The Gap 148

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Bilderbuch – Die Zeit ist Now Ich seh Ich seh / Schöne Bücher / Rudeljournalismus 148 Magazin für Glamour und Diskurs. MONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 1040 WIEN, P.B.B. GZ 05Z036212 M, Nº 148, Februar 2015

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Madonna. Future Brown. Zugezogen Maskulin. Birdman. Blogging in Österreich. Theater in St. Pölten. Foxcatcher. Sandra Gugic. Was ist ein Like wert. Karl Kraus. Joey Badass.

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JETZT ERHÄLTLICH

DYING LIGHT © Techland 2015. Published and Distributed by Warner Bros. Home Entertainment Inc. All other trademarks and copyrights are the property of their respective owners. “ ”, “PlayStation” and “ ” are trademarks or registered trademarks of Sony Computer Entertainment Inc. “ ” is a trademark of the same company. All other trademarks and copyrights are the property of their respective owners. All rights reserved. WB GAMES LOGO, WB SHIELD: ™ & © Warner Bros. Entertainment Inc. (s15)

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Leitartikel von Thomas Weber.

Twitter, ey! Du sollst den Menschen nicht nach einem einzelnen Tweet beurteilen. Trotzdem: Gedanken über eine verblüffte Schülerin, die meint, vom Leben keine Ahnung zu haben.

irgendwo ist die Chance größer, dass Gesagtes aus dem Zusammenhang gerissen wird als auf Twitter. Es macht mit den Reiz des Kurznachrichtendiensts aus, dass ich kluge Gedanken, besonders Pointiertes oder auch den peinlichen Fauxpas derer, denen ich folge, an diejenigen, die mir folgen, weiterleiten kann. Wobei die Wahrscheinlichkeit riesengroß ist, dass Letztere Erstgenannte gar nicht kennen. Wenn sich also eine x-beliebige Schülerin aus Köln darüber auslässt, dass sie im Unterricht das Falsche gelernt und keine Ahnung vom Leben in der richtigen Welt hat, dann kann es vorkommen, dass nicht nur ihre paar Follower das mitbekommen, sondern eben auch die richtige Welt. Genau das ist dieser Tage passiert. »Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete und Versicherungen. Aber ich kann ’ne Gedichtanalyse schreiben. In vier Sprachen.« – Dieser sarkastische Tweet der Schülerin Naina aus Köln machte die Runde und beschäftigte schnell nicht nur die deutschsprachige Twitteria, sondern auch das Hauptabendfernsehen. Sah man darin doch die Bildungsmisere des deutschen Bildungssystems perfekt auf den Punkt gebracht. Seht her, so gestrig ist unsere Schule!, dachten wohl viele. So lasset uns

Ob sie schon mal drüber nachgedacht hat, dass es womöglich an ihrer Beschäftigung mit Sprache und ihrer (Ver-)Dichtung liegen könnte, dass sie heute den Zeitgeist in knappe, bewegende Worte zu packen weiß? Eigentlich sollten wir Naina nun in Ruhe lassen. Überrascht und angewidert von all der Feindseligkeit und den verbalen Untergriffen, die ihr im Internet widerfuhren, hat sie sich zumindest von Twitter eine zeitlang zurückgezogen. Vier Sprachen zu beherrschen, bedeutet eben nicht zwangsläufig, dass der Rest der Welt die feine englische Art verinnerlicht hat. Man könnte allerdings auch zu dem Schluss kommen, dass am Kölner Ursulinen-Gymnasium angewandte Medienkunde unterrichtet gehörte. Denn wie Twitter funktioniert, das hat Naina offensichtlich auch nicht in der Schule gelernt. Immerhin: Diese Lektion hat Naina sich jetzt in der Praxis geholt. Und gesehen, wie schnell man im Alltag zu lernen vermag. Willkommen im richtigen Leben. Bild michael winkelmann

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denn den bildungsbürgerlichen Ballast abwerfen und endlich auf das konzentrieren, was zählt: aufs Geld! Auch hierzulande fand Naina Zuspruch und fleißige Multiplikatoren. Scheiß aufs Versmaß, Jamben und Trochäen – es reimt doch heut eh schon ein jeder freiheitliche Modernisierungsverlierer! Und satt macht Poesie schließlich auch nicht. Ob es die – eine Mutmaßung – angehende Studentin wirklich weiter brächte, würde der Spanischlehrplan vorsehen, dass Schüler die groben Züge des Mietrechts in Barcelona, Mexico City oder – Globalisierung, ey! – auf Panama verinnerlichen? Oder befähigt wären, mir nichts, dir nichts mit der Londoner Finanzbehörde auf Augenhöhe zu kommunizieren? Darüber kann man zumindest streiten. Gut, Obamacare hätte man vielleicht durchnehmen können. Aber: Was genau wollte Naina der Welt also mitteilen? Wenn es sie stört, vier Sprachen gelernt zu haben, dann war sie schlicht auf der falschen Schule. Wer ein mitten im Dreißigjährigen Krieg (1639) gegründetes katholisches Mädchengymnasium besucht, muss einerseits mit humanistischen Spurenelementen rechnen, sollte sich andererseits aber auch über eine gewisse überzeitliche Weltsicht nicht wundern. Nichts gegen Praxisbezug, aber da hat, ganz profan und unpolemisch, ein Gedicht von Gryphius immer noch eher Bestand als eine simple Versicherungsklausel. Dass Naina aus Köln den Sinn von Bildung verkannt haben könnte, will ich nicht glauben.

Thomas Weber Herausgeber weber@thegap.at @th_weber

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Bilderbuch Zehn Jahre lang haben Bilderbuch daran gearbeitet, um dort zu sein, wo sie heute sind. Kurz davor, ein Arena Open Air auszuverkaufen nämlich. Was geht in so einer Band vor, wie muss die Chemie sein, welche Schritte braucht es. All diese Fragen haben wir versucht zu beantworten, indem wir mit ihnen auf Tour durch deutsche Hallen waren. Auch fürs Karma.

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Magazin Bilderbuch —— 016 —— Bilderbuch werden gläserne Decken zertrümmern. Wie konnte das soweit kommen? Nikolaus Ostermann war als embedded journalist mit der Band unterwegs. Golden Frame: Jörg Sasse – »2729« 020 —— Sein Bergpanorama sieht ebenso trügerisch romantisch aus wie jenes in Ariana Grandes Video zu »Love Me Harder«. Beides Kunst. Rudeljournalismus 022 —— Und was, wenn ich Bilderbuch scheiße finde? Warum man keine Verriss des Albums lesen wird, hat damit zu tun, wie Medien im Netz funktionieren. Ich seh ich seh 024 —— Ein Arthouse-Horrorfilm spaltet die Redaktion. Pflichtfilm oder traut sich nur niemand sagen, dass der Film keine Stimmung und keine Motive hat? Zugezogen Maskulin 026 —— Ein Album als Kampfansage an eigentlich alle. Deine Wohlstandswampe, deine Markenlogos und deine Mutter. Vor allem an die. Sandra Gugic 027 —— Ihr Buch »Astronauten« ist voll von perfekten Sätzen, die man notieren, auswendig lernen und sich tätowieren lassen will. Theater in St. Pölten 028 —— St. Pölten hat keinen Ruf zu verlieren. In Sachen Theater lässt es sogar Wien als das wahre Provinznest dastehen.

Karl Kraus 030 —— Der Wiener Satiriker wird auf alle möglichen Arten in die Gegenwart geholt. Und Satire ist heute ja nötiger denn je. Blogging in Österreich 032 —— Sind Blogs die neuen Indiebands? Viel Arbeit und Herzblut und am Ende steht man mit nichts da? Oder geht der Hype grad erst los? Data Mining 034 —— Wenn du nichts dafür bezahlst, bist du selbst das Produkt. Natürlich ist jedes Like und jeder deiner Follower etwas wert. Schöne Bücher 036 —— Während immer wieder vom vorzeitigen Tod des Buchs die Rede ist, boomen aufwendig gestaltete Publikationen.

der Online-Shop

von The Gap

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Theater in St. Pölten Wenn man hört, dass ausgerechnet in St. Pölten, diesem historischen Unfall, Theater von Weltformat gespielt wird, macht einen das hellhörig. Wie kann das gehen, ohne fette Subventionen, von Landesfürsten Gnaden, im unwirtlichsten Regierungsviertel dieses Landes? Müssen wir am Ende gar ein paar Vorurteile verwerfen?

028 Rubriken Leitartikel 003 Inhalt 004 Editorial 006 006 Porträts / Impressum Fondue 009 Unbezahlter Anzeiger 011 Splitter 012 Workstation: Darija Kasalo und Andrea Fissore 040 Prosa: Theodora Bauer 042 Reviews 045 Termine 058

Bild der Ausgabe Am 7. Jänner wurde das französische Satiremagazin Charlie Hebdo angegriffen, zwölf Menschen wurden getötet. Achim Gauger, der gerade unser Pandagram kuratierte, teilte – wie viele andere – das Bild des Zeichners Jean Jullien auf unserem Instagram-Account – Meinungs- und Pressefreiheit betrifft uns alle.

Kolumnen Fabula Rasa Know-Nothing-Gesellschaft

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Kuluturködern — In Print feiern, dass man im Web die Zugriffe letztes Jahr mehr als verdoppelt hat. Nicht übertrieben cool, klar, möchten wir trotzdem tun. Noch dazu müssen wir heuer die Website neu aufsetzen und damit dem alten Gaul, auf dem wir uns aktuell durchs Netz schleppen, endlich den Gnadenschuss zu geben. Es kann also nur besser werden. Weniger Metaphern mit Waffen sind dann auch drin, versprochen. Wenn es dann soweit ist, schalten wir vermutlich Printanzeigen fürs Web. Ganz ohne QR-Codes. Voll 2015. Auch voll 2015, Bilderbuch. Dass diesmal Cover, Story und Fotos ineinandergreifen wie selten zuvor liegt daran, dass sie aus einer Hand stammen. Nikolaus Ostermann kennt die Band seit Jahren und berichtet aus der immer größer werdenden Blase. In der aktuellen Ausgabe hat sich außerdem ein kleiner Medienschwerpunkt ergeben. Warum werden eigentlich alle schreiben, dass Bilderbuch ein Meisterwerk abgeliefert haben? Warum gibt es in Österreich noch so wenig Blogs? Und was ist das wert, wenn ich ein Bild like? Ja, für die Welt von heute bist du digital vermessbar und bekommst hinterher ein Preisschild umgehängt. Dass das nicht so schlimm sein muss wie es klingt, darüber werden wir heuer hoffentlich noch griffiger als bisher schreiben. Und zwar mit allen Mitteln, damit ihr diese vertrackten Themen schluckt wie einen hübschen Köder.

Stefan Niederwieser niederwieser@thegap.at @the_gap

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Sinah Edhofer

Nikolaus Ostermann

Eine Blume in der Sneaker-Wüste — Hin und wieder muss sich The Gap eine Modebloggerin als frischen Wind holen, und Sinah Edhofer hat endlich wieder ein bisschen Instafashion und Tumblr-Laufsteg in unsere von Sneakern und Vintage-Pullis zugedröhnte Redaktion gebracht. Siehe da: Plötzlich sah man coole Loafers, Tattoos und transparente Wegbeutel in den Räumen. Für ihren ganzen tollen Design-, Kunst- und Konzert-Content mussten wir halt in Kauf nehmen, auf der Geburtstagsparty in der Fashion-Loser-Ecke zu stehen. Das ist ok, denn sonst passt sie nämlich vorzüglich zu uns: einem guten Tropfen nicht abgeneigt, bezeichnet sie Rotweintrinken und Philosophieren als Hobby. Im Kühlschrank steht andererseits meistens Bier, im Regal Simone de Beauvoir. Never drop that alcohol. Beziehungsunfähig wurde sie nicht wie jeder normale Mittzwanziger durch Disney, sondern das achtmalige Lesen von »Breakfast At Tiffany’s«. Holly Golightly ist aber auch ein zweifelhaftes Frauenvorbild. Sinah hat dann doch mehr von ihren WunschBFFs Miley Cyrus und Asap Rocky, wenn sie alleine auf HipHop-Konzerten den bemitleidenden Blicken von Schmuse-Paaren trotzt.

Ein Konzert dauert 90 Minuten und am Ende hat Niko immer Fotos gemacht — Nikolaus Ostermann macht sehr, sehr gute Fotos. Bei solch stupiden Sätzen landet man, wenn man jemanden zu gut kennt und nicht weiß, wo man anfangen soll. Er hat zum Glück nicht Nein gesagt, als wir ihn drum gebeten haben, den Aufstieg der Band Bilderbuch für unsere aktuelle Ausgabe zu erklären – nicht obwohl, sondern weil er sie schon seit sechs Jahren begleitet. Etwa genauso lang fotografiert er schon für The Gap, schreibt auch immer wieder, meistens über Musik. Seine Familie hätte sich wohl eher gewünscht, dass Niko mehr auf Klassikfestivals abhängt. Immerhin heißt er so wegen Nikolaus Harnoncourt, wurde mit Bach, Mozart und Händel großgezogen. Aber nichts da, totale Rebellion, Sick Of It All in der Arena, sieben Monate nach Australien zum Studieren, immer Fotos schießen, dann beim First Vienna Football Club anheuern. Dort hat er Skandale erlebt und neben dem Menschlichen viel zu viel fürs Leben gelernt. Wenn jemand also z.B. einen Fußballer aus sagen wir Südamerika nach Österreich in die Bundesliga transferieren will, weiß er, wie das geht. Kein Wunder, dass er sagt, er pendelt gerne zwischen Welten. Vielleicht schmeißt er deshalb die besten Silvesterpartys.

TEXT Teresa Havlicek BILD Privat

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TEXT Stefan Niederwieser BILD Privat

Impressum

HERAUSgeber Thomas Weber chefredaktION Martin Mühl, Stefan Niederwieser Redaktion Ranya Abd El Shafy, Niko Acherer, Benjamin Agostini, Amira Ben Saoud, Josef Berner, Sandra Bernhofer, Manuel Bovio, Ivo Brodnik, Stephan Bruckner, Johannes Busching, Ann Cotten, Lisa Dittlbacher, Juliane Fischer, Holger Fleischmann, Philipp Forthuber, Manuel Fronhofer, Miriam Frühstück, Barbara Fuchs, Carola Fuchs, Daniel Garcia, Yannick Gotthardt, Manfred Gram, Dominique Gromes, Philipp Grüll, Julia Gschmeidler, Andreas Hagenauer, Jan Hestmann, Magdalena Hiller, Christoph Hofer, Sebastian Hofer, Peter Hoffmann, Michael Huber, Reiner Kapeller, Jakob Kattner, Sophie Kattner, Markus Keuschnigg, Michael Kirchdorfer, Kristina Kirova, Stefan Kluger, Michaela Knapp, Markus Köhle, Christian Köllerer, Alexander Kords, Christoph Kranebitter, Rainer Krispel, Michael Bela Kurz, Philipp L’Heritier, Franz Lichtenegger, Artemis Linhart, Gunnar Landsgesell, David Mochida Krispel, Davi Maurer, Christiane Murer, Nuri Nurbachsch, Dominik Oswald, Ritchie Pettauer, Stefan Pichler, Johannes Piller, Stefanie Platzgummer, Christoph Prenner, Teresa Reiter, Werner Reiter, Kevin Reiterer, Martin Riedl, Tobias Riedl, Gabriel Roland, Georg Russegger, Stefan Schallert, Joachim Schätz, Peter Schernhuber, Bernhard Schmidt, Nicole Schöndorfer, Werner Schröttner, Tanja Schuster, Richard Schwarz, Katja Schwemmers, Katharina Seidler, Wolfgang Smejkal, Lisa Stadler, Cornelia Stastny, Roland Steiner, Gerald C. Stocker, Johanna Stögmüller, Sophie Strohmeier, Peter Stuiber, Werner Sturmberger, Denise Helene Sumi, Yasmin Szaraniec, Hanna Thiele, Horst Thiele, Franziska Tschinderle, Erwin Uhrmann, Jonas Vogt, Luise Wolf, Maximilian Zeller, Martin Zellhofer, Barbara Zeman PRAKTIKUM Robert Ziffer-Teschenbruck, Florian Thoeni termine Manuel Fronhofer, Stefan Niederwieser AUTOREN Georg Cracked, Michaela Knapp, Michael Lanner, Moriz Piffl-Percevic, Jürgen Wallner, Martin G. Wanko fotografie Florian Auer, Lukas Beck, Stephan Doleschal, Andreas Jakwerth, Georg Molterer, Ingo Pertramer, Kurt Prinz, Karin Wasner, Michael Winkelmann Illbilly-illustration Jakob Kirchmayr COVER Bernhard Kettner, Nikolaus Ostermann ART DIRECTION Manuel Fronhofer, Thomas Wieflingseder DESIGN Elisabeth Els, Manuel Fronhofer, Erli Grünzweil, Thomas Wieflingseder Lektorat Wolfgang Smejkal, Adalbert Gratzer web Super-Fi, m-otion anzeigen Herwig Bauer, Thomas Heher, Micky Klemsch, David Kreytenberg, Martin Mühl, Thomas Weber (Leitung) Distribution Martin Mühl druck Ferdinand Berger & Söhne GmbH, Pulverturmgasse 3, 1090 Wien geschäftsFÜHRung Martin Mühl PRODuktion & MedieninhabERin Monopol GmbH, Favoritenstraße 4–6 / III, 1040 Wien kontakt The Gap c/o Monopol GmbH, Favoritenstraße 4–6/III, 1040 Wien; Tel. +43 1 9076766–41; wien@thegap.at, www.thegap.at, www.monopol.at, office@thegap.at bankverbindung Monopol GmbH, easybank, IBAN AT77 14200 20010710457, BIC EASYATW1 abonnement 10 Ausgaben; Inland EUR 15, Europa EUR 35, Rest der Welt EUR 42 HEFTPREIS EUR 2 erscheinungsweise 8 Ausgaben pro Jahr; Erscheinungsort Wien; Verlagspostamt 1040 Wien Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Für den Inhalt von Inseraten haftet ausschließlich der Inserent. Für unaufgefordert zugesandtes Bild- und Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung der Geschäftsführung.

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Spähaugen und Schnappschützen aufgepasst: The Gap freut sich immer über bemerkenswerte Momentaufnahmen, optische Querschläger und belichtete Kuriositäten. Einsendungen an fondue@thegap.at

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Fabula Rasa All Hail The Captain! »I’ve still got voices inside my head, but as long as they’re friendly I’ll stay in bed« (Payolas) »Ich war mit Nassim Taleb in der Kraftkammer und er fand den Krieg gegen die IS-Armee eine gute Sache, nicht weil er Anhänger muslimischer Terroristen wäre (er ist libanesischer Christ), aber weil es eine Möglichkeit zur Neuordnung der Situation im Nahen Osten bietet und die Region gestärkt daraus hervorgehen kann.« Sagt Markus, worauf Melanie sagt: »Seitdem ich ein Kind bin, höre ich dies Schlagzeile dauernd: Unruhen im Nahen Osten. Irgendwie bedeutet das schon nichts mehr.« Und Markus anfügt: »Da schalten eh alle schon zu den Seitenblicken um.« Und dann bringt sich Beate in das Gespräch ein: »Seitdem der Dominik Heinzl die Seitenblicke nicht mehr macht, sind die voll schlecht geworden.« Und quittiert die eintretende Stille mit »Aber echt. Ur-schlecht.« »Das ist ja schon ewig her. Antike Geschichte!« Du bestellst noch ein Bier. Ist ja schon Nachmittag, fast vier Uhr. »Umso weiter man ins Meer hineingeht, desto tiefer wird es.« (Ägyptisches Sprichwort)

Dann kommt Mario. Er lässt sich einen Vollbart wachsen und trägt eine schwarze Lederjacke, Röhrenjeans und gemusterte Converse. Ihm ist kalt, weil es draußen kalt ist. Knapp über dem Gefrierpunkt. Aber er eröffnet uns: »Wien ist jetzt die Hauptstadt des Rock! Lasst uns ins Addicted to Rock gehen, dort kann man essen und Rocker-Kleidung kaufen!« Die anderen sind noch nicht überzeugt. Im Cafe am Fluss ist es okay und draußen ist es kalt. Du siehst im Handy nach und heute wird Lendenfilet vom Kalb an Rahmsauce serviert. An(!) Rahmsauce. Du bezweifelst, dass das viel mit Rock zu tun hat. Aber Mario gibt nicht auf: »Oder ins Hardrock Cafe in der Rotenturmstraße! Voll geil, Rock, Yeah!« Du wettest mit ihm um hundert Euro, dass dort kein einziger Rocker zu finden sein wird; höchstens Touristen. »Das verlierst du«, lacht er, »weil ich ja dann auch dort bin und ich bin jetzt ein Rocker!« Mario gackert beim Lachen. Guido, dem der Ekel ins Gesicht geschrieben steht, fragt Mario nach seinem Lieblingsrocker. Die Antwort: Rea Garvey. Das passt. Du bestellst noch ein Bier. Ist ja schon Nachmittag, kurz nach vier Uhr. Powered by Andrew Bird, Allah-Las, Fink und anderen Rockern.

PROGRAMM ZUR FÖRDERUNG INNOVATIVER KUNST Die Stadt Wien lädt Wiener Kulturschaffende sowie Kunst- und Kulturinstitutionen ein, Projekte aller Kunstrichtungen einzureichen. Infos unter: www.basiskultur.at/shift Ende der Einreichfrist: 15. April 2015 Einreichungen an: Basis.Kultur.Wien, SHIFT, Vogelweidplatz 9, 1150 Wien Rückfragen: shift@basiskultur.at 148_002-017_Splitter_05.indd 10

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Es gibt Dinge da draußen, die sind so gut, die sind Segnungen für die Menschheit, echte Hits der Warenwelt, für die machen wir freiwillig Werbung.

Fernbedienungszauber

Scheiß Geld!

Rubbel die Welt

Es wird Zeit, wieder einmal alle 17 Teile der »Harry Potter«-Filme zu schauen und dabei zu vergessen, dass Daniel Radcliffe später Sex mit Pferden haben sollte, um endlich ein ernstzunehmender Schauspieler zu werden, oder so. Will man diese Schandtat auch beim »Zauber-Marathon« vergessen, muss man sich also mit aller Macht in das »Harry Potter«-Universum einfühlen. Dabei hilft dieser Zauberstab, der eigentlich eine Fernbedienung ist. Wie das funktioniert? Must be magic. www.thinkgeek.com

Die Deutschrapper K.I.Z haben uns mal erklärt, dass sie gerne Geld essen. Dabei verschwiegen die wohlerzogenen Herren aber, dass das Gegessene auch irgendwann wieder raus muss. Doch auch hier gibt es für sie und alle anderen, die gern kapitalistisch kacken, eine Lösung. Diese Klopapierrolle zieren hübsche gelbe 200-Euro-Noten, die damit jeden Gang aufs Häusl veredeln. Man kann es aber auch als Kapitalismuskritik sehen: Immerhin war es noch nie so einfach, auf Geld zu scheißen. www.amazon.de

Am geilsten Ort einchecken, das beste Bild posten – man reist ohnehin nur noch, damit die Follower und Frenemies etwas zu neiden haben. Wer aus diversen Gründen nicht will, dass die eigenen Abenteuer im Netz zu finden sind, dem soll es trotzdem erlaubt sein, die eigenen Trips zu dokumentieren. Auf dieser Weltkarte kann man besuchte Orte freirubbeln. Macht nicht nur Spaß und sieht gut aus, auch die Hoffnung, dass man irgendwann doch noch eine Schatztruhe unter der Karibikinsel findet, stirbt zuletzt. www.radbag.at

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Astrid Exner (Walzerkönig)

TOP 10

EMOJIS, DIE FEHLEN

01 Weißweinglas 02 Puke 03 Eyeroll 04 Bett 05 Facepalm 06 Shh 07 Klischeebefreite Haarfarbenvariationen 08 Schmusende LGBT-Paare 09 Fingers crossed 10 Kopfweh

TOP 5

SPICE GIRLS

01 Sporty 02 Ginger 03 Posh 04 Baby 05 Scary

auch nicht schlecht: Epikur

www.thegap.at/goodies »Birdman«

Markus Blahuš

Alejandro G. Inarritu hat mit »Birdman« nicht nur einen Oscarfavoriten geschaffen, sondern auch einen seiner bislang unterhaltsamsten Filme. Darin spielt Michael Keaton einen alternden Star, der versucht, mit einem Broadway-Stück zurück auf den Weg des Erfolges zukommen – dabei aber allerei Widrigkeiten begegnet. Nicht zuletzt in Form anderer Personen in Familie und Umfeld. Im Kino seit 30. Jänner. Wir verlosen 2 Pakate bestehend aus Soundtrack, Poster und T-Shirt.

(Prasselbande, Woodcut)

Wanda »Amore« Vinyl

TOP 10

Wanda haben sich mit »Amore« letztes Jahr so ziemlich überall Gehör verschafft. Ab Jänner gehen sie dann wieder auf Tour, spielen Linz (27.1.), Graz (28.1.), Hamburg (8.2.), Leipzig (10.2.), Timmelkam (19.2.), Salzburg (9.4.) und so manch weiterem Ort. Zeit genug, sich das Album zuvor nochmal und immer wieder anzuhören. Zum Beispiel auf Vinyl. Deswegen verlosen wir hier 3x »Amore« auf Vinyl.

PC-ADVENTURE GAMES

01 Day Of The Tentacle (Maniac Mansion II) 02 Gemini Rue 03 The Walking Dead 04 Harvester 05 Star Trek: The Next Generation »A Final Unity« 06 The Cat Lady 07 Gone Home 08 The Curse Of Monkey Island 09 The Dream Machine 10 Phantasmagoria II: A Puzzle Of Flesh

TOP 5

TECHNO PRODUZENTEN, DEREN NAMEN ICH GARANTIERT FALSCH AUSSPRECHE

01 Drexciya 02 Ste Pwri Tmod 03 Shxcxchcxsh 04 Jahiliyya Fields 05 Svengalisghost

auch nicht schlecht: Selbst gemachte Guacamole und Beef Tartare

»Gone Girl« »Gone Girl« war einer der interessantesten und vielschichtigsten Filme im vergangenen Kinoherbst. Für die einen einen wendungsreicher Thriller, in dem lange nicht klar ist, wer die Fäden zieht. Für andere eine bitterböse Komödie über all zu menschliches Verhalten und Geschlechterrollen die zu Tage treten, wenn Beziehungen in die Jahre kommen. Ein fantastischer Film von David Fincher. Bereits ab 29. Jänner als Digital HD; ab 5. Februar auf DVD und Blu-ray. Wir verlosen 3 Blu-rays.

»The Walking Dead« im Kino Die fünfte Staffel von »The Walking Dead« hat über den Winter Pause gemacht. Ab 9.2. - nur wenige Stunden nach US-Start – geht es mit den neuen Folgen auf Fox bei Sky weiter. Die Rückkehr wird mit zwei der legendären Sky Nights in Innsbruck (18.2.) und Linz (19.2.) gefeiert: Die ersten zwei Folgen von Staffel 5b im Originalton auf großer Kinoleinwand. Zombie-Fütterung inklusive! Mehr Infos unter facebook.com/ skynightevent Wir verlosen 3 exklusive Goodiebags u.a. mit Fanshirt, TWD-Buttons und Survival-Kit sowie 1x2 Tickets für jede Sky Night.

