videospiele sind was für Kinder. Not.
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die Kaufsumme von Amazon in US-Dollar
Durchschnittsalter eines Twitch-Turbo-Abonnenten
Zuseher monatlich
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— aller Live Streams im Netz — des gesamten US-Internet-Traffic zu Spitzenzeiten — der jungen Zuseher schauen mehr als 20 Stunden pro Woche
Updates halten die Spieler weltweit im Bann. Auf Twitch kann denen, die ganz oben stehen, sprichwörtlich auf die Finger geschaut werden. Im Bereich des eSports haben Übertragungen längst den Amateurbereich verlassen, der Hype aus Asien kommt langsam auch im Westen an: Die streamenden Spieler sind echte Profis und werden in ihrem Dunstkreis mit einem Personenkult verehrt. Die Events sind Spektakel, bei denen Tausende Fans ihre Favoriten im Kampf um Preisgelder in Millionenhöhe anfeuern – begleitet wird das Ganze von Kamerateams, Kommentatoren, Moderatoren und einer Aufbereitung, die Millionen Zuseher live und ein vielfaches Mehr on demand in ihren Bann ziehen. Willkommen in der Welt der professionellen Sportübertragung. »Am liebsten in gemütlicher Atmosphäre, mit Freunden bei einem Bier«, beschreibt Sched die Offline-Effekte von eSports. Fast wie normale Menschen mit normalen Hobbys.
Stolz, sich nicht verstecken zu müssen Auf die Frage, warum Leute so gerne beim Zocken zuschauen, kommt auch das gesellschaftliche Ansehen auf den Tisch. Distinktion würde man an der Uni wohl sagen. Trotz der riesigen Industrie, die mehr als das Filmbusiness umsetzt, werden Gamer gerne in eine dunkle Nerdecke gedrängt, von außen als auch von innen. Hey, ich bin richtig gut in »World Of Warcraft«, das zieht auf Tinder wohl so gut wie wie Herpes. Dieses eine Sniper-Level in »Call Of Duty 4« taugt eher nicht für die Tischkonversation oder einen kleinen Scherz bei der Kaffeemaschine – im Gegensatz zu zwingenderen Inhalten wie dem einen Mädl aus »Austria’s Next Top Model«, Fußball oder der neuen Aphex Twin. Twitch könnte und sollte der längst überfällige gesellschaftliche Eisbrecher für Gaming sein. Man sei stolz, sich nicht mehr verstecken zu müssen, bekomme endlich die Bestätigung und habe nicht mehr das Gefühl alleine zu sein, so Sched. Insofern erfüllt Twitch für Gamer fast dieselbe Funktion wie noch Fernsehen in den 80ern, das eine ganze Generation geprägt hat. Ihre Helden sind aber keine Showmaster, sondern Streamer. Ob Twitch aber tatsächlich eine gesamtgesellschaftliche Integrationsfunktion übernimmt, ist fraglich.
einzelne Broadcaster
höchstes Einkommen von spielenden Streamern in US-Dollar
Jeder, der mit Gamern zu tun hatte, weiß, dass sie unbewusst oder bewusst ihre eigene Sprache sprechen. Solange diese Sprachbarrieren nicht fallen, wird Twitch wohl ein mystischer Ort bleiben. Einer, der aber deutlich an Vielfalt dazu gewonnen hat. Obwohl die GamingCommunity nach wie vor männlich dominiert ist, gibt es auffallend viele Streamerinnen, die sich großer Popularität erfreuen. Gaming ist längst keine Insel voller RL-Versager mehr, sondern Spielwiese von jedermann und -frau.
Partners in Crime Und wo Aufmerksamkeit besteht, kann die Werbeindustrie nicht weit sein. So nippt der Lieblings-Streamer auffallend häufig an seiner Mountain Dew-Dose, während er dir die Vorteile eines Spieles nennt, welches zufällig auch als Poster an seiner Zimmerwand zu sehen ist. Einerseits ermöglicht dies das Bestehen von Plattformen wie Twitch und gibt Streamern die Chance, im Idealfall davon leben zu können, andererseits bringt es auch die Frage nach der Integrität auf den Tisch, besonders seit der Akquise durch Amazon. Das Publikum ist sehr jung, einzelne Streamer können dort fast sechsstellig verdienen. Ja, da wird es schnell ernst. Twitch selbst macht auch keinen Hehl daraus, Geld verdienen zu wollen und freut sich über jeden Hersteller, der Twitch für seine Software implementieren will. So ist es auch für die Playstation 4 und die Xbox One verfügbar. Streamer können per »Partner«Vertrag Werbeinhalte optimieren und kostenpflichtige Abonnements anbieten, Twitch nimmt sich nur sein Stück vom Kuchen. Das Fernsehen der Zukunft wird womöglich nicht Twitch heißen, dazu sind die Inhalte zu speziell. Dass Videospiele darin aber eine größere Rolle spielen werden, ist unbestritten.
Top Channels: Fatherandsongaming – 58-jähriger zockt mit seinem 18-jährigen Sohn Riot Games – »League Of Legends« (eSports) Itshafu – beliebteste Streamerin
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»Wish I Was Here« — Zach Braff im Interview
»Wer ist schon perfekt?«
Text und interview Manuel Fronhofer Bild Constantin Film
Für viele wird er wohl immer Dr. John Dorian aus der TV-Serie »Scrubs« bleiben, dabei hat er mit »Garden State« und nun mit dem von der Crowd kofinanzierten neuen Film »Wish I Was Here« längst einen zweiten Karriereabschnitt angerissen. Zach Braff über Gott und den sich drehenden Felsen, den wir Welt nennen.
Im Foyer eines Hotels auf der Wiener Ringstraße war- Der Tod ist auch eines der Themen in deinem neuen Film. Dein Hauptten 20 Journalisten. Zach Braff ist in der Stadt, um sei- charakter wird mit der Sterblichkeit seines Vaters konfrontiert … Ja, er wird geradezu verfolgt vom Tod. nen neuen Film vorzustellen. Die Verspätung seines Flugs hat den geplanten Ablauf auf den Kopf gestellt … und er beginnt sich wieder mit Spiritualität auseinanderzusetzen. – die Zeit für Einzelinterviews halbiert sich, Round Er ist nicht nur mit der Sterblichkeit seines Vaters konfrontiert, sonTables werden kurzerhand zusammengelegt. In sei- dern auch mit diesen kleinen Gesichtern, die zu ihm aufschauen und ner Suite ist Braff trotz Reisestrapazen und hektischem Treiben im fragen, »Wird Großvater wirklich sterben? Werden wir ihn im Garten Hintergrund bemüht, ein guter Gesprächspartner zu sein. Seine Ant- begraben?«. Er versucht, der Sache mit Humor zu begegnen, aber er worten sind überlegt und wortreich – es ist zu merken: »Wish I Was merkt, als er seine Kinder zu Hause zu erziehen beginnt, dass er ihnen Here«, der Film, den er zu bewerben gekommen ist, ist ihm wichtig. sicherlich nichts über Geometrie wird beibringen können. Was aber Kein Wunder, es ist nach dem erfolgreichen und durchaus charman- kann er ihnen beibringen? Im Wesentlichen etwas darüber, große Fraten »Garden State« das zweite große Filmprojekt, das er als Drehbuch- gen über Spiritualität zu stellen. autor (gemeinsam mit seinem Bruder Adam), Regisseur und natürlich »Wish I Was Here« handelt auch vom letzten Schritt des ErwachsenSchauspieler verantwortet. werdens, wenn man selbst schon Kinder hat und man erleben muss, Dass ihm die Geschichte um Aidan Bloom, der durch die Erkran- dass seine eigenen Eltern sterben. Und wenn man realisiert, dass die kung seines Vaters aus einem ohnehin nicht perfekten Familienalltag Träume, die man gehabt hat, nicht wahr werden, dass das aber nicht gerissen wird, sich mit existenziellen Fragen konfrontiert sieht und unbedingt etwas Schlechtes sein muss. beginnt, seine Kinder selbst zu unterrichten, am Herzen liegt, ist auch Ein Kritiker in den Staaten hat geschrieben, der Film handle von eimit ein Grund dafür, dass das Projekt über die üblichen Wege nicht nem Typen, der seine Träume aufgibt. Das hat mich wirklich frustriert. zu finanzieren war. Auf Einmischung hinsichtlich des Drehbuchs, der Aidan ist kein besonders guter Schauspieler und er will diese Wahrheit Drehorte, der Besetzung oder des Final Cuts hatte Braff einfach keine nicht erkennen. (Anm. d. Red.: Achtung, Spoiler!) Indem er seinen Traum Lust. Also Crowdfunding. Für einen Star seines Kalibers eine Sache von der Schauspielerei hin zum Unterrichten verschiebt, realisiert er: von drei Tagen, das Ziel von zwei Millionen US-Dollar zu erreichen. Heureka! Das ist etwas, in dem ich großartig bin. Und wenn man in Und so kam der Film natürlich doch noch zustande – in jener Form, der Schlussmontage sieht, wie er die College-Kids unterrichtet – so die seine Kickstarter-Finanziers wohl auch erwartet hatten: als emo- glücklich hat er den ganzen Film über nicht ausgesehen. Indem er sich tionales Unterhaltungskino, als immer wieder todernste (jüdische) also aus dem engen Griff von dem, was er für seinen Traum gehalten hat, befreit, erkennt er, dass ihm das viel mehr Spaß bereitet, als es die Familienkomödie mit sehr viel Zach Braff drinnen. Schauspielerei je getan hat. Der Traum, der mehr zu einem passt, der Ich habe einige Zeit überlegt, mit welcher Frage ich dieses Interview richtiger für einen ist, könnte ein anderer sein, als man denkt. beginnen soll. Wie wäre es damit: Glaubst du an Gott? Der Film wirft auch die Frage auf, wie man als Vater oder Mutter sein Wow, du gehst ja gleich mal aufs Ganze … Als ich ein Kind war, wur- möchte. Hast du für dich eine Antwort darauf? de uns im jüdischen Glauben beigebracht, dass Gott am Feiertag Jom Wie Aidan am Ende des Films ... (lacht) Also jemand, der witzig ist Kippur entscheidet, in welches Buch man eingehen wird – im Wesent- und die Regeln beim Fenster rauswirft. Natürlich muss man verantlichen: in das gute Buch oder das schlechte. Daran glaube ich nicht. wortungsbewusst sein, man muss seine Kinder erziehen, aber ich mag Ich bin aber offen für Spiritualität, für die Idee einer spirituellen Kraft. die Idee, dass der Spaß nicht zu kurz kommt. Mein Bruder ist ein toller Dass da irgendetwas im Universum ist, das nicht direkt uns menschli- Vater. Er lebt auf Hawaii, seine Kids gehen barfuß zur Schule und er che Wesen, aber die Atome und Sachen wie die Erdanziehung kontrol- bringt ihnen das Surfen bei. Er ist einfach ein großartiger Vater, der liert. Ich mag dieses Konzept und bin offen für das Wissenschaftliche eine wunderbare Balance dazwischen findet, ein Elternteil und ein daran. Aber ich glaube nicht, dass da ein bärtiger Mann im Himmel Freund zu sein. herumsitzt und ein Urteil darüber fällt, ob man gut oder böse ist. Deine Charaktere sind oft nicht in der Lage, mit der Situation umIst eine solche Spiritualität nicht immer mit der Angst vor dem Tod zugehen, in der sie sich befinden und verhalten sich dann wie ein Trottel. Aber ich habe den Eindruck, du bringst ihrem Handeln große verbunden? Klar! Ich glaube, das ist das fundamentale menschliche Dilemma: Sympathien entgegen. Irgendwie zu verstehen, dass wir uns auf diesem sich drehenden Felsen Ich hasse Protagonisten, die einfach alles ganz locker hinbekommen. mitten in der Unendlichkeit befinden. So hat man sich über Tausende Ich mag fehlerhafte Protagonisten. Ja, Aidan ist am Anfang des Films von Jahren Geschichten ausgedacht, die dem Menschen helfen sollten, ein Trottel. Er ist ein egoistischer, narzisstischer Arsch. Und ich mag einen Sinn in all dem zu finden. Jeder von uns hat Angst vor dem Ster- das. In vielen Filmen werden die Protagonisten geradezu beschützt, ben und versucht sich Trost zu verschaffen, weil man im glücklichsten weil jeder sie mögen muss. Wenn man es gut schreibt und spielt, wird Fall vielleicht 90 Jahre zu leben hat. das Publikum aber auch so mit von der Partie sein und sich wünschen, 036
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Welche Art von Vater möchte ich für meine Kinder sein? Filmemacher und Hauptdarsteller Zach Braff stellt sich in »Wish I Was Here« existenzielle Fragen.
dass diese Person sich ändert. Und am Ende tut Aidan das ja auch. Es beginnt mit dem Gespräch mit seiner Frau am RettungsschwimmerTurm, wenn sie sagt: »Zur Hölle, meine Existenz dreht sich nicht nur darum, dass dein Traum wahr wird.« Das ist der erste echte Katalysator, der ihn dazu bringt, umzudenken. Es ist also nichts Schlimmes, hin und wieder ein Trottel zu sein? Wir sind doch alle hin und wieder Trottel. Wer ist schon perfekt? An manchen Tagen ist jeder von uns ein Arschloch, aber wir brauchen Leute in unserem Leben, die uns damit konfrontieren. Ein Freund, ein Lover, ein Familienmitglied. Wie Kate (Hudson, die seine Frau spielt; Anm. d. Red.) es im Film tut, damit Aidan erkennt: Okay, ich muss mich ändern. Der Film ist eine ziemliche emotionale Achterbahnfahrt … Jede Woche unseres Lebens gibt es Momente, in denen uns das Herz bricht und hoffentlich Momente, in denen wir uns krümmen vor Lachen. Und ich möchte, dass meine Filme genau so sind wie das Leben. Auf dem Weg zur Beerdigung meiner Großmutter saß ich in einem Auto und alle weinten und waren traurig. Dann hat jemand einen Witz gemacht, dass meine Großmutter die Erste gewesen wäre, die darüber gelacht hätte. Und alle brachen in lautes Lachen aus, während ihnen die Tränen runterrannen. Das ist der Moment, in dem man weiß, dass man am Leben ist. So ein intensives Gefühl. Zum Abschluss noch zur Finanzierung des Films: Es hagelte Kritik, weil du es als erfolgreicher Schauspieler und Filmemacher leicht haben solltest, einen Film zu finanzieren. Und dass Plattformen wie Kickstarter eigentlich dafür da seien, Filme zu finanzieren, die am Markt keine Chance haben. Wie stehst du zu dieser Kritik? Ich habe versucht, den Film auf dem üblichen Weg finanzieren zu lassen – so wie er war, ohne Kompromisse eingehen zu müssen. Aber keiner wollte ihn machen, keiner. Natürlich kann ich mein eigenes
Geld in einen Film stecken und das habe ich auch getan. Aber ich habe keine 5,5 Millionen Dollar, um sie in diesen Film zu stecken. Und wie auch der Chef von Kickstarter meinte: Niemand hat gesagt, dass Crowdfunding nur für Leute ist, die zuvor noch keinen Erfolg gehabt haben. Tatsächlich ist das eine gute Sache für die Plattform, wenn Celebritys ihre gesamte Fanbase auf die Seite lenken. Die Daten zeigen, dass diese Leute auch bleiben und andere Projekte mitfinanzieren. Und für die 47.000 Fans, die mitgemacht haben, war es eine wunderbare Erfahrung. Es ging hier nicht darum, dass ich irgendwie Geld verdiene – wahrscheinlich werde ich mit diesem Film sogar Geld verlieren. Es ging um ein Experiment: Was, wenn ich zu meiner Fanbase gehe, bei der recht klar ist, dass sie diesen Film, der sonst nicht gemacht worden wäre, sehen möchte, und sage: »Hey, wenn du ein T-Shirt kaufst oder ein Ticket für eines der Q&As in der ganzen Welt, irgendetwas, das du wirklich haben möchtest, dann kann dieses Geld – gemeinsam mit meinem – dafür sorgen, dass dieser Film, an dem du bestimmt Spaß haben wirst, gemacht wird.« Ich sehe kein Problem darin. Keiner in der Community sieht ein Problem darin. Natürlich muss man darüber diskutieren, Crowdfunding ist schließlich etwas ganz Neues. Aber so manche Gegenreaktion hat mich doch frustriert, weil die Argumente einfach falsch waren: Sagt nicht, ich würde Kickstarter wehtun. Ich habe an einem Tag mehr Leute auf die Seite gebracht, als dort jemals zuvor an einem Tag gewesen sind.