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Pandagram-Steckbrief: ViennaCityTypeFace Johanna Stögmüller

Einmal pro Ausgabe bitten wir interessante Menschen, unseren Instagram-Account für 10 Tage zu übernehmen. Das meistgelikte Foto gibt’s hier.

(Chefredakteurin Biorama 2012-2015)

TOP 10

BESTE MUSTER IN DER TEXTILGESCHICHTE

01 Houndstooth 02 Vichy (Streifen) 03 Argyle 04 Chevron 05 Nami 06 Fischgrät 07 Tartan 08 Paisley 09 Nadelstreif 10 Unikko

TOP 5

ECO-FASHIONLABELS

01 Treches 02 Johanna Hauck 03 Studio Jux 04 Wunderwerk 05 People Tree

auch nicht schlecht: Karpfen, Nasendusche

Dieses Geschäft ist leider schon vor einiger Zeit verschwunden. Der Hauseigentümer behielt sich die Neonreklame, weil sie ihm selbst so gut gefiel.

Achim Gauger a.k.a ViennaCityTypeFace

Achim Gauger zeigt seit Mai 2012 Schriften aus Wien, um einen verschwindenden Teil des Wiener Gesichts zu dokumentieren. Bei der nächsten Ausstellung vom 25. Februar bis 7. März im West 46 wird eine Gegenüberstellung von Wien und Los Angeles aus der »Vor-Botox-Zeit« zu sehen sein.

Christian Schädel

sieht man mir nicht an, ist aber so:

Dass ich im Brotberuf Berater bin?

(Phil)

TOP 10

ENTTÄUSCHUNGEN, SEIT ES DAS PHIL GIBT

01 Die Beschwerdemail vom 7.4.2009 02 Die Absage von Laetitia Sadier vom 18.5.2013 03 Der mit Tee begossene Laptop vom 13.3.2006 04 Der Einbruch vom 6.2.2014 05 Der Zechpreller vom 26.9.2011 06 Die Lesung vom 1.4.2007 07 Der Polizeibesuch vom 10.11.2008 08 Die abgeknickte Sonnenblume vom 29.7.2011 09 Das Wetter vom 1.10.2006 10 Die Bitte um diese Liste vom 11.9.2014

TOP 5 WUNSCHACTS

01 Bonnie ›Prince‹ Billy 02 Jeff Tweedy 03 Amanda Palmer 04 Bill Callahan 05 Bon Iver

auch nicht schlecht: Kaugummikauen

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am schwersten auf Geschäftsbeschriftungen in engen einem foto festzuhalten: Gassen. liebste foto-app:

Camera+

liebster hashtag:

#neonsign

drei follow-empfehlungen: @colorbyspiegel, @sceid, @radiotom schaue oder höre ich nur hinter Es gibt da nichts zu verbergen. Man zugezogenen vorhängen: muss dazu stehen. würd’ ich mir tätowieren: Miles Davis in seiner bekanntesten Pose.

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saidnooneever: Moderne Geschäftsbeschriftungen machen alles leb- und ausdruckslos. (Nicht alles, aber fast)

instagram.com/thegapmag

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Veranstaltungsreihe zur Praxis von digitalen Spielen im MuseumsQuartier / quartier21 / Raum D, 1070 Wien subotron.com/veranstaltungen/pro-games/

Do. 05.02.15, 19h InnoGames: Vom Hobby zum Beruf zum Global Player Do. 19.02.15, 19h Projektanalyse österreichischer Games: Kunabi Brother: “Blek”

Do. 05.03.15, 19h Ausbildungsmöglichkeiten für die Games-Branche: Präsentationen & Beratung

#22: Netzsprache:

#23:

Alltagskommunikation Sehenswerte in Null und Eins News Jedes Kommunikationsmittel hat Einfluss auf die Visualisierungen gewinnen immer mehr Bedeutung Sprache, die für die Kommunikation verwendet wird. in der Medienlandschaft. Während Grafiken früher Während Kulturpessimisten in den vielen Anglizismen,als zusätzliche Gestaltungselemente oder als Zusammen­ Jargonbegriffen, Akronymen und der reduzierten Gramfassung von Geschriebenem oder Gesagtem ver­ matik der Netzsprache den Untergang des Abendlandes standen wurden,sehen, etablieren sie sich nach undeine nach heraufdämmern erkennen andere darin ganz als eigenständige journalistische Inhalte. Comic­ normale Entwicklung, die in ähnlicher Form auch bei Journalismus ist–drauf und dran, sichTelegramm als eigene bis Gat­ anderen Medien vom Brief über das tung Telefon durchzusetzen, Datenvisualisierungen zum – zu beobachten war. Wir wollen schaffen der Frage es auf die Titelseiten von MagazinenEntwicklungen und interaktive nachgehen, wie neue technologische Grafiken werten Online­Medien massiv auf. Möglichunsere Alltagssprache beeinflussen und welche keiten das Netz für kreative Beschäftigung mit Sprache und die Pflege von Dialekten bzw. Soziolekten bietet.

Di., 10.02.2015

Do. 19.03.15, 19h Präsentationen und Roundtable mit den Developern der Studio-Tour Fr. 20.03.15, 13h Studio-Tour in Wiener Game-Developer-Studios

25.11.2014 –Di., Empfang 18:30 Uhr – Start 19:00 Uhr – Empfang 18:30 Uhr – Start 19:00 Uhr

Impact HUB Vienna, vienna.impacthub.net The Vienna, vienna.the-hub.net WienHub 7., Lindengasse 56 / Top 18 –19

Wien 7., Lindengasse 56 / Top 18 –19 Die Veranstaltungsreihe Veranstaltungsreihe twenty.twenty twenty.twenty widmet widmet sich sich als als offene offene Die Diskussions plattform Zukunftsszenarien einer Welt 2020. Diskussionsplattform Zukunftsszenarien einer Welt 2020. Denn: Zukunft Zukunft kann kann nicht nicht gepredigt gepredigt oder oder verordnet verordnet werden. werden. Denn: Sie gehört diskutiert und gestaltet. Sie gehört diskutiert und gestaltet.

Unterstützt von www.creativespace.at – Die Kreativplattform der Wirtschaftskammer Wien

Medienpartner:

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Die Zeit ist Now Die letzten beiden Jahre waren rasant, ihre Entwicklung ist erstaunlich: Bilderbuch zertrümmern mit ihrem dritten Album »Schick Schock« gläserne Decken und ergründen neue Universen.

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Text und bild NikoLAUS Ostermann

Bilderbuch – »Schick Schock« — Was ist Popmusik?

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20. Dezember 2014, noch genau zwei Monate bis Album-Release. Im Auge des Hypes ist es ziemlich relaxed. Ein wenig verschlafen sitzt Bilderbuch-Frontmann Maurice Ernst, der angeblich bestangezogene Mann des Landes, im Erdgeschoss eines NightlinerBusses zwischen irgendwo im Nirgendwo und Wien. Am Vorabend hat die Band das letzte von rund 75 Konzerten dieses Jahres gespielt, Casper hatte zu seiner ebenso alljährlichen wie natürlich ausverkauften »Zurück Zuhause«-Show geladen. Das war ein Fest – Kmpfsprt, Bilderbuch, K.I.Z., Casper und über 2.500 ziemlich enthusiasmierte junge Menschen. Es spricht für die Unglaublichkeit des Bilderbuch-Jahres, dass der Ringlok-Schuppen in Bielefeld eine der kleineren Hallen war. Und überhaupt, das umjubelte Heimspiel im Wiener Brut, eine Handvoll Casper-Supportgigs, Amadeus Award, Eroberung der Donauinsel, eine Menge Festivals und gerade erst liegen sechs Tourwochen durch die großen Hallen der deutschsprachigen Welt als Support der Beatsteaks hinter dem Quartett. Es hat sich vieles verändert bei Bilderbuch, seit die Band vor zwei Jahren mit der Arbeit an dem Material begonnen hat, das sich nun in Albumform einen Platz in der Musikgeschichte suchen darf.

wasserstoffblonden Haaren, ist nach außen hin also irgendwie zulässig. Und ja, die Band ist nicht ganz uneitel. Als etwa bei den Amadeus Awards 2014 auch Mando Diao mit blond gefärbten Haaren auftraten, war Maurice ganz fertig, wie er alle Zuseher wissen ließ, als die Band die Bühne betrat. Gerade so, als hätte man ihm da etwas gestohlen. Wer nun aber ätzt und glaubt, dass im Indiebereich doch Melodien, Texte und Inhalte viel wichtiger sein sollten als das ganze Auftreten und die Moden, der hat etwas nicht verstanden. Bilderbuch haben sich da rausgeholt, weil sie auch das begriffen haben: Wie wichtig etwa Pressefotos sind, Artwork, Instagram, Facebook und ganz besonders Videos. Natürlich ist es zu einfach, einen Neustart an einer Haarfarbe und ein paar bunten Hemden festzumachen. »Feinste Seide« ist zu einem Leitmotiv der Band geworden, dem Parolen wie »Plansch« oder »OM« folgten, es ist auch eine der ältesten Nummern auf dem Album und war der erste Songtitel, der feststand. Über »Schick Schock« wird nun viel geschrieben werden, zertrümmert es doch die gläserne Decke des österreichischen Indie-Universums ziemlich mühelos. Mittlerweile spielt es Damon Albarn im Erdgeschoss des Nightliners. Wir nähern uns der deutsch-österreichischen Grenze und schweifen ab, außerdem will der Lambadschuna-Cup (es geht um FIFA) auf der Playstation fertig gespielt werden.

Freispiel

Tour de Force

Wir trinken Kaffee, über die Anlage des Nightliners laufen Bilderbuch-Demos, die im Zuge der Album-Produktion entstanden sind. Ein roher Beat bahnt sich da seinen Lauf, ein Gitarrenriff entspringt, zuckt, funkelt und schwingt sich in die Höhen, Stampfen, etwas verwaschener Gesang setzt ein – »Da ga da«. »Die Nummer war eine der ersten, an der wir damals begonnen hatten zu arbeiten. Es war eine harte Entscheidung, sie nicht ins Studio mitzunehmen, sie war uns dann aber doch ein bisschen zu Indie«, sagt Maurice und schaut aus dem Fenster, wo die Sonne zwischen den Wolken über Bayern blinzelt. »Wenn wir wieder zu Hause sind, werden wir schauen, dass wir an diesen Prozessen wieder anschließen. Wir waren megakreativ in den letzten zwei Jahren.« Es war Anfang 2013, als Bilderbuch – Maurice Ernst (Gesang, Gitarre), Peter Horazdovsky (Bass, Keyboards), Michael »Mike« oder »Mizzy« Krammer (Gitarre) und Philipp »Pille« Scheibl (neu am Schlagzeug) – mit der Arbeit an neuer Musik begannen. Nicht unbedingt mit dem definierten Ziel, ein Nachfolgealbum von »Die Pest im Piemont« von 2011 zu erarbeiten, wie mir Maurice damals schon erzählte, dafür mit vollkommen neuen Arbeits- und Herangehensweisen. »Irgendwie hat das große Ganze davor nicht mehr gestimmt. Es waren einige Instrumentaltracks da, aber wir haben für uns gemerkt, dass eine Zeit des Umbruchs ansteht. Einige von den neuen Songs haben für uns damals schon alt geklungen, auch wenn welche dabei waren, die vielleicht Potenzial gehabt hätten. Aber so wollten wir das nicht machen«, sagt Peter, der sich mittlerweile zu uns gesellt hat. Also haben sie es nicht gemacht. Mit dem neuen Schlagzeuger – gekannt hatten sie Pille schon länger, so ging die Eingewöhnung ziemlich fix – begann die Band also zu tüfteln und zu experimentieren anstatt aufzunehmen. Alle gemeinsam, jeder auch für sich. Eine umfangreiche Soundbibliothek entstand, in der wild Experimente abgelegt wurden, aus der sich jeder bedienen durfte, um weiter-, aus- und wo auch immer hinzuspinnen. So etwas braucht Zeit. Viel Zeit. Der bewusste und kollektive Entschluss, sich in Zukunft alle Zeit zu nehmen und ebenso viel Konzentration der Sache zu widmen, fiel bald und einstimmig. Auf der Uni war seitdem keiner mehr.

Einige der Businsassen freuen sich auf zu Hause, denn auch wenn die vorangegangenen Wochen toll waren, waren sie auch sehr anstrengend. Immer wieder änderte sich die Nightliner-Besetzung im Zuge der sechs Wochen Tour mit den Beatsteaks, es gab sehr viel zu tun. Das Artwork zu »Schick Schock« entstand zwischen Wien und Köln. Bis Leipzig, ungefähr zur Halbzeit der Tour, stand die Band in ständigem Kontakt mit Wien, wo in der Zwischenzeit die Masters für das Album fertig gemixt wurden. Es kam immer wieder vor, dass der oberste Beatsteak milde lächelnd, aber immer wohlwollend – er weiß ja, wie das ist – in den Bilderbuch-Backstage-Raum blickte, wo betriebsame Menschen flink Computer bedienten und in Telefone sprachen. Für das Video zu »OM«, an dem ab Köln so richtig intensiv gearbeitet wurde, sprintete die Band direkt im Anschluss an die zweite Berlin-Show über Nacht nach Linz ins Studio – in das Filmstudio, in dem auch »Maschin« entstand – um »OM« zu drehen. Zwei Tage später waren alle wieder in Hamburg und zurück auf Tour. Dazu kam ein fieser, kleiner Noro-Virus, der die halbe Belegschaft für zwei Tage außer Gefecht setzte. Aber bei diesem Video sah man wieder, wie weit sich die Band entwickelt hatte: Karma, Ganzkörperfarbe, weite Stoffe, Relaxen und überhaupt – wer singt schon über Yoga mit Style?

Gelb, gelb, gelb ist alles Und irgendetwas ist in dieser Zeit noch passiert. Da wurden nicht nur die adrett geschnittenen Pullover, Herrenhosen und Lederschuhe ausgetauscht, mit denen Bilderbuch früher wie eine feinere Studentenband gewirkt hatten. Gegen feinste Seide und Halsketten, gegen schicke Sonnenbrillen, bunte Tropenmuster und kurze gelbe Hosen. Auch Sänger Maurice sah früher ein wenig aus wie ein Klosterschüler, der er mal tatsächlich war. Er war beim Friseur. Wobei, eigentlich nicht. Die Oma war’s, in der Nacht vor dem Dreh zu »Plansch«, nachdem Maurice seinen bereits schließenden Friseur bekniet hatte, ihm die Bleichpaste doch bitte wenigstens mitzugeben. Eine von diesen Kreuzungen, an denen die Band retrospektiv gesehen richtig abgebogen ist. Die These, es gäbe eine Bilderbuch-Zeitrechnung vor und nach den

Hit Bilderbuch trauen sich das zu. Obwohl sie oft noch als Indieband wahrgenommen werden, haben sie sich in Wirklichkeit schon lange von den Konventionen verabschiedet. »Wir haben zwei Jahre fast nur HipHop gehört. Das war auch ein Anstoß, nicht mehr nur aus unserer Indie-Tradition heraus zu agieren, sondern mit neuen Sachen zu experimentieren«, meint Peter dazu. Vor allem Kanye Wests »My Beautiful Dark Twisted Fantasy« hat sehr viel in der Band ausgelöst. Es hat den Blick auf Musik grundlegend verändert, wie Maurice sagt. Und statt es nur geil zu finden, hat die Band daraus gelernt. Andere Einflüsse zulassen, die auch durch den HipHop- und Jazz-Background des neuen Drummers verstärkt wurden, Stile verbinden, Raum und Stille zulassen, in der sich Maurices Stimme und Mikes Gitarrensoli, die eine ganz eigene Charakteristik entwickelt haben, entfalten und austoben können, Sex zulassen. Am offensichtlichsten war das, wenn sie live einen Djembé-Spieler auf die Bühne holten, der auch sein eigenes Trommelsolo hatte. Meistens waren ihre Brüche aber subtiler. Wie etwa die Fanfaren in »Maschin«, die mit Midi von der Gitarre gespielt wurden. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung wurde auch schon kurz nach »Feinster Seide« klar, wie viele Überlegungen in den wenigen Worten stecken, die Bilderbuch singen. Einen doppelten Boden einbauen, das kann schließlich jeder. Drei Böden und Finesse, ein bisschen kreative Unverständlichkeit und die richtige Balance mit den Instrumenten, das wollen Bilderbuch in ihrer Musik erreichen. Mit »Maschin« haben sie eine ganze Menge erreicht, nicht nur 1.300.000 Klicks auf Youtube. Es hat auch viel Wertschätzung von anderen Musikern gebracht, man begegnet sich auf Augenhöhe.

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Pille (Schlagzeug), Christoph Kregl (Management), Maurice (blonde Haare), Peda (Bass) im Bilderbus beim Welterobern.

»Nach dem Song werden die Leute auf euren Konzerten in zehn Jahren noch schreien«, hatte Maxim von K.I.Z. erst am Vorabend gemeint. Backstage-Gespräche drehen sich dabei um Sounds, um Songs, um Performance, um Erfahrungsaustausch, um Business und um Hits. Abgehangen wird mit K.I.Z., Casper und Jürgen Drews. Konzerte im Berliner Technotempel Berghain oder im Wiener Performance-Haus Brut, Auftritte bei Joko und Klaas auf Pro7 oder im Café Puls – auch so war klar, dass der Anspruch der Band heute viel größer ist. Es geht um Pop. Daran hat die Band seit Jahren gearbeitet. Zweitbester sein, das reicht nicht. Im Bus ist in der Zwischenzeit schon wieder weitergearbeitet worden und eine große Entscheidung gefallen. Ein paar Anrufe werden getätigt, ein paar Knöpfe gedrückt, eine Stunde später kündigen Bilderbuch mit einem Arena Open Air im Juni ihre bisher größte eigene Show an. Es kann manchmal sehr schnell gehen.

Durch die Galaxis Für »Schick Schock« hat die Band insgesamt zehn Jahre gebraucht. Die Sprache dient als roter Faden auf der Reise durch das große, bunte Pop-Universum, in das uns Bilderbuch mit dem logischen Opener »Willkommen im Dschungel« einführen – Samples, zucken, Prince, Maurice rappt. »Es kommt ein neuer Tanz auf«, kündigt er im Refrain unmissverständlich an. Soll keiner sagen, wir wären nicht gewarnt worden. Er hätte aber ruhig die Mehrzahl verwenden können, denn das nun folgende »Feinste Seide«, der rappende Rock-Bastard, das uns in Sicherheit wiegende »OM« und das verschmitzt groovende BasslineMonster »Spliff« zeigen schon, warum »Schick Schock« mehr ist als nur eine Indie-Exitstrategie. Es ist ein unglaublich facettenreiches Popalbum und es gibt nichts, das in seiner Gesamtheit so klingt wie das hier. Das wird spätestens dann klar, wenn sich das Album über den getriebenen Sex im Titeltrack »Schick Schock« und die süße Liebe in der R’n’B-Ballade »Soft Drink« – in der Albumversion mit fettem RapPart, der an Busta Rhymes in seinen besten Tagen erinnert – bei »Barry Manilow« landet. Falco darf man natürlich erwähnen und das darin bewusst gezeigte Lokalkolorit, das doch nie zum Selbstzweck, sondern auf Augenhöhe mit den Flow-dienlichen Anglizismen eingestreut ist.

Sechs Nummern lang wird man da mit bunten Raketen aus allen Himmelsrichtungen beschossen und auf einmal steht das Raumschiff still. Flächig getragen zieht die Gitarre den Vorhang des Panaromafensters auf und wir sehen das eben durchkreuzte Universum in stiller Erhabenheit vor uns liegen. Ein extrem schleppender Beat setzt ein und plötzlich wird alles klar. »Sie schöpft ihre Kreativität aus der Stille«, flüstern Maurice und die dunkle Stimme im Hintergrund. Das sitzt. Zum Glück holen uns Bilderbuch aus der Sprachlosigkeit aber wieder raus. Es gibt ja noch Hoffnung. Wir müssen ja noch die »Rosen zum Plafond« schmeißen und wenn sie meint, wir müssen gehen, dann gehen wir zumindest tanzen! Im Pool, oder in der Disco in Jesolo. Dort läuft gerade der rocky »Gigolo« und will uns gemeinsam mit Jesus Fiskus von unserer Schuld erlösen. Ja, mach doch, wir kommen gemeinsam in Kanada runter! Oder in »Gibraltar«. Es ist das logische Omega, das uns wehmütig an die Zeit zurückdenken lässt, als zwar auch nie alles gut war, aber zumindest das Internet funktioniert hat. Sehnsucht birgt immer auch Hoffnung. Dafür Applaus. Inzwischen sind wir in Linz angekommen. Mike und Pille steigen aus, der Rest der Belegschaft fährt weiter nach Wien, wo sich die weiteren Wege vorerst für zwei Wochen zerstreuen, aber der Faden bleibt. Wir haben ja Internet.

Nikolaus Ostermann hat Bilderbuch schon früh fotografiert und auch das Cover zu »Nelken und Schillinge« gemacht. Im Herbst 2014 war er mit ihnen auf Tour und konnte sich dabei als eingebetteter Journalist fühlen. Bilderbuch spielen 2015 neben einer umfangreichen Deutschland-Tour auch mehrere Termine in Österreich: 11.3. Innsbruck, 12.3. Salzburg, 13.3. Graz, 14.3. Linz, 1.4. Wien, 18.6. Arena Open Air, Wien. Das Album »Schick Schock« von Bilderbuch erscheint am 20. Februar via Maschin Records.

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Jörg Sasse: »2729«, 2012; C-Print, Diasec, 108 x 200 cm (Ausschnitt) 020

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golden frame — Jörg Sasse: »2729« – Bildkunst zwischen Kitsch und harter Technik

Anarchie der Bilder Etwas stört in Jörg Sasses Bildern. Bergpanoramen und Zahlencodes, Kitsch und harte Technik finden hier scheinbar übergangslos zusammen. Die Kunst liegt aber in den Zwischenräumen. Mit der Flut der Bilder aufgewachsen, wissen wir erfahrungsgemäß recht schnell, was uns visuell zusagt; was besonders ist und was es x-mal gibt, was verstaubt und was frisch ist, was geil und was Kitsch ist. Was sagt ihr zu diesem Bergpanorama? Alpenromantik? Postkartenfoto? Oder doch irgendwie arty? Man hat doch das Gefühl, dass sich hier Wirkliches und Unwirkliches, Foto-Realismus und Animation verbinden. Die schwarzen Bergkuppen ziehen sich wie PappSchablonen vertikal durchs Bild. Dahinter bricht der Blick förmlich ab, in einen bläulich bis rosafarbenen Hintergrund. Im Kontrast zu dieser Farbromantik erscheinen Details im Vordergrund, wie Schneereste und Bergformationen, doch recht professionell eingefangen und realistisch. Die Grobkörnung der Aufnahme lässt wiederum auf eine einfache Digitalkamera schließen. Was schließen wir daraus? Klassischer Fall von Computerspielerei? Auch. Der Bildkünstler Jörg Sasse benutzt Amateurfotografien und bearbeitet und collagiert sie dann digital. Millionenfach dieselben Motive – Landschaften, Häuser, Idyllen. Darum geht es nicht. An das »Belogenwerden« von Bildern, wie Sasse es ausdrückt, sind wir doch gewöhnt. Denn bei allem, was durch einen Apparat ging, hat ein unüberschaubares System von Kontexten, Akteuren und Techniken mitgewirkt, das Resultat kann nur scheinbar die Wirklichkeit zeigen.

Der Künstler spielt mit den Klischees von Motiven wie Bergpanoramen und rosa Himmel und lässt die Brüche zwischen den Collagen dann fast vollständig verschwinden. Was wir glauben zu sehen, ist bei genauerem Hinsehen unwahrscheinlich. Was Sasse dabei reizt, ist die Vorstellung, wir könnten sehen, ohne dass dabei Sprache und Gedanken noch eine Rolle spielten, ein »sehendes Sehen« nennt er das. Der Zustand ist auch mit dem Tanzen in Ekstase oder dem reinen Hören der Wucht eines Basses vergleichbar. Mit so wenig Bedeutung wie möglich kommt deshalb der Bildtitel, »2729«, als vierstelliger Zahlencode daher. Das Bild ist mit Schlagworten versehen, die wirken wie Codes: »Abstrakt«, »Berge«, »Blau«, »Horizontale«, »Schwarz« usw. Bilder könnten doch alles Mögliche bedeuten, wären wir nicht schon so übersättigt mit möglichen Bedeutungen und Assoziationen. Aber eben da, wo sich doch eine Lücke auftut, wo sich etwas nicht mehr erklärt, wie üblich, liege die »Anarchie der Bilder«, so Sasse, ihr Potenzial, das eigentlich unendlich sei. So nahe beieinander liegen hier Bergpanoramen und Anarchie. Unvorhersehbar soll die Kunst ja sein. Das denkt auch Sasse. Er meint es aber nicht romantisch, im Gegenteil. Er stellt sich die Medienwelt – mit einem Hang zu einschlägigen Medientheoretikern – als Netzwerk vor, das von »Rückkopplungen chaotischer oder zufälliger Ereignisse« geprägt ist. Kunst tauche hier und da auf und verschwinde wieder. Sie zeige, wo es eigentlich hingeht. »Insider« würden diesen Mehrwert in der Datenflut erkennen. Ihr wisst schon. Im Originalformat ist diese Arbeit in der Ausstellung »Landscape in my Mind – Landschaftsfotografie heute: Von Hamish Fulton bis Andreas Gursky« vom 11. Februar bis 26. April im Kunstforum Wien zu sehen.