»Wish I Was Here« läuft am 10. Oktober in den heimischen Kinos an. Wer einem Filmprojekt finanziell auf die Sprünge helfen möchte, schaut am besten auf www.kickstarter.com vorbei – von abseitigen Underground-Streifen bis hin zu konventionelleren Produktionen ist dort alles vertreten. 037
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In Wien und London halten kleine Barrieren Obdachlose vom Schlafen und Skater vom Skaten ab. Offiziell natürlich nicht.
Hostiles Design — Design für die Kontrollgesellschaft gegen Skater und Obdachlose
Böse Stellen 036 Text Peter Stuiber Bild Marc Vallée / www.marcvallee.co.uk, Peter Stuiber
Seit Kurzem findet international eine rege Diskussion über »Hostile Architecture« statt – Gestaltung im urbanen Raum, die Randgruppen vertreiben soll. Und wie sieht es bei uns aus? Auch in Österreich gibt es »Spikes« zur Abwehr. Allerdings nur gegen Tauben. Zumindest ist noch kein Fall publiziert worden, der jenen Spitzen ähnelt, mit denen man in London unerwünschten Personen im wahrsten Sinne des Wortes zu Leibe rückt. In der britischen Hauptstadt wurden in den vergangenen Monaten etliche Beispiele von eingebauten Metallspitzen auf öffentlichen Plätzen bekannt, die verhindern sollen, dass bodennahe Flächen oder Mauernischen als Sitz- oder Schlafgelegenheiten genutzt werden. Mitunter geht die Sache nach hinten los wie im Falle der Supermarktkette Tesco, die mit Spikes »antisoziales Verhalten wie Rauchen oder Trinken« gar nicht erst aufkommen lassen wollte. Es gehe ja überhaupt nicht gegen Obdachlose, beteuerte das Unternehmen. Doch das nützte nicht viel, Aktivisten übergossen die Spitzen mit Beton, weitere Proteste führten schließlich dazu, dass sie entfernt wurden. Ein kleiner, wenn auch symbolisch wichtiger Sieg im Kampf um den öffentlichen Raum. Nicht immer sind die »Abwehrmaßnahmen« gegen unerwünschte Personen so offensichtlich. Es geht auch subtiler. An vielen Plätzen, besonders in Einkaufsstraßen, sind auch bei uns die klassischen Parkbänke von viel schmäleren Bänken ohne durchgängige Rückenlehne bzw. von Einzelsitzen oder Sitzbänken mit Zwischenlehnen abgelöst worden: Als Schlafgelegenheit können sie also gar nicht mehr genutzt werden. Wo kommerzielle Interessen groß sind und die Kommunen repräsentativ sein wollen, schaffen architektonische
Neugestaltungen Fakten. Als Beispiel dafür könnte man die Karlsplatz-Passage in Wien nennen, wo etwa die bei Obdachlosen »beliebten« Telefonzellen (einst sogar mit Türen) im Zuge der Renovierung verschwanden. Sind solche Maßnahmen Teil einer konzertierten Aktion, mit der man die Stadt »säubern« will? Gibt es auch bei uns einen Trend Richtung »Hostile Design«?
Echte Betten statt Parkbänken, bitte! Nein, das könne sie so nicht bestätigen, meint Susanne Peter. Sie ist Sozialarbeiterin beim Caritas-Obdachlosen-Betreuungszentrum »Gruft« in Wien und arbeitet seit mehr als 25 Jahren in der Branche. Natürlich stimme das mit den Parkbänken, sagt sie. »Aber unser Ziel sollte es ja eigentlich sein, für Männer und Frauen ohne Obdach einen Schlafplatz zu finden – und nicht Parkbänke. Allein schon wegen der Witterung und der Gefahr, überfallen zu werden.« Auch die slicke Karlsplatz-Passage findet sie weniger problematisch, da der weite Karlsplatz noch immer genügend Platz für jene biete, die aus der Kernzone des Durchgangs mehr oder weniger sanft vertrieben wurden. Die Sozialarbeiterin sieht sich zwar als Verteidigerin der Rechte ihrer Klientinnen und Klienten, versteht aber die Wünsche und Bedürfnisse der anderen. »Früher sind z. B. die öffentlichen Toiletten auf der Donauinsel oft als Notquartier genutzt worden und waren komplett heruntergekommen. Dass man die heute wieder benutzen kann, finde ich schon positiv.« Hier habe man etwa von Seiten der Caritas versucht,
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Am Bahnhof werden Obdachlose statt von Bänken gleich von der Polizei vertrieben. Für Klos braucht es einen Code.
für die betroffenen Obdachlosen adäquate Unterkünfte zu finden. Konfliktpotenzial sieht Susanne Peter vor allem dann, wenn in Parks oder auf Plätzen mehrere Personen zu randalieren beginnen: »Dann fühlen sich die Leute bedroht und rufen die Polizei.« Keine Frage des Designs also? Doch, natürlich schon auch. Die Caritas-Expertin erzählt vom Esterhazypark beim Haus des Meeres, wo der Bezirk extra einen Bereich eingerichtet habe, in dem sich Obdachlose aufhalten dürfen – mit Bänken, Tischen etc. Bei großen Stadtprojekten wie beim neuen Hauptbahnhof ist die Caritas schon in der Planungsphase eingebunden – am Wiedner Gürtel richtet man ein Tageszentrum ein, um der neuen Situation professionell begegnen zu können.
All die Häusln Anlässlich des Besuchs in der Gruft ergibt sich dann auch die Gelegenheit, mit einem direkt Betroffenen zu sprechen. Daniel, seit zwei Jahren auf der Straße, ist davon überzeugt, dass es eine Tendenz dazu gebe, zentrale Orte in der Stadt möglichst frei von Obdachlosen zu kriegen. Das sei allerdings weniger eine Frage von Details bei Sitzgelegenheiten oder sonstiger Möblierung, sondern vor allem eine Maßnahme, die mittels Polizeikontrolle ausgeführt werde. »Sobald du in der Sonne mit einer Decke auf der Wiese oder auf einer Bank liegst und dabei einpennst, ist schon die Polizei da. Die fackeln nicht lang und vertreiben dich, auch wenn du nichts gemacht hast. Ausweiskontrolle, Bettelverbot usw. Und weg bist du.« Am Westbahnhof seien es uniformierte Mitarbeiter eines Wachdienstes, die diesen Job erledigen würden. »Die lassen dich erst gar nicht hinsetzen.« Im Zusammenhang mit Stadtmöblierung und öffentlicher Infrastruktur gibt es für Daniel noch ein weiteres zentrales Thema: die Toiletten. »Das ist für uns ein Riesenproblem, über das niemand spricht. Früher gab es viel mehr öffentliche Klos. Heute sind die meisten abgesperrt, zum Beispiel bei den Wiener Linien. Da musst du beinhart zahlen, was sich von uns ja keiner leisten kann. Auch der McDonald’s ist weggefallen, da ist es genauso.« Sozialarbeiterin Susanne Peter verweist bei diesem Thema auf ein neues Projekt am Praterstern: Hier kann man ein neu gestaltetes Pissoir mit Jetons betreten, die von der Sozialeinrichtung SAM ausgegeben werden.
Skate Stoppers Immerhin kein Kloproblem hat eine andere Gruppe, die in Großstädten immer mehr in den Fokus von Hostile Design gerät: die Skater. In San Francisco begann man schon vor längerer Zeit mit sogenannten »Schweineohren« – herausstehenden Metallringen – auf Randsteinen und niedrigen Mauerkanten das Skaten zu verhindern. Erst kürzlich berichtete der britische Observer und die BBC über die sogenannte »Camden Bench«, eine Beton-Sitzbank in London, die gleich doppelt böse ist: Ihre abgeschrägte Sitzfläche verhindert, dass man darauf gut liegen kann, und der Kantenverlauf ist selbst für geübte Skater eine Herausforderung. Noch viel mehr Hostile Design hat der Dokumentarfotograf Marc Vallée auf Lager. Seit 2011 fotografiert er in seiner Heimatstadt London »anti-skateboarding devices«, zwei kleine Publikationen hat er schon herausgebracht. »Es gibt so viele davon, von nachträglich angebrachten Add-ons bis hin zu elegant eingebauten Designs«, so Vallée. »Über Twitter schicken mir mittlerweile Leute aus der ganzen Welt Beispiele.« Mit seinen Fotos wolle er nicht nur die Interessen einer Gruppe – in diesem Fall der Skater – unterstützen. »Meine Bilder sind die visuelle Antwort auf die immer stärker werdende Privatisierung des öffentlichen Raumes. Unternehmen und lokale Behörden benutzen Skate Stoppers und andere Defensive Architecture, um unser Gruppenverhalten zu beeinflussen und den öffentlichen Raum zu kontrollieren. Ein Ziel meines Projekts ist es, dass die Leute sich zu fragen beginnen, für wen die Stadt eigentlich gemacht ist und wer sie kontrolliert.« Und wie stellt sich das Problem aus Designer-Sicht dar? Gestalter Wolfgang Hints-Famira leitet mit seiner Frau das in Bad Vöslau ansässige Unternehmen Miramondo, das sich auf öffentliche Möblierung spezialisiert hat und europaweit tätig ist. Die Verantwortung will er nicht auf die Designerinnen und Designer abgeschoben sehen: »Ich denke, dieses Thema muss gesellschaftlich aufgearbeitet werden. Es ist eine Aufgabe, die sich in den Bereichen, Politik, Soziologie, Ethik und Moral stellt und erst im Anschluss daran in der Architektur oder im Design.« www.marcvallee.co.uk 039
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bild und dokumentation Armin Rudelstorfer
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Katharina Loidl, 38, Musikerin, Klavierspielerin
Das weiße Klavier des traditionellen Wiener Klavierbauers Gustav Ignaz Stingl hat Katharina mit zehn Jahren von ihren Großeltern geschenkt bekommen. Nur das darauf Gespielte hat sich verändert. Einst war es Klassik, jetzt ist es Metal. Katharina ist nämlich Keyboarderin der MetalBand Zornes Nacht. In Ihrer Klavierschule easypiano.at ist die Metallerin aber deutlich sanfter. Ihren Schülern, darunter auch die Filmemacherin Magdalena Chmielewska (im Bild links), wird mit kleinen schamanischen Entspannungstechniken der Leistungsdruck genommen.
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Workstation — MENSCHEN AM ARBEITSPLATZ
Thomas Rhube, 33, Bildender Künstler
Neben aufwendigen Graphitzeichnungen, die auch mal mehrere Monate bis zur Fertigstellung brauchen, arbeitet Rhube an Tuschegrafiken, die in nur wenigen Minuten fertig sind. Rhube meint: »Die Kunst ist einfach ein gutes Mittel, um Zeit und Raum zu beeinflussen.« Die verpackten Bilder hinter Rhube sind fertig für die Auslieferung und werden am 8. Oktober bei der Young Art Auction in der Albertina versteigert.
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Prosa Anita Augustin – »Fünfzehn Milligramm«
anita augustin führt an die abgründe der gegenwart und an die seelisch kaputten ränder der gesellschaft. mit grimmigem humor zelebriert sie das absurde im naheliegenden. trist? natürlich – aber auch schrecklich komisch.
Bild Gerald von Foris
Mummy Issues Kurzgeschichte Fünfzehn Milligramm Meine Mutter hat schon immer gesagt, dass ich wie Jesus aussehe. Sie hat mir übers Haar gestreichelt und gesagt: Wie Jesus. Manchmal ist sie mir mit den Fingerspitzen über die Augenbrauen gefahren, eigentlich mit den Nägeln, die waren immer lang und lackiert, Satin Deluxe von Dior, später haben sie ihr das Fläschchen wegnehmen müssen, weil sie angefangen hat, ihre Zähne zu lackieren, aber als es noch die Nägel waren, ist sie mir mit den seidig schimmernden Enden über die Augenbrauen gefahren und
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hat gesagt: Wie Jesus. Meine Stirn: Wie Jesus. Meine Nase: Wie Jesus. Mein Mund: Wie Jesus. Welchen Jesus sie gemeint hat, war nie so ganz klar. Wahrscheinlich alle. Zweihundert kleine Jesusbilder, säuberlich aufgeklebt und nummeriert, sie zieht das Album unterm Kopfhissen hervor, sie zieht mich auf ihren Schoß, der Wärter sitzt dösend im Eck, ihr Kinn berührt meine Schläfe, ihr Atem riecht komisch. Sie öffnet das Album und blättert ein paar
Seiten um. Sie fängt nie auf der ersten Seite an, bei dem magersüchtigen Schwarzweißjesus am Kreuz, sondern immer weiter hinten, bei meinem Lieblingsjesus. Ihr Zeigefinger fährt über seinen goldenen Strahlenkranz, über sein langes gewelltes Haar, über die rote Schärpe, die weißen Glockenärmel, sie dreht den Finger um und fährt mit dem Seidennagel über das dornenumrankte Herz. Dann tippt sie mir auf die Brust und sagt: Wie deins. Dieser komische Atem meiner Mutter, das war Baldriantee. Mit dem hat sie das Tofranil hinuntergespült. Antidepressivum.
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Mit vierzehn war ich zu schwer für ihren Schoß. Außerdem ist mir das schwer auf den Sack gegangen, dass ich alle zwei Wochen zu meiner durchgeknallten Mutter in die Klapse muss, um mir irgendeinen Jesus-Scheiß vorlabern zu lassen. Mir ist klar geworden, warum sie findet, dass ich wie Jesus aussehe. Weil Jesus aussieht wie ein Idiot. Zweihundertmal. Wie ein Vollidiot. Ich war gerade dabei, ein paar Meldescheine abzustempeln, das Telefon hat geklingelt. »Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten, Meldestelle, Peter Lindermut. Was kann ich für Sie tun?« Der Anstaltsleiter hat gesagt, wer er ist. Dann hat er gesagt, warum er anruft. Nach dreißig Sekunden habe ich kapiert, was er da gerade gesagt hat. Ist lang, dreißig Sekunden, am Telefon, und ich weiß erst heute, dass es genau dreißig waren. Nicht mehr. Nicht weniger. »Oh mein Gott ... ich .... das ist ... danke, dass Sie persönlich anrufen.« »Ist doch selbstverständlich. Ihre Mutter war ja fast zwanzig Jahre bei uns, wie ich den Akten entnehme. Mein Beileid, Herr Lindermut.« Dann hat er aufgelegt. Und ich war allein. Und vielleicht habe ich das, was ich heute am liebsten tue, also mein Hobby sozu sagen, vielleicht habe ich das dem Anstalts leiter zu verdanken. Oder Jesus. Oder doch meiner Mutter. Sie kommen von überall her. Türkei, Polen, Rumänien. Hin und wieder kommt jemand aus der heimischen Provinz. Appendorf, Kleinhausen, Hinterfelde. Ich mag die Leute aus der Provinz, weil mit denen kommt man ins Gespräch, vor allem mit den Frauen. Sie sitzen vor dir, der Meldeschein ist vorbildlich ausgefüllt, Adresse, Familienstand, Religionszugehörigkeit, und wenn du nett fragst, dann erzählen sie dir von ihrem neuen Leben in der großen Stadt. Von ihrem neuen Job zum Beispiel. Oder von ihrer Tochter, die Katja heißt und sehr talentiert ist. Jetzt bekommt sie endlich anständigen Klavierunterricht, zweimal die Woche, immer montags und mittwochs, immer von fünf bis sechs, Sie erzählen dir alles, diese Frauen. Weil du ein sympathischer Kerl bist. Weil du freundlich bist. Und so werden sie dich in Erinnerung behalten: Der sympathische Kerl vom Meldeamt, der sich freundlicherweise
für ihr langweiliges Leben interessiert. Sie werden dich nicht wieder erkennen, wenn du ein paar Tage später anrufst und sagst: »Hier spricht Pater Peter von der notfallpsychologischen Krisenintervention und Bereitschaftsseelsorge. Ich habe leider eine schreckliche Nachricht für Sie. Ihre Tochter ist an einer Überdosis gestorben ist. Man hat sie vor einer halben Stunde auf der Bahnhofstoilette gefunden.« Die Frau am anderen Ende der Leitung sagt nichts. Sie heißt Stefanie Taller, zugezogen vor drei Wochen aus Schnappenrode in der Nähe von Bautzen. Friseurin, konfessionslos, geschieden. Die Tochter ist fünfzehn und heißt Katja. War fünfzehn. Hieß Katja. Ging zum Klavierunterricht. Schon hart, wenn du glaubst, deine Tochter spielt gerade Chopin, und dabei liegt sie mit einer Nadel im Arm am Bahnhof herum, leblos, den Kopf auf einer angepissten Klobrille, die Beine verdreht, weißen Schaum vor dem Mund. Ich lehne ich mich zurück und sehe auf die Armbanduhr. Noch dreißig Sekunden, dann ist es soweit. In genau dreißig Sekunden wird Stefanie Taller das sagen, was alle sagen. Oh mein Gott. Das sagen alle. Nicht: Ich glaube Ihnen kein Wort. Nicht: Sie wollen mich wohl verarschen. Oh mein Gott. »Frau Taller, bitte tun Sie jetzt nichts Unüberlegtes, bitte bleiben Sie ruhig. Ich bin in zwanzig Minuten bei Ihnen, ein kostenloser Service der notfallpsychologischen Krisenintervention. Bis gleich.« Sie bleiben nie ruhig. Sie tun immer etwas Unüberlegtes. Psychischer Schock, Desorientiertheit. Deswegen ist es wichtig, dass du schnell da bist. Das Kostüm habe ich schon an, die Perücke sitzt heute ein bisschen schief, egal, ich hänge mir die Tasche quer über die Schulter, ich fahre immer mit dem Rad, auch im Winter, das geht am schnellsten. Ich rase durch die Stadt, vorbei an den stecken gebliebenen Autos, die Glockenärmel bauschen sich im Fahrtwind, die langen Haare flattern, die rote Schärpe auch, die goldgelbe Mütze mit den langen Wollfasern sitzt wie ein zitternder Strahlenkranz auf meinem Kopf, ich sehe aus wie ein Vollidiot. Sie bleiben nie ruhig. Wenn du da bist, sind sie schon schwer beschäftigt. Sie räumen die Wohnung auf oder waschen das Geschirr. Sie sortieren Bücher oder bügeln Hemden. Aber alles nicht so, wie es sich gehört, es gibt da immer die eine oder andere Verwirrung. Sie waschen das Geschirr, aber nicht mit Spülmittel, sondern mit Haarshampoo. Oder sie verwenden zwar Spülmittel, aber dann waschen sie nicht das Geschirr, sondern die Bücher.
Einmal, das war bei einer Frau aus dem Wuppertal, die gerade ihren dreijährigen Sohn bei einem Brand im Kindergarten verloren hatte, da war es besonders schlimm. Ich klingle, sie öffnet die Tür und starrt mich aus toten Augen an. Dann dreht sie sich wortlos um, ich gehe ihr nach, die ganze Wohnung riecht nach verbranntem Toast Hawaii. Im Schlafzimmer steht ein Bügelbrett. Sie stellt sich hin und bügelt, die Ananasscheibe zischt unter dem heißen Eisen, von den Rändern des Bügelbretts tropft geschmolzener Käse. Frau Taller scheint eine Ausnahme zu sein. Sie öffnet die Tür und bittet mich herein. Ziemlich blass, aber sonst sehr gefasst. Wir gehen ins Wohnzimmer, auf dem Couchtisch liegt ein aufgeschlagenes Fotoalbum. Wir setzen uns, wir schweigen. Dann zeigt sie auf ein Bild im Album und sagt: »Das ist sie mit fünf. Die Schaukel hat ihr mein Mann gekauft und im Garten aufgestellt. Da waren wir noch nicht geschieden.« Sie zeigt auf ein anderes Bild und sagt: »Das ist sie mit acht, beim ersten Vorspielen in der Grundschule. Das Kleid habe ich selbst genäht, sie war wunderschön.« Katja mit neun, beim zweiten Vorspielen in der Grundschule von Schnappenrode, wunderschön. Katja mit zwölf, beim bundesweiten Wettbewerb Jugend musiziert, wunderschön. Katja vor einem Monat, das Foto ist noch nicht eingeklebt. Frau Taller nimmt es heraus und legt es mir in den Schoß. Ich glotze interessiert auf das dickliche Mädchen mit dem Pagenkopf. Katja grinst verkrampft in die Kamera, ihre feisten Wangen sind gerötet, die Zahnspange gibt mir den Rest. Ich hätte sie an einem Verkehrsunfall sterben lassen sollen, ich meine: Das glaubt doch kein Mensch, dass die sich eine Nadel mit Heroin in den Arm jagt, aber Stefanie Taller aus Schnappenrode glaubt es. Jetzt schlägt sie die Hände vors Gesicht und stöhnt. »Frau Taller«, ich berühre sie sanft am Rücken, »Frau Taller, das ist jetzt alles
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Ad Personam: Anita Augustin
Hebt Anita Augustin an, Geschichten zu erzählen, wird es finster. Die gebürtige Klagenfurterin pflegt nämlich einen äußerst schwarzen Humor. Das zeigte sie eindrucksvoll bei ihrem literarischen Debütroman »Der Zwerg reinigt den Kittel«. Darin entspinnt sie die Geschichte von vier Omis, die unter Vorspiegelung von Demenz in einem Pflegeheim auf Krankenkassakosten leben. Eine doppelbödige Satire, voll mit abgedrehten Ideen, die auf gesellschaftliche Grundprobleme anspielen. An Anspielungen und Problembeschreibungen ist auch Augustins aktueller Roman nicht gerade arm. »Alles Amok« (Ullstein) heißt dieser und führt zunächst einmal ins prekäre »Scheißleben« von Jakob. Der taumelt als Berufsdemonstrant (mit dem schönen Künstlernamen Andi Anti) durchs Leben und überweist den Großteil des sauer verdienten Geldes an ein Pflegeheim, in dem seine Mutter dahinvegetiert. Die hat ihm neben einer streng religiösen Erziehung auch noch anderes, für ihn Unverzeihliches angetan. Und gesundheitlich ist der junge Bursche auch schwer bedient. Das speist seinen Hass auf Mutter und die Welt und ergibt einigen Stoff zum Abarbeiten. Jakob steht ein bunter Freundes-, eigentlich Bekanntenkreis zur Seite. Paul, der Parkbankphilosoph, Babsi, die Überbrückungs-Kellnerin, die in ihn verknallt ist, Herbert, »Ha & Em«-Verkäufer mit Hautproblemen, Sigi, der schwer tätowierte Kaufhausdetektiv und der nordkoreanische Würstchenverkäufer und Hobby-Poet Dingbang. Man sieht, hier bewegt man sich an den prekären Stellen des Lebens am Rande der Wohlstandsgesellschaft. Im zweiten Teil des Buches geht es dann richtig ans Eingemachte. Die illustre Schar von Randexistenzen wird vom charismatischen Zwerg Jürgen gecastet, um im »Paradies« zu arbeiten. Das ist ein bis ins kleinste Detail überwachter Freizeitthemenpark, der biblische und religiöse Mythen zum großen Spaß erklärt und trotz aller Überzeichnung ganz nah an den Disneylands dieser Welt dran ist. Wuzzipuzzi heißt übrigens die Hauptfigur und Kinderliebling dort. Hier arbeiten die Freunde nun. Ein sicherer Job, allerdings wird man permanent überwacht und latenten (Eso-)Gehirnwäschen unterzogen. Die Gruppe arbeitet übrigens in einer Freak-Show, die im Vergleich zum Rest des Parks eine düstere Insel der Seligen unter dem Diktat von Zwerg Jürgen ist. Und hier ist die Keimzelle, in der sich ein hochexplosives Gemisch zusammen braut, das dann plötzlich in die Luft geht. Mit präzisen Bildern und aberwitzigen Kalauern schafft Anita Augustin eine gallige Gesellschaftssatire. Witzig und bissig übersteigert sie die absurden Auswüchse der Gegenwart ins Abstruse. Das zu erkennen ist schrecklich, vor allem aber auch Manfred Gram schrecklich komisch.
sehr schwer für Sie, und ich weiß, was das bedeutet, wenn man einen geliebten Menschen verliert.« Ihr Rücken zittert. Ich fahre sanft auf und ab. »Aber«, sage ich, »aber, Frau Taller, der Tod ist kein Schlusspunkt. Wir sterben nicht ins Blaue hinein, oh nein. Wir sterben in die lebendige Hand Gottes hinein, auch wenn wir nicht an ihn glauben.« Sie zuckt zusammen und gibt ein trockenes Geräusch von sich. »Jesus Christus, Frau Taller, ist in dieser schweren Stunde bei Ihnen.« Das ist immer ein wichtiger Moment, wenn ich zum ersten Mal Jesus Christus sage. In diesem Moment höre ich immer mit dem Streicheln auf. Ich nehme meine Hand von Stefanie Tallers Rücken oder von dem Rücken irgendeiner anderen Frau und breite beide Arme aus. Ich lege den Kopf in den Nacken und bleibe für einen Moment in dieser Pose. Dann sage ich: »Selig sind die, die da Leid tragen und zerbrochenen Herzens sind, denn sie sollen getröstet werden von Jesus Christus. Er wird kommen und hinwegwischen die Tränen von den Angesichtern. Er wird aufheben alle Schmach und den Tod verschlingen ewiglich, und der Tod wird nicht mehr sein.« Stefanie Taller starrt mich an. Ich berühre sie sanft an der Wange. Dann zeige ich auf meine Brust und sage: »Das Mägdlein ist nicht tot, gute Frau. Es schläft in den Herzkammern des Herrn.« Sie seufzt einmal tief auf, ganz tief, dann sinkt sie an meine Brust und weint. Sie weint so lange, bis die Schärpe durchnässt ist und das Hemd darunter und die Haut unter dem Hemd, und wenn man bedenkt, dass eine Träne nur fünfzehn Milligramm wiegt, dann ist das schon bemerkenswert. Ich halte sie im Arm, so, wie ich das immer mache. Ich halte sie fest im Arm, all diese Frauen, die um ihre toten Töchter weinen und um ihre toten Söhne. Sie weinen literweise Wasser und Salz in mein Idiotenkostüm, und ich weine mit. Jedes Mal. Und ich bin nicht allein. Im Treppenhaus begegnet mir ein dickliches Mädchen mit Pagenkopf. Sie glotzt mich im Vorübergehen an. Würde ich auch, an ihrer Stelle. Sieht man ja nicht alle Tage, so einen komischen Kerl mit so komischen Klamotten und total verheultem Gesicht. Ich lächle ihr zu, ich würde gerne sagen: »Da wird sich deine Mami aber freuen, dass sie schon wieder Besuch bekommt. Zuerst Jesus, dann ihr totes Töchterlein. Nein, was für eine Freude!«, aber ich sage nichts, ich lächle nur. Und später werde ich auch noch Besuch bekommen. Ich träume immer von ihr, in den Nächten danach. Sie steht vor mir, vollgepumpt mit Tofranil, sie zeigt auf meine Brust. Ich sehe an mir herunter, da ist nichts. Nur ein großes Loch. Keine Lunge, kein Herz, ich stöhne auf vor Schmerz, sie sagt lächelnd: Wie Jesus, ihre Zähne schimmern seidig. 047
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Interaktives Lernen: Was Bücher nicht können
Der rasante technologische und gesellschaftliche Wandel verlangt den Menschen neue Kompetenzen ab. Heute ist es wichtiger denn je, sich laufend weiterzubilden, die Vorzüge der Vernetzung in der Schule und im Beruf richtig zu nutzen, die Fähigkeit zum kritischen Hinterfragen auszubilden und den praktischen Umgang mit neuen Technologien und Tools zu erlernen. Diese Technologien und Tools sind gleichzeitig auch die Vehikel für den Erwerb dieser Kompetenzen. In der nächsten Ausgabe von twenty.twenty wollen wir darüber sprechen, welche Trends es im Bereich des digitalen Lernens gibt und wie sich die Tools weiterentwickeln werden.