Text Luise Wolf Bild VG Bild-Kunst, Bonn und Bildrecht, Wien, 2014, Foto: Julie Monaco

»2729« für Bergpanorama

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Alles beschissen außer Bilderbuch vicecom/alps

Am Anfang war das »Om«. Dann kamen die Beatles, dann Falco und dann Bilderbuch. thegap

Damit bereiten uns Bilderbuch weiter auf ihr hoffentlich endlich im Frühjahr erscheinendes drittes Album vor, mit dem sie dann endgültig die Weltherrschaft erlangen. fluxfm

Ihr Bandname könnte immer noch besser sein. Ihre Musik kaum. Bilderbuch kommen und lassen wenig Luft nach oben. spex

Wir stehen gerade total auf Bilderbuch und ihren neuen Song OM. 2015 wird ihr Jahr! interview

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Rudeljournalismus im Musikbereich — Wie Klicks den Musikjournalismus verändern

Und was, wenn ich Bilderbuch scheiße finde? Wenn ein Act überall nur mehr gefeiert wird, stimmt doch etwas nicht. Aber gibt es überhaupt ein Entkommen vor dem Rudeljournalismus? Man könnte meinen, 2014 war ein gutes Musikjahr. Hier spielt die Musik Ein paar Vorteile bringt das natürlich auch mit sich. MusikjournaÖsterreichische Künstler waren so erfolgreich und gefragt wie nie zuvor, egal ob Conchita Wurst oder lismus war ja eher als elitär und kulturpessimistisch verschrien. Da die »Rückkehr des Austropop« durch junge und gar schrieb man, um seine sieben Freunde zu beeindrucken. Diskurse nicht mehr so junge Wilde. Eines ist klar: Es gab kei- wurden für Leute geführt, die sich auskennen. Früher waren Leserne zwei Meinungen zu Bands wie Bilderbuch, Wanda, briefe die einzige Möglichkeit, negative Berichte oder großkotzige 5/8erl in Ehr’n oder Kreisky. Internationale Künstler wie FKA Twigs, Albumrezensionen zu hinterfragen. Mit sozialen Medien bricht das Arca oder Perfume Genius waren sakrosankt. Auch im vermeintlichen alles auf, niemand muss sich heute mehr vorpredigen lassen, warum Mainstream gab es einige Acts, die widerspruchslos überall abgefeiert eine bestimmte Musik schlecht oder falsch ist, ja, es kehrt sich sogar wurden, allen voran Haftbefehl. Diejenigen Magazine, Blogs und Au- um. Wenn man den Auftritt eines beliebten EDM-Acts kritsiert, läuft toren, die das alles nicht so gut fanden, haben lieber gar nicht darüber das Netz Sturm. Der Zorn der Justin Bieber-Fans ist legendär. Und so berichtet, als dass sie sich schlecht über das eine oder andere Kon- sind Shitstorms heute auch gegen Medien alltäglich. sensalbum geäußert hätten. Natürlich sind Musik-Hypes nichts Neues. »Was mich aber nerven würde, ist so eine Erwartungshaltung, dass War man vor ein paar Jahren noch skeptisch gegenüber jedem neuen man als einziger Rufer im Sturm des Konsens dagegen sein möchte heißen Scheiß, den uns vor allem der NME einreden wollte, werden – dafür aber auch noch gefeiert werden will«, so Linus Volkmann, heute Bands ohne Widerspruch abgefeiert. Und zwar solange, bis die Musikjournalistenveteran, Autor für Intro und viele andere deutschnächste Band kommt, die widerspruchslos abgefeiert wird. Dass man sprachige Musikmagazine. Es ist ein schmaler Grat zwischen Beliesich getäuscht haben könnte, sieht man am ehesten noch am Jahres- bigkeit und Unbeliebtheit. ende in den Bestenlisten, wenn manches dann einfach fehlt.

Das Phänomen gibt es nicht nur im Musikjournalismus. Auch in anderen Ressorts – von Wirtschaft über Politik bis hin zu Technik und IT – ist es so, dass sich Narrative bilden, von denen dann fast niemand mehr abweicht. Ist erst einmal klar, was man vom Schmierfink Puber, dem irre coolen Sebastian Kurz, vom korrupten deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff oder der bösen Musikhasserin Elke Lichtenegger halten soll, gibt es kaum ein Entrinnen. Ausgehend von zwei, drei Artikeln in Leitmedien springen andere auf den Zug auf. Niemand will ausscheren, niemand will mit einer falschen Einschätzung danebenliegen. Die Gründe dafür sind vor allem den Bedingungen, unter denen Journalismus heute entsteht, geschuldet. Die Kulturindustrie hat kein Geld mehr. Das heißt, wenn man als Kulturjournalist einen Job findet – von einer Fixanstellung ganz zu schweigen, denn diese werden auch in Österreich größtenteils nicht ausgeschrieben, sondern an Freunde vergeben –, wird einem die eigene Austauschbarkeit vorgehalten, die Bezahlung ist prekär. Journalisten trauen sich auch dadurch nicht, Themen anzuschneiden, von denen sie im Vorhinein wissen, sie werden Probleme bereiten.

Das Internet hat unser Leben zerstört Der größte Faktor aber, wie könnte es anders sein, ist das Internet. Klicks bestimmen das Schreiben. Und massig Klicks, das geht nur mit extremen Positionen, entweder ganz verächtlich oder übertrieben positiv. Nur so kann eine Story viral werden. Nur so wird sie von den Bands selbst geteilt. Wer möchte heute noch ausgewogene Positionen hören? Oder lange Texte lesen? Nicht nur im Musikbereich, wo ständig neue Bands durchs Dorf getrieben werden, auch sonst bleibt ein Thema immer kürzer relevant. Artikel müssen möglichst schnell online gehen, möglichst zugespitzt. Heute Beef, da ein dummer Sager, dort ein peinlicher Auftritt, morgen ein Photoshop-Skandal. Da wird draufgeklickt. Denn online herrscht der ungezügelte, freie Markt der Meinung. Kritische, differenzierte Berichte haben es im Netz schwerer. Solange sich jede einzelne Story neu behaupten muss und niemand für eine bestimmte Art von Journalismus zahlen will, wird das auch so bleiben. Man ist es gewohnt, gratis bedient zu werden. Ein paar Videos, Interviews und Artikel lassen sich im Netz immer schnell finden.

Die da oben

Dass alle dieselben wohlwollenden Meinungen haben, betrifft aber nicht nur kleinere Musikmagazine und -blogs, die nicht subventioniert werden, sondern auch die Großen. Egal ob FM4, Ö3, Krone-Hit oder Antenne, Kritik wird nur zwischen den Zeilen geäußert. Immerhin gilt es entweder einen Sendeauftrag zu erfüllen oder ein attraktives Werbeumfeld zu bieten. Die Sendezeit ist begrenzt, was nicht gefällt, wird nicht gespielt und fällt unter den Tisch. Nur das Feuilleton – mit Kollektivverträgen aus den guten alten fetten Tagen – schert da manchmal aus. Dort wird darüber diskutiert, wo Wanda oder Bilderbuch vielleicht falsch liegen. Oder dass sie maßlos überschätzt sind. Dafür hagelt es zwar regelmäßig Stürme der Entrüstung, das Feuilleton hat dennoch seine Stammleser. Und immerhin gibt es international mit Pitchfork, The Needle Drop, Stereogum oder Sputnik einige Musik-Plattformen, die sich mit viel Enthusiasmus und einer weltweiten Leserschaft etablieren konnten. Diese feiern nur auffällig oft auch dieselben Alben.

Geld allein macht auch nicht unglücklich »Momentan ist der Trend, dass es diesen immer gleichförmigeren, etablierten Musikjournalismus gibt«, meint Volkmann. »Musikjournalismus hängt nach wie vor am Tropf der großen Acts, der Musikindustrie und dem Kanon. Es ist aber auch zunehmend kein Geld mehr da. Musikjournalismus wird zum Hobby oder Feuilleton-Thema. Musikjournalismus als willfähriger Putzerfisch der Majorlabels ist bald Geschichte.« Denn Musikjournalismus bringt diversen Medien fast kein Geld. Von Promo-MP3s lässt es sich eben nicht leben. »Die Gleichschaltung, die ich die letzten Jahre empfunden habe, ist wirtschaftlichen Umständen geschuldet«, so Volkmann. Wohlwollender Artikel gegen Anzeigengeld, selbst das ist heute selten drin. Aber ja, es gibt genug Medien, die sich auf solche Deals einlassen. Wie also soll man Ja, Panik, Wanda, 5/8erl, Nazar oder gar Bilderbuch nur halbgut finden oder sie kritisieren? Nun, vorerst wird das schwer. Vor Rudeljournalismus wird zwar ständig gewarnt, aber so schnell wird er nicht verschwinden. Wen das nervt, der müsste bereit sein, für anspruchsvolle Texte zu zahlen. Denn nur dann dürfte man sagen, dass das neue Bilderbuch-Album keine neuen Hits drauf hat oder dass es nach Falco und Moneyboy klingt. Ohne dass das Netz komplett ausflippt. Also gewöhn‘ dich besser dran, dass alle Bilderbuch super finden.

Text Dominik Oswald

They call it Rudeljournalismus

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»Ich seh Ich seh« — Art-House-Horrorfilm aus Österreich

Pflichtfilm oder doch nur überbewertetes Austro-Kino. Der Horror-Psycho-Thriller »Ich seh Ich seh«, das Spielfilm-Debüt von Veronika Franz und Severin Fiala, bietet jedenfalls genügend Angriffsfläche und so auch Interpretationsraum in Pro- und Kontra-Richtung. Ein Film, zwei Meinungen.

Text Manfred Gram Bild Stadtkino Filmverleih

Ich seh, ich seh … Nennung durch Nicht-Nennung ist eine kraftvolle, gegen den Strich gebürstet zu wirken. Auch weil alles als wortkarrhetorische Figur. Und man verwendet sie nicht ges Psychokammerspiel angelegt ist und die Punchline weitgehend leichtfertig. Wenn das Regie-Gespann Veronika dem Inhalt entspricht: Mutter (Susanne Wuest) kehrt einbandagiert Franz und Severin Fiala für ihr Spielfilmdebüt im Ti- von einer Gesichts-OP heim und ist für ihre Zwillingssöhne (Lukas tel »Ich seh Ich seh« darauf zugreifen und gleich eine und Elias Schwarz) nicht mehr wiederzuerkennen. Hier sprechen die Leerstelle hinterlassen, die man füllen will und die Bilder von Kameramann Martin Gschlacht und die werden zu einer zu ergänzen ein Kinderspiel ist, wird das eher nicht zufällig passiert Foto-Orgie, die das Unheimliche im Bekannten abfilmt und sukzessein. So wie die kreative Auslegung orthographischer Gegebenheiten. sive das Heimliche im Unbekannten ausbrechen lässt. Was will man dem Publikum auf diesem Weg mitteilen? Dass man nichts dagegen hat, vielleicht schon von Anfang an durchschaut zu Der alltägliche Horror ist banal Die Landidylle im Sommer zwischen Kukuruzfeld und Badeteich werden? Und wenn ja, warum eigentlich? Eine mögliche Antwort darauf könnte sich wieder im Titel fin- verströmt permanent Kühle und Bedrohlichkeit. Die transparente den – diesmal in dem Teil, der wirklich da steht, gut sichtbar ist: Designer-Hütte am Waldrand, in der das Drama seinen Lauf nimmt, »Ich seh Ich seh«. Deppensicher verstärkt durch Doppelung. Geht’s schreit aus jedem Winkel ihre seelenlose Sterilität in die Welt. Blanam Ende vielleicht gar um den Akt des Sehens? Um Spiegelungen? ker Schöner-Wohnen-Horror. Sicher, das hat man schon öfters geseUmkehrungen und Vertauschungen? Um ein ständiges Abwägen, was hen. Nicht selten im österreichischen Film der letzten Jahre. Unter echt und was Projektion ist? Um ein Spiel mit der Wiederholung der Oberfläche Verkommenheit. Und ja, der Film streift auch manchdes Offensichtlichen? Ist ja nicht ganz abwegig, wenn sich Film- mal bei Ulrich Seidl an. Ist jetzt aber auch kein Wunder, Veronika schaffende vor dem Horror-Genre verneigen, im Arthouse-Kontext Franz ist seine Frau, die seit Jahren mit ihm arbeitet, Severin Fiala beheimatet sind und einen Psycho-Thriller machen. Der Blick des sein Neffe, und die machen Andeutungen, Vermutungen, Misstrauen, Publikums auf das Gezeigte, wie er gelenkt und was suggeriert wird, Verdächtigungen, Argwohn zum dramaturgischen Motor ihrer Story. welchen Schabernack man mit gelernten Erwartungen treibt, ist ja Bis die letzte Zelle im Familiengeflecht vergiftet ist, braucht es Zeit nicht ganz unwesentlich im Kino. Wenn anfangs die Trapp-Familie in und dementsprechend langsam entfaltet sich auch die Dramaturgie friedlicher Eintracht »Guten Abend, gut’ Nacht« singt, weiß man das – ins Stottern gerät sie aber nie. Dafür sorgen auch die pointiert gewohl als Menetekel zu deuten, dass die Schlafenszeit ein bisschen setzten Schockmomente. Was letztlich aber stärker nachhallt, sind in die Ewigkeit führen wird und am Familienstammbaum ein paar die kleinen Unscheinbarkeiten und Details im Verhalten der Figuren, an die man sich wieder nach und nach erinnert, nachdem das Drama Zweige absterben. Franz und Fialas Film ist ein Spiel mit Konventionen. Die werden banal aufgelöst worden ist. Das geht sich aus – auch weil die größten weniger hinterfragt, sondern mehr ignoriert, davor aber in schreck- Tragödien, Dramen und Skandale immer auf ärgsten Banalitäten fulich schönen Bildern eingefangen. Das reicht, um gegenwärtig schon ßen. Das ist der Horror der Wirklichkeit. 024

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… was du nicht siehst

Keine Motive, keine Narration, keine Stimmung Nur funktioniert »Ich seh Ich seh« schlicht nicht. Und das liegt zum einen am Drehbuch und zum anderen an der Regie. Veronika Franz und Severin Fiala legen ihren Film angenehm selbstbewusst an und scheren sich wenig um gelernte Filmkonventionen. Es ist gerechtfertigt, den Film in einer Tradition österreichischer Filme zu nennen. Hanekes »Funny Games« muss immer wieder als Vergleich herhalten. Das ist nachvollziehbar – trifft aber nicht, weil sich Haneke für die Handlung seines Films, seine Charaktere und ihre Motive interessiert. Es ist ein Kern des Films, dass viele Handlungen in »Funny Games« sich nicht auf der Suche nach einem Sinn ergründen lassen. Gerade

das macht einen Teil seiner Wucht und seines Horrors aus. »Ich seh Ich seh« aber interessiert sich nicht für seine Charaktere. Ursachen für ihre Handlungen gehören zwar zur Auflösung, aber es gibt keine Motive, keine Entwicklungen. Darüberhinaus verzichtet der Film auf eine Narration. Es werden offen gelassene Szenen aneinandergereiht. Sie ergeben ein bisschen Stimmung – leider nicht viel. Dabei ist es nicht grundsätzlich schlecht, wenn ein Film eben zum Beispiel auf Handlung oder Figurenzeichnung verzichtet. Nur müsste dafür eben irgendetwas anderes geboten werden. Das geschieht nicht. Der Verzicht darauf nimmt Szenen und Stimmungen, die man als unangenehm empfinden könnte, jegliche Intensität. Die wenigen, eher körperlichen Horror-Momente sind solide inszeniert. Interessanterweise in einer distanzierten und inszenierten Trockenheit, die eben zum Beispiel die Filme von Ulrich Seidl ausmacht. Die Idee, dies auf einen Spielfilm, ja Genrefilm umzulegen, ist interessant. Das Ergebnis leider nicht. »Ich seh Ich seh« ist hölzern und trocken, wirkt grob und ungenau gezeichnet. Die Hoffnung, am Ende mit einer interessanten Idee dafür belohnt zu werden, wird jäh enttäuscht: Selbst jene, die die Auflösung nicht erraten haben, möchten am Ende ob ihrer Banalität speiben. »Ich seh Ich seh« läuft derzeit in heimischen Kinos, unter dem Titel »Goodnight Mommy« auch außerhalb Österreichs. Text Martin Mühl

Es ist natürlich immer ein bisschen Pech, wenn man den Schlussschmäh eines Films schon vorher errät. Noch blöder, wenn der Film sonst nicht viel zu bieten hat. Und »Ich seh Ich seh« hat nicht viel zu bieten. Es ist der misslungene Versuch eines Genrefilms, der dann doch ein bisschen anders sein will, der Konventionen verweigert, wohl ganz absichtlich vieles offen lässt. Der Film spielt in und um ein abgelegenes Haus. Darin wohnen die beiden Zwillinge Elias und Lukas. Sie sind rund zehn Jahre alt, vielleicht etwas jünger. Ihre Mutter kommt im Gesicht bis zur Unkenntlichkeit bandagiert aus dem Krankenhaus nach Hause. Von da an kippt die Stimmung. Die Mutter ist gereizt und reagiert unfreundlich und hart. Die Zwillinge hegen den Verdacht, dass sich unter den Bandagen gar nicht ihre Mutter befindet. Mehr zu erzählen, würde zu viel verraten. Der Film erinnert nicht nur in seinem Setting und seiner Auflösung an einen anderen Film der letzten Jahre, mit dem er sich nicht nur Ähnlichkeiten im Titel, sondern auch mindestens eine zentrale Person in der Crew teilt.

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Zugezogen Maskulin – »Alles brennt!« — Tanzbare Beats mit Message

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Text Philipp Grüll Bild Marc Cantarellas Calvo

Zynismus ist Muss. Zugezogen Maskulin machen Ernst, ohne sich selbst ernst zu nehmen. Eine Kampfansage an den Berliner Status Quo. Einer aus dem Westen, einer aus dem Osten. Beide ehemalige Journalisten bei rap.de. Sie kennen das Game in- und auswendig, und vielleicht ist es ihnen gerade deswegen so demonstrativ egal. Als Zugezogen Maskulin halten sie nicht nur deutschem HipHop, sondern gleich dem westlichen Menschen den Spiegel vor. Und haben dabei scheinbar einen Mordsspaß. In ihren Texten tauchen neben komplett überzogenen Rap-Klischees immer wieder Bites auf, mal direkt zitiert, mal abgeändert, aber stets ins Lächerliche gezogen. Dazwischen geben die beiden ihr Weltbild zum Besten: Der moderne Homo sapiens ist ein heuchlerischer Junkie, der sich Markenlogos auf die Wohlstandswampe tätowieren lässt. Die Waffe der Jungs ist Zynismus. Sie wirken ein wenig wie die Tagespresse in HipHop. Sie haben was zu sagen, wollen aber nicht zu ernst genommen werden und fanden dafür einen Kompromiss. Alles verpackt in passablem Rap.

»Des is jo Wohnsinn, is des jetz EDM oder Rap?« »Alles brennt!« wird soundtechnisch dem Ausrufezeichen im Albumtitel gerecht. Es kracht gehörig. EDM, D’n’B und Trap – zunächst Kopfnicken, dann Headbangen. Zum Abtanzen super, aber zum drauf rappen? Klappt. Überraschung. Die rausgebrüllten Lyrics harmonieren gut mit dem neo-psychedelischen Sound. Mal geht’s um einen Ayahuasca-Rausch, der Beat erinnert an den tausendsten Pink ElephantsRemix. »Oi!« ist eine Kampfansage gegen Pseudo-Hippies, unterlegt mit

Hochgeschwindigkeits-Drums. Und bei »Monte Cruz« wird spanische Einwanderung in Deutschland ein Thema, da passt doch ein MariachiTechno-Remix ganz gut. Die Musik redet jetzt mit. In die klassische Falle, den Text zu vernachlässigen, tappen Zugezogen Maskulin dabei nur teilweise.

Hüft- und DenkanstoSS ZM nehmen ihr Umfeld ins Visier. Drogen, Migration, Kapitalismus, all diese Mühsale des 21. Jahrhunderts. Alles trieft vor Sarkasmus, vorgetragen wie von einem zornigen, koksenden Clown. Die Jungs wirken dabei nicht belehrend. Eher wie tanzende Rädelsführer bei einer Demonstration, zu der man nur zum Spaß hingegangen ist. Und auf einmal kriegt man dann doch Bock auf Revolte. »Alles brennt!« ist eine Momentaufnahme von Berlin aus dem zornigen Blickwinkel von Grim104 und Testo. Die Sprachkunst selbst ist Durchschnitt. Endreime, hier und da ein netter Wortschmäh, Flow eher low. Die Form tritt in den Hintergrund. Der Inhalt springt dir umso mehr ins Gesicht, mit fetzigem Trap als Trampolin. Da kriegt man schon Lust, irgendwas konstruktiv kaputtzuhauen. Nicht gleich das System, aber vielleicht einen Herrenausstatter. 2014 war dank Kolle, Hafti und Nazar ein gutes Jahr für Straßen-Rap. Zeit für Abwechslung. Neue Themen braucht das Game, und ZM legen mit diesem stark verspäteten Neujahrs-Böller kräftig vor. MCs, aufgemerkt. »Alles brennt!« erscheint am 13. Februar bei Buback (Indigo).

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»Dinge werden meistens nicht einfacher, wenn man begreift, wie kompliziert sie sind.«

Sandra Gugic

Sandra Gugic — »Astronauten«

Wien Outer Space 027

Die österreichische Autorin Sandra Gugic legt mit ihrem Debütroman »Astronauten« ein faszinierendes Psychogramm des Wiener Großstadtlebens vor. In einer Stadt, die ihnen nicht gehört, leben sechs Menschen unter vielen. Sie sind in die Wirklichkeit irgendwie hineingeraten, nachdem der ursprüngliche Plan, ein sorgenfreies Leben zu führen, nicht aufgegangen ist. In der richtigen Welt werden Großväter manchmal krank, gehen einst enge Freundschaften zu Bruch und oft ist klägliches Scheitern das einzige zur Verfügung stehende Fortbewegungsmittel. Die sechs Astronauten, wie die Autorin ihre Figuren nennt, durchleben einen Sommer, der die Erwartungen von unbegrenzter Freiheit einmal mehr nicht erfüllt. Sie langweilen sich. »Langeweile interessiert mich als unmittelbarer Ausdruck von Leere und Stillstand, von Desillusionierung und Einsamkeit, als Fremdheitsgefühl gegenüber der äußeren Welt«, erklärt Sandra Gugic. Dahinter stehe »die Sehnsucht nach zwischenmenschlichen Begegnungen, die nicht spurlos vorbeiziehen, nach äußeren und inneren Veränderungen, die nachhaltig sind«.

Spurlos geht im Roman der 38-jährigen Wienerin aber kaum ein Augenblick vorüber. Wie in der Physik heißt es hier: In einem abgeschlossenen System ist die Summe der Energien konstant. Alles, was die Figuren tun, beeinflusst auf die eine oder andere Weise das Leben der anderen. Jeder Moment hat eine Geschichte, einen Grund und die Großstadtmenschen recyceln sie immer wieder. Selbst in der Anonymität der Stadt ist es schwer eine Insel zu sein, denn es ist uns nicht egal, ob unsere Mitmenschen leben oder sterben. Darko und Zeno sind vielleicht nicht mehr so gut befreundet wie früher, doch sie denken aneinander, wenn etwas passiert. Allen sollte sich vielleicht lieber von Mara fernhalten, doch irgendetwas hat sie, von dem er möchte, dass sie es mit ihm teilt. Und wer schießt da eigentlich die ganzeZeit mit kleinen Plastikkügelchen auf Eichhörnchen und Passanten und sprayt Sätze wie: »Meine Mutter nennt mich Hurensohn« an die Wand? Sandra Gugic versteht die Welt sehr gut. Sie weiß sich die richtigen Begegnungen und Eindrücke für ihren Roman zu borgen und erschafft damit viel Authentizität. Besonders Sprache als Ausdruck von Identität zu vermitteln ist ihr gelungen. »Sprache ist notwendig, um sich gegeneinander oder gegen die Welt zu behaupten, wird aber auch als Mittel zur Ausgrenzung eingesetzt, als Signal für Gewalt. Nichts erzeugt mehr Missverständnisse und Katastrophen als Kommunikation«, so Gugic. Deshalb scheitern auch die Astronauten immer wieder daran, miteinander zu kommunizieren, doch sie geben nicht auf. Es ist ein Buch, für das man Geduld braucht, denn streng genommen passiert darin nicht viel. Doch Gugic kennt die Angst ihrer Figuren und die Erschöpfung darüber, dass immer alles gleichzeitig passieren muss. Sie kennt Freundschaften, die sich nicht gut erklären lassen, hat erfahren, dass Dinge meistens nicht davon einfacher werden, dass man begreift, wie kompliziert sie sind und sie weiß, dass nur Kinder von Suchtkranken den Unterschied zwischen lapse und relapse im Duden nachschlagen. »Astronauten« ist voll mit perfekten Sätzen, die man notieren und auswendig lernen will. Nur manchmal rennt man als Leser in eine Sackgasse. Zwar wird einem etwa anfangs erklärt, dass Darko, Zeno und die anderen jeden Abend in einem bestimmten Park beginnen, doch ist davon dann kaum mehr die Rede, obwohl man den Figuren so nahe kommt, dass man meint, davon wissen zu müssen, wenn sie wirklich jeden Abend in diesem Park wären. Dennoch: Ein bemerkenswertes Debüt. Sandra Gugics Wien-Roman »Astronauten« (C. H. Beck) erscheint Ende Jänner.

Text Teresa Reiter Bild Dirk Skiba

GroSSstadtgeflecht

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Theater in St.Pölten — Dringende Einladung zum Pendeln

Gulasch mit viel Saft Text Magdalena Hiller Bild Paul Sturminger, Thomas Aurin

St. Pölten hat keinen Ruf zu verlieren. In Sachen Theater lässt es Wien sogar als das wahre Provinznest dastehen.

tet wegen der hochgeklappten Gehsteige. Nun, wenigstens dieses Gschichtl ist schnell zu entkräftigen: Im zentral gelegenen Narrenkastl gibt es seit mehr als einem Vierteljahrhundert das angeblich beste Gulasch St. Pöltens. Überhaupt spielt Gulasch eine wichtige Rolle in der Geschichte Niederösterreichs: Seit dem Mittelalter hatte das flächenmäßig größte Bundesland Österreichs keine eigene Hauptstadt, Regierung und Verwaltung waren in Wien stationiert. Öfters gab es Versuche, diesen Zustand zu ändern – Ende des 19. Jahrhunderts wäre beinahe Floridsdorf zur Landeshauptstadt geworden – dies wurde jedoch mittels zügiger Eingemeindung durch die Stadt Wien verhindert. 1986 war es dann endlich so weit: Der schwarze Landeshauptmann Siegfried Ludwig initiierte eine Volksbefragung, die durch den lässigen Spruch »Ein Land ohne Hauptstadt ist wie ein Gulasch ohne Saft« getragen wurde. Bei sensationell hoher Beteiligung stimmten dann auch 56 Prozent der Befragten für eine eigene Landeshauptstadt und erkoren St. Pölten zu ihrer Wunschhauptstadt.

Zu jeder Landeshauptstadt hat man ein Bild präsent. Von Salzburgs überfüllter Altstadt über Klagenfurts Achtung, FuSSgänger 1997 erfolgte schließlich der Umzug des gesamten Beamtenapparats altmodischen Drachen bis zu Wiens Ticket-Keiler im Mozart-Kostüm. Nur bei St. Pölten hört die kultu- vom altehrwürdigen Palais in der Herrengasse in das frisch aus der relle Assoziationskette auf. »Warum ich in St.Pölten Erde gestampfte Regierungsviertel. Von Ernst Hoffmann geplant, gilt wohne, obwohl St. Pölten ja St. Pölten ist«. Der Titel das Landhausviertel als ein vorbildlich realisiertes Mammutprojekt dieser wirklich häufig gelesenen Blogstory von Dominik Leitner ist – was die Einhaltung des Finanzierungs- und Zeitplans betrifft. Über eine Liebesgeschichte an die Stadt. Eine Geschichte, die die örtliche die ästhetische Gelungenheit lässt sich trefflich streiten. UnbestritTouristik nur allzu gern selbst geschrieben hätte. Die Stadt existiert ten ist hingegen, dass der an der Traisen gelegene Komplex, der im nämlich unter der Wahrnehmungsschwelle. Trinkwütige Jugendliche, angrenzenden Kulturbezirk auch das Festspielhaus, das Landesmusedie in Wien ihren Hormonüberschuss auslassen, viel mehr kann es um, einen »Klangturm« und die Landesbibliothek beherbergt, bis zum heutigen Tag ein Fremdkörper geblieben ist. Exemplarisch ist hierfür dort ja nicht geben. Außer halt Theater von Weltformat. die Geschichte des Café Publik: Im Jahr 2009 begann man unter der künstlerischen Leitung des Bauchklang-Mitglieds Andreas Fränzl das Floridsdorf darf nicht Niederösterreich werden Abgerundet wird dieses eher ungenaue, aber triste Bild von einer oft Einlegerlokal des Festspielhauses kulinarisch und kulturell zu bespiegehörten Non-Urban-Legend: Freunde von Freunden hätten um acht len. Klingende Namen wie Ja, Panik, Elektro Guzzi, König Leopold Uhr abends nichts mehr zu trinken bekommen, wären fast verdurs- oder Gudrun von Laxenburg hatten hier Auftritte. Doch Mitte 2013 028

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musste man die Segel streichen. Trotz der bitter benötigten Aufwertung des Nachtlebens verirrten sich zu wenige Menschen in den in sich geschlossenen Gebäudekomplex. Nicht verwunderlich bei einem Bauwerk, dass so wirkt als sei es nicht für einheimische Fußgänger, sondern eher für motorisierte Pendler erbaut: Mehr als eintausend Parkplätze stehen in Österreichs größter Tiefgarage zur Verfügung, über die nahe Bundesstraße kommt man direkt zur Autobahn.

Die Welt zu Gast Die Verkehrsfreundlichkeit entpuppte sich jedoch für das Festspielhaus als Vorteil. Das von Klaus Kada geplante Musiktheater schwankt architektonisch irgendwo zwischen Messehalle und Kreuzfahrtschiff und hat durch die Unauffindbarkeit des Eingangs sicher schon den einen oder anderen potentiellen Besucher vergrämt. Umso dramatischer, als es hier 1.000 Sitzplätze zu füllen gilt – mit heimischem Publikum sehr schwer möglich und auch so eine Herkulesaufgabe. Die derzeit allerdings von Intendantin Brigitte Fürle mit einer Auslastung von zuletzt knapp 90 Prozent bravourös gemeistert wird. Vor allem die hochkarätigen internationalen Gastspiele ziehen die Wiener an: Zur Saisoneröffnung stand etwa die berühmte Zauberflöten-Inszenierung aus der Hand von Barrie Kosky auf dem Programm und die Kultur-Schickeria der Hauptstadt machte sich auf den Weg in die vermeintliche Provinz.

Gib den Senioren Drogen Auch im zentral am Rathausplatz gelegenen Landestheater, das von der Schweizerin Bettina Hering geleitet wird, haben Gastspiele schon seit Jahren große Tradition: Drei bis vier sind es pro Jahr und in der Vergangenheit bewies die Intendantin Bettina Hering ein untrügliches Gespür für Qualität. Viele der Produktionen, die sie einlud, sind schon nach kurzer Zeit zu Klassikern der Theatergeschichte avanciert: Die »Nora« im Zombie-Gewand von Klamauk-Profi Herbert Fritsch etwa, die hier 2012 zu Gast war. Oder Kleists »Amphitryon und sein Doppelgänger« in der Regie von Karin Henkel, das auf Bitte der St. Pöltener schon im Planungsprozess für die recht schmale Bühne des Landestheater adaptiert wurde. Und dann auch gleich als eine der bemerkenswertesten Inszenierungen der deutschsprachigen Theaterwelt zum Theatertreffen 2014 nach Berlin eingeladen wurde. Bemerkenswert ist nicht nur der Riecher der Leitung, sondern auch, wie offen das hiesige

Publikum für Unbekanntes ist. Gut zu beobachten war dies Ende letzten Jahres beim Gastspiel des Maxim Gorki Theater mit einem Stück von Sibylle Berg, das in grandioser Weise die weltbewegenden Krisen urbaner Mittzwanzigerinnen zwischen Club-Gebumse und DrogenKochen in teilweise sehr drastischer Sprache schildert. Nichts für das schon leicht angegraute Publikum eines Kleinstadttheaters könnte man meinen. Doch »Es sagt mir nichts, das sogenannte Draußen« riss das hiesige Publikum zu Begeisterungsstürmen hin.

Einmal durchlüften, bitte! In Wien schwer vorstellbar, nicht nur, weil hier oftmals der Mut zu Programmierung außerhalb des angestammten Repertoires fehlt, sondern auch, da es in den letzten Jahren generell kaum große Gastspiele zu sehen gab. Abgesehen vom Brut und vom Tanzquartier, die als Koproduktionshäuser ohne eigenem Ensemble naturgemäß viele Fremdproduktionen einladen, sieht es an den Sprechtheatern mau aus: Am Burgtheater lud man in der Ära Hartmann ab und an das Deutsche Theater ein, am Schauspielhaus Wien gibt es einen Austausch mit der School of Modern Drama Moskau und dem Maxim Gorki Theater, mehr nicht. Verständlich insofern, als Gastspiele finanziell im besten Falle ein Nullsummenspiel sind und man einen Teil seiner künstlerischen Handschrift auslagert. Unverständlich aber dahingehend, als entgegen der landläufigen Meinung auch in der niederösterreichischen Kulturförderung nicht Milch und Honig fließen: Das Landestheater etwa hat bloß ein Drittel des Volkstheater-Budgets zur Verfügung und im Bundesländer-Vergleich liegen die Pro-Kopf-Ausgaben für die darstellenden Künste im schwachen Mittelfeld. Doch man kann den Import fremder Handschriften eben auch als Chance und nicht bloß als Budgetposten sehen: Für Bettina Hering sind die Gastspiele die »Sahnehäubchen« ihres Spielplans, der sich auch abseits der Fremdeinflüsse sehen lassen kann, und eine Möglichkeit, den Menschen hier »ein Fenster in die Welt aufzumachen«. Ein Fenster in die Welt und per Westbahn nur 25 Minuten nach Wien – eine ziemlich unschlagbare Kombination. Verkehrte Welt, aber zumindest im Theaterbereich muss man inzwischen abends an die Traisen pendeln. www.landestheater.net, www.festspielhaus.at

Die Krisen von Mittzwanzigerinnen zwischen Club-Gebumse und Drogenkochen von Sibylle Berg rissen das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin. 029

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Karl Kraus neu besehen — Graphic Novel, Theater, virtuelle Biografie

Karl Kraus – Ein Mann für jedes Zeitalter Noch weit untertrieben: Karl Kraus ist kein leichter Autor. Vielleicht wird er deshalb auf alle möglichen Arten in die Gegenwart geholt?

Text Juliane Fischer Bild Daniel Jokesch ist / Holzbaum Verlag

Es tat sich viel im vergangenen Jahr rund um Karl Kraus. »Die letzten Tage der Menschheit« wurden anlässlich des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren sowohl im Volkstheater als auch im Burgtheater für die Bühne zusammengestutzt. Jonathan Franzen versucht in einem Übersetzungs-, Kommentierungs- und Neuinterpretationsprojekt die Wiederaufnahme von Karl Kraus. Sein Leben online lesbar zu machen, daran arbeitet Katharina Prager. Die virtuelle Biografie will die Idealisierung einer Heldenfigur vermeiden und ist deswegen stark materialbasiert auf dem Nachlass des Karl Kraus Archivs aufgebaut.

cken? Diese Fragen stellte der Fackel-Herausgeber gewohnt provokant in einem Artikel mit dem Titel »Die Journaille«, einem Wort, das nun im Zusammenhang mit dem Unwort des Jahres 2014 in Deutschland, nämlich der »Lügenpresse«, durch unsere Medien geistert. Gleichzeitig holt man Die Fackel als Grundpfeiler für Satire hervor, wenn es jetzt darum geht, den Angriff auf die Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo zu begreifen. »Unsere Satire lebt von der Gnade jedes Rowdy, der einen uns unangenehmen Schriftsteller im Kaffeehaus wehrlos macht. […] Wir sind eben Publicisten und antworten mit der Feder, wenn man uns angreift«, schrieb Kraus über die Satire.

Einst und heute – Kraus und Franzen

»Die letzten Tage der Menschheit« – zum Comic destilliert

Kraus zu entwirren und uns mit seiner Begeisterung und Entgeisterung zu infizieren, das ist auch das Ansinnen des Erfolgsautors Jonathan Franzen. Er verknüpft die 100 Jahre alten scharfzüngigen Formulierungen mit seiner persönlichen Meinung über Individualität, Intellekt und Kultur. »Wir treiben einen Weltverkehr auf schmalspurigen Gehirnbahnen«, schrieb Karl Kraus vor 100 Jahren in seinem Aufsatz »Heine und die Folgen«, in dem er die rasanten technologischen Entwicklungen bei gleichzeitiger Verkümmerung der intellektuellen Kultur verurteilt hat. Aussagen wie jene kommen Franzen dabei sehr zurecht. Das passt gut zu seinem kritischen Blick auf die Nutzung neuer Medien. In Anbetracht von Massenmotorisierung und Flexibilisierung der Arbeit scheint die Auslegung erstaunlich zeitgemäß, wie so viele Kraus’sche Aphorismen. Darf eine Zeitung beschimpft werden? Darf der einfache Mann, dem jede Erkenntnis über das Zeitungswesen mangelt, aus der Kraus zwingende Argumente für Hass und Verachtung gegen die parasitären Zerstörer des Geisteslebens schöpft, das mit Schimpfwörtern ausdrü-

Der Karikaturist Daniel Jokesch hat das sogenannte Marsdrama »Die letzten Tage der Menschheit« noch um einiges mehr als diverse Theaterregisseure destilliert. Die gigantische Dimension der Unbegreiflichkeit des Ersten Weltkriegs sowie jeden anderen Kriegs wird in der Graphic Novel gewitzt und intelligent umgesetzt. Jokesch konzentriert eine Auswahl der rund 200 lose zusammenhängenden Szenen in einem 50-seitigen quadratischen Büchlein. Die Menschheit wird in ihrem Untergang durch den Ersten Weltkrieg zwar reduziert, im Vergleich zum Original – und das ist wohl im Sinne von Kraus – aber inszeniert als das, was sie schon immer war: ein Haufen ComicFiguren. »Die unwahrscheinlichsten Gespräche, die hier geführt werden, sind gesprochen worden; die grellsten Erfindungen sind Zitate«, schreibt Karl Kraus quasi als Erklärung zu seinem Mammutdrama und als Statement zu der von ihm in neue Sphären gehobene Zitiertechnik. Sie ist die beißende Ironie, mit der er den Spiegel verätzt, bevor er ihn der Welt mit ihrer verzogenen Fratze hinhält. Die Zitate aus dem Drama sind nun auch in Sprachblasen zu lesen. Der Zeichner

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schickt voraus: »Die unwahrscheinlichsten Taten, die hier gemeldet werden, sind wirklich geschehen; ich habe gemalt, was sie nur taten«, und adaptiert damit das Kraus’sche Werkzeug. Er entnimmt Schlagzeilen aus der Presse, solche, die recht reißerisch sind und legt sie in die Münder der Comic-Figuren. Die geschätzte Länge der ursprünglichen Fassung beläuft sich auf zehn Theaterabende. Man kann sich ohne große Erfahrung als Comiczeichner ausmalen, wie lange eine lückenlose Realisierung dauern würde. Welche Stellen übernommen wurden, wird am Ende aufgereiht.

Blut, Boden und Tod Der Krieg schreibt immer eine heldenlose Geschichte. Es gibt nur Verlierer in ihr. So ist auch das Marsdrama heldenlos und die Storyline in szenische Bilder zerklüftet. Kraus selbst wacht über allem. Allmächtig schwebt ein markanter Satz, dem eines Erzählers gleich, fast auf jeder zweiten Seite über den Zeichnungen. Dass er außerhalb der Szenen steht, entspricht ganz der Kraus’schen Logik, die in ihren Standfesten bis ins kleinste Detail, zu jeder Szenerie nicht Meinung äußert, sondern Haltung beweist und stets den kritischen Blick von außen hinwirft. In fünf Bildern wächst die Erdkugel, in schmutzigem Camouflage-Schlammbraun gehalten. Jokesch zeichnet strukturiert. Er teilt Seiten großflächig auf und arbeitet mit Wiederholungen. Als wäre es ein Fehlersuchbild, sieht man die gleiche Sequenz viermal nur leicht verändert. Die Figuren sind Schatten ihrer selbst, meist scherenschnittartige Silhouetten, fast nur männlich, oft unsympathische Glatzköpfe. Von Weitem, nämlich schon im Weltall, vernimmt man die reißerischen Schlagzeilen, gebrüllt von den Zeitungsverkäufern. Die Interview-Fragen der Alice Schalek kommen aus dem Off. Die politischen Farben Rot, Braun und Schwarz dominieren den Comicband. Blut und Boden und Tod. Verdächtig ist alles außerhalb der Norm, die

von jenen, die verdächtigen, bestimmt wird, zeitgenössisch dargestellt durch Conchita Wurst. Um dann wieder den Zeitgeist von vor 100 Jahren zu transportieren, mischte man zwischen die Dialogseiten karikaturhafte Werbeplakate, die in ihrer Überspitzung fast an heutige Memes erinnern. Gewiss ist die Umsetzung in diese Form ist ein Wagnis, jedoch eines, das recht gut glückt, um eine neue Zielgruppe zu erschließen. Krausianern mag das verkürzt erscheinen, für Einsteiger oder den fächerübergreifenden Deutsch- und Geschichtsunterricht eignet sich die kurzweilige Auseinandersetzung ideal. Nicht nur in Form einer Graphic Novel wirken die Texte von Karl Kraus heute erschreckend aktuell. Die Kraus-Renaissance begründet sich wohl auch in der thematischen Vielfältigkeit und der ausgeprägten Komplexität. Aus über 20.000 Seiten Fackel lässt sich schließlich Einiges schöpfen. Es ist jetzt etwa 100 Jahre her, dass Kraus den Einfluss der Massenmedien und die chauvinistische Rhetorik in der Zeit des Ersten Weltkriegs anprangerte. Jonathan Franzen zieht Parallelen zur Gegenwart, die ähnlich überrollt würde von Neuerungen und technischen Entwicklungen. Da muss man sich zurechtfinden und die Menschlichkeit bewahren. Vergleichbare Szenarien, in denen kritische Stimmen und Polemiken eine große Rolle spielen, können als Anhaltspunkt dienen. So wertvoll kann die scharfsichtige und scharfzüngige Stimme von Karl Kraus also auch im Heute sein.

Karl Kraus: Die letzten Tage der Menschheit« von Daniel Jokesch ist im Holzbaum Verlag (holzbaumverlag.at) erschienen. »Karl Kraus: Das Kraus Projekt« von Jonathan Franzen brachte der Rowohlt Verlag auf Deutsch heraus. Katharina Prager twittert als @biographische u.a. zur virtuellen Biografie von Karl Kraus.

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Ö-Blogging — Die Blogger-Szene Österreichs

You Blog My World

Text Yasmin Szaraniec

Kaki-Kiwi-Küchlein, Luis Vuitton-Taschen oder »Die besten Instagram-Accounts aus Nordkorea«. All das ist Blogging in Österreich – Ist das die Zukunft? Und kann man schon davon leben?

Blogs haben es geschafft, sich zu etablieren. Im englischsprachigen Raum sind sie ein fixer Bestandteil der Medienlandschaft. In den USA kann man als Blogger nicht nur zum Star werden, sondern auch noch ordentlich davon leben. Hierzulande geht der Blogging-Hype gerade erst los, die Bloggersphäre ist vorerst geschrumpft. Auch Facebook sei Dank. Food, Lifestyle und Politik dominieren. Oft stecken viele Jahre Arbeit in diesen Blogs – aber zahlt sich das überhaupt aus? Sind Blogger die neuen Indiebands? Ein kleines bisschen Fame und nach ein paar Jahren ist die Luft draußen? Oder steht ihnen in Wirklichkeit eine blendende Zukunft bevor?

Spread the word Das Rezept scheint simpel – ohne Reichweite kein Erfolg. Ein Blog kann diese Reichweite allerdings nur erreichen, »wenn der Blogger aus seiner Tätigkeit ein Geschäftsmodell entwickeln kann und der Blog

auch als wesentliches Marketinginstrument verstanden wird«, glaubt Christoph Cecerle von der Werbeagentur eaglepower.com. Wichtig wäre dabei ein glaubwürdiges Auftreten (Im Branchensprech: Selfbranding) zu einem bestimmten Thema, der Aufbau der Social MediaKanäle und die Suchmaschinenoptimierung. Denn »ein isolierter Blog ist nichts ohne Anbindung an Social Networks.« Mit Bloggen Geld zu verdienen ist möglich. Richard Haderer – Vlogger auf hdrr.at und Internetmensch – geht davon aus, dass aktuell nur eine kleine Handvoll davon leben kann. Laut einer Blogger-Umfrage von zurpolitik.com nehmen rund 10 % der Betreiber eines Blogs in Österreich Geld ein, ungefähr doppelt so viele nur teilweise. Davon verdienen die meisten unter 50 Euro monatlich, rund ein Fünftel verdienen zwischen 200 und 500 Euro. Der kleine Prozentsatz, der darüber hinausgeht, verdient mitunter mehr als 1.000 Euro im Monat. Wer das ebenfalls versuchen möchte, muss sich darüber im Klaren sein, dass er natürlich auch Freiheiten verliert. Der Blog wird von Geldgebern abhängig und auf verschiedene Arten zur Werbefläche.

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Ohne Klicks kein Geld

#austrianblogger

Damit Kooperationen mit Kunden überhaupt zustande kommen, müssen Reichweite, Design und Inhalt des Blogs stimmen. Der einfachste Weg, um seinen Blog zu monetarisieren, ist Bannerwerbung. Man verkauft also Platz auf seinem Blog. Das kann man selbst versuchen, was wiederum Zeit frisst, oder man lagert es an Agenturen aus, die einen beträchtlichen Teil mitschneiden. Für beides müssen einerseits die Zugriffszahlen des Blogs nachweislich hoch sein. Andererseits sollte der Blog inhaltlich so gut wie möglich mit den Bannern zusammenpassen. Da die meisten Blogs in Österreich unter 100.000 Klicks monatlich bleiben, kommen große Kooperationen aber oft noch nicht zustande. Werbung läuft dann meistens über Bannerdienste wie AdSense und der Ertrag ist dementsprechend niedrig. Und dann gibt es ja noch Adblocker. Weil diese Banner den Blog meistens ohnehin nur zumüllen, haben viele Blogger eine Abneigung dagegen. So wie Madeleine Alizadeh. Sie teilt auf ihrem Blog dariadaria.com Mode-, Reise- und Lifestyle-Tipps und ist eine der wenigen in Österreich, die davon leben können. Um ihre Seite so werbefrei wie möglich zu halten, verzichtet sie auf Bannerwerbung. Sie arbeitet mit dem sogenannten Affiliatemarketing. Sie verlinkt andere Seiten auf ihrem Blog und erhält dafür Klick- oder Salesprovisionen. Geld gibt es erst, wenn geklickt oder gekauft wird. Das meiste machen allerdings Advertorials und Kooperationen aus. Das sind häufig Produkttests oder bezahlte Posts. Der Blogger wird also dafür bezahlt, über ein Produkt, eine Dienstleistung oder ein Unternehmen zu schreiben. Wie positiv, das bleibt dem Blogger meist selbst überlassen. Aber niemand riskiert gern, wegen einem Verriss diverse Kooperationen zu verlieren. Auf einem einzelnen Blogger lastet so also meistens mehr Druck als auf einem großen Medienunternehmen mit ihren Salesprofis.

Was sich in Österreich bisher etabliert hat? Besonders mögen wir es, wenn Politik verscheißert wird. An der Spitze steht der politische Satire-Blog dietagespresse. Eine Meinungsplattform ist fischundfleisch. at, auf der Promis und Journalisten zu fast allen Themen gut bezahlt bloggen können. Dort finden sich affige Beiträge darüber, was Männer abturnt genauso wie ein Plädoyer für eine demokratische Neuordnung des Finanzsystems. Nicht zu vergessen ist der Technik-Zweig. Auf diesen Portalen findet sich alles von Beiträgen über das PasswortDilemma und Computerprobleme bis hin zu Tipps fürs Bloggen oder die Google-Suche. Sie haben es perfektioniert, zu bestimmten Netzthemen zu schreiben, wie das Print nie könnte. Esskultur wird hierzulande auf Blogs geradezu zelebriert. Auf foodblogger.at findet man sie alle. Wenige davon überschreiten die 3.000-Likes Grenze auf Facebook. Einzig »Die Frühstückerinnen« werden geliebt. Mit über 25.000 Likes stehen sie an der Spitze der kulinarischen Blog-Kultur. Sie betreiben auch eine Agentur, um all die Foodies zentral zu erreichen und deshalb besonders gut vernetzt. Eine Geldmaschine ist das derzeit aber nicht. Keine der Frühstückerinnen lebt davon. Für Kooperationspartner sind sie jedoch interessant und bekommen Anfragen. Fans sind die Österreicher auch von Mode und Lifestyle. Es gibt viele solcher Lifestyle-Blogs, die sich alle stark ähneln. Anzutreffen sind sie auf dem Fashion Camp Vienna – der größten deutschsprachigen Lifestyleblogger-Konferenz. Pinterest und Instagram gehören hier ganz alltäglich dazu.

Das fängt gerade erst richtig an Für Unternehmen ist das praktisch. Sie können über Blogs mitunter mehr Leute erreichen als über klassische Werbung. Noch dazu kann der Eindruck entstehen, man habe es mit einem echten Phänomen von unten, aus der Bevölkerung selbst zu tun, vielleicht sogar mit einem Hype, wenn doch viele Blogs plötzlich über ein Thema schreiben, sogenanntes Astroturfing. Blöd wird es allerdings, wenn Leser den Stunt durchschauen. Dann ist die Glaubwürdigkeit schnell dahin. Spott und Häme sind im Netz angeblich keine Seltenheit. Trotzdem stocken diverse Agenturen gerade massiv ihre Blogger Relations auf, also so etwas Ähnliches wie Public Relations. Statt Pressekonferenzen und Pressereisen werden Blogger Events und bezahlte Beiträge geplant. Die Reichweiten von Facebook und Instagram ersetzen dann die Reichweiten der Artikel, die man mit klassischer PR erreicht hätte. Medienkampagnen funktionieren heute ganz ohne Blogger nicht mehr. Dass das gerade erst anfängt, davon ist man zumindest dort überzeugt, wo gerade daran gearbeitet wird, ein echtes Business daraus zu machen. “Wir bieten schon seit Jahren mit unserem Netzwerk Seeding bei relevanten Publishern an. Wichtig ist aber, dass Blogger Relations mehr ist als nur der neue heiße Scheiß und weder Kunde, noch die Blogger selber etwas davon haben, wenn auf tausend Seiten derselbe Pressetext per copy/paste eingefügt wird“, meint Ole Weinreich, Saleschef bei Advice, der Digitalagentur von Vice. Der Grund, warum die Bloggersphäre im deutschsprachigen Raum allerdings bisher nicht wirklich geboomt hat, könnte nicht zuletzt an unserer Technologiefeindlichkeit oder einer fehlenden Rhetorikkultur liegen. Wolfgang Gumpelmaier – Geschäftsführer der Digital Media Agentur Gumpelmedia und selbst Blogger über Crowdfunding – sieht eine Ursache auch darin, dass viele die vielfältigen Möglichkeiten hinsichtlich der Inhalte und Formate nicht ausschöpfen und zu schnell aufgeben: »Ich glaube viele Menschen scheuen sich davor, weil sie sich Inhalte überlegen müssen und der Impact nicht gleich ersichtlich ist. Es fehlt also an Ausdauer.« Aber auch an Lesern. Nur 10% der Internetuser in Österreich lesen einen Blog. Deshalb ist die Anzahl der Blogs aktuell noch überschaubar. Vor allem Journalisten nutzen diese Art der redaktionellen Freiheit, um ihre persönliche Meinung zu vertreten.

Und wie bloggt man richtig? Beim Content sind Nischenthemen gefragt. Die Beiträge müssen mit Qualität punkten. Besser weniger davon, aber gut recherchiert. Trotzdem darf der Blog nicht an Aktualität verlieren. Der Leser bleibt einem Blog zumeist dann treu, wenn ein bis zwei Mal pro Woche informative, gut recherchierte Beträge gepostet werden. Facebook allein reicht meistens nicht. Stichwörter für die Suchmaschinen müssen konkret und aussagekräftig sein. Und ein Blog auf Englisch kann mehr Leute erreichen, die Konkurrenz ist aber deutlich größer. Nichts ist unmöglich, deshalb: Keep calm and blog on!

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Madeleine Alizadeh dariadaria.com

Food www.diefruehstueckerinnen.at www.tobimueller.at www.probier.at foodblogger.at

Richard Haderer www.hdrr.at Christoph Cecerle www.eaglepowder.com Wolfgang Gumpelmaier gumpelmaier.net/blog

Politik www.kobuk.at dietagespresse.com neuwal.com zurpolitik.com Technik blog.datenschmutz.net www.digitalschmankerl.at Diverses www.fischundfleisch.at fashioncampvienna.com

Am 14. Aprill findet ein twenty.twenty zum Thema Bloggen im Impact Hub Vienna statt. Das Fashion Camp Vienna findet am 18. und 19. April 2015 statt, Workshops dazu am 24. Jänner und 7. März bei Headquarters in der Schleifmühlgasse. Die erste Vienna Food Wek wird von 23. bis 30. September veranstaltet. 033

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Was ist ein Like wert? — Social Web, die User und das Geld – Ein Business-Modell

This Land Is Your Land Was kostet ein Like, ein Follower, ein View? Dich nichts und trotzdem wird dafür bezahlt. Nur – wer bezahlt wen und warum muss der User eigentlich nie zahlen? Oder muss der User doch immer zahlen?

Text Stefan Schallert

Was kostet die Welt? Online in den meisten Fällen nichts und sollte es irgendwo doch so sein, gibt es irgendwie immer eine »gratis« Alternative. Wir lesen gratis Zeitung, sehen Millionen Videos, schreiben E-Mails, spielen Spiele, vernetzen uns, finden gratis alles was wir suchen und werden gefunden. Natürlich ist hinlänglich bekannt, dass »gratis« nicht existiert und man im Leben sowieso nichts geschenkt bekommt. Oder in der Netzsprache: »If you don’t pay for it, you’re the product.« Nun ist das alles in dieser schönen neuen Welt längst alter Tobak – im Gegenzug für zahllose Services folgen uns Google, Facebook & Co. auf Schritt und Tritt und dokumentieren unsere Reise durch die Online-Welt für die Werbewirtschaft, das weiß jedes Kind. Daten-schutzDebatten haben längst einen Bart und wer nicht will, der kann ja draußen bleiben. Es ist also eine individuelle Kosten-Nutzen-Rechnung, ob man sich für opt-in oder opt-out entscheidet. Wie auch immer diese Entscheidung ausfällt, deine Daten sind die Währung im Netz und der Treibstoff, der es am Laufen hält. Schlussendlich erfährt dadurch auch dieser Artikel seine Daseinsberechtigung. Und immerhin scheinen auf persönlicher Ebene die Auswirkungen der Datenernte überschaubar: Was ist schon so schlimm daran, dass Google und Amazon wissen, dass ich einen Tauchurlaub plane und mir deshalb Resorts, Flossen und Flugangebote vorschlagen? Aus der Vogelperspektive formt die Tragweite der Datenernte ein anderes Bild. 140 Mrd. Dollar sind heuer für digitale Werbung veranschlagt worden, knapp ein Drittel davon für Social Media.