Di., 21.10.2014 – Empfang 18:30 Uhr – Start 19:00 Uhr The Hub Vienna, vienna.the-hub.net Wien 7., Lindengasse 56 / Top 18 –19 Die Veranstaltungsreihe twenty.twenty widmet sich als offene Diskussionsplattform Zukunftsszenarien einer Welt 2020. Denn: Zukunft kann nicht gepredigt oder verordnet werden. Sie gehört diskutiert und gestaltet.
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AB HIER: REZENS ONEN
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Ghost In The Shell »Puppe, wir machen jetzt Post-Internet. Mit Bildern und Sounds, die uns als zugerichtete Gestalten zeigen, die schrecklich, schön und majestätisch sind.« Scheiße, was hat das alles zu bedeuten? »Xen« ist Informationsexplosion auf engstem Raum. Xen, das ist ein Hypervisor, eine Software, die mehrere Betriebssysteme parallel simuliert. Xeno, mit einem o am Ende, ist griechisch und bedeutet Fremder oder Gast. Es ist aber auch ein Alter Ego und eine andere Verkörperung von Arca, sie ist weich, scharf, voller Kontraste, weiblich, männlich, kompakt und diffus, Xen ist ein bionisches Etwas. Xen, das ist Kunst, die sich schwer erklären lässt, man staunt, ist plötzlich wieder drei und ganz gaga. Xen ist größer als dein Speicher. Irgendwie klingt das Album nach Vaporwave, nach leeren Einkaufszentren und geilkaputtem Kapitalismus. Aber nur oberflächlich. Dahinter stecken andere Fragen und echte Songs, die zwar eigenartig und total synthetisch geschrieben sind, ohne Worte, manchmal ohne festen Rhythmus, aber doch immerhin Songs. Werbungen, 80er-TVSpots und der Sound von Konsum hallen bei »Xen« nur noch nach. Du kannst es notfalls Post-Internet nennen. Dabei könnte es vielleicht ja doch um Menschen unter den Bedingungen des dauernd on gehen, dauernd retuschieren, sich dauernd optimieren, dauernd verzweifeln, dauernd Screenshot. Im Leben nach dem Internet sind wir uns fremd und bei uns selbst zu Gast. Nun ist es nicht so, dass wir früher wirklich eins mit uns selbst gewesen wären, Sigmund Freud und das blutigste Jahrhundert der Menschheitsgeschichte wären dafür Belastungszeugen. Durch die Filter von Interfaces und Kameras, durch die volle Vernetzung wird so ein Ich natürlich auch klüger, besser und schlauer, wie wir alle, aber natürlich auch ein wenig zugerichtet. Vergangenen Oktober war Arca im MOMA in New York eingeladen. Dort konnte man inmitten einer Kuppel eine audiovisuelle Performance sehen, auf der digital zerquetschte Figuren schwebten wie im Weltall, haltlos, gestrandet, vielleicht beutelten sie sich auch in einem durchsichtigen Uterus. Reste davon sind auf Youtube zu sehen. Arca hat auch einen bürgerlichen Namen, ist 24 Jahre alt und in Venezuela geboren, aber das lenkt eigentlich vom Wesentlichen ab. Bei Kanye Wests »Yeezus« hat er viermal geholfen, bei FKA Twigs’ »LP1« dreimal. Früher, da hatten seine Songs noch mehr Wumms, mehr Drums und Schlagzahl. Auf »Wound«, »Held Apart« oder »Failed« kann man zwischendurch hören, mit welcher musikalischen Gewalt man es hier zu tun hat, wenn sich Arca selbst in ein klassisches, harmonisches Korsett zwängt. Aber was soll’s, heuer haben wir endlich wieder eine Musik, die unsere technologische Transformation, unsere Kokons und Verpuppungen reflektiert. Und wie. 08/10 Stefan Niederwieser 049
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Zola Jesus Taiga (Mute)
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Flying Lotus You’re Dead (Warp / Rough Trade)
Den Eiswald überfliegen
Der Jazz macht die Musik
Jeder ihrer Songs beginnt dort zu atmen, wo die Sängerin Luft holt. Sie zieht Melodien aus der Stille hervor. Zola Jesus ist schon wieder »Einsamekünstlerin«.
Der edelste Beat-Ritter aus ganz Los Angeles heißt Flying Lotus. Ihn großartig zu finden gehört zum guten Ton. Und seine guten Töne wurden gerade noch viel edler.
Zola Jesus ist und bleibt Perfektionistin. Sound und Körper, Gefühl und Dramatik und nicht zuletzt Geist und das Umfeld, in dem er aufblüht, müssen am Ende nahtlos ineinander übergehen. Die ersten Songs beginnt sie im sonnigen L.A. zu schreiben, dort wo die Nachbarn Barbecue-Partys schmeißen und Miley Cyrus aus jeder zweiten Karre schallt. Nika Roza Danilova, so ihr richtiger Name, mag Pop, nur eben auf ihre Weise – als Filter und nicht als Projektionsfläche. Also zieht sie zuerst nach Wisconsin, dort, wo die Taiga, der nördlichste Waldtypus der Erde, auch Eiswald genannt, menschenleere Landschaften verhüllt und später weiter nach Vashon Island. Die Insel ist doppelt so groß wie Manhattan, Einwohner zehntausend. Isolation war für dieses vierte Album das wichtigste Vehikel, dieses große Songreservat für Songwriter dieser Zeit. Was uns zu dem Schluss führt, dass man Zola Jesus viel eher »Einsamekünstlerin« und nicht »Ausnahmekünstlerin« nennen sollte. Vor allem ist Zola Jesus aber mittlerweile eine bessere Lady Gaga. Sie kommt eigentlich aus der Klassik und hat es geschafft, ihren gesanglichen Qualitäten, ihrem Hang zu atmosphärischen Klängen und Melodramatik frische Synth-Pop-Zellen zu spritzen, ohne eine Seite zu sehr zu enttäuschen. Da wird mit Drum’n’Bass geflirtet, echt jetzt, da gibt es zum Beispiel die Single »Dangerous Days«, die von ihrem Aufbau an eine Katy Perry-Nummer erinnert und dann in diesen Refrain mündet, den auf einem Festival alle mitgrölen können. Nika Roza Danilova wäre aber nicht Zola Jesus, wenn sie einzig und allein solche Songs schreiben würde, auch wenn sie könnte. Zola Jesus beginnt dort, wo die Kanadierin das erste Mal Luft holt. Katie Stelmanis von Austra kann das mindestens genauso gut, lässt ihrer Stimme aber weit nicht so viel Raum wie die schüchterne Jesus das tut. Sie schleust ihre Songs aus Eis und Feuer durch einen elektronischen Maschinenraum. Der Sound von »Taiga« ist synthetisch, gekünstelt. Sonst wäre das Album vielleicht verkitscht. So aber ist es moderner Schamanismus. 08/10 Franziska Tschinderle
Sein neuestes Album ist der musikalischste elektronische Blockbuster des Jahres. Und auf allen Kanälen wird kräftig mitgehypt. Alle Lager können sich auf ihn einigen. Flying Lotus ist Konsens. Statt BeatWunderkinderei steht jetzt eher Jazz auf der Speisekarte. Haute Cuisine ist nun nicht jedermanns Sache, aber FlyLo kann sich das leisten. Der Anfang der 80er geborene Steven Ellison alias Flying Lotus ist nicht nur der Großneffe von Jazz-Ikone Alice Coltrane, sondern auch der berühmteste Vertreter seiner Zunft. In seinem Fall handelt es sich um feinspitzige Beatbastelei. Gefühlt machte Flying Lotus schon L.A.-Beatmusik, bevor L.A.-Beatmusik ein hippes Ding war. Sogar EDM-Wasteln wie Skrillex finden Flying Lotus aktuell »totally awesome«. Adel verpflichtet. Am Massengeschmack schießt FlyLo dieses Mal mitunter wohl vorbei. Jazz gibt auf »You’re Dead« den Ton an. Die so beliebten Beats weichen deutlich in den Hintergrund, umspülen die Musik teilweise nur mehr. Das schafft Raum für Anderes. Jazz in seinen schillerndsten Farben zum Beispiel. Oder Fusion- und Psychedelic-Verkreuzungen. Ob Beatheads diesen Sound auf Anhieb schlucken, ist fraglich. Vordergründiger Andockpunkt für viele Hörer werden wohl die ab und an darübergestreuten Rap-Parts sein. Diese kommen von prominenten Stimmen wie Kendrick Lamar, Snoop Dog oder FlyLo himself als Captain Murphy. Sie holen den Hörer ein Stück weit zurück in die Jetztzeit. Plötzlich weiß man wieder, dass man sich gerade kein 60er-Jahre-Jazz-Album anhört. Über alldem thront der Tod, das große Überthema der Platte. Locker flockig geht anders. Aber Warp und vor allem Flying Lotus brauchen sich über einbrechende Sympathiewerte wohl keine Gedanken zu machen. Seinen Status als coolster und gleichzeitig kredibelster Producer der Neuzeit wird er durch eine Jazz-Fusion-Platte nicht einbüßen. Das Album ist nebenher hoch musikalisch und dicht. Man wird das klarerweise feiern. Wenn Flying Lotus Jazz-Fusion zum heiligen Gral erklärt, dann werden ihm seine Jünger sicher folgen. Jazz-Fusion. Ja. Warum eigentlich nicht. 07/10 Maximilian Zeller
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Pop, Bass, Hop Und anderes Musikalisches dazwischen und darüber hinaus. Kuratiert (ha!) von Amira Ben Saoud.
Tove Lo Queen Of The Clouds (Universal)
Wolkenbruch Es blitzt und donnert. Schwedenbombe Tove Lo versteht ihr Handwerk und krönt sich selbst zur Himmelskönigin. Auf ihrem Debüt treibt sie Pop in schwindelerregende Höhen. Tove Lo hält, was sie bereits Anfang des Jahres auf ihrer »Truth Serum«-EP versprochen hat: »Queen Of The Clouds« ist eines der besten Pop-Alben des Jahres geworden. Tove liefer Schwedenpop in ihrer allerhöchsten Konzentration. Jedoch findet sie ihre ganz eigene, finstere Nische. Ihre bevorzugten Themenschwerpunkte teilen die Tracklist in drei Kapitel ein: Sex, Liebe, Schmerz. Letzteren betäubt Tove Lo übrigens nur allzu gern mit Rauschgift, um dann später in die Badewanne zu kotzen. »Habits« hat zwar schon ein paar Monate auf dem Buckel, weniger großartig ist er deshalb allerdings nicht geworden. Das hat jetzt – anderthalb Jahre nach seinem ursprünglichen Release – auch der Rest der Welt erkannt, der Song entwickelt sich nämlich gerade zum Spätzünder-Hit. Die fast schon majestätischen Refrains lassen kurz an Sia denken, die an dieser Stelle ihren Herzschmerz wohl metaphorisch umschrieben hätte, wohingegen Tove Lo lieber direkt und ungeschönt von Drogen und Alkohol singt. Die Songs aus der »Pain«-Sektion tun schon ziemlich weh, und generell ist auf der Platte natürlich einiges an schwedischer Schwermut vorhanden, Depri-Tove kann aber tatsächlich auch mal unbekümmert sein: »Like Em Young« macht wunderbar viel Spaß und man wundert sich ein bisschen, dass man nicht zumindest versucht hat, den Song an Madonna zu verkaufen. Mitten im emotionalen Gewitter kommt dann plötzlich auf »Moments« der ganz große Sturm angedonnert. »I'm not the prettiest you've ever seen, but I have my moments«, singt sie fast demütig. Zumindest an ihren guten Tagen ist sie aber »charming as fuck«. Stimmt, auch wenn sie auf den Promofotos immer irgendwie müde, betrunken und/oder wahnsinnig sexy aussieht. Manchmal wirkt sie schon ein bisschen messy, die Tove, aber das macht sie nun mal aus. Sie läuft keinem Trend hinterher, braucht keine Saxofone und keine Featurings und thront trotzdem jetzt schon weit über den Wolken dieser von EDM überfluteten Musiklandschaft. »Queen Of The Clouds« ist nicht das, was Pop heute will, aber genau das, was Pop braucht. 08/10 Franz Lichtenegger
Brenk Sinatra & Fid Mella Chop Shop 2 / Album (Hector Macello) — Schon sich die Tracklist von Chop Shop 2 leise aufzusagen ist die schönste Musik. »Göd«, »Fertigkeit«, »Wosis«, »Doppla« – man fühlt sich gleich zu Hause. Und dann reinhören und nie wieder aufhören. Weil es so viel zu entdecken gibt. Die besten österreichischen Musikmomente oder die, die es hätten sein sollen, gesampelt und arrangiert über feinstem Kaisermühlen-Beat. Genauigkeit in Auswahl und Produktion trifft »singende klingende« Gemütlichkeit. Paul White Shaker Notes / Album (R&S Records) — Auf Paul White ist kein Verlass. Schon »Rapping with Paul White« (2011) hatte keine durchgehende Linie, sondern war eine Ansammlung allerhand spannender Ideen, die aber zumindest irgendwie am weiten Feld Hip-Hop orientiert waren. »Shaker Notes« bewegt sich nun weit weg von Beats und Bars und fühlt sich wie die perfekte Vertonung einer geheimnisvollen Fata Morgana an. Fazit: Verlass braucht keiner, Paul Whites neues Album schon! Suicideyear Rememberance / Album (Software Recording Co.) — Wenn Trap auf Traurigkeit trifft, versteht das niemand, aber es ist nun mal passiert. Hat man das akzeptiert, kann man »Rememberance«, dem Debüt des Yung Lean-Kollaborators Suicideyear, auch wirklich etwas abgewinnen. Und man hat gelernt: Nicht alle Dinge, die nach einem ironischen Internet-Hype aussehen, verpuffen. Spannend wird sein, was sich hier in nächster Zeit tut – »Rememberance« legt den angenehm unaufgeregten Grundstein. PC Music PC Music (Record Label) — Apropos ironischer Internet-Hype: PC Music. Wir wollen das nicht länger verschweigen, weil: it will not lose. Klingt alles ein bisschen so, als würden die Chipmunks 90er Eurodance in der Lugner City karaokesingen. Irgendwo aus diesem zuckerlfarbenen Seifenblasensumpf kam auch QT, Erfinderin des schwer stressigen »Hey QT« herausgetaucht. Die Nummer erschien dann auf XL Recordings. PC Music weiß schon, was kommt. Witness the Avantgarde! Kindness Otherness (Female Energy) — Adam Bainbridge hat Kelela, er hat Robyn, er hat Dev Hynes. Was er nicht hat, ist ein wirklich gutes neues Album. Da fehlt’s am undefinierbaren »gewissen Etwas«. Nun ist »Otherness« aber eben auch überhaupt nicht schlecht. Sehr zum Wohlfühlen, sehr zum Mitwippen, sehr geschmeidig und rund. Gefällt auch der Mama und ist überhaupt ideal im Hintergrund beim Abendessen mit Freunden, die sich »eigentlich nicht so für Musik interessieren«.