Online Werbung 1.01 Ein Tweet, das sind vordergründig 140 Zeichen Inhalt, hintergründig fließen knapp eine Din A4-Seite Informationen pro Tweet durchs Netz. Darunter Zeitangaben, die Relationen von erwähnten Accounts, Geoinformation, wie viele Follower der Sender hat, wem er selbst folgt usw. Einzeln gesehen keine große Sache, aber so funktionieren Daten auch nicht: einzeln. Im Gegenteil. Je größer der Haufen, desto besser. Willkommen in der Zukunft, willkommen bei Big Data. Zah-

lungswillige Kunden, in erster Linie die Werbetreibenden, können sich nun von Twitter und Drittanbietern Informationen extrahieren lassen, wie, wer, wo und was über ein Produkt, eine Marke, oder aber auch ein gesellschaftliches Thema gesprochen wird und dementsprechend ihre Kampagnen planen. Der Clou an der Sache ist, dass nur die Plattform selbst Zugriff auf die eigentlichen Daten hat, diese auswertet und anonymen Konsumkategorien zuteilt und der Deal darin besteht, die richtige Werbung zur richtigen Kategorie zu transportieren. Alles, was jetzt noch benötigt wird, sind Webseiten, die genügend Personen (Traffic) zu den Werbeflächen (Banner) bringen und herzlichen Glückwunsch: Wir haben das Internet verstanden, zumindest grob. Für die Teilnahme an der größten Echtzeit-Marktstudie aller Zeiten erhält der User Zugang zu Services, die Betreiber der Plattformen verwerten die gesammelten Daten und die Werbewirtschaft bekommt Informationen, um ihre Nachrichten effektiver zu transportieren. Win-Win-Win!?

Enclosure Nein, sagen nicht nur Datenschützer, sondern auch kritische Wirtschaftswissenschaftler und wehen mit den roten Fahnen, wenn es um das Business-Modell von Online-Werbung geht. Als »Enclosure« (dt. Einhegung) bezeichnete man die Umwidmung von Ackerland in spezifisches Nutzland zu Beginn der industriellen Revolution, worin Neomarxisten einen Grundstein für das Aufkommen des Kapitalismus sehen. Eben jene prägen auch den Begriff »Digital Enclosure« für die Ansammlung und Kapitalisierung von privaten Daten, der Landbesitz des Informationszeitalters. Sie kritisieren Social MediaNetzwerke, die Kommunikation und Interaktion zu kommerzialisieren und aus dem sozialen Kapital der Nutzer Gewinn zu schlagen. Dass dem so ist, ist längst keine Neuigkeit mehr und mit dem Bestätigen der AGBs willigen User freiwillig in ihr Schicksal ein, oder eben nicht. Der Vorwurf gilt nicht dem Businessmodell selbst, sondern dessen Umsetzung: Es würden Rahmenbedingungen geschaffen, welche dem User nach vorne hin Kontrolle über dessen Datenmanagement ermöglichten und die semantischen Inhalte

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»If you don’t pay for it, you’re the product.«

nicht auswerten würden, nach hinten jedoch das volle Datenpotenzial aus jeder Interaktion für sich selbst schöpften (vertikales Data Mining). Weiters könne jegliche Interaktion seitens der User als Arbeitsschritt im Wertschöpfungsprozess Social Media gesehen werden, da so die Handelsware Data produziert werde, schreibt der australische Medienwissenschaftler Mark Andrejevic. So düster diese Perspektive erscheinen mag, bleibt die Frage offen, ob gezielte Werbung tatsächlich jenes Monstrum ist, welches Kritiker wie Andrejevic so schwarzmalerisch zeichnen.

Milchmädchen-rechnungen Unter dem Strich bleibt es an uns, den Usern und Konsumenten, was wir mit unserer Aufmerksamkeit anstellen, denn darum geht es und darum ging es immer, wenn Werbung im Spiel ist. Aufgrund ständig wechselnder und schwer durchschaubarer Algorithmen sind konkrete Zahlen mit Vorsicht zu genießen. Wir haben trotzdem versucht herauszufinden, was sie wirklich wert ist, unsere Aufmerksamkeit. Facebook: Einen Like generell zu quantifizieren gleicht einer Unmöglichkeit, denn was ist ein »Like« – Aufmerksamkeit, Zuspruch, Empfehlung oder nur ein längst vergessener Klick? BusinessInsider.com hat versucht, den Wert eines Likes nach Angaben von Unternehmen zu messen und kam zum Schluss, dass dessen Wert irgendwo zwischen 0 und 214 US-Dollar (NGOs) liegt. Manche sagen, ein Käufer, der auch Fan ist, ist dem Unternehmen 136 US-Dollar wert, andere meinen, eine Empfehlung in Form eines Likes kann mit 22,39 US-Dollar aufgewogen werden. Likes ohne weitere Interaktion sind nichts wert, deshalb lohnt es sich auch nicht, welche zu kaufen. Youtube: »Gangnam Style« mit seinen zwei Milliarden Views hat Psy rund zwei Millionen US-Dollar an Werbeeinnahmen direkt eingebracht, zu sagen, dass ein View deshalb 0,0001 US-Dollar wäre jedoch zu einfach. Generell wird angenommen, dass 1.000 Views zwischen 2 und 5 US-Dollar wert sind, jedoch nur, wenn Partnerverträge mit Youtube abgeschlossen wurden. Die Beträge können zwar stark variieren,

doch speziell im Musikbereich sind Youtube-Channels inzwischen eine geläufige Einnahmequelle. Twitter & Instagram: Ein sogenannter Business-Tweet ist 20 bis 25 US-Dollar wert. Will man auf Instagram Follower kaufen, so kosten diese laut Forbes 6 bis 15 Cents. thegap.at: Eine Bannerwerbung auf unserer Website kostet zwischen 35 und 100 Euro pro 1.000 einzigartige Views, je nach Bannergröße. Streng nach Adam Riese ist ein Besuch auf unserer Seite also zwischen 3 und 10 Cent wert, vorausgesetzt, man verwendet keinen Adblocker.

Brave New World Sind die Zahlen im Einzelnen auch wenig beeindruckend, macht die Masse den Braten fett, trotz Krise ist das Onlinemarketingbudget weltweit jährlich im zweistelligen Prozentbereich angestiegen und ein Ende ist nicht in Sicht. Das Geschäft um unsere digitale Liebe boomt wie nie und es gibt auch schon erste Bestrebungen, die User am Profit ihrer eigenen Inhalte zu beteiligen. Tsü ist unverkennbar ein Facebook-Klon in Türkisgrün mit dem Unterschied, dass der User dort an seinen Werbeeinnahmen beteiligt wird. Was in der Idee wunderbar klingt, scheitert jedoch noch an mangelnder Beteiligung. Ob es paradox ist, sich dafür bezahlen zu lassen, dass man Werbung ausgesetzt wird und mithilft, diese weiterzuverbreiten? Ja, wahrscheinlich. Ob wir trotzdem so weitermachen werden? Auch wahrscheinlich. Social Media-Netzwerke verhelfen unserer Stimme nicht nur zu Gehör, sondern geben ihr auch einen reellen Geldwert. Sich dessen bewusst zu sein beim Liken, beim Followen oder beim Retweeten kann auf keinen Fall schaden.

Den Autor und The Gap findet man natürlich auf Twitter, Instagram und Konsorten und sollten umgehend mit Likes und Followern überschüttet werden. 035

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Wer die schöne Jenny ist, bleibt offen. Das Buch wurde als das schönste Österreichs ausgezeichnet. Es gibt fünf verschiedene Cover und kein fixes Raster.

Buch mit Design — Schöne Bücher boomen

Literatur mon amour 036 Text Peter Stuiber Bild Edition Angewandte / Birkhäuser / De Gruyter, Spector Books

Im Schatten der schnellen, billigen Buchproduktion und des Digital Publishing entstehen faszinierende Nischen: In jüngster Zeit boomen etwa Literaturpublikationen, die auch gestalterisch etwas hermachen. Von Architektur-, Foto- oder Kunstbüchern erwartet man sich grafische Raffinesse. Kein Wunder, dass viele der jährlich ausgezeichneten »Schönsten Bücher« aus diesen Bereichen stammen. Bei literarischen Publikationen hingegen scheinen typografische Sorgfalt, neuartige Cover-Ideen, sinnfällige Formate, Papierauswahl und alles, was sonst noch dazu gehört, nicht immer an erster Stelle zu stehen. Natürlich arbeiten die großen Verlage allesamt mit soliden Gestaltern zusammen, aber die Zeiten, da Persönlichkeiten wie Willy Fleckhaus mit seinem Design für Suhrkamp (Bibliothek Suhrkamp, Edition Suhrkamp, Suhrkamp Taschenbuch) oder Celestino Piatti für dtv eine ganze Generation prägen konnten, sind vorbei. Warum aber erscheinen ausgerechnet literarische Veröffentlichungen immer billiger und gestalterisch unbedarfter? Ist es die E-Book-Konkurrenz? Ist es den Lesenden wurscht? Sind Verlage und Schreibende skeptisch gegenüber »Design«? Oder ist es einfach eine Kostenfrage? Den Ruf nach »gut gestalteten« Büchern gab es natürlich schon früher. So startete Hans Magnus Enzensberger seine legendäre »Andere Bibliothek« in den 80er Jahren mit dem Ziel, einmal pro Monat ein qualitätsvolles Werk herauszubringen, das vom Verleger Franz Greno gestaltet wurde. Papier, Satz, Druck: All das wurde gleichrangig zum Text behandelt. »Wir drucken nur Bücher, die wir selbst lesen wollen«, so der Leitgedanke. Die Reihe wurde ein ungeheurer Erfolg und erscheint – wenn auch unter anderen Voraussetzungen – bis heute.

50 Inseln, auf denen ich nie sein werde Durchaus in dieser Tradition steht die Arbeit von Judith Schalansky. Die heute 34-Jährige ist ein Phänomen auf dem deutschen Buchmarkt. Als Kommunikationsdesignerin veröffentlichte sie 2006 das dicke Kompendium »Fraktur mon Amour«, eine Bibel für Typo-Liebhaber. Danach machte sie auch als Schriftstellerin Karriere, die ihre Bücher selbst gestaltet, so etwa einen bitterbösen, grandiosen »Bildungsroman« mit dem Titel »Der Hals der Giraffe«, der 2011 bei Suhrkamp erschien. Mit ihrem »Atlas der abgelegenen Inseln. Fünfzig Inseln, auf denen ich nie war und niemals sein werde« gelang ihr ein weiterer Coup, doch damit nicht genug: Seit 2013 gibt Schalansky die Reihe »Naturkunden« heraus: Bücher über die Tier- und Pflanzenwelt, aber nicht Hardcore-Wissenschaft, sondern essayistisch, verspielt, manchmal verschroben, stets grafisch und haptisch ein Genuss. Die Themen: Äpfel und Birnen, Eulen, Esel, Heringe, Krähen, Kakteen, Insekten, Dinosaurier etc. Natürlich war es kein Mainstream-Verlagshaus, das hier tätig wurde, sondern Matthes & Seitz, ein Verlag, der sich u.a. mit französischer Avantgarde-Literatur und Philosophie einen Namen gemacht hat. Mit dem antiquierten Beigeschmack von »bibliophil« hat die Ausstattung der Bände gar nichts zu tun. Sie ist nämlich nicht nur grundsolide, sondern zugleich frisch. Mit jeder neuen Publikation überrascht auch der Leipziger Verlag Spector Books (und das nicht nur visuell): Bauhaus-Architektur, ein Foto- und Interviewband über abdriftende Teenager in Dresden, eine Studie über Äpfel und Analog-Fotografie (!), eine künstlerische Erkun-

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Bei Spector Books bleiben die Cover frei von Text. Ganz schön subversiv.

dung von Wolken – das Spektrum ist breit. Und wurde kürzlich um Literatur erweitert: Die Reihe »Volte« vereint essayistisch-erzählende Texte, die zwischen Realität und Fiktion changieren. Der erste Band versammelte »Monologe« des deutschen Jungdramatikers Wolfram Lotz, als Band zwei folgte Heike Geißlers fesselnde Doku-Prosa »Saisonarbeit« über die Arbeit bei Amazon zur Vorweihnachtszeit. Freilich: Autorenname und Buchtitel finden sich bei der »Volte«-Reihe nicht wie üblich am Cover, sondern auf der Rückseite. Die Vorderseite ziert eine schlichte Illustration, im ersten Fall ein »Monobloc«Plastikstuhl, im zweiten Fall ein Einkaufswagen. Einprägsam, überraschend und einladend. Warum schafft das ein Großverlag nicht? Jan Wenzel von Spector Books hat darauf eine Antwort: »Gutes Design kostet Zeit und Geld, es ist notwendig, sich auf Inhalte einzulassen, um eine Umsetzung zu finden, die auf diese Inhalte reagiert. Viele große Publikumsverlage sind in den letzten Jahren sehr stark vom Marketing aus definiert worden. Das ist sicher ein weiterer Grund, die Furcht, den Leser möglicherweise zu irritieren, wenn ein Buch anders daherkommt, als die Bücher, die er bereits kennt.« Und zum radikalen Cover-Design meint er: »Für eine Reihe ist es wichtig, eine wiedererkennbare Geste zu etablieren.«

Die schöne Jenny Der Gefahr, als Kunstpublikation »verkannt« zu werden, ist sich Wenzel bewusst: »Vermittlungsarbeit ist da sehr wichtig. Eine Erfahrung ist, wenn ein Buch ein Hybrid ist, zwischen verschiedenen Bereichen steht, fällt er bei den Buchhändlern leicht durch. Ein Buchhändler stellt ein Buch, das im Bereich bildende Kunst und Literatur platziert werden könnte, nicht in beide Regale, sondern lieber in gar keines von beiden. Das ist ein Reflex, gegen den wir in der Vermittlung der Bücher anarbeiten. Aber die Bücher helfen uns dabei – indem sie oft für sich selbst sprechen.« Auch »Jenny« spricht für sich selbst. »Jenny« ist die Anthologie der Sprachkunstklasse an der Universität für angewandte Kunst in Wien, von der bereits zwei Bände (bei Birkhäuser bzw. im Ambra Verlag) erschienen sind. »Jenny« ist so schön, dass es in der Kategorie »All-

gemeine Literatur« als »Schönstes Buch Österreichs« ausgezeichnet wurde. Gestaltet wurde die Publikation vom jungen Branding- und Designbüro Studio VIE. Herkömmliche Anthologien sehen dagegen altbacken aus: »Jenny« ist gestalterisch aufregend und wirkt zugleich aufgeräumt, bietet viel Weißraum zum Innehalten und Nachdenken und legt den literarischen Texten kein enges Korsett an. Die Schweizer Broschur erlaubt ein perfektes Aufschlagen der Seiten, die Publikation ist ein Mittelding aus Buch, Zeitschrift und Reader.

Mehr als die Summe des einzelnen Contents Doch was bedeutet Jenny? Christian Schlager, einer der Mitgründer von Studio VIE: »Jenny – wer das ist? Das weiß man nicht so genau. Unsere Auftraggeber, ein Redaktionsteam aus Studierenden des Instituts für Sprachkunst, haben Jenny beschrieben, als Person und wie sie mit dem Buch umgeht. Von Ausgabe zu Ausgabe kristallisiert sich das heraus. Aber es bleibt ein Mythos, wer Jenny ist.« Zum Mythos tragen jene großzügigen Zitatseiten bei, die zwischen den einzelnen Texten für eine Rhythmusänderung sorgen: »Ob das Jennys Sprüche sind oder Texte über sie – man weiß es nicht.« Spielerisch wurde auch mit dem Cover umgegangen: Es gibt fünf verschiedene Umschlagvarianten (entsprechend der Textgattungen Prosa, Lyrik etc.), die visuell unterschiedlich gestaltet sind (mit Fotografien, Illustrationen usw.). Anouk Rehorek, ebenfalls Mitgründerin von Studio VIE: »Am Umschlag passiert die Bildwelt, der Kern konzentriert sich auf die rein typografische Gestaltung der Texte, die teilweise auch von den Künstlern vorformatiert geschickt wurden. Ein Text besteht z.B. nur aus Fußnoten. Da war es wichtig, ein Konzept zu entwickeln, das nicht mit einem fixen Raster arbeitet.« So aufregend kann also Literatur aussehen – man ist versucht, ein Paket mit Belegexemplaren an die großen Verlage zu senden, um ihnen die Sache schmackhaft zu machen. Einstweilen wachsen solche Blüten tendenziell noch im Verborgenen, entstehen dank des Engagements von Kleinverlagen und sonstigen Kreativen. Und sie alles wissen: Bücher sind eine verdammt sinnliche Angelegenheit. »Content« allein schmeckt schal. 037

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Workstation — MENSCHEN AM ARBEITSPLATZ

Darija Kasalo, 30, Model & Wirtin vom Ungar Grill Zwei Jahre war der Ungar Grill geschlossen. Im September wurde er von Darija Kasalo wiedereröffnet. Die junge Kroatin sammelte davor bereits Erfahrung in der Gastroszene, vor allem als Wirtin vom Augustin, wo sie sich ihr Architekturstudium finanzierte. »Eigentlich wollte ich nie Polylinien in einem Architekturbüro zeichnen«, erklärt Darija, ihren Hund Da Vinci neben sich. Ihre Musikerfreunde organisierten Gitarre und Klavierflügel und sorgen jetzt für Musik bei den Partys im Ungar Grill; ihre fabelhafte Familie hilft in allen anderen Bereichen. Etwa beim Kochen, das Gulasch kommt vom Papa. Bilder von Künstlern zieren die Wände, aus den Boxen tönt Carlos Gardel, während Enzo, ein hilfsbereiter Nachbar, rasch etwas montiert. Bald soll es ungarisches Bier geben – und im Sommer natürlich den Grill. Wunschtraum nach 20 Jahren: »Hey, da hat sich damals was gegründet!« Dafür braucht es die richtige Atmosphäre und ganz viel Muse, weiß die Wirtin. Und Plan B? »Nein, ich glaub‘, das ist es.« bild Matthias Hombauer text Stefan Kluger

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bild Matthias Hombauer text Stefan Kluger

Workstation — MENSCHEN AM ARBEITSPLATZ

Andrea Fissore, 32, Musikproduzent

Andrea Fissore ist Musikproduzent. Nicht irgendwo, sondern bei Armada Music, einem der großen Labels für elektronische Musik mit Sitz in Amsterdam. Seit seiner Jugend, als er in Turin aufs Gymnasium ging, macht er Musik. Dass er dies nun seit Jahren professionell betreibt, sei für ihn nur eine logische Konsequenz. »Ich liebe es, mich in der Musik zu verlieren«, erzählt Fissore. Zu sehen, wie Menschen auf seine Musik reagieren und auf der Tanzfläche abgehen, sei nur schwer zu beschreiben: »wie ein guter Rausch.« Neben Zeit mit seiner Familie verbringen und auf Reisen gehen gehören durchwachte Nächte mit Freunden ebenfalls zu den Lieblingsbeschäftigungen von Andrea Fissore – noch immer. Diesen Frühling wird übrigens sein erstes Album auf Armada Music erscheinen.

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Prosa von Theodora Bauer

knöchel kaputt. theodora bauer beschreibt den heilungsprozess und ihren heroischen kampf mit den gebeinen. knochentrockener humor am krückstock, der bis nach belgrad führt.

Knöchelverzeichnis

Belgrad am Rande. Ein hinkender Vergleich Man soll nicht von Bäumen springen. Was man grundsätzlich als allgemeine Regelung, à la »Der Himmel ist blau« oder »Belgrad ist schön« oder »Wenn du das jetzt runterwirfst, dann ist es kaputt«, durchgehen lassen könnte, gewinnt noch einmal schlagartig an Aktualität, wenn es einen selbst betrifft. Man könnte zwar fragen, was ich in der Krone eines unschuldigen Eichenbaumes im Türkenschanzpark zu suchen gehabt habe, aber die Antwort ist nicht sehr spannend und wird deshalb vorenthalten. Das mit dem »kaputt« hat auch nach eingehender Überprüfung noch gestimmt; nun befindet sich eine Menge Altmetall in meinem Knöchel und ab und an ein schmerzhaftes Pochen. Ich bin davon überzeugt, dass ich Superkräfte habe. Mein Knöchel sagt zuverlässig das Wetter voraus und welchen Song es im Radio spielen wird. Schlager kann er nicht leiden, dann ziept das Metall. Ich überlege, was passiert, wenn ich mir einen Magneten ans Bein halte und ob Titan magnetisch ist. Wahrscheinlich nicht. Ich fantasiere dennoch von Metall-Tattoos und EisenspanZeichnungen auf der Haut. Meine Narben sehen mittlerweile so aus, dass man sie guten Gewissens herzeigen kann. Sie haben Frankenstein’sche Dimensionen, die Quernähte sind gut sichtbar und treten hübsch bläulich aus der umliegenden Haut hervor. Bei drei von vier Narben-Herzeige-Runden würde ich gewinnen, garantiert.

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Mittlerweile geht der Knöchel wieder. Das liegt wohl daran, dass ich ihn gut trainiert habe. Er muss Männchen machen, Aufstellen, Knöchelbeugen, Kreisen, Balancieren. Gleichmäßiges Hin- und Herwippen, was zu seltsamen Blicken führt, vor allem, wenn man es auf der Straße macht. Ich halte meinen Knöchel beschäftigt, dass er nicht auf dumme Gedanken kommt. Er ist nämlich von Natur aus ein rebellisches Wesen. Wenn er sich vernachlässigt fühlt, macht er klickende Geräusche und drückt so sein grundsätzliches Unbehagen mit der Lage der Dinge oder zumindest der Lage des Kopfsteinpflasters auf dem Weg aus. Wenn er gar nicht will, bläst er sich auf, wird rot und streikt. Das passiert aber nur mehr selten. Mein Knöchel kooperiert wieder mit mir, Superkräfte hin- oder her. Es geht. Er geht. Ich gehe. Die Wochen davor allerdings hatte ich mich auf Krücken fortzubewegen. Man könnte nun versuchen, es gewählter auszudrücken, mit blumigeren Phrasen etwa oder mit medizinischen; die gehen ja immer dann, wenn sonst nichts mehr geht. Aber im Grunde genommen macht das alles keinen Unterschied: Krückengehen ist schlicht und einfach Scheiße. Bei jedem Schritt, den du im Übrigen mit den Händen zurückzulegen hast, schwitzt du; du bist die einzige, die im Spätherbst im Ruderleiberl den Weg zum Publizistikinstitut zurücklegt, das dir in hundert Meter Entfernung mit dem Horizont verschwimmt. Du rammst und

rammst deine Krücken in den Boden und dieses verdammte Haus kommt nicht näher. Nicht, dass du da unbedingt hineinwolltest. Deine Armmuskeln schwellen an, dein Bein verkümmert zu einem armseligen, fleischbehangenen Stecken. Du bekommst allen Ernstes Gehschwielen auf den Daumenballen. Nein, es gibt keine schönen Worte dafür, höchstens mitleidige Euphemismen: Krücken sind Scheiße. Allerdings fiel sehr erfreuliches Ereignis in diese Zeit: Ich sollte meine erste Lesereise antreten. Nach Belgrad, so richtig mit Flugzeug und Einladung und allem Drum und Dran. Eine Sache, von der man stolzgeschwellt berichten könnte, von der man quasi noch den Kindern und Kindeskindern und so weiter. Könnte. Das Einzige, das bei mir angeschwollen war, war der Knöchel. Er hatte beschlossen, ich solle alleine nach Belgrad fahren. Er käme nicht mit, jedenfalls nicht ohne Krücken. Eine Woche zuvor hatte ich nämlich die beiden Stöcke von mir geworfen. Das hatte eine Kontroverse zwischen uns ausgelöst. Wie Jesus’ Lahmer hatte ich mich erhoben und war unter großem Jubel losgestürmt. Dann war ich gedemütigt wieder zurückgehumpelt. Die ganze Sache war keine gute Idee gewesen: Zwischen Schienbein und Zehenspitzen befand sich nun ein tennisballgroßes, purpurnes Etwas. Ich tastete. Irgendwo darunter vermutete ich meinen Knöchel. Er war ziemlich eingeschnappt. Nach einigen Streicheleinheiten und Salbun-

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Ad Personam: Theodora Bauer

Theodora Bauer studiert in Wien Publizistik und Philosophie. Keine schlechte Grundlage, um zu schreiben. Das macht die 24-Jährige, die im Burgenland aufgewachsen ist, mit Nachdruck. Ihr Debütroman »Das Fell der Tante Meri« (Picus Verlag), eine Familiengeschichte, die Jahrzehnte miteinander verwebt und die Nazivergangenheit einzelner Mitglieder aufrollt, heimste 2014 einiges an Vorschusslorbeeren und Lob ein. Lesereisen führen die Jungliteratin mittlerweile auch ins Ausland. Wie man auf Krücken in Belgrad besteht und wie man mit kaputten Körperteilen spricht, erzählt sie an dieser Stelle. Schließlich kann man ja nicht nicht kommunizieren … bild Dessislaw Pajakoff text Manfred Gram

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gen war er wieder soweit hergestellt, dass er mir die Frage beantworten konnte, was das alles sollte. Er verklickerte mir, dass er die Krücken wieder haben wollte. Er vermisste sie. Wollte ohne sie nicht gehen. Konnte nicht. Er drohte mir mehrmals damit, den Dienst zu quittieren, aber ich blieb hart. Die Krücken in Belgrad? No way. Das konnte er nicht von mir verlangen. Die nächste Zeit war geprägt von unbarmherziger psychologischer Kriegsführung. Ich weiß noch, es muss zwei Tage vor dem Abflug gewesen sein. Ich saß mit meinem Knöchel am Bett und wir lieferten uns ein Starrduell. Er pulsierte. Ich schwieg. Ich ließ ihn kreisen, er ließ die Narben ziepen. Nach einer kurzen Pause setzte er noch eines drauf und klickte. Das war zuviel. Gut, sagte ich, du hast gewonnen. Die Krücken kommen mit. Im Flugzeuggang legten sich die Krücken quer, wie sie es immer zu tun pflegen. Mein Knöchel freute sich diebisch, die Stewardessen weniger. Wenn ich Fotos machen wollte, klemmte ich die Krücken zwischen die Beine, sodass es aussah, als müsse ich ganz dringend aufs Klo. Die beiden entwickelten ihr ganz eigenes Gravitationsfeld: Egal, wo ich sie hinlehnte, sie fielen um, und zwar erst, nachdem ich mich hingesetzt hatte. Aber mein Knöchel war zufrieden. Ich ließ mich a us reiner Prinzipientreue nicht stoppen und beschloss, als arbeitende Schriftstellerin hätte ich die Stadt zu erkunden. Das tat ich auch. Weder der Kalemegdan, eine ehemalige Festung und jetzt ein riesengroßer Park, noch Fußgängerzonen, Kriegerdenkmäler und Szeneviertel waren vor mir sicher. Ich führte Krücken und Knöchel sogar einmal in einen Nachtclub aus. Abends hielt ich Zwiegespräche mit meinem Knöchel. Zunächst verhielt er sich nicht sehr kooperativ, aber mir der Zeit konnte ich ihn rumkriegen. Ich überzeugte ihn, auch mal ein paar Schritte selbst zu tun. Zu beiden Lesungen trat ich ohne Krücken an, der Knöchel spielte mit. Aber nur, weil er wusste, dass die beiden Backstage auf ihn warteten und ihn nicht im Stich lassen würden. Nun, es war nicht so schlimm, wie ich gedacht hatte. Belgrad nahm mir die Krücken nicht übel und mein Knöchel verzieh mir Belgrad. Die Stadt hatte viele Hügel und Gott sei Dank auch einige Parkbänke. (Selbstverständlich fielen die Krücken um, als ich sie dagegen lehnte. Jedes Mal.) Als ich zurückflog, hatte sich mein Knöchel mit mir versöhnt. Er pulsierte nur noch leise, langsam, fast versöhnlich. Immer seltener hörte ich ihn klicken. Wir werden wohl auch weiter gemeinsame Wege gehen, sind schließlich durch mehrere Schrauben und eine Platte zusammengeschweißt. Wir haben wiederentdeckt, was wir aneinander haben – dem romantischen Abstecher nach Belgrad sei Dank. Und es gibt tatsächlich eine Moral von der Geschicht’: Krückengehen ist Scheiße. Aber Belgrad nicht.