Und auSSerdem natürlich:
SBTRKT – Wonder Where We Land / Album (Young Turks) Ja, manche können’s zweimal hintereinander. Seinabo Sey – Pistols At Dawn / Single (Universal) Pop muss man nicht retten, aber sie könnte. Jhene Aiko – Souled Out / Album (Def Jam) Um die Zeit bis zum Album ihrer Schwester Mila J zu überbrücken. 051
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Pop. Was? Für den Fetischcharakter und für die Regression des Hörens. Ausgewählt von Stefan Niederwieser. Sbtrkt Wonder Where We Land (Young Turks) — Also Musikmusik. Primetime im Club jedenfalls nicht. Genau das, was Sbtrkt früher so ausgezeichnet hat, verspult und verspielt zu sein, damit Werbung, Nervensystem und Allerweltshörer zu erreichen, das fehlt. Das Album ist natürlich hervorragend geschrieben und bis ins letzte Geräusch ausgefeilt. Sampha veredelt gleich vier Songs mit rauchig-samtener Stimme. Pop ist tot, Montreux, wir kommen. Alison Wonderland Cold (EMI) — Ganz so geschmeidig und aufwendig wie »I Want U« ist das Video ja nicht gefilmt. Aber eigentlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Major EMI so richtig entdeckt, dass man die 1,56 cm große, gelernte Cellistin wunderbar vermarkten kann. Der Name ist hervorragend, die Australierin ist nebenbei eine der wenigen Frauen im großen Bass-Musikpoltern. Vor allem aber atmen ihre Tracks, die Snares schnalzen, während Synths die Herzkammern vor Aufregung zum Flimmern bringen. Holly Herndon Home (RVNG) — Oh, Holly! Wir lieben das Internet ja auch. Daheim, das ist nicht nur der Name eines Folders am Desktop oder die Startseite im Browser, sondern auch ein Video, in dem es sich die Tennessee-Kalifornierin Holly, aktuell in Berlin, im Schatten einer Kamera, hinter Logos und klirrenden Sounds und stotternden Rhythmen, ungemütlich macht. Im hyperdigitalen Rausch wird das gespaltene Ich von der NSA dauerüberwacht, aber zwischen all dem blitzt immer kurz die Liebe hervor. Click. Ariel Pink Pom Pom (4AD) — Wenn du alles kannst, Tempi-, Taktwechsel, Melodien, Psychedelic, Wave, aber dauernd Lust hast, mit Texten über weiße Sommersprossen und Hey!-Rufen um dich herum zu trollen, dann heißt du vermutlich Ariel Pink. Das erste Soloalbum, das gar keines sein will, handelt von nicht genug Gewalt, einer Goth-Bombe oder den Dayzed Inn-Tagträumen. Sabbath, The Zombies, Wahnsinn, das ist auch alles drauf. LSD zur akustischen Einnahme empfohlen. Vince Staples Hell Can Wait (Def Jam) — Du magst Earl Sweatshirt, Schoolboy Q? Gut, die sind im Boot. Earl kennt er seit 15. Ganz unten, da in seiner Stimme, hat sich eine gurrende Kröte versteckt. Deshalb klingen selbst Zeilen über blaue Air Jordans wie derbe Minne. Er kann aber auch über Polizei-Bullshit, Tod und Black Panthers. Die surrealen, psychotischen Reime von Earl oder Tyler fehlt ihm zwar, manchmal sind Beats aus Quecksilber und Straßenreime auch okay.
Und auSSerdem natürlich:
Clark – Clark (Warp) Aphex Twin wäre stolz. Jeff Mills auch. Und Moderat. Ernst Palicek – Summer in Wien (Hanuschplatz Flow) Zwischen Normcore und Post-Ironie. Grenzgenial 2014, das. Recht hat der Ernst. Huxley – Blurred (Aus Music) Das Jungle-Revival hat jetzt schon seinen Überhit: »Give 2 U«. Fonky!
Chakuza Exit (Four Music)
Gut, dass er sich mies fühlt Als MC älter zu werden, ist oft gar nicht so einfach: Cool bleiben, ohne ein peinlicher Altherren-Gangsta zu sein. Chakuza findet mit »Exit« einen ziemlich guten Mittelweg. Ob Eminem, Marteria oder Fler – die Fortsetzung zu einem Kult-Album zu veröffentlichen, liegt momentan im Trend. Mit großem Erfolg werden Geschichten weitererzählt, Styles wiederentdeckt und längst begrabene Alter Egos zum Leben erweckt. Für Chakuza kam das nie infrage. Während seine Fans seit Jahren nach »City Cobra 2« schreien, hat der Linzer nur eins im Sinn: »Die Musik machen, die mir am besten gefällt.« Dass Chaks neuer Sound mit Ersguterjunge und Straßenrap nichts mehr zu tun hat, zeigte bereits »Magnolia«, das ihm eine breitere Hörerschaft und sehenswerte Verkaufszahlen bescherte. Auf dem Cover sah Peter Pangerl damals genau so aus wie er sich fühlte: ziemlich im Arsch. In 14 depressiven Tracks verarbeitete er eine Phase seines Lebens, die er wohl kaum als Blütezeit beschreiben würde. Hat aber auch irgendwie was Positives, diese ganze Traurigkeit. Schließlich sagt der Rapper selbst: »Ich bin nur wirklich gut, wenn ich nicht gut drauf bin.« Für den Hörer also völlig in Ordnung, dass sich Chakuza wieder mal richtig mies fühlte, als er die Songs für »Exit« schrieb, denn in all seiner Trübseligkeit liefert er mit seinem fünften Solo-Werk sein vielleicht bestes ab. Auch wenn »Exit« mit seinen schwermütigen Stücken auf Dauer anstrengend sein kann, klingt es oft eher schön als traurig. Das liegt auch an der ruhigen, aber doch markanten Live-Instrumentierung. Drums und Gitarren statt Synths und fetten Bässen, Indierock statt Streetshit. Er sei gar nicht unbedingt erwachsener geworden, sein Geschmack habe sich einfach nur verändert, behauptet Chak und zeigt jedem, der ihn für seine Stiländerung kritisiert, den lyrischen Mittelfinger: »Jetzt kommen die Prolos und meinen: Oh, Schwuli ist traurig. Und ja, genau das stimmt auch. Das bin ich auch, unglaublich.« Mit 40 immer noch zu rappen, das fände er peinlich. Dabei hat Chakuza einen völlig unpeinlichen Mittelweg gefunden, sich treu zu bleiben und trotzdem weiter zu entwickeln: einfach die Musik zu machen, die ihm am besten gefällt. Das sollte auch mit 40 noch klappen. 07/10 David Maurer
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Schöner Lärm, betörende Stille, alles dazwischen und natürlich die obligate Ausnahme. Ausgewählt von Manuel Fronhofer.
Wanda Amore (Problembär)
Liebe schön, Leben schön Leider ist die Cousine nicht ganz so frivol wie erwünscht. Das macht aber nichts. Wanda finden Liebe trotzdem gut. Jede g’scheite Chanson-Pop-Rock-Band braucht ihren Schlachtruf. Etwas, das die freuden-, spritzwein- und pathostrunkene Anhängerschaft bei Konzerten zustimmend anstimmen kann. Bei Element Of Crime ist es »Romantik!«, bei Wanda ist es »Amore!«. So heißt auch das Album, so ist das Motto, das aus allen Poren strömt. Auch wenn der Blick auf die Tracklist erstmal enttäuscht, da mit »Meine beiden Schwestern« wohl der Liebling der doch zahlreichen »Amore!«-Rufer fehlt. Ihr Motto setzen Wanda aber schon beim ersten Song tatkräftig um, beim wahrscheinlich größten Hit – und, Spoiler: davon gibt es viele – »Bologna«. Man ertappt sich dabei, die darin besungene Tante Ceccarelli um ihr Pantscherl in Italien zu beneiden. Mit viel Amore geht es weiter, »Jelinek«, das wunderbar im Sixties-JacquesDutronc-Upbeat mit herzhaften »Na gib ihm!«-Rufen aus dem Hintergrund rockende »Luzia« und der bereits aus dem Hörfunk bekannte Welthit »Auseinandergehen ist schwer« beschließen den bärenstarken Anfang. Mit den Schattenseiten der Liebe geht es weiter, allein schon Songtitel wie »Stehengelassene Weinflaschen« und »Ich will Schnaps« sowie Refrains wie »Bitte Baby, bleib z’haus bei mir« und »Ich fall in ein tiefes Loch« lesen sich wie das Drehbuch ebenjener traurigen Liebesmomente. Ansonsten ist die Liebe natürlich positiv besetzt, so auch in der wunderbaren Schlussnummer »Easy Baby«. Und es ist eh höchste Zeit, dass endlich wieder jemand in Liedern Frauen »Baby« nennt. Marco Michael Wanda tut das durchgehend und sieht dabei in seiner für ihn typischen braunen Vintage-Humana-Lederjacke immer ein bisschen aus wie ein Austria-Wien-Trainer aus den 80ern. Wenn die Stimme dann noch stellenweise nach – und dem Vergleich müssen sich Wanda eben stellen – Falco und Adriano Celentano klingt und dazu ein wunderbares, meist stark an französischen SixtiesPop-Rock erinnerndes Kopfnicker- und Füßestampferklangbild hat, kann das alles nur wunderbar und trotz aller Einflüsse unverkennbar Wien sein. Ganz »Amore« ist stimmig, die werden ganz groß. Promise. 08/10 Dominik Oswald
Iceage Plowing Into The Field Of Love (Matador) — Das Feld der Liebe aus dem Albumtitel graben Iceage ziemlich um. Die Dänen lassen den harschen Postpunk dabei etwas in den Hintergrund treten, bringen u. a. Mandoline, Trompete und Klavier zum Einsatz. Die Musik fällt aber nicht weniger intensiv aus. Im Wechselspiel mit dem heiseren Gesang klingt sie immer noch kompromisslos, aber gleichzeitig auch verstörend waidwund. Das erinnert dann zuweilen an Nick Cave oder gar an die Libertines an einem verdammt beschissenen Tag. The Flaming Lips With A Little Help From My Fwends (Bella Union) — Nach der Kraut-/Prog-Übung »Musik, Die Schwer Zu Twerk« (unter dem Namen Electric Würms veröffentlicht) also ein neues Spezialprojekt der Herren Coyne und Drozd, noch dazu ein Beatles-Tribute, konkreter: ein »Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band«Tribute. Den Songs – sie sind längst in die DNA der Popmusik eingegangen – steht der gehobene Irrsinn der Flaming Lips ausgezeichnet. Und die helfenden »Fwends« – von Miley Cirus bis MGMT – machen die Sache nur noch bunter. Allo Darlin’ We Come From The Same Place (Fortuna Pop!) — Ihre Songs sind nach klassischen Indie-PopMustern gestrickt und dennoch überragen Allo Darlin’ um Sängerin Elizabeth Morris so viele gleichgesinnte Bands. Der Moment, wenn Wehmut in zarte Euphorie umschlägt, der Charme der großen kleinen Geschichten, die Morris erzählt, der Akzent der gebürtigen Australierin, die Unschuld, die immer wieder in ihrer Stimme mitschwingt – das alles greift einem sanft ans Herz. Shellac Dude Incredible (Touch And Go) — So tight wie Shellac wären wohl viele Bands gerne. So klug, prinzipientreu und gleichzeitig unverkrampft auch. Jenseits von Klischees legen Steve Albini, Bob Weston und Todd Trainer ihre knochentrockenen Rocksongs an – auf »Dude Incredible« auf, selbst für Shellac, extrahohem Niveau. Das ganze Musikbiz-Brimborium sparen sie sich dabei, was auch dafür sorgt, dass die Alben der Band – geradezu anachronistisch – plötzlich einfach so im Laden stehen. Lucky Elephant The Rainy Kingdom (Sunday Best) — Die englische Band mit französischstämmigem Sänger hat dieses Album als Gegenstück zu einer Fernsehdoku über die sterbende Kultur der Arbeiterklasse aus den frühen 70ern angelegt. Aber keine Angst, der sozialhistorische Ansatz steht der Musik nicht im Weg. Ein bisschen verschlurft, ein bisschen melancholisch, mit Hang zu einer gewissen Kuriosität und Sound-Spielereien – das Ganze irgendwo zwischen Folk und Indie angesiedelt. Schon ziemlich nett!
Und auSSerdem natürlich:
The Drums – Encyclopedia (Minor) Finstere Wolken über dem Strand, dazu New-Wave-Romantik. Element Of Crime – Lieblingsfarben und Tiere (Label) Allerbeste Alltagsphilosophie, wie immer nonchalant vorgetragen. Ariel Pink – Pom Pom (4AD) Tausend bunte Ideen – von barockem Pop bis Wahnsinn.
01/10 grottig 02/10 schlecht 03/10 naja 04/10 ok, passt eh 05/10 guter Durchschnitt 06/10 sehr gut 07/10 super 08/10 ein Top-Album des Jahres, Genre-Klassiker 09/10 absolutes Meisterwerk
Neigungsgruppe Indie
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R ez The Salvation (von Kristian Levring; mit Mads Mikkelsen, Eva Green, Jeffrey Dean Morgan) — Nach dem österreichischen Westernrevival »Das finstere Tal« versuchen sich auch die Dänen an einer Wiederbelebung des nie ganz totzukriegenden Genres. »The Salvation« setzt dabei auf Starpower und eine brutale Rachegeschichte. Regisseur Kristian Levring nutzt diese Ausgangsposition, um sich mal mehr, mal weniger gelungen an Stereotypen des Westerns abzuarbeiten. Fans von »High Noon« oder Sergio Leone sollten sich wohlfühlen. Der Soundtrack verweist auf Morricone, die testosterongeladenen Szenen erinnern an Glanzzeiten des Genres. Es wird kaum gesprochen und der Film vermittelt eine kalte Welt. Optisch fährt Levring alles auf, was in seiner Macht steht, wobei der gewöhnungsbedürftige CGI-Look oft zu gewollt wirkt. Als John Ford Western drehte, drehte er einfach Western. Levring dagegen dreht die ganze Geschichte des Westerns mit und so kann der Film trotz einer stimmungsvollen Handlung nicht völlig überzeugen. 06/10 Patrick Holzapfel The Riot Club (von Lone Scherfig; mit Natalie Dormer, Sam Claflin, Jessica Brown Findlay) — In Oxford sehen die Studenten nicht nur unverschämt gut aus, sie sind auch reich und gebildet. Das vermittelt Regisseurin Lone Scherfig (»An Education«) im Film »The Riot Club«, der auf Laura Wades Theaterstück »Posh« basiert und sich an dem noch immer in Oxford existierenden Bullington Club orientiert: Eine »Dining Society«, die sich trifft, um sich ausgiebigen Alkoholexzessen hinzugeben. Wer Mitglied dieser zehnköpfigen Mannschaft werden soll, wird von den Angehörigen auserwählt und muss eklige und intellektuelle Prüfungen bestehen. Zwei Mitglieder fehlen in dieser Runde. Die Auserwählten sind der träumerische Miles (Max Irons) und der dekadente, aber etwas unsichere Alistair (Sam Claflin), dessen Bruder eine Riot-Club-Legende war. So interessant die Story beginnt, so flach und vorhersehbar findet sie ihren Höhepunkt in der Ausartung einer von Drogen-, Alkohol- und Fressorgien durchzogenen Nacht. Was sich ein wenig nach Marco Ferreris »Das große Fressen« anhört, ist viel Gerede über die Probleme der Supereichen und wie sie – trotz ihrer Bildung – in Selbstmitleid versinken. Scherfig versucht, eine entartete (geschlossene) Gesellschaft darzustellen, die den Überfluss bis an die Grenzen zelebriert. 06/10 Yasmin Szaraniec
Viel Lärm um nichts (von Joss Whedon; mit Alexis Denisof, Amy Acker, Fran Kranz) — Die Verfilmung von Shakespeares Theaterstück ist in den Händen von Starregisseur Joss Whedon (»The Avengers«, »Buffy«) zu einem faden Kammerspiel verkommen. Hier ist der Versuch, das Stück in Kombination mit dem Originaltext in die Gegenwart zu versetzen, gründlich schief gegangen und reicht bei Weitem nicht an die Entschlossenheit und mitreißende Kraft von Baz Luhrmanns »Romeo + Julia« heran. Whedon kann man mit seinem LowBudget-Projekt weder mit visueller noch mit thematischer oder inhaltlicher Originalität punkten und muss sich die Frage gefallen lassen, wieso er sich mit seiner sklavischen Werktreue selbst so eingeschränkt hat. Bei diesem »Viel Lärm um nichts« wünscht man sich, dass die unschuldige Hero, die angeblich vor ihrer Hochzeit ihre Jungfräulichkeit verloren hat, keine Morddrohungen von ihrem eigenen Vater bekommen würde. Und dass Claudio, der durch seine Grausamkeit für den angeblichen Tod seiner Geliebten verantwortlich ist, vor einer strengeren Strafe zittern müsste als eine andere junge Frau zu ehelichen.
Film
Sin City 2: A Dame To Kill For (von Robert Rodriguez & Frank Miller; mit Eva Green, Josh Brolin, Mickey Rourke)
Stillstand in Schwarz-weiß Der zweite Ausflug in Frank Millers monochromen Moloch will sowohl Vorgeschichte als auch Fortsetzung sein – und stiftet dabei mehr Verwirrung denn Freude. Auch Eva Greens Nacktauftritte ändert nichts. »Sin City« war 2005 ein Instant Classic mit revolutionärer Optik, ein knallharter Actionthriller in der Tradition Tarantinos (der auch als Gast-Regisseur an der Produktion mitwirkte) und der Hardboiled Detectives aus den 30er Jahren. Ganze neun Jahre ließen sich Frank Miller und Robert Rodriguez für die Fortsetzung Zeit. Vom alten Ruhm ist wenig übrig, der klassische Vorwurf, »zu wenig, zu spät« völlig angebracht. »A Dame To Kill For« wirkt wie ein Reunion-Gig, nicht wie ein anständiges Sequel. Schuld trägt keineswegs die Optik. Sie mag ihren Neuwagenglanz eingebüßt haben, doch die vorwiegend in schwarz-weiß gehaltenen, praktisch direkt aus Millers Graphic Novels übernommenen Bilder sind heute noch so umwerfend wie damals. Auf der narrativen Ebene entpuppt sich die Fortsetzung hingegen als schmerzlicher Rückschritt. »A Dame To Kill For« ist in drei Haupthandlungsstränge unterteilt: Privatdetektiv Dwight (Josh Brolin) eilt seiner alten Flamme Ava (Eva Green) zu Hilfe und lässt sich von ihr um den Finger wickeln. Poker-As Johnny (Joseph Gordon-Levitt) düpiert Senator Roark (Powers Boothe) beim Kartenspiel und muss nun dessen Rache fürchten. Stripperin Nancy (Jessica Alba) träumt davon, Roark umzubringen, da er ihren alten Beschützer (Bruce Willis) auf dem Gewissen hat. Im konfusen ersten Akt des Films erzählen Miller und Rodriguez die drei Geschichten parallel, bevor sie die Fäden entwirren und einzeln weiterverfolgen. Das anfängliche Tohuwabohu löst sich aber nie vollständig auf. Ein Mysterium bleibt etwa die zeitliche Abfolge der einzelnen Episoden – auch im Hinblick auf die im Vorgänger gezeigten Ereignisse. »A Dame To Kill For« möchte zu gleichen Teilen Prequel und Sequel sein und scheitert an der ambitionierten Aufgabe. Das grundlegende Manko des Films ist aber ein anderes: Dem (dreigeteilten) Plot fehlen Kreativität und Biss, die alten Geschichten waren schlicht und einfach besser als die neuen. Statt auf eine einprägsame Story bauen Miller und Rodriguez vorwiegend auf Eva Greens entblößte Brüste. Auch hier ist an der Optik nichts auszusetzen. Vom Sequel eines so wegweisenden Films hätte man sich jedoch mehr erwarten dürfen. 05/10 Leo Dworschak
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Film
Im Keller (von Ulrich Seidl)
Im Souterrain die Sehnsucht Ulrich Seidl steigt in seinem neuen Dokumentarfilm wieder in die Tiefen der menschlichen Seele und findet sich im Keller wieder. Ein Meisterwerk. Verborgene Abgründe der menschlichen Seele entfaltet Ulrich Seidl seit Anbeginn seines Filmschaffens. Dass diese nicht nur zu ebener Erde zu finden sind, vermag er nun mit seinem neuen Dokumentarfilm zu zeigen. Scheinbar verlebte Leben leben hier auf, wo für die meisten nicht mehr viel zu existieren und die Häuslichkeit an ihre heimeligen Grenzen zu stoßen scheint. Und dennoch kennt jeder irgendwen, der zumindest irgendeinen kennt, der im Keller nicht nur Ramsch deponiert, sondern diesen auch zu unterschiedlichen Zwecken nutzt. Jugend-, Wasch-, Fitness-, Party-, Probe-, Waffendepotkeller – die Palette ist lang und die Fantasie grenzenlos, wenn es um die Nutzbarmachung eines Raums im wahrhaftigen Schattendasein geht. Eine Handvoll Menschen im Seidl’schen Fokus zeigt hier, welche Leiche im Keller bei ihnen verborgen ist. Die Leiche nennt sich Sehnsucht, die es hier behaglich hat und gelindert wird. Einer von ihnen, ein älterer Herr, betreibt einen Schießkeller und schmettert Opernarien zwischen der routiniert-gelangweilten Schießübung am Stand. Den klassischen Blasmusiker am Land, den Josef, gibt es auch. Die Frau lebt in der oberen Etage und er hat sein Untergeschoss inklusive NS-Devotionalienraum. Da unten ist er keinem was schuldig – schon gar nicht Rechenschaft. So geht es auch der Frau mit dem Ehesklaven, die sich zu helfen weiß, falls einmal das Toilettenpapier ausgeht. Es ist ihr Schwanz, es sind ihre Hoden, es ist ihr Sklavenkörper. Das weiß auch er. »Ja, meine Herrin« sagt er, offensichtlich gern. Es ist Liebe – oder so ähnlich. Und da gibt es noch ein paar andere, die erzählen oder einen einfach nur schauen und sich anschauen lassen, während beispielsweise Gus Backus aus der Stereoanlage in der Kellerbar singt. Nur eine, die erzählt nicht in die Kamera, die steigt mehrmals am Tag die blassen Stufen hinab, um Emmi und die anderen Kleinen zu wiegen und ihnen Papas Keller zu zeigen, wo er immer viel zu tun hat und wo die Karte hängt mit den Stecknadeln seiner Reisedestinationen. Sie muss auch nicht viel erzählen, denn wie bei allen anderen sind es die Begehrlichkeiten des so stumm wünschenden Herzens, die sich hier zeigen, die an diesem Ort begraben scheinen, aber eben hier gelebt sein dürfen.
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ÖSTERREICHS CLUBSZENE IM RADIOKULTURHAUS
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07.10.2014 KARTEN UND INFOS: http://radiokulturhaus.ORF.at
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09/10 Miriam Frühstück
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Erstklassiger Shooter im inhaltlichen Nichts »Halo«-Entwickler Bungie schafft mit dem neuen Blockbuster »Destiny« den Spagat zwischen hervorragendem Gameplay und einem Nichts an Story und Setting. »Destiny« ist der Blockbuster dieses Herbsts. Publisher Activision hat die kolportierte Riesensumme von 500 Millionen Dollar in die Entwicklung, den Vertrieb und das Markting von »Destiny« gesteckt. Und wird diese Summe – wenn nicht schon geschehen – ziemlich locker wieder einnehmen. Und was bekommen die Spieler? Eine technische Meisterleistung auf vielen Ebenen, die oberflächlich unterhält, Spieler dazu bringt, immer weiterzuspielen – und gleichzeitig doch auch enttäuscht. »Destiny« ist die konzeptionell wenig mutige Kreuzung aus »Borderlands« (die Rollenspielelemente), »Halo« (es ist halt doch ein Sci-Fi-Shooter) und ein bisschen »World Of Warcraft« (Spieler investieren Zeit und nicht Skills). Mit »Halo« hatten Bungie damals einen der bisher besten Shooter auf die Konsole gebracht. Das lag nicht zuletzt daran, dass die Waffen außerordentlich gut designt waren. Nicht ästhetisch, sondern darin, wie sie sich im Spiel anfühlten. Welche Unterschiede verschiedene Waffen machten und wie getroffene Gegner darauf reagierten. Dieses Balancing beherrscht auch »Destiny«. Das eigentliche Gameplay funktioniert. Die Schusswechsel machen richtig Freude, auch wenn man mal scheitert. Technisch gelungen ist auch die Server-Struktur. Um »Destiny« zu spielen, muss man zwar permanent online sein, dafür reicht aber eine mittelmäßige Leitung schon für ungetrübten Spielspaß. Und es gibt genügend Content: Story-Missionen, die allein oder online zu mehrt gespielt werden können, Player-versus-Player-Arenen und viele weitere Spielinhalte, die im Laufe der Zeit freigeschaltet werden. Im Gegensatz zum ersten »Halo« patzt Bungie aber so richtig bei Story und Setting. Selbst nach einigen Stunden im Spiel ergibt sich dem Spieler kein narrativer Zusammenhang oder Sinn. Der komplette Setting-Background offenbart sich immer mehr als großes Nichts. Dazu tragen auch die sich doch ähnelnden Gegner und komplett leeren Spielwelten bei. Klar, der Inhalt eines Spiels ist sein Gameplay, es ist der Bindung und Begeisterung aber durchaus zuträglich, wenn sich zumindest irgendein sinnvoller Hintergrund ergibt – dieser ist bei »Destiny« einfach nicht vorhanden. 08/10 Martin Mühl
Destiny (Bungie / Activision); Xbox One getestet, Xbox 360, PS3, PS4, PC; www.destinythegame.com 057
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TEXT Franz Lichtenegger BILD Kristians Brekte, Alma Gallery; Anatole Serexhe, Peter Weibel; Kaucyila Brooke, Galerie Andreas Huber; Wikipedia; Otto Muehl, Bildrecht Wien; Jonathan Monk, Galleri Nicolai Wallner; Kate Macintosh
Mit über 23.000 Besuchern im vergangenen Jahr hat sich die Viennafair die Messlatte selbst enorm hoch gelegt. Man versteht sich als wichtigste internationale Plattform für zeitgenössische Kunst aus Zentral-, Ost- und Südosteuropa. Mit Geldgebern aus Russland fällt das natürlich noch leichter. Die Petrodollars sitzen locker, die heimische Galerienszene bietet fast geschlossen ihre Kunst an, vorwiegend Flachware und leicht Verschiffbares. 2. Oktober bis 5. Oktober Wien, Messe
Viennafair
TERMINE KULTUR
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TERMINE
KULTUR
Peter Weibel – Medienrebell Irgendwo zwischen angewandter Psychoanalyse und Zentralfriedhofsmelancholie findet sich Peter Weibel als Medienrebell wieder. Der in Odessa geborene Künstler zählte bereits in den 60ern und 70ern zu den Unruhestiftern der österreichischen Kunstszene. Im Pressetext zumindest hält man nicht sehr viel von Bescheidenheit und warnt: »Diese Ausstellung kann ihr Leben verändern.« So mögen wir das. 17. Oktober bis 11. Jänner Wien, 21er Haus
Reines Wasser »We don’t need no water let the …« – doch, in Wahrheit brauchen wir Wasser. Sehr dringend sogar. Das flüssige Gold ist heute nicht nur faszinierender Kunstgegenstand, sondern auch die kostbarste Ressource der Welt. Schließlich hält Wasser uns am Leben. Und wenn geht auch sauber. Eine Gruppenausstellung über ökonomische, soziale, emotionale und ästhetische Aspekte des nassen Elements. Da wird man richtig durstig. Eröffnung: 2. Oktober, 19.00 Uhr. 3. Oktober bis 15. Februar Linz, Lentos
Cristina Lucas – Todbringendes Licht Alles Gute kommt von oben. Die spanische Künstlerin Cristina Lucas zeigt erstmals Werke in Österreich und hat sich bei der Titelwahl von Fliegerbombern inspirieren lassen. Für eine Drei-Kanal-Videoinstallation wurde die Geschichte aller weltweiten Luftangriffe dokumentiert, andere Bilder halten unzählige Bombeneinschläge fest. Natürlich, damit das nie wieder passiert. Love is in the air. bis 31. Oktober Innsbruck, Kunstraum
Blutorgel
Otto Muehl, Bildrecht Wien; Jonathan Monk, Galleri Nicolai Wallner; Kate Macintosh
1962 wurde in einem Brigittenauer Kelleratelier Kunstgeschichte geschrieben: Adolf Frohner, Hermann Nitsch und Otto Muehl richteten die dreitägige »Blutorgel«-Performance aus, sprachen im zugehörigen Manifest von schrankenloser Enthemmung und weideten ein totes Lamm aus. Wäh. Der Wiener Aktionismus war geboren. Nun werden die Arbeiten der drei umstrittenen, mittlerweile künstlerisch unumstrittenen Protagonisten gegenübergestellt. bis 6. April Krems, Kunsthalle
Blue Times Die Kunsthalle macht blau und spannt einen farblichen Leitfaden quer durch ihre kommende Gruppenausstellung. Blue Jeans, Blue Monday oder die Blue Man Group – nicht nur der Himmel und das Meer sind in die kühle Farbe getüncht. Blau ist überall. »Blue Times« untersucht seine Ikonologie aus unterschiedlichen Perspektiven und erzählt dabei Geschichten von blauen Augen, Planeten und Wundern. Eröffnung: 30. September, 19.00 Uhr. 1. Oktober bis 11. Januar Wien, Kunsthalle
Entgrenzung Frisch aus der Sommerpause zurück beschäftigt man sich im Brut mit dem Thema Entgrenzung. Hierbei geht’s um eine Reihe von Performances, die Restriktionen zwischen Bühne und Zuschauerraum verwischen sollen und somit besagte Grenzen ins Wanken bringen. Zu den Künstlern zählt neben Florentina Holzinger auch Kate Macintosh, die das Publikum in »All Ears« auf eine akustische Entdeckungsreise mitnimmt. bis 31. Oktober Wien, Brut 059
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Kunsthalle Wien T ermine
G a lerien
TEXT Carola Fuchs BILD Evamaria Schaller: Andreas Gehlen; Eva Engelbert, Katrin Hornek: Neue Galerie Innsbruck
Museumsquartier
»Hängen«, Evamaria Schaller, Film, 2014
»Tokyo Blue«, Eva Engelbert, Foto, 2013
Toll-e-Wut, garde-à-vous?