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AB HIER: REZENS ONEN

148 All We Are All We Are (Double Six)

Falsett in Rückenlage

Sehr wahrscheinlich werden sich All We Are noch dafür verdammen, dass sie ihren Sound einmal mit »die Bee Gees auf Diazepam« umschrieben haben. Insbesondere weil es sich nicht nur um einen sehr griffigen, sondern auch – und da herrscht breite Einigkeit bei den bisher aktiv gewordenen Journalisten – um einen äußerst treffenden Vergleich handelt. Die Band dürfte ihn jedenfalls so schnell nicht wieder loswerden. Man stelle sich also eine heruntergebremste Discokugel über dem leuchtenden Dancefloor vor. Weichzeichneroptik lässt die Details verschwimmen. Dazu elegante Falsettharmonien. Aus den Instrumenten fließen gleichermaßen unterkühlte wie aufreizende Klänge im Zeichen eines psychedelischen Funk – alles sehr atmosphärisch und doch immer wieder mit kleinen Höhepunkten. Einer davon gleich am Beginn des Albums, wenn sich in »Ebb / Flow« auf ruhiger See langsam Wellen aufbauen, um den Hörer anfangs sanft zu umspülen und schließlich über ihm zusammenzubrechen. Es ist auch eines der Stücke, die etwas mehr Zug entwickeln, während andere aus entspannter Rückenlage mittels weniger rauer Zuspitzung eine hypnotische Anziehungskraft aufbauen. Beides Varianten, die sehr sexy ausfallen können. Zusammengefunden haben die Norwegerin Guro Gikling (Bass), der Brasilianer Luis Santos (Gitarre) und der Ire Richard O’Flynn (Schlagzeug) – alle drei singen auch – am Liverpool Institute Of Performing Arts, also an jener Pop-Universität, die von Paul McCartney mitbegründet worden ist. Am Material ihres Debütalbums haben sie in den Bergen Norwegens, in einem entlegenen walisischen Landstrich und schließlich zurück in Liverpool gearbeitet. Produziert hat Dan Carey (M.I.A., Hot Chip, Bat For Lashes, …). Und um in Sachen Fakten, Fakten, Fakten noch etwas weiter auszuholen: 2014 gab’s unter anderem gemeinsame Konzerte mit Jungle und London Grammar. Was den geschmeidigen Sound von All We Are dann eigentlich auch recht passend verortet. 08/10 manuel Fronhofer

BILD Jon Bergman

Was wäre herausgekommen, hätte man den Bee Gees in ihrer Disco-Phase Beruhigungsmittel verabreicht? All We Are haben die Antwort auf diese Frage: ihre Musik.

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R ez

Låpsley Understudy (XL Recordings)

m u si k

Sizarr Nurture (Four Music)

Die Auserwählte

Acceptable In The 80’s

Dass 2015 ihr Jahr wird, kann die 18-jährige Låpsley wohl nicht mehr hören. Also schlägt sie Haken mit Soul, Chanson, Elektro, Downtempo. Clever, mutig und abwechslungsreich.

Es ist 2015 und die Welt erwartet Marty McFlys Ankunft. Sizarr machen es umgekehrt und lösen ihr One-Way-Ticket in die 80er.

Das Internet wird immer unüberschaubarer und Pop hechelt kurzatmig hinterher. Nur manchmal ist es ein bisschen so wie bei der Mode: Man weiß im Winter schon ganz genau, was man im Frühling tragen wird. 2012 waren es Haim und Angel Haze. Ein Jahr später Sam Smith und Banks. Das sagt die BBC. Und weil deren Listen fast so prestigeträchtig sind wie der Mercury Music Prize, haben gewisse Alben schon im Vorhinein ein kleines Siegel eingebrannt. Dann weiß man genau, dass eine Reihe von Künstlern das ganze Jahr über auf dem Silbertablett präsentiert werden wird. So wie Låpsley aka Holly Laspley Fletscher. Vorabhypes sind immer gut fürs Geschäft, aber eben auch oft traurig für Pop als Kunstform, Banks und Haim gingen etwa zum Debüt hin die Ideen aus. Bei der jungen Britin Låpsley wird das anders sein. Wenn ihr Debüt so abwechslungsreich und clever aufgebaut ist wie der Szenenwechsel zwischen ihrer ersten und zweiten EP, dann muss man sich weder Sorgen ums Geschäft noch den inhaltlichen Anspruch machen. Die erst 18-jährige Produzentin und Sängerin aus Liverpool wiederholt sich nicht, arrangiert mutig und streift zügig durch die Stilformen elektronischer Musik. »Understudy« ist weniger club- und remixtauglich wie der Vorgänger »Monday« und doch mehr als nur die zarte Piano-R’n’B-Hymne. »Falling Short« ist bewusste Stille zwischen klickenden Beats, Synth-Pop-Ansätzen, Downbeat, House sowie Sound- und Vokalexperimenten. Und niemals kam sie Soul so nahe wie in »Dancing«. Jeder Song schlägt seinen eigenen Weg ein. Låpsley mag ihrem Alter voraus sein, ihre EP aber spiegelt ein bisschen das Lebensgefühl einer Musikerin der Generation Maybe wider. Will ich in den Club oder ins Konzerthaus? Sind das HipHop-Wurzeln oder ist da jemand mit Klassik aufgewachsen? Wozu gibt es das Internet – heute sozialisiert man sich nicht mehr über eine Plattensammlung, sondern auf Google. Genauso wenig wie Låpsley diese eine Stimme hat, wird es 2015 diese eine Låpsley geben, die man uns als New Hot Shit ans Herz legt. 08/10 Franziska Tschinderle

Immer wieder dieselbe Leier, tagtäglich aufs Neue erlebbar: Eine Indieband aus der Provinz mit sehr gutem Debüt, dazugehörigem Hype und Echo-Nominierung geht in die Großstadt. Dort verliert sie sich zwischen persönlichen Zores und falschen Ansprüchen. Die immer noch jungen Sizarr unterlaufen das elegant, alle drei zogen in unterschiedliche Städte. Nicht nur deshalb ist »Nurture« das genaue Gegenteil vom sprichwörtlichen schwachen zweiten Album und die Sizarr schon immer bescheinigte Aussicht auf die Weltbühne wird noch ein Stückchen klarer. Während das Debüt noch gut zum damals heißesten Scheiß – vor allem Alt-J und Django Django – gepasst hat, geht es nun doch einen großen Schritt zurück in die 80er. Als pränatale musikalische Spurensucher pendeln Sizarr nun zwischen großen, wavigen Pophymnen (etwa »Clam« oder »I May Have Lied to You«) und verwundbaren E-Piano-Elegien für junge Liebende (»Untitled«) und werden dabei zu Epigonen der Indie-Heroen von vor 30 Jahren. Melodien und Harmonien lehnen sich da gerne an The Cures »Disintegration« und allgemein an The Smiths an, mit einem Auge schielt auch noch The Police hinter den sanften Synthiebergen hervor. Dann sind auch noch nahezu sämtliche Refrains auf Indie-Hit getrimmt und die Tanzbarkeit – mal wild, mal mild – wird zum höchsten Gut erhoben. Auch deshalb fühlt sich »Nurture« nach gutem altem Freund an, schon nach wenigen Durchgängen ist man vollends damit vertraut. Überhaupt dieser Titel, »Nurture«. Ausgehend von der Erziehung geht’s lyrisch doch wieder einmal um die großen Fragen der Existenz, dem Konflikt mit der »Nature« inklusive. Alles schlüssig. Gestelzt kommt dabei nur der Versuch rüber, »Einsamkeit« und »Zweisamkeit« in den englischen Wortschatz zu integrieren, die sind eben noch längst keine »angst«, »gemutlichkeit« und »weltschmerz«. Und wenn Marty McFly wirklich im Oktober zurückkommt, die Sehnsucht nach 1989 zu groß wird und er kein Hoverboard-Douche wäre, würde er vielleicht Sizarr hören. Aber das ist spekulativ. 07/10 Stefan Schallert

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Neigungsgruppe Indie

Schöner Lärm, betörende Stille, alles dazwischen und natürlich die obligate Ausnahme. Ausgewählt von Manuel Fronhofer.

Future Brown Future Brown (Warp)

Die Zukunft war gestern Kuratoren von Gegenwartskunst, Musikkritiker und irgendwer im Internet haben sich sicher auf »Future Brown« gefreut. Doch wer zuletzt releast, releast am schlechtesten. 2014 war das Jahr der Zukunft. FKA Twigs landete auf der Erde und brachte in Form von »LP1« ein außerirdisches Kamasutra als Hörbuch mit. Arca experimentierte im Soundchemiekammerl und gewann dabei das flüchtige »Xen«, PC Music explodierte wie eine zu heftig geschüttelte Cola-Flasche und auch Fatima Al Qadiri schuf wundersamen Midi-Terror für einen Astralclub. Entrisch, experimentell, eigen. Doch im Gegensatz zu anderen Avantgarden wurde diese von soundaffinen Erdenmenschen, Kritikern und auch Robert Pattinson wohlwollend aufgenommen, eben weil sie anders war und damit kokettierte. Dass alle genannten Künstler sehr unterschiedliche Varianten von Zukunftsmusik schufen, spricht dann doch dafür, dass 2014 nicht ganz so scheiße war. Das sei hier alles gesagt, weil wir dem Future Brown-Release sicherlich geneigter gewesen wären, hätte er uns schon Anfang 2014 ereilt, wo unsere Gehörgänge noch über Regaetton-Beats an ätherischen Midi-Chören erstaunt gewesen wären. Jetzt, Anfang 2015 kennen wir das eben schon. Will man das Label der Zukunft zu Recht tragen, so wie Future Brown das schon im Namen tun, muss man eben auch immer ein paar Schritte voraus sein. Das gleichnamige Debüt des Quartetts – bestehend aus der genannten Al Qadiri, den beiden Nguzunguzus und J-Cush, dem Chef von Lit City Trax – ist zwar noch immer ein überdurchschnittlich gutes Album – hierfür sorgen nicht zuletzt großartige Vokalisten wie Kelela oder das Timberland-Ziehkind Tink – aber eine richtige Überaschung sieht anders aus. Soll nicht heißen, dass man zu »Talkin Bandz« nicht trotzdem im Club austicken könnte, soll nicht heißen, dass »Vernáculo« nicht das »Gasolina« von MoMAKuratoren werden kann. Was man den vier Musikern sicherlich nicht vorhalten kann ist, dass viele Köche den Brei verdorben hätten. Nein, auf »Future Brown« hört man zwar sehr wohl die Verantwortlichkeiten der einzelnen Musiker heraus, aber alles stimmt bestens und ausgewogen zusammen. Irgendwer von ihnen hätte halt ein bisschen salzen können. 06/10 Amira Ben Saoud

Sleater-Kinney No Cities To Love (Sub Pop) — Mit großer Vorfreude erwartet, aber auch mit der Befürchtung im Hinterkopf, dieses Comeback könnte, wie viele andere, vielleicht doch enttäuschen. Und jetzt – alles gut! »No Cities To Love« ist eine Sleater-Kinney-Platte, wie sie besser kaum sein könnte. Energisch, dringlich, eingängig und gleichzeitig kantig, von politischem Bewusstsein durchsetzt, musikalisch souverän und sehr lässig. Immer noch eine der wichtigsten (Punk-)Rock-Bands überhaupt. Jib Kidder Teaspoon To The Ocean (Weird World) — Der Begleittext meint, Multimediakünstler Sean Schuster-Craig alias Jib Kidder versuche, »die leicht diffusen, schwer greifbaren Gefühle einzufangen, die bleiben, nachdem man aus einem Traum erwacht«. Also hören wir: selbstverloren wabernde Synthesizer, absurde Stimmeffekte, exotisches Instrumentarium, ein Saxophon, blass-bunte Farben. Erinnert an den psychedelischen Pop Connan Mockasins und zieht viele kleine Ideen aus dem Ärmel. In Zeitlupe. Sonny & The Sunsets Talent Night At The Ashram (Polyvinyl) — Schon sein Projekt »100 Records«, für das Sonny Smith Musik für 100 fiktive Bands eingespielt hat, war eine hörenswerte (leicht megalomanische) Angelegenheit. Auf dem letzten Album von Sonny & The Sunsets spielten paranormale Erfahrungen eine Rolle. Und jetzt eine Sammlung von bizarren Geschichten, die eigentlich Kurzfilme hätten werden sollen – musikalisch irgendwo zwischen 60er-JahreFolk und zerzaustem Gitarren-Pop. Schön schräg. Black Yaya Black Yaya (City Slang) — Noch so ein eigenwilliger Kerl. David Ivar, eine Hälfte von Herman Dune, macht solo als Black Yaya auch nicht großartig viel anders als mit seiner Stammband, doch es klingt so wunderbar gelöst und voller Leichtigkeit, dass man sich dem Charme dieser Musik gar nicht entziehen kann. Westcoast-Pop, SongwriterFolk, ein Hauch Country, ein bisschen mehr Opulenz in den Arrangements vielleicht – alles in allem eine herzerwärmende Mischung. Panda Bear Panda Bear Meets The Grim Reaper (Domino) — Der Panda – Lieblingsbär der Redaktion. Und natürlich mögen wir auch jenen aus dem Animal Collective. Auf seinem fünften Soloalbum gewinnt Noah Lennox dem Dialog von experimentellen Klangwelten und psychedelischem Pop wieder aufregende Musik ab, die unverwechselbar seine Duftnote trägt und deren Melodien sich wie Mantras in den Gehörgängen festsetzen. Es heißt, es könnte die letzte Platte unter diesem Pseudonym sein. Wäre ein würdiges Finale.

Und auSSerdem natürlich:

All We Are – All We Are (Double Six) Entspannt-atmosphärischer Indie-Funk unter der Discokugel. Soko – My Dreams Dictate My Reality (Because) Die Französin setzt jetzt auf frühe The Cure statt verletzlichen Folk. Dan Deacon – Gliss Riffer (Domino) Der Elektronik-Pop-Wizard zaubert wieder. 047

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Pop. Was?

Für den Fetischcharakter und für die Regression des Hörens. Ausgewählt von Stefan Niederwieser. Jazmine Sullivan Reality Show (Sony) — »Fearless« hieß ihr erstes Album. War eher ein Wunsch. Mit 13 sang sie mit Stevie Wonder, mit 15 bekam sie einen großen Vertrag. Das Album ist nie erschienen. Beyoncé sagt, sie ist eine der Besten. Dann vier Jahre Auszeit. Sehr viel Drama. Liebe als biblische Plage. Das ist alles in schillernden Farben, exiquisiten Stoffen und fantastischen Melodien drauf. In Österreich wird sich das nicht verkaufen. Wer interessiert sich schon für alltägliche Probleme schwarzer Frauen? Caribou The Longest Mixtape (Youtube) — 1000 Songs. Aus reiner Dankbarkeit einfach so in einer Youtube-Liste. Wir danken. Selbst wenn man Nächte und Jahre nur mit Musik verbracht hat, dann sind hier Töne, Grooves und sonische Seinszustände drin, die einen staunen lassen, was möglich war, was noch kommt. Caribou hat so nebenbei erstaunlich viel Musik außerhalb des Kanons und Nicht-Englisches eingeflochten. Kann man jetzt mit diesen Songs bitte Generationen von Musikern großziehen? Lupe Fiasco Tetsuo & Youth (Warner) — Wer lieber malt und eine heitere Mundharmonika im Rap verwendet, hat dort vielleicht wirklich sein Ende erreicht. Lupe möchte als der weirde Typ in Erinnerung bleiben, nicht ganz im Scheinwerfer, ohne all den künstlichen Beef. Er hinterlässt ein psychedelisches Album, das nicht in seine Zeit passt, voller bunter Wortspiele, deeper Beats, geschichteter Storys, psychedelischer Texturen und Rap, der ganz mühelos an Grenzen geht. Nächster Stopp Kunstakademie. Arca Sheep Hood By Air FW15 Mixtape (Free Download) — »HBA shit is weak«, damit spuckte ausgerechnet Asap Rocky, der das Street Fashion Label Hood By Air groß gemacht hatte, allen falschen Gangstern in »Multiply« vor die Füße. Später spielte er es runter. HBA stattet derweil Future Brown aus und lässt sich seine Laufsteg-Shows von Arca vertonen. Der samplet Robert Wyatt und Land Del Rey, kitzelt mit einem apokalyptischen Chor an den Nerven und macht in 17 Minuten alles richtig. Clarence Clarity No Now (Bella Union) — Laptops sind ein Problem. Immerhin lässt sich darauf jedes Detail eines Songs verfeinern, schleifen, herauslösen und alles verändern. Das hilft dem Song nicht immer. Manchen Menschen merkt man das bei aller Brillanz ihres Gehörs und Sounds an. Sie können nicht loslassen. Das Debüt des Briten CC hat dabei sehr viel Funk und Kreativpulver gefressen. Aber wenn er dann die richtige Dosis erwischt, wartet ein synthetisches Avant-Funk-Electro-Wunderland.

Und auSSerdem natürlich:

Future Brown – Future Brown (Warp) Extrem harte Panflöten aus dem Internetghetto. Viet Cong – Viet Cong (Jagjaguwar) Krachrockx Not Dead. D’Angelo – Black Messiah (RCA) In der Kirche des Körpers gibt es einen obersten Hohepriester.

Madonna Rebel Heart (Interscope / Universal)

Alles Schlampen außer Mutti Nach über 30 geleakten Demos steckt Madonna inmitten einer halben Beyoncé und der unangenehmsten PromoKampagne ihrer Karriere. Es gibt auch Lichtblicke. »Artistic rape« und »a form of terrorism« hat Madonna es auf ihrem Instagram-Account geschimpft, als im Dezember vergangenen Jahres zwölf hörbar unfertige Songs ihren Weg ins Netz fanden. Es war nicht das erste Mal, dass Frau Ciccone von Hackern, äh, künstlerisch vergewaltigt wurde – um die Jahrtausendwende war sie einer der ersten großen Popstars gewesen, die mit illegalen Frühgeburten zu kämpfen hatten. Man möchte demnach meinen, Team Madonna wüsste inzwischen genau, wie ein derartiges Debakel vermieden werden kann. Bei Mutti hingegen ist es sowas wie der Leak that keeps on leaking: Mit Anfang Jänner sind wir gar auf über 30 Songs. Der Digitalisierung sei Dank kann heutzutage aber auch recht gut Schadensbegrenzung betrieben werden – mithilfe eines halben Beyoncé. Der halbe Beyoncé beschreibt den unangekündigten Release eines Albums, jedoch – anders als beim vollen Beyoncé – nicht in seiner Gänze. Es wurde also das ursprünglich für Frühjahr geplante Album schnurstracks auf iTunes gepfercht, inklusive sechs der 19 Songs als Instant-Grat-Schmankerln. Und puh, die haben es wirklich in sich. Früher mal war Madonna sowas wie die Vorturnerin für sämtliche Popstars. Leider ist Avicii zu ihr gekommen. »Rebel Heart« ist mit seinen bisherigen sechs Songs jetzt schon so ziemlich das willkürlichste Album des Jahres. Statt aufstrebenden Underground-Producern bekommt man Diplo und ein Nicki Minaj-Feature. Wir springen von den absurdesten Trap-Breaks hin zu Reggae-Einflüssen, zu Akustikgitarre mit »House of the Rising Sun«Melodie bis hin zur Kitsch-Pop-Ballade und – natürlich – 90er-House auf der Lead-Single. Trotz der offensichtlichen Kiesza-Klauerei ist »Living For Love« aber die wohl beste Madonna-Single seit »Jump«. Ein roter Faden geht sich sowieso nicht mehr aus. Was die Promotion angeht, das regelt Madge auf Instagram. Sie hashtaggt unermüdlich #unapologeticbitch. And she’s not sorry. Dann aber bitte endlich wieder gute Popmusik und kein Trendhopping. 04/10 Franz Lichtenegger

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Und anderes Musikalisches dazwischen und darüber hinaus. Kuratiert (ha!) von Amira Ben Saoud. D’Angelo Black Messiah (RCA) — Selten ist bei den ersten zehn Sekunden eines Albums klar, dass man gerade bei etwas ganz Großem dabei ist. Aber D’Angelo hat seine Fans nicht umsonst 14 Jahre auf den Nach­ folger von »Voodoo« warten lassen. Folgerichtig heißt das neue Album »Black Messiah« – denn der Messias lässt sich bekanntlich Zeit. Auch wenn wir nicht blasphemisch sein wollen: Würde die Bibel sich mehr so lesen, wie »Black Messiah« klingt, wären wir sofort bereit zu glauben.

Joey Bada$$ B4.DA.$$ (Pro Era)

N.Y. State Of Mind Joey Badass hat nicht das wichtigste Debütalbum der Zehner geschrieben. Aber mit 20 trifft der Best Coast Rapper die goldene Mitte aus Schmäh und Grimm. In den 90ern, da hatten Rapper noch etwas zu erzählen. Geschichten von der Straße, davon was es heißt, in den USA aufzuwachsen, in einer segregierten Gesellschaft mit ihrem Rassismus, der Polizeigewalt und viel schlimmer, ihrer strukturellen Gewalt. Heute gibt es auch viel zu erzählen, aber wenn Joey Badass nun diese Zeit aufgreift, den Boom Bap von DJ Premier und KRS One, dann knüpft er damit auch an diesen Versprechungen an, als Rap ein Mittel war, etwas über den Alltag auf den Klingen des Todes zu erzählen. Und nur weil da ein schwarzer Präsident jetzt gerade, ausgerechnet am Tag der Veröffentlichung des Albums, am 20. Geburtstag von Joey Badass, das größte Wirtschaftswachstum der letzten 20 Jahre verkündet, heißt das nicht, dass nicht doch ein einziges Prozent der Weltbevölkerung mittlerweile das halbe Vermögen aller besitzt, als wären die Dollar-Bills nicht immer noch das, »what kills y’all«. Der Albumtitel selbst heißt ja ausbuchstabiert »Before The Money«. Das klingt ungefiltert, roh und im Einzelfall auch immer echt und wahr. Aber eigentlich passt es so gar nicht zum Anspruch seines Labels Pro Era, also der Progressive Era, und dem Gefühl, dass es bei aller Kritik an dem System es doch eben immer die USA sind, die den Karren aus dem Dreck ziehen. Es ist ein zwiespältiges Album, voller Old School-Grooves, gerechter Auskotzerei, Angeberei, treffenden Bildern und Beats, die so gar keine Spur von Gegenwart erkennen lassen. Badmon, das Schlagwort von »No.99« und ein Alter Ego von Joey ist so ein Glücksfall, in dem sich das alles mühelos zusammenfügt. Kendrick oder Nas ist er allerdings noch keiner. Da sind sich zumindest die Leute einig, die so ein Album nach drei Durchläufen bereits nach Reifegrad und Bitterstoffen des Rappers beurteilen können. Es schafft jedenfalls eine Balance, ist aggressiv und zurückgelehnt, grimmig und witzig, mal düster, dann gut gelaunt. »Curry Chicken« ist ganz am Ende noch so ein Song, bei dem man sich erst gar nicht mehr fragt, ob das nun zu Vintage ist. Es könnte so einfach sein. Zum Glück weiß Joey, dass es das nicht ist. 07/10 Stefan Niederwieser

Schwesta Ewa Kurwa (Alles oder nix) — Nicht ganz so himmlisch geht es bei Schwesta Ewa zu, wo Nonnen zu Nutten werden und zu viele Neider auf Baba machen. Ewa hat vielleicht nicht die fettesten Beats und die besten Reime, aber für ihr Debüt muss sich die Königin des deutschen Rotlichtrap auch nicht schämen. Schon allein, dass Ewa es irgendwie geschafft hat, genau das zum eigenen Genre zu machen, verdient Respekt. Escortflow, isch fühle disch. Rae Sremmurd Sremmlife (Ear Drummer) — Bei den Gebrüdern Brown läuft der Fame, seit sie mit ihren Superhits »No Flex Zone« und »No Type« quasi das »Crank That« für 2014 schufen. Zieht man sich das Debüt »Sremmlife« in voller Länge rein, kann der eigenwillige StimmbruchFlow schon mal nerven. Haut man aber jeweils nur eine Nummer in ein Set, wird es auf der Tanzfläche donnern und blitzen. Ist dann auch egal welche, denn sie sind alle sehr gut. Rome Fortune � OG Maco Yep EP (Free Download) — So wie die Sremmurds treiben sich auch OG Maco und Blaubart Rome Fortune in Atlanta herum und haben ebenso viel für verrückte Intonation übrig. Weniger kurios als auf »U Guessed It« von OG, Anwärter auf das wahnsinnigste Stück Musik des Vorjahres geht es auf ihrer EP »Yep« zu, die die beiden Talente als gratis Download verschenken. So wie die klingt, darf angenommen werden, dass sie diese Almosen bald nicht mehr nötig haben. Pipifein. Björk Vulnicura (One Little Indian) — Es gibt wenige Werke, die in der Offenlegung einer tief persönlichen, schmerzlichen Erfahrung weder exhibitionistisch noch kryptisch sind. Die Unsicherheiten, die Wut und das Unverständnis, aber auch die klaren Momente im Kampf mit einer Liebe, die sich nicht aufrechterhalten lässt, sowie die universelle Erfahrung des Scheiterns und Hoffens – all das sind die Zutaten von »Vulnicura«, der Wundheilung. Ein großartiges Album, das niemanden kalt lässt.

Und auSSerdem natürlich:

Charlie XCX – Sucker (Asylum) Musik für solide Zungenpritschler. Ghostpoet – Shedding Skin (PIAS) Nostalgischer Bloc-Party- und The-National-anno-2003-Sound. Salute – Silver Tides EP (Dime Club) Könnte auch Golden Tides heißen. Top.

01/10 grottig 02/10 schlecht 03/10 naja 04/10 ok, passt eh 05/10 guter Durchschnitt 06/10 sehr gut 07/10 super 08/10 ein Top-Album des Jahres, Genre-Klassiker 09/10 absolutes Meisterwerk

Pop, Bass, Hop

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R ez John Wick (von Chad Stahelski & David Leitch; mit Keanu Reeves, Michael Nyqvist, Alfie Allen) — Auftritt Keanu Reeves, urbaner Samurai und Ex-Auftragskiller. Nach dem Tod seiner Frau zieht er sich in die blaugraue Isolation seines Wohnkubus’ zurück – bis seine Vergangenheit ihm mit einem Baseballschläger auflauert. Russische Gangster brechen in sein Haus ein, töten seinen Hund (die letzte Verbindung zu seiner Frau) und klauen den geliebten Mustang. In Rage versetzt und emotional wiederbelebt, begibt sich John Wick auf Rachefeldzug. Er packt den verstaubten Waffenkoffer aus – der Einbrecher, Sohn seines ehemaligen Arbeitgebers (Michael Nyqvist), muss sterben. »John Wick« bedient sich vieler klassischer Tropen des Actiongenres, legt diese allerdings durch eine sich durch den Film ziehende Widersprüchlichkeit offen. Wird in einer Szene noch ein Klischee bedient, bricht er wenig später mit jeder Erwartungshaltung. Das filmeigene Universum (Stichwort: Assassinenhotel) gibt dem Film eine absurdkomische Qualität und eine endlose Vorlage für Spin-offs und Sequels. Der vielleicht größte Coup des Films ist, dass er bei den Kampfszenen auf wacklige Handkameras verzichtet und stattdessen in aller Ruhe dem sich durch Bodyguard-Armeen prügelnden Keanu Reeves folgt. So können sich die Gewalt-Choreografien in ihrer ganzen körperlichen Intensität entfalten und bilden das schnörkelund kompromisslose Fundament des Films – no gimmicks, no bullshit. 07/10 Nils Schröder The Imitation Game (von Morten Tyldum; mit Benedict Cumberbatch, Keira Knightley, Matthew Goode) — Alan Turing, Mathematikgenie mit leichten sozialen Verhaltensauffälligkeiten, wird während des Zweiten Weltkriegs damit beauftragt, Enigma zu knacken, jenen Geheimcode, mit dem die Deutschen all ihre Funksprüche verschlüsseln. Tatsächlich gelingt dies Turing (hervorragend: Benedict Cumberbatch) zusammen mit seinem Team denn auch mit der Hilfe eines Proto-Computers – der Krieg kann so um geschätzte zwei Jahre verkürzt werden. Und doch bekommt er nie die Anerkennung, die er sich durch seine Leistung verdient hätte, zerbricht an der Intoleranz der Gesellschaft und begeht Selbstmord, nachdem er wegen seiner Homosexualität eine chemische Kastration durchführen musste. »The Imitation Game« stellt sich für die Weinstein Company jetzt schon als gewinnbringender heraus als Filme wie »The King’s Speech« und »The Artist«. Und das verwundert nicht: Der Film ist unterhaltsam, vermischt Spannung mit ein klein wenig Humor und wird von einer Filmmusik untermalt, die alle emotionalen Dynamiken ausreizt, ist alles in allem handwerklich sehr solide aufgebaut. Bei einem solch groß aufgezogenen MainstreamBiopic kommt immer wieder die Frage auf, wie viel dramaturgische Schönheits-OPs ein Film aushält, der eine historische Realität nachstellen soll. Doch Regisseur Morten Tyldum macht aufmerksam auf einen Mann und dessen Leistungen, die aufgrund von seinen kriminalisierten sexuellen Neigungen von der Allgemeinheit übersehen wurden – das ist viel wert. Und wenn der Film streckenweise zu formelhaft anmutet, so ist dies am Ende vielleicht doch die richtige Formel für einen Oscar-Gewinn. 07/10 Leonie Krachler

Film

Birdman (oder die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit) (von Alejandro González Iñárritu; mit Michael Keaton, Emma Stone, Edward Norton)

Bird in a Cage Alejandro González Iñárritu legt mit seinem fünften Langfilm ein technisches wie inhaltliches Meisterwerk vor. Der Oscar-Favorit lässt zeitweise aber auch den Schädel brummen. Von Festival zu Festival gereicht, löste »Birdman« bereits im vergangenen Herbst orkanartige Jubelstürme aus. Der Kritikerzunft blieb und bleibt im Grunde gar nichts anderes übrig, als Alejandro González Iñárritus (»Amores Perros«, »Babel«) neues Werk mit Lob zu überschütten. Allein die Tatsache, dass der Film (scheinbar) in einer einzigen, fast zweistündigen Einstellung geschossen wurde, rechtfertigt schon eine baffe Ehrfurchtsbezeugung. »Birdman« besticht aber auch durch ein groß aufspielendes Ensemble und fesselnde Charaktere, die gemeinsam den charmanten, wenn auch leicht muffigen Mikrokosmos des Broadway-Theaters beleben, das Iñárritu minutiös auf der Leinwand nachbildet. Der Schauspieler Riggan Thomsen (Michael Keaton) wurde als Kino-Superheld Birdman berühmt. Um das Stigma seiner Paraderolle abzulegen, hat sich der ehemalige Hollywood-Star mit Herz und Seele einem ambitionierten Projekt verschrieben: Er arbeitet als Produzent, Regisseur und Hauptdarsteller an der Broadway-Inszenierung einer Raymond-Carver-Kurzgeschichte. Dabei muss sich Riggan nicht nur mit seiner entfremdeten Tochter (Emma Stone) und einem genialen, aber unkontrollierbaren Theaterschauspieler (Edward Norton), sondern auch mit seiner inneren Stimme herumschlagen. Die spricht als Birdman zu ihm und verurteilt sein angestrebtes neues Leben abseits des Massenentertainments. »Birdman« handelt von Identitätssuche und -bestätigung, von Selbstverwirklichung, Popularität und der Macht der sozialen Medien; er handelt von der Kluft zwischen Filmbiz und Theaterwelt, von der Kluft zwischen Theaterwelt und realem Leben, von einer verkorksten Vater-Tocher-Beziehung, et cetera, et cetera. Hinzu kommen zahlreiche Meta-Ebenen (dass der als Batman bekannt gewordene Keaton einen ehemaligen Superhelden-Darsteller verkörpert und das Carver-Theaterstück den »Birdman«-Plot widerspiegelt, sind noch die offensichtlicheren). Diese Vielfalt ist zweifellos beeindruckend, schnürt dem grandiosen Ensemble aber manchmal die Luft ab und sorgt mit Sicherheit dafür, dass manchem Zuschauer am Ende des Trips der Schädel brummt. 08/10 Leo Dworschak

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www.vinyltom.at

www.wholelottasound.eu c

Foxcatcher (von Bennett Miller; mit Steve Carell, Channing Tatum, Mark Ruffalo)

Fox in the Snow Bennett Miller fügt mit seinem neuen Film seinem bisher noch überschaubaren, aber grandiosen Oeuvre ein weiteres souveränes Kabinettstück hinzu. Was macht einer, der zu viel Geld, aber zu wenig Leben hat? Er kauft sich eines, genauer gesagt: einen Lebensinhalt. Das dachte sich jedenfalls John du Pont. Er, der mehr Familienname als Geschäftssinn der erfolgreichen Unternehmerdynastie geerbt hat, kauft sich einen Ringer – weil er kann und weil sich Mark Schultz, Olympiasieger 1984 und mehrfacher Weltmeister, nach dem Ausbleiben weiterer großer Erfolge kaufen lässt. Mark selbst glaubt zunächst, sich wie ein Phönix aus der Asche erneut in den Ringerolymp und somit auch aus dem Schatten seines etwas erfolgreicheren Bruders David erheben zu können. Und du Pont fungiert in dieser, seiner Geschichte nicht nur als völlig unerfahrener, aber anstandslos tolerierter Trainer für die allmählich zusammengestellte Ringermannschaft Team Foxcatcher, sondern fährt fort, sich selbst als »America’s Golden Eagle« bezeichnend, die Realität zu übersteigen. Mark, der in seiner eigenen Verlorenheit nicht des Geldes wegen du Pont auch Freund ist, verliert sich im Abseits, als du Pont letztlich auch noch Marks Bruder David mitsamt der Familie einkauft. Der erneut im Schatten seines Bruders stehende Mark zieht seine Konsequenz und geht. John du Pont verdrängt jedoch immer schwerer, dass wahre Beachtung und Erfüllung nicht käuflich sind und ihm seine Lebenslüge teuer zu stehen kommt. Wohl durch die unerfüllbare Leere wie ein Fuchs getrieben, lässt du Pont folgenschwere Schüsse fallen – weil er kann und weil diese die ihn zu lang begleitende Stille zerreißen. Bennett Miller (»Capote«) erzählt diese konsequent recherchierte Geschichte über Sehnsucht und scheinbar un- und doch begrenzte Möglichkeiten, über Freundschaft und Familie in präziser Ästhetik und bewegender Interaktion. Mark Ruffalo (als David Schultz) zeigt einmal mehr, dass er die Charakterdarstellung solide beherrscht und auch Channing Tatum (als Mark Schultz) fügt seinem Spiel mehr Ecken und Kanten bei. Steve Carell als John du Pont kann durchaus sprachlos machen und beweist endgültig seine darstellerische Vielseitigkeit. Sienna Miller (als Frau von David Schultz) und Vanessa Redgrave (als Mutter du Pont) sind in ihrer Unaufdringlichkeit die nötige Ergänzung. Sollte man schauen. 09/10 Miriam Frühstück

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Art and Destruction Since 1950 14. 11. 2014 – 15. 02. 2015 Organisiert vom Hirshhorn Museum, Smithsonian Institution, Washington DC (USA) in Zusammenarbeit mit dem Mudam Luxembourg und Universalmuseum Joanneum/Kunsthaus Graz. Kuratoren: Kerry Brougher, Direktor, Academy Museum of Motion Pictures, Los Angeles; Russell Ferguson, Professor, Institut für Kunst, University of California, Los Angeles. Lendkai 1, 8020 Graz, Di–So 10–17 Uhr www.museum-joanneum.at

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Arnold Odermatt, Buochs, 1965 (Detail). © Urs Odermatt, Windisch, Switzerland; Courtesy Galerie Springer Berlin, © Bildrecht, Wien 2014

Tickets: € 25 / € 19 mit HDM-Membercard, Seilerstätte 30, www.hdm.at

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Buch

Jochen Distelmeyer Otis Rowohlt

Seitenweise Geschichten

Arnold Odermatt, Buochs, 1965 (Detail). © Urs Odermatt, Windisch, Switzerland; Courtesy Galerie Springer Berlin, © Bildrecht, Wien 2014

© Jakob Gsoellpoitner

Literatur, leicht und schwer, dick und dünn. Gelesen von Manfred Gram.

Und immer lockt Berlin Jochen Distelmeyers Prosa-Debüt „Otis“ arbeitet sich im Gewand eines Künstlerromans an Berlin. Bitte nicht schon wieder … Der Sänger/Songschreiber und Hamburger SchuleVordenker Jochen Distelmeyer hat einen Roman geschrieben. Sein literarisches Debüt »Otis« hat dabei erstaunlich wenig mit Blumfeld zu tun, dafür sehr viel mit Berlin. Umrahmt von schönen Worten und klugen Sätzen hadert Distelmeyers Hauptstadtblues schon zu Beginn mit seiner Handlung. Die Hauptfigur Tristan Funke verlässt aufgrund einer gescheiterten Liebesbeziehung Hamburg und zieht in die deutsche Hauptstadt, um dort im Ostberliner Altbau mit Jugendstilkommode seine Herzenswunden zu lecken und ein Buch zu schreiben. Was in Folge passiert, wurde schon oft erzählt: Es geht um Männer und vor allem um Frauen, um Dichter, Verleger und das Literaturbusiness, um Kunst und Politik, um Thekengesänge und Mythologie. Das Große ist stets im Kleinen verankert und umgekehrt. Während im Hintergrund des Geschehens der Bundespräsident zurücktritt, begibt Tristan sich auf eine private Odyssee. In formschöner Reminiszenz an den magischen Realismus trifft er so auf Nymphen, Zauberinnen, Götterboten. Es gibt Leute, die haben Flügel. Vor allem aber gibt es zwei Frauen: Leslie, die Fotografin, und Stella, die Schauspielerin. Beide wissen nichts voneinander – bis auf einer letzten, großen Party seine Geliebten, seine Vergangenheit und seine Zukunft aufeinander treffen und die Ereigniskette einer klassischen Tragödie auslösen, die sich mit dem Asphalt der Straßen Berlins vermengt. Das große Problem von »Otis« ist nicht unbedingt, dass die Handlung sich wohlbekannter Motive bedient. Ganz plakativ gesagt liegt das Problem darin, dass »Otis« ein weiterer Berlin-Roman ist, der sich selbst zitiert und sagt: Ein Berlin Roman ist ein Berlin Roman ist ein Berlin Roman. Distelmeyer reiht sich in die literarische Tradition ein, Berlin als geographische, politische und kulturelle Metaebene einzuführen und im Laufe der Erzählung als sinnbildendes Hauptsujet zu stilisieren. Das Auf- und Untergehen inmitten der Metropole, die Hauptstadt als Motiv und gleichzeitiger Ausdruck der persönlichen wie kollektiven Befindlichkeit. Was dann bleibt, ist eine Geschichte, die wir alle kennen, aber wohl nicht nochmal neu schreiben würden, da sie schon ein paar Mal zu oft erzählt worden ist. 05/10 Michael Kirchdorfer

E. Banauch, A. Ganser, M. Blumenau (Hg) Austro Bob. Österreichische Aneignungen von Bob Dylans Poesie und Musik. (Falter Verlag) — Einmal im Jahr werden Rufe laut, man solle endlich Bob Dylan den Nobelpreis für Literatur anerkennen. Wie nachvollziehbar das ist, zeigt dieses Kompendium mit seiner Mischung aus kulturwissenschaftlichen Reflexionen, persönlichen Annäherungen und Textauszügen. Lustig: Der kleinste Nenner von Doris Knecht und Hans Krankl ist anscheinend Bob Dylan. Daniela Emminger »Schwund« (Klever Verlag) — Bayern, Berlin, Lourdes. Anni König kommt mit ihrer sterbenskranken Mutter Karla (Diabetes Endstadium, blind, Rollstuhl, alle zwei Tage Dialyse) ganz schön rum. Die will ihr Ende nämlich selbst in die Hand nehmen. Sensibel, berührend und fordernd werden über die Mutter-Tochter-Beziehung, Leben und Tod verhandelt. Keine leichte Kost, aber bei aller Schwere ist »Schwund« immer auch leichtfüßig erzählt. Karen Köhler »Wir haben Raketen geangelt« (Hanser) — Beim Bachmann-Wettlesen 2014 war Karen Köhler eingeladen, durfte aber nicht mitmachen: Windpocken. Ihr Erzählband-Debüt kriegte dennoch die Aufmerksamkeit, die es verdient. Denn Köhler gelingen neun herausragende Kurzgeschichten über starke und schwache Frauenfiguren, die auf ihre Weise Liebe, Leben, Tod und Schmerz begegnen und verarbeiten. Pralles Leben, bizarr serviert. Ian McEwan »Kindeswohl« (Diogenes) — Das Leben der Richterin Fiona Maye gerät ins Straucheln. Ihr Mann sucht eine Affäre und sie hat einen äußerst kniffligen Fall. Der 17-jährige hochbegabte Adam leidet an Leukämie, will aber als gläubiger Zeuge Jehovas keine rettende Bluttransfusion. Präzise aufgebauter Roman, der das Konfliktpotenzial im Spannungsfeld Moral, Wissenschaft und Religion durchdekliniert. Vom Kleinen ins Große und wieder zurück. Thomas Raab »Still. Die Chronik eines Mörders.« (Droemer) — Krimi-Autor Raab verlässt gewohnte Pfade, bleibt aber dennoch bei Blut und Mord. In »Still« erzählt er die Geschichte von Karl Heidemann, der mit einem hochsensiblen Gehör ausgestattet ist und isoliert und schweigsam aufwächst. Frieden findet er nur in der Stille des Todes. Lautlos zieht er eine Spur des Todes durch Dorf und Land. Wuchtig, mit klarer Sprache und vor allem wertfrei analysiert Raab seinen Antihelden.

Und auSSerdem natürlich:

Christian David – »Sonnenbraut« (Deuticke) Das Debüt »Mädchenauge« kam zwar wie ein verschrifteter »Tatort« rüber, aber der cholerische Ermittler und die naive Streber-Staatsanwältin haben was. Pierre Bayard – »Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat« (Kunstmann) Kann man immer brauchen. z.B. wenn man über Bücher spricht, die es gar nicht gibt. 053

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Co m i c s

Anthologie The Complete Zap Comix (Fantagraphics)

Gezeichnet

Ob Comic oder Graphic Novel, Nuri Nurbachsch checkt den Strich.

Prachtvolle Wertanlage Love Generation hin oder her, für Comics in den USA war 1968 ein gutes Jahr. »Zap Comix«, Pionierpublikation der Underground Comix, in einer liebevoll kompilierten Komplett-Box für Spätgeborene. Robert Crumb ist ohne Zweifel eine umstrittene Person. Als Künstler, aber auch als Mensch, ob es um seine Darstellung weiblicher Figuren und Menschen anderer Hautfarbe, seine Vergangenheit mit Drogen oder seinem diskutierbaren Opportunismus rund um das Charlie Hebdo-Attentat geht. Dennoch – vielleicht gerade auch deswegen – kann man ihm eine der relevantesten Veröffentlichungen der Underground-Comix-Szene der USA zuordnen: »Zap Comix«. Ende der 60er tauchten selbstveröffentlichte Kleinauflagen kontroversieller Comic Books in den USA auf, die sich bewusst gegen die erdrückende Vorherrschaft der Comics Code Authority (CCA) stellten. Wilder Sex, übertriebener Drogenkonsum, unkontrollierte Gewalt, schneidende Satire – alles, was nicht dem Reglement der CCA entsprach, kam in den Underground Comix zur Entfaltung und war eng verbunden mit der Hippie-Szene rund um Haight-Ashbury. Als »Zap Comix« #1 1968 auf den Straßen von San Francisco in Umlauf kam, agierte Robert Crumb keineswegs in einem Vakuum. Worin sich Robert Crumbs Werk von seinen Vorgängern allerdings wesentlich unterschied, war seine Selbstverständlichkeit. Das war nicht mehr allein ein rebellisches Auflehnen gegen Konformität, sondern eine spezifische Sensibilität, die zur Reife gelangt war. Beinahe ein halbes Jahrhundert später vermitteln die Illustrationen und Worte immer noch ein besonderes Lebensgefühl, das man alleine durch dieses Medium zumindest nachvollziehen kann, ohne es je selbst erlebt zu haben. Die Vielfalt der Ideen- und Bildwelten in »Zap« bleibt ungebrochen. Schon ab der zweiten Ausgabe lud Crumb weitere Künstler aus den unterschiedlichsten Ecken zur Teilnahme ein. Aus heutiger Sicht liest sich die Liste der Zap-Heads wie eine Ansammlung der Titanen ihrer Kunstform. Neben Crumb waren da Rick Griffin, Paul Mavrides, Victor Moscoso, Spain Rodriguez, Gilbert Shelton, Robert Williams und S. Clay Wilson beteiligt. Ironischerweise ist es diesen Leuten zu verdanken, dass Underground Comix über die Ränder ihrer heimatlichen Subkultur wucherten und in allen Bereichen massiven Einfluss hinterließen. Nicht minder ironisch ist es, dass man jetzt um schlappe 500 Euro sämtliche »Zap Comix« in einem wunderschönen, übergroßen Hardcover-Boxset namens »The Complete Zap Comix« kaufen und auf seinen Couchtisch stellen kann. Erstaunlicherweise aber haben Aneignung und Zeit der subversiven Energie dieser wegweisenden Veröffentlichungen nur wenig geschadet. 10/10 Nuri Nurbachsch

Keenan Marshall Keller, Tom Neely The Humans (Image) — Spätestens seit »Sons Of Anarchy« ist Biker-GangKriminalität der Flair der Zeit. Nun auch bei Comics. Zum Beispiel in »The Humans«. USA 1970. The Humans beerdigen einen ihrer Brüder, betrinken sich, geraten mit den rivalisierenden The Skabbs in eine Schlägerei, ficken, fressen und feiern. Der Clou: die Gangs sind Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans. Hans Rickheit Cochlea & Eustachia (Fantagraphics) — Cochlea und Eustachia leben in der gleichen unheimlichen Welt, die Hans Rickheit für all seine Figuren erschafft. Gebaut aus den Träumen, die kein Psychoanalytiker interpretieren möchte, wo das Unbehagen leise ist aber tief sitzt. Absurder Klamauk und blutiger Albtraum treffen sich hier. Allein die zierlichen Figuren und überschwänglichen Gemüter verleihen »Cochlea & Eustachia« eine Prise Unbeschwertheit. Olivier Schrauwen Arsène Schrauwen (Fantagraphics) — Was sich in »Arsène Schrauwen« abspielt, entspricht keinerlei Wahrheit und ist doch eine der seltensten Wahrheiten überhaupt: Pure Kunst und Kunstfertigkeit. »Arsène, Venture, Love, Architecture, Freedom, Fear, Lust, The Unknown, Nothing, Projection, Expectation, New Acquaintances, BullshitArtistry, Entrapment« (so sagt es das Cover). In nur zwei Farben entschlüsseln sich komplexe Situationen. Berauschend. Grant Morrison, Steve Yeowell Zenith Phase One & Two (Rebellion) — Eine der schärfsten Anwendungen der Superhelden-Trope findet ihren Weg aus dem Tal der Vergriffenheit in eine hochwertige neue Sammelbandveröffentlichung. »Zenith« ist Morrisons und Yeowells unbarmherzige Zerlegung von Medienwahn, Popstar-Idolatrie, Generationskonflikten und Opportunismus. Scharf in Wort und Witz, geistreich, trifft noch immer ungebremst das Auge – ein famoses Stück Comic-Book-Geschichte. Jamie Coe Art Schooled (Nobrow Press) — Ein Grund, warum man immer und immer wieder erzählen kann, wie sich Erwachsenwerden anfühlt, ist schlicht, weil es immer Jugendliche geben wird, die an der Schwelle zum Erwachsenen stehen. Einer Schwelle, die für jeden anders aussieht. Jamie Coe bringt uns an die »ErwachsenenSchwelle« von Daniel Stope, der zur Kunsthochschule geht. Gezeichnet mit Augenzwinkern und einem Hang zur Übertreibung.

Und auSSerdem natürlich:

Kurt Busiek, Benjamin Dewey – Tooth & Claw (Image) Anthropomorphes Fantasie-Epos von »Charakter mit Tiefe«-Meister Busiek. Sam Kieth – The Maxx: Maxximized (IDW) Ursprung der legendären Liquid TV-Figur, restauriert und wieder verfügbar. Bryan Talbot – Arkwright Integral (Dark Horse) Wegweisendes Meisterwerk über das Multiversum und psychische Kräfte. 055

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G a m es

(Anti)Kriegsspiel Es ist schwierig, Nichtspielenden zu erklären, was Bildschirmspiele einzigartig macht, was nur dieses Medium leisten kann und kein anderes. Nachvollziehbarer wird das durch Spiele wie »This War Of Mine«. Es herrscht Krieg. In einer belagerten Stadt schließen sich drei Menschen in einem zerbombten Haus zusammen, um zu überleben. Mehr wollen sie nicht. Aber die Ressourcen sind knapp und jeder Schritt ins Freie ist gefährlich. Und wer zuhause bleibt, um der Gefahr zu entgehen, muss sich immer noch vor Plünderern fürchten. Gespielt werden alle, die das Haus bewohnen. Gemeinsam müssen sie ihre Tage planen, Wache halten und im Schutz der Nacht nach Vorräten suchen. Sie müssen Nahrung herbeischaffen, die Kranken pflegen und sie bewahren sich gegenseitig vor der Verzweiflung. Es geht um Ressourcen, die allesamt knapp sind, und irgendwann wird dann doch der Überfall auf ein altes Ehepaar erwogen. Weil sie wehrlos sind und unser Freund verhungert. »Im Krieg sind nicht alle Soldaten.« So wirbt 11 bit studios für das Spiel und macht unmissverständlich klar, worum es geht: Es geht um das Sichtbar-Machen derer, die am Krieg nur passiv beteiligt sind und wohl am meisten unter ihm leiden; um die Zivilbevölkerung, die einfach nur versucht nicht zu sterben. Ein bisschen erinnert das alles an das ebenfalls herausragende »Papers, Please«, das in etwa so viel Frohsinn verbreitet wie ein Lars von Trier-Film. Spaß macht »This War of Mine« auch nicht, aber es stellt moralische Fragen, die weh tun. Es macht die Hoffnungslosigkeit nachempfindbar und die permanente Überforderung, die den Glauben ans Überleben immer weiter in der Ferne rücken lässt. Es zwingt dazu, immer weniger Rücksicht zu nehmen auf die Leiden der Hausbewohner, aufgrund einer Aufgabenstellung, die nicht lösbar scheint. Und letztlich bleibt vor allem viel Ablehnung gegen den Krieg und alle die, die ihn verursachen. 08/10 Harald Koberg

This War Of Mine (11 bit studios); PC, www.11bitstudios.com/games/16/this-war-of-mine 057

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TEXT Franz Lichtenegger BILD Petrovsky und Ramone, Marco Pavan, Bettina Rheims, Rosemarie Trockel, Zara Pfeifer, Rare Earth, Armin Linke

Die 80er waren viel mehr als nur Schulterpolster und Stulpen, auch der Tod wurde plötzlich trendy. Als Gegendiskurs zum omnipräsenten Jugendwahn erblickt der Mensch in der Mode nun seine eigene Sterblichkeit. Schwarze Federn, zerrissene Jeans, Totenschädel als Accessoires. »Love & Loss« vereint Fashion mit Fotografien, Videos, Installationen und jeder Menge schwarzem Humor. Strike a deadly pose. Eröffnung: 12. März, 19.00 Uhr; Dauer: 13. März bis 7. Juni Linz, Lentos

Love & Loss

TERMINE KULTUR

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TERMINE

KULTUR

Vienna For Art’s Sake! Wien, um der Kunst Willen. Das prunkvolle Protz-Ambiente im Winterpalais tritt schon bald in direkten Dialog mit zeitgenössischer Kunst im ungewöhnlichen kleinen Format 10 x 12 cm. Neben den Minis gibt es darüber hinaus 13 Interventionen von 13 Künstlern, deren Zusammenspiel mit den barocken Räumlichkeiten der ehemaligen Prinzenresidenz wohl einen Ausritt wert ist. Dauer: 27. Februar bis 31. Mai Wien, Belvedere Winterpalais

Schlaflos

TEXT Franz Lichtenegger BILD Petrovsky und Ramone, Marco Pavan, Bettina Rheims, Rosemarie Trockel, Zara Pfeifer, Rare Earth, Armin Linke