Eva Engelbert und Katrin Hornek
Die in Graz geborene Künstlerin Evamaria Schaller rückt den Raum an sich und das soziale Umfeld in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Sie erforscht in ihren Videoarbeiten, Performances und Installationen die Grenzen der sozialen Konventionen und verwendet immer wieder ihren eigenen Körper als Ausdrucksmedium. Dabei stellt sie die Frage, inwiefern die jeweiligen Räume, in welchen wir uns bewegen, unser Verhalten beeinflussen. In ihrer performativen Ausstellung im KIS wird ihr Körper zum Anknüpfungspunkt an die Stadt und fordert eine neue Wahrnehmung des Ortes heraus. bis 14. November KIS – Kunst im Schaufenster, Wien
Die beiden österreichischen Künstlerinnen untersuchen bei diesem Projekt die Natur im Spannungsfeld zwischen sozialen, politischen und kulturellen Realitäten. So sehen wir beeindruckende Naturaufnahmen, die immer wieder gebrochen werden – z. B. durch Videoaufnahmen von Katrin Hornek über den imposant fließenden, aber verschmutzten Colorado River, oder ein Reh in Nahaufnahme, in dessen Augen sich weiße Kuben spiegeln. Eva Engelbert zeigt uns in »Tokyo Blue« den Wiener Nordbahnhof durch einen blauen Filter und lässt uns so das fotografische Abbild des Ortes sehen, wenn das Licht künstlich verändert wird. bis 11. Oktober Neue Galerie Innsbruck
Kärnten
Tirol
Nina Maron Napoleonstadel – Haus der Architektur, Klagenfurt bis 28. September
Niederösterreich
Daniel Spoerri – Neue Werke Ausstellungshaus Daniel Spoerri, Hadersdorf am Kamp bis 2. Oktober Judith P. Fischer, Lukas Göbl – (raum) Zeichnungen Stadtgalerie Waidhofen an der Ybbs bis 28. September
Oberösterreich
Frank Louis – Showtime Galerie Oberösterreichischer Kunstverein Galerie Oberösterreichischer Kunstverein
Salzburg
Jack Pierson – A Town Not This One Galerie Thaddeus Ropac, Salzburg bis 15. November Johann Julian Taupe Galerie Welz bis 11. Oktober
Steiermark
Alfred Resch – Auf der Suche nach der neuen Menschlichkeit Galerie Schafschetzky, Graz bis 4. Oktober Hans Kupelwieser / Markus Wipfling – x, y, z Galerie Gölles, Fürstenfeld bis 31. Oktober
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Christina Lucas – Todbringendes Licht Kunstraum Innsbruck bis 31. Oktober Daniel Richter Galerie im Taxispalais, Innsbruck bis 23. November Seascapes and Moondresses – Silke Otto-Knapp Galerie der Stadt Schwaz bis 26. Oktober
Vorarlberg
Edgar Leissing – The Artist’s Eye QuadrArt Dornbirn bis 1. November
Wien
Beyond Memesis: The Unwritten Moe Contemporary bis 4. Oktober ERRO and Friends. American Comics II BROTKunsthalle bis 25. Oktober Kollektiv – Nervous System Fotogalerie Wien bis 31. Oktober Handmade II Anzenberger Gallery bis 31. Oktober Norbert Brunner bäckerstrasse4 – plattform für junge kunst bis 24. Oktober
BLUE TIMES 1/10 2014 11/1 2015 #Blue Blue Jeans, Blue Screen, blauer Himmel, blaues Meer, die Europäische Union, das Krümelmonster, die Schlümpfe, Viagra, Nivea, Facebook, Twitter… Von der Natur bis hin zur Popkultur – blau ist überall. Bei der Gruppenausstellung Blue Times wird auf die Ikonologie der Farbe Blau aus unterschiedlichen Perspektiven und Disziplinen eingegangen. Dabei werden internationale künstlerische Positionen erforscht und finden bei einem reichhaltigen Rahmenprogramm zum Einfluss von Farbe auf Alltag und Kunst eine umfangreiche Ergänzung. Alle Infos zu Ausstellung und Programm unter: www.kunsthallewien.at Kunsthalle Wien Museumsplatz 1, 1070 Wien, Austria kunsthallewien.at blog.kunsthallewien.at facebook.com/KunsthalleWien twitter.com/KunsthalleWien instagram.com/KunsthalleWien
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TERMINE
FESTIVALS
5 Fragen an Jenny Blochberger (Blue Bird Festival) Auch wenn der Ausgangspunkt für euer Fes tival ein Tribute-Abend für den verstorbenen Folk-Helden Nick Drake gewesen ist, habt ihr den Begriff »Songwriting« immer sehr offen ausgelegt. Wie entscheidet ihr, ob eine Band ins Blue-Bird-Line-up passt oder nicht? Es ist hauptsächlich eine Gefühlssache. Ich kann nicht sagen, es darf nicht laut sein, oder es muss handgemacht sein oder super-independent oder textlich extrem ausgefeilt. Mit all diesen Grund sätzen haben wir irgendwann gebrochen. Es gelingt euch immer wieder, große Namen zum Blue Bird zu holen. Hat sich eure Gastfreundschaft – samt Blue-Bird-Torte – international herumgesprochen oder könnt ihr so attraktive Gagen bezahlen? Die Atmosphäre beim Blue Bird ist sehr familiär, die Artists spüren, dass wir mit Herzblut dabei sind und dass uns viel daran liegt, dass sie sich wohlfühlen und dass alles klappt. Aber bei den Gagen wird uns nichts nachgelassen, nur weil wir so nett sind … Was war für dich der schönste Moment in der zehnjährigen Festivalgeschichte? Da gab’s mehrere, aber einer war 2012: Da trat der völlig unbekannte Asaf Avidan auf. Wegen dem hat damals sicher kein einziger Besucher eine Karte gekauft. Er kam auf die Bühne, wirkte recht unauffällig, das Publikum hat sich wohl nicht viel erwartet – dann macht er den Mund auf und bei den ersten Tönen waren alle hin und weg. Und was sind deine ganz persönlichen Highlights des diesjährigen Festivalprogramms? Ich freu mich besonders auf Dry The River, I Am Oak und Fräulein Hona – und auf die Ausstellung unserer Fotos und Filme aus den letzten zehn Jahren. Zu guter Letzt: Wenn du die freie Wahl hättest, welchen Künstler – dead or alive – würdest du gerne fürs nächste Blue Bird verpflichten? Das liegt wohl auf der Hand: Nick Drake. Und mein persönlicher Wunsch für eine noch lebende Künstlerin wäre Joanna Newsom. Blue Bird Festival 20. bis 22. November Wien, Porgy & Bess; www.songwriting.at
»Twin Peaks« bringt all die seltsamen Gefühle, die Jugendliche so haben, fantastisch auf den Punkt. Serie als Kunst.
Youki Wels? Wels. Das Jugendfilmfestival Youki wird selbst Teenager. Denn zum 16. Mal bringt es Kino, Konzerte und Workshops nach Wels. »Teen Pics – Jugend in Serie« gibt heuer den Schwerpunkt vor. Denn Serien sind längst zum Alltag, zum Gesprächsstoff und besseren Erziehungsberechtigten geworden. Agent Cooper, bitte zeig mir die Welt. 18. bis 22. November Wels, MKH, Alter Schlachthof
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TERMINE
FESTIVALS Clara Moto, Exil- Grazerin und lang jährige Wegbegleiterin des Elevate mag Agent Cooper auch.
33 So viel Prozent Einschaltquote hatte die Pilotfolge von »Twin Peaks« bei ihrer Erstausstrahlung. Die kultisch verehrte Serie war damals also von Beginn an ziemlich erfolgreich. Erst die verfrühte Ankündigung, wer der Mörder von Laura Palmer ist, führte zu dramatisch sinkenden Quoten. Heuer ist sie Teil der Teen-Pics-Reihe beim Welser Festival Youki.
Elevate
TEXT MANUEL FRONHOFER, Thomas Nussbaumer BILD Hanno Mayregger, Youki, Clara Moto, Open Mind Festival
In Graz geht es rund. Das Spring Festival ist endgültig weg, Locations müssen schließen. Das Elevate hält die Fahne der Clubkultur hoch. Neben ein bisschen angemessenem Gesudere soll es aber vor allem um kritischen politischen Diskurs, zeitgenössische Kunst, Literatur beim Partnerfestival »Hörgerede« und ordentlich elektronische Musik gehen. Gäste sind wie immer international. Ah ja, gebt dem Elevate all die übrigen Fördergelder vom Spring Festival, bitte. 23. bis 26. Oktober Graz, Schlossberg und diverse Locations
What would MacGyver do?
My Sound Of Music
Die Themen: Klassik, Human Rights, Sowjet-Ostalgie und, eh klar, Sex in der Volksmusik. My Sound Of Music, Salzburgs erstes transmediales Musik festival, macht einen auf dicke Hose, im Kino auf der Straße, im Konzertsaal, im Club. So geht Musikkultur als Spiegel der Gesellschaft, in der sie passiert. 2. bis 5. Oktober Salzburg, diverse Locations
Curated By
Ums Bett, genauer gesagt ums Leben im und Arbeiten vom Bett aus dreht sich die diesjährige Ausgabe von Curated By. »The Century of the Bed« zeigt in 20 Galerien die Erfüllung des lang gehegten Traumes: die Übersiedelung des Arbeitsplatzes vom Büro ins Heim ins Bett. 80 Prozent aller jungen New Yorker Berufstätigen haben es 2012 so gemacht. Nie wieder aufstehen! 2. Oktober bis 8. November Wien, diverse Locations
Open Mind Festival »Erfolgreich erfolglos« schreibt sich das Open Mind Festival 2015 auf Fahnen und Plakate. Scheitern als Chance also, zehn Tage lang Film, Musik, Literatur und Performance. Ed Neuwirth, unter anderem künstlerischer Leiter des Theater im Bahnhof Graz, zeichnet sich für die zentrale Eigenproduktion verantwortlich. Ein Hoch auf die produktive Unproduktivität! 13. bis 23. November Salzburg, Arge Kultur
Blickfang
Die internationale Designmesse Blickfang macht im Oktober Station im MAK. Möbel, Mode oder Schmuck, die Designer sind vor Ort und tratschen mit Interessierten über die Geschichte hinter ihren Werken. Und: Was gefällt, kann mit nach Hause genommen werden, alles ist käuflich. 17. bis 19. Oktober Wien, MAK 063
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MUSIK
Schwermütiges Folk-Geschwisterpaar in rauer Landschaft: First Aid Kit aus Schweden.
Waves Vienna Im vierten Jahr seines Bestehens setzt das Wiener Club- und Showcase-Festival abermals auf Bewegung. Zum einen auf die der Besucher – von Club zu Club oder sogar von Stadt (Wien) zu Stadt (Bratislava). Und zum anderen auf Bewegung in Sachen neue Venues. Das Festival hat seine räumliche Ausbreitung von den Weiten des zweiten nämlich auf die kompaktere Geografie des ersten Bezirks (und Angrenzendes) verlagert. Das bedeutet einerseits, dass es ziemlich viele neue Waves-Venues gibt und dass man diese nun auch durchwegs mit der Partybim der Wiener Linien erreichen kann. Ach ja, die richtig gute Musik ist natürlich auch wieder vertreten: Scott Matthew, First Aid Kit (Bild), Alexis Taylor von Hot Chip, Kwabs, Mirel Wagner, Jaakko Eino Kalevi, Pional, Girl Band und und und. 2. bis 4. Oktober Wien, verschiedene Locations
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Karten & Information: Konzerthaus 242 002, Musikverein 505 81 90 | www.wienmodern.at Wiener Konzerthaus | Musikverein | Alte Schmiede | Bildungszentrum Simmering | Café Heumarkt | Casino Baumgarten | DSCHUNGEL WIEN Elektro Gönner | Fluc | Gartenbaukino | mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien | MuTh – Konzertsaal der Wiener Sängerknaben | Odeon ORF RadioKulturhaus | Österreichisches Filmmuseum | Schömer-Haus Semperdepot – Atelierhaus der Akademie der bildenden Künste Wien | WUK
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Zentrales Element von London Grammar: Hannah Reid und ihre kraftvolle Stimme.