Sexeln, gebären, schlafen, kränkeln, sterben – zugegebenermaßen verbringen wir einen Großteil unseres Lebens im Bett. Das hat man auch im 21er Haus erkannt. »Schlaflos« betrachtet unser Lieblingsmöbelstück als Motiv in der Pop-Geschichte sowie in der zeitgenössischen Kunst – lange bevor John und Yoko eine Woche lang in Pyjamas gegen Krieg protestierten. Oder Madonna halt Madonna war. Dauer: 30. Jänner bis 7. Juni Wien, 21er Haus

Rosemarie Trockel Rosemarie Trockel wurde einst durch maschinell hergestellte Strickbilder von Playboy-Bunnys zur Legende, den Frauenrechtler-Stempel gab’s obendrauf. So einfach lässt sich die Trockel dann aber doch nicht auf Feminismus reduzieren. Ihre Bregenzer Ausstellung beweist einmal mehr, dass sie in ihrer mehr als 30-jährigen Karriere vor allem eines nicht verloren hat: Eigenwilligkeit. Eröffnung: 23. Jänner, 19.00 Uhr; Dauer: 24. Jänner bis 6. April Bregenz, Kunsthaus

Österreichische Dokumentarfotografie Im Salzburger Fotohof wird das Ausstellungsjahr mit Dokumentarfotografie aus Österreich eingeläutet. Dazu fanden sich acht Bildermacher, die sich intensiv und langfristig mit konkreten Orten und den damit verbundenen sozialen Themen befassten. Zara Pfeifers Serie »Analoges Alterlaa« konzentriert sich etwa auf die vom Tageslicht abgeschnittenen Gemeinschaftsräume der Wiener Großwohnsiedlung. Eröffnung: 22. Jänner, 19.00 Uhr; Dauer: 23. Jänner bis 7. März Salzburg, Fotohof

Rare Earth Dysprosium, Yttrium und Neodym sind nicht etwa Nightwish-Alben, sondern sogenannte Seltenerdmetalle. Die sind nicht nur, äh, selten, sondern auch zunehmend gefragt und in vielen alltäglichen Geräten zu finden. Demnach leben wir also im Zeitalter der Metalle der Seltenen Erden. 17 Künstlerinnen und Künstler spannen einen Bogen von Mythos und Kosmologie zu aktuellen Gadgets. Dauer: 19. Februar bis 31. Mai Wien, TBA21–Augarten

Landschaft in Bewegung Wenn da so ein Tornado daherkommt und »Move Bitch« anstimmt, ja, dann ist Landschaft wirklich in Bewegung. Die Natur steht nie still, entwickelt sich ständig weiter und lässt dabei das Morgen stets unbestimmt. Filmische Ausblicke darauf werden nun im Grazer Kunsthaus geboten, passend zum derzeitigen Landschafts-Themenschwerpunkt im Universalmuseum Joanneum. Eröffnung: 12. März, 19.00 Uhr; Dauer: 13. März bis 26. Oktober Graz, Kunsthaus 059

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Kunsthalle Wien

T ermine

G a lerien

Pierre BISMUTH Der KURATOR, der ANWALT und der PSYCHOANALYTIKER

Museumsquartier Michael Vorfeld, Fotogramm, 2009

Random Thoughts Of A Daily Light 35.000 Jahre lang bestand die Kunst hauptsächlich aus Malerei auf Flächen. Erst seit Beginn des 20. Jahrhunderts wird mit verschiedenen Materialien gearbeitet – seither auch in jeglicher Form. Seit Marcel Duchamp das Urinoir in die Kunst eingeführt hat, und Kasimir Malewitsch sein monochromes schwarzes Quadrat ausgestellt hat, sind den Experimenten keine Grenzen gesetzt. In der Ausstellung wird nun das Licht als Material untersucht, in seiner ästhetischen und funktionalen Ausrichtung. Das Licht wird dabei als Objekt wahrgenommen, aber auch als funktionaler Bestandteil von Objekten, als Teil von Installationen, Zeichnungen und Performances, als auch als Teil der experimentellen Filmkunst seit den 20er Jahren. bis 11. April das weisse haus, Wien

Niederösterreich

Denn der Mensch kann nicht Hund sein / Maria Peters

Die Kunst des Herrn Nestler Neue Galerie, Graz bis 22. Februar

Oberösterreich

Tirol

Salzburg

Wien

Ruth Root Galerie Ruciska, Salzburg bis 21. März N.N. Periscope, Salzburg bis 28. Februar Österreichische Dokumentarfotografie Fotohof, Salzburg bis 7. März

Steiermark

Kristian Schuller – Fotografie Atelier Jungwirth, Graz bis 1. März Kill The Routine – Zenita Komad Galerie Zimmermann Kratochwill, Graz bis 28. Februar Tot oder lebendig – Marion Rauter-Wieser Galerie Blaues Atelier, Graz 4. bis 27. Februar

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4/2 2015 22/3 2015 #Bismuth

Die Tiroler Künstlerin Maria Peters lässt in ihren Arbeiten kleine Bildwelten entstehen, die an surrealistische Collagen und Buchillustrationen erinnern. Peters, die lange als Restauratorin gearbeitet hat, bevor sie ihr Studium an der Akademie der Bildenden Künste und der Angewandten in Wien abschloss, geht in ihren Arbeiten oft von Texten aus. Im Stil der Collage verwendet sie dabei Auszüge aus den Werken von Jorge Luis Borges, Goethe und der Bibel, aber auch eigene Texte und nimmt diese Geschichten und Gedankengänge als Vorlage für ihre Arbeiten. bis 14. März Tiroler Kunstpavillon, Innsbruck

Gunter Damisch – Felder, Welten (und noch weiter) Landesgalerie für zeitgenössische Kunst, St. Pölten bis 23. Februar 2015 Perspektiven 2014 Kunstuniversität, Linz bis 18. April

TEXT Carola fuchs

Maria Peters, Wunderkammer mit Cynocephalus, Bleistift Aquarell auf Papier, 2013

Vor den Linien – Paul Thuile Galerie Elisabeth und Klaus Thoman, Innsbruck bis 14. März

My Private World – Werke aus der Sammlung Verbund Vertikale Galerie in der Sammlung Verbund bis 25.März Soldaten – Adel Abdessemed Galerie Christine König bis 7. März Es gibt in der Mitte der Zeit die Möglichkeit einer Insel – Thomas Riess / Alberto Storari Galerie Ulrike Hrobsky bis 7. März In Relation To Places And Time – Claudia Larcher & Hubert Lobnig Galerie Raum mit Licht bis 28. Februar Horn, reloaded. Horst Stein Galerie Reinthaler bis 28. Februar Auf dem Sprungbrett der Kunst ega Galerie bis 27. Februar

Pierre Bismuth, Respect the Dead – The Godfather Part II, 2001, Courtesy der Künstler und Jan Mot, Brüssel / Mexico City

Die Einzelausstellung präsentiert das komplexe Œuvre Pierre Bismuths aus den Jahren 1988 bis 2014, das unterschiedlichste Medien umfasst und ebenso experimentell wie humorvoll mit konzeptuellen Techniken umgeht. Seine Werke regen auf verführerische Weise dazu an, bestehende gesellschaftliche Konventionen zu hinterfragen. So setzt Bismuth der realen Welt, die aus regulierten Zeichensystemen besteht, eine Welt entgegen, in der die Ungewissheit und das Unbekannte dominieren. Alle Infos zu Ausstellung und Programm unter: www.kunsthallewien.at Kunsthalle Wien Museumsplatz 1, 1070 Wien, Austria kunsthallewien.at blog.kunsthallewien.at facebook.com/KunsthalleWien twitter.com/KunsthalleWien instagram.com/KunsthalleWien

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TERMINE

FESTIVALS

3 Fragen an Waltraud Grausgruber & Birgit Wagner (Tricky Women Filmfestival) Habt ihr eine Favoritin? Jeder Film, der bei uns läuft, ist etwas Besonderes. Im Wettbewerb zeigen wir herausragende Produktionen der letzten beiden Jahre. Da wir einen Boom bei den dokumentarischen Animationen verzeichnen, widmen wir diesem Trend ein spezielles Programm. Am Herzen liegen uns natürlich auch besonders die österreichischen Animationen und heuer auch Arbeiten aus Australien, der Slowakei, Tschechien und Kroatien. Jedes Jahr kommen bestimmte Themen besonders häufig in den Einreichungen vor, beschäftigen also international besonders viele Künstlerinnen – diese spiegeln wir dann in unseren thematischen Spezialprogrammen, heuer sind das psychische Facetten. In welche Richtung geht der Animationstrend? Analog oder digital? Die Trennung zwischen analog und digital ist nicht wirklich relevant, selbst wenn analoge Techniken angewendet werden, wird digital nachbearbeitet. Uns fällt aber auf, dass nach dem 3D-Boom wieder vermehrt die klassischen Animationstechniken ausgewählt werden. Gerade ist »Prinzessin Kaguya« von Isao Takahata bei uns in den Kinos angelaufen. Dieser jahrelang vorbereitete Film will bewusst einen »handgemachten« Eindruck vermitteln. Auch der oft prämierte Langfilm »Rocks In My Pockets« von Signe Baumane, der bei uns die Österreich-Premiere feiert, ist handgezeichnet. Für die, die gerne selber analoge Animationstechniken ausprobieren möchten, bieten wir rund ums Festival Workshops an. Ist der Animationsfilm bislang eine eher von Männern dominierte Branche? Wie in der übrigen Filmbranche gibt es, wenn große Budgets notwendig sind, wenige Produktionen von Frauen, beim kurzen Animationsfilm ist der Output von Frauen riesig. Tricky Women Festival 11. bis 15. März Wien, Metro Kinokulturhaus; www.trickywomen.at

Diese Frau ist Gott begegnet. Denn Gott hat auch Menschen mit Crocs lieb. In »Superwelt«.

Diagonale Die Diagonale ist der Pflichttermin für Filmliebhaber und Filmschaffende! Am Grazer Filmfestival wird österreichischer Film zelebriert wie Christoph Waltz bei den Academy Awards. Rund 26.000 Besucher kommen jährlich nicht nur zum Filmschauen, sondern zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem österreichischen Filmwesen zusammen. Um viereckige Augen zu vermeiden, bietet die Diagonale ein reges Rahmenprogramm. Nur eines wird man auf der Diagonale nicht finden: Überbewertete Schauspieler in viel zu teurer Kleidung die mit dem Satz »Ich danke der Academy für das Erkennen von Talent« weinend die Bühne verlassen. Um die langjährige Festivalleiterin Barbara Pichler wird man zwar in ihrem letzten Jahr weinen, mit dem Youki-Team Höglinger / Schernhuber hat man immerhin mit einer der mutigsten Entscheidungen im österreichischen Kulturbereich auf Jahre vorausgedacht. 17. bis 22. März Graz, diverse Locations

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TERMINE

FESTIVALS Auf Wiens erstem International Queer Performance Festival geht es alles andere als konventionell zu.

551 ... Nein, das ist nicht die Anzahl der verschiedenen Arten von Akkordeons, obwohl es viele sind. Am diesjährigen Akkordeonfestival wird auf die unterschiedlichsten Arten Luft gequetscht, allerdings nicht am größten Akkordeon der Welt. Das ist nämlich unhandlich und hat insgesamt 551 Tasten.

Straight to Hell

TEXT Robert Ziffer-Teschenbruck BILD Evelyn Rois, Diagonale/Lukas Maul, Ute Hölzl, Klaus Tauber

In der heutigen Zeit setzen wir auf Akzeptanz, kulturelle Vielfalt und Empowerment – und genau das feiert das erste Vienna International Queer Performance Festival »Straight to Hell«. An drei Abenden werden bei zahlreichen Performances Begriffe wie utopisch, störend und provokativ großgeschrieben. Wenn Putin nur davon wüsste … 26. bis 28. Februar Wien, Kosmostheater

Seit Jahrzehnten ist Otto Lechner blind im Dienst und auch dieses Jahr wieder Teil des Akkordeonfestivals.

Next Comic Festival

Am Next Comic Festival geht es nicht nur um Comics. Pardon, Graphic Novels. Das Festival ist so vielfältig wie die Comic-Verfilmungen der letzten zehn Jahre. Auch wenn die Förderung der österreichischen Comicszene im Vordergrund steht, können sich Fanboys und -girls an Lesungen, Animationsfilmen, Konzerten und anderen Aktivitäten erfreuen. 19. bis 27. März Linz, diverse Locations

Szene Bunte Wähne

Außer den Bobos beim Elmayer verirren sich nicht mehr allzu viele Jugendliche in einen Tanzkurs. Oder doch? Die Szene Bunte Wähne feiert den Tanz als Ausdrucksform für die Jugend. Tanz steht für Freiheit, Ausbruch und Abschalten – und genau das legt die Szene Bunte Wähne Kindern und Jugendlichen ab 2 Jahren nahe. 26. Februar bis 3. März Wien, Dschungel & WUK

Akkordeonfestival Bei einem Besuch am Akkordeonfestival sollte man auf jeden Fall seine Sauerstoffmaske einpacken, denn die Luft wird eng gequetscht. Das Spotlight beim diesjährigen Festival richtet sich besonders auf Akkordeonistinnen, denn die haben zwar mindestens genauso viel Quetschenpower wie ihre Kollegen, nur muss man leider immer noch extra drauf hinweisen. 21. Februar bis 22. März Wien, diverse Locations

Salzburg Biennale

Im Mittelpunkt des diesjährigen Festivals für Neue Musik steht der Begriff »Voices«. Stimmen können nicht nur für Gesang benutzt werden, sondern sind selbst Instrumente. Instrumente, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Trotzdem werden den Performances keine Grenzen gesetzt. Egal ob Gesang, Instrumente, Visuals oder Percussiontheater. 6. bis 22. März Salzburg, diverse Locations 063

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TERMINE

MUSIK

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20. + 21.03.

Soko Erst der Überraschungerfolg mit »I’ll Kill Her«, gleich darauf die selbstgewählte Auszeit. Nach fünf Jahren schließlich doch noch das überaus verletzlich klingende Debütalbum »I Thought I Was An Alien« und jetzt, drei Jahre später, dessen Nachfolger. Soko hat immer schon mit ihren Dämonen zu kämpfen gehabt – und einen daran auch teilhaben lassen. Auf »My Dreams Dictate My Reality« tut sie dies nun mit größerem Selbstbewusstsein, so scheint’s, mit immer wieder mitreißendem 80er-Indie-Sound in dezenter Goth-Tönung. Eine in jedem Fall hörenswerte Entwicklung. 13. März Wien, Flex

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Keine Urlaubsdiashow, bei der John Talabot nicht durch’s Bild läuft.

7 Jahre Strom Club Der Strom Club feiert unrunden Geburtstag und schlägt gleich doppelt Krach: zum einen in der Grazer Postgarage mit den Herren von Simian Mobile Disco und zum anderen mit John Talabot in der Wiener Pratersauna. Wobei der Spanier wohl etwas subtiler zu Werke gehen dürfte als seine beiden englischen Kollegen. Dass es rund um die zwei Headliner noch jede Menge Begleitprogramm geben wird, versteht sich von selbst. 6. März Graz, Postgarage — 7. März Wien, Pratersauna

TEXT Manuel Fronhofer, Jana Wachtmann BILD Robin Black, The Windish Agency, Polyvinyl Records, Cass Bird, Beatriz Morales, Archiv (2)

Schwarzweiße Hypnose-Spiralen und in ihrer Mitte eine wie verwandelt wirkende Soko.

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MUSIK

highlights Sa. 07.02. // 20:00 HipHop

Alvvays

Nazar / Mortis

Ihr »Archie, Marry Me« kann getrost zu den besten Indie-Pop-Songs des letzten Jahres gezählt werden. Das zugehörige Debütalbum der kanadischen Band sprudelt nur so über vor sehnsuchtsvoller Melancholie, bittersüßen Gesangsparts und mal hallenden, mal zart widerspenstigen Gitarren. Schon sehr schön. Und jetzt alle: »Hey, hey, marry me, Archie!« 12. Februar Wien, B72

Do. 19.02. // 20:00 Kabarett

Flüsterzweieck: Menschenkür

Katy Perry

Wer mit Katy Perry selbst als guilty pop pleasure nichts anzufangen weiß, für den oder die gibt es eventuell einen anderen Grund, an diesem Abend in der Stadthalle vorbeizuschauen – halt etwas früher: Auf Perrys Prismatic Tour gibt nämlich die allseits gefeierte Charli XCX den Support-Act. Vielleicht das letzte Mal, bevor sie dann selbst die ganz großen Hallen füllt. 26. Februar Wien, Stadthalle

Bild: Arnold Pöschl

Katy Perry / Charli XCX

Fr. 20.02. // 20:00 Postrock

Yann Tiersen

Sa. 21.02. // 20:00 Kabarett

Michael Eibensteiner: Nacktaffe

Gods

Dem Anwachsen der Band und der Erweiterung ihres musikalischen Horizonts haben Bensh mit einem Neustart als Gods Rechnung getragen. Von ihrem Auftritt beim Eurosonic Festival sind bereits aufgeregte Berichte nach Hause durchgedrungen. Der Schritt von ideenreich-ausgefeiltem Songwriter-Pop Richtung Synths und Elektronik erweist sich aber auch auf Platte als geglückt. Release-Konzert! 27. Februar Wien, Fluc

Di. 24.02. // 20:00 Indierock

The Subways

Mi. 25.02. // 20:00 Comedy & Magic

Marc Haller: Erwin aus der Schweiz

Fr. 27.02. // 20:00 Kabarett

Hosea Ratschiller: Doppelleben

Just Blaze

Jay-Z, Eminem, Snoop Dogg, Usher, Kanye West, Busta Rhymes, Rick Ross, Drake – sie alle haben in den letzten 15 Jahren mit ihm gearbeitet. Unlängst gab’s eine Kollabo mit Baauer (»Higher« featuring Jay-Z), die auch ziemlich eingeschlagen ist. Kein Wunder also: Just Blaze gilt als einer der wichtigsten Produzenten des US-HipHop. Und ja, er kommt auf ein Gastspiel nach Wien. 7. März Wien, Cafe Leopold

Sa. 28.02. // 20:00 Punk-Cabaret

The Tiger Lillies

Fr. 06.03. // 20:00 Indierock

Olympique / Lot / Gospel Dating Service

Sa. 07.03. // 20:00 HipHop

Step Forward Festival

Crack Ignaz

TNT – Blumentopf & Texta live

Auch im fünften Jahr zeigt sich das Step Forward Festival von seiner besten Seite: Celeste, Cafe Leopold, Pratersauna und Fluc dienen als Locations, DJ Vadim, Waze & Odyssey, Bass Gang, Crack Ignaz u.v.a.m. sorgen an den drei Wochenenden der Veranstaltung für den Sound. Dazu gibt’s eine Street-Art-Ausstellung. Vorbeikommen, zum fünften Geburtstag gratulieren, mitfeiern! 14. bis 28. März Wien, diverse Locations

Bild: The Arcadia Agency

TEXT Manuel Fronhofer, Jana Wachtmann BILD Robin Black, The Windish Agency, Polyvinyl Records, Cass Bird, Beatriz Morales, Archiv (2)

TERMINE

Mo. 09.03. // 20:00 LiteraturSalon

Arno Geiger: Selbstporträt mit Flusspferd

18+

New Sound Festival

Koenigleopold

Justin Swinburne und Samia Mirza dringen in die allerfinstersten Ecken des R’n’B vor, um sich an Themen wie Identität und Sexualität abzuarbeiten. Verführerisch und bedrohlich zur gleichen Zeit – in unserer digitalen Welt sind die unbehaglichen Seiten von Intimität eben stets präsent. 1. Februar Wien, tba

»Heute schon den Sound von morgen hören«, so das Motto dieses neuen Festivals. Mit 20 Bands auf drei Bühnen setzt die LS Konzertagentur einen Akzent in Sachen Aufbauarbeit. Mit dabei sind auch Wanda, deren Durchbruch ja bereits »gestern« geglückt ist (um in der Diktion zu bleiben). 14. März Wien, Ottakringer Brauerei

Auf dem Debütalbum »Eure Armut kotzt mich an« betreibt das steirischwienerische Duo wahnwitziges GenreHopping. Und der Spaß kennt auch auf der Bühne keine Grenzen, wo die Royals Musiktheater, Performance und Improvisation mit Humor, Groove und Ekstase kurzschließen. 24. Februar Wien, Konzerthaus

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Mi. 11.03. // 20:00 Kabarett

Nadja Maleh: Placebo

POSTHOF – Zeitkultur am Hafen, Posthofstraße 43, A – 4020 Linz Info + Tickets: 0732 / 78 18 00, www.posthof.at

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Know-Nothing-Gesellschaft von Illbilly The K.I.T.T.

Das duldet keinen Aufschub

illustration Jakob Kirchmayr

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ollte mich dereinst einmal irgendwer fragen, wie denn das Jahr 2015 für mich muss, sondern hängt sie sofort auf die so gewesen ist, werde ich hoffentlich das dafür vorgesehenen Ständer, sobald die Wort »Meilenstein« in den Mund nehmen. Waschmaschine durch langes Gepiepse Ich habe nämlich die Präkrastination für darauf aufmerksam macht, dass alles fertig mich entdeckt. Die Präkrastination ist ein ist und man tunlichst mit Freude zur derart heißer Scheiß, ein Dernier Cri, wie Wäsche-Entnahme hoppelt. Präkrastinieren ist also ziemlich krank. der Je-suis-Charlie sagen würde, dass man Man kann aber auch Angenehmes sie noch gar nicht gescheit in den Suchmaschinen findet. Also schon, aber nur »unge- schnell erledigen und sich Dinge schönreden. Wenn man zum Beispiel sein fähr 373 Ergebnisse« werden ausgespuckt. Deckweiß nicht halten kann und zu früh Gratis dazu gibt es das lapidare »Meinten Sie: Prokrastination?«. abjankert. Ejaculatio Praecox. Ein nicht zu knapper Prozentsatz, Nein, du Suchdummerchen, diesmal ungefähr 31 Prozent um genau zu sein, der meinte ich es wirklich so, wie ich es 18-34-jährigen Männer (Alterszielgruppe hinschrieb. Nicht wie sonst wenn ich von thegap) macht dies übrigens und zum Beispiel »Heullbequ«, »Houllebequ«, präkrastiniert still vor sich hin. Schleudert »Hoellebequs« eintippe. Stundenlang seinen Samen kurz nach, oder noch viel könnte ich mich jetzt übrigens wundern, blöder, kurz vor Eindringen in eine der was denn »ungefähr 373« heißen soll. Für zwei bis drei dafür vorgesehenen Körpermich klingt das nämlich ziemlich exakt. öffnungen hinaus in Welt. Das ist ungut. Aber bitte diese charmante Unverbindlichkeit hat was, vielleicht sogar Zeitgeistiges Verkauft man es aber ab jetzt als heißen und eignet sich zudem auch hervorragend, Trend »Präkrastination« springt vielleicht um es in den Alltag zu integrieren. Wann jemand auf den Zug auf und fühlt sich soll ich denn da sein? »Um ungefähr 20.15 besser. »Was regst du dich auf, ich liefere Uhr, aber sei pünktlich?« Wie viel kriegen halt früher geil ab – auch als Musiker, DJ, Sie von mir für die prompte Behebung Produzent und Journalist!« des kleinen Abflussmalheurs? »Ungefähr So selbstbewusst gehen aber die 250,39 Euro.« »Pass beim Hobeln auf deine wenigsten mit derartigen Problemen um. Finger auf, lieber Freund. Du hast jetzt Ein sehr guter Freund erzählte mir einmal, noch ungefähr zehn, die wachsen aber dass er, um sein Pulver ein wenig länger nicht nach und Do-It-Yourself ist nicht bei sich zu halten, an längst verstorbene alles.« alte Hollywood-Schönheiten denkt. Er ist Doch zurück zur Präkrastination, die Cineast und kann länger, wenn er an die ich für mich entdeckt habe. Obwohl ich Monroe, Lauren Bacall und – ganz bizarr weiß, dass die vier Leser, die ich habe, – an die Nippel von Farrah Fawcett denkt. alle sehr schlau, ausnehmend schön und Ich beruhigte ihn und sagte, dass es keine wohlriechend sind, will ich kurz umreißen, Sehnsucht nach Nekrophilie ist. Eher eine worum es beim Präkrastinieren geht. Man Unterwerfungsfantasie mit Drall ins Leblose. Dennoch empfahl ich ihm dann doch schiebt dabei nichts mehr auf die lange besser solche Dinge fürderhin mit seinem Bank und erledigt immer alles gleich. Psychologen zu besprechen. Auch weil ich Vor allem Unangenehmes. Recherche für nicht versprechen kann, derartige Infos einen Artikel. Oder das Schreiben einer nicht irgendwo zu verbraten. Kolumne zum Beispiel. Und mehr noch. Ungut ist übrigens dieser komische Man erledigt seine Pflichten nicht nur termingerecht, sondern bereits vor etwaigen Schlag Mensch, der in Leder-Boots mit offenen Schuhbändern herumrennt. Ich hab Deadlines. Auch geschleuderte Wäsche lässt man nicht in der Trommel vor sich die unter Schnellspritzer-Generalverdacht, seit mir einer von denen mal auf höfliche hingammeln, bis man sie wieder waschen

Nachfrage, warum er das denn mache, mitteilte: »Das ist gar nicht unpraktisch, weil, du bist schnell im Schuh drinnen und auch wieder draußen.« Meist tragen die männlichen Exemplare dieser Gattung auch noch kräftige Bärte, die sich gut beim lässigen Abhängen in Cafés und auf Tanzflächen machen, aber auch in jedem Kalifat für große Beifallsbekundungen sorgen würden. Ich vermute allerdings, dass die nie gelernt haben wie man eine Masche macht. Weil sie einfach zu dumm und oder motorisch überfordert sind und von Kindesbeinen an in Klettverschlussschuhen steckten. Die warten sicher auch schon alle auf die diese selbstbindenden Zurück-in-die-Zukunft-Turnschuhe vom unumstritten sympathischen Weltkonzern Nike, die im Oktober ihren großen Auftritt am Absatzmarkt haben. Trotzdem: Wenn man nicht gerade ein Raumfahrer ist und schwerelos im All herumgurkt, sehe ich jetzt eigentlich keinen vernünftigen Grund, Klettverschlüsse und Kleidungsstücke zu kombinieren. Außer man hat vielleicht Parkinson oder leidet an den Folgeschäden eines Schlaganfalls. Aber Ausrede ist das jetzt auch keine, solange man ein Fünkchen Stolz in sich trägt. Mein Opa, band nach seinem Schlaganfall einhändig mit links und nach seinem zweiten schnürte er Schuhe mit dem Mund zu, der gut gedehnte, zähe Hund. Was Klettverschlüsse für Raumfahrer so vernünftig macht – nur falls jemand fragt – kann ich allerdings nicht mehr genau sagen. Ich sah mal eine Doku über den Erfinder des Klettverschlusses, ein Schweizer übrigens, die man zwischen zwei Nazi-Dokus hineinprogrammiert hat und da wurde erwähnt, dass die Dinger im All unabdingbar sind. Mehr weiß ich nicht mehr.

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Illbilly The K.I.T.T. www.facebook.com/ illbilly

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