Electronic Beats Der magentafarbene Mobilfunker schickt mal wieder Signale in die Nacht … Das eigentlich immer gut programmierte Ein-Tages-Festival gibt sich heuer besonders stark. Bietet mit Jessy Lanza kühl-sinnlichen Electro-Pop zum Einstieg. Lässt den syrischen Schnauzbart- und Sonnenbrillenträger Omar Souleyman folkloristische Elemente aus dem nahen Osten mit stampfenden Beats kurzschließen. Beschwört die Intensität des Minimalismus mit der von Trip-Hop-Elementen und der kraftvollen Stimme Hannah Reids geprägten Musik von London Grammar (Bild). Und setzt dem Ganzen schließlich mit Dan Snaith aka Caribou die Partykrone auf. Pflichttermin, könnte man dazu auch sagen. 18. Oktober Wien, Museumsquartier, Halle E
TEXT Jana Wachtmann, Manuel Fronhofer BILD Sony Music, Electronic Beats, Siggi Eggertsson, Katarina Balgavy, Kevin Mazur / Wire Image, Renata Raksha, Victoria Davis
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MUSIK
highlights Mi. 08.10. // 20:00 Wavepop / Indie
Dillon
Future Islands
Fr. 10.10. // 20:00 Physical Theatre
Sabine Molenaar: That’s It!
Bild: Terri Florido
Ihre Stimme, ein Klavier, der elektronische Unterbau – mehr braucht Dominique Dillon de Byingtons Musik nicht, um ganz große Wirkung zu entfalten. Für ihr aktuelles Album »The Unknown« hat sie in Brasilien geborene Berlinerin wieder mit Thies Mynther (Phantom Ghost) und Tamer Fahri Özgönenc (Mit) zusammengearbeitet – eine 1-a-Kombination in Sachen magische Musikmomente. 12. Oktober Wien, Arena
Jack by The Gap Jack ist wieder da. Und das gleich in einer Halloween-Spezialausgabe. Stargast des Abends: Zanshin aus dem Hause Affine Records, der mit einem Jungle-Set den neu eröffneten Club Dual im Keller des Wirr auf Betriebstemperatur – und wohl darüber hinaus – bringen wird. Die beiden Gastgeber Moogle und Laminat greifen natürlich ebenfalls in ihre Plattentaschen. 31. Oktober Wien, Club Dual
Sa. 11.10. // 20:00 Musikkabarett
Christoph & Lollo
So. 12.10. // 20:00 Pop
Wallis Bird / Anna Katt
Mo. 13.10. // 20:00 Indierock
Lady Gaga
Maximo Park
Zeitgleich mit dem Erscheinen von »Cheek To Cheek«, einem gemeinsamen Album mit Tony Bennett, kümmert sich Lady Gaga auf ihrer Europatour um die Pflege ihres Kernpublikums. Wie »Artrave: The Artpop Ball«, der Titel der Konzertreihe, nahelegt, werden Jazz-Standards dabei keine allzu große Rolle spielen, das große bunte Ding namens Pop – gerne mit Konzept dahinter – aber sehr wohl. 2. November Wien, Stadthalle
Ursus & Nadeschkin: Sechsminuten
Mi. 15.10. 20:00 Comedy
Do. 16.10. // 20:00 Theater
Forced Entertainment: Tomorrow’s Parties
Sa. 18.10. // 20:00 Indiepop
Die Sterne
Ahoi! Pop Die Feierlichkeiten zu 30 Jahre Posthof schreiten voran, und das ClubFestival Ahoi! Pop tut sein Bestes, um im Jubiläumsprogramm alles andere als abzustinken. Mit dabei sind: Neneh Cherry, die Palma Violets (im Rahmen des von The Gap präsentierten Donnerstags), …And You Will Know Us By The Trail Of Dead, die Hidden Cameras, St. Vincent (Bild) und einige andere Schmankerl. 5. bis 8. November Linz, Posthof
Bild: diesterne.de
TEXT Jana Wachtmann, Manuel Fronhofer BILD Sony Music, Electronic Beats, Siggi Eggertsson, Katarina Balgavy, Kevin Mazur / Wire Image, Renata Raksha, Victoria Davis
TERMINE
Do. 23.10. // 20:00 Literatur
Ought Gemischte Gefühle: Ought haben mit »More Than Any Other Day« ein großartiges Debüt abgeliefert. Und viel zu wenige werden das je erfahren. Der zwischen Überschwang und Verzweiflung, Melancholie und Raserei keine Grenzen ziehende Postpunk der vier Kanadier macht in Sachen Dynamik, Hingabe und Inhalt jedenfalls sehr viel richtig. Jetzt müsste das nur noch in die Welt hinaus getragen werden. 9. November Wien, Rhiz
Bodo Kirchhoff: Verlangen und Melancholie
Sa. 25.10. // 20:00 Pop
Clueso
Mi. 29. – Fr. 31.10. // 20:00 Kabarett
Alfred Dorfer & Florian Scheuba: Ballverlust
Mi. 05.11. – Sa. 08.11. 20:00 Pop
Roddy Frame
Sebadoh
The Raveonettes
Den Weg vom Indie-Impulsgeber der frühen 80er hin zum geistreichen Vertreter abgeklärter britischer Popmusik hat nicht nur Edwyn Collins hinter sich. Wie dessen Band Orange Juice hat auch Roddy Frame mit Aztec Camera auf dem stilprägenden Label Postcard Records veröffentlicht. File under: Klassiker! 13. Oktober Wien, Theater Akzent
Comeback- oder Reunion-Alben hat es zuletzt ja einige gegeben. Nur selten konnten diese so überzeugend an die Hochzeit der jeweiligen Akteure anschließen wie im Falle von Sebadoh und deren »Defend Yourself«. Für die zugehörige Tour verheißt das natürlich nur Gutes. Just gimme indie rock! 21. Oktober Wien, Arena
Eine Vorliebe für dröhnende Gitarren und zuckersüße Melodien haben sich Sharin Foo und Sune Rose Wagner über all die Jahre bewahrt – das dokumentieren ihre mittlerweile sieben Alben. Live darf’s vor allem von Ersterem eine besonders dicke Packung sein. Damit einen das Surren in den Ohren als schöne Erinnerung an ihr Konzert durch die Tage danach begleitet … 28. Oktober Wien, Wuk
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Ahoi! Pop 2014: Neneh Cherry, Trail Of Dead, Palma Violets, The Hidden Cameras, St. Vincent, INVSN, Fiva, Olympique u.v.a.
POSTHOF – Zeitkultur am Hafen, Posthofstraße 43, A – 4020 Linz Info + Tickets: 0732 / 78 18 00, www.posthof.at
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Know-Nothing-Gesellschaft von Illbilly The K.I.T.T.
Food Blog
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eidenschaftlich gerne belausche ich Gespräche meiner Mitmenschen. Hie und da merke ich mir sogar das eine oder andere Satzsequenzchen, das an meine Ohren klopft und sich sogleich zur Weiterverarbeitung in Richtung Trommelfell, Hammer, Amboss und Steigbügel aufmacht. »Für gute Pistazien könnte ich töten!« war so ein aus dem Kommunikationszusammenhang gerissener Fetzen. »Hmm«, dachte ich, »Hmm, die Hemmschwellen werden auch immer niedriger. Wofür man heute schon so alles tötet. Aber was, wenn ich gerade Ohrenzeuge bin, wie sich eine kleine Gruppe von Nussextremisten formiert, die im Begriff ist, einen eigenen Pistazienstaat zu gründen?« Ich verwarf den trostlosen Gedanken, nippte an meinem Drink und überlegte, wie ich wohl meine nächste Kolumne anlegen werde. Wobei Drink war jetzt ein wenig euphemistisch. Tatsächlich schluckspechtelte ich an einem stumpfsinnigen Bier. Aber ich will hier jetzt eben einmal ein wenig Glamour hereinbringen und da finde ich, dass Drink das deutlich attraktivere Wort ist. Ich denke zum Beispiel an einen Gin Tonic. Der ist zwar nicht glamourös, sondern mehr so der einfachste und ehrlichste Cocktail der Welt, das Bier unter den Spirituosenmixgetränken sozusagen, aber immerhin ein Drink. Allerdings denke ich an einen Gin Tonic ohne Gurke. Die haben im Gin Tonic nämlich nichts verloren. Tatsächlich sind Gurken nichts weiter als behinderte Melonen. Sie taugen höchstens als Phallusanspielung, aber selbst dafür sind sie schon zu ausgelutscht. So wie Melonenmetaphern für weibliche Kurven auch nicht mehr gerade die frischeste Ware am Obst- und Gemüsestand der Vergleiche sind. Vielleicht sollte ich wieder einmal eine Liste machen. Etwa eine Top 5 der schändlich unterschätzten erotischen Früchte. Und dann deppensicher in Klammer dazuschreiben, wofür sie vorwiegend stehen und eventuell auch Anwendungsbeispiele geben. Ungefähr so:
illustration Jakob Kirchmayr
1. Stangensellerie (Seit Jahren variiert M. die gleiche Fantasie. Ein Ufo landet bei ihr auf der großzügigen Dachterrasse und ein Marsmandi dringt stürmisch über die Terrassentür in ihren Wohnbereich ein. Gar nicht passend zum restlichen Alienkörper baumelt ein langes, dünnes, blättrig behaartes Schwänzchen vorne am fremden Gast herunter. »Stangensellerie«, denkt sich M., als sie das Dingsi aus einer fernen Welt inspiziert und mit Vorfreude feststellt: »Naturlamelliert – for my pleasure.«)
2. Quitte (Erinnert an einen ausgedörrten Anus und eignet sich auch aufgrund der lautlichen Nähe zum Englischen to quit perfekt, um Endgültiges im Verdauungskontext elegant zu umschreiben. »Er hat gestern seinen Job quitteriert.«) 3. Eierschwammerl (Nicht selten denke ich beim Anblick von diesem schmackhaften Fressi-Fressi, das ja streng genommen weder Obst noch Gemüse ist, an einen Nippel-Patch. Ich gehe mit einer Geschichte schwanger, in der sich drei Veganerinnen zufällig in den gleichen Volkshochschulkurs für Pole-Dance einschreiben und nach erfolgreichem Abschluss beschließen, eine Gemüse-Burlesque-Truppe zu gründen. Mit Eierschwammerln als Nippel-Patches. Wohl wissend, dass des Waldbodens reiche Ernte streng genommen weder Obst noch Gemüse ist. Running Gag halt.) 4. Physalis (Nicht jedem fällt im Smalltalk immer gleich der Name dieser kleinen Vitamin-C-Granate ein, deren ursprüngliche Heimat Peru ist. Ihr Vorteil, denn das freche Früchtchen hat es faustdick hinter den Ohren. Erstens gibt es nämlich Wissenspunkte beim Gesprächspartner und wenn man noch dazu sagt, dass Physalis auch »Blasenkirsche« genannt wird, können selbst Ungeübtere den Talk auf schlüpfrigeres Terrain führen.) 5. Rambutan (Dieser Frucht-Exot wird auch gerne als »haarige Litschi« bezeichnet und er sieht ein wenig so aus, wie man sich die Hoden von Chewbacca vorstellt. Einfach immer zwei, drei davon eingesteckt haben und billige Wortspiele mit »butan« vermeiden.) Doch zurück zur Gurke. Abgesehen davon, dass ich Gurken nicht sonderlich gut vertrage, ist es seit einiger Zeit auch so, dass es mir schon ein wenig mühsam wird, immer nur auf geile Sexzoten aus zu sein. Dieser Schmäh überwuzzelt sich allmählich ein wenig. Da sollte man vielleicht mal eine neue Ebene einziehen. Essen bietet sich jetzt gerade irgendwie an. Ich bin jetzt alles andere als ein SocialMedia-Experte, aber wenn ich mich dort so umschaue, meine ich zu erkennen, dass die Kernkompetenzen der Schwarmintelligenz im Netz sich aufs Posten von Essensbildern und Kommentieren aktueller Tatort-Folgen beschränkt. Nicht falsch verstehen, das ist nicht schlecht. Darauf
kann man nämlich aufbauen. Mit einer Fress-Kolumne, in der immer wieder wer ermordet wird. Oder ich werde überhaupt gleich Food- & Crime-Blogger. Aber was schreib ich dann da? Vielleicht zum Warmwerden eine kleine, leicht zu konsumierende Liste. Beispielsweise die »Top 6 der passenden Songs zum passenden Rezept«. Ja, das ist schön lecker und voll yummy, yummy, nom, nom. 1. »Auseinandergehen ist schwer« (Germteig) 2. »Brimsen & Clover« (Liptauer) 3. »Sarma Chameleon« (Kohlrouladen) 4. »Dumpling Jack Flash« (Semmelknödel) 5. »Rice like a Phoenix« (Scheiß mit Reis) 6. »Sushi denn, Sushi denn, ins Städtele hinaus« (selbsterklärend) Mit derart müden Witzchen Leute geangelt, kann ich mich nun als Food- & CrimeBlogger daran machen, das zu tun, was Food- & Crime-Blogger halt so tun. Blumig und wikipediagestützt in Printmedien über Pistazien schreiben zum Beispiel. Für Pistazien, ob ihres stolzen Preises auch als giftgrünes Gold oder Austern auf Sträuchern bekannt, könnten viele Menschen töten, heißt es. Das verwundert nicht, denn der Baum, auf dem die Nüsse wachsen, steht auf der Roten Liste der gefährdeten Arten. Rares ist wertvoll und schürt Begierden. Die bekannteste Briefmarke der Welt, die »Blaue Mauritius«, ist ja auch nur so viel wert, weil es nur noch zwölf Stück davon gibt. So weit ist es mit Pistazien aber noch nicht. Wie ich mir da so sicher sein kann? Nun, ich hab es gegoogelt. Weil ich einen Krimi schreiben wollte, bei dem der Mörder sich verrät, weil er ständig Pistazien knabbert und am Tatort die Schalen verliert. Der ermittelnde Kommissar kommt über Analyse der Schalen dann drauf, wo die Nüsse her sind und kann durch Ausschlussverfahren feststellen, in welchem Supermarkt die gekauft wurden. Dann kommt eine Verfolgungsjagd. Jedenfalls hab ich gegoogelt: »mörder verraten durch pistazien«. Kein passender Treffer, dafür ganz oben bei den Suchergebnissen das Rezept für Lamm mit Pistazienkruste. Und das machen wir jetzt. Man nehme 400 g Lamm, 8 gehackte Pistazien usw. usf.
Illbilly The K.I.T.T. www.facebook.com/ illbilly
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Konzeption und Grafik: Lichtwitz Leinfellner visuelle Kultur KG Foto: MAK/Katrin Wißkirchen Michael Thonet, Stuhl No. 14, 1859 © Thonet
150 JAHRE MAK: VOM KUNSTGEWERBE ZUM DESIGN 11.6.–5.10.2014 MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst / Gegenwartskunst Stubenring 5, 1010 Wien, MAK.at Di 10:00-22:00 Uhr, Mi-So 10:00-18:00 Uhr Jeden Dienstag 18:00-22:00 Uhr Eintritt frei
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Ich will. Ich kann., Ich mach s. :
. n ie w in n e d grUn 10.10.2014
